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Nie bekümmert es die Sonne, dass einige ihrer Strahlen weit und vergeblich in undankbaren Raum fallen und nur ein kleiner Teil auf den reflektierenden Planeten.
(Ralph Waldo Emerson)


... das stimmt, denn sie hat ganz andere Probleme.
(Iris Deitermann)


Verglichen mit der Erde und all seinen Lebewesen darauf, ist die Sonne richtig alt. Sie hat schon sehr viel erlebt und könnte Schriftstellerin des perfektesten Geschichtsbuches sein, das die Welt je gesehen hat.
Zur Zeit der Dinosaurier machte es ihr keine Mühe über den Himmel zu flitzen – manchmal fühlte sie sich sogar überhaupt nicht ausgelastet.
Aber heute, viele Millionen Jahre später, merkt auch die Sonne langsam, dass sie immer älter wird. Das jeden Tag wiederkehrende Auf- und Untergehen macht ihr Mühe, wobei der Untergang noch wesentlich einfach ist als der Aufgang.
Eines Tages klagte sie einem der Himmelsmaler ihr Leid, der gerade dabei war ein paar schöne, federleichte Wattewolken an den Himmel zu zaubern.
Dieser erzählte es den Sternen, als sie nachts sein Gemälde für den Tag verbargen. Und von den Sternen erfuhr es am Schluss auch der Mond.
Als stiller Beobachter der Nacht, der der Welt ein immer währendes Lächeln schenkt, hatte er sofort eine Idee, wie man der Sonne vielleicht helfen könnte.
Flugs flüsterte er den Sternen ins Ohr, was sie dem Himmelsmaler und dieser der Sonne erzählen sollten.

„Sonne!“, rief der Himmelsmaler, nachdem die Sonne am nächsten Tag ihren langwierigen Aufstieg endlich beendet hatte. „Der Mond hat eine tolle Idee, wie man dir vielleicht deine Arbeit erleichtern könnte!“
Sofort wurde die Sonne hellhörig.
„Sprich, mein Freund!“ Still harrte sie für einen Moment auf der Stelle aus.
„Lass den Mond die Gnome, das kleine Volk der Wissenschaft, fragen, ob sie dir nicht mit einer ihrer Erfindungen helfen könnten!“
Noch bevor der Himmelsmaler den Satz beendet hatte, fing die Sonne an noch heller als vorher vom Himmel zu leuchten.
„Halt ein!“, rief da der Himmelsmaler. „Du verbrennst mich ja!“
Sofort bemühte sich die Sonne, weniger intensiv zu strahlen.
„Entschuldige, aber ich habe mich so sehr über diesen Vorschlag gefreut. Das scheint mir die perfekte Idee zu sein. Gnome lieben es, Dinge zu erfinden. Sie werden mir bestimmt helfen!“
Noch in der gleichen Nacht sprach der Mond mit einem der Gnome, der händereibend anfing mit seinen Freunden einen Plan zu ersinnen, wie sie der Sonne helfen könnten. Dabei ging es ihnen weniger um das Helfen, als um das Erfinden und Basteln. Aber so waren sie eben.
Drei Tage später sauste der Himmelsmaler über die Wolken zur Sonne und hielt eine Liste in der Hand.
„Sonne! Die Gnome haben einen tollen Plan ausgearbeitet, aber sie brauchen ein paar Dinge von dir!“ Völlig außer Atem blieb der Maler stehen.
Die Sonne selbst war heute ganz besonders träge. Nur langsam wanderte sie über den Himmel. Wie gut, dass Sommer war und die Tage länger. So konnte sie sich ruhig Zeit lassen. Beim Klang der Stimme des Himmelsmalers jedoch, schritt sie etwas zügiger voran.
„Was brauchen sie denn?“, wollte die Sonne neugierig wissen.
„Ich soll ihnen ein paar Sonnenstrahlen und etwas Sonnenleuchtkraftfarbe von dir bringen!“
Sofort bot die Sonne dem Himmelsmaler ein paar Stellen an, an denen er ein paar Strahlen abschneiden konnte. Davon spürte sie nichts, sind sie doch vergleichbar mit den menschlichen Haaren, die beim Abschneiden auch nicht wehtun und sogar nachwachsen.
Auch die Strahlen der Sonne brauchten nicht lange, um wieder genauso lang und strahlend zu sein wie vorher. Als der Himmelsmaler den letzten Strahl abschnitt, waren die ersten schon wieder nachgewachsen.
„Jetzt noch zwei Eimer voll Sonnenleuchtkraftfarbe!“, keuchte der Himmelsmaler, der ganz erschöpft vom Sonnenstrahlenschneiden war.
Im Handumdrehen waren die beiden Eimer gefüllt. Der Himmelsmaler legte alles auf eine Wolke, die er mit in die Nacht nehmen wollte, damit der Mond die beiden Dinge an die Gnome weitergeben konnte. Die kamen nämlich nur im Schutz der Dunkelheit an die Erdoberfläche.
Mit gewichtiger Miene sahen sich die kleinen Erfinder ihr Material an, tuschelten aufgeregt miteinander und kamen schließlich überein, dass sie sieben Tage brauche würden, um ihrem Plan die gewünschte Gestalt zu verleihen.
Sieben Tage waren für die Sonne keine lange Zeit. Gemessen an ihrem Alter weniger als ein Wimpernschlag. So ging sie weiter ihrem Tagwerk nach, schickte strahlend ihren Schein auf die Erde und wartete gespannt auf den achten Tag. Da sie und der Mond sich niemals treffen konnten, musste sie eine zusätzliche Nacht abwarten, um zu erfahren, womit die fleißigen kleinen Erfinder ihr helfen wollten.
Am Morgen des achten Tages sandte sie gerade die ersten Strahlen auf die Erde, als der Himmelsmaler auf einer riesigen Wolke vor ihr auftauchte. Diesen nahm sie, wegen des strahlenden Gegenstandes, der mit ihm auf der Wolke stand, gar nicht wirklich wahr.
Ein sonnengelbleuchtender Wagen stand dort, in den sie sich bequem würde hineinsetzen können.
„Fantastisch“, jubelte die Sonne und ging ein bisschen schneller auf als sonst.
„Los, probier ihn gleich aus!“, rief der Himmelsmaler aufgeregt und tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen.
Das ließ sich die Sonne nicht zweimal sagen. Alles war perfekt.
Seit diesem Tag bereitet es der Sonne keine Schwierigkeiten mehr, wie zu Zeiten der Dinosaurier über den Himmel zu flitzen. Hoch auf dem gelben Wagen geht sie lachend auf und unter und beobachtet das Erdgeschehen. Das geht jetzt natürlich noch viel besser, muss sie sich bei ihren Kreisen um die Erde doch nur noch darauf konzentrieren. Gegenverkehr gibt es ja am Himmel nicht.

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Tag der Veröffentlichung: 01.07.2012

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