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An die Leser



Hallo lieber Leser oder liebe Leserin
Mein Name ist Martin und ich lebe in der Stadt Nevol. Ich bin sehr krank und werde wahrscheinlich bald sterben, aber ich habe viel erlebt in meinen 73 Jahren. Früher erzählte ich den Menschen von meinen Erlebnissen, aber vor zwei Jahren habe ich meine Stimme verloren. Ich kann mich ohne Hilfe nicht mehr bewegen, ausser diese rechte Hand, mit der ich jetzt schreibe.
Vielleicht fragst du dich jetzt, warum ein alter zerbrechlicher Mann seine letzten Stunden damit verbringt etwas nieder zu schreiben. Die Antwort ist sehr einfach, ich möchte die Menschen auch nach meinem Tod mit Geschichten begeistern.
Meine Kindheit war sehr gewöhnlich, ich hatte wundervolle Eltern, ging in die Schule und war schön brav, davon zu erzählen wäre uninteressant. Was du aber noch wissen musst, zu dieser Zeit herrschte Krieg in unserem schönen Land Nessa. Niemand wusste wie dieser ausgebrochen ist oder wie lange er schon das Land besetzte.
Jedenfalls beginnt meine Geschichte zehn Tage vor dem Ende des Krieges. Ich war 23 Jahre jung und versuchte mich als Bäcker durch zu schlagen. Zu dieser Zeit war es sehr schwer ein Einkommen zu erhalten. Ich war pleite und verlor alle meine Kunden ...



Luna und Sol




"und dass alles wege diesem sinnlosen Krieg!"
Martin schüttelte verzweifelt den Kopf. Gerade hatte ihn sein letzter Spender gekündigt. Nun hatte er alles verloren. Er nahm kein Geld mehr ein, war pleite und die Stadtregierung möchte sein Haus abreissen um eine Waffenfabrik aufzustellen. Ohne Entschädigung, ohne Rücksicht. Alles war weg.
Seufzend raffte er sich auf und schloss seinen Laden fünf Stunden zu früh, aber was machte es aus? Es kam eh niemand mehr. Traurig stieg Martin die Treppe hoch und liess sich auf sein Bett fallen. Was sollte er jetzt tun?
Eine neue Arbeit finden? Nein, dass war unmöglich, dafür bräuchte er eine Umschulung und dafür brauchte er erstmals Geld.
Sollte er betteln? Nein, dass ging gegen seinen Stolz.
Sollte er in die Armee gehen? Nein, nicht einmal das konnte er, denn er war zu schwach um zu kämpfen. Noch während er über seine Zukunft nachdachte, fiel er in einen unruhigen Schlaf.

- Da war er wieder auf diesem hohen Berg und um ihn herum wütete die Natur. Unter ihm brach die Erde entzwei und heisse Lava schoss hervor. Ein schweres Gewitter brachte Hagel und Zerstörung. Der Wind heulte laut auf und es schien als könnte der Wind sprechen. Martin konzentrierte sich auf den jaulenden Wind und wahrhaftig, er verstand Worte, traurige Worte. Der Wind teilte Martin sein ganzes Leid mit.
Martin stand still und weinte, als er die Geschichte des Windes hörte. Das ganze hier erfüllte ihn mit Trauer. Immernoch mit Tränen in den Augen steigt er ganz langsam den Berg hinunter. Er wollte so gerne die Natur besänftigen, ihr sagen, dass alles wieder gut wird und das es der Menschheit leidet tut, ihr solche Schmerzen bereitet zu haben. Aber er kam nicht dazu. Unter ihm öffnete sich die Erde und er fiel.-

Erschrocken wachte er auf. Schon seit Wochen plagte ihn dieser Traum und immer wieder suchte er Mutter Natur, um sie zu trösten, aber er hatte es bis jetzt noch nie geschafft.
Er schüttelte denn Kopf um die Reste des Traumes abzuschütteln.Er hatte keine Zeit sich um alberne Träume zu kümmern. Er musste einen Plan aufstellen, einen Lebensplan. Wie wollte er in einer geld- und machtgierigen Stadt überleben, die zusätzlich in einem Krieg beteiligt ist? Er wusste es noch nicht, hoffte aber das ein Spaziergang zur frühen Morgenstunde ihn auf Ideen brachte. So zog er sich frische Kleider an und machte sich auf den Weg.

Die Stadt ist hässlich. Überall ist Dreck und alles wirkt düster. Ab und zu sieht man noch Waffen und tote Menschen auf der Strasse liegen zu dieser frühen Morgenstunde. Überreste der nächtlichen Schlachten. Er blickt hoch in den Himmel und betrachtet die aufgehende Sonne. Er hasst sie. Jeden Morgen brachte der Sonnenschein Hoffnung zu den Menschen, das Licht, das sie zum Leben brauchten. Aber genau dieses Licht zerstörte alles. Das Licht erhellte die Dunkelheit und verblendet gleichzeitig die Wahrheit. Die Sonne brannte jeden Tag heiss auf Nevol herab. Durch die Hitze war Nevol in Gestank gehüllt, die wenigen Bauern konnten nichts ernten und Wälder brannten ab. Es wirkte fast als wolle die Sonne die Erde verbrennen.

Martin ist Gedankenversunken wieder bei sich zuhause angekommen, ohne irgendeine Idee zu haben. Ein letztes Mal betrachtet er seine kleine Bäckerei, bevor er anfängt einzupacken. Jedes kleine Stück, jedes Mobiliar und jedes Werkzeug erweckt die Erinnerung an seinen ersten Tag als Bäcker. Er hatte sich damals so gefreut. Er schüttelt den Kopf, er will nicht über die Vergangenheit nachdenken, sondern in die Zukunft blicken.

Ein Klopfen holt ihn aus seinen Gedanken heraus. Verwundert dreht Martin sich um und blickt in die braunen Augen einer wunderschönen Frau.

"Sind Sie Martin der Bäcker vom Distrikt 15?"

Sie wartet gar nicht auf eine Antwort, sondern betrettet den kleinen Laden. Er kann kaum den Blick von ihr abwenden und fängt an herum zu stottern.
"J-Ja bin ich."

"Gut. Meine Name ist Helena und ich bin hier um das Gebäude zu übernehmen, aber wie ich sehe sind sie noch nicht fertig, obwohl ihre Zeit schon längst abgelaufen ist." Herrisch dreht sie sich um und bewegt sich auf Martin zu. "In einer Stunde komme ich nochmal, und dann will ich dass sie hier raus sind!" Mit eiligen Schritten verlässt sie den Raum und knallt die Tür hinter sich zu.

Eine Träne floss über Martins Gesicht. Es war nicht fair. Diese ganze Welt war nicht fair. Für was lebte er noch? Er verursachte doch nur Probleme für die Regierung und konnte nicht einmal sein eigenes Leben in Griff kriegen. Nochmals schaut er sich in seiner Bäckerei um. In einer Stunde sollte alles raus sein. Das schaffte er nicht ohne Hilfe. Traurig lässt er die Schultern hängen und nimmt seine Tasche mit seinen wichtigsten Habseligkeiten. Er hat alles verloren was ihm lieb war. Seine Eltern, seine Bäckerei und durch die Verwalterin und die Regierung auch noch sein Stolz. Voller Scham über sich selbst verlässt er seine ehemalige Bäckerei und hofft die Verwalterin nie mehr zu sehen, denn er konnte dieser wunderschönen Frau nicht mehr in die Augen sehen.

Helena

Ihr Name klang so schön, wie sie es selbst war. So elegant, so stolz. Ihm scheint fast, als habe er sich verliebt. Seine Gedanken sind so verwirrt, durch die Trauer, den Krieg und diese Frau. Verträumt torkelt er weiter weg von seiner Bäckerei und läuft prompt gegen eine Strassenlaterne. Benommen schüttelt er den Kopf und bemerkt eine Veränderung. Es war still, zu still. Eine Unruhe kommt in ihm auf und er schaut sich genauer um. Kein Lebewesen war zu sehen, kein Mensch, kein Minu. Gerade als er weiter gehen will, ertönt ein lautes Dröhnen aus dem Himmel. Martin fängt an zu rennen so schnell er konnte. Er braucht Schutz. Er weiss was über dem Himmel ist, dafür muss er nicht hochschauen, denn er kennt das Geräusch so gut wie kein anderes. Ein schrilles Pfeifen ertönt über Nevol und kurz wurde der Himmel blendend weiss. Martin stürzt und rollt sich schützend zusammen, die Hände auf die Ohren gepresst. Angst erfüllt ihn. Als er wieder etwas sehen kann, riskiert er nun einen Blick zum Himmel und starrte die feindliche Maschine an.
Es ist ein Hornissengolem von der verfeindeten Stadt Guarda. Es hatte die grösse eines Helikopters und war ein mechanisches Gebilde nachempfunden von den legendären Hornissen, die ein Zeichen für die Apokalypse sind. Aus ihrem Stachel fallen Giftgranaten auf die Stadt und aus den Fühler schiessen radioaktive Laserstrahlen. Das einzige Ziel dieses Golems ist die Stadt zu verseuchen.
Schnell rappelt sich Martin auf, als eine Granate ein paar Meter vor ihm auf den Boden fällt.Er weiss, er schafft es nicht ohne eine Vergiftung zu holen, aber die Hoffnung doch zu überleben, lässt ihn weiter rennen. Alle Gedanken von vorher, über den Sin des Lebens sind vergessen. Auf einmal war es ihm egal warum er lebte, hauptsache er lebt. Überall gehen die Alarmsignale der Stadt los. Flugzeuge für die Luftabwehr starten, werden aber sogleich von der Hornisse niedergeschossen. Martin wird fast von einem Panzer überfahren, der auch zur Verteidigung in die Nähe der Hornissen fährt. Doch auf der Strasse liegt immer noch diese Giftgranate und detoniert als der Panzer drüber fährt. Das Gefährt wird von einer grünen Wolke umgeben und gleich darauf verlässt die Besatzung hustend den Panzer. Entsetzt sieht Martin wie ihre Haut zuerst grünlich wurde und sich dann das Fleisch vom Körper ablöst. Beim Anblick dieses Zerfalls kommt Martin sein Frühstück wieder hoch und er muss sich übergeben. Er fängt wieder an zu rennen. Er muss hier weg. Die Granaten sind nicht mehr die harmlosen, sondern sind jetzt gefüllt mit dem tödlichstem Gift, dass bis jetzt erforscht wurde. Martin rennt den Strassen entlang, in der Hoffnung genug Abstand zwischen sich und der Hornisse zu bringen. Plötzlich hört er vor sich eine Stimme.

"Kommen Sie hier rein!"

Ein paar Meter vor ihm geht eine Tür auf und Helena steht vor ihm. Martin mobilisiert seine letzten Kräfte und sprintet direkt ins Gebäude herein. Helena schlägt die Tür zu und nimmt ihn bei der Hand.

"Schnell. Wir müssen runter in den Bunker!"


So schnell wie möglich hasten die beiden die Treppe hinunter und betreten den Bunker. Schwer atmend blickt er sich um. Er hat erwartet andere zu sehen, aber Helena und er sind alleine. Fragend dreht er sich zu Helena um und sieht Tränen in ihren Augen.


"Niemand wollte auf mich hören, als ich sie gewarnt habe. Niemand! Und jetzt ist es zu spät. Nevol wird untergehen und alle werden sterben", schluchzend lehnt sie sich mit dem Rücken an die Wand.


Martin nähert sich ihr und umarmt sie schweigend. Sie zuckt bei der Berührung zusammen, aber drückt sich an ihn und lässt ihren Tränen freien lauf. Die Erde fängt an zu beben und kleine Stücke fallen von der Decke. Martin hat so viele Fragen an sie, aber er schweigt weiter und hält die wunderschöne Frau weiterhin fest in seinen Armen. Staub legt sich über sie beide und verschlechtert seine Sicht.


"Ich liebe dich", flüstert er in ihr Ohr.


Helena schaut auf und ihre Blicke treffen sich ein letztes Mal.

Mit lautem Getöse bricht die Welt über ihnen zusammen.



Impressum

Texte: Die Texte sind frei erfunden und alle rechte davon liegen bei mir @LiaSea
Bildmaterialien: Bild von Google
Tag der Veröffentlichung: 04.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

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