Seine Kehle war trocken. Wieder einmal. Heute war es abermals an der Zeit auf die Jagt zu gehen, denn länger würde er es nicht mehr ohne Nachschub aushalten. Er kannte seine Selbstbeherrschung gut und wusste, dass er dem Durst noch eine Weile widerstehen könnte, aber wieso sollte er es provozieren? Wenn er es heute erledigte hatte er wieder eine Zeit lang Ruhe, also wieso nicht.
Wie ein Schatten huschte er durch die morsche Tür, des alten Bockhauses und begab sich in die Freiheit und in die Dunkelheit. Das mit der Nacht war ein schreckliches Klischee fand er, wobei es auch von Nutzen sein konnte.
Er bewegte sich elegant in den Schatten, sodass er für kein Menschenauge sichtbar war, wenn er es nicht auch wollte. Langsam kam er seinem Ziel näher, eine Gegend in der es einige Clubs gab und in der es nicht selten war, das die Leute alleine und betrunken auf die Straße gingen. Dort fiel es auch nicht so sehr auf, wenn wieder einmal ein Teenager verschwunden war.
An der nächsten Ecke verlangsamte er seine Schritte, da er einen angenehmen Duft vernahm, von einer Spur Schweiß und Parfum. Als die junge Frau, von der der Geruch kam, um die Kurve bog, lehnte er sich geschmeidig an die Wand und wartete geduldig ab. Er spielte gerne mit ihnen bevor er dem Ganzen ein Ende machte und er war schon gespannt was heute auf ihn zu kam.
Die Frau war schon fast an ihm vorüber, als er sich räusperte und sie erschrocken zusammen fuhr. Er verkniff sich ein schadenfrohes Grinsen und weidete sich an ihrem erschrockenen Blick. Jetzt da sie so nahe war, konnte er sie noch besser riechen und es nicht verhindern, dass seine Kehle leicht zu brennen begann. Nun war es soweit. Er machte einen Schritt auf sie zu.
„Ich geh mal kurz raus frische Luft schnappen.“, rief ich mit angestrengter Stimme in Maja's Ohr, während ich sie mit der Hand auf der Schulter leicht zu mir zog. „Ich find' dich dann schon wieder.“
Sie nickte knapp ohne mich jedoch anzusehen, sie war viel zu sehr auf den großen braunhaarigen Typen, der mit ihr tanzte, fixiert und schmiegte sich prompt noch aufreizender an ihn. Ich verdrehte nur kurz die Augen und bahnte mir meinen Weg durch die tanzende Masse, die sich rhythmisch zu den hämmernden Bässen der Boxen bewegte. Immer wieder stieß ich gegen irgendwelche Leute, aber ohne das sich jemand beschwerte, sie waren alle viel zu angeheitert und ausgelassen.
Als ich es endlich ans Ende der Tanzfläche geschafft hatte drehte ich mich noch einmal kurz um, konnte Maja aber schon nicht mehr erkennen, sie wurde voll und ganz von den breiten Schultern dieses Typens verdeckt. Ich setzte meinen Weg weiter durch den Club fort und war froh die Türe zu erreichen, ohne von besoffenen Männern dumm angemacht zu werden. Schwungvoll stieß ich die Eisentüre auf und trat ins Freie, ich schloss kurz meine Augen und atmete tief, die frische und kühle Luft ein. Ein leichter Wind wehte mir um die Wangen und pustete mir ein paar dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht, das Lüftchen war eine willkommene Abwechslung zu der stickigen und angestauten Luft im Club.
Erst als ich meine Augen wieder öffnete stellte ich fest, dass ich nicht die Einzige gewesen war, die auf die Idee gekommen war, hinauszugehen. Dort standen noch mindestens acht weiter Leute, alle in kleinen Gruppen beisammen. Ich entfernte mich einige Schritte von der Tür, blieb dann an eine Wand gelehnt stehen und strich mir mein Kleid zurecht.
Seit Maja diese komischen Männer kennengelernt hatte, sie waren zu dritt gewesen, war der Abend immer unangenehmer für mich verlaufen. Der Typ den sie Bob nannten, welch passender Name, hatte sich von Anfang an an Maja gehalten, womit ich kein Problem hatte. Der Kleinste der dreien war auch der Schüchternste, und am wenigsten Betrunkene, und blieb einfach still, aber deren Freund Rodrick hatte mich in einer Tortour genervt. Ich konnte einfach nicht verstehen wie Maja immer zu solchen Leuten kam, aber im Moment war mir das egal, solange dieser Rod nur brav im Club blieb.
Eigentlich hatten Maja und ich einen netten Mädelsabend machen wollen, ein bisschen tanzen gehen und etwas trinken, aber nein, dabei konnte es ja wieder einmal nicht bleiben. Sollte mich inzwischen auch nicht mehr wundern, immerhin kannte ich Maja bereits seit fünf Jahren. Irgendwie hatte ich ihr ihre Versprechungen, dass es dieses Mal anders sein würde, abgenommen und prompt wurde ich etwas besserem belehrt. So ist sie nun mal.
Da ich keine sonderliche Lust mehr verspürte zurück zu den Tanzwütigen zu gehen, entschloss ich mich dafür mir die Beine noch etwas zu vertreten, in der Hoffnung, dass in dieser Zeit vielleicht die drei Männer den Club verlassen würden.
Also schlenderte ich langsam los, besonders schnell hätte ich in meinen Schuhen eh nicht laufen können, aber dafür sahen sie einfach fantastisch aus. Ich legte nach einer Weile den Kopf in den Nacken, als ich mir sicher war, dass der Boden eben bliebt, und betrachtete verträumt die Sterne und den Mond. Beide konnte man zu meinem Überraschen sehr gut erkennen, was hier in der Stadt selten der Fall war, deswegen genoss ich den Anblick umso mehr.
Als der Betonboden Pflastersteinen wich, zwang ich mich dazu wieder geradeaus zu schauen und betrachtete meine Umgebung. Verdutzt sah ich mich um, ich war schon recht weit gekommen und war in einer Ecke angelangt, in der ich noch nie zuvor gewesen war. Erschwerend kam hinzu, dass hier merkwürdiger Weise nur jede zweite Straßenlaterne funktionierte. Widerwillig zog ich die Schultern hoch und schlang die Arme um mich, da es nur in meinem Kleid langsam recht kalt wurde.
Ich lief bereits noch langsamer, als am Anfang meines Marsches und überlegte mir ob ich nicht besser umdrehen sollte. Doch dann vernahm ich unerwartet ein Geräusch rechts von mir und blieb abrupt stehen. Erst nach genauerem Hinsehen, konnte ich eine dunkle Silhouette an einer der Hausmauern erkennen, die sich dort lässig anlehnte. Anscheinend war das Geräusch von der Person gekommen und die gesamte Situation wurde mir immer unangenehmer, immerhin war außer mir und der Person dort drüben niemand in der Straße.
Ich war schon im begriff auf dem Absatz kehrt zu machen, als sich die Person elegant von der Wand abstieß und langsam auf mich zukam. Spätestens jetzt schrillten bei mir alle Alarmglocken und ich machte unbeabsichtigt einen Schritt nach hinten und krallte meine Finger fester in meine Oberarme. Der Typ sollte mir gefälligst fern bleiben. Ich wandte mich gerade langsam in die entgegengesetzte Richtung, als sich der Mann, wie sie an der Stimme erkennen lies, laut räusperte.
„Du wirst doch wohl keine Angst vor mir haben Kleines?“, meinte eine säuselnde Stimme.
Texte: (c) by Liisa.
Tag der Veröffentlichung: 23.10.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die sich nicht immer sicher sind, ob es nur gut und nur böse gibt.