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Tote Mädchen werden verschwiegen

Gwinith lehnte ihr überhitztes Gesicht gegen die kühlende Fensterscheibe. Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen zu einer einheitliche Pampa aus schlammfarbenen Tönen. Das Ruckeln des Zuges sorgte dafür, dass sie mit der Stirn hart gegen die Scheibe stieß. Leise fluchend drehte sie sich weg und rieb sich über die übermüdeten Augen. Sie wollte nicht wissen wie sie momentan aussah. Schwarze Augenringe und unreine Haut, wahrscheinlich Hautauschlag, welchen sie unter Stress immer bekam. Schon seit einigen Tagen hatte sie keinen richtigen Schlaf mehr finden können. Um genau zu sein, vor zwei Tagen, als man ihr mitteilte, dass ihre beste Freundin ermordet worden war. Bis dahin hatte sie erst zwei Begegnungen mit dem Tod. Bei ihrer Grandma und bei ihrer Katze Ming Weng. Beide waren friedlich entschlafen. Die Tatsache, dass sie nicht leiden oder um ihr Leben kämpfen mussten, war für Gwinith sehr beruhigend. Doch nun war Leyla getötet worden. Vergiftet.

Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass es Personen gibt, die Leyla genug hassten, um ihr so etwas anzutun. Ihrer besten Freundin.

"Gwi? Ist bei dir alles in Ordung?", erkundigte sich Leslie, die ihr gegenüber saß, besorgt und beugte sich weiter zu ihr vor.

Ob alles in Ordung war? Ihre beste, aber auch wirklich aller beste Freundin war vergiftet worden und ihre gesamte Clique waren tatverdächtig. Und alles nur, weil sie alle, ohne es zu wissen, zur geschätzten Tatzeit nur 20 Minuten enfernt in einem Ferienhaus gefeiert hatten. Natürlich hatten alle getrunken und zwar genug, um tief und fest den Rausch ausschlafen zu müssen. Es war eine tolle Überraschung, als die Polizei jeden befragte, während sie mit einem fetten Kater zu kämpfen hatten. Für Les, Mel, Vi und Gwinith war diese Nachricht ein Schock gewesen. Seit Monaten hatten sie alle nichts mehr von Leyla gehört gehabt. Nach der ersten Befragung durften sie endlich zurück nach hause fahren. Doch ihre Eltern hatten einstimmig beschlossen sie zusammen zurück zu schicken, damit sie der Polizei zur "Verfügung" stehen konnten. Das ging, wie war es auch anders zu erwarten, problemlos, denn noch waren Ferien. Wahrscheinlich dachten ihre Eltern, es würde ihr gut tun zu sehen wie Leyla gelebt hat und ein bisschen Abstand von zuhause zu bekommen. Zuhause, ein Ort, der gefüllt war mit Kindheitserinnerungen. Vielleicht sollte sie ihren Eltern nicht so viele Vorwürfe machen.

Jetzt sahen auch Melanie und Violett auf, um sie mit besorgten Blicken zu bedrängen.

"Klar, ich meine, ich bin nur gespannt, ob die uns mit einem Streifenwagen abholen. Ich wollte da schon immer mal drin mitfahren und außerdem hätten wir dann unseren unvergesslichen Auftritt schon hinter uns", erwiderte Gwinith als Antwort auf die fragenden Blicke ihrer Freundinnen. So auffrichtig ihre Gesichter auch aussahen, wusste sie, dass eine auffrichtige Antwort nicht von ihr erwartet wurde.

Die drei anderen lachten und warfen ihr hellblondes Haar zurück. Von hinten konnte man die Drei nur schwer unterscheiden, aber da sie alle schon seit der fünften Klasse fast jeden Tag zusammen verbracht hatten, gelang es Gwinith problemlos sie auseinander zu halten.

"Das ist unsere Gwi!", kicherte Mel und zog das "i" dabei unangenehm in die Länge.

Von Anfang an war Gwinith dafür verantwortlich schwierige Situationen oder schweigsame Momente mit ihren komischen und seltsamen Kommentaren und Einfällen aufzulockern, was ihr meistens auch gut gelang. Niemand konnte sagen sie machte ihren Job nicht gut!!

Auf dem kleinen Klapptisch vor ihr vibrierte ihr Handy. Ein flüchtiger Blick genügte, um zu sehen wer ihr eine SMS geschickt hatte. Das wäre schon die 15. (nicht dass sie das mitzählen würde). Trotz ihrer Bemühung schnell dem Namen wegzudrücken, bemerkte Les das Vibrieren und erkannte das auftauchende Bild. Mitfühlend schaute sie Gwinith in die Augen, denn sie wusste wie schwer es Gwinith gefallen war Alan zu erklären, dass sie eine momentane Pause einlegen wollte. Alan verstand einfach nicht wie sie sich jetzt fühlte. Leyla war ermordet worden und war tot. Dass Leyla vor ungefähr einem halben Jahr wegziehen musste, hatte sie schon schwer angeschlagen. Vermutlich waren es erst diese Umstände gewesen, die sie dazu bewegt hatten in eine Beziehung mit Alan zu stürzen. Sie hatte sich verzweifelt nach etwas gesehnt, dass die Lücke füllen konnte. Doch sie war immer noch auf der Suche.

Betrübt senkte Gwinith den Blick und beobachtete ihre Hände, welche vollkommen ruhig in ihrem Schoß lagen. Noch nie hatte sie sich so verletztlich wie jetzt gefühlt. So offen, als könnte jeder in ihr lesen wie in einem Buch. Aber es gab da ein paar Personen mit denen sie auf keinen Fall ihre tiefsten Geheimnisse teilen wollte. Früher, als Leyla noch bei ihnen war, hatten sie alle kreuz und quer gequatsch und gelacht, sie haben gelästert und sich über alles mögliche lustig gemacht. Diese Zeit war unbezahlbar, aber sie war nicht nur das, sondern auch noch vorbei. Vergangenheit. Es machte keinen Sinn sich mit Vergangenem aufzuhalten, mit etwas was nicht mehr sein kann. Allein die Gegenwart sollte gelebt werden. Aus reinen Schuldgefühlen regte Gwinith ein Gespräch mit Vi über Selbstbräuner an, obwohl sie eigentlich nicht gerade in der Stimmung war, aber Vi, Mel und Les sprangen verzweifelt darauf an.

Glücklicherweise ließ das Gespräch die Zeit schneller vergehen und schon bald kamen die Mädchen an. Alle hatten mit zwei Koffern plus eine Handtasche zu kämpfen, anscheinend hinderte der Mord an eine ihrer Freundinnen sie nicht daran sich genügend Zeit zum Packen zu lassen. Der Bahnhof war sehr unspektakulär. Nicht viele Gleise, kleine Geschäfte in der Eingangshalle und viel Betrieb war für einen Samstag auch nicht. Gwinith verstand nicht, warum Leylas Eltern unbedingt in dieses Kaff ziehen wollten. Insgeheim hatte Gwinith die Eltern gehasst, denn schließlich hatten sie ihr ihre beste Freundin weggenommen. Kichernd traten sie nach draußen und wurden schon von der Polizei "herzlich" begrüßt (naja, so wie die Polizei sich das eben erlauben darf). Aus dem ersten Auto stiegen zwei Männer. Beide waren groß und sahen für ihr Alter recht passabel aus. Der ältere von beiden hieß uns alle herzlich willkommen, während er für den Anlass unpassenderweise zu aufrichtig lächelte. Der Jüngere nickte nur stumm und behielt seine eiserne Miene bei. Auf Kommando wurden Vi, Les und Mel ernst und setzten eine betrübtes Gesicht auf, nur Gwinith versuchte sich an einem höflichen Lächeln.

"Danke, das war sehr zuvorkommend. Ich bin Gwinith Offers."

Während die anderen sich alle gegenseitig vorstellen, entdeckte Gwinith einen Jungen im zweiten Auto. Selbst durch die halb verdunkelten Fensterscheiben konnte sie erkennen, dass der Junge gut aussah. Und nicht nur einfach gut, sondern mein-herz-schlägt-schneller oder ich-werde-rot-heiß. Dabei fielen dem Jungen die Haare ins Gesicht, was verhindert, dass sie ihn genauer mustern konnte. Direkt kam ihr in den Sinn, dass sie sich besser von ihm fernhielt, denn es war fast so, als würde er ein Schild mit der Aufschrift: "Vorsicht, bitte ab hier nur noch für befugte Personen Zutritt" um den Hals tragen. Und eins war klar, sie war keine befugte Person. Anscheinend hatten sich die anderen entsprechend vorgestellt, denn die Mädchen begannen sich auf die zwei Autos zu verteilen.

"So jetzt darfst du endlich in einem Polizeiauto mitfahren, und aufgeregt?", flüsterte Mel Gwinith ins Ohr. Aber bevor diese anworten konnte, wurde ihre Gesprächspaartnerin abgelenkt, denn der fremde Junge war auch für Mel nicht unbemerkt geblieben. Aufreizend beugte sie sich zu ihm runter und bot ihm eine besonders tiefen Einblick in ihren Ausschnitt.

"Na, Bankräuber oder Vergewaltiger?", sprach sie ihn mit rauchiger Stimme an. Der blonde Schönling blickte kurz in ihren Ausschnitt und dann in ihr hübsches Gesicht.

"Einsteigen bitte", unterbrach einer der Polizisten ihr Starren und hastig stieg sie in den ersten Wagen, während die anderen Mädels sich noch darum stritten, wer bei dem Hottie mitfahren darf. Aus irgendeinem Grund schämte sie sich für ihre Freunde, die versuchten sich gegenseitig an die Wand zu spielen und die Aufmerksamkeit des Jungen zu gewinnen.

Vollkommen albern!

"Aussteigen", forderte der grauhaarige Polizist Gwinith entnervt auf. Überrascht schaute sie hoch und wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als sie sich eines besseren entschied und schweigend der Forderung nachkam. Doch als sie merkte, was der Kerl vor hatte, fing sie trotzdem an sich verhemmend zu wehren.

"Ohhhh nein, mich kriegt ihr da nicht rein!"

"Keine Sorge! Er ist kein Verbrecher und auch kein Bankräuber sonst würde er definitiv nicht hinter dem Steuer sitzen. Ich versichere dir, er ist nur ein Praktikant und er wird dir nicht weh tun."

Hilfesuchend sah sie sich zu ihren Freundinnen um, die sich schmollend in das andere Fahrzeug quetschen.

"Und trotzdem könnt ihr mich nicht dazu zwingen!", widersprach sie heftig.

Doch die Polizisten waren jetzt endgültig entnervt und mit einem unfreundlichen Schubser saß sie schon im Auto neben dem Praktikanten auf dem Vordersitz.

"Anscheinend doch", murmelte sie motzend zu sich selbst.

Eisern nahm sie sich vor den blonden Typ neben ihr zu ignorieren und drehte sich abwesend zum Fenster.

"Du bist eigenartig."

Überrascht wendete sie sich dem Fremden zu. Er sah sie mit unergründlichen grünen Augen an. Aber kein klares Grün wie Gwinith, sondern eine Mischfarbe, was seiner Schönheit jedoch keinen Abbruch tat.

"Was jetzt?", fragte sie und fühlte sich dabei unheimlich dumm.

"Ich hab schon die verschiedensten Reaktionen bei Mädchen ausgelöst, aber noch nie habe ich eines allein durch meine Anwesenheit verängstigt", stellte er trocken fest.

Empört warf sie ihm einen bewusst arrogenten Blick zu.

"Du hast mich nicht verängstigt! Und selbst wenn, wäre das kein Grund MICH komisch zu nennen."

"Achso, dann wolltest du nicht in dieses Auto steigen, weil du immer noch dachtest ich sei ein Vergewaltiger?"

"Nein, ich....ich....Ich saß doch schon im Wagen drinnen. Ich sehe nur nicht ein, deswegen mich woanders hinzusetzten."

Gwinith selbst hörte raus wie albern ihre Ausrede klang. Beleidigt und errötend wendete sie sich wieder ab. Sie hatte doch gewusst, dass sie mit dem Jungen nur unnötig aufregte. Die restliche Fahrt verlief ruhig. Irgendwann verschwand der vordere Polizeiwagen in einer Abbiegung. Anscheinend waren sie alle in unterschiedlichen Familien untergebracht. Danach dauerte es auch nicht mehr lange bis der Wagen vor einem großen Anwesen hielt. Entschlossen stieg sie aus und sie hörte wie der blonde Engel es ihr nach tat.

"Ich bin sicher, dass du hier gut aufgenommen wirst", erklärte Blondie Gwinith als Antwort auf ihren fragenden Blick. Da sie immer noch etwas sauer auf ihn war und sich wenigstens etwas rächen wollte, ließ sie ihn mit ihren zwei schweren Koffern am Auto stehen und schnappte sich lediglich ihre Handtasche. Vor der Tür holte sie kurz tief Luft und redete sich selbst Mut und Stärke zu.

"Keine Sorge, ich kenne die Familie, sie ist...okay", flüsterte ihr Begleiter ihr über ihre Schulter zu. Wütend darüber, dass er ihr Zögern gesehen hatte, klopfte sie sicher an die Tür. Keine Sekunde später öffnete sich diese und ein schwarzhaariges Model warf sich in ihre Arme.

"Oh mein Gott, du musst Gwinith sein, si? Ich bin Megan, aber du kannst mich einfach Meg nennen. Die ganze Situation tut mir soooo leid!", redete das Mädchen direkt auf sie ein. Als sie sich von Gwinith löste, konnte Gwinith genau den Moment erkennen, als Meg den Jungen direkt hinter ihr bemerkte, denn sie stellte sich aufrechter hin und drückte ihre Brust raus. Gwinith konnte nur mit viel Mühe verhindern die Augen zuverdrehen.

"Hi Cas! Auch hier? Was verschlägt dich denn hierher?"

Wahrscheinlich wollte sie ihn verführerisch ansehen, aber er hatte wieder seinen allgegenwärtigen gelangweilten Gesichtsausdruck aufgesetzt.

"Ich bin hier, um sicher zu gehen, dass Gwinith gut ankommt. Ich trag kurz ihre Koffer nach oben", entschuldigte sich Cas. Ohne nachzufragen wo das Gästezimmer liegt, trug er selbstsicher die Koffer die Treppe rauf. Ihm hinterher schmachtend lehnte sich Meg zu ihr hin und sagte kichernd: "Er ist ja sooo scharf!"

Gwinith wollte ihre neue Mitbewohnerin nicht verärgern und flüsterte ihr deswegen gespielt vertrauensvoll zu. "Das habe ich auf dem Weg hierher auch bemerkt. Arww, da will man einfach nur reinbeißen!"

Meg vorheuchelnd tat sie auf sofort sympathische beste Freundin.

"Du musst vollkommen fertig sein. Komm erst mal rein!", forderte Megan sie auf.

"Danke! Stimmt, ich bin echt müde und würde erst mal gerne ein bisschen schlafen."

Mitleidig sah Megan sie an. "Du hast mein vollstes Verständnis. Das alles ist für niemanden leicht. Du hast Glück meine Eltern kommen erst morgen abend zurück."

Das Telefon fing an zu klingeln.

"Oben gleich die erste Tür links", erklärte Meg hastig schon halb auf dem Weg zum Telefon.

"Haiiyy, Süße!", war alles was sie noch hörte, als Gwinith sich zu ihrem vorübergehenden Zimmer begab. Erwartungsvoll öffnete sie die Tür und verharrte dann, sie hatte vollkommen vergessen, dass Cas immer noch in ihrem Zimmer war.

"Deine Fürsorge ist wahrhaftig sehr schmeichelhaft, aber wenn du dich jetzt aus meinem Gemach begeben könntest, stände ich für immer zutiefst in deiner Schuld." Gwinith verwendete nur eine solche Ausdrucksweise, um die wahre Aussage dahinter ein bisschen die Härte zu nehmen. Die Aussage sollte sein: Wenn du jetzt nicht endlich abhaust, kann ich nicht versichern, ob du heil und unversehrt wieder aus diesem Haus rauskommst.

"Glaub mir, keiner steht gerne in meiner Schuld, denn ich treibe meine Schulden ein." Daran zweifelte sie kein bisschen.

Bedrohlich kam Cas immer näher an sie ran und nur mit viel Mühe konnte Gwinith ihre Panik hinter Gelassenheit verstecken.

"Hör zu, ich bin echt erledigt und will nur noch duschen und ins Bett", versuchte sie es diesmal etwas freundlicher.

"Okay, aber wie gesagt du schuldest mir was. Um 10 Uhr morgen ist deine Befragung. Sie wollten dich als erstes anhören. Ich rate dir pünktlich zu sein."

Mit diesen Worten ließ er Gwinith allein in ihrem zukünftigen Zimmer zurück.

Nach einer kurzen Dusche und dem 15minütigen Pflichtgesprächen mit Les und ihren besorgten Eltern legte sich Gwinith hin und schlief sofort ein.

 

Der Morgen war etwas hektisch verlaufen. Gwinith war erst spät aufgewacht und musste sich beeilen noch rechtzeitig zur Anhörung zukommen. Freundlicher Weise hatte Meg ihr angeboten sie zu fahren, da sie sich in der Stadt noch gar nicht auskannte.

Auf der Polizeistation führte ein uniformierter Polizist sie um Punkt 10 Uhr in einen leeren Raum. Nicht gänzlich leer, denn ein metallener Tisch und dazu passende Stühle ließen den Raum noch steriler aussehen als er ohnehin schon war. Auf einem der Stühle saß der Inspektor.

Wahrscheinlich haben die nichts besseres zu tun und nur aus Langeweile ziehen die hier alle Geschütze auf, dachte Gwinith. Der Inspektor war vertieft in seine Zeugenaussagen und machte nicht den Eindruck als wäre er Feuer und Flamme sie zu verhören. Die wenigen Haare, die sich noch auf seinem Kopf befanden waren schon vom Alter gebleicht und waren nach hinten gekämmt. Tief in den Augenhöhlen liegende Augen zeigten, was dieser Mann wahrscheinlich schon alles gesehen und erlebt hatte. Der Inspektor trug einen hellbraunen Trenchcoat unter dem ein Anzug hervor lugte. Peter Falk wurde alle Ehre gemacht. Nun blickte der Mann auf und schickte den Polizisten mit einem Kopfnicken raus.

 

Der gesamte Raum wurde erhellt von grellen Neonlampen und leuchteten auch in die hintersten Ecken, so als könnte sich nichts vor ihnen verstecken. In eben einer dieser Ecken stand Cas und blickte teilnahmslos auf das Szenario. So gelassen wie es ging und mit gelassener Miene setzte sie sich ohne aufgefordert zu werden auf den freien Stuhl, der dem Inspektor gegenüber befand. Zwischen ihnen nur der leere Tisch. Höflich legte Gwinith ihre verräterischen Hände auf ihren Schoß und gab sich jede Mühe nicht unruhig zu wirken. Noch eine ganze Weile sprach der Inspektor kein Wort sondern musterte sie nur eindringlich. Ihr war klar, dass er das nur tat, um sie zu verängstigen. Leider musste sie zugeben, es funktionierte. Sie war kurz davor aus dem Raum zu flüchten, aber sie wollte nicht schuldig erscheinen. Das Einzige, was ihre Situation noch verschlechtern konnte, war für den Tod an ihrer besten Freundin angeklagt zu werden.

 

„Ich bin Inspektor Samuels. Alles was Sie sagen kann und wird gegen Sie verwendet werden. Wie lang kannten sie Leyla Mayers?“, begann Samuel kühl. Er wollte ihr keine Zeit geben sich auf die Fragen vorzubereiten.

 

„Seit der fünften Klasse.“

 

Damals hatten sie und Leyla sich kennen gelernt und da sie gerade ihre letzte Freundin wegen einem Jungen verloren hatte, kam Leyla wie gerufen. Jemand dem es nicht unangenehm war, das Wort zu übernehmen. Unterwürfig war Gwinith darauf sofort angesprungen und war zum Anhängsel geworden. Dass sie nie wirklich ihre eigene Meinung sagen durfte, hatte sie nicht sonderlich gestört. Sie brauchte nur das Gefühl Teil eines Ganzen zu sein. Zu jemanden zu gehören. Dieses Sehnsucht war ihre durch ihre Freundinnen erfüllt worden. Mehr konnte man sich nicht wünschen.

 

„Wie verlief eure Freundschaft?“

 

„Ziemlich ruhig.“

 

Gwinith hatte das Gefühl er war nicht so wirklich daran interessiert von dem unerlaubten Alkohol, den wilden Partys oder den Streichen zu erfahren. Er wollte wissen, ob es jemals großen Streit gegeben hätte. Aber so war das nie gewesen.

 

„Wieso?“

 

Sie würde die Polizei nicht anlügen. Vielleicht ließ sie das ein oder andere Detail weg, aber lügen?

 

„Weil ich es nie gewagt hätte Leyla in irgendetwas zu widersprechen. Das hätte niemand von uns getan. Das käme einem sozialem Selbstmord gleich.“

 

„Leyla war also eure Anführerin?“ Es zeigte sich immer noch keine Regung in seiner Mimik.

 

„Ja, und niemand hätte das je bestritten.“

 

Der brennende Blick, den Cas ihr aus der Ecke zuwarf machte es ihr nicht unbedingt leichter sich auf die Fragen oder Antworten zu konzentrieren. Nervös bemerkte sie wie er die Stirn über ihre Antwort runzelte. Aber sie wusste man erwartete nicht von einem so vorlautem Mädchen wie ihr, dass es sich freiwillig versklaven lässt.

 

„Haben sie ihren Platz eingenommen?“

 

„Nein.“

 

Natürlich stand ihr der Thron zu, als aller beste Freundin von Leyla, aber sie wollte nicht so im Mittelpunkt stehen. Stattdessen wurde im Stillen Leslie erkoren sie alle anzuführen.

 

„Wieso ist Miss Mayers so plötzlich weggezogen?“

 

„Ihre Eltern hielten es für praktischer, weil sie hier einen Job zugewiesen bekamen. Leyla hatte sich nie wegen dem Umzug auch nur beschwert. Es traf uns wie aus dem Nichts heraus.“

 

Ehrlich gesagt es war ein Schock gewesen. Selbst als sie das leer geräumte Zimmer von Leyla sah, wollte Gwinith es immer noch nicht wahrhaben, dass es nun aus sein sollte. Natürlich hatten alle Leyla versichert, dass sie per E-mail oder Handy in Kontakt bleiben würden, doch es war nie so gekommen. Nach dem Umzug hatten sie vielleicht zweimal miteinander telefoniert? Sie hatten sich nichts mehr zu sagen.

 

„Wie hast du dich nach ihrem Umzug gefühlt?“

 

„Ich war traurig und ich wütend.“

 

„Auf wen?“

 

„Auf Leyla, auf ihre Eltern, auf mich selbst. Sie dürfen es sich aussuchen.“

 

„Ich hätte noch eine letzte Frage.“

 

„Na dann, schießen sie mal los Columbo!“, meinte ich belustigt. Auch Cas konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er musste sich sogar einmal Räuspern, um seine Belustigung zu verstecken. Jedoch ließ sich Samuel nicht von dem Kommentar irritieren, er war noch nicht mal beleidigt.

 

„Wieso haben sie Leyla umgebracht!!!!“, schrie der Inspektor plötzlich und wurde vor angestauter Wut ganz rot im Gesicht.

 

„Wir haben sie nicht umgebracht!“, antwortete Gwinith eingeschüchtert. Sie war sichtlich erschrocken.

 

„WIESO!!!“, wetterte er weiter.

 

„Aber ich versichere ihnen. Wir waren das nicht!“

 

„Wer von ihnen hatte die glorreiche Idee, Leyla für ihr Fehlverhalten bezahlen zu lassen!“

 

Der Inspektor war auf einmal aufgesprungen, so dass das Schrammen des Stuhles ohrenbetäubend quietschte. Bedrohend stützte er sich mit den Handflächen auf dem Tisch ab und lehnte sich gefährlich nahe zu ihr.

 

„Warst du es?“, fragte er flüsternd und eindringlich.

 

„Niemand von uns! Ich gebe zu es gab auf der Party etwas viel Alkohol, aber wir sind alle schon nach den ersten drei Flaschen eingeschlafen. Ich schwöre!“, hauchte Gwinith mit gebrochener Stimme. Nun wünschte sie sich sie hätte auf den Rat ihrer Eltern gehört und einen Anwalt zugelassen. Aber sie dachte, weil sie unschuldig war würde sie niemand verdächtigen. Du naives Kleinkind, beschimpfte sie sich selbst.

 

Ihr war anzusehen, dass sie den Tränen nah war und kaum noch sprechen konnte. Sie schämte sich ihrer Schwäche wegen und wurde rot.

 

„WARUM...“, wollte der Inspektor fortfahren, als er von Cas unterbrochen wurde.

 

„Ich glaube kaum, dass sie mit dieser Verhörungstaktik noch viel mehr aus ihr herauskriegen.“

 

Ohne noch ein weiteres Wort mit Samuels zu wechseln, ging er auf die ängstliche Gwinith zu und führte sie zum Ausgang. Obwohl er für sie Gefahr bedeutete, ließ sie sich nur allzu gerne von ihm aus der Polizeiwache geleiten. Sie war aus der Fassung. Tatsächlich wurde sie für den Mord an ihrer Freundin verdächtigt. Zu so etwas wäre sie nie fähig gewesen.

 

Hinter ihnen schloss sich die Türen der Wache mit einem dumpfen Einrasten des Schlosses. Damit niemand die erstarrte Gwinith sah, führte Cas sie in eine schmale Nebengasse. Das hier war schließlich eine kleine Stadt und Tratsch verbreitete sich hier schneller als eine SMS.

 

Zuerst befürchtete Cas, dass sie jetzt hysterisch rumbrabbeln und heulen würde, aber er sah nur eine einzige Träne, die sie stumm vergoss. Sie lief ihr die Wange hinunter und hinterließ eine feuchte Spur. Für ihn war dieser stille Augenblick viel schlimmer, weil er nicht wusste was er tun sollte. Fast wünschte er sich sie würde weinen.

 

Schließlich hob Gwinith den Blick und schaute sich verwirrt in ihrer Umgebung um bis er an Cas hängen blieb. Er wusste was jetzt kommen würde.

 

Frustriert gab sie ihm eine Ohrfeige.

 

Er wehrte sich nicht. Er wollte etwas tun, damit sie sich besser fühlte, auch wenn das hieß ein bisschen Schmerz wegzustecken. Darauf schubste sie ihn heftig gegen die Schulter. Wütend funkelte sie ihn an. Stumm und unnachgiebig starrte er zurück. Nun war es um ihre Fassung endgültig geschehen. Wie eine Wilde schlug sie um sich und es war ihr dabei egal wen sie traf oder ob sie ihn traf.

 

Später sollte sich Gwinith wundern wieso er sich nicht gewehrt hat, doch in diesem Augenblick war ihr das herzlich egal. Sie wollte nur ihren Frust rauslassen. Ihre Wut über den Tod ihrer Freundin, der Anschuldigung sie vergiftet zu haben und der Trennung von Alan.

 

Nach einer Weile schien es ihn letztendlich doch zu störe, denn er ergriff ihr Handgelenk und drängte sie gegen die kalte Steinwand. Plötzlich ging ihr die Luft aus. Ihr war nur allzu sehr bewusst wie nah er ihr war. Beinah berührten sich ihre Körper. Zu einem Teil war sie froh, dass sie sich nicht berührten außer an ihrem Handgelenk, denn sonst wäre sie verloren gewesen. Der andere Teil von ihr wollte verloren gehen und nachgeben. Sich in seinen Augen verlieren und nicht mehr an den Alptraum denken, der sich auch ihr Leben nannte.

 

„Fühlst du dich jetzt besser?“, erkundigte sich Cas eher ironisch als besorgt.

 

„Hör zu“, diese ganze Situation war ihr zu unangenehm,“ das tut mir Leid. Ich war außer mir und du hattest das Pech neben mir zu stehen. Aber ich hätte dich nicht schlagen sollen, eigentlich sollte ich dir danken wegen dem was du für mich getan hast. Ich hoffe nur du kriegst nicht zuviel Ärger deswegen, das heißt...“ Verdammt sie hatte ein schlechtes Gewissen. Und sie wusste nicht wie sie sich gleichzeitig angemessen Bedanken und Entschuldigen konnte.

 

„Gern geschehen.“ Das war alles und trotzdem sah er sie an als würde er etwas erwarten. Ihr Atem stockte. Sein Gesicht war verführerisch nah.

 

„Ja, ich werde dann mal...“

 

Diese ganze Situation hatte sie unheimlich verunsichert und sie wusste nicht wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Jede Geste schien zu übertrieben, jedes Wort unpassend.

 

Tote Mädchen werden vergessen

Als Gwinith auf die Straße trat, hielt gerade Megan in ihrem teuren Wagen vor der Wache. Sobald sie Gwinith entdeckte, winkte sie übertrieben un rief: "Gwiiiii!"

Wieso musste jeder Name, so kurz er auch sein mochte, verfremdet werden? Bevor sie zu Meg ging, warf sie einen Blick hinter sich. Noch immer lehnte Cas gegen die Wand und schaute ihr hinterher. Nervös strich sie ihre Haare hinter ihr Ohr, hob zum Abschied die Hand und ging auf Megans Schlitten zu.

"Ich wollte dir heute unbedingt Iz und Lizzy vorstellen, das heißt shopping!!"

So war es halt, wenn zu den Reichen gehört. Kein nettes Barbecue, sondern shopping. Dabei hatte Gwinith keine Lust mit den neuen Freunden von Leyla shoppen zu gehen und so zu tun als hätten wir uns unter ganz normalen Umständen kennengelernt.

"Vi und Les haben auch schon zu gesagt." Megan plapperte einfach weiter. Gwinith wusste schon wie das alles ablaufen würde. Beim Einkaufen werden sich alle mit Freundlichkeit ersticken und danach wird gelästert und spekuliert, wer der potenzielle Mörder sein könnte.

"Letzten Sommer habe ich mir tolle Leggins gekauft, die..."

Es wurde sich noch nicht mal bei ihr erkundigt wie das Gespräch mit dem Inspektor verlaufen war. Nicht, dass sie den Drang verspürte mit irgendjemanden darüber zu reden. Jedoch nervte es sie an, dass niemand es aussprach und alle so taten als wäre nichts passiert. Aber Leyla wurde ermordet und man wusste noch nicht mal von wem! Hatten das plötzlich alle vergessen? Sie jedenfalls nicht.

So schnell überwand man den Tod einer besten Freundin nicht. Tränen stiegen ihr unwillig in die Augen. Schon wieder. Glücklicherweise behielt Megan ihre Augen auf der Straße, während sie wie ein Wasserfall über ihren momentaren Freund oder neu gekaufte Klamotten schwärmte. Um sich selbst abzulenken und zu beschäftigen, fragte Gwinith nach Maskara und versuchte ihr verschmiertes Make-up wieder herzuricheten.

 

Schließlich hielt Megan auf einem großen Parkplatz, zum Glück recht nah am Eingang, was einem Wunder gleichkam, und stiegen beide aus.

Die Sonne strahlte glühend heiß und erbarmungslos, weswegen sie beide Shorts und halbwegs elegante Tops trugen. Schnell schnappte Gwinith noch ihre Lieblingshandtasche, die ihre Mutter ihr billig im Sonderangebot ergattert hatte. Das war vor Papas Beförderung gewesen. Noch bis heute trug sie die nachtblaue Tasche mit Stolz.

"Gwii!"

Vorm Eingang standen Vi und Les mit zwei anderen Mädchen, die wahrscheinlich Iz und Lizzy waren. Der Rangordnung entsprechend umarmte sie als erstes Les zur Begrüßung, dann Violett und wartete höflich bis ihr Iz und Lizzy vorgestellt wurden.

"Das ist Isabelle!"

Sofort wurde Gwinith von der Braunhaarigen mit dem bewundernswerten Olivhautton in eine Umarmung gezogen. Ihre braunen Augen unter den perfekt gezupften Augenbrauen waren rund und sahen sie strahlend an.

"Und das ist Elisabeth."

Nun zog die hellbraunhaarige, vollbusige Freundin sie in eine herzliche Umarmung. Anscheinend war Megan die Anführerin.

"Also, wollen wir?", fragte Megan auffordernd und die Folter begann.

Während wir von einem Laden zum anderen schlenderten, wurden Jungs abgecheckt und Insiderwissen wie lose Geheimnisse ausgetauscht.

"Nein, dieses blau doch nicht zu deinen Augen! Versuch das hier!"

"Nein lieber mit Gürtel!"

"Dazu würde ich mir noch eine Kette aussuchen."

Alle zusammen zogen sie wie Seelenverwandte durch das riesige Einkaufszentrum. Anscheinend schien nur Gwinith Leyla zu vermissen. Vielleicht wären sie alle Freunde geworden, wenn Leyla noch da gewesen wäre. Doch von ihrem Tod oder den laufenden Ermittlungen wurde nicht gesprochen. Obwohl viel gelacht und gescherzt wurde und eine heitere Stimmung den Raum verpesstete, fühlte sich Gwinith fehl am Platz.

"Gwinith!"

Irgendjemand rief ihren Namen. Ihren vollen Namen. Verwirrt drehte sie sich um. Sich durch die Menge drängend kam Cas auf sie zu.

"Er ist ja sooo heiß!"

Die Tatsache ignorierend, dass er Gwiniths Namen gerufen hatte, drängte sich Leslie vor und drückte ihren Rücken durch.

"Hi, Cas! Du auch hier? Du hattest doch hoffentlich keine Sehsucht nach mir", begrüßte Leslie ihn mit verführerischer Stimme.

Gereizt drehte Gwinith sich weg und schaute sich wenig begeistert das Sortiment an Sonnenbrillen an.

"Dein Verhör ist heute abend um 7. Komm nicht zu spät", war alles was Cas zu ihr sagte.

Empört quiekte sie auf. Als erster hatte er sogar 2 Regeln gleichzeitig gebrochen.

1. Er hatte indirekt vom Tod von Leyla gesprochen

und 2. hatte er eine offensichtliche Einladung von Leslie ausgeschlagen.

"Gwinith, könnte ich dich kurz sprechen."

Das war keine Frage.

Ihr Herz schlug wie wild und sie wollte sich einreden es sei Angst vor ihm. Ungeduldig zerrte Cas sie aus dem Shop, wobei es ihm anscheinend egal war wie viele Leute sie dabei anrempelte.

"Entschuldigung! Tut mir leid!", rief sie dem kahlen Mann hinter her, der unhöflich gegrunzt hatte, bevor er in der Masse wieder verschwunden war.

"Was ist?", fragte Gwinith gereizt und entriss Cas ihre Hand. Als  dieser sich umdrehte sah man zum ersten mal deutlich wie unangenehm ihm die Situation war.

"Ich soll dir vom inspektor Samiels ausrichten, dass er sich aufrichtig entschuldigen will und gerne noch einmal einen Termin für morgen festlegen würde."

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

Noch nie hatte ihn die bloße Anwesenheit eines Mädchens so nervös gemacht. Schon häufiger war er von Mädchen schamlos angebaggert worden, doch Gwinith war da anders. Sie verhielt sich, als würde er stinken, weswegen sie es in seiner Gegenwart nicht aushielt. Es war einfach nicht leicht diese Frau zu durchschauen.

Währendessen dachte Gwinith: "Bloß nicht starren! Vor allem nicht auf seine Muskeln oder seinen Mund! Weich seinem Blick nicht aus! Das war keine Aufforderung in seinen Augen zu versinken.

Dieser Junge war nicht ungefährlich. Bei ihm musste sie jedes Wort und jede Geste auf die goldene Waage legen.

Mit einem schlechten Gewissen dachte sie an Alan. Heute morgen war sie ihre Nachrichten durchgegangen und er hatte ihr zwei mal auf die Mailbox gesprochen und mindestens 10 SMS geschickt. Fast tat es ihr leid ihn so leiden zu lassen. Aber er musste doch irgendwann einsehen, dass sie momentan nicht in der Lage war, eine ordentliche Beziehung zu führen.

Schuldbewusst holte sie ihr Handy heraus, um zu überprüfen, ob er ihr wieder geschrieben hatte.

"Dein Freund?"

Cas nickte auf ihr Handy bei dem der Monitor gerade sie und Alan zusammen auf dem Jahrmarkt zeigte. Das war vor gut zwei Jahren gewesen und sie waren damals sehr glücklich gewesen. Den Eintritt zum Jahrmarkt hatte er ihr zum Geburtstag geschenkt und dies war höchst wahrscheinlich der beste Geburtstag aller Zeiten gewesen.

"Nicht mehr."

Ihrer Stimme ließ sich nichts anmerken wie ihre Gefühle für ihn waren.

Nochmals fuhr sich Cas durch das Haar. Diesmal mit beiden Händen.

"Ich glaube nicht, dass du es warst."

Schüchtern lächelte Gwinith ihn an.

"Gibt es noch andere Verdächtige?"

Er schüttelte den Kopf.

"Nur noch ihre neuen Freundinnen hier."

"Gwinith..", setzte Cas an, doch wurde durch ein Kreischen unterbrochen.

"GWIIIIII!"

Das war Leslie. Das heißt keinen Widerstand leisten. Mit einem entschuldigendem Blick  wandte sie sich von Cas ab, um zu Leslie und den anderen zu gehen.

Er sah ihr noch kurz nach wie sie zurück zu ihren Freunden ging und fragte sich, was diese Gwinith an sich hatte, dass er sich fühlte als müsse er immer an ihrer Seite stehen und sie unter stützten, aber auch beschützen.

Vor allem letzteres jagte ihm eine schreckliche Angst ein. Wahrscheinlich wäre es besser er hielte sich von ihr fern.

 

"Was ist Leslie?", fühlte sich Gwinith gezwungen zu fragen.

"Ich habe mich nur gewundert wie schnell du und Cas so vertraute Freunde geworden seid."

"Sind wir nicht. Wirklich nicht."

Nach Leylas Tod war es an Leslies Reihe gewesen den Thron zu besteigen, was aus ihr die Königin macht. Und eine der wichtigsten Reglen, die man in so einer Monarchie beachten muss, ist:

Die Königin bekommt den Jungen als erste.

"Ach wirklich? Ich habe mich nur gefragt, was er von dir wollte, was so privat ist, dass es keiner erfahren darf."

Nun horchten auch die anderen auf, gespannt auf ihre Antwort. Aber sie beschloss nicht zu lügen, denn ihre Freundschaft bestandt so oder so schon aus zu vielen Lügen.

"Mein Verhör ist nicht gut verlaufen. Der Inspektor hat angefangen wie ein Verrückter rumzuschreien und hat wild irgendwelche Leute angeklagt. Bis sie beschlossen haben das Verhör abzubrechen. Er ist nur gekommen, um mir den neuen Termin für morgen zu geben."

Sie wusste, was ihre Freunde jetzt alle dachten. Sie ist es! Sie muss es von Anfang an gewesen sein! Ich wusste es doch! Habe ich es nicht schon immer vermutet?

"Oh Schätzchen! Das muss schrecklich gewesen sein!", rief Iz aus.

Eine nach der anderen umarmte sie ohne jegliches Mitgefühl, doch um den Schein zu wahren, spielte sie das missverstandene Opfer für alle.

"Danke! Es tut gut, dass alles so offen mit euch teilen zu können."

"Alles. Immer", versicherte ihr Leslie mit einem undurchdringlichen Blick.

 

Unzufrieden drehte und wendete Gwinith sich vor dem Spiegel. Bald würden Megans Eltern zurückkommen. Sie hatte vorgeschlagen zusammen mit Megan für die Ankommenden zu kochen, sodass sie sich alle besser beim Essen kennenlernen können. Dieser Vorschlag wurde begeistert angenommen.

Es störte Gwinith noch nicht mal, dass sie im Prinzip alleine kochte und Megan nur auf ihr Handy starrte mit der Ausrede, sie warte auf eine wichtige Antwort.

Nach ihrem kritischen Blick hatte sie mit ihrer äußeren Erscheinung nichts falsch gemacht. Sie ging nach unten ins Esszimmer.

Gwinith hatte Megan zwar aufgetragen den Tisch zu decken, während sie sich umzieht, doch hatte Megan lediglich drei Teller und einen Untersetzter lieblos auf den Tisch gelegt.

"Megan?", rief sie.

"Ich bin oben und mach mich fertig!"

Sie konnte nur die Augen verdrehen. Megan würde sich erst beim Geräusch der Türklingel blicken lassen. Wie es aussah hatte sie noch eine gute halbe Stunde Zeit. Also stellte sie auf ihrem Handy Musik an un fing an den Tisch fertig zu decken.

 

Ding, Dong!!

"Ich geh dran!", kam es von oben, gerade als Gwinith den Ofen, der das Essen warmgehalten hatte, ausstellte.

Auf der Treppe stand eine herausgeputzte Megan. In ihrem kurzen, roten Cocktailkleid und ihren vollständigen Makeup hätte sie genauso gut über den roten Teppich gehen können. Fast schämte sich Gwinith, weil sie eine dunkle Bluse plus enge Bluejeans angezogen hatte und auf jegliches Make up verzichtet hatte.

"Mamá, Papá!", rief Megan überschwänglich aus und fiel den Eltern dramatisch in die Arme.

"Meg. Wir haben dich soo vermisst."

"Mamá, Papá, das ist Gwi."

Mit ausholender Geste deutete Megan auf sie als wolle sie sie anzeigen.

"Ach Püppchen! Rate mal, wen wir aufgegriffen haben", sagte Megs Mutter und machte einen Schritt zur Seite.

"Cas, was für eine Überraschung!", begrüßte Meg ihn und schüttlete ihr offenes Haar. Endlich trudelten die Leute in das Esszimmer ein und setzten sich an den Tisch. Zur Begrüßung warfen sich Gwinith und Cas nur flüchtige Blicke zu, aber aller guten Dinge sind drei!

"Oh Meg hast du den Tisch gedeckt?", wollte Mrs. Behrens von ihrer Tochter wissen.

"Klar!", antwortete diese ohne zu zögern.

"Also diese Anrichtung des Essens. Tolle Idee! Und die Kerzenständer aus dem Wohnzimmer, die hatte ich fast vergessen, dass es die überhaupt gibt!"

"Danke Mama!"

"Was gibt es zur Vorspeise?"

"Wir haben eine kleine Kartoffelsuppe gekocht", mischte sich Gwinith ein, sobald sie merkte wie nervös Megs Blicke über die verschiedenen Töpfe huschten.

"Vielen Dank für die Einladung Mrs Behrens", sagte Cas.

Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, Gwinith weit möglichst aus dem Weg zu gehen, war es für ihn unmöglich den Eltern von Megan das Essen abzuschlagen. Seit er bei der Polizei als "Lehrling" fungierte, passierte ihm das häufiger.

"Ach, nichts zu danken", erwiederte diese geschmeichelt.

Alle begannen zu essen und zu Gwiniths Vergnügen schmeckte es auch allen vorzüglich. Dass Megan dafür das Lob einheimst, machte ihr durchaus nichts aus, allerdings störte es sie, dass sie längst bei der Hauptspeise waren, aber außer gelegentlichen Wortwechseln zwischen Eltern und Kind noch keine weitere Konversation betrieben wurde.

"Also, was genau arbeiten sie eigentlich?", wollte sie ein Gespräch ins Rollen bringen.

Wie aufs Stichwort klingelten sämtliche Handys und ohne auf ihre Frage einzugehen, verließen Mr. und Mrs Behrens den Esstisch, um die Anrufe entgegenzunehmen. Aber nicht ohne ihnen zu bedeuten, weiter zu essen. Das hieß, bei denen würde das Telefongespräch länger verlaufen.

Sobald ihre Eltern verschwunden waren, zupfte Meg ihr Kleid unmerklich weiter nach unten, um ihren Ausschnitt zu vergrößern und lehnte sich aufreizend zu Cas rüber, wobei sie Gwinith unbeschwert den Rücken zuwendete.

 

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Tag der Veröffentlichung: 05.04.2013

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