Ich hasse Katzen. Sie sind Mörder. Hinterlistig stellen sie uns nach. Vor Gewalt scheuen sie nicht zurück. Grausam schlagen sie ihre spitzen Krallen in unser Fell. Am schrecklichsten aber sind ihre Zähne, wenn sie sich in unser Fleisch bohren. Der große, graue Kater, den die Menschen Jojo rufen, hat mir aufgelauert und mich am Genick gepackt. Mein Herz blieb fast stehen. Ich war so schockiert, dass ich mich nicht rühren konnte.
Jojo trug mich ins Haus, um mich seinen Menschen zu zeigen. Um ihre Aufmerksamkeit zu erringen, miaute er. Das war meine Chance und ich nahm sie wahr. Blitzschnell entwischte ich ihm und floh unter den Kühlschrank. Hier sitze ich nun und hier bleibe ich, weil der grässliche Kater in einer Ecke der Küche sitzt und wieder auf mich lauert.
Nach endlos langer Zeit höre ich aber, dass Jojo aus dem Zimmer geht. Kann ich mich hervor wagen? Ich habe gewaltigen Hunger. Jojos Futternapf duftet verführerisch und ist höchstens achtzig Zentimeter vom Kühlschrank entfernt. Wer weiß, ob sich eine solche Gelegenheit jemals wieder bietet. Langsam taste ich mich hervor, erreiche den Futternapf und fresse von dem saftigen Fleisch.
Da höre ich Jojo, der heran sprintet. Flugs entwische ich unter den Futternapf. Es ist zwar ein bisschen eng, aber auch hier bin ich sicher. Jojo weiß natürlich, dass ich mich hier versteckt habe. Er geht immer wieder um den Napf herum und betrachtet ihn von allen Seiten. Aber hochheben kann er ihn nicht. Stundenlang sitze ich unter dem Futternapf. Als es in der Nacht dann ganz still ist, wage ich mich wieder hervor, schnappe mir noch ein Stück Fleisch und verziehe mich dann wieder unter den Kühlschrank.
Hier ist nun mein neues Zuhause. Es ist immer schön warm. Wenn ich Hunger habe, muss ich mich hervor wagen und mir Fleisch aus dem Futternapf holen. Immer wieder kommt der gefährliche Kater heran gestürmt. Aber mich kriegt er nicht wieder. Ich bin schneller. Entweder verschwinde ich unter dem Napf oder unter dem Kühlschrank. Tagsüber bin ich ganz ungestört. Die Katze geht aus dem Haus und die Menschen auch.
Nun scheinen die Menschen aber gemerkt zu haben, dass nicht nur Jojo sondern auch ich aus dem Napf fresse. Wenn Jojo seinen Hunger gestillt hat, verschließen sie den Napf im Keller. Aber das ist nicht weiter schlimm. Ich kann ja die vielen Brotkrümel fressen, die die Menschen immer wieder auf dem Boden verstreuen.
Es ist dunkle Nacht. Der dumme Kater schläft auf dem Sofa. Zeit sich wieder mit Essen zu besorgen. Der Katzenfutternapf ist wieder weg. Aber es riecht wunderbar nach geräuchertem Speck. Ich folge dem Geruch und stoße mit der Nase an etwas Hartes. Bei weiterem Tasten und Schnuppern stellt sich heraus, es ist eine Art Kasten, in dem der Speck liegt. Aber der Kasten ist an einer Seite offen! Ich krieche vorsichtig hinein und – Schnapp – ist die Falle zu.
So ein Mist! Ich weiß nicht, wie ich hier jemals wieder hinaus kommen soll. Den Speck fresse ich trotzdem.
Und hier sitze ich nun, eng eingezwängt in einen Kasten. Schließlich geht Licht an. Die Menschen und Jojo kommen in die Küche. Die Mutter hebt den Kasten mit mir hoch und alle betrachten mich. Sie reden laut miteinander. Was werden sie nur mit mir tun? Ich habe Todesangst. Aber ich kann nicht weglaufen. Schließlich stellt die Mutter den Kasten mit mir in eine Ecke, Jojos Napf wird mit Fleisch gefüllt und auch die Menschen frühstücken.
Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Mutter mich in meinem Kasten wieder hochhebt. Nun trägt sie mich nach draußen. Beängstigend laut trommelt es auf meinen Kasten. Als die Mutter mich auf den Beifahrersitz stellt, ist es still. Aber das dauert nicht lange. Die Mutter lässt den Motor an und fährt ein Stück. Nachdem sie angehalten hat, hebt sie mich wieder hoch und steigt mit mir aus dem Auto. Wieder trommelt es laut. Dann geht die Klappe meines Kastens auf. Ich springe hinaus – in ein nasses Weizenfeld. Regen fällt auf mein Fell. Ich renne so schnell ich kann.
Schließlich merke ich: Ich bin frei! Das Beste ist, dass hier keine Katze zu sehen ist. Futter werde ich hier schon auch finden.
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2011
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