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1. Kapitel


Mein Leben war eigentlich perfekt. Ich hatte einen liebevollen Mann und zusammen hatten wir zwei entzückende Kinder. Nach 8 Jahren Ehe waren wir noch immer verliebt wie am ersten Tag. Zu guter letzt hatten wir uns im vergangenen Jahr sogar noch unseren Traum vom Eigenheim erfüllt. Ich müsste die glücklichste Frau der Welt sein, dachte ich manchmal im Stillen, doch es gab da eine Sache die mich zeitweise mächtig störte.

Es war mein schwabbeliger, faltiger Babybauch bzw. das, was davon übrig war. Vom einst so streifenfreien, prallen riesigem Babybauch, der mit seinem damaligen Inhalt noch sehr schön anzusehen war, war leider nur noch ein Hautlappen übrig. Die Geburt von Sarah war allerdings schon 2 Jahre her und dieses hängende etwas wollte einfach nicht verschwinden.

Mein Mann Frank hatte damit angeblich überhaupt keine Probleme.
"Dafür hast du unseren 2 bezaubernden Kindern das Leben geschenkt." bekam ich regemäßig zu hören wenn ich abends, im halbdunklen Schlafzimmer in Windeseile versuchte meine Hose mit der Schlafanzughose zu tauschen, wobei ich jedes Mal ganz geschickt mein T-Shirt soweit runter zog, dass Frank auch bloß nichts von meinem Bauch sehen konnte.

Er mochte es nicht, dass ich mich abends so einmummelte, dass er keine Chance hatte auch nur einen Zentimeter Haut von mir zu berühren, mit Ausnahme von meinen Händen und meinem Gesicht natürlich. Aber ich schämte mich so sehr für meinen Bauch, dass ich kaum Nähe zu ließ. Mir war bewusst, dass ich ihn damit kränkte und so kam mir kurz vorm schlafen der entscheidende Gedanke.

Ein Fitnessgerät musste her! Weihnachten stand vor der Tür und ich schaffte es doch tatsächlich Frank am nächsten Abend von meinem Vorhaben zu überzeugen. Ich wollte endlich was gegen meinen störenden Bauchfetzen tun und im Allgemeinen konnte es meiner restlichen Figur auch nicht schaden mich mal ein wenig sportlich zu betätigen.

Gesagt getan - ein Crosstrainer sollte es werden.

Ich bestellte noch am gleichen Abend ein gutes Modell im Internet und fieberte dem Paketdienst entgegen, der glücklicherweise bereits 2 Tage später mit dem riesigen Karton vor meiner Haustür stand. Als Frank um halb 5 müde von der Arbeit kam tat er mir den Gefallen meinen Crosstrainer gleich aufzubauen.

Voller Elan und Ehrgeiz stand ich 2 1/2 Stunden später auf meinem Trainingsgerät und war bereits nach 5 Minuten total erschöpft.

Nachdem ich Sarah und Leon ins Bett gebracht hatte, es war mittlerweile kurz vor 9, machte ich erneut einen Anlauf und trainierte weitere 10 Minuten. Innerhalb einer Woche schaffte ich es immerhin auf fast täglich eine halbe Stunde und begann nun auch allmählich unsere Ernährung ein wenig umzustellen. Anstelle von weißen Brötchen gab es nun Vollkornbrot und statt Salami kam nur noch Putenwurst auf den Tisch.

Selbst an den Feiertagen schaffte ich es mich einigermaßen zu beherrschen und nach 8 Wochen schwitzen stellte ich mich zum ersten Mal meinem Feind: der Waage!

Ich konnte kaum glauben was ich da sah. Ich hatte tatsächlich 3 kg abgenommen. Stolz wie Oskar teilte ich es meinem Frank mit und er gab zu, dass er es schon ein klein wenig an meinem Bauch gesehen hätte. Er würde ein bisschen fester aussehen. Dieser kleine Erfolg beflügelte mich regelrecht weiter zu machen. Mittlerweile hatte ich sogar Spaß daran gefunden und fühlte mich ausgeglichener und fitter.

Doch Frank war komisch geworden in den letzten Wochen. Irgendwie abweisend. Ich gab mir die Schuld. War ich vielleicht nicht mehr die lustige, gelassene Frau seit ich mir gewisse Verbote in Punkto Essen einräumte und fast täglich auf meinem Fitnessgerät strampelte. Frank hielt das alles für schwer übertrieben. Wir hatten immer häufiger Streit deswegen.

Eines abends, ich hatte mal wieder meinen leckeren Salat mit Putenbruststreifen gemacht, kam Frank nicht nach Hause. All die Versuche ihn anzurufen schlugen fehl. Er war einfach nicht erreichbar.
Ich machte mir ernsthaft Sorgen. Noch nie war er von der Arbeit nicht nach Hause gekommen. Er hatte sich doch immer extra beeilt um seinen Kindern noch einen Gute Nacht Kuss zu geben.

Ich hatte wahnsinnige Verlustängste, als er schließlich halbtrunken versuchte seinen Schlüssel ins Schloss zu stecken. Als ich die Tür öffnete fiel er betrunken in meine Arme. So kannte ich meinen Frank nicht. Doch es sollte noch härter kommen.

Er begann mich zu beschimpfen. Ich würde nur noch an mich und das verdammte Fitnessgerät denken. Er und unsere Kinder wären nur noch Nebensache.

Doch er war völlig im Unrecht! Das stimmte überhaupt nicht! Ich liebte unsere beiden Kinder mehr als ihn, sie waren mein Leben, mein ein und alles!

Ich wurde wütend. So wütend, dass ich ihm schließlich im Effekt eine Vase an den Kopf wurf.

Der Knall, als sie zu Boden fiel machte mir Angst. Da war sie wieder, die Liebe zu ihm, die soeben für einen Moment lang in Hass ausgeartet war.

Doch Frank lag regungslos am Boden. Ich schüttelte ihn, schrie seinen Namen, doch er lag einfach nur leblos da. Das Blut spritzte aus seiner Schläfe. Ich weinte unerbittlich. Er hört mich nicht, das einzige was ich hörte war das weinen meiner Sarah, die vom Streit wach geworden war. Ich eilte wie in Trance nach oben und tröstete sie schnell.

Wieder unten angekommen legte ich mich auf Frank. Ich umklammerte ihn mit meinen Armen, mit meiner Liebe, doch mit entsetzen musste ich feststellen, dass nichts mehr zurück kam. Ich hatte ihn verloren, er war kalt. Ich bekam eine Gänsehaut, wollte fliehen, doch wohin? Ich weinte unaufhörlich und als mir langsam die Tränen ausgingen und ich nicht mehr konnte wählte ich nur noch die 110.

Ein paar Minuten später standen Scheinwerfer mit Blaulich in unserem Garten. Sie packten Frank auf eine Trage und transportierten ihn ab. Ich schrie nach ihm, es tat mir alles so schrecklich Leid, doch er reagierte nicht mehr.

Er konnte nicht mehr reagieren, ich hatte ihn umgebracht. Ich war nicht mehr ich selbst. Mein Leben war ein einziger Scheiterhaufen. Ich war es nicht wert weiter zu leben. Doch konnte ich das meinen Kindern antuen?

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Tag der Veröffentlichung: 03.02.2012

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