Da war sie wieder. Sie war klein und zart. Ungewöhnlich. Sie sah menschlich aus, aber wenn man genauer hinsah, wusste man trotzdem, dass sie kein Mensch sein konnte. Ihr Gesicht war zu fein geschnitten, ihre Stimme hell und klar, die Augen waren grün wie die Blätter im Frühling. Ihre Haare waren schwarz, jedoch schimmerten sie im Licht, so grün wie Moos. Sie trug immer Kleider aus feinem Stoff, die nicht von Menschenhand gemacht werden konnten. Und obwohl die Stadt dreckig war, lief sie immer barfuss umher. Und nun stand sie wieder im Stadtzentrum vor der grossen Eiche. Sie hatte Tränen in den Augen und beobachtete wie die Zweige sich im Winde bogen.
Schon immer wollte er sie ansprechen, doch sobald er sich vom Schatten löse, war sie verschwunden. Auch dieses Mal. Er ging zum Platz, wo sie vorher stand, und riechte noch die letzten Reste ihres Duftes nach Wald. Seit Wochen stand sie hier, immer um die gleiche Zeit, und weinte die Eiche an. Aber niemand sah sie kommen oder gehen, sie tauchte einfach auf und verschwand genauso plötzlich.
Heute war Markttag. Vielleicht hatte er heute Glück und jemand hatte endlich gesehen, wer das Mädchen war. Auf seinem Weg zum nächstbesten Stand verbeugten sich unzählige Menschen vor ihm. Das mussten sie auch, denn er war der Prinz von Nassar und in etwa einem Monat der neue König. Und um eine königliche Krönung nach seinem Geschmack zu bekommen, brauchte er eine Königin. Sie musste nicht adligen Geschlechts sein. Sie musste schön sein, wie dieses Mädchen von vorher. Er wollte sie und nur sie als Königin an seiner Seite sehen. Vor dem Stand des Metzgers blieb er stehen. Kurz fragte er nach, ob er gesehen hatte von wo das Mädchen kam. Er wusste es nicht. Weiter ging der Prinz zum nächsten Stand. Die gleiche Antwort. So fragte er jeden auf dem Platz und fast den ganzen Markt, aber niemand wusste von wo das Mädchen kam oder wohin es ging. Enttäuscht verliess der König den Marktplatz und wendete sich zur Burg um. Auf seinem Weg beobachtete er die Stadt. Vieles störte ihn. Die Gebäude waren in einem schlechten Stand und der Schmutz überall brachte ihm Spott von den hochnäsigen Adligen. Aber in einem Monat konnte er alles verändern. Er hatte schon die ganze Stadt verplant, doch dafür brauchte er Platz. Die dreckigen alten Häuser sollten abgerissen werden und schönen neuen Architekturwunder Platz machen. Der Wald um die Stadt sollte gerodet werden um die Möglichkeit zu erschaffen die Stadt zu vergrössern. Und die mächtige Eiche sollte seinem wunderschönen Abbild weichen. Alle wussten von seinen Plänen. Er stockte in seinen Gedanken und dachte an das Mädchen. Vielleicht weinte sie deshalb. Vielleicht bedeutete ihr die Eiche so viel.
In seiner Burg wurde er schon von seinem Berater erwartet. Den ganzen Abend diskutierten sie über seine Zukunftspläne, bis es selbst dem Prinzen zu viel wurde und er sich in sein Schlafgemach zurückzog.
Ein Traum erschien ihm. Er sah wundersame Wesen aus alten Geschichten. Er sah Naturgeister, Feen, Elfen, Zwerge, Trolle und viele andere mystische Kreaturen. Und sie alle waren versammelt auf einer grossen Lichtung inmitten eines schönen Waldes. Und in ihrer Mitte stand sie, seine Traumfrau. Er bewegte sich auf sie zu, aber sie fing an zu strahlen, so hell, dass es ihn blendete.
Und dann erwachte der Prinz. Ein helles Licht strahlte in sein Zimmer. Verwirrt torkelte er aus seinem Bett und wollte die Vorhänge schliessen. Verdutzt blieb er vor dem Fenster stehen. Erst jetzt fiel ihm das Ungewöhnliche auf. Sein Zimmer war das höchst gelegenste, nämlich im Nordturm der Burg. Die Fenster waren gegen Westen ausgerichtet, sodass bei Sonnenaufgang die Sonne nicht direkt in sein Zimmer schien und ihn aus dem königlichen Schlaf reissen konnte. Dieses Licht war jedoch heller als die Sonne und es war nur ein kleiner Punkt, der vor seinem Fenster herum schwebte. Der Prinz glaubte sogar eine weibliche Gestalt im Licht auszumachen. In seinem Gedanken formte sich langsam das Wort Fee. Schnell zog er die Vorhänge zu und liess sich wieder aus Bett fallen. ‚Nur ein Traum‘ redete er sich ein.
Das Licht blieb jedoch vor dem Fenster. Die Gedanken des Prinzen schweiften zurück zu seinem Traum mit den Wesen und dem geheimnisvollen Mädchen.
Plötzlich schwebte das Licht vor seinen Augen. Er erschrak und schrie kurz auf.
„Na so fürchterlich sehe ich doch nicht aus.“
Verwirrt schaute er sich um. Schweiss lief ihm den Rücken hinab. Das Licht flog vor seiner Nase umher, aber den Besitzer der Stimme konnte er nicht ausmachen.
„Hier, hier HIER bin ich! Vor deiner Nase!“ Verwundert starrte er das Licht an. Es konnte doch nicht sein! Es konnte sie nicht geben! Sie durften nicht existieren! Aber tatsächlich: vor seinen Augen flog wahrhaftig eine Fee herum.
„Nun da du mich erkannt hast, wie wäre es, wenn du mir folgen würdest, ja? Die Nacht ist noch nicht vorüber und ich habe viel Besseres vor als einen Botengang für einen Menschen zu erledigen. Los, komm jetzt!“
Der Prinz rieb sich die Augen. Die Fee verschwand durch das Fenster. „Hey! Warte! Wie soll ich dir denn folgen? Ich kann doch nicht fliegen wie du!“ Egal was passierte, er würde ihr folgen. Vielleicht führte sie ihn zu seiner Traumfrau.
Die Fee kam zurück und murmelte auf dem Weg zur Tür etwas von unterentwickelten Menschen. Der Prinz folgte ihr und versuchte mit dem ganzen Ereignis klar zu werden. Wahrscheinlich war er am Träumen. Das Mädchen von heute Morgen ging ihm nicht aus dem Sinn. Sein Blick wanderte zur Fee. Nach den alten Geschichten kannten sich die Naturgeister untereinander.
„Beantworte mir eine Frage, Fee!“
„Mein Name ist nicht Fee, du eingebildeter Holzkopf! Mein Name ist Nela, merk dir das! Und mach ein bisschen schneller!"
Nela flog nun so schnell, dass der Prinz rennen musste. Er versuchte es nochmal.
"Nun gut, Nela, kannst du mir eine Frage beantworten?"
"Pffff, wenn es sein muss."
"Kennst du ein Mädchen mit schwarzen Haaren, welche ihm Licht so grün wie Moos schimmern, mit Augen so grün wie die Blätter im Frühling?" Der Prinz musste sich zurücknehmen um nicht vollends ins Schwärmen zu kommen.
"Keine Ahnung hast du, Mensch! Du beschreibst gerade wie alle elfischen Frauen aussehen. Komm beim Vollmondfest zur grossen Lichtung im Wald und du siehst hunderte elfische Frauen, auf die deine Beschreibung zutrifft. Vorausgesetzt, du lässt die Eiche stehen, sonst werden wir alle sterben." Die Stimme von Nela wurde immer leiser. Seine Verwirrung steigerte sich. Was meinte Nela damit. Wie sollte eine einzige Eiche den Auslöser für das Sterben von Völkern verantwortlich sein. Gerade möchte er eine Frage dazu stellen, aber sie waren an ihrem Ziel angekommen, die grossen Eiche im Stadtzentrum.
Nela flog hoch und verschwand im Geäst.
"Hey warte!"
Stille.
Nach ein paar Minuten wurde der Prinz ungeduldig und wandte sich ab um wieder zurück zu gehen, als sich der Boden bewegte. Aus der Strasse brachen Wurzeln hervor, mächtige, grosse Wurzeln. Er drehte sich um zur Eiche und er traute seinen Augen nicht. Die Eiche wandte und drehte sich und schoss in die Höhe! Die Äste wuchsen hinaus und in schnellster Zeit überragte die Eiche fast ganz Nassar. Auf der Höhe des Prinzen öffnete sich ein Weg. Er musste die Hand vor die Augen nehmen, denn der Weg leuchtete heller als die Sonne. Seine Neugier obsiegte den Instinkt einfach weg zu rennen, und so näherte er sich dem Weg. Eine Welle reines Licht überschwappte ihn und als er an sich herab schaute, merkte er, dass er andere Kleider trug.
Der Stoff war weich, er hatte noch nie etwas so weiches getragen, obwohl er als Prinz nur das Beste vom Besten bekam. Zwar hatte er neue Kleider an, jedoch lief er nun barfuss.
Doch obwohl es Herbst war und der Schnee noch nicht gefallen war, sollte es kalt sein, aber er war von einer unheimlich angenehmen Wärme umgeben.
Er ging näher zur Eiche und stand nun direkt davor. Er bemerkte, dass es eine Brücke ins weisse Nichts war.
"Trau dich, Arthur. Sie wartet auf dich!"
Die liebliche Stimme hallte durch das Licht. Er drehte sich um zur Stadt und sah wie mächtige Wurzeln eines der umstehenden Häuser zerstörte. Der ganze Baum machte sich breit und räumte alles aus dem Weg, was seiner Freiheit im Wege stand. Obwohl seine Stadt, sein zukünftiges Reich in diesem Moment zerstört wurde, interessierte es ihn nicht, er nahm es nicht auf, es liess ihn kalt. Das Licht und die Wärme zogen ihn an. So drehte er sich um und betrat die Brücke. Kaum stand er mit beiden Füssen auf der anderen Seite, schloss sich das düstere Bild der Stadt Nassar. Er bewegte sich mit entschlossen Schritten auf der Brücke ins Ungewisse. Von weit vorne flog ein hellblauer Punkt auf ihn zu. Es verwunderte ihn nicht, als er Nela sah. Sie sagte nichts, sie führte ihn nur.
Er wusste nun nicht mehr, wie lange er schon durch das Weisse Nichts lief. Es fühlte sich an wie Tage, doch er verspürte keinen Hunger, keine Müdigkeit, nur Wärme und Geborgenheit.
Weit vorne konnte er einen dunklen Fleck ausmachen. Beim näherkommen verwandelte sich dieser Fleck in eine grosse Türe, welche fehl am Platz wirkte. Als er in die Nähe kam wurde die Tür von unsichtbarer Hand geöffnet.
Und die Landschaft dahinter war anders als alles andere, was er bisher gesehen hatte.
Es sah aus wie ein riesiger Wald, doch anders als er ihn kannte. Er war gross, die Bäume anders, die Pflanzen voller Farben. Ein Paradies. Er erinnerte sich an Wanderer, welche aus fernen Ländern erzählt hatten. Und fast immer erzählten sie von so einem Wald. Sie nannten ihn Elfenwald.
Arthur kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er erinnerte sich an den letzten Wanderer. Er war zusätzlich ein Druide gewesen und warnte ihn von den Gefahren des Elfenreichs. Es sei zwar ein Paradies, doch nicht für Menschen gedacht. Menschen, welche den Wald betraten oder auch ein Portal in eine andere Welt, wurden nie mehr gesehen und die wenigen, die überlebten waren verrückt geworden.
Er lief weiter bis er auf einer Lichtung landete. Vor ihm erhob sich ein alter Altar, welcher von Efeu überwuchert war. Doch nicht den Altar verwunderte ihn, sondern die Person hinter dem Altar. Es war seine Traumfrau! Es war das Mädchen, das der suchte! Und wie sie aussah! Welch wunderschöne Kleider sie trug! Sie sah aus wie eine Königin, wie seine Königin. Ein Verlangen überfiel ihn, welches er nur mit Mühe zurück halten konnte.
"Willkommen, Arthur. Schön, dass du endlich zu mir gefunden hast."
Ihre Stimme war klar und weich, und er schmolz mit jedem Wort von ihr dahin.
Sie lief auf ihn zu und nahm ihn bei der Hand.
"Komm mit mir und iss etwas mit uns. Wir haben ein grosses Fest zu feiern."
Arthur konnte nichts erwidern. Er war gefangen in ihrem Bann und er wollte sich nicht von ihr lösen. Irgendwo in seinem Hinterkopf klingelten die Alarmglocken. Aber bevor er über die Warnung nachdenken konnte, fand er sich plötzlich in einem grossen Saal wieder.
"Was für ein Fest wird denn gefeiert?" Er hatte Mühe diese Worte über seinen Mund zu bringen.
"Eine Hochzeit wird gefeiert." Ein Seitenblick auf ihr Gesicht zeigte ihm, dass sie sich freut.
"Willst du denn nicht fragen wer heiratet?"
"Warum sollte ich das? Ich kenne niemanden hier." Eine Vorahnung überkam ihn.
Die Königin der Elfen zog ihn mit sich durch die Mitte des grossen Saals. Am Ende des Saals stand wieder ein Altar. Dieser jedoch wurde gepflegt, denn er glänzte im Licht.
"Wir sind die, die Heiraten!" Sie fing an zu lachen und sie machte ihn glücklich. Er war so überwältigt von der Schönheit hier im fremden Land. Er wollte nicht weg! Er wollte immer bei ihr bleiben, bei seiner Traumfrau.
Er ging vor ihr auf die Knie und hielt ihre Hand.
"Darf ich denn den Namen meiner zukünftigen Ehefrau wissen?"
Sie lachte freudig auf und ihre grünen Augen glänzten vor Freudentränen.
"Aisslin. Aisslin die Königin der Elfen. Das bin ich!"
Texte: Texte @ LiaSea
Bildmaterialien: Bild von mir^^
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2011
Alle Rechte vorbehalten