Cover

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Ich stehe unter der Dusche. Schwarzes Wasser läuft an mir herunter und verschwindet gurgelnd im Abfluss. Ich lese was auf der Shampoo-Flasche steht: für seidig weiches Haar und langanhaltenden Glanz. Ich habe diesen Satz bestimmt schon hundert Mal gelesen. Und trotzdem tue ich es immer wieder.
Ich trockne mir die Haare ab und wickle mich in ein Frotee-Tuch. Tapsend gehe ich in mein Zimmer und krame mein Tagebuch hervor.

Sonntag, den 20.03.2011
Wir waren heute wider bei der Hütte. Es war ein kalter Tag aber die Sonne hat geschienen. Es ist der letzte Ferientag. Morgen haben wir wieder Schule. Zum Glück jedoch haben wir in 4 Wochen dann schon wider Ferien. Als ich mit Ido auf Erkundungstour war, haben wir entdeckt dass es oben beim Bieberdamm Enten hat. Es ist zwar kein echter Bieberdamm aber er sieht so ähnlich aus, deswegen nennen wir ihn so.

Seit den letzten Sommerferien gehen wir, Aeffna, Dobbie, Ben, Ido und ich regelmässig an ein Bächlein, wo wir unsere eigene Hütte gebaut haben. Seither sind wir fast immer dort.
Wir haben dort auch eine Art eigene Religion entwickelt. Unser Gott heisst Shervar. Es handelt sich dabei um einen grossen wunderschönen Baum der mit dem ganzen Wald verbunden ist. Ihn durchfliesst die Energie des ganzen Waldes. Stirbt dieser Baum, stirbt mit ihm der ganze Wald. Ich bin Theana, Priesterin Shervars und Jägerin. Ido ist mein Schüler. Aeffna ist die Lehrerin von Dobbie. Sie ist für das Feuer zuständig und kocht. Sie erforscht auch die Natur die uns umgibt. Ben ist so was wie Hauswart. Er ist zuständig für den Erhalt der Hütte und die Wege und sammelt Feuerholz.


Das schrille läuten meines Weckers reisst mich aus meinen Träumen. Ohh nein. Schule.
Verschlafen setze ich mich auf mein Bett und strecke mich erstmal gründlich. Mein Kater Pilgrimm liegt am Fussende meines Bettes und schaut mich mit Dämmerblick an. Ich streiche ihm sanft über den Kopf und mache mich auf den weg ins Bad.

„Und? Hast du den Aufsatz fertig?“ fragt mich Jael, eine Klassenkameradin von mir. „Aufsatz!?! Verdammt! Schon wieder verbockt! Wann müssen wir den denn fertig haben?“ entgegne ich enzetzt, „doch nicht heute?“ „Nee erst Morgen früh. Da hast du noch mal Glück gehabt.“ Ich bin erleichtert, doch es nervt mich auch. Dann kann ich heute nicht zur Hütte. Aber das hab ich mir wohl selbst eingebrockt.
In der Schule läuft es wie gewohnt. Langweilig. Mühsam. Anstrengend. Die Lehrer hacken wider auf mir herum. Ich bin nicht ganz die Lieblingsschülerin meiner Lehrer. Ironie des Schicksals. Mühsam schleppe ich mich von Stunde zu Stunde.
Als mich Aeffna fragt, wann wir uns bei der Hütte treffen muss ich ihr gestehen dass ichs mal wieder verbockt habe und nicht kommen kann.

Montag, den 21.03- Freitag, den 25.03.2011
Diese Woche kann man nur mit drei Worten beschreiben: boring, langweilig, öde.
Ich habs nicht ein mal geschafft zur Hütte zu gehen. Der einzige Lichtblick ist für mich jetzt Shervar. Manchmal werd ich das Gefühl nicht los, das er der Einzige ist der zu mir hält, neben meinen Freunden natürlich. Zum Glück ist Freitagabend, ich kann morgen ausschlafen und dann den Rest des Tages bei der Hütte mit meinen Freunden verbringen. Ich freue mich so. Zum Glück gibt es diesen wunderbaren Ort.


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Ein feiner Sonnenstrahl drückt sich durch meinen Vorhang, doch das reicht schon dass ich hellwach bin. Schnell stehe ich auf, packe meine Sachen und schwinge mich auf mein Fahrrad um Aeffna wachzuklingeln. Doch sie steht bereits angezogen und mit einem Lächeln im Gesicht in der Haustür. Zusammen fahren wir nun zu Ben. Ihm rufen wir lieber aufs Handy an, seine Mutter ist der Horror. Doch er nimmt nicht ab. "Was nun?" ich schaue Aeffna mit fragender Miene an. "Keine Ahnung, schreiben wir ihm doch einfach ne Nachricht."
Gemeinsam radeln wir also zur Hütte. Aeffna und Ben waren diese Woch auch nicht da.
Wir verstecken die Räder im nahen Gebüsch und klettern den Hang hinunter zu Shervar. In voller Pracht steht er da und ich schaue sehnsüchtig zu ihm hoch.


Rauch steigt in der Hütte hoch und lässt Sonnenstrahlen durch die Zweige tanzen. Aeffna und ich sitzen nebeneinander beim Feuer. Vorsichtig stochere ich mit einem Stock in der heissen Glut herum. Es sind nun schon mehr als zwei Stunden vergangen und Ben ist noch immer nicht aufgetaucht!
„Komm wir rufen nun noch ein mal an, dann geben wir es auf“ sage ich gelangweilt und lasse den Stock noch immer durchs Feuer wandern „der kommt später bestimmt noch“.
Doch auch dieser Versuch Ben zu erreichen verläuft im Sand. „Er wollte Heute doch sowieso noch den Weg zu Shervar hoch verbessern, fangen wir doch schon mal an!?“ Meint Aeffna. „Okay aber ich geh erstmal Feuerholz holen. Um welche Zeit noch mal kommen unsere Schüler?“

Ich renne durch den Wald. Äste peitschen mir ins Gesicht. Ich stolpere über eine Wurzel, falle hin. Doch ich stehe sofort wieder auf und renne weiter. Mit einem Lächeln im Gesicht. Ich setze über ein kleines Nebenrinnsal unseres grossen Baches hinweg. Das Ufer ist Schlammig und ich rutsche, doch mein geübter Körper balanciert den Fall perfekt aus. ,Für Shervar` denke ich und renne noch schneller weiter bis ich schliesslich geschickt auf eine grosse Tanne klettern kann. Ich steige hoch, dem Himmel entgegen, ducke mich in den Schatten der Äste und stosse das vereinbarte Signal aus.

Er rennt durch den Wald. Hält an und duckt sich um nach spuren zu suchen, schnellt hoch und rennt weiter. Da, eine Wurzel. Hier ist sie hingefallen. Er rennt weiter. An einem Ast hängt ein Stück grünen Stoffes. Das ist ihre Jacke. Der Ast schwenkt noch leicht von ihrer Berührung. Sie ist ganz nah. Er spürt es. Er duckt sich in den Schatten des Waldes und streift sich langsam den Bogen vom Rücken. Vorschichtig, immer weiterschleichend zieht er einen Pfeil aus dem Köcher und nähert sich einer grossen Tanne. Geschmeidig schleicht er sich auf den Baum zu. Er zieht auf. ,Für Shervar` denkt er und schiesst einen Pfeil in den Schatten der Äste. Ein Schrei durchbricht die Stille.Lachend klettert Theana vom Baum. „Gute Arbeit Ido“ sagt sie zu dem schlanken, hübschen Jungen ihr gegenüber „du bist bereit!“

"Hört mal alle her!" ,geschmeidig wie eine Katze klettert Theana über die riesigen Wurzeln in die Hütte. Drei neugierige Augenpaare richten sich auf sie. Ben ist inzwischen auch angekommen. Der blonde Schopf von Ido taucht hinter Theana zwischen den Wurzeln auf. "Ich habe eine gute Nachricht für euch.", sie setzt sich ans Feuer "Mein Schüler Ido wird nun schon lange von mir unterrichtet und er ist ein sehr guter Schüler. Ich denke dass es Zeit ist das er sein erstes Tier erlegen darf. Erledigt er diese Aufgabe mit Bravour, wird er als vollwertiger Jäger in unseren Kreisen anerkannt.

Samstag, den 26.03.2011
Andere Leute würden uns für verrückt erklären wenn sie sähen was wir tuen. Tatsächlich ist es aber so, dass auch ich schon ein paar mal einen Fasan oder einen Hasen geschossen habe den wir anschliessend gegessen haben und Fleisch zum räuchen aufgehängt haben. Wenn wir unsere Tage im Wald erleben ernähren wir uns selber und nehmen kaum Lebesmittel mit. Der Wald ernährt uns. Es macht uns stolz zu sehen dass wir uns selbst ernähren und leben können, ohne fremde Hilfe. Wir kommen dann jedes mal müde aber glücklich nach Hause. Ich bin zuversichtlich dass Ido die Prüfung bestehen wird.

Er liegt wach in seinem Bett und schaut zur Decke. Seine Meisterin hat ihm, indem sie ihm gewährt hat sein erstes Tier zu schiessen, eine grosse Ehre erwiesen. Doch er hat Angst. Er weiss nicht ob er es schaffen wird ein Tier zu töten wenn er ihm in die Augen sieht, weiss nicht ob er stark genug ist. Und er hat Angst dass die Verbindung die zwischen ihm und seiner Meisterin entstanden ist kaputt geht. Fast ein Jahr hat sie ihn nun ausgebildet und er hat sie kennen gelernt. Er versteht sie, weiss mit ihren Launen umzugehen sie zu trösten. Er hat gelernt sie zu lieben. Ja, er hat sich bis über beide Ohren in seine Meisterin verliebt. Doch er hat es für sich behalten. Zu lange schon. Er spührt ein riesiges Verlangen nach ihr und er weiss dass es immer so bleiben wird. Doch er weiss dass sie Shervar gehört und weiss nicht ob in ihrem Leben auch für ihn Platz ist.


3
„Okay Ido hör mir zu. Ich werde dich begleiten wenn du deine erste richtige Jagd machst. Du wirst auf der Wiese am Waldrand ein Kaninchen schiessen. Ich werde jedoch nicht mit dir reden oder dir gar helfen. Du musst das ganz alleine schaffen und ich weiss dass du das kannst. Du must dich nur anstrengen. Folge mir.“ Und schon verschwidet Theana mit ihrem katzenhaften Gang im Gebüsch.

Leise schleichen sie durch den Wald. Aufgeregt schaut sich Ido um. Es kann nicht mehr weit sein, er kennt den Wald zu gut. Langsam werden die Bäume lichter und ein intensivers grün läuchtet zwischen den rauen Baumrinden hervor. Vorischtig, mit wachsamem Blick tritt Theana auf die Lichtung. Nahe am Buschwerk bleibt sie stehen und gibt Ido das Zeichen. Er atmet tief durch und geht an ihr vorbei.
Leise schleicht er zwischen den hohen Gras herum, bis er schliesslich ein schmales Weglein entdeckt, das mit einigen Spuren versehen ist. Vorsichtig duckt er sich näher heran. Eindeutig! Das sind Kaninchenspuren. Vorsichtig zieht er sich den Bogen vom Rücken, wie er es schon hunderte male vorher getan hat, zieht einen Pfeil aus dem Köcher und duckt sich tiefer ins Gras. Sein Atem geht flach und stockend. Einige Schweissperlen zeichnen sich auf seiner Stirn. Mit vorsichtigen, langsamen Schritten folgt er dem schmalen Pfad bis er schliesslich in der Ferne einen Bau erntdecken kann. In der Nähe der Einganges weiden drei Jungtiere. "Okay Ido, du hast nur eine Chance. Ich darfs nicht vermasseln." Vorsichtig zieht er auf und ziehlt auf das fetteste Tier. Er zögert. Er hat Angst. Es ist genau diese Angst vor der er sich so gefürchtet hat. Es muss er tun. Plötzlich ist er sich sicher. Dann geht alles ganz schnell. Blitzschnell zieht er ab. Das zischern des Pfeiles schreckt die Kaninchen auf, doch er trifft. Die zwei Andern verschwinden sofort in ihrem Bau. Schnell rennt Ido zu dem röchelndem Tier hin und zieht sein Messer aus der Schneide und setzt zum Entdültigen stoss ins Herz an.

Mit erhobenem Haupte geht er auf Theana zu und zeig ihr voller Stolz seine Beute. Diese lächelt ihn nur an und nimmt ihn in den Arm. "Das hast du gut gemacht." flüstert sie. In vollen Zügen nimmt er ihren Geruch in sich auf. Im Grunde ist es genau das was er sich immer gewünscht hat. Doch er weiss das es für sie nicht die gleiche Bedeutung hat.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meinen Freundinnen Laura, Anna und Yindela mit welchen ich diese Hütte gebaut habe und den Glauben an Shervar entwickelt habe. Danke ♥♥♥

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