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1. Kapitel




Es ist noch nicht lange her seit dem wir hierher gezogen sind, aber schon lange genug, um Freunde zu haben und Feinde, die einem gestalten einem den Tag schön, die anderen vermiesen ihn einem.
Ich war gerade wieder auf dem Weg von Hailey, meiner besten Freundin, nach Hause, als Gina und Debby in dem roten Cabrio an mir vorbeifuhren und mir etwas zuriefen.
„Na Mary, immer noch keinen fahrbaren Untersatz?“, rief Debby und Gina setzte hinzu. „Ein Fahrrad würde dir doch schon reichen.“ Lachen d fuhren sie an mir vorbei und ich konnte nur die Augen verdrehen.
Fragt mich nicht wieso, aber aus irgendeinem verrücktem Grund, waren die Zwillinge die Stars an der Schule. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass ihren Eltern das Hotel und die einzige Autowerkstadt in diesem Kaff gehörten.
Natürlich gab es so einige Vorteile in einer kleinen Stadt, wie dieser, zu wohnen, aber meiner Ansicht nach überwogen die Nachteile.
Jeder kannte jeden und Gerüchte, egal ob wahr oder falsch, verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Das weiß ich aus guter Erfahrung und glaubt mir, es ist nicht schön.
Alle haben ihren festen Platz in der Gesellschaft und da tanzen Leute wie ich und mein Dad nun mal aus der Reihe. Schon allein weil wir hier die 'Neuen' waren, obwohl wir schon seit einem halben Jahr hier lebten.
Außerdem war es somit enorm schwer Anschluss zu finden, oder Leute die man Freunde nennen konnte. Das Debby und Gina es sich zu ihrer Aufgabe gemacht hatten mich zu quälen und mich zu verachten, machte das Ganze auch nicht besser. Die ersten Wochen hatte ich wirklich gelitten, alle hatten über mich getuschelt und zeigten mit dem Finger auf mich. Ich kenne nur einen kleinen Teil der Lügen, die die Zwillinge über mich verbreitet hatten, aber es reichte um die anderen von mir fernzuhalten. Erst in der dritten Woche fanden meine Qualen eine Linderung namens Hailey und nun waren wir gute Freundinnen.
Mürrisch stapfte ich weiter, ich war die Witze zwar bereits gewohnt und eigentlich gab ich nichts auf die Meinung der beiden, aber in diesem Fall hatten sie einen wunden Punkt getroffen. Ich war siebzehn, hatte meinen Führerschein und alle in meinem Alter fuhren ihre eigenen Autos nur ich nicht. Ich hatte schon des öfteren versucht mit meinem Dad darüber zu verhandeln, doch er war der Meinung, dass unser alter VW Polo noch gut in Schuss war und dies war eine maßlose Übertreibung. Mal abgesehen davon, dass die eine Hintertür nicht mehr aufging waren da noch unzählige Kratzer und rostige Stellen, der größte Mängel, war aber wenn man mich fragte, das das Ding keine Klimaanlage hatte. Im Sommer drohte einem der Hitzschlag, wenn man es etwas länger in der Sonnen stehen hatte und dann wieder einstieg.
Der Gedanke daran, wie sehr mein Vater an diesem Auto hing, trieb mir trotz meiner schlechten Laune ein Lächeln ins Gesicht. Etwas weniger missmutig schloss ich die Haustüre auf, die ich inzwischen erreicht hatte. Im Gang warf ich meine Schultasche in eine Ecke und hing meine Jacke an den Hacken, dann schlenderte ich in die Küche, aus der schon der leckere Geruch von selbst gebackenem Kuchen strömte. Mein Dad nahm ihn gerade aus dem Backofen und trug dabei die selbst gestrickten Herdlappen, die ich ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, als ich gerade neun war. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und nahm am Tisch platz.
„Das riecht mal wieder köstlich.“, meinte ich und schnupperte. Lächelnd stellte er den Kuchen auf der Anrichte ab, bevor er zum Herd griff und mir dann einen Teller Spagetti hinhielt.
„Wenn er abgekühlt ist kannst du ein Stück essen, aber nicht vorher.“, meinte er fröhlich, sah mich jedoch ernst an, da er meine Eigenarten schon zu gut kannte. Ich streckte ihm kurz die Zunge raus und begann dann meinen Teller zu leeren.

Am nächsten Morgen fuhr ich wie immer mit Hailey zur Schule, auf dem Weg erzählte ich ihr von den Zwillingen und sie schüttelte nur den Kopf.
„Die denken nur weil sie mehr Geld haben, als normale Leute sind sie was besseres und haben das Recht andere runter zu machen.“, kommentierte sie und knuffte mir dann in die Seite. „Lass dich von denen nicht runter ziehen.“
„Werde ich nicht.“, meinte ich lächelnd. „Die werden sich schon noch eines Tages wünschen, dass sie netter zu uns gewesen wären.“
„Genau, nämlich dann, wenn ich eine geniale Anwältin bin und du eine bekannte Malerin bist.“, antwortete sie zuversichtlich.
„Manchmal wünschte ich ich wäre auch so optimistisch wie du.“
Als sie eingeparkt hatte stieg ich aus und schnappte mir meine Tasche. „Wir sehen uns nachher.“, reif ich ihr über die Schulter zu und ging hastig in Richtung Schulgebäude. Ich hatte in der ersten Stunde Mathe und mein Lehrer war immer überpünktlich und war der Meinung, dass jeder der nach ihm das Klassenzimmer betrat eine Stunde Nachsitzen verdient hatte. Mit großen Schritte eilte ich also zum Klassenzimmer und als ich gerade um die letzte Ecke in den Gang bog stieß ich gegen etwas Großes, besser gesagt gegen jemand großen. Vor lauter Überraschung lies ich meine Tasche fallen, aus der natürlich sofort meine sämtlichen Sachen kullerten. Genervt bückte mich um meine Sachen wieder einzusammeln und beschwerte mich.
„Kannst du nicht besser aufpassen?“, schnell stopfte ich einfach alles was mir in die Hand fiel in die Tasche.
„Das selbe könnte ich dich auch fragen.“, meinte mein Gegenüber gelassen. Als ich seine Stimme hörte sah ich verwundert auf. Es war eine raue, aber irgendwie angenehme Stimme gewesen, jetzt sah ich in unglaublich stahlblaue Augen, die von einigen schwarzen Haarsträhnen umspielt wurden.
Mühsam rappelte ich mich mit all den Sachen in der Hand wieder auf und musterte ihn skeptisch. Ich hatte den Typ vor mir noch nie gesehen und er sah auch nicht wie ein typischer Schüler aus. Er war groß gewachsen und schlank, hatte aber breite Schultern. Ich schätzte ihn auf siebzehn oder achtzehn. Seine schwarzen Haare fielen ihm teilweise ins Gesicht, aber so wie es aussah störte ihn das nicht. Als ich ihm abermals in die Augen sah, fiel mir auf, dass auch er mich musterte. Schnell fuhr ich mir mit der Hand durch meine Lockenpracht und antwortete spitz.
„Du siehst nicht gerade wie ein Schüler aus und in Eile bist du vermutlich auch nicht, dann kannst du ja wohl darauf achten wo du hinläufst, oder besser wen du überrennst.“ Ich sah ihn nochmals kurz an und verschwand dann um die Ecke, als er mir noch etwas hinterher rief, was ich jedoch nicht verstand.
Ich schlüpfte gerade noch vor Herrn Ebert ins Klassenzimmer und setzte mich hurtig auf meinen Platz wo ich mein Zeug aus der Tasche kramte.

Ich war gerade mit Hailey auf dem Weg in die Cafeteria als die Zwillinge an uns vorbei liefen, zu kichern begannen.
„Na Debby, hast du wieder mal festgestellt, dass deine Haare heute ungekämmt aussehen?“, rief ich ihr zu, worauf hin sie geschockt zu ihrer Schwester sah und sich in die Haare fasste. Gina schüttlte schnell jedoch den Kopf und bedeutete ihr, dass ihre Haare super aussahen. Wütend wandte sie sich an mich.
„Was fällt dir eigentlich ein.“, maulte sie, doch Hill und ich gingen einfach weiter und ließen die beiden hinter uns.
Als wir mit unserem Essen an einem freien Tisch platz nahmen und ich gerade meine Banane schälte fragte Hailey.
„Hast du eigentlich schon die zwei Neuen gesehen?“ Verwundert sah ich von meinem Essen auf und runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, kommt drauf an. Ist einer der beiden ziemlich groß hat dunkle Haar und blaue Augen?“ Sie nickte eifrig. „Ja, ich glaub du meinst Jack, das ist der ältere der beiden, er trägt immer dunkle Shirts und Jeans.“ Ich dachte an meinen Zusammenstoß mit ihm zurück und versuchte mich an seine Kleidung zu erinnern doch darauf hatte ich nicht geachtet. „Kann schon sein.“, murmelte ich und biss von meiner Banane ab, während sie ihren Jogurt öffnete. „Alex, also sein jüngerer Bruder, ist irgendwie so ziemlich das Gegenteil glaub ich. Also vom Aussehen her sind sie sich zumindest kaum ähnlich, mal davon abgesehen, dass beide nicht schlecht sind.“, sprudelte sie weiter. „Auf jeden Fall hat Alex blonde Haare und grüne Augen, denk ich, und er ist heller gekleidet als Jack“ Ich murrte irgendetwas zustimmendes und legte meine Schale beiseite, als Hill mein fehlendes Interesse bemerkte sah sie von ihrem Jogurt auf.
„Was ist den los?“, fragte sie und legte den Kopf schief.
„Ach nichts wichtiges. Ebert hat gemeint mir eine Strafarbeit auf's Auge drücken zu müssen, weil ich angeblich ein unpassendes Kommentar abgelassen hatte. Die Zwillingszicken nerven mich und ich bin heute schon mit diesem komischen Jack zusammen gestoßen und deswegen fast zu spät zum Unterricht gekommen.“, ich machte eine abwertende Handbewegung und lächelte sie an. „Nichts schlimmes also.“
„Ach deswegen wusstest du wie er aussieht.“, meinte sie grinsend. „Der sieht schon nicht schlecht aus, oder?“ Sie spielte immer noch grinsend mit den Augenbrauen und sah mich von der Seite an.
„Keine Ahnung.“, verteidigte ich mich. „Da hab ich nicht so drauf geachtet, ich hatte es zu eilig.“
„Ach komm schon.“, meinte sie ernst. „Das passt aber gar nicht zu dir.“
„Ja gut. Er ist wirklich nicht schlecht.“, antwortete ich damit sie zufrieden war und prompt überhäufte sie mich mit Einzelheiten des Aussehens der beiden Brüder, sie kam aus dem Schwärmen fast nicht mehr heraus, als plötzlich Jack vor ihr stand. Abrupt verstummte sie und sah ihn mit großen Augen an.
„Kann ich mal kurz mit dir sprechen?“, meinte er an mich gewandt, was mich misstrauisch werden lies. Wieso wollte dieser Typ mit mir reden?
„Natürlich, leg los.“, meinte ich herausfordernd. Er warf einen kuren Blick auf Haily, was sie fast hyperventilieren lies und antwortete dann.
„Vielleicht da drüben?“, er deutete auf eine ruhigere Ecke des Raumes und ging los. Ich warf Hill einen mahnenden Blick zu und sie tat unschuldig, bevor ich aufstand und ihm mit wenig Motivation folgte.
Als er stehen blieb und sich an die Wand lehnte sah ich ihn abwartend an und verschränkte die Arme. „Und, was wolltest du sagen, was meine Freundin nicht mitbekommen darf?“
„Du hast dein Handy verloren.“, sagte er schlicht und hielt es mir hin. Verwirrt sah ich von ihm zu dem kleinen Ding in seiner Hand und wieder zurück, bevor ich es ihm schnell aus der Hand nahm. „Wie, das war's?“, fragte ich verwundert und zog eine Augenbraue hoch, während er mich kühl ansah und nickte. „Ich denke schon.“
Ich wollte mich gerade genervt umdrehen und zum Tisch zurück gehen, als er mich stoppte.
„Du wurdest angerufen.“
„Und von wem?“, fragte ich und schaute auf meine Anrufsliste.
„Von einem gewissen Ben, ich war so frei und bin hingegangen.“, meinte er, mit großen Augen wandte ich mich ihm zu und sah ihn geschockt an.
„Was fällt dir ein an mein Handy zu gehen?“, rief ich empört aus, worauf hin er nur mit den Schultern zuckte. Wütend über seine Arroganz rauschte ich davon und lies ihn alleine dort stehen. Genervt lies ich mich auf meinen Stuhl fallen, wo Hailey mich schon erwartete. Die Fragen standen ihr quasi ins Gesicht geschrieben, sie war jedoch zu höflich um zu fragen, sie hoffte darauf, dass ich es ihr von selbst erzählte, doch dafür war ich gerade zu gereizt.
Was fiel diesem Deppen eigentlich ein? Der kann dich nicht einfach so an mein Handy gehen, regte ich mich auf und schüttelte wütend den Kopf. Und dann auch noch ausgerechnet dann wenn Ben anruft. Oh Gott, ich wollte besser gar nicht daran denken, was die beiden geredet hatten und was Ben nun von mir hält, wenn einfach so fremde Leute meine Anrufe entgegen nehmen.
In der zweiten Pause traf ich ihn und klärte ihn über dieses Missverständnis auf und entschuldigte mich für alles was Jack vielleicht gesagt hat. Ben hob nur seine Hand um mich in meinem Redeschwall zu unterbrechen und sagte mir, dass Jack ihm nur gesagt habe, das ich mein Handy verloren hätte und er es gefunden habe.
Erleichtert atmete ich auf. Na da hatte dieser Kerl nochmal Glück gehabt, dachte ich mir und verabschiedete mich von Ben, der mir noch kurz verwirrt hinterher sah.
Als ich am Nachmittag am Auto auf Hill wartete sah ich die beiden Brüder, Jack und Alex, zu ihrem Auto laufen, sie fuhren einen silbernen Audi. Jack saß hinter dem Steuer und als das Auto an mir vorbei rollte zwinkerte er mich zynisch grinsend zu, worauf hin ich ihn am liebsten in die Schulter geboxt hätte. Hailey kam auf mich zu und hatte die beiden, zu meinem Leid, auch gesehen. Denn nun hielt sie es nicht mehr aus und begann mich auszufragen. Was Jack vorhin von mir wollte und wieso sie es nicht mitbekommen durfte. Ob er eben wieder mit mir geredet hatte und wenn ja was er genau gesagt hatte.
Und nachdem ich ihr alle Fragen beantwortet hatte grinste sie mich an. Wir waren inzwischen ins Auto gestiegen und hatten schon die Hälfte des Weges hinter uns gebracht.
„Was den?“, fragte ich auf ihren Blick hin.
„Ach nichts.“, lächelte sie immer noch und sah wieder auf die Straße vor sich. Manchmal konnte sie schon nervig sein, dachte ich mir und musste jedoch auch lächeln.

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Tag der Veröffentlichung: 17.12.2011

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