Cover

new town new me!

Jep, wir zogen mal wieder um. War ja kein Wunder! Mum findet immer schnell Männer, zieht mit ihnen zusammen, macht einen auf big, happy Family und erwartet, dass wir einfach so mitziehen. Die Männer unserer Mum wechselten so oft wie ihre Bettlaken. Tja, ich und meine 1 Jahr ältere Halb-Schwester Cas versuchten das Beste draus zu machen. Für jeden neuen Ort denken wir uns eine neue Identität aus. Manchmal sind wir Streber, Mauerblümchen oder Emos. Aber dieses mal hatten wir eine leichtere Rolle. Endlich können wir die coole, ich-hasse-alles-und-jeden Rebellin rauslassen. Das war wesentlich einfacher als z. B. die magersüchtige Oberzicke zu spielen.

Meine Schwester hat kinnlanges, schwarzes Haar, welches glänzt und Jungs wie die Fliegen anlockt. Sie hat ein herzförmiges Gesicht, schlaue blaue Augen und das ansteckendste Lachen nördlich des Äquators. Im Gegensatz dazu habe ich honigblonde Haare, die ich mir gerne zu einem langen Pferdeschwanz zusammenbinde. Dazu besitze ich eine ovale Gesichtsform, haselnussbraune Augen mit einer goldenen Iris.

Wir saßen nebeneinander auf dem Rücksitz, jeder einen Stöpsel im Ohr und tanzten zu "I like" von Keri Hilson ab (so gut wie das auf einem Rücksitz eben geht), während unsere Mutter uns für ihren neuen Liebhaber zu begeistern versuchte. "Er hat ein großes Haus und einen Garten, die Schule soll hier wirklich toll sein, wurde mir gesagt..." Blabla blabla.

Obwohl Cas und ich nur Halbgeschwister sind, taten wir alles zusammen, oft verschwiegen wir dieses Detail sogar. Schon als wir klein waren und nicht über die Tischkante gucken konnten, hatten wir alle Geheimnisse geteilt. Z. B. hat Cas mir gebeichtet, dass sie eine hoffnungslose Romantikerin ist, das heißt sie steht auf rote Rosen und Kavaliere. Was ich persönlich nicht verstehe, denn alles was ich für Romantik übrig habe ist Spott und das weiß sie. Dafür habe ich ihr verraten, dass ich für mein Leben gern Künstlerin werden wollte, was noch nicht mal Mum wusste (was eigentlich auch kein Wunder ist).

"Endlich werden du und Claire wei getrennte Zimmer haben, Cassie. Wir haben nun genug Geld und wenn ihr wollt, können wir mit eurer neuen Schwester shoppen gehen."

Normalerweise beachten wir unsere Mutter kaum, doch diese Information hatte sie bis jetzt verschwiegen.

"Was?!?", riefen Cas und ich gleichzeitig.

"Ich dachte das wäre eine nette Überraschung", versuchte Mum sich aus ihrer unangenehmen Position rauszureden. Unruhig rutschte sie auf dem Fahrerstuhl hin und her.

Cas und ich hatten nicht vor ein weiteres Mitglied aufzunehmen, schließlich sind wir kein Camp für Bedürftige. Auf so eine Bitch konnten wir gerne verzichten. Um alles auf der Welt würde ich wetten, dass ein titanblondes Magermodel auf uns wartet.

"Diese Überraschung kannst du dir sonst wohin schieben!", zischte Cas erbost. Von uns beiden war sie eindeutig die Frechere.

"Cassie!", machte Mum einen halbherzigen Versuch Cas zurrecht zuweisen, doch schon vor langem war klar, dass Cas sich `nen Dreck drum scherte, welche Meinung sich unsere Mutter auf sie bildet.

Wir beide hatten uns jedoch entschieden bei Mum zu bleiben, weil noch keine von uns Volljährig war und wir schlau genug waren nicht die Schule abzubrechen.

Langsam fuhren wir in die Stadt rein. Cas und ich hatten uns in eisernes Schweigen gehüllt. Die bloße Vorstellung auf eine schlecht Barbie-Imitation reichte, um mir Magengeschwüre zu bereiten.

Eindeutig bog Mum in das Deluxe-Viertel ein. Hier waren die Häuser doppelt so groß und die Autos dreimal so teuer. Nicht das ich was gegen Geld habe, aber, obwohl man es von mir nicht erwartet hätte, schaute ich ab und zu doch Nachrichten. Die Menschen mit so viel Geld hatte einfach kein Gespür für das wahre Leben.

Mum parkte vor einer Garage und hupte. Als hätte man uns schon sehnlichst erwartet, stürmte ein Mann aus der Haustür und begrüßte überschwänglich unsere Mutter. Angewidert verzog ich das Gesicht.

"Cassie!" Eine Umarmung.

"Claire!"

Bevor er mich in seine Arme ziehen konnte und ich halb an seinem grässlichen Aftershave (welches ich schon von einem Abstand von 5m riechen konnte) erstickt wäre, streckte ich ihm meine Hand entgegen. Anscheinend hatte er jedoch keinen Anstand oder kapierte diese abwehrende Geste nicht, denn meine Hand wurde ignoriert und ich in eine weitere Umarmung gezogen.

"Wir sind doch jetzt eine Familie. Du musst nicht schüchtern oder höflich sein. Sei einfach du selbst, denn so mögen wir dich am meisten", sagte er mir eindringlich und schaute mir tief in die Augen.

Nach seiner Rede, die Rosemunder Pilcher alle Ehre gemacht hätte, setzte ich mein giftigstes und bittersüßestes Psycho-Lächeln auf und säuselte theatralisch zurück: "Sicherlich! Endlich versteht mich jemand. Sonst hatte ich niemanden dem ich mich anvertrauen kann, aber du hast mich zurück ins Leben gebracht! Danke dafür!"

Bewegt legte ich meine gefalteten Hände auf mein Herz und seufzte.

"Du muss einfach an dich selbst glauben, dann zeigt sich deine innere Schönheit. Ich wusste, dass du kein hoffnungsloser Fall bist. Ich habe immer an dich geglaubt, jetzt glaubst du auch an dich selbst!"

Grinsend zwinkerte er mir zu und ich bewunderte in gewisser Weise seinen Sarkasmus. Vielleicht würde der Aufenthalt hier gar nicht mal so schlecht werden.

Meine neue Schwester!

Wir standen noch kurz vor der Garage, als Adam, unser neuer Möchtegern-Vater, sich plötzlich umdrehte und rief: "Jenny! Komm endlich, du willst doch unsere neuen Familienmitglieder begrüßen!"

Ah, Barbie wartet also auf ihre Extraeinladung.

Wie ein Pfeil schoss jemand aus dem Haus und kam auf uns zugerannt. Doch statt der erwarteten pubertierenden Barbie-Imitation, stand ein etwa 6-jähriges Mädchen mit feuerroten Locken und einem verschmitzten Lächeln vor mir und grinste breit. Beinah hätte der Schock mir die Beine weggezogen und ich wäre unschön auf dem steinharten Boden geknallt. Verwirrt sah ich erst zu Adam, dann zu meiner Mutter. Als letztes sah ich zu Cas, die verzückt anfing zu lächeln und die Augen nicht von dieser kleinen Schönheit wenden konnte.

Ich muss zugeben ich hatte eine kleine Schwäche für kleine Kinder. Die waren immer so naiv und so leicht mit den einfachsten Mitteln zu begeistern.

Jenny stand neben ihrem Vater und nahm schüchtern seine Hand.

"Papa, die sind beide sooooo schön", flüsterte sie ehrfürchtig und starrte uns mit weit aufgerissenen Augen und mit ehrlicher Bewunderung an. Das war eine weitere Sache, die ich an kleineren Kindern mochte, sie logen kaum und wenn doch ging es nur um gestohlene Süßigkeiten oder sie hatten heimlich ein Adventstürchen schon am Tag zuvor aufgemacht.

Vor Jenny ging ich in die Hocke und fragte: "Hallo, Jenny. Ich bin Claire Danke für dein nettes Kompliment. Meinst du könntest uns dein Haus zeigen? Cas und ich würde uns sehr freuen."

Bevor ihr denkt, ich bin ein Softie oder so, lasst euch davon nicht täuschen, so bin ich nur zu Kindern.

"Klar, ich zeig euch eure Zimmer und nach dem Abendessen können wir dann 101 Dalmatiner gucken. Den Film habe ich erst neulich zu meinem Geburtstag bekommen, aber ich habe immer ein bisschen Angst vor dieser bösen Frau", flüsterte sie mir vertrauensvoll zu. Ich musste schmunzeln.

Glücklicherweise bekam ich gerade noch meine Tasche zu fassen, bevor Jenny Cas und mich an die Hände nahm und uns übereilig zum Haus zog. Kommentarlos ließen wir die Rundführung über uns ergehen. Doch nachher war ich darum sehr dankbar, denn das Haus war riesig. Am Ende der Tour standen wir vor unseren Zimmer und Jenny schaute uns erwartungsvoll an.

"Jenny, wir beide sind sehr erschöpft und wollen endlich unsere Sachen auspacken. Wenn du so lieb wärest und uns zum Abendessen rufen könntest, wäre das sehr, sehr nett", ergriff Cas das Wort.

"Klaro, gebongt!", quiekte Jenny, machte kehrt und hüpfte zur rosa angestrichenen Tür.

Ich würde wetten, dass man sich in diesem Haus orientierungslos verlaufen konnte, schlimmsten Falls verhungerte man auf halber Strecke zum Badezimmer. Von außen sah das Haus eigentlich gar nicht so riesig aus (it´s bigger on the inside; it´s smaller on the outside - sorry insider :D). Gott sei Dank lag das Zimmer von Cas meinem direkt gegenüber und das von Jenny war nur ein paar Türen weiter. Ohne ein weiteres Wort austauschen zu müssen, drehten wir uns beide um und gingen in unsere separaten Zimmer.

Ich hatte gerade die Tür geschlossen, als mir der Atem genommen wurde. Der Raum war riesig! Mindestens doppelt so groß wie das letzte Zimmer, das wir bekommen hatten, als Mum dachte, sie hätte ihren Seelenverwandten in einem zweitrangigen Regisseur gefunden, welches wir uns schließlich noch geteilt hatten. Als erstes fiel mir das breite Bett ins Auge mit einladend zurückgeschlagener Bettdecke. Dann noch die Fensterwand, die eine Aussicht auf einen Wald zeigte, der direkt ans Grundstück grenzte. Aber alles sah verlassen aus, kein Wanderweg oder so.

Die restlichen Möbel waren ein riesiger Schrank, wobei ich etwas enttäuscht war, denn ich hatte einen begehbaren Kleiderschrank erwartet, eine gemütlich aussehende Couch, ein Ganzkörperspiegel, ein großer Schreibtisch mit einer, Gott sei Dank, großen Fläche, die mein Chaos, dass unumgänglich bald dort entstehen wird, ausgleichen kann und ernsthaft auch einen Schminktisch inklusiv Spiegel.

Ja, hier kann ich es mir gemütlich machen, sobald ich ein paar Bilder und Andenken aufhängen kann, wird es hier bestimmt richtig gemütlich.

Auf der rechten Seite war noch eine weitere Tür und ich vermutete, dort hinter würde sich ein Badezimmer befinden, doch dort war ein Badeparadies. Eine geräumige Dusche und eine Badewanne, natürlich eine Toilette und ein Waschbecken plus ein Schränkchen für Pflegeartikel oder ähnliches. Endlich konnte ich duschen, dann zog ich mir nur schnell ein Top und eine Hotpans mit Leggings an, und fing an meine raufgetragenen, ob von einem Butler oder von Adam ließ sich nicht feststellen, Koffer auszuleeren.

 

"CLAAAAIIIIIRE!!!", quietschte Jenny mir ins Ohr und ruckartig setzte ich mich auf. Anscheinend war ich auf dem Sofa eingeschlafen.

"Es gibt Abendessen. Cassie macht sich schon fertig."

"Geh du doch schon mal vor, damit wenigstens eine rechtzeitig kommt. Ich komm gleich nach", schlug ich Jenny vor.

"Gebongt!!!" und mit diesen Worten war sie auch schon wieder aus meinem Zimmer verschwunden. Schon jetzt war mir klar, dass ich dieses Wort häufiger hören würde als mir lieb war.

Langsam quälte ich mich aus dem Bett und begab mich nach unten. Es dauerte nur geschlagene fünf Minuten bis ich das Esszimmer gefunden hatte. Ernsthaft, am liebsten hätte ich mir selbst auf die Schulter geklopft.

"Und wie findet ihr eure Zimmer?", fragte Adam interessiert, während er dabei war Zucchini zu schälen. Was kein eigener Koch?

"Sie sind wirklich schön und unglaublich groß und geräumig", fing Cas direkt an zu schwärmen und war für eine weitere halbe Stunde nicht still zu kriegen.

Es gab Zucchini-Lachs-Auflauf. Mein Lieblingsgericht. Ich konnte einfach nicht anders, meine Laune hob sich schlagartig. Cas konnte man mit schönen Sachen rumkriegen und mich durch den Magen.

Wir überspielten die peinlichen Schweigeminuten mit einfachem Smalltalk. Nachdem wir gegessen hatten, schauten Cas, Jenny und ich uns wie versprochen 101 Dalmatiner an. Man sollte diesen Disneyfilm nicht unterschätzen. Ich hatte ganz vergessen wie lustig und süß dieser Film war.

Ausgelaugt lies ich mich ins Bett fallen, dieser Tag hatte so einige Überraschungen bereit gehalten, mal sehen was der zweite Tag so alles drauf hatte. Und obwohl ich eigentlich schon geschlafen hatte, fiel ich sofort in einen tiefen Schlaf.

 

Der erste Eindruck macht alles aus

Schon früh wurde ich von der piepsigen Stimme von einer aufgeregten Jenny geweckt. Verschlafen hievte ich mich aus dem Bett und stolperte als erstes über meinen offenen Koffer, der mitten im Raum stand. Nachdem ich erst mal geduscht hatte, ging es mir schon besser.

Dann stand ich Ewigkeiten vor dem Kleiderschrank, denn schließlich musste ich aussehen wie eine Rebellin. Aber eine Rebellin mit Style. Cas und ich hatten schon fast alles besprochen.

Letztendlich entschied ich mich für eine schlicht, schwarze Röhrenjeans und einem blauen Krümelmonsterpulli, denn morgens war es etwas kühl, doch falls es gegen Mittag wärmer werden sollte hatte ich darunter noch ein schlichtes Top mit der Aufschrift: Ja, man kann mich anfassen, falls du dich wunderst!

Tja, mein Geschmack war etwas eigenartig. Oder genauer gesagt meine Rolle.

Dazu zog ich farblich passende blaue Ballerinas und Ohrringe an. Meine Haare fasst ich schnell zu einem Pferdeschwanz zusammen, schnell noch ein bisschen Wimperntusche und Kayal und fertig war ich.

Unten erwartenten mich schon Jenny, Mum und Adam. Cas war anscheinend noch nicht fertig. Solange sie braucht um sich fertig zu machen, frühstückte ich in Ruhe. Als sie dann endlich kam, hatte sie sich für graue Stoffleggings und ein langärmliges zart lavendelfarbenes T-Shirt mit der Aufschrift: Pass auf, wenn du mich anschaust, könntest du dir selbst nicht mehr genügen, entschieden.

Uns fehlt es auf jeden Fall nicht an Selbstbewusstsein. Zusammen stiegen wir in den schwarzen Cabrio, der uns zur Verfügung steht, sobald wir ihn brauchen. Da wir schon etwas spät waren, verabschiedeten wir uns hastig und fuhren los. Die Fahrt dauerte nicht lange und um uns die Zeit zu vertreiben drehten wir bei dem Song "Titanium" von Sia laut auf und grölten den ganzen Text lauthals mit, aber ich bezweifle, dass es sich sonderlich gut anhörte, denn ehrlich, wer kommt schon so hoch mit seiner Stimme.

Und so war auch der erste Eindruck. Zwei wunderschöne Mädchen in einem teuren Auto, mit schicken Klamotten und Taschen, die laut zu einem Song mitsangen und sich einen Dreck scherten, wer sie hörten, denn sie hatten einfach viel zu viel Spaß daran, um aufzuhören. So rollten wir auf den Schulhof.

Alle drehten sich zu uns um. Wir jedoch taten als wäre alles normal, holten unsere Taschen und stiegen aus. An den umherstehenden Jugendlichen vorbei, als wir schon fast in der Schule waren riefen wir beide unisono: "Mund zu, es zieht." Wir hatten diesen Auftritt genau geplant, denn wenn man den ersten Eindruck vermasselt, kann man sich sein ausgedachtes Image in die Haare schmieren.

Cas stöckelte neben mir zum Sekretariat. Sie zog hohe Schuhe an, um zu verbergen, dass sie eigentlich recht klein war.

"Dann wollen wir die Schule mal aufmischen", flüsterte Cas mir zu.

Das war bei uns so eine Art Mantra, was wir bei jeder neuen Schule sagten. Meistens gelang uns das auch. Im Sekretariat war am Tresen eine Frau in einem Kostüm, als sie den Kopf hob und uns sah, lächelte sie leicht. Ich bemerkte wie jung sie war.

"Hallo! Was kann ich für euch beide tun!", fragte sie höflich. Fast tat es mir leid meine Rolle zu spielen, aber ich blieb wahrscheinlich so oder so nicht lang genug, um sie richtig kennen zulernen. Außerdem war sie Sekretärin. Wer hat schonmal was von einer sympathischen Schulsekretärin gehört?

 "Wir sind neu hier und brauchen einen Plan für dieses Gefängnis", antwortete ich und ließ meine Stimme gereizt klingen. Genervt rollte ich mit den Augen. Das freundliche Lächeln gefror auf der Stelle, nun wirkte es verkrampft und aufgezwungen. Ich nahm es ihr nicht übel.

"Aber sicher! Diese Anstalt geht über drei Stockwerke, wenn sie sich gleich nach links wenden sind sie schon fast an der Tür zu ihrer ersten Sitzung", konterte die Frau eisig, während sie uns beiden den Stundenplan überreichte. Hochnäsig stolzierten wir aus der Tür und gingen in die besagte Richtung.

"Was hast du als erstes?", erkundete sich Cas.

"Biologie, und du?"

"Mathe. Du bist nicht zufällig daran interessiert zu tauschen?"

"Nur über meine Leiche", sagte ich kichernd.

"Wir sollten erst unsere Bücher aus dem Spind holen. Meine Nummer ist die 1589", meinte ich nachdenklich.

"Hätte ich fast vergessen, ich dummes Kind?" Hastig kramte Cas wieder nach ihrem Stundenplan und stöhnte genervt auf.

"Toll meiner ist Nummer 249, dafür muss ich ein Stockwerk nach unten. Na ja, wir sehen uns nachher in der Cafeteria!", rief sie mir zu, als sie schon fast an der Treppe war. Alleine fühlte ich mich etwas unsicherer und beschleunigte meine Schritte. Gerade bog ich um die letzte Ecke zu meinem Spind, als ich mit einer Person zusammen knallte.

"Eh, was soll´n das jetzt!", wurde ich direkt angeblufft. Vor mir stand ein schwarzhaariger Hungerhaken, der bei diesem kleinen Zusammenstoss direkt auf dem Boden gelandet war.

"Alter, wenn du in mich reinrennst, kann ich wohl nichts dafür. Außerdem würde selbst mein Atem dich umwerfen, so wie du aussiehst hättest du einen BigMac nötig", bluffte ich angepisst zurück.

Als wäre es völlig verrückt so was auch nur zu denken, starrte mich das schwarzhaarige Mädchen erschrocken mit weit aufgerissenen Augen an. Da sie mir leid tat, so wie sie hilflos auf dem Boden hockte, wollte ich ihr meine Hand reichen, um ihr beim Aufstehen zu helfen, doch sie wich zurück als hätte ich die Pest und ich war mir sicher, dass ich mir die nirgendwo eingefangen habe. Schnell rappelte sie sich auf und machte sich aus dem Staub. Soll mir auch recht sein!

Trotzdem etwas verwirrt, ging ich zum Spind, holte meine Sachen und begab mich zum Unterricht. Eigentlich wollte ich anklopfen, erinnerte mich aber an meine Rolle und riss mit einem Ruck die Tür auf.

Meine neue Schule spielt einen auf Abspecklager!

"Wo bin ich hier denn gelandet!", entfuhr es mir prompt.

Natürlich wurde ich von allen angestarrt, was mich aber momentan nicht störte. Was mich allerdings störte war, dass alle Mädchen in meiner Klasse aussahen als würden sie Werbung für Anorexie machen!!

"Grassiert hier irgendeinen ansteckende Krankheit?", quietschte ich hysterisch und wich automatisch zurück.

"Sie sind also die Neue. Reichlich spät für ihren ersten Tag, finden Sie nicht? Setzten sie sich!", schaltete meine neue Biolehrerin sich nun ein. Mit einer ausladenden Geste bedeutete sie mir mich zu setzten.

In der Rolle bleiben, Claire

"Erst müssen sie mir versichern, dass das nicht ansteckend ist!"

"Was denn bitteschön?", mischte sich jetzt ein Junge aus der ersten Reihe sich ein.

"Hast du dir hier schon mal die Mädchen angeschaut. Das ist wie in einem Gruselkabinett, alles voller Skelette!"

"Nein, das ist nicht ansteckend und jetzt setzten Sie sich bitte hin!", antwortet die Lehrerin genervt.

"Tut mir wirklich leid, aber lernen wir nicht immer in Biologie wie manche Krankheiten sich schnell und gefährlich ausbreiten können lediglich durch einen harmlos gemeinten Händedruck. Sie sollten ein Vorbild sein und uns unwissenden Schülern beibringen bei so was sehr vorsichtig zu sein. Wer weiß wie manche Verbreitung von einer Krankheit hätte vermeiden lassen können, alleine dadurch, dass die Biologielehrer sich mehr bemüht hätte den Schülern zu zeigen wie gefährlich es manchmal sein kann. Daraus schließen wir, dass es von Ihnen unvorsichtig und unbedacht war mich einfach aufzufordern mich zu setzten, obwohl sie noch nicht geprüft hatten, ob meine Behauptung stimmt. Schließlich sollten sie als Biologielehrerin das alles wissen. Das war von Ihnen wirklich unverantwortlich", beendete ich meine Rede.

Plötzlich fing die Klasse an mir zu Applaudieren und zu Lachen. Ein paar Pfiffe waren auch dabei. Ganz in meiner Rolle verbeugte ich mich und setzte mich neben das einzige Mädchen, dass einigermaßen normal aussah.

"Wow, bis jetzt hat sich noch niemand getraut, das anzusprechen", begrüßte mich das Mädchen direkt.

"Was, dass eure Mädchen aussehen wie ein Haufen Gräten am Rand eines Tellers oder dass eure Lehrerin einfach nur unfähig ist?"

"Dass mit den schlanken Mädchen. Dass mit der Lehrein ist ein offenes Geheimnis", entgegnete sie sofort und ich wusste, dass ich meine erste Freundin gefunden hatte. Ich grinste sie an und sie grinste zurück. Damit war unsere Freundschaft besiegelt, obwohl ich noch nicht mal ihren Namen wusste.

Den Rest dieser Stunde konnte Mrs. Jennsen die Klasse nicht mehr zur Ruhe bringen, denn es wurde viel Getuschelt und SMS verschickt. Damit die Lehrerin an ihrer eigenen Unfähigkeit zerbrach, beschloss ich ihren Stolz zu brechen und selbst für Ruhe zu sorgen.

"Haltet jetzt mal alle die Klappe, ich will wenigstens eine nützliche Information in dieser Stunde lernen!"

Sofort kehrte Stille ein und ich nickte der Lehrerin zu, als gäbe ich ihr die Erlaubnis zu unterrichten, was sie mit einem giftigen Blick quittierte. Was anderes hatte ich nicht erwartet, aber dafür war mein Ruf schon mal geklärt. Im Stillen schmunzelte ich in mich hinein. Diese Schule wird nicht mehr dieselbe sein, wenn ich und Cas weggehen werden.

Als der Unterricht nach weiteren fünf Minuten endete, wandte ich mich wieder zu meiner neuen Verbündeten.

"Wie heißt du eigentlich?", fragte ich.

"Alecsis!"

"Ich bin Claire Du kannst mir doch bestimmt erklären, warum hier alle aussehen als wäre McDonald hier ein Fremdwort, oder?"

"Klar, das liegt an Melanie und ihrem Gefolge Louisa. Sie sind so schön und jedes Mädchen träumt davon auszusehen wie sie. Na ja ich nicht wirklich, obwohl ich zugeben muss, dass sie schon schön sind, aber dafür würde ich nie einen Pancake aufgeben."

"Begleitest du mich zur nächsten Stunde? Noch sieht hier alles für mich aus wie in einem Labyrinth", bat ich Alecsis.

"Klaro, sonst kann ich hier ja so oder so nicht rumhängen. Ich bin den Anderen einfach zu fett."

"WASS!!!", schrie ich fast durch die halbe Schule und blieb stehen, "In Atlanta würde jedes Mädchen für deine Figur töten!!!"

Schüchtern errötete Alecsis.

"Ach, Quatsch nicht, wenn du dich mit mir blicken lässt, bist du so was von unten durch."

"Dann wird es aber Zeit, dass wir und Cas den Spieß endlich umdrehen."

"Cas?", hakte sie neugierig nach.

"Meine Schwester, wahrscheinlich hat sie jetzt auch schon begriffen was hier abläuft. Ich stell sie dir in der Mittagspause vor, aber jetzt müssen wir Englisch überleben", meinte ich entschlossen.

In der Englisch Stunde sollte ich mich auf Englisch vorstellen, nur damit man sich das ungefähr vorstellen kann: "Hello! I are the new girl in that class and in my view is this school sick as my homeworks in Spanish or French. Oh, and I love McDonalds espezially BigMac!" Wobei ich extra ein paar übertriebene grammatikalische Fehler machte und in einer lang gezogenen Art redete.

Das hatte gereicht, um schon den zweiten Lehrer von meiner Rolle zu überzeugen und ich wette den Lehrern meiner Schwester erging es nicht anders. Als der Gong zur Pause endlich uns von unserem Leiden erlöste, hatte ich das Gefühl halb verhungert zu sein. Schnell hakte ich mich bei Alecsis unter und zerrte sie zur Kantine. Schließlich wollte ich ihr auch noch Cas vorstellen.

"Komm setzten wir uns!", schlug Alecsis vor.

Ich nickte und tastete den Raum nach Cas ab. Ich entdeckte sie und winkte sie zu uns.

"Oh mein Gott!! Hast du das auch bemerkt oder werde ich vollkommen verrückt, das hier sieht aus wie in einem Abspecklager!!", schrie sie aufgeregt und setzte sich zu uns.

"Jep, das hab ich auch bemerkt, aber ich hatte das Glück neben dem einzigen normalen Mädchen zu sitzen", grinste ich Cas schalkhaft an. Verlegen senkte Alecsis den Kopf.

"Das liegt an Melanie und Louisa. Da sind sie übrigens. Man erkennt das immer daran, dass alle Mädchen anfangen zu starren und die Jungs an zu sabbern."

So abwegig war das gar nicht, denn Melanie und Louisa sahen aus als wären sie aus einer Modezeitschrift geschlüpft. Beide hatten braune perfekt gewellte Haare und ein wunderschönes Gesicht. Obwohl sie denselben Haarton hatten, sahen sie vollkommen verschieden aus. Das Mädchen mit dem runderen Gesicht war wahrscheinlich Melanie, weil sie etwas vor Louisa ging und ohne sich umzugucken auf ihren Platz zustrebte. Ich riss meinen Blick von den beiden los.

"Ich hab Hunger!! Egal wie schön die auch sein mögen, nichts geht über eine ordentliche Mahlzeit!", sagte ich enthusiastisch und begab mich zur Essensausgabe. Die beiden anderen folgten mir. Ungeduldig stellte ich mich mit knurrendem Magen an. Als ich endlich dran war, war ich kurz davor auszurasten.

"Wollt ihr mich alle VERARSCHEN!!! Ist heute der internationale, vegetarische Feiertag oder sind hier alle zu verkümmerten Pflanzenfressern mutiert. Ich will ein ordentliches Steak und das ist auch mein gutes Recht!", kreischte ich außer mir vor Wut.

Wie konnten die es wagen hier eine Salattheke zu eröffnen, schließlich ist das eine offenes Bistro!!!

"Tut mir leid, aber es macht e...einfach k...keinen Sinn Fleisch zu kochen, wenn es niemand isst", stotterte die Köchin verunsichert.

Mit einem lauten Knall, schmiss ich das Tablett auf den Boden. Ich setzte mich schmollend auf meinen Platz... oder hätte es getan, wäre ich nicht gegen eine Wand von Mann geknallt. Ich schaute auf und sah einen Gott. Fehlte nur noch, dass ich vor ihm auf die Knie fiel und ihn anbetete, doch ich war noch so in Rage, dass ich ihn nur böse anschaute und ihn angiftete: "Geh mir aus dem Weg, Bohnenstange!"

Das stimmte, denn obwohl er Muskeln bis zum Abwinken und wahrscheinlich auch ein gut definiertes Sixpack hatte, war er echt dürr, was seiner Schönheit aber leider keinen Abbruch tat.

"Erst, wenn du aufhörst dich hier aufzuspielen", sagte er kühl zu mir. Gerade wollte ich zu einer deftigen Antwort ansetzten, als Cas sich neben mich stellte.

"Wir haben jeden Grund auszuflippen und ich wüsste nicht, dass dich das was angehen würde. Also hör auf einen auf Obermacker zu machen und stell dich jemanden anderen in den Weg, wenn es dir soviel Spaß macht."

Anscheinend hatte er nicht mit einer Erwiderung gerechnet, denn er sah überrumpelt aus. Ich lachte laut auf. Cas ist einfach unschlagbar. Verschwörerisch sah ich sie an und sagte: "Gebongt!" und wiederholte somit das Lieblingswort von Jenny. Sie verstand den Insider und warf den Kopf in den Nacken.

Gerade wollten wir an diesen Jungen vorbei gehen, als er uns schon wieder den Weg versperrte.

"Gebongt?", wiederholte er spöttisch und zog eine Augenbraue hoch. "Heutzutage sagt man so etwas nicht mehr. Von woher kommt ihr noch mal? Vom Mond?"

Wie auf Befehl lachten alle im Raum auf. Ich rollte nur mit den Augen. Wir kannten diesen Typ von Schülern zu genüge, sie hatte sich alle anderen untertan gemacht und dachten deswegen sie wären unfehlbar.

"Wie dumm musst du nur sein. Auf dem Mond gibt es keine Atmosphäre, dort könnten wir gar nicht überleben. Außerdem ist das Wort hier auf der Erde sehr gebräuchlich, du bemerkst es einfach nur nicht, Hinterweltler."

Nun war er vollkommen verwirrt.

"Luc!", sagte ein ebenso schöner Junge hinter ihm und legte ihm seine Hand auf die Schulter.

Beinah hätten meine Beine nachgegeben, denn er hatte wundervolle Augen, die mich an eine stürmische See erinnerten und ich ertrank in ihnen. Doch er ließ nur kurz seinen Blick über mich schweifen und ging dann einfach. Ich spannte meinen Kiefer an, noch nie hatte ein Junge mich nur einmal kurz angeschaut. Wütend schaute ich wieder Luc an, der auch im Begriff war zu gehen.

"Tschüssi, Lucileinchen!", rief Cas ihm noch provozierend hinterher und warf ihm einen Luftkuss zu, aber er ignorierte diese pure Provokation.

Alecsis kam zu uns und endlich konnten wir uns an den Tisch setzten.

"Oh mein Gott, sagt mir, dass das gerade wirklich passiert ist! Ihr habt es wirklich geschafft Luc und Heath in die Schranken zu weisen. Das sind die männlichen Melanie und Louisa. Ich sollte euch einen Schrein bauen!!", stieß sie aufgeregt hervor.

"Nein danke, es reicht wenn du jeden Freitag zu uns betest", erwiderte Cas.

"Oh okay!"

"Das war ein Scherz, Alecs!", mischte ich mich ein. Allerdings war ich nicht ganz bei der Sache.

Heath heißt er also, der sollte sich vorsehen. Dabei hatte er theoretisch gar nichts gemacht, außer den Streit zu schlichten. Aber um ehrlich zu sein, ich liebte es mich zu kabbeln und zu streiten, wenn es nur zum Spaß ist, wie gerade. Ich sollte mich etwas abkühlen sonst riss ich noch die ganze Schule ab, nur weil dieser Heath mich nicht angeguckt hat.

"Leute, ich geh mal zur Toilette."

Cas sah mich wissend an, als wüsste sie was gerade in mir vorging, doch schnell wendete sie sich wieder Alecsis zu, die gerade aufstehen wollte, um mir zu folgen. und verwickelte sie in ein Gespräch.

Danke Schwesterherz!

Erste richtige Begegnung!

Schnell ging ich aus der Cafeteria nicht ohne zu merken, dass einige Blicke an mir klebten. Endlich draußen, schaute ich auf meine Uhr, ich hatte noch volle 10 Minuten. Aber ich ungezogenes Kind :) ging nicht zur Toilette. Nöp, ich wollte meiner Wut freien Lauf lassen und rannte los. Orientierungslos lief ich durch die Gänge und es war ja vorherzusehen, dass ich gegen jemanden rannte. Und um das ganze abzurunden, fand ich mich plötzlich auf dem Boden wieder und mein Arsch schmerzte höllisch.

"Du!!!", zischte ich mit dem letzten bisschen Rest Luft.

"Ich??", sagte Heath und hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen.

Tja, aber wie schon vorher gesagt, bin ich etwas aggressive was diesen Typen angeht. Schüchtern senkte ich meinen Blick und griff murmelnd nach seiner Hand, um ihn mit einem schnellen Ruck neben mich zu befördern. Sein Blick war soo köstlich, dass ich nicht an mich halten konnte und haltlos anfing ihn auszulachen, während ich mich aufrappelte.

"Schau nicht so böse, du hast es verdient!", jappste ich.

"Womit denn das", knurrte er immer noch auf dem Boden hockend.

"Du hast mich umgeschmissen! Das war meine Rache. Sei froh es hätte dich schlimmer treffen können."

"Wie denn das?", fragte er mit finsterem Blick.

"Ich hätte meine Schwester sein können", lachte ich.

Jetzt stand er auf.

"Du meinst die freche Schönheit?", hakte er nach.

Ich weiß nicht warum, aber es tat weh, dass er so interessiert an meiner Schwester schien. Er hat sie Schönheit genannt, während er mich nur einmal verächtlich gemustert hat. War ich enttäuscht? Eifersüchtig? Nein, doch nicht auf meine eigene Schwester!! Dieser Typ verwirrte mich, ich sollte auf der Hut sein. Er ist gefährlich. Das war es, er versprühte eine gefährliche Aura, aber so leicht habe ich mich noch nie einschüchtern lassen.

"Wenn du sie willst, gib besser gleich auf, sie steht eher auf den Hauptgewinn", klärte ich ihn auf.

"Und wer, wenn nicht ich, soll bitte schön der Hauptgewinn sein, wenn ich fragen darf?"

"Ja, du darfst fragen. Na dein Kumpel, Luc. Er ist eindeutig der Entschiedenere von euch beiden und der Anführer. Dazu ist er noch Expulsiv und strömt Gefahr aus. Darauf stehen alle Mädels", erklärte ich ihm geduldig und ging langsam auf ihn zu.

Zugegeben ich wollte ihn reizen. Doch plötzlich zog er mich an sich und sein Gesicht war meinem plötzlich ganz nah.

"Ach, und ich bin nicht gefährlich. Wenn mein Bruder der Hauptgewinn für dich ist, was bin dann ich für dich?"

Mein Mund wurde staubtrocken und nervös befeuchtete ich meine Lippen, was seinen Blick auf meinen Mund richten ließ. Wie hypnotisiert starrte er auf meine Lippen und kam mir immer näher. Mein Herz klopfte wie verrückt und ich konnte mich nicht bewegen. Was ist nur mit mir los? Ich musterte sein makelloses Gesicht und seine tiefgründigen Augen. Er schlang seine Arme um meine Taille und zog mich noch näher. Gerade als unsere Lippen sich trafen, schellte es zur nächsten Stunde. Plötzlich riss ich mich los. Bleib in der Rolle, die du dir selbst gegeben hast, ermahnte ich mich selbst. Was war das? Fast hätte ich mit einem vollkommen Fremden rumgeknutscht?

"Nichts, du bist nichts für mich, Heath", flüsterte ich.

Als ich seinen Namen sagte, sah er mir noch einmal in die Augen bevor der Gang mit lauter Schülern gefüllt war. Ich drehte mich um und suchte den Raum zur nächsten Stunde ohne mich umzudrehen.

Die nächste Stunde hatte ich ohne Alecsis und war froh darum, denn das lies mir Zeit nachzudenken. Diese Augen. Gedankenverloren zeichnete ich seine Augen auf meinen Block. Da ich ja Profi werden wollte, hatte ich alle nötige Farbtöne in Buntstiften dabei, ich brauchte ca. 5 verschiedene hellblau und grau Töne und weiß und schwarz, um seine Augenfarbe darzustellen. Als ich mein Werk betrachtete hatte ich das Gefühl er würde mich beobachten.

"Claire, sind Sie noch unter den Lebenden."

Ich schaute auf, mein Mathelehrer stand vor mir mit einem besorgtem Blick. Ich mochte ihn. Er schnappte sich meine Zeichnung bevor ich irgendetwas dagegen tun konnte.

"Die ist gut. Wirklich gut. Ein einmaliges Talent, sie sollten hier einen Kurs belegen", schlug er vor.

Obwohl ich es nett fand, dass er sich darum kümmerte, rollte ich nur mit den Augen.

"Klar doch." Und damit war für mich die Angelegenheit geklärt.

"Bekomm ich meinen Block zurück?"

Er nickte nur nachdenklich, als er mir meinen Block gab.

"Sie sollten sich besser auf den Unterricht konzentrieren!", tadelte er mich.

Abwesend nickte ich. Ich war gerade nicht in der Stimmung einen Streit zu beginnen. Das war mal ein toller erster Tag! Als die Folter erst mal vor rum war, schlenderten Cas und ich über den Parkplatz zu unserem Auto. Mal wieder ein perfekter Auftritt. Zwei beste Freundinnen, die glücklicherweise auch noch verwandt waren. Im Auto drehte sich Cas zu mir um.

"Alecsis wollte uns heute mit in den Club nehmen. Ich hab noch nicht zugesagt, wollte erst dich fragen."

"Was sollte ich dagegen haben?", fragte ich verwirrt.

"Na ja, du sahst etwas fertig aus nach dem Auftritt von Luc. Sei ehrlich, magst du ihn?"

"Ihhhh, nein, der kann mir gestohlen bleiben. Dieser Hinterweltler kann mir mal den Buckel runterrutschen, wenn ich denn einen hätte", widersprach ich heftig gestikulierend.

Eindringlich sah sie mir in die Augen und nickte dann. Ich verschwieg ihr, dass ich total fertig wegen Heath war. Sonst erzählten wir uns alles, aber irgendwie wollte ich mich ihr dieses mal nicht anvertrauen. Zumindest noch nicht.

Und schon sausten wir los, laut grölend zu "I knew you were trouble" von Taylor Swift. Wie passend.

 

It´s Disco time, biatch!!!

"CLAAAIIIRE!! Mach dich fertig, wir müssen bald los, sonst ist da die Hölle los!", schrie Cas von unten.

Seufzend stand ich auf.

"Tut mir Leid Jenny, wir spielen das wann anders zu Ende, okay?"

"Gebongt!", rief sie heiter. Dann allerdings wurde sie etwas verlegen.

"Claire?"

"Ja?", sagte ich das Schlimmste erwartend. Vielleicht hat sie meinen IPod zerstört oder will, dass ich mir noch mal "Das große Krabbeln" mit ihr ansehe.

"Kann ich dir dabei zusehen?", fragte sie schüchtern.

„Wobei?“

„Beim Schön machen?“

"Gebongt!"

Freude strahlend setzte sie sich auf mein Bett.

Gott sei Dank, hatte ich schon geduscht. Also musste ich mir nur noch ein Kleid aussuchen. Das war nicht gerade leicht, doch mit Jennys Hilfe fand ich das perfekte Outfit. Jenny riet mir von einem Kleid ab und schlug mir vor ich sollte das rückenfreie T-Shirt anziehen. Das T-Shirt hatte mir Cas zum Geburtstag geschenkt. Es war ockerfarben und hob meine Augenfarbe hervor. Dazu einen schwarzen, breiten Gürtel und schwarze Leggings. Dazu noch meine ockerfarbene High Heels. Eine der wenigen hohen Schuhe in denen ich ohne Beschwerden gehen und tanzen konnte. Eine Kette mit Sanduhr rundete das ganze ab. Meine Augen betonte ich mit schwarzem Eyeliner und Maskara. Et voila, ich war fertig. Ausnahmsweise ließ ich meine langen Haare offen. Schnell verabschiedete ich mich von Jenny und eilte nach unten zur wartenden Cas.

"Na endlich! Wow, Claire du siehst hammer aus!!"

"Musst ausgerechnet du sagen", entgegnete ich lachend.

Cas sah wie immer unglaublich aus. Sie hatte sich eher für das Motto, das kleine Schwarze entschieden und dazu hohe Pumps.

Zusammen stiegen wir ins Taxi und fuhren zum "Closed eyes" dem angesagtesten Club hier, wo wir auf Alecsis trafen.

Sie hatte ein rotes langes Kleid an welches ihre schwarzen Haare zur Geltung brachte. Außerdem betonte es ihre tolle Figur, nachdem wir alle Komplimente ausgetauscht hatten, gingen wir in den Club. Wir mussten nur geschlagene 15 Minuten draußen warten bis wir in den Club kamen.

Die Musik kam laut aus den Boxen, aber es war noch nicht allzu viel los und die Tanzfläche war so gut wie leer. Cas und ich entschieden uns, das zu ändern. Direkt steuerten wir drei in die Mitte und tanzten zu "Bring me to life" von Evanescence. Es dauerte nicht lange und die Jungs umringten uns drei und tanzten mit uns.

Nach drei weiteren Songs hatte ich den ersten potenziellen Jungen gefunden. Immer näher tanzten wir und ich begann mich an ihm zu reiben, was ihn nicht unberührt ließ. Ich musste schmunzeln. Auch wenn ich kurzzeitig glaubte, ich hätte keine Wirkung auf Jungs, gab mir das das nötige Selbstvertrauen wieder.

Plötzlich griff mich jemand von hinten, gerade als ich den Jungen vorschlagen wollte für kurze Zeit zu verschwinden, und zog mich von ihm weg. Ich wollte protestieren, aber die Wörter blieben mir im Rachen stecken, als ich bemerkte wer dieser jemand war.

"Was willst du Luc?", giftete ich ihn an.

"Nichts, nur mit dir tanzen", meinte er achselzuckend.

Klar doch, dachte ich und sah wie er immer wieder zu Cas rüberschielte. Über solche Dummheiten von Jungs konnte ich nur mit den Augen rollen.

"Nicht, dass du jetzt denkst ich mag dich. Ich tue das nur, weil du mir leid tust und weil Cas meine Schwester ist."

"Mmmh?", sagte Luc abgelenkt.

"Es wird nichts nützen Cas mit mir eifersüchtig zu machen."

Wütend sah er mir jetzt in die Augen.

"Damit machst du es nur schlimmer. Geh direkt auf sie zu und tanz mit ihr! Von alleine wird sie nicht zu dir kommen, glaub mir ich kenne sie besser als du. Und ich könnte darauf wetten, dass sie nicht ganz uninteressiert ist."

„Aber...“

„Egal wie sie sich heute dir gegenüber benommen hat, im Grunde ist sie eine Romantikerin. Sie will das ganze Paket mit Rosen und Liedern und Gedichten und gemeinsamen Tänzen. Also entweder gibst du ihr das oder du kannst gleich einpacken. Wir haben beide hohe Ansprüche.“

Er wollte mir widersprechen, nickte dann aber nur und ging auf Cas zu.

Ich konnte beobachten wie er sie zum Tanzen aufforderte und sie zögernd zusagte, aber ich konnte mit Bestimmtheit sagen, dass sie ihren Jackpot bereits in der Tasche hatte. Da ging mir der Gedanke auf, dass wenn Luc hier war Heath nicht weit entfernt war. Wie auf Befehl tauchte dieser vor mir auf.

"Was?", schnaubte ich und wollte weggehen, doch er hinderte mich daran.

"Hast du Angst ich trete dir auf die Füße?"

Eigentlich sollte ich dieses Kommentar ignorieren und abhauen, aber irgendwas hinderte mich daran.

"Aber nur ein Tanz", meinte ich misstrauisch und ließ zu, dass er seine Hände auf meine Hüfte legte und mich näher an sich zog.

Langsam bewegten wir uns zum Takt der Musik. Ein Schnulzesong, wie zu erwarten war. Normalerweise hätte mich das kaum gekratzt, jedoch war ich in Heaths Armen und nicht in den Armen eines bedeutungslosen Jungen.

"Warum Heath?", wollte ich wissen.

Damit ich nicht so schnell aufgab ihm zu widerstehen, versuchte ich mich mit einem Gespräch abzulenken.

"Das ist eine Abkürzung für Heathcliff", raunte er mir ins Ohr. Ein Schauer rann meinen Rücken runter.

"Also ein Zigeuner, hmmm... willst du mich auch in ein Haus einsperren", erwiderte ich belustigt. Verwundert sah er mich an.

"Du kennst das Buch?"

"Na ja, ist schon länger her. Ich verwechsele immer Catherine mit Cathy oder so."

"Ich hätte nur einfach nicht gedacht, dass du dich für Literatur interessierst. Du siehst eher so aus als würdest du immer stundenlang das Bad in Beschlag nehmen."

"Das eine schließt das andere nicht aus. Was glaubst du was wir Mädchen machen, während unsere Haare oder Nägel trocknen müssen", lachte ich amüsiert.

Vielleicht hatte ich mir ja zu früh eine Meinung über Heathcliff gebildet. Seine Nähe war so berauschend. Wenn wir uns unterhielten hatte ich das Gefühl keine Rolle zu spielen. Es fühlte sich wie Ferien an, ausnahmsweise musste ich nicht den Kosmos retten. Das war so ungewohnt und irgendwie irritierend. Ich sollte wirklich gehen. Das gehört nicht mehr zur Rolle und deswegen verboten.

Bei dem Gedanken versuchte ich mich von ihm zu lösen, doch er nahm mich fest in seine Arme.

"Geh noch nicht", wisperte er in mein Ohr.

Mit großen Augen sah ich ihn an. Er kam immer näher. Bei jedem anderen Jungen wäre ich amüsiert gewesen, aber Heath war anders, bei ihm fühlte es sich schon intim an so nah zu tanzen. Während er noch näher kam, hörten wir auf zu tanzen. Heath sah mir in die Augen, als wollte er heraus finden was ich über ihn dachte. Doch eher würde ich Cas gestehen, dass ich damals mit Kam ausgegangen bin, als Heath zu sagen, was ich dachte. Dann hörte ich auf zu denken, denn seine Lippen lagen plötzlich eindringlich auf meinen. Gott, dieser Typ konnte küssen! Ohne darüber nachzudenken erwiderte ich den stürmischen Kuss.

Mein Widerstand verschwand und auf einmal fragte ich mich wieso ich ihn überhaupt mal nicht leiden konnte. In seinen Armen fühlte ich mich beschützt, aber nicht gefangen. Sicher, aber nicht abgeschottet. Leidenschaftlich verteilte er Küsse auf meinem Hals und Gesicht. Wohlig seufzte ich und stöhnte als seine drängenden Lippen wieder auf meinen lagen.

"CLAIRE!!!", kreischte da plötzlich eine Stimme aus dem Off.

Sofort löste ich mich von Heath und kam langsam zur Besinnung. Da riss mich eine Hand mit und zerrte mich zum Ausgang.

"Cas?!", fragte ich überrascht.

Irgendwie war es mir peinlich, dass sie mich beim Knutschen mit Heath erwischt hat.

"Wir müssen hier weg. SOFORT!!!", schrie sie mir zu, um die dröhnende Musik zu übertönen.

"Was? Wieso?" 

Ich war völlig irritiert.

"Diese Typen sind eiskalte Blutsauger!! Er wollte mir seine Zähne nicht zeigen, aber sie sind einfach ausgefahren!!! Die wollen uns aussaugen und dann in den Fluss werfen!!", redete Cas wirres Zeug.

"Du willst mir doch nicht ernsthaft verklickern, dass...", begann ich, doch wurde unterbrochen, als sich die Tür vom Club sich nochmal öffnete und Luc mit Heath herausstürmten. Lucs Hemd war zerrissen und mit Blut besudelt. Ungläubig riss ich die Augen auf. Cas reagierte sofort und zog mich weiter. Wir liefen um unser Leben und hielten erst an als wir uns sicher fühlten, um Luft zu holen.

"Du hast dich in einen Scheiß Vampir verknallt!!", warf ich Cas japsend vor.

Diese wurde rot.

"Stimmt nicht!", widersprach sie mich störrisch. Ich verdrehte nur die Augen.

"Und denk du nicht, dass mit Heath hab ich nicht bemerkt", giftete sie zurück.

Jetzt wurde ich rot.

"Wir sollten nach hause, wer weiß wann die uns einholen, ein Wunder, dass wir nicht schon längst tot sind."

Uns immer wieder nach hinten umdrehend joggten wir den Rest nach hause. Barfuss.

 

Unerwartete Überraschungen!!

Ich lag in meinem riesigen Bett und ließ erst mal alles sacken, was an diesem Abend passiert war. Wir hatten Glück, dass Mum oder Adam nicht wegen uns wach geblieben sind. Sonst hätten wir ihnen erklären müssen, warum unsere Haare mit Vogelnestern zu vergleichen und wir so außer Atem waren.

Natürlich konnten wir denen nicht sagen, dass wir gerade BEIDE mit Vampiren rumgemacht hatten.

Nur um mich zu beruhigen habe ich kurz nach Jenny gesehen, um mich zu vergewissern, dass sie in Ordnung war. Dann hatte ich von Cas gefordert mir das alles im Detail zu erklären.

„Er wollte mit mir kurz hinten raus. Wir sahen uns zusammen den Vollmond an und er hat seine Arme um mich gelegt. Alles war soo romantisch und schön. Dann hat er sich zu mir umgedreht und mich geküsst. Ich weiß nicht wie es dazu gekommen ist, aber das nächste was ich weiß ist, dass mein Hals schmerzt und ich spüre, dass er an meinem Hals saugt. Ich dachte erst er küsst mich dort, aber dann hätte es nicht so weh getan. Ruckartig wollte ich mich von ihm losreißen und habe dabei sein Hemd zerrissen. Sofort bin ich zu dir, um dich vor den beiden zu warnen. Also ich habe seine Zähne nicht gesehen, aber eindeutig gespürt. Sieh selbst.“

Und wirklich zwei kleine Einstichlöcher waren deutlich auf ihrer dünnen, blassen Haut erkennbar.

Danach war ich erschöpft und ausgelaugt auf mein Bett gefallen, allerdings war es mir nicht erlaubt einzuschlafen. Wach und durcheinander mit sich überschlagenden Gedanken hockte verängstigt auf meinem Bett. Verzweifelt rollte ich auf meinem Bett rum, in der Hoffnung doch noch etwas Schlaf zu finden.

Anscheinend wollte niemand mir diesen Luxus gönnen, denn gerade als ich halbwegs eingenickt war, legte sich eine Hand blitzschnell über meinen Mund und erstickte meinen Schrei.

Ich begann zu keuchen und trat um mich. Versuchte verzweifelt den fremden Gegner loszuwerden, nur so kurz, um die anderen aufzuwecken, aber er war unmenschlich stark. Dieses Eingeständnis ließ mich erstarren.

Wir kennen ihr Geheimnis! Sie sind gekommen um uns zum Schweigen zu bringen!

Ach Quark! Was denke ich da! Ich glaube ich habe zu viele niveaulose Horrorfilme gesehen.

Jedoch hatte ich gerade die eindeutigen Male auf Cas Hals gesehen.

"Shht! Ruhig Claire! Ich bin es, Heathcliff!", flüsterte er mir ins Ohr.

Da ich mich nicht rührte, nahm er vorsichtig seine Hand von meinem Mund.

"Ach, und das ist ein Grund um ruhig zu bleiben", schnauzte ich ihn in gemäßigter Lautstärke an.

Dann schüttelte ich nur meinen Kopf in der blöden Hoffung alle Erinnerungen loszuwerden. Selbst die von unserem Kuss. Das alles kam so schnell und verwirrte mich unends.

"Erklär es mir! Was geht hier vor? Ich will eine Erklärung! Ich habe das Recht dazu! Wirst du mir weh tun?", fragte ich ihn und spürte wie sich Tränen in meinen Augen sammelten.

Wütend über mich selbst schüttelte ich nur den Kopf. Bleib in deiner Rolle!!, schrie ich mich an. Aber es war hart, so hart, wo ich doch unbedingt eine ehrliche Antwort wollte.

"Es tut mir so leid, Claire! Das musst du mir glauben! Nein, ich will dir nicht weh tun und werde es auch nicht. Aber du weißt jetzt zu viel, wir müssen sicher gehen, dass das Geheimnis bei euch beiden gut aufgehoben ist. Luc ist gerade bei Cas."

Langsam wurde ich wütend und endlich zeigte sich wieder mein Temperament. Wurde auch langsam Zeit!

"Mir ist es Schnurzpiepe, was ihr wollte. Ich werde das ganze vergessen und ich hoffe ihr auch. Nichts davon ist passiert. Du bist so oder so nicht mein Typ, das heißt wir gehen uns einfach aus dem Weg und lassen Gras darüber wachsen", schlug ich ihm entschlossen vor.

"So so, du denkst, ich wäre nicht dein Typ! Dann sag ich dir mal was. Du bist auch nicht mein Typ!", versuchte er mich zu reizen.

"Wollte ich auch gar nicht sein!", konterte ich.

Das vorher gesagte ignorierend lehnte er sich über mich und küsste mich. Leidenschaftlich und eindringlich. Ich konnte nichts anderes als den Kuss zu erwidern und mich in seinem T-Shirt zu verkrallen.

„Warte, ich habe immer noch keine Antwort“, murmelte ich betäubt.

„Die kann bis morgen warten“, knurrte Heathcliff und ich hatte nicht mehr die psychische Kraft ihm zu widersprechen.

Ungeduldig zog ich ihn auf mich. Er knurrte und seine Hände fuhren über meinen ganzen Körper, ließen keinen Fleck unbeachtet. Aus Reflex schlang ich meine nackten Beine um seine Hüfte und drückte ihn gegen mich. Sein Begehren konnte ich plötzlich an meinem Bauch spüren, doch das machte mich nicht nervös, sondern turnte mich nur noch mehr an. Wir verschlangen einander. Da ich es unfair fand, dass er vollkommen bekleidet war, während ich nur in einem Hemdchen und Boxershorts unter ihm lag, beschloss ich so höflich zu sein und ihm die Jacke abzunehmen. Direkt folgte auch sein Shirt. Seine Hände lagen auf meinen Brüsten und erregten mich noch mehr.

"Heath!"

Er brummte und rieb sich an mir.

"Heath! Luc und Cas sind gegenüber!", gab ich zu bedenken.

Wahrscheinlich waren wir nicht gerade leise.

Für kurze Zeit hörte er auf und wir horchten.

Wir mussten beide lachen, als wir das Gestöhne von Cas und Luc hörten. Uns weiter küssend sanken wir beide zurück auf das Bett.

 

Als ich aufwachte konnte ich einfach nicht aufhören zu grinsen. Hinter mir lag Heath, seine Arme um meine Taille und zog mich im Schlaf fest an sich. Dann schnarchte er. Es ging nicht anders, ich lachte und begann mich von ihm zu lösen. Die Geräusche die er währenddessen machte waren klasse. So eine Mischung aus Grunzen und Nase hochziehen. Schnell zog ich mir was über und setzte mich neben ihm aufs Bett. Mein Wecker zeigte an, dass ich noch etwas Zeit hatte bis ich unten erwartet wurde.

"Heath", kicherte ich.

"Mhhhhmmm."

"Aufstehen, wir müssen heute noch zur Schule", erinnerte ich ihn.

"Schule wird total überbewertet, dass ist mir nach den ersten paar 100 Jahren aufgefallen."

Er sagte das nur so nebenbei. Doch mir wurde schlagartig bewusst, was er eigentlich war. Okay, ganz ruhig, gib ihm die Chance alles zu erklären.

"Wo wir gerade dabei sind. Jetzt ist morgen. Wie ernährt ihr euch?", fragte ich zaghaft.

Langsam war auch er wach. Schnell setzte er sich auf und strich sich durch die verstrubbelten Haare.

"Wir ernähren uns von Menschen, aber wir bringen schon seit ein einiger Zeit dabei keine Menschen mehr um. Dieses ganze Tierblut Geschwätz von dieser Stephanie Meyer hat viele Vampire in den Tod getrieben, weil sie versuchten sich von Tieren zu ernähren, aber Menschen entwickeln, wenn sie leben ein besonderes Sekret, welches im Blut steckt und für uns überlebenswichtig ist."

"Aha und wie ist es mit besonderen Fähigkeiten?", fragte ich, dachte dabei eigentlich: Sekret?!?! Das hört sich echt lecker an!! Dabei hatte ich mich schon auf ein ordentliches Frühstück gefreut.

"Wir sind alle besonders schnell und stark, aber alles noch im möglichen Bereich, genauso ist das auch mit dem Sehen und Hören. Alles können wir nur so gut wie auch die darin begabtesten Menschen."

"Heißt das ihr saht mal alle eine Zeit lang aus wie Arnold Schwarzenegger?", prustete ich los.

Er sah irgendwie beleidigt aus.

"Tut mir leid", entschuldigte ich mich ehrlich.

Darauf nahm er mich in den Arm. Selbst die Tatsache, dass er ein Vampir war, konnte mich nicht daran hindern mich an ihn zu schmiegen. Ich hob ihm mein Gesicht entgegen und er küsste mich. Sanft und zärtlich, als wäre ich ein Geschenk vom Himmel. Wer weiß vielleicht war ich das auch!! :D Ich weiß, jedes normale Mädchen sollte kreischend aus dem Zimmer fliehen, aber dieses Gefühl, dass ich in seiner Nähe hatte. Darin steckte so viel Ehrlichkeit und Sicherheit, dass ich mir wünschte ich hätte dieses Gefühl schon mein ganzes Leben über gekannt. Wer weiß wie es dann verlaufen wäre. Ausgerechnet dann, als er mir wieder beim entkleiden behilflich sein wollte, klingelte mein Wecker. Schnell schaltete ich ihn aus, aber ich hatte meinen zweiten "Wecker" vergessen.

"CLAAAIIIRE!!! Es gibt Frühstück!!! Soll ich dir beim Kleider aussuchen helfen?", schrie Jenny und war wahrscheinlich schon auf halben Weg zu meinem Zimmer.

"Nein, danke Jenny. Hier ist alles gebongt, ich komme sofort runter."

Zum Glück entfernten sich die Schritte wieder.

"Gebongt???", erkundigte sich Heath mit hochgezogener Augenbraue.

"Das ist die einzige Sprache, die sie versteht. Und jetzt ziehst du dich an und verschwindest endlich. Wir sehen uns dann in der Schule", meinte ich entschlossen und drehte mich zu meinem Kleiderschrank um.

Während ich darin rumwühlte hörte ich wie Heath sich anzog. Entschieden griff ich nach einem beigen Pulli mit schwarzen Ornamenten und einer Jeans. Dazu beige Stiefeletten. Fertig. Von hinten umarmte mich plötzlich Heath.

"Ich mag es, wenn deine Haare offen sind", raunte er mir heiser in mein Ohr.

Ein Schauer überlief mich. Ich wollte mich zu ihm umdrehen, aber er war schon durch mein Fenster verschwunden.

Schmunzelnd begann ich mich anzuziehen. Bevor ich runter ging, kämmte ich mir noch kurz durch meine langen, offenen Haare.

 

Wieder laut mitsingend fuhr ich mit einer ungewöhnlich gutgelaunten Cas zur Schule. Und ich wusste warum sie so gut gelaunt war und ich wusste, dass ich wahrscheinlich auch so gut gelaunt war. Mit dem auffällig protzigen Auto parkten wir und stiegen aus. Kaum waren wir in der Schule schlossen sich uns Heath und Luc an. Als wären wir Promis wurden wir eskortiert. Alecsis staunte nicht schlecht und hätte sich wahrscheinlich nicht zu uns getraut, wenn nicht ich und Cas direkt auf sie zu gestrebt wären.

"HI!!! Wie geht es dir denn heute an diesem wundervollen Tag!!! Tut uns übrigens voll leid, dass wir gestern so früh gehen mussten, aber wir machen das auf jeden Fall mit einem Fernsehabend wieder gut", begrüßte Cas sie überschwänglich und legte ihr einen Arm um die Schultern.

"Ähmm, ganz gut. Ich hatte gestern sehr viel Spaß. Ihr auch wie ich sehe", kommentierte Alecsis mit hochgezogenen Augenbrauen.

Wenn die nur wüsste!, dachte ich und warf lachend meinen Kopf in den Nacken.

Misstrauisch begutachtete Heath Alecsis als würde sie jeden Moment einen Stuhl an sich reißen, einmal das Vater Unser beten und auf uns losgehen. Dieser Gedanke war so absurd, dass es mich nur noch mehr zum Lachen brachte.

Um H. zu beruhigen stupste ich ihn spielerisch an. Besitzergreifend legte er einen Arm um meine Taille.

"Luc und ich müssen jetzt zu Melanie, kommst du klar?", raunte er in mein Ohr.

Ich nickte, obwohl es mir sehr wohl was ausmachte, dass er trotz allem bei Melanie und ihrem Gefolge saß. Auch Cas blickte nicht sehr erfreut drein, als die Jungs uns den Rücken zu drehten. Seufzend setzten wir uns zusammen mit A. hin. Uns war klar, dass wir ihr nicht alles erzählen durften, außerdem mussten wir noch irgendwie unsere irrsinnige Flucht erklären.

"Tja, ähmm... Claire hatte plötzlich heftige Kopfschmerzen und war auch schon ganz schön besoffen und als wir dich nicht in der Menge gefunden haben, sind wir einfach los, zudem wollten wir dich nicht davon abhalten Spaß zu haben", versuchte Cas uns aus dieser ekligen Situation zu retten.

Skeptisch verzerrte Alecsis ihr Gesicht, aber sagte nichts weiter dazu.

 

Der restlich Schultag war echt langweilig und ich wäre fast gestorben, weil es in der Mensa immer noch kein Fleisch gab. Beinah wäre mein Tablett drauf gegangen und ich hätte den schüchtern dreinblickenden Typen hinter mir in der Schlange verdrescht, hätte Cas mich nicht davon abgehalten. Die Mädchen in dieser Schule waren doch alle Vogelscheuchen!!! Dabei hatte der Tag so gut angefangen und als wäre das noch nicht schlimm genug, fing mich Melanie und Louisa auf dem Klo ab.

"Du und Heath also??", fragte sie, während sie sich drohend vor mir aufbaute.

Genervt verdrehte ich die Augen.

"Jep, so sieht es zumindest aus", entgegnete ich trocken.

Ich hatte jetzt echt keinen Bock auf einen Bitchfight.

"Du wirst dich von ihm fernhalten! Er ist mein Freund, wir sind für einander bestimmt!"

"Gut, dass ich nicht an die einzig wahre Liebe glaube", schnaufte ich.

Das war noch nicht mal gelogen.

"Du weißt nicht, was dir bevorstehst, wenn du dich mit uns anlegst", mischte sich jetzt auch noch die Sklavin ein.

"Dieses Wir-sind-die-Vampire-und-machen-dich-kalt-Getue kannst du dir bei mir sparen! Ich bin schon so oft durch die Hölle und wieder zurück gelaufen, dass ich dort langsam kostenlose Rabatte bekomme, also lass mich in Frieden", giftete ich zurück.

"Du weißt es!!", stellte Melanie zischend fest.

Mit einer übertrieben ungeduldigen Bewegung sah ich auf meine Uhr, was sie nur noch mehr aufbrausen ließ.

"Ob du es hören willst oder nicht, du steckst in Schwierigkeiten. Ich nehme an deine Schwester weiß es auch. Es wäre für euch beide besser, wenn ihr einfach verschwinden würdet, denn ohne euer Wissen bringt ihr uns alle in Gefahr."

"Beeindruckend, nur leider bin ich nicht naiv genug, um dir das abzukaufen. Keine Sorge Cas und ich können auf uns aufpassen. Aber schön dass du dir Sorgen machst."

Daraufhin lachte sie nur laut auf, was mich verwirrte, aber das wollte ich ihr nicht zeigen. Immer noch lachend drehte sie sich um und trat aus der Toilette. Aufgebracht und jetzt echt angepisst, rannte ich ihr hinterher, aber im Gang war niemand mehr zu sehen. Alle hatte das Gebäude schon verlassen.

Ich drehte mich um, damit ich auch endlich aus der Schule verschwinden konnte, als ich mit jemanden zusammen stieß, der direkt vor mir stand. Reflexartig wich ich zurück und knallte deswegen hart auf den Boden.

"Echt beschissen!", grummelte ich entnervt.

"Nanana, so was in der Öffentlichkeit zu sagen..."

Ich verdrehte die Augen, denn ich erkannte schon an der Stimme mit wem ich schon WIEDER kollidiert war.

"Heathcliff, bitte gewöhn dir das plötzliche Auftauchen ab, so schnell wie möglich, schließlich hat mein Hintern darunter zu leiden."

"Schade, denn ich mag deinen Hintern!", erwiderte er schmunzelnd, während er mir half aufzustehen.

Doch dann wurde er ernst, als er mich aus der Schule begleitete.

"Du hattest ein Gespräch mit Mel?"

Eigentlich wollte ich darauf nicht antworten, mein vegetarischer Tag hatte mich zunehmend geschwächt. Ich hatte nicht vor zu einem Fischskelett zu werden, aber ohne eine tägliche Portion Fleisch war das doch schier unmöglich, die wollten mich wahrscheinlich herzlos verhungern lassen. Ohhhh, ich sollte mal ein ernstes Wort mit dem Direktor reden, das kann echt nicht angehen. Oder ich überredete Adam eine Beschwerde einzureichen und dazu sollte ich darauf achten, dass Jenny genug aß und keine Models als Idole auswählte, so etwas ist doch einfach nur Schwachsinn. Diese ganze Sorgen könnte man sich sparen, wenn Melanie und Louisa nicht als Vorbilder abgestempelt werden.

"Hast du vor mir noch heute zu antworten?"

"Nur, wenn du mir ein ordentliches Steak besorgst! Ich bin kurz vorm Verhungern!", versuchte ich geschickt das Thema zu wechseln.

Dennoch war ihm dies nicht entgangen.

"Okay, aber wenn sie dir zu nahe kommt, musst du mir das sagen. Mel ist manchmal etwas besitzergreifend", seufzte Heath.

"Ein bisschen??", fragte ich ungläubig.

"Oder auch etwas mehr", gab er zu "aber zwischen uns ist nie was gelaufen, sie ist wie eine Schwester für mich und auch richtig entspannt, wenn sie nicht das Gefühl hat ihr Revier abzustecken."

"Ist nur die Frage wie sie dazu steht?", murmelte ich.

"Hey, kein Grund eifersüchtig zu werden", lachte er.

"Schlag dir das mal gleich aus dem Kopf, ich bin nur so komisch drauf, weil ich heute noch kaum etwas essen konnte. Weißt du, warum alle unbedingt so abgemagert aussehen wollen wie Mel und Louisa? Warum sehen die denn überhaupt so aus?", fragte ich, weil mir diese Fragen schon eine Weile lang durch den Kopf spuken.

"Naja, wenn wir Männer so stark sind wie der stärkste Mann auf der Welt, sehen die Mädchen auch aus wie die dünnsten Mädchen der Welt, die Kranken ausgenommen. Aber viele Mädchen werden jetzt insgesamt dünner wegen ihren Idolen", versuchte er mir zu erklären.

"Also so wie die aussehen würde ich das schon krank nennen."

Zusammen gingen wir aus der Schule.

"Soll ich dich noch nach hause bringen?", erkundigte sich Heath.

"Nein, dann würde ich mich gezwungen fühlen dich den Anderen vorzustellen", erwiderte ich ihm.

Darauf lachte er nur und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen. Als ich mich umsah, bemerkte ich recht schnell Cas, die wartend an unserem Auto lehnte. Hastig winkte ich ihr und eilte auf sie zu. Achtlos warf ich meine Tasche auf die Rückbank und setzte mich auf dem Beifahrersitz.

Schon startete Cas wortlos den Motor und brauste los.

Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße!!

"Du hattest wahrscheinlich auch ein ernstes Gespräch mit Melanie und Louisa", stellte ich trocken fest.

Zornig nickte sie nur, weil wir beide wussten, würde sie jetzt den Mund aufmachen kämen nur Beleidigungen raus.

Mit Gewalt zwang sie den nächsten Gang ein, sodass der Hebel gefährlich anfing zu knacken und ich mir Sorgen um unser Leben machte. Ich wollte auf keinen Fall bei einem Autounfall sterben. Ich weiß auch nicht wieso, aber wenn mein Freund ein Vampir ist, wollte ich nicht so sterben, höchstens an Blutmangel oder so.

Cas gab richtig Gas, um ihre gesamte Aggression an der Straße und meinen offenen Haaren auszulassen und ich wurde heftig in den Sitz gedrückt, aber ich sagte nichts, denn mir war klar, dass es nach der Fahrt besser sein würde, also beschränkte ich mich darauf den Türgriff feste zu umklammern, als hinge mein Leben davon ab.

Endlich, unser Haus war in Sicht, doch nichts hat mich auf diesen Moment vorbereitet. Der Moment, in dem ich richtig sauer wurde. Noch wütender als in der Cafeteria und das sollte was heißen!!

 

Heathcliff:

Zusammen mit Luc, Mel und Lou fuhr ich nach hause. Wir mögen zwar Vampire sein, aber wir wohnen weder auf dem Friedhof noch in einer heruntergekommenen Villa, die seit 1880 nicht mehr von Menschen betreten wurde. Ein ganz normales Haus. Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein, denn wir wollten durch unsere Ersparnisse kein besonderes Aufsehen erregen.

"Wer geht nachher mit mir joggen. Allein ist das immer so langweilig!!", erkundigte sich Lou.

"Tut mir leid, ich passe!", antwortete Mel.

Ich merkte, dass Mel und Lou sich anders verhielten, wenn sie nur mit uns abhingen. Ich glaube, sie halten Menschen etwas für unwürdig oder sind einfach nur von ihnen angenervt und wollen ihnen zeigen wie toll sie selbst sind. Aber ich hielt es nicht für nötig einzugreifen. Bis jetzt. Wie aus dem Nichts war Claire aufgetaucht. Claire, die sich nicht unterdrücken ließ, die frei ihre Meinung sagte und die für alles kämpfen konnte. Sie ist geheimnisvoll, sexy und jedes mal wenn ich merke, dass sie mich ansieht, könnte ich vor Glück platzen.

"Claire hat mir erzählt ihr hättet euch unterhalten", warf ich in das Gespräch ein und wendete mich damit direkt an Mel.

"Cas hat bei mir auch so was angedeutet", bestätigte Luc.

"Das war auch bitter nötig, denkt ihr, nur weil ihr einmal bei ihnen wart und was weiß Gott getrieben habt, halten sie ihre kleinen Münder! Nein, man muss sie einschüchtern, damit sie auf einen hören und außerdem fand ich es ihnen gegenüber unfair, dass sie nicht gewarnt wurden mit wem sie es zu tun kriegen", meinte Mel lässig und sah mir mit zusammen gekniffenen Augen an.

"Lass das nur unsere Sorge sein. Luc und ich haben beide unter Kontrolle und ihr sollt euch da nicht weiter einmischen", knurrte ich.

"Und was passiert, wenn die beiden enttäuscht und traurig sind, weil ihr sie fallen lassen werdet. Die werden alle gegen uns aufhetzten, wollt ihr das wirklich??"

"Zu so etwas wären sie nie in der Lage!!", schrie Luc empört auf.

Mit einer scharfen Bremsung hielt Lou den Wagen vor unserem Haus.

In heller Aufregung lief unser Vater auf uns zu. Ja, wir haben einen Vater. Na ja, auf jeden Fall haben wir eine Eltern-Kind-Beziehung.

"Kinder, etwas schreckliches ist passiert!", keuchte er und rang nach Luft.

Eilig stiegen wir alle aus dem Wagen und stellten uns um ihn herum.

"Es ist.... Jenny.... sie.... sie wurde entführt!", japste er.

Ich war wie gelähmt, das war doch die kleine Schwester von Cas und Claire. Ganz im Gegensatz zu Mel.

"Und was geht uns das an?", hakte sie nach.

"Von unserer Rasse!"

Diese Information ließ selbst Mel den Mund schließen.

Alle zusammen starrten wir ihn fassungslos an.

 

Claire:

"Ohhhh, ich werde Melanie umbringen! Sie ist die Einzige der ich so was zutrauen würde!", schrie ich außer mir.

Ich stampfte mit dem Fuß und sobald mir jemand zu nah kam, verpasste ich ihm Schläge und Tritte.

"Los, Claire lass uns fahren, die werden nicht ungeschoren davon kommen", sagte Cas selbstsicher und war schon dabei einzusteigen.

"Ich denke, wir sollten erst einmal logisch schlussfolgern, sie könnte auch bei einer Freundin sein", vermerkte Adam, klang aber selbst nicht so sicher wie er es wollte.

Cas und ich saßen schon im Auto, als uns Heath und Luc mit einem mir fremden Mann entgegen gerannt kamen. Ohne zu zögern stieg ich hastig aus und konnte dabei nicht schnell genug aus dem Wagen kommen. Dann rannte ich auf Heath zu. Dieser sah mich kommen war aber nicht im wesentlichen darauf vorbereitet, dass ich wie eine wilde Furie um mich schlug und dabei ein paar Schläge austeilte, die ich selbst als gar nicht so schlecht beurteilte. Er versuchte vorsichtig meine Handgelenke einzufangen, aber ich warf mich hin und her und wehrte mich heftig gegen ihn. Dabei bemerket ich gar nicht, dass ich lauthals schrie.

"DAS IST EURE SCHULD!!!! WIESO HABT IHR DAS GETAN???? JENNY HAT EUCH NICHTS GEMACHT!! ICH HASSE DICH!! DU HAST MIR VERSPROCHEN ALLES WIRD GUT!!!! DU HAST MICH ANGELOGEN UND DAS SCHLIMMSTE IST, DASS ICH MICH AUCH NOCH IN DICH VERLIEBT HABE, DU VOLLKOMMENER VOLLIDIOT VON VAMPIR! DU VOLLHONK!!! ICH KÖNNTE..."

Dann stoppte Heathcliff mein Monolog, indem er mir die Hand auf den Mund legte und mich fest an sich zog. Heiße Tränen rannen über mein Gesicht und ohne noch weiter nachzudenken, weinte ich unaufhaltsam los. Meine Jenny soll weg sein. Dieses quick lebendige Kind mit dem tollen Modegeschmack, sollte vielleicht in Gefahr schweben?? Das alles klang für mich irgendwie unwirklich und unglaublich. Es war einfach nicht real. Konnte nicht real sein.

"Wir waren es nicht. Keiner von uns. Auch wir haben keine Ahnung wieso oder wer das getan hat. Aber ich weiß, dass wir sie wieder finden werden. Das verspreche ich dir! Shhhhh", murmelte er leise und beruhigend in mein Haar.

Der Trost ließ mich zwar etwas runterkommen, aber den Verlust konnte es nicht verdecken. Mein Herz zog sich zusammen. Das erste Mal hatte ich das Gefühl, dass ich hier länger als 2 Monate leben konnte mit meinen zwei Schwestern einem ziemlich guten Ersatz-dad und einem Freund, für den ich wirklich etwas empfand, doch das alles war vorbei. Ich wollte nur noch aus dieser Stadt raus. Den ganzen Ärger hinter mir lassen und ein neues ICH werden. Vielleicht wäre mal wieder die Schulschlampe am Zug. Wie betäubt von dem Gedanken in eine weitere leere Rolle zu schlüpfen, löste ich mich von Heathcliff. Doch tief in mir wusste ich, dass ich nicht nur den Vampiren die Schuld gab, sondern unter anderem auch mir selbst. Jenny war..., mein Gott ich wollte lieber nicht darüber nachdenken. Aber für Jenny würde ich kämpfen, für mich würde ich kämpfen, für ein lebenswertes Leben würde ich kämpfen.

"Was machen wir jetzt? Wo fangen wir an zu suchen?", fragte ich und zwang meine Stimme dazu wieder auf eine normale Tonlage zu kommen.

Heathcliff warf Luc einen flüchtigen Blick zu, der mir alles sagte. Sie hatten auch keinen blassen Schimmer wo wir anfangen könnten.

Erst jetzt fiel mir auf, dass unsere Mutter und Adam sich zu uns gesellt hatten. Mums Augen waren rot umrandet und sie klammerte sich an Adams Hand als hinge ihr Leben davon ab. Auch Adam sah niedergeschlagen und hoffnungslos aus.

"Die Polizei meint, dass nach so kurzer Zeit noch keine Ermittlung möglich sei."

Sehr wahrscheinlich war mindestens drei mal der Begriff Vampir gefallen und doch konnte ich nichts aus Adams und Mums Gesichtern lesen, bis mir ein Licht aufging.

"Ihr beide wisst davon! Ihr wisst, dass Vampire existieren!", warf ich ihnen plötzlich vor.

Schock stand meiner Mutter ins Gesicht geschrieben, dann wurde sie Leichen bleich. Ein Nicken. Mehr nicht. MEHR BEKAM ICH NICHT!??

"Ihr wusstet es? Wie lang schon? Wieso habt ihr uns nichts gesagt?", stellte Cas eine Frage nach der anderen, auch sie war geschockt und rückte immer näher an Luc ran, der sie mit einem Knurren an der Taille an sich ranzog.

"Ja, ich wusste es und Adam auch. Ich habe es ihm erzählt, weil ich den Verdacht hatte mit ihm den Rest meines Lebens verbringen zu können und das wollte ich nicht mit einer großen Lüge starten. Es ist... na ihr... ihr seid nun mal nicht nur Menschen. Hier geht es um euren Vater. Er war ein Gott. Er war Anubis. Das hört sich jetzt dämlich an, aber ich war verliebt und er war ja nur ein Gott des Todes und nicht der Tod selbst. Wie das passieren konnte ist mir bis jetzt unklar. Aber ich bereue es nicht, weil ich dadurch zwei wundervolle Töchter habe und..."

"UND? Und du hättest es uns sagen müssen!", schrie Cas auf einmal anklagend Mum an.

Ich gab ihr nur Recht. Ein Gott des Todes unser Vater? Hörte sich an wie in einer schlechten Soap.Trotzdem blieb immer noch das größte Problem, was war mit Jenny.

Plötzlich hörte man Reifen quietschen und ein Jeep mit verdunkelten Fenstern fuhr an uns vorbei mit mindestens 80. Eine schlaffe Figur wurde bei voller Geschwindigkeit rausgeworfen.

"Jenny!", schrie Adam.

Ohne sich abzusprechen nahmen Heath und Luc die Verfolgung auf. Doch der Wagen drosselte die Geschwindigkeit selbst in den Kurven nicht und selbst mit diesem Vampirgeschwindigkeitszeug war klar, dass sie den Wagen nicht einholen konnten.

Wie von einem Blitz getroffen liefen wir alle auf einmal auf Jenny zu. Als ich sie mir genauer ansah, keuchte ich auf und wich zurück. Dieser Anblick war einfach zu schrecklich. Jennys Kleidung war vollkommen zerrissen, ihre Haare verstrubbelt und an manchen Stellen ausgerissen. Ein Arm war in einem unnatürlichen Winkel gebogen und überall waren tiefere Kratzer oder Wunden. Schweiß glitzerte auf ihrer Haut und sie wirkte wie ausgesaugt. Doch das bizarrste an dieser Szene waren die unzähligen Bisse, die über ihren ganzen Körper verteilt waren.Ich konnte einen lauten Schluchzer nicht mehr unterdrücken. Die Sonne schien auf Jenny herunter, als versuche sie sie aufzuwecken, doch vielleicht war sie noch nicht mal mehr am Leben.

Scheiß Vampire, Scheiß Welt, Scheiß Leben!

Wir wollen Rache!!

Jen lag ganze drei Tage bewusstlos im Krankenhaus bevor sie aufwachte. Natürlich hatten wir Probleme damit die Verletzungen zu erklären und sehr wahrscheinlich hielten jetzt alle Adam für einen Alkoholiker, der seine Kinder schlägt.

Ich saß an ihrem Bett als sie gerade aufwachte. Selbst Heath vermochte nicht mich von meinem Posten zulocken, ebenso wenig wie Cas. Sie war zu dem Zeitpunkt im Sessel eingeschlafen.

"Wo bin ich?"

Fast hätte ich gar nicht verstanden, was Jenny so leise vor sich hin gehaucht hatte. Besorgt beugte ich mich vor, um sie besser zu hören.

"Ich bin hier Jenny. Claire.  Deine große Schwester!"

"Lasst mich los! Hört auf! Bitte!"

Wie wild fing Jen an um sich zu schlagen und landete einen guten Treffer mit der geballten Faust in mein Gesicht. Reflexartig zuckte ich zurück und rief Cas zu: "Cas! Hol eine Krankenschwester oder noch besser den behandelnden Arzt!"

Die durch das Geschrei aufgeweckte Cas erholte sich schnell von ihrem Schreck und rannte los um jemanden um Hilfe zu bitten, während ich versuchte Jenny zu beruhigen oder wenigstens ihre Hände festzuhalten, damit sie sich nicht selbst verletzten konnte.

Nun kamen auch Mum und Adam reingestürmt, um sich zu vergewissern, dass alles okay ist.

Sobald der Arzt Jenny untersucht hatte, beruhigte sie sich wieder und schlief noch mal ein. Die große Bettdecke ließ sie noch fahler und kleiner erscheinen als sie war.

Wieder kochte die Wut in mir hoch, wenn ich auch nur an die Typen dachte, die einem kleinen Mädchen so etwas an tun konnten.

Diese Arschlöcher!!

Diese hirnamputierten Arschlöcher!!

 

"Sie wird schon nicht in den paar Stunden, die du nicht bei ihr bist sterben", beteuerte Heath mir, weshalb ich ihm einen scharfen Blick zu warf. Gespielt böse gab ich ihm einen Schlag gegen seinen Arm. Doch ohne ein Anzeichen von Schmerz fing er nur an zu lachen. Was diese Jungs nur immer haben??

Wir waren in unserer Einfahrt. Mum und Adam hatten ausgemacht uns heute zu versammeln, um über unsere Situation zu unterhalten, was bei mir schon wieder Bauchschmerzen verursachte. Immer wieder sah ich Jenny auf der harten Straße liegen, wie eine weggeworfene, kaputte Puppe.

Leider blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten und diese Mistkerle zu schnappen. Cas ging es auch nicht viel besser. Wir beide konnten uns glücklich schätzen in solch tollen Beziehungen zu sein. Selbst mit Mel und Louisa hatten wir uns einigermaßen vertragen, obwohl sie uns immer noch für irgendwas verantwortlich machten, was ich nun wirklich nicht verstand.

"Am besten beeilen wir uns!", und schon zog ich Heath durch die Tür.

"Es kann nur ein anderer Vampir Clan sein!", hörte ich Michael, der Stammvater oder so was von Heath und Luc, sagen.

Mum sog entsetzt die Luft ein. Uns allen war diese Situation gänzlich neu und unbekannt.

"Wenn es so war, was können wir dann machen?", fragte Adam.

Er saß steif auf dem Sofa neben Mum und hielt ihre Hand in seinen. Anscheinend könnte es doch ernster mit den beiden sein, als wie ich vermutet hatte. Unauffällig bedeutete ich Cas mit Kopfbewegungen in die besagte Richtung zu schauen.

"Claire?", flüsterte mir Heatcliff ins Ohr, "alles okay?"

"Ja."

"Wir könnten einen Boten um Rat und Unterstützung bitten."

"Boten?", warf Cas die Frage in den Raum, die bestimmt auch mir im Gesicht geschrieben stand, doch sie erntete sich nur ein paar missbilligende Blicke ein, ansonsten wurde ihre Frage einfach so übergangen. Das Gespräch wurde zwar weitergeführt, doch leider verstanden wir kein weiteres Wort.

Immer wieder wurde Boten erwähnt oder verschiedene Clans aufgeführt, die potenzielle Verdächtige sein könnten. Nach ungefähr 5 Minuten, in denen sich immer noch keiner sich die Mühe machte uns einzuweihen, selbst Heath nicht, der mit gerunzelter Stirn der Konversation folgte, standen ich und Cas auf und verließen ohne ein Wort zu verlieren den Raum.

Aber wir ließen es uns nicht nehmen, die Tür hinter uns zu knallen zu lassen. Draußen auf dem Flur wendete sich Cas zu mir.

„Wenn das stimmt, ich meine mit dem Gott und so, würde das nicht heißen, dass wir Schwestern sind.“

Ich sah den Zweifel in Cas Augen und ich konnte nicht leugnen, dass auch ich nicht glauben konnte, dass wir Schwestern sind.

„Egal ob Gott oder kein Gott. Ob Halbschwestern oder nicht. Wir waren und werden auch immer echte Schwestern sein, selbst wenn es nur durch unsere Verbundenheit durch die Seele bewiesen werden kann.“

„Ohh, Claire, dass hat sich wirklich total süß und überhaupt nicht nach dir angehört.“

„Ich dachte, dieses bisschen an Dramatik und Klischee würden dir gut tun.“

„Das tun sie auch.“

Und dann umarmte Cas mich, wie das Schwestern eben zu machen pflegen.

 

 

Später saß ich mit Heath in meinem Zimmer auf dem Bett und kuschelte mich an ihn. Jenny war auf ihrem Zimmer und schlief schon seit guten 7 Stunden.

„Was hältst du von dieser Gott Geschichte?“

„Ich weiß nicht. Aber das mit dem Tod... jep, du kommst eindeutig nach deinem Vater“, behauptete er schmunzelnd.

Belustigt schlug ich ihm auf die Schulter. Aber eine Sache mussten wir noch klären.

„Wegen dieser Nacht, du weißt schon...“, weiter kam ich nicht, denn anscheinend hatte ich nach Ansicht meiner Schwester genug Privatsphäre gehabt.

„Was, Cas!!!“

„Ich hab gerade unten an der Tür gelauscht und ihr werdet nicht glauben, was da gesagt wurde.“

Cas kam uneingeladen in mein Zimmer und setzte sich zu uns aufs Bett. Luc folgte ihr aber er zögerte und blieb letztendlich im Raum stehen. Wäre ansonsten auch eng in meinem Bett geworden.

„Die haben von einer Prophezeiung geredet. Zieht euch das mal rein.“

„Ich dachte, sie wollten mit der Besprechung für heute aufhören“, sagte Heath und blickte zu Luc auf.

„Anscheinend wollten die uns nur nicht dabei haben“, erwiderte dieser.

Manchmal wollte man einfach seinen Eltern ins .... Ach ist jetzt auch egal.

„Was für eine Prophezeiung?“

„Irgend so eine Vampir Geschichte, die sich um ein Kind von einem Gott und einem Vampir handelt. Dieses Kind soll ganz schön viel drauf haben und die Welt auf den Kopf stellen.“

„Die Prophezeiung der entgültigen Zerstörung?“, fragte Heath.

„Ihr kennt die Geschichte?“

„Natürlich. Unter uns Vampiren ist das so etwas wie die Bibel“, erklärte Luc.

Nach den Falten auf seiner Stirn war das nicht unbedingt etwas Gutes.

„Reicht das endlich für einen Tag!! Bitte, verschwindet aus meinem Zimmer. Ich kann nicht mehr.“

Ohne weitere Einwände verschwanden Luc und Cas. Plötzlich musste ich mir um so viele Sachen Gedanken machen.

„Willst du jetzt über die Nacht reden?“

Heath war so verständnisvoll. Aber es war einfach so peinlich.

„Nein, nicht unbedingt jetzt. Vielleicht ein anderes mal.“

Und damit er nichts dagegen einwenden konnte, küsste ich ihn mit meinem ganzen Frust, der sich angestaut hatte. Er rollte sich auf mich und erwiderte den Kuss genauso heftig. Wo sollte uns dieses Verhalten nur hinbringen?

 

"Aber wieso mögen, die mich nicht?", fragte Jen mit Tränen in den Augen.

"Ach Süße, dass lag nicht an dir! Das sind einfach böse Menschen, mit dir hatte das gar nichts zu tun!", versuchte ich sie davon zu überzeugen.

Der Anschlag war nun schon eine Woche her und wir hatten keine Spur, wer diese Typen sein könnten. Alle anderen redeten zwar die ganze Zeit von einem Boten, aber niemand wollte uns erklären was das sein sollte. Wenigstens ging es Jenny immer besser.

"Ob vielleicht deren Eis aufgegessen habe?", überlegte sie laut.

Bei sowas musste man doch schmunzeln.

"Wie kommst du darauf?"

"Weil ich auch dein Eis aufgegessen habe", gestand sie mir zögernd.

"Ach, da ist mein Eis hin verschwunden  und ich hatte schon Cas in Verdacht."

"Tut mir leid. Dafür darfst du meine Gummibärchen haben. Alles wieder gebongt?"

"Gebongt", bestätigte ich.

Ich nahm mir an dieser Stelle fest vor etwas gegen ihre Gewissensbisse zu tun. Fragt sich nur momentan was.

"Claire!!", rief jemand von unten. Wahrscheinlich May. Ja, Cas und ich hatten uns dafür entschieden unsere Mutter bei ihrem Vornamen anzusprechen und ohne jegliches zutun hat das unsere Beziehung auf eine ganz neue Ebene gehoben, vielleicht noch nicht auf eine Mutter-Töchter Ebene, aber nah dran.Wahrscheinlich lag es daran, dass sowohl sie als auch wir glücklicher waren.

"Komme gleich. Wir spielen Mensch ärgere dich nicht wann anderes mal, okay?"

Jenny nickte nur, sie war dann doch ziemlich müde. Was an ihren Medikamenten lag.

Rasch ging ich nach unten.

Dort traf ich zum ersten mal den Boten des Clans, dem Heath angehörte.

Gregory

 Vor mir stand ein heißer Beachboy, nur mit einer Shorts bekleidet. Sein braungeranntes Sixpack stach mir in die Augen und ließ meine Beine weich werden. Seine Gesichtszüge waren zart und wie von einem Gott, sodass ich fast gesabbert hätte. Eigentlich wollte ich ihm nur die Hand geben, stattdessen rutschte ich auf dem Boden aus und fiel auf ihn zu, doch ich wurde von muskulösen Armen aufgehalten, sodass ich nicht auf den Boden knallte. Dafür kam sein Gesicht meinem immer näher und ich konnte nur noch meine Augen schließen und hoffen, dass er meinen heftigen Herzschlag nicht hörte.

Ähm.... Nöp. Ernsthaft nur ein Scherz!!!

Eher im Gegensatz, vor mir stand ein älterer Mann mit grauen fast weißen, aber dennoch kräftigen, Haaren, der seine besten Tage schon hinter sich hatte. Aber sein Gesicht und sein gepflegter Vollbart erinnerten mich an das Klischee von einem Großvater, der Peiffe rauchend mit seinem Enkelkind auf dem Schoß vor einem brennenden Kamin  in einem Sessel saß. Ich mochte ihn direkt.

"Ich bin Gregory."

Seine Stimme war rauchig, also hatte ich mit dem Rauchen zumindest recht.

"Claire."

Und nun reichte ich ihm in Wirklichkeit die Hand, die er mit einem festen Händedruck schüttelte.

"Schön dich kennen zu lernen. Heath oder Luc?"

Fest schaute er mir in die Augen.

"Entschuldigung?"

Heath war nicht der Typ, der einfach mal so erwähnte, dass er jetzt in einer Beziehung ist. Was ich ihm allerdings verzeihe.

"Die Jungs können mir nichts vormachen. Sobald ich auch nur hörte, dass May zwei schöne Töchter haben soll, wusste ich direkt was Sache ist. Auch wenn ich vielleicht so aussehe bin ich nicht von gestern."

Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich von einer einzelnen Person völlig überrumpelt.

"Heathcliff."

"Tja, irgendwie ist Cas verschollen. Du wirst sie später treffen", mischte sich May nun in das Gespräch mit ein.

Irgendwie wirkte sie nervöser als sonst. Sie knibbelte schon die ganze Zeit an ihren Nägeln herum und vermied auf jedem Fall Gregory in die Augen zu schauen.

Vielleicht war es ihr unangenehm, dass Cas nicht auftauchte, denn wir wussten nur allzu gut warum. Luc war gerade zu Besuch und die beiden trieben was weiß Gott da oben.

Herzhaft fing Gregory an zu lachen.

"Es tut mir leid, dass ich mir diese fünf Minuten gestohlen habe, aber du solltest für die Zukunft wissen, dass ich deine Gedanken lesen kann. Das setzt mein Beruf voraus."

Aha so war das also.

Er gefiehl mir jetzt nur noch mehr.

Überrascht zog er eine Augenbraue hoch.

"Bei jedem?"

"Nein, nur bei Menschen und Vampiren, die meinem Clan angehören und wie es jetzt scheint auch bei Göttern."

"Kannst du sonst noch was, was man wissen sollte?"

"Ich kann die Zukunf von meinem Clan vorhersehen. Es war übrigens mein Ur-ur-ur Großvater, der die Prophezeihung der entgültigen Zerstörung vorhergesehen hat."

Ich nickte anerkennend. Das nenne ich mal gute Gene.

Schmunzelnd kam er auf mich zu und umarmte mich. Als erstes war ich verwirrt, aber er flüsterte mir dabei etwas ins Ohr und ich verstand, wieso er nicht wollte, dass May das mitbekam.

"Willkommen im Clan Silentium."

Ich nickte kaum merkbar mit dem Kopf und erwiderte die Umarmung. Wie gesagt, wieso auch immer konnte ich den Boten ziemlich gut leiden. Er strahlte irgendetwas aus und dabei störte es mich gar nicht, dass er meine Gedanken lesen konnte. Ich erlaubte ihm das großzügiger Weise.

"Ich habe jetzt großen Hunger. Wie wäre es mit einem Familienessen."

"Klar", antwortete May sofort und sprang sofort auf, um in die Küche zu rennen.

"Claire!! Während ich das Essen vorbereite, wärest du so lieb, um alle zusammen zu trommeln?"

"Gebongt!"

Wahrscheinlich war es ihr nur zu peinlich an Cas Tür zu klopfen, denn so gut stand unsere Beziehung dann doch nicht, dass sie sowas überleben würde.

"Heath hat mir verschwiegen, wie witzig du bist."

Tja, ich war unbeschreiblich perfekt!

"Da hast du wahrscheinlich recht."

Boah, das ist ja richtig praktisch. Erstens kein Smalltalk und zweitens kann ich mir das Sprechen sparen.

 

Laut klopfte ich an Cas Tür.

"Cas und Luc, was auch immer ihr gerade macht, es gibt Essen und ich komme jetzt rein, also bitte sorgt dafür, dass ich nicht noch ein weiteres Trauma bewältigen muss!!"

Ich wartete noch circa 10 Sekunden bevor ich auch schon die Klinke runterdrückte und kaum fassen konnte, was ich dort zu sehen bekam.

Luc lag mit einer schlafenden Cas im Arm. Er hielt ein Buch in der Hand und wahrscheinlich hatte er ihr vorgelesen. Nun schaute er mit hochgezogener Augenbraue mich an.

"Sorry, ich dachte... Na auch egal. Du weckst sie lieber auf, denn wir wollen ein Familienessen machen und ich soll alle zusammen trommeln."

Er nickte und ich besaß den Anstand mich wieder zurück zu ziehen, um dem Paar noch ein weing Zeit zu geben.

Luc tat Cas wirklich gut.

 

"An was denkst du gerade?", fragte mich ein Mann, der sich hinterhältig von hinten angeschlichen hatte.

"Heath, man erschrickt die Leute nicht einfach so, dass ist total unhöflich", belehrte ich ihn, aber musste trotzdem lächeln, als ich mich umdrehte.

Heath tat auch mir gut. Ich war viel ausgewogener. Mit ihm hatte mein Leben Festigkeit bekommen, aber ich würde mir eher die Zunge abbeißen als ihm das zu gestehen.

"Du weichst meiner Frage aus!"

Ohne was zu sagen, legte ich einfach meine Arme um seine Hüfte und schmiegte mich an ihn.

"Was machst du da?", fragte Heath mit gepresster Stimme.

Weiter rieb ich mich an ihm. Er roch wirklich gut, dass war mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen.

"Das was du da gerade machst, lässt mich an Dinge denken, wofür der Flur wirklich sehr ungeeingnet ist", warnte er mich mit einem atemlosen Lachen.

Anscheinend machte ich ihm wirklich zu schaffen. Ich fragte mich, wie viel er wohl aushält?

Nun presste ich meinen Körper an seinen und hob meinen Kopf so weit an, dass mein Mund an sein Ohr reichte. Genießerisch leckte ich ihn neckisch dort, worauf er aufstöhnte und seine Hände auf meinen unteren Rücken legte, um mich enger an ihn zu drücken. Leise stöhnte ich verführerisch in sein Ohr. Dabei hörte ich nicht mit der rythmischen Bewegung auf, sodass meine Brüste an seine Brust gedrückt wurden.

"Ist das alles was du drauf hast?", fragte Heathcliff, aber nun war alles neckische aus seine Stimme verschwunden.

"Noch lange nicht."

Ich fing doch erst an! Meine Hände wanderten seinen muskulösen Rücken hinauf und vergruben sich in seinem Haar, bevor ich etwas daran zog, was ihm ein Keuchen abring. Dann hauchte ich sanfte Küsse seinen Hals entlang, aber unterbrach diese Tortur ab und zu, um ihm Sachen in sein Ohr zu flüstern.

"Das macht mich total an", hauchte ich.

"Du machst mich total verrückt. Immer wenn du mich umarmst, stelle ich mir vor wie ich unter dir liege. Das stellst nur du mit mir an. Vor dir gab es keinen...", fuhr ich fort bis ich grob unterbrochen wurde, indem mich Heath etwas heftiger als geplant an die Wand drückte und mich dort mit seinem Körper festhielt.

Oh mein Gott, ich konnte spüren wie sehr er mich begehrte!!

"Sag das nochmal", forderte er knurrend und starrte in meine Auge.

Seine Augen!!! *schwärm*

"Du stellst etwas mit mir an, ..."

"Nein, das letzte was du gerade gesagt hast."

Ich schluckte.

"Vor dir gab es keinen."

Mit einem Ruck zog er meine Bein unter mir weg und schlang sie sich um die Taille, damit ich in etwa auf seiner Augenhöhe war. dann spürte ich auch schon seinen Mund an meinem. Drängend. Und ich gab seinem Drang einfach nach ohne mich zu wehren. Ich hätte gar nicht gekonnt, denn mein Denken hatte den Geist aufgegeben, stattdessen fühlte ich alles umso extremer. Seine Zunge an meiner. Sein Körper an meinem. Die herrliche Hitze, die sich in meinem Körper verbreitete.

Das Experiment ist eindeutig aus dem Ruder gelaufen, ich wollte doch nur seine Grenzen austesten! Denn ob ihr es nun glaubt oder nicht, ich war immer noch Jungfrau! In dieser einen Nacht wollte er Sex haben, aber ich habe ihn gesagt, dass es für mich zu früh ist und er hat es verstanden. Bis jetzt waren wir halt noch nie lange genug in einer Stadt gewesen, als dass ich mich verlieben konnte, geschweige denn mehr mit einem Jungen machen als nur Rumgeknutsche.

"Lass uns in dein Zimmer gehen", schlug er außer Atem vor.

"Ich weiß nich so recht..."

Langsam fuhren seine Hände unter mein weites T-Shirt und berührten meine erhitzte Haut, die danach schrie von ihm liebkost zu werden.

"Ja!", änderte ich schlagartige meine Meinung.

Zufrieden knurrte er mir in den Mund.

"Boahh! Nehmt euch ein Zimmer!", unterbrach Luc unser ... ähm... Gespräch?

"Und uns aber hetzten wegen dem Essen!", beschwerte sich Cas zu recht.

Unwillig trennten wir uns und ich wäre fast weiter auf den Boden gesunken, wenn nicht Heath direkt einen Arm um mich geschlungen hätte.

Ich konnte meine Beine nicht mehr fühlen!!!! Was mach ich jetzt? Gut, dass ich mich gleich nur an den Tisch setzten muss!

Bis zum Esszimmer half mir Heath. Er schob sogar meinen Stuhl für mich an, was mich zum Schmunzeln brachte.

 

 "Also Cas, das ist Gregory! Er ist unser Bote!", stellte Michael seinen Großvater vor.

"Aber was genau ist...?", wollte Cas wissen und zugegeben ich war auch ziemlich gespannt auf die Antwort, doch May warf uns einen warnenden Blick zu und deutete mit dem Kopf leicht in Jennys Richtung. Sie hatte recht, das konnte bis nach dem Essen warten.

"Was gibt es denn zum Essen?", fragte Jenny gespannt.

"Natürlich dein Lieblingsessen", antwortete May und stand auf, um in die Küche zu gehen.

Sofort sprang auch Adam auf, um ihr mit den schweren Töpfen zu helfen. Dankbar lächelte May ihn an und man konnte ungesprochene Worte zwischen ihnen spüren. Na da hatten sich aber mal zwei gefunden! Irgendwie süß! Solange man davon absah, dass May meine Erzeugerin war.

Genauso wie Anubis! Oh mein Gott! Irgendwie hatte ich das Gefühl deswegen noch nicht genug geheult zu haben.

Nicht jetzt!

Woher der Gedanke kam, wusste ich nicht, aber es stimmte, jetzt war nicht der perfekte Zeitpunkt, um in Tränen auszubrechen. Später!

Und es kommt noch schlimmer!

 "An was denke ich jetzt?"

Hoch konzentriert kniff Jenny ihre Augen zu.

"An Igelbabys", sagte Gregory, der sich immer noch amüsierte, obwohl er dieses Spiel schon seit geschlagenen 20 Minuten spielen musste.

"okay, aber an was denke ich jetzt?", wollte Jenny wissen.

"Komm Jenny du musst jetzt ins Bett", unterbrach Adam dieses Treiben.

"Aber...."

"Nein, der Doktor hat gesagt du brauchst viel Schlaf, damit du wieder gesund wirst."

Anscheinend gab es keine Widerrede. Aber bevor Jenny ganz aus dem Raum verschwunden war, rief ihr Gregory noch etwas hinterher.

"Maulwurfbabys."

Man hörte nur noch das sich entfernende Kichern von Jenny.

Dann räusperte sich Michael. Oh oh, jetzt wird es ernst.

"Gregory, willst du den Anfang machen?", bot Michael ihm an.

"Klar, also... Ich bin ein Bote und im Grunde sind Boten Vampire mit speziellen Fähigkeiten. Zudem vertreten wir unseren Clan in... na ja es ähnelt dem Parlament von euch Menschen."

Das war alles? Und das mussten alle so unbedingt geheim halten??

"Ich gebe nun das Wort an May weiter!"

Unruhig pittelte May an ihren Fingern rum. Etwas war eindeutig falsch hier!

"Ich hatte neuerdings Kontakt zu eurem Vater."

Ich glaube sie stand kurz vorm heulen.

"Und ihr seid keine Schwestern, dementsprechend ist nur eine von euch eine Halbgöttin, die andere ein normaler Mensch."

Ich fragte mich, was von beiden schlimmer war.

"Claire..."

Oh nein!! Nicht mit mir!!

"Du bist Anubis Kind!"

Scheiße!! Das hat eindeutige Konsequezen für alle!!

Wortlos schüttelte Gregory nur seinen Kopf.

"Das heißt zum einen", fuhr May fort," dass du in näherer Zukunft Kontakt zu deinem Vater aufnehmen musst, aber auch dass du aus der Prophezeiung ausgenommen bist. Was mich automatisch zu dir führt Cas. Ich will, dass dir bewusst ist, was auf dem Spiel steht und dass die Prophezeiung uns allen Unheil vorhersagt. Also achte strengstens darauf, dass wir uns darüber keine Sorgen machen müssen." 

Warnend sah sie Cas und Luc an.

Wollte sie damit...? Ohgrundgütigergottimhimmel!!  Ein Baby!!!

Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich Cas an, die etwas blass, aber dennoch gefasst wirkte.

"War das alles?", fragte sie.

"Fürs erste, ja."

Stumm nickend verließ sie den Raum. Es war kaum mehr auszuhalten, denn es herrschte eine Spannung in diesem Zimmer wie sie nur bei Erwachsenen oder bei Sex entstehen kann. Wortlos folgte ich meiner Schwester und ich spürte wie Heath mir folgte. Das war ja mal was!!

 

Adam und May hatte uns verdonnert wieder in die Schule zu gehen, sobald auch wieder Jenny auf den Beinen war, was bedeutete, dass wir nach nur zwei weiteren Tagen wieder auf den Schulparkplatz fuhren und eine Runde drehten bis wir einen freien Platz gefunden hatte. Wir hatten sehr viel Stoff verpasst, aber es war für uns nicht allzu schwer aufzuholen. Letztendlich war Schule ja auch gar nicht so schlecht. Immerhin sahen wir Alecsis wieder. Ich hatte sie schon vermisst. Sie war wirklich eine tolle Freundin, allerdings durften wir ihr von der ganzen Gott und Baby Sache nichts erzählen.

 

"Wollen sie mir damit sagen, dass Brot wirklich so viel Kalorien hat?"

Wir hatte Bio und solche Fragen waren schon längst zur Gewohnheit geworden. Dass Mädchen manchmal so dumm und oberflächlich sein müssen, ist ja grausam!

"Ja."

"Ich glaube, ich muss mal kurz auf die Toilette!"

Und schon verschwand das Mädel durch die Tür. Ein Wunder nur, dass es von irgendwoher noch die Energie nahm um so schnell zu laufen wo ihr Körper doch nur noch aus Haut und Knochen bestand. Ironisch lächelte ich.

Zwar hatte ich Alecsis neben mir sitzen, die mir half die Stunde zu überleben, allerdings fehlte mir Heath und das war ungewohnt. Normalerweise komme ich auch gut allein zurecht, aber jetzt...

Zum Glück gongte es und wir konnten die Folterbank verlassen.

"Ach Alecsis wir haben dir doch einen Mädelsabend unter uns versprochen, willst du heute zufällig vorbei kommen?"

"Nein, geht nicht. Das habe ich euch noch gar nicht erzählt. Ich fahre für sechs Wochen weg nach England. Meine Eltern besuchen dort einen Verwandten und ich soll mitkommen. Aber wenn ich wieder da bin gerne!"

"Oh."

Mein Instinkt sagte mir, dass da noch mehr dahinter steckte, aber ich wollte Alecsis nicht zwingen mir etwas zu verraten, wenn sie noch nicht bereit dafür war.

 

Alecsis:

Sie ahnte etwas. Man konnte förmlich die Rädchen in ihrem Kopf sich drehen hören, doch ich würde eher meine Zunge verschlucke als vor Claire zuzugeben warum ich nach England musste. 

Sie hatten wieder angefangen. Die Träume. Wieso gingen sie nicht weg?

Hoffentlich würde dieser Besuch mein letzter werden, denn ich dachte nur mit Grauen an den Besuch vor einem halben Jahr zurück.

Er machte mir Angst. Aber noch mehr Angst machten mir die Träume. Von ihm. Von allem.

Leute starben, Gebäude stürzten ein und Kinder schrien, doch ich konnte nicht eingreifen, niemand konnte das. Ich wollte diese Erinnerungen, die keine waren, aus meinem Kopf haben. Ein für alle mal. Mr. Sean würde mir dabei helfen, auf jeden Fall versprach er das jedes mal, wenn ich in sein Büro trete. Dann legte sich seine Stirn in Falten und er nickte nur. Alle Termin wurden verschoben und ich durfte sein Büro betreten, um mit ihm zu "arbeiten".

 

Claire:

Schließlich hatte ich auch Geheimnisse vor ihr.

"Wann fährst du los?"

"Schon heute?", murmelte sie und senkte verlegen den Kopf.

"So schnell? Was ist mit Schule? Ist irgendjemand verstorben?"

"Nein,", beeilte Alecsis sich mir zu versichern, damit ich mir keine Sorgen machte. Aber ich machte mir so oder so welche. Etwas war gehörig falsch an der ganzen Sache und wenn sich der Trubel um unsere Prophezeiung erstmal gelegt hatte würde sie sich auf Alecsis konzentrieren. Aber noch war dafür keine Zeit.

 "Nein, es gibt nur ein bisschen Spannungen und wir hatten gedacht eine kleine Auszeit würde unseren Familienzusammenhalt stärken", schob sie nun noch hastig hinterher und verdrehte die Augen.

"Sechs Wochen in England mit meinem kleinen Bruder. Das wird die Hölle, das heißt ich freue mich jetzt schon auf den Mädelsabend mit euch. Aber keine Jungs", fügte sie lachend noch hinzu und war wieder ganz die Alte.

Sie hatte uns schonmal von Bryan, ihren kleinen Bruder erzählt, nur getroffen hatten wir ihn noch nie, aber von dem was Alecsis so erzählte, war er eine kleine Nervensäge. Doch in jedem Wort steckte Liebe zu ihrem Bruder.

"Komm, jetzt müssen wir Cas noch die schlechte Nachricht überbringen. Ich lasse dir den Vortritt", scherzte ich.

"Was für schlechte Nachrichten?", meldete sich da schon Cas Stimme von hinten. Schnell beeilte sie sich uns einzuholen und neben ihr stand Luc, der einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte. Innerlich verdrehte ich die Augen. Die beiden waren unzertrennlich geworden wie Tweedledam und Tweedledi oder wie die auch heißen mögen. Lewis Carol in aller Ehren.

"Alecsis verlässt uns für sechs Wochen, um das schlechte Wetter in England zu genießen", verpetzte ich sie.

"Was??", stutzte Cas.

Mit scheuchender Handbewegung bedeutete sie Luc zu verschwinden.

"Mädelsmoment, wir sehen uns später, Schatz."

Wieder rollte ich innerlich mit den Augen, wenn ich das ganze wirklich auch machen würde, dann würde ich mir ein paar Ohrfeigen einfangen als so schon.

"Wieso fährst du weg? Und wieso so lange? Wie halten wir diese Schule nur ohne dich aus?"

Cas klang richtig aufgebracht, aber das konnte ich nachempfinden. Auch mir war Alecsis richtig ans Herz gewachsen, obwohl wir uns erst seit kurzen kannten.

"Mein Vater denkt, dass er damit den Familienzusammenhalt stärkt. Er will sich ein bisschen Zeit für die Familie nehmen."

Entschuldigend zuckte Alecsis mit den Schultern.

"Oh mein Gott, Cas!!! Das ist doch kein Grund loszuheulen!!", rief sie plötzlich und nahm Cas sofort in den Arm.

WAS???

Cas war immer die tapfere gewesen, aber tatsächlich. Ihr rannen in Strömen Tränen über die Wangen.

"Ich komm doch in sechs Wochen wieder", versicherte Alecsis ihr und wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind.

"Es tut mir leid... ich werde...ich werde dich einfach nur vermissen. Du... du bist doch unsere beste Freundin", schluchzte Cas losgelöst.

Ich konnte immer noch nichts anderes machen als sie wie eine Verrückte anzustarren. Bis jetzt hatte ich sie vielleicht zweimal heulen sehen. Aber das war einfach nur lächerlich.

Alecsis warf mir wütende Blicke zu und endlich löste ich mich aus meiner Starre und fuhr meiner Schwester beruhigend über den Rücken.

"Wir...", ich stockte, "Wir kommen für die kurze Zeit schon irgendwie ohne Alecsis zurecht."

"Okay", ließ sich die weinerliche Stimme von Cas  vernehmen, die immer noch ihren Kopf an Alecsis Schulter vergraben hatte.

"Du wirst schon sehen, die Zeit vergeht wie im Flug", versicherte ihr Alecsis ohne zu Zögern.

Da wäre ich mir nicht so sicher.

 

Ich sollte Recht behalten. Die sechs Wochen ohne Alecsis waren die reinste Hölle. Wenn ich nicht Heath gehabt hätte, wäre ich fast vor Langeweile gestorben.

Zwar waren Adam und Michael losgereist, um nach den Tätern zu suchen, die Jenny angegriffen hatte, aber sie waren noch zu keinem Schluss gekommen. Außerdem sind Cas und ich häufiger mit Louisa und Melanie aneinander geraten, aber ansonsten ist nicht viel passiert. Auch Gregory ist irgendwann wieder abgereist, was mich zuerst sehr gekränkt hatte, aber er hatte mir versichert, dass er bald wiederkommen würde. Die Prophezeiung hatte absolute Priorität für ihn. Ich weiß auch nicht, aber der Alte war mir einfach sympathisch.

Nun stand ich zusammen mit Cas am Flughafen, um Alecsis zu begrüßen, sobald sie aus dem Fluzeug trat.

"Da, da ist sie!! Ich seh sie schon!", rief Cas aufgeregt und fing wie eine Verrückte an zu winken. Dabei glänzten ihre Augen wieder verdächtig. Seit ihrem Ausbruch in der Schule war fast kein Tag mehr vergangen, an dem sie nicht wegen irgendetwas in Tränen ausgebrochen war. Mal war es ein toter Vogel auf der Straße, mal war ihr eine Manderine auf den Boden gefallen. Eine noch ungeschälte Manderine!! Sie hat getrauert und geweint als wäre sie dabei gestorben. Und danach hat sie sie geschält und immer noch heulend aufgefuttert. Da war was im Busch! Aber ich glaube ich wollte gar nicht wissen was.

"Ja, du hast recht!"

"Ahhhhh, ich habe euch so vermisst!!", schrie Alecsis und warf sich in unsere Arme, sobald sie aus der Kontrolle rauskam. Hinter ihr kamen schon ihre Familie, aber die gingen schonmal raus, um sich ein Taxi zu besorgen.

"Wir dich auch!", schniefte Cas und Tränen traten in ihre Augen.

"Oh Cas, was ist nur los!! Ich bin doch wieder da. Kein Grund zu weinen, oder?"

"Nein. Ich freue mich nur so..."

"Wir dachten, wenn du Lust hast und dich ausgeruht genug fühlst, dass wir den Mädelsabend schon heute machen. Ansonsten kann Cas es  nicht mehr aushalten, aber wir verstehen das, wenn du erstmal nach Hause willst. Schließlich warst du lange Zeit weg", beteiligte ich mich auch am Gespräch.

Alecsis Augen leuchteten auf. Sie wirkte viel gelassener als vor ihrem Abflug nach England. Anscheinend hatte ihr die Auszeit gut getan.

"Nein, ein Mädelsabend käme mir jetzt genau richtig. Es gibt so viel zu erzählen", sagte sie uns zu und ihre Gesicht strahlte uns an.

Aha, also war ein Junge involviert. Ihr Gesicht sprach Bände.

Mädelsabend...und gute Nachrichten??

 "Nein Jenny, leider darfst du nicht mehr in unser Zimmer. Bitte, dass soll eine Wiedersehensparty werden und da störst ein bisschen. Aber ich verspreche dir morgen spielen wir solange wie du willst Memory."

Schon schloss ich die Tür hinter mir. Unsere Party fand in Cas Zimmer statt und wir hatten schon alles Süße und mindestens fünf Liebesfilme mit nach oben geschleppt. Fehlten nur noch die Getränke!!

"Wo bleibt nur Cas mit den Getränken?", fragte Alecsis.

Wir hatten Cas noch schnell am Supermarkt abgesetzt, damit sie was zu  Trinken besorgte, aber sie war nun schon seit einer halbe Stunde weg, dabei war der Supermarkt hier gleich um die Ecke.

Wie gerufen ging die Tür auf und Cas stellte einen Kasten mit Flaschen auf den Teppichboden.

Das war doch nicht ihr Ernst?!?!?

"Cola, ohne Alkohol, Fanta, ohne Alkohol, Sprite, ohne Alkohol. Und ich dachte wir wollen feiern. Bitte sag mir das du eine Wodkaflasche unter deinem Mantel versteckt hast", neckte ich sie.

Eigentlich brachen wir damit unsere Tradition. Wir hatten schon viele Mädelsabende gefeiert und jjedesmal war mindestens eine Flasche Alkohol im Spiel gewesen, die uns dazu gebracht hatte uns wie Irre am Boden gackernde auszusehen als wir sahen wie unfähig Bella war Ketchup über ihre Pommes zu schütten.

"Nein heute nicht. Ich will nachher nicht so betrunken sein, dass ich mich an kein Wort mehr erinnere das Alecsis gesagt hat. Schieß schon los", forderte Cas sie auf und warf sich quer über das Bett.

Alecsis und ich hatten es uns mit einem Meer aus Kissen auf dem Boden bequem gemacht. Gespannt fraß ich eine Gummibärchentüte auf, während Alecsis zu erzählen begann.

"Eigentlich gibt es nciht so viel zu erzählen", stotterte si und wurde rot wegen unserer ungeteilten Aufmerksamkeit.

"Ich habe jemanden dort kennengelernt. Er heißt James und ist total süß und ich ahb mich in ihn verliebt und in den sechs Wochen haben wir uns mehrmals getroffen. Irgendwann hat er mich geküsst und nun führen wir eine Fernbeziehung."

"Komm schon mehr Details!!", quengelte Cas und bediente sich nun auch an meinen Gummibärchen.

"Wie sieht er aus?", fragte ich.

"Er hat helles, blondes Haar und tief blaue Augen, in denen man sich verlieren kann. Er hat einen Mund, der perfekt zum küssen ist und er ist sehr gut gebaut. An allen Stellen. Sehr gut..."

"Und wie ist er so?", unterbrach ich sie bevor sie sich nicht mehr einkriegt und sich in Erinnerungen an ihn verliert. Man will ja gar nicht wissen, was die drüben in England so alles getrieben haben.

"Er ist intelligent und unheimlich witzig. Er ist wirklich süß und er hat sich Hals über Kopf in mich verliebt genauso wie ich mich in ihn."

"Oh, wie romantisch", seufzte Cas auf.

"Ja."

"Und wie ist das mit einer Fernbeziehung. Ich meine habt ihr euch da abgesprochen. Über die Regeln?"

"Er hat versproche mich bald besuchen zu kommen. Er wird in nicht einer Woche hier sein und da er schon 21 ist, überlegt er sich nicht hierher zu ziehen zu mir."

Ein Strahlen lag auf ihrem Gesicht. Sie war so glücklich und das hatte sie auch verdient.

"Ich freue mich so für dich. Das klingt wirklich nach einem ganz tollen Typ", log ich ihr ins Gesicht.

Es ist nicht so, dass ich mich nicht für sie freuen würde. Aber ich hatte das Gefühl als wäre hier irgendetwas falsch. Ich kannte den Typ noch nicht mal, aber er war mir irgendwie jetzt schon zu perfekt, zu makellos.

"Wieso schauen wir uns jetzt nicht den ersten Film an?", schlug ich vor und war schon dabei die DVD einzulegen. Nur für dich.

Ein Film zum Heulen. Und wir heulten tatsächlich alle. Ich wusste gar nicht wie traurig der Film sein konnte, wenn man nüchtern war.

"Reich mir mal die Taschentücher", schniefte ich aufgewühlt.

Schluchzend warf mir Cas eins in den Schoß. Sie selbst hatte schon seit dem ersten Date der beiden Hauptcharaktere begonnen zu weinen. Ich erst jetzt beim Abschluss des Films und Alecsis seit sich der männliche Hauptdarsteller mit seinem Vater versöhnt hatte.

"Ich glaube ich bin schwanger", brachte Cas unter Tränen hervor.

In ihrem Zimmer wurde es plötzlich unheimlich still. Sie selbst hatte zu weinen aufgehört als wäre ihr erst jetzt bewusst was sie da gerade eben gesagt hatte.

"Wie bitte", fragte ich mit stoischer Ruhe, die mir selbst unheimlich vorkam.

Seufzend vergrub Cas ihr Gesicht in ihrer Decke, aber sie wusste, dass leugnen nun nichts mehr bringen würde, denn obwohl ich dumm nochmal nachfragte, so wusste ich doch genau was sie gerade gesagt hatte.

"Ich glaube ich bin schwanger. Von Luc", fügte sie nun flüsternd noch hinzu.

Das war gar nicht gut.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinem Vater, weil er es nie konnte!!! :)

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