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"Die Aborigines glauben an die Wandjina ein “ Traumzeitvolk “, welche die Geschöpfe und Formen der Erde erschufen. Als die Aborigines erschaffen wurden, war es für die Wandjinas an der Zeit, die Erde zu verlassen. Als Geschenk erhielten die Aborigines das Didgeridoo. Wann immer es gespielt wird, erzeugt es ein Klangfeld zwischen den zwei Welten. Die Aborigines sind dann in der Lage, zu den Wandjinas zu reisen, und die Wandjinas zu den Aborigines."


(aus:http://www.aboriginal-dreamtime.net2go.info/Aboriginal/Aboriginal_Dreamtime.html)

oder aber:

"[...]die vom Digeridoo erzeugten Töne werden als die Vibrationen der mystischen Regenbogenschlange interpretiert, die sie erzeugte, als sie auf ihrem Weg aus dem Ozean den australischen Kontinent mit seinen Bergen und Tälern formte."


(aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Didgeridoo)


... und was glaubt ihr?
(Iris Deitermann)


Die Luft vor seinen Augen flimmerte wie an heißen Sommertagen, wie beim Lauf durch die weite Steppe Australiens. Wärme breitete sich von seinem Gesicht über den ganzen Körper aus, als er plötzlich die Zeit berühren konnte.
Sie stand still, rührte sich nicht, ließ sich treiben von den tiefen Klängen, die eine Brücke zwischen zwei Welten schlugen. Der Atem der Ahnen blies ihm kühlend in den Nacken, während er tief längst vergessene Momente einatmete, von denen er bis heute nichts gewusst hatte.
Fremde Klänge drangen lächelnd an sein Ohr und flossen sanft bis in seine Kinderseele hinab. Gebannt lauschte er den tiefen Tönen, die sich wie Windgeister in der Luft verfingen.
Da blieb sein Blick an der bebilderten Haut des fremden Mannes hängen, der ihnen ein Stück australischer Kultur mitgebracht hatte.
Während die zauberhaften Klänge aus dem langen Eukalyptusrohr die Luft vibrieren ließen und irgendwo in der Unendlichkeit verhallten, setzte sich vor seinen Augen langsam die Regenbogenschlange Wanambi in Bewegung.
Sie kroch die Einöde der hellen Hautlandschaft entlang, umschlängelte sanft den Oberarm des Didgeridoospielers und hinterließ die Zeichnung, tiefer, in die Landschaft gegrabener Furchen.
Während die Schlange sich durch die Einöde wand, vibrierte die Erde auf der sie sich bewegte und gab tiefe, wohlklingende Töne von sich, die sich wie ein warmer Deckmantel über die Zuhörerschafte legte.
Auf geheimnisvolle Weise erzählte die Musik eine Geschichte, die sie nie zuvor gehört hatten. Sie versanken in der Traumzeit, die einmal war und auch morgen noch sein würde. Die dumpfen Laute nahmen sie an die Hand und öffneten ihnen die Augen für das was war.
Da gesellte sich ein neuer Takt dazu und tanzte mit den Didgeridooklängen durch die Luft. Die Trommeln des zweiten Mannes vervollständigten die Klangmalerei, die langsam ins Unterbewusstsein der Zuhörer drang.
Jedes Herz passte sich dem beschleunigten Rhythmus an, jeder Gedanke floss mit im Strom der Zeit - reißende Flüsse entlang oder einem sanft gewundenen Traumpfad folgend.
Die Regenbogenschlange setzte währenddessen ihren Weg fort, ließ Gebirge entstehen, formte die fremde, weit entfernte Welt, unaufhaltsam begleitet von den Tönen, die das Klangfeld zu den Wandjinas öffneten.
Sebastian hielt den Atmen an, während seine Augen seinem Kopf glauben machen wollten, was er da sah. Die fremdartigen Tattoos auf der Haut des Didjeridoospielers führten ein Eigenleben, führten ihm das Stück vor, das die Musik ihm erzählte.
Vorher noch trockene Sachinformationen, die sich jetzt um die Wade des Aborigines wanden.
Sebastian kniff die Augen zusammen, als er eine weitere Bewegung wahrnahm, die sich langsam hinter der Regenbogenschlange zeigte.
Ein Känguru und ein Emu traten auf das Schienbein heraus und sahen der Schlange hinterher.
Diese war fast wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen. Mit ihrer Zunge konnte sie schon die prall gefüllten Wasserbäuche der Frösche kitzeln, die lachend ihre Mäuler öffneten, um die entstanden Furchen zu Flüssen werden zu lassen.

Von der einen auf die andere Minute war alles vorbei.
Die Regenbogenschlange lag wieder ruhig auf dem Unterarm, ihren Schwanz fürsorglich um drei Frösche geschlungen. Känguru und Emu waren auf die Waden zurückgekehrt.
Nur Sebastian hatte noch nicht so ganz wieder zu sich gefunden. Er fühlte sich leer, in eine Zeit katapultiert, die sich plötzlich nicht mehr so vertraut anhörte. Im Inneren hallten die Klänge der Trommeln und des Didgeridoos noch nach. Den Applaus registrierte er nicht.
„Zeit, nach Hause zu gehen!“, sagte seine Mutter und drängte ihn sanft an den beiden Männern vorbei, die sein Herz berührt hatten.
Er hätte schwören können, dass das Känguru ihm gerade noch einmal zugezwinkert hatte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
"Palaneri" - Wort aus der Sprache der Aborigines, das als "Traumzeit" übersetzt wurde. Ebenso die Begriffe "Alcheringa" und "Tjukurrpa".

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