Cover

„Was willst du von mir?“ fragte ich ihn schon fast verzweifelt. „Du tauchst nach Jahren wieder auf und tust so, als ob nie etwas gewesen wäre. Wieso kommst du jetzt so erwachsen rüber? Es tut mir weh, dich nun so zu sehen. Es tut weh zu wissen, dass wenn du damals schon so gewesen wärst, wir eine wundervolle gemeinsame Zeit miteinander gehabt hätten.“
Er stand vor mir. Den Kopf gesenkt. Nicht fähig mir in die Augen zu sehen. Wie ein kleiner Junge der beim Lügen erwischt wurde.
Am liebsten hätte ich ihn angeschrieen, mit meinen Fäusten auf seine Brust gehämmert. Ich fühlte mich betrogen. Betrogen um eine gemeinsame Zeit mit ihm.
Immer noch stand er regungslos vor mir. Immer noch nicht fähig ein Wort rauszubringen.
Dann plötzlich hob er den Kopf, sah mir in die Augen und sagte mit fester Stimme: „Ich habe mich ausgetobt, brauchte meine Freiheiten. Nun bin ich bereit eine feste Bindung einzugehen. Eine Beziehung aufzubauen. Eine Beziehung mit dir. Die Frau, die ich an meiner Seite haben möchte.“ Schon fast flehend hastete sein Blick durch mein Gesicht.
Wie stellte er sich das vor? Dass ich nun alles stehen und liegen lasse für ihn? Brücken hinter mir abbreche? Die vergangenen Jahre einfach so vergesse? Gerne wäre ich ihm um den Hals gefallen, hätte ihm alles verziehen. Doch konnte und durfte so einer mit mir umgehen?
Meinen Stolz hat er vor Jahren schon einmal verletzt. Mich in ein tiefes Loch gestoßen, aus dem ich nur sehr schwer wieder heraus kam. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit wollte ich nicht noch einmal spüren. Dieses Gefühl unnütz zu sein, nicht fähig eine Beziehung zu halten. Nein, dass wollte ich nicht zulassen. Doch jede Faser meines Körpers sehnte sich nach ihm. Andere Gefühle kamen hoch. Das Gefühl begehrenswert zu sein. Das Gefühl für jemanden etwas zu bedeuten. Endlose Liebe und vor allem die Schmetterlinge in meinem Bauch schlugen mit ihren Flügeln taktlos aber heftig, dass es mir fast die Luft zum Atmen nahm.
Dieser Mann machte mich einfach wahnsinnig. Wahnsinnig vor Lust und Verlangen. Ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr kannte. Ein Gefühl, das einfach unbeschreiblich war. Ein Gefühl, als ich meine erste große Liebe traf. Schweben wie auf Wolken. Die rosarote Brille nie verblassend.
Nun stand er vor mir. Um 13 Jahre reifer. Genauso sexy und charmant wie damals. Genauso aufregend seine Stimme. Eine Stimme, die mich um den Verstand brachte. Damals, sowie heute. Sein Lachen, ansteckend und einfach nur passend zu ihm. Verschmitzt wie sein Lächeln. Seine Grübchen gaben ihm den unwiderstehlichen Charakter. Sein Körper, genauso aufregend, sexy, atemberaubend, einfach zum wahnsinnig werden. Schon damals brauchte ich nur ein Stück Haut von ihm zu sehen war es um mich geschehen.
Als er damals ging wollte ich ihn nicht loslassen. Ich wollte ihn nicht kampflos einer anderen überlassen. Nicht zusehen, wie er einer anderen Komplimente machte, mit ihr Arm in Arm durch die Straßen ging. Nicht, wie er ihr die Welt zeigte. Wie er ihr zeigte, was Leben ist, was Zärtlichkeit und Leidenschaft gleichzeitig ist.
Doch habe ich ihn damals verloren. Er wollte seine Freiheiten, keine Zwänge, sich nicht fest binden. Und nun stand dieser Mann vor mir, den ich damals so abgöttisch geliebt habe und für das was er mir angetan hat so abgrundtief gehasst habe. Eine lange Zeit habe ich an ihn denken müssen. Wie es wäre jetzt mit ihm zusammen zu sein. Was wir jetzt machen würden. An welchem Punkt wir angelangt wären. Dann, irgendwann, wurden die Gedanken an ihn immer weniger. Ich konzentrierte mich auf meine Ehe, meine Kinder und versuchte irgendwie weiter damit klar zu kommen, nicht den Mann zu haben, den ich haben wollte.
Meine Ehe, ja, die war auf die Vergangenheit aufgebaut. Schließlich war mein Mann meine erste große Liebe. Meine Jugendliebe. Und ich war auch eine Weile stolz darauf sagen zu können, dass ich mit meiner ersten großen Liebe verheiratet war. Dass ich ihn bekommen habe, obwohl damals die Mädels wirklich Schlange standen. Doch er hatte sich für mich entschieden. Eigentlich konnte ich mich glücklich schätzen einen Mann gefunden zu haben, der mich sehr liebte. Doch ich liebte den Jungen in ihm, in den ich mich damals verliebte. Ich sah ihn immer nur als den Jungen an, der mir die Unschuld nahm, den ich mit 16 Jahren so sehr vergötterte.
Nun stehe ich an einer Schwelle, wo ich mich frage, ob es das wirklich ist was ich will. Diese Ehe weiterhin aufrecht zu halten der Kinder wegen? Den Mann nicht zu enttäuschen, der mich aufgefangen hat. Der mir so viel Liebe entgegen bringt.
Aber ich bin auch auf dem Standpunkt, dass ich nur ein Leben habe. Dass ich ein Anrecht drauf habe so zu leben, wie ich es von meinem Leben erwarte. Schließlich will ich mit 80 nicht auf ner Bank sitzen und drüber nachdenken, dass ich hätte einiges anders machen hätte können, wenn ich mich nur getraut hätte. Um festzustellen, dass ich ein anderes Leben hätte führen können. Eines, welches ich für mich angedacht hatte.
Mir stellt sich die Frage, was das Schicksal noch für mich übrig hat. Oder, ob ich dem Schicksal ein bisschen auf die Sprünge helfen muss und soll.

Die mahnenden Finger will ich im Moment nicht sehen. Die, die sagen, dass man das nicht darf. Alleine noch nicht einmal daran zu denken, wenn man doch alles hat.

Man stellt sich die Frage, was man erwartet. Was hätte anders sein können. Was man hätte anders machen können, wenn man einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Wenn da jemand an der Weggabelung gestanden hätte um einen den anderen Weg zeigen zu wollen.
Wenn er mich doch nur damals fest an die Hand genommen hätte, um mir seinen Weg zu zeigen. Dann kommt die Frage, wie weit wären wir seinen Weg gemeinsam gegangen? Wären wir heute noch zusammen auf diesem Weg?

Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass er nun aufgetaucht ist und mich wieder um den Verstand bringt. Dass ich wieder in jeder Sekunde an ihn denke. Dass ich Mittel und Wege suche ihn zu sehen, um in seinen Augen zu versinken. Um von ihm in den Arm genommen zu werden. Mich von seiner Stimme hypnotisieren zu lassen. Mich von seinem Lachen anstecken zu lassen. Mich von seinem Körper anziehen zu lassen. Mich seinen Zärtlichkeiten hinzugeben.

Ein Mann, der schon einige Frauen betört hat. Ein Mann, der wohl nicht für eine feste Beziehung geboren ist. Ein Mann, den ich seinen Weg alleine weiter gehen lasse.

Vielleicht treffen wir uns mit 80 auf der gleichen Parkbank und spekulieren gemeinsam, was aus uns geworden wäre, wären wir zusammen den Weg gegangen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /