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1.

Die Sommerferien waren fast zuende, alle nutzen die letzten Tage noch und gingen schwimmen oder ein Picknick machen. Nur ich saß alleine in meinem Zimmer.
Die Sonne blendete mich und ich zog die Vorhänge zu.
Es klopfte an der Tür. Als ich nichts sagte, betrat meine Mutter mein Zimmer. Seufzend registrierte sie die zugezogenen Vorhänge. ,,Schätzchen, du kannst dich doch nicht ewig so in deinem Zimmer verschanzen. Geh raus, triff dich mit Freunden, unternimm etwas.“
Ich sah meine Mutter unentwegt an, ohne etwas zu sagen. Sie verstand GARNICHTS.
Als ich nicht die leisesten Anstalten machte, mich zu bewegen oder zu sprechen, seufzte sie, zog die Vorhänge wieder auf und verließ das Zimmer. Kaum war sie draußen, zog ich die Vorhänge wieder zu. Draußen hörte ich wie sich meine Eltern stritten. Mal wieder. Und wieder ging es um mich. „Was erwartest du denn von ihr?“ Rief mein Vater. Er war der einzige Mensch, der mich verstand. Ich nahm meinen Mp3Player, und hörte Musik. Doch ich hörte sie immer noch streiten. ,,Ihre Beste Freundin ist vor einem Monat verschwunden. Was würdest du denn machen??“ Das fragte ich mich auch öfter. Meine Mutter wollte, dass ich mein Leben weiterlebte und tat als wäre nichts geschehen. Aber das konnte ich nicht und genau das verstand sie nicht.
Unten war es still geworden. Ich hörte, wie meine Mutter das Haus verließ. Ich legte mich in mein Bett und schlief ein.

Als ich wieder aufwachte, merkte ich, dass es dunkel in meinem Zimmer geworden war.
Jemand, vermutlich mein Vater, hatte die Vorhänge aufgezogen.
Ich setzte mich auf die Fensterbank und blickte nach draußen. Es war jetzt so dunkel, dass ich die Sterne und den Mond sehen konnte. Keine einzige Wolke bedeckte den Himmel. Wie ruhig alles aussah. In den Sternenhimmel zu schauen erinnerte mich daran, wie mein Leben früher war. Ich hatte viele Freunde, alles war leichter als jetzt. Jetzt war mein Leben nur noch eintönig, ich wollte nichts mehr unternehmen, ich wusste inzwischen nicht einmal mehr wann ich das letzte mal draußen gewesen war. Die Menschen, oder Dinge, die ich Früher einmal geliebt hatte, hatten jetzt keine Bedeutung mehr für mich.
Warum war genau mir das passiert?! War es so schwer, einmal im Leben Glücklich zu sein?!
Hinter mir hörte ich ein Geräusch. Hastig drehte ich mich um, und sah meine Katze auf mein Bett springen. Ich hatte sie erst vor kurzem bekommen aber ich hatte sie schon von Anfang an sehr lieb gehabt. Sie schnurrte und ich streichelte sie so lange, bis ich wieder einschlief.


Immer wieder erschien in meinen träumen meine beste verschwundene Freundin. Es war immer wieder der gleiche Traum, den ich fast jede Nacht hatte.
Auch diese Nacht träumte ich wieder von ihr. Es war eine Art Fiebertraum, ich wusste nicht ob ich schlief oder wach war.


3.


„Laura, Laura, komm, wach auf“ Ich schlug die Augen auf. Vor mir stand mein Vater und blickte mich besorgt an. „Du hast schlecht geträumt, ich hab dich aus meinem Zimmer schreien gehört“
„Ich hab geschrien?“
„Ziemlich laut sogar. Ich hatte schon Angst, dass dir etwas passiert ist“
„Nein, es ist alles okay, trotzdem danke“ sagte ich, und merkte, wie meine Stimme zitterte.
„Wenn du möchtest, kannst du dich auch gerne zu mir legen“
„Nein danke, es geht schon“ Ich ließ mich erschöpft zurück ins Bett sinken.
„Okay. Es ist schon 5 Uhr. Guck, die Sonne geht schon auf“
Ich lächelte ihn an. Es tat gut, jemanden zu haben, der sich um mich kümmerte, und mich ein wenig verstand. Außer ihm verstand mich nur noch eine andere Freundin die Marie hieß, aber von ihr hatte ich seit den letzten zwei Wochen auch nichts mehr gehört.
Mein Vater reichte mir ein Taschentuch, und erst jetzt merkte ich, dass ich weinte. Hastig wischte ich die Tränen weg.
,,Weißt du, deine Mutter meint das nicht so. Sie weiß einfach nicht, wie sie damit umgehen soll, dass du so sehr trauerst. Sie kennt eben nur deine fröhliche, liebe Art.“
Ich wusste, dass er nur versuchen wollte, mich aufzumuntern, aber das klappte gerade nicht wirklich.
„Ich weiß, und ich verstehe es ja auch. Aber das ist im Moment alles so schwer für mich...“
„Und keiner macht dir deswegen einen Vorwurf“
,,Ich weiß“
,,Gut. Dann leg dich wieder hin, und versuch noch etwas zu schlafen, okay?“
,,Okay“
„Dann schlaf schön, und sag bescheid, wenn irgentetwas ist.“
„Mach ich“
Er hatte sich schon zum gehen gewandt ,,Und Papa...?“
,,Ja?“
„Danke!“
Er lächelte mich an und verließ das Zimmer.
Kurz darauf klingelte mein Handy. Ich guckte auf die Uhr. Schon kurz nach 7!
Mein Display zeigte Marie an. Ich meldete mich.
,,Hallo?“
„Hey, ich bins. Ich wollte dich Fragen, wie es dir geht, und ob du etwas brauchst oder so...“
Ich war so froh ihre Stimme zu hören.
„Naja, mir geht es nicht so gut. Ich hab sehr oft Alpträume, und kann meistens nicht gut schlafen...“
„Ja, das hab ich mir schon gedacht...Wollen wir uns vielleicht bald mal wieder treffen? Und wann kommst du eigentlich wieder zur Schule?“
Ich dachte nach. Ich hatte eigentlich keine Lust, mich mit ihr zu treffen. Ich war einfach noch nicht bereit, wieder unter die Leute zu gehen und mein Leben einfach so weiterzuleben.
„Sei mir nicht böse, aber ich muss mich noch etwas sortieren, und wäre froh, nicht rausgehen zu müssen, und in die Schule werde ich die nächsten Wochen wahrscheinlich gar nicht kommen. Tut mir leid.“ Und es tat mir ehrlich Leid. Vor dem Vorfall hatten wir sehr viel zusammen unternommen, und es tat mir ehrlich leid, sie jetzt so zurückweisen zu müssen.
„Nein, es muss dir nicht Leid tun, ich versteh dich. Mir wäre es an deiner Stelle auch so gegangen. Ich rufe dich in den nächsten Tagen noch einmal an, okay?“
„Okay, dann viel spaß noch und grüß die anderen von mir“
„Mach ich, bye“
Sie hatte aufgelegt.


4.


Ich seufzte. Ich hätte mich gerne mit ihr getroffen, wäre gerne wieder unter Leute gegangen, aber ich konnte einfach nicht. Außerdem war ich noch ziemlich fertig wegen diesem Albtraum.
Ich zog mich an und ging nach unten in die Küche. Schlafen konnte ich jetzt wahrscheinlich sowieso nicht mehr, da konnte ich mit genauso gut etwas zu essen machen. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich gerade noch, wie mein Vater sich in Strömenden Regen auf dem weg zu seinem Büro machte. Er war Imobilienmakler, was ziemlich zu unserem Vorteil war, da wir deswegen Häuser günstiger Verkauft bekamen. Er liebte diesen Job. Ich auch, denn er war nicht allzu lange im Büro und hatte, nachdem er nach Hause gekommen war, meistens noch Zeit, etwas mit mir zu unternehmen. Anders als Mama, die fast Nie Zeit für mich hatte. Wenn sie gestresst von der Schule wiederkam, regte sie sich zuerst immer über ihre Kollegen, die Schüler und die Schule auf. Dann machte sie sich einen extrastarken Kaffe und verschwand in ihr Zimmer. Ich sah sie dann den Rest des Tages nicht mehr. Sie musste viel Papierkram erledigen, dass hatte mir Papa erklärt. Aber ich wüsste nicht, dass man in einer Schule besonders viel Papierkram erledigen muss. Aber was mich daran am meisten störte war, dass sie so ein Geheimnis daraus machten, was dieser „Papierkram“ war. Wenn ich unangemeldet in das Zimmer meiner Mutter kam, wurde sie sehr wütend, manchmal schrie sie mich sogar an. Das verstand ich nicht. Mein Vater sagte dann immer „Sie ist gestresst, sie brauch manchmal nur eine Pause.“
Ja, ich brauchte auch manchmal eine Pause. Jeder brauchte manchmal eine Pause. Aber warum schrie sie mich dann an? Was konnte ich dafür, dass Sie gestresst war?
Mein Blick fiel auf das Zimmer meiner Mutter. Die Tür stand einen Spalt Breit offen. Sie war in der Schule, und auch Papa würde erst in ein Paar Stunden wieder hier sein.
Ich ging auf das Zimmer zu. Normalerweise schnüffel nicht in den Angelegenheiten von anderen herum. Aber wenn eine Tür schonmal halb offen stand...
Ich öffnete die Tür ein wenig weiter und schlüpfte, bevor ich es mir anders überlegen konnte, hinein.
Es stand ein Großer Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Darauf lagen viele Zettel. Neugierig nahm ich einen Stapel der Zettel und ließ mich auf den Schreibtischstuhl sinken, der neben dem Tisch stand.


5.


Aber ich wurde enttäuscht. Es stand nichts Geheimes auf den Zettel, sondern es waren lediglich ein paar noch unkorrigierte Tests aus ihrer Klasse.
Ich legte die Zettel wieder genauso hin, wie ich sie vorgefunden hatte, und wollte das Zimmer verlassen. Da fiel mein Blick auf eine kleine Kommode, die an dem Tisch befestigt war. Ich versuchte sie zu öffnen, doch sie war verschlossen. Das hätte ich mir denken können. Ich musste mich wohl oder übel auf die suche nach dem Passendem Schlüssel zu der Kommode begeben. Denn wenn ich es nicht tat, würde ich den Rest des Tages keine Ruhe mehr finden. Ich durchwühlte den Schreibtisch, sah auf dem Boden nach, und überall, was mir noch einfallen könnte, wo der Schlüssel sein könnte.
Doch ich fand wie erwartet nichts.
Ich machte mich daran, das Zimmer wieder einigermaßen so herzurichten, wie ich es vorgefunden hatte. Dabei stieß ich versehentlich einen Blumentopf um, der auf der Fensterbank platziert war. Die gesamte Erde verstreute sich auf dem Boden.
Ich wollte die Erde gerade mit einem Handfeger wegfegen, als ich etwas Silbernes auf dem Boden liegen sah. Ich durchwühlte die Erde und schaufelte einen kleinen, Silbernen Schlüssel frei. So wie er aussah, konnte er in Die Schublade der Kommode passen. Mit zitternden Fingern steckte ich den Schlüssel in das Schloss.
Und er passte! Er ließ sich problemlos im Schloss umdrehen!
Ich öffnete die Schublade. Wie erwartet lagen auch dort viele Papiere und Zettel. Ich nahm einige in die Hand und überflog sie. Der erste stammte von unserem Rechtsanwalt. Das war nicht außergewönlich, denn meine Eltern trafen sich öfter mal mit ihm. Aber in dem Brief stand, dass mein Vater morgen Mittag zu einem Gericht erscheinen müsse. Das wunderte mich. Ich hatte weder mitbekommen, dass mein Vater auf irgendeine Art und Weise Probleme gehabt hatte, noch, dass er Morgen einen Termin hatte. Das wunderte mich. Sonst sagte er mir immer Bescheid, wenn ich alleine bleiben musste. Komisch.... Ich nahm mir vor, ihn Heute nach der Arbeit zu fragen, was er Morgen vorhatte. Ich guckte auf die Uhr. Oh, schon so spät, er müsste bald wieder nach Hause kommen. Schnell legte ich die Zettel wieder in die Schublade zurück, schloss ab, holte einen neuen Blumentopf, wo ich schnell die Erde und den Schlüssel wieder hineintat.


6.


Ich hörte einen Schlüssel im Schloss und kurze Zeit später betrat mein Vater den Raum.
,,Hallo mein Schatz. Ich habe dir eine Pizza mitgebracht.“ Er lächelte mich gewinnend an.
,,Hey. Danke. Wie war es auf der Arbeit?“ Ich versuchte, so normal wie Möglich zu sein.
„Wie immer, es gab ein Paar Probleme mit dem neuem Haus. Es liegt auf dem Land, und da es so abgelegen ist, möchte es Niemand Kaufen. Wenn deine Mutter wieder da ist, möchte ich etwas mit euch besprechen. Also nimm dir bitte nichts anderes vor.“
„Was sollte ich mit denn bitte vornehmen? Ich hänge seit Tagen nur noch in meinem Zimmer rum.“
Außer ab und zu mein Zimmer zu lüften, würde ich also den ganzen Tag nichts vorhaben.
Jetzt war die Frage: Wie konnte ich das Gespräch unauffällig auf Morgen lenken?
„Ähm Papa...Hättest du Lust, Morgen Mittag etwas mit mir zu unternehmen?“
Sehr unauffällig! Da hätte ich ja genauso gut gleich Fragen können, um wie viel Uhr er Morgen den Gerichtstermin hatte! Aber ihm schien es nicht aufgefallen zu sein, denn ihm viel sofort eine Notlüge ein.
„Entschuldigung Schätzchen, aber ich muss Morgen leider für einen Kollegen einspringen, der Krank ist, und komme deshalb erst Abends wieder. Aber mach dir einfach einen schönen Tag, okay?“ Und da sagten die Erwachsenen immer, man soll nicht lügen. Wie sollte man das bitte Ernst nehmen, wenn die Eltern einem alles verschwiegen?
„Oh, okay...Und wann kommt Mama Morgen wieder?“
„Ich glaube, sie hat auch ziemlich viel zu tun, und wird erst abends wieder da sein. Das macht dir doch nichts aus?“
Natürlich machte mir das etwas aus!
„Nein, das ist schon okay.“
Das hieß, dass Mama mit zum Gericht kommen würde.
Komisch...
In dem Moment betrat Mama die Küche.
Als Papa sie bemerkte, setzte er ein feierliches Lächeln auf und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Gut, dass du auch endlich da bist. Ich möchte gerne etwas mit euch beiden besprechen.“
Er zeigte auf den Stuhl und Mama setzte sich neben mich.
„Wie ihr wisst, versuche ich schon seit längerem, ein Haus auf dem Land zu verkaufen. Es steht jetzt schon seit etwa einem Jahr leer, und da niemand es kaufen wollte, hab ich es gekauft!“
So still war es noch nie in unserem Haus gewesen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Mama saß einfach so da und starrte vor sich hin. Ich merkte, wie sie immer röter im Gesicht wurde. Gleich explodiert sie, dachte ich.
„Das ist nicht dein Ernst. Sag mir, das dass nicht dein Ernst ist!“
Auch Papa schien sich inzwischen dem Ernst der Lage bewusst zu werden, denn er versuchte jetzt auch noch, uns das Haus schön zu reden. Das war das schlechteste, was er in dieser Situation überhaupt tun konnte!
„Es ist direkt neben einem Wald. Dort ist es Wunderschön. Und du könntest in der nähe auch zur Schule gehen. “ Sagte er mit einem Blick zu mir.
„Und was ist mit mir?? Wo soll ich arbeiten??“ Schrie Mama inzwischen.
Ich hielt es hier nicht mehr aus und flüchtete in mein Zimmer. Was hatte Papa sich nur dabei gedacht? Ich wollte nicht umziehen. Ich mochte die Gegend hier. Außerdem waren hier so viele Dinge und Orte, die ich schon so lange kannte.
Und wie kam er überhaupt dazu, nicht einmal mit Mama darüber zu sprechen?
Warum hatte er das ganz allein entschieden?
Es klopfte an meiner Zimmertür.


7.


,,Nein!“ Ich wollte jetzt mit niemandem Reden. Und schon gar nicht mit Papa, diesem Verräter, der gerade mein Zimmer betrat.
„Das wird toll da, wirst schon sehen. Wir fangen einfach ein ganz neues Leben. Und du fängst an, Zoe zu vergessen.“
Warum wollte er, dass ich Zoe vergaß?
Als hätte er gerade erst jetzt bemerkt, was er da gesagt hatte, versuchte er die Situation noch zu retten.
„Natürlich möchte ich nicht, dass du Zoe vergisst, sondern...“ Weiter kam er nicht.
„Raus.“
„Ich meinte das nicht so, ich wollte nur“ Wieder ließ ich ihn nicht aussprechen.
„RAUS!“
Plötzlich sah er sehr Wütend aus. Er drehte sich um und verließ wortlos das Zimmer.
Kurz nachdem mein Vater das Zimmer verlassen hatte, betrat meine Mutter mein Zimmer. Auch, ohne anzuklopfen. Wozu hatte ich eigentlich das Schild „Bitte nicht stören“ an die Zimmertür gehängt, wenn es sowieso niemand beachtete?!
Meine Mutter hatte inzwischen angefangen zu weinen.
„Hey Mama, wein doch nicht. Er hat es bestimmt nicht Böse gemeint.“
Und im nachhinein fragte ich mich immer noch wie ich auf die Idee gekommen war, meinen Vater zu verteidigen.
„Dein Vater und ich werden uns trennen.“ Sie schmiss sich in meine Arme und weinte.
„Mama, es ist alles gut, dass wird schon wieder.“
„Es wird NICHT wieder!“ Theoretisch hatte sie damit leider Recht, aber ich brauchte jetzt eigentlich auch jemanden, der mich tröstete. Aber anscheinend war gerade niemand für mich da. Die Situation erinnerte mich an meine Beste Freundin, wie sie gewesen war. Sie hätte mich jetzt in den Arm genommen und getröstet, bis es mir wieder besser ging. Dann hätte sie bei mir übernachtet und am nächsten Tag würde es mir wieder besser gehen. Aber Sie war nicht da.
Meine Mutter steckte mich mit ihrem heulen an und jetzt musste auch ich weinen.


8.


Ich nahm sie so lange in dem Arm, bis wir uns beide ein bisschen beruhigt hatten. Dann lächelte sie mich mit Tränenüberströmten Gesicht an.
„Hast du Lust auf Kuchen?“ Ich lächelte zurück.
„Kuchen? Immer doch.“
Sie drückte noch einmal meine Hand und verließ das Zimmer.
Meine Eltern trennten sich! Das war so ziemlich das schlimmste, was sie mir gerade antun konnten! Und bei wem sollte ich jetzt wohnen? Ich wollte mich nicht entscheiden!
Ich habe schon ziemlich oft von Freunden gehört, wenn sich deren Eltern trennten, aber ich hätte NIE im Leben damit gerechnet, dass sich ausgerechnet MEINE Eltern trennten.
Das hieß, entweder, ich zog mit Papa in das neue Haus, oder ich blieb ihr bei meiner Mutter? Zuerst fiel mein Ergebnis natürlich ganz klar auf meine Mutter. Denn dann müsste ich nicht Schule wechseln und hätte hier alle meine alten Freunde. Aber ich wollte doch auch nicht Papa alleine lassen! Er war es doch, der sich die ganze Zeit um mich gekümmert hatte, kurz nachdem Zoe tot war!
Und dann war da natürlich noch die Sache mit dem Gericht, die ich inzwischen ganz vergessen hatte. Ob Mama Papa trotz der Trennungsgeschichte dorthin begleitete blieb allerdings die Frage. Da ich Morgen sowieso keine Schule hatte, nahm ich mir vor, Papa nach der Arbeit hinterher zugehen und herauszufinden, was das mit der ganzen Gerichtssache auf sich hatte.
Ich merkte, wie mein Magen knurrte. Weil ich dadurch, dass ich das Zimmer meiner Mutter durchsucht hatte, nicht zum Essen gekommen war hatte ich jetzt dementsprechend einen Mordshunger.
Ich ging die Treppe herunter und guckte, ob jemand hier war. Es war alles ruhig. Nur auf dem Essenstisch lagen zwei Zettel. Der eine war von meiner Mutter. Sie wollte ein bisschen im Park spazieren gehen und würde erst in ein paar Stunden zurück sein.
Papa hatte fast dieselbe Idee gehabt, nur, dass er an den Strand gehen wollte.
Zwei Menschen, ein Gedanke dachte ich.
Ich guckte im Kühlschrank nach was wir so alles hatten. Dann viel mir die Pizza wieder ein, die Papa mir mitgebracht hatte und stellte den Ofen an.
Das Telefon klingelte, aber bis ich es gefunden hatte, vergingen noch mal ein paar Minuten. Mal wieder Typisch für Mama, es lag in der Wäschekiste!
„Hallo?“ Es kam keine Antwort, sondern nur ein lautes Rauschen.
„Halloo?“ Wieder keine Antwort.
„Ich leg jetzt auf, ciao!“ Ich wollte gerade auflegen, da hörte ich ein Lachen. Es war eine sehr tiefe Männerstimme.
Jetzt legte ich tatsächlich auf. Da wollte mich Jemand verarschen! Ich hasse solche Typen, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als andere Leute zu verarschen, was bringt denen was?!
Ich hörte den Schlüssel im Schloss und meine Mutter betrat den Raum.
„Wer war am Telefon? Ich habe es noch klingeln gehört, als ich die Tür aufgeschlossen habe.“
„Oh, das war nur ein Klingelstreich. Da hat Jemand angerufen, nichts gesagt, dann gelacht und dann hab ich aufgelegt. Er hat sich so angehört, als wäre es ein Mann in deinem Alter.“ Meine Mutter wurde auf einmal ganz Blass.
„Ein Mann in meinem Alter sagst du?“
„Ja, aber es war bestimmt nur ein Jugendlicher der seine Stimme verstellt hat.“
„Oh...Ja bestimmt. Ähm ich werde jetzt in mein Zimmer gehen.“
Sie wandte sich schon zum gehen, aber plötzlich machte sie ein angeekeltes Gesicht.
„Findest du nicht, dass es hier ein wenig angebrannt riecht?“
Zuerst dachte ich, dass sie nur ablenken wollte, aber dann fiel es auch mir auf.
„Oh Gott, die Pizza!“ Ich machte den Backofen auf, heißer Qualm schlug mir entgegen.
„Geh lieber nicht zu nah dran und schalt den Backofen erst einmal aus!“
Inzwischen war die Pizza zu sehen, oder eher das, was davon übrig geblieben war.
Sie war volkommen Schwarz!
„Die kann man wegschmeißen.“ Meine Mutter nahm die Pizza mit einem Handtuch und schmiss sie in den Restmüll.
„Hast du sehr großen hunger?“ Ich hörte meinen Magen knurren.
„Ich habe seit Gestern nichts mehr gegessen!“
„Das Tut mir Leid, aber ich wollte mich jetzt eigentlich ein wenig hinlegen. Ist es okay für dich, wenn du dir schnell ein paar Brote machst?“ Sie lächelte mich an, aber ich sah trotzdem, wie erschöpft sie war.
„Klar. Kein Problem.“ Sie lächelte noch einmal und verschwand in ihr Zimmer.
Ich machte mir etwas zu Essen und ging auch in mein Zimmer.
Wie sollte ich es schaffen, Morgen mit zum Gericht zu gehen? Ich hatte noch mal überdacht, Dad zu folgen und war zu dem Schluss gekommen, das dass keine gute Idee war. Was würde passieren, wenn er mich enddecken würde?
Und überhaupt, vielleicht war das ja nur eine ganz kleine Sache und er hatte mir deshalb nichts davon erzählt. Denn es war nicht normal, dass er mir etwas verheimlichte. Das tat er sonst nie. Sonst konnte ich auch mit ihm über alles reden. Sonst stritten er und Mama auch nicht so doll. Sonst, sonst, sonst.
Aber jetzt war jetzt. Und jetzt war es definitiv nicht normal, dass er mir etwas verheimlichte. Also musste doch was dahinterstecken.
Ich schaltete den Laptop an. Vielleicht fand ich ja etwas über unseren Anwalt heraus.
Ich gab seinen Namen bei Google ein und gleich in der ersten Anzeige hatte ich ihn gefunden. Er schien sehr viel Geld zu haben, aber sehr viel mehr, außer, dass er eine kleine Tochter hatte, geschieden war und ein großes Haus in der Innenstadt besaß, konnte ich leider auch nicht mehr über ihn herausfinden. .
Ich schaltete schnell den Laptop wieder aus, fütterte die Katze und schlief ein.


9.


Die nächsten Tage wussten Mama und ich nicht, wo Dad war. Er war nach seinem „spaziergang“ nicht zurückgekehrt und hatte uns auch nicht angerufen oder eine sonstige Mitteilung hinterlassen. Mama weinte eigentlich nur den ganzen Tag und ich verbrachte die Zeit damit, sie zu trösten. Meistens weinte ich allerdings selber, nicht, wegen Dad, was jetzt wahrscheinlich angemessen wäre, doch ich sah mir sehr oft alte Fotos von Zoe und mir an und da kam es einfach über mich.
Heute Nacht hatte ich wieder den gleichen Traum. Ich fand es nicht normal, zwei mal den gleichen Traum in einer Woche zu bekommen und fragte Mama, was sie davon hielt.
„Natürlich ist es ein wenig außergewönlich, aber ich hatte das auch schon einmal, du brauchst dir deshalb doch keine Sorgen machen. Wovon handelt der Traum eigentlich?“
Das hatte ich bisher außer Dad noch niemanden erzählt und wollte es eigentlich auch noch ein wenig für mich behalten.
„Ach, nichts besonderes, ziemlich wirr...wie das bei Träumen eben so ist.“ Versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. Es klappte. Mama war schon immer ziemlich leichtgläubisch gewesen.
„Na dann ist es ja gut“ Sagte sie und sah mich erleichtert an. „Aber du würdest mir doch sagen, wenn du schlimme Träume hättest, oder?“
„Hab ich aber nicht.“ Das war gut, dann gab ich ihr kein eindeutiges Ja, aber auch kein Nein.
„Dann ist es ja gut. Soll ich dir Frühstück machen?“ Mich wunderte es, das Mama das fragte. Das letzte Mal, als sie mir Frühstück gemacht hatte, war ich Zehn gewesen. Ich erinnerte mich noch genau daran. Ich war an einem Samstag die Treppe hinuntergekommen und habe schon von oben den Pfannekuchen gerochen. Nach dem Essen sind wir beide zusammen in die Stadt gefahren und sie hat mir ein Oberteil gekauft. Als es mir zu klein wurde, habe ich es Zoe geschenkt. Sie war schon immer ein wenig kleiner und zierlicher als ich gewesen. Jetzt habe ich es wieder.
„Ja, das wäre schön.“ Sie lächelte und machte sich an die Arbeit.
„Hast du Lust, heute Abend mit mir Essen zu gehen? Nur wir zwei, wie früher.“
Bei dieser Vorstellung musste ich lächeln. Ja, in diesem Moment war es tatsächlich wie Früher. Als hätte man die Zeit zurückgedreht.
„Gerne. Gehen wir wieder zum Italiener?“ Da waren wir an meinem elften Geburtstag gewesen und ich wollte da schon immer mal wieder hin. Mama schien von der Idee ganz begeistert zu sein und so war es beschlossen.


10.


Ich ging noch schnell duschen und machte mich fertig. Auf das essen mit meiner Mam freute ich mich riesig!
Als ich mich endlich fertig gemacht hatte lief ich die Treppen herunter und zog mir meine Jacke an. Mama erwartete mich schon.
„Na, können wir los?“ Auch sie schien voller Vorfreude zu sein.
„Klar“ sagte ich unternehmungslustig und wir machten uns auf den Weg.
Als wir angekommen waren setzten wir uns wieder genau auf den Platz, wo wir auch damals saßen. Der Kellner kam und wir bestellten.
„Möchtest du nicht bald mal wieder in die Schule gehen? Deine Freunde vermissen dich bestimmt schon.“ Mein Magen zog sich zusammen. Ja, es hörte sich toll an, meine alten Freunde wiederzusehen und einfach mein Leben weiterzuleben. Wenn ich es nur könnte!
„Im Moment noch nicht, aber vielleicht bald wieder. Ich möchte mich jetzt noch nicht auf einen Tag festlegen. Und außerdem, was ist denn jetzt mit dir und Papa? Wenn ihr euch trennt, ist es doch gar nicht sicher, dass ich noch au die gleiche Schule gehen kann wie jetzt. Und wenn wir noch nicht einmal in der gleichen Stadt bleiben? Mama, ich will nicht umziehen!“ Ich bemerkte, wie meiner Mutter Tränen in die Augen stiegen und ich bereute es sofort, dass Thema mit Papa erwähnt zu haben.
„Ist schon gut Mama, es tut mir leid. Wir machen uns einfach einen netten Abend, okay?“
„Es brauch dir nicht leid zu tun. Für dich ist das alles ja auch nicht gerade leicht. Wir lassen das Thema am besten.“ Unsere Bestellung kam und wir fingen schweigend an zu essen.
Ich ließ meinen Blick im Restaurant umherschweifen. Es sah fast alles noch genauso aus wie früher. Die schönen Bilder mit Engeln darauf an den Wänden, die vielen Kerzen... Es war, als sei ich wieder in meine Kindheit zurückversetzt worden.
Plötzlich sah ich einen Mann an der Theke stehen, der genau so aus sah wie Papa!
„Ähm Mama, ich muss mal eben auf die Toilette.“ Sie guckte zwar ein wenig verwundert, aber ließ mich gehen. Als ich an der Theke vorbeiging, versuchte ich einen Blick auf das Gesicht des Mannes zu erhaschen, aber er war zu weit weggedreht als das ich sein Gesicht hätte sehen können.
Ich bemerkte, wie mich meine Mutter ein wenig komisch anguckte und ging schnell auf die Toilette. Das mit dem Mann hatte ich mir bestimmt nur eingebildet. Was sollte Papa auch hier machen? Er hatte diese Pizzeria noch nie gemocht. Komisch fand ich es trotzdem.
Als ich wieder an den Tisch kam, hatte Mama schon fast aufgegessen.
„Wo warst du denn so lange? Die Pizza ist bestimmt schon kalt!“
Sie hatte Recht; Als ich in die Pizza biss war sie fast nicht mehr warm.
„Tut mir echt Leid. Ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen.“ Plötzlich sah sie mich beunruhigt an. „Was hast du gesehen?“
„Ach, nichts bestimmtes. Ist ja jetzt auch egal.“
Den Rest des Abends guckte sie mich immer wieder ein wenig forschend von der Seite an. Ich fragte mich, was sie wohl hatte, aber nach einiger Zeit dachte ich gar nicht mehr daran. Alles in allem wurde der Abend echt schön. So etwas hatte ich jetzt genau gebraucht. Nach etwa einer Stunde machten wir uns auf den Heimweg. Es wurde langsam dunkel, aber die Straße war hell erleuchtet.


11.


Wir stiegen ins Auto und fuhren los. Die Straße war sehr doll befahren und ich bemerkte, wie sehr meine Mutter mühe hatte, sich durch die Parkenden und fahrenden Autos hindurchzuschlängeln. Endlich waren wir auf einer weniger befahrenden Straße.
Zuhause angekommen fiel mir gleich auf, dass in unserer Küche licht brannte.
,,Hey Mama, du hast vergessen, dass Licht in der Küche auszuschalten." Sie guckte mich verwundert an. ,,Nein, dass habe ich ganz sicher nicht vergessen. Vielleicht ist dein Vater ja wieder da!" Sagte sie mit einem Leuchten in den Augen. Ich fand es schön, dass sie sich so sehr freuen würde, wenn er wieder da wäre, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht da war. Aber ich wollte nicht, dass sich meine Eltern scheiden ließen. Warum wollten sie sich wegen so einem kleinen Streit denn trennen? Papa konnte doch das Haus einfach wieder verkaufen, oder einfach als Ferienhaus behalten. Das sagte ich auch meiner Mutter, aber sie schüttelte nur traurig den Kopf.
,,Nein, dass kann er nicht. Verkaufen lässt es sich nicht und es ist noch zu unrenoviert, um es als Ferienhaus zu nehmen. Das würde nur unnötiges Geld verschwenden." Sie schloss die Tür auf und ich wusste, das dass Thema damit erstmal beendet war.
Wir traten ein und Mama und ich suchten alle Zimmer ab, doch er war nicht da. Staddessen waren alle Klamotten, Möbel und so weiter aus seinem Zimmer verschwunden. Ich hatte geahnt, das so etwas passieren würde. Aber wieso passierte das uns und nicht irgenteiner anderen Familie? Warum starb ausgerechnet meine Beste Freundin und nicht die, eines anderem Mädchens?
Sekunden, nachdem ich es gedacht hatte, bereute ich es auch schon. Nein, ich wollte niemand anderem das wünschen, was mir passiert war.
Ich nahm meine Mutter in den Arm und ließ sie dann allein. Natürlich musste ich mich jetzt entscheiden, zu wem ich ziehen sollte.
Aber das wollte ich nicht. Das einzige, was ich mir für mein Leben wünschte, ist, das ich wieder normal leben kann. An einem normalen Ort, mit einer normalen Familie, normalen Freunden.
Morgen musste ich wissen, wohin ich ziehen wollte. Papa war anscheinend schon weg, das hieß, er würde nur noch einmal zu mir kommen um mich abzuholen. Entweder, ich zog zu ihm, oder ich sah ihn nie wieder. Das war mir klar, auch, wenn mir das niemand gesagt hatte. Ich verstand nicht, warum jeder Mensch so viele Entscheidungen fällen musste. Das Leben wäre viel einfacher, wenn einfach alles klar wäre. Über diesen Gedanken schlief ich ein.


12.


Am nächsten Morgen wurde ich durch ein schnurren geweckt. Meine Katze sprang auf mein Bett und kuschelte sich zu mir.
,,Na, meine Süße? Weißt du eigentlich, wie leicht du es hast? Du kannst den ganzen Tag nur schlafen und essen. Manchmal kuschelst oder spielst du. Aber du musst nie in die Schule oder irgentetwas entscheiden. Du hast es so gut."
Die Katze guckte mich fragend an. Ich seufzte, zog mich an und ging hinunter um meiner Mutter meine Entscheidung mitzuteilen.
Ich sah sie am Frühstückstisch sitzen. Ich sah sofort, dass sie geweint hatte.
,,Guten Morgen, Mama. Ich glaube, ich hab mich entschieden."
,,Sag nichts mein Schatz. Ich weiß schon, wie du dich entschieden hast. Und es ist okay. Ich verstehe das. Du kannst dort, wo dein Vater ist ein neues Leben anfangen. Das wird sicher toll."
Ich sah ihr so sehr an, dass sie kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen und sofort tat mir meine Entscheidung wieder leid. Aber ich musste es tun, ich konnte hier einfach nicht mehr weiterleben. Ich wollte neu beginnen, ein ganz neues Leben anfangen. Und das konnte ich am besten, wenn ich soweit wie möglich von diesem Ort wegging.
Zwei Stunden später fuhr mein Dad mit seinem Auto vor. Ich hatte ihn gebeten, mir das Haus bevor ih bei ihm einzog noch einmal zu zeigen. Das mit der Schule war schon geklärt. Ich würde nur Zehn Minuten mit dem Fahrrad brauchen.
Die Möbel ließen wir noch hier, weil ich ja noch einmal wiederkommen würde, um meiner Mutter Tschüss zu sagen. Es tat mir wirklich so sehr leid, dass ich wünschte, ich könnte bei ihr bleiben. Aber das konnte ich nicht.
Ich umarmte meine Mutter und stieg in das Auto ein.
,,Na, freust du dich schon auf dein neues Zuhause?" Er sah mich von der Seite an und fuhr los.
,,Ich weiß nicht. Wir leben jetzt schon so lange hier und ich weiß einfach nicht, wie es mir dort gefällt. Was ist, wenn die Schule nicht gut ist und es mir dort insgesamt nicht gefällt? Was soll ich dann machen? Ich kann dann doch nicht einfach zurückziehen aber dableiben kann ich dann auch nicht."
,,Gehen wir mal nicht vom schlimmsten aus, okay? Und wenn es dir wirklich überhaupt nicht gefallen sollte, sagst du mir einfach bescheid, einverstanden?" Ich musste lächeln. Auch in den schlimmsten Situationen schaffte er es, mich aufzumuntern.
,,Einverstanden."
Von dem Rest der Autofahrt bekam ich nicht mehr viel mit da ich sehr bald eingeschlafen war.


13.


Ich wurde von einem lauten Hupen geweckt.
,,Sind wir schon da?" fragte ich verschlafen.
,,Fast, in etwa 10 Minuten. Du hast fast die ganze Autofahrt verschlafen. Wenn du möchtest können wir dort übernachten, damit du einen kleinen Eindruck von der Umgebung bekommst. Wenn du nicht möchtest, ist das natürlich auch verständlich.“
Ich fand es zwar ein bisschen gemein, Mama Zuhause alleine zu lassen, aber ich hoffte, dass sie es nicht so schwer nahm.
,,Ja, ist okay. Gibt es hier in der nähe eigentlich irgentetwas wo man weggehen könnte, oder so?" Ich hatte nicht viel Hoffnung darauf, dass es hier etwas anderes als öde Landschaft geben könnte, nachdem ich aus dem Fenster geguckt hatte. Nichts als Wiesen, Felder, Bäume und ein weites nichts. Mein verdacht bestätigte sich mit der Antwort meines Vaters.
,,Wie gesagt, zur Schule brauchst du nur Zehn Minuten mit dem Fahrrad." Versuchte er die Antwort ein wenig zu umschreiben.
Doch so leicht machte ich es ihm nicht.
,,Und zum Beispiel einen Jugendtreff, ein Caffe, oder etwas ähnliches?"
,,Ich glaube eher nicht, tut mir Leid. In die Stadt braucht man etwa eine Halbe Stunde mit dem Auto."
,,Oh, dass ist aber ziemlich lange..."
,,Ich weiß, tut mir leid. Aber es gibt in unserer nähe einen kleinen Kiosk oder so etwas ähnliches."
,,Und wenn ich mal mit Freunden etwas unternehmen möchte?“
,,Dann fahre ich dich und deine Freunde in die Stadt das ist doch selbstversändlich.“
Ich war erleichtert das es immerhin eine Möglichkeit gab, einmal hier wegzukommen.
,,Danke, dass wäre echt nett. Sind wir bald da?“
,,Ja, wir sind gleich da, noch ungefähr eine Minute. Tut mir echt Leid, dass Haus ist ein wenig
außerhalb, dass ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es niemand kaufen möchte.“
Sein Gesicht hellte sich auf.
,,Siehst du das große Haus dahinten, am ende der Straße? Das ist es!“
Ich sah es und es war wirklich riesig. Es war ein Retdachhaus, mit einem sehr großem Garten.
Auf dem ersten Blick gefiel es mir sehr, ich fragte mich nur, ob es nicht für nur zwei Personen
ein wenig zu groß war.
,,Papa, ist das nicht ein wenig groß, nur für uns beide?“ Er fuhr durch eine große Pforte.
,,Den Gedanken hatte ich auch schon, aber das ist doch genau das richtige für uns beide. Du
magst es doch gerne, ein bisschen mehr Platz zu haben, oder?“
,,Ja schon. Naja, ich guck es mir erst einmal von innen an. Wie viele Zimmer hat es denn?“
Papa parkte ein und stieg aus.
,,Ich glaube Fünf. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher. Aber wir werden auf jedenfall ein bis
zwei Zimmer übrig haben. Du wolltest doch schon immer mal ein Ankleideidezimmer soweit
ich mich erinnern kann, oder?“
Das stimmte. Ich hatte mir schon immer so ein Zimmer gewünscht.
,,Ja, das wäre toll.“
Ich stieg auch aus und wir betraten gemeinsam das Haus. Von innen sah es noch größer aus
als von innen.
,,Wow, Dad, dass ist ja riesig!“
Und es war nicht nur groß, sondern echt schön. Es sah ein wenig altmodisch aus, aber daran
würde ich mich bestimmt im laufe der Zeit gewöhnen. Alle Möbel waren Braun oder
Schwarz. Der Boden war zwar aus Stein, aber es lagen gemütliche Fell Teppiche darauf.
,,Soll ich dir dein Zimmer zeigen? Ich habe es schon eingerichtet, aber wenn es dir nicht
gefällt, kannst du gerne noch Möbel umstellen, oder wir gehen noch neue kaufen.“
,,Ja gerne, aber ich glaube nicht, dass ich noch etwas umstellen werde, ich mag deinen
Geschmack eigentlich ganz gerne.“ Er grinste.
,,Gut, dann komm.“
Wir gingen eine Treppe hinauf. Oben waren viele Türen, doch er führte mich zu dem
Zimmer am ende des Ganges.
,,Bist du bereit?“ Ich musste lächeln.
,,Mehr als bereit!“


14.


Er öffnete die Zimmertür. Im ersten Moment war ich zu überwältigt, um nur auch nur
ein Wort herauszubekommen. Das komplette Zimmer war ein Traum. An den
Fenstern hingen violette Gardinen, ein Doppelbett stand auf der linken Seite des
Zimmers. Der Kleiderschrank war riesig, genau wie auch das Zimmer und eigentlich
alles aus diesem Haus. Das Zimmer gefiel mir sehr viel mehr als mein altes und
mein altes Zimmer konnte man nicht sehr leicht übertreffen, denn ich liebte es. Es
waren so viele Sachen aus meiner Kindheit noch da gewesen, ich hatte mir zu
oft und gerne die alten Bilder von Zoe und mir angesehen.
,,Papa, dass ist superschön geworden, vielen, vielen dank.
Er sah ein wenig verlegen aus. Papa konnte es nicht so wirklich ab, wenn man sich so
überschwänglich bedankte. Das konnte ich verstehen, da kam ich ganz nach ihm.
,,Kein Problem. Es hat ja nicht allzu lange gedauert und ich möchte natürlich auch,
dass du dich hier wohl fühlst und nicht immer das Gefühl haben musst, hier fehlt dir
etwas. Ich möchte, das dass hier dein Zuhause wird und das du dich hier sehr schnell
einleben wirst hoffe ich auch. Du wirst bestimmt schnell viele Freundinnen finden.“
Das waren zwar alles genau die Worte, die von den Eltern immer gesagt wurden, wenn
man umzog, aber es tat trotzdem gut, sie zu hören.
,,Nochmal vielen Dank.“
,,Möchtest du vielleicht ein wenig alleine sein? Ich könnte dir in der Zeit während du
dich umsiehst etwas zu Essen machen, wäre das in Ordnung?“
,,Ja, klar, ich sehe mich ein bisschen um und du sagst dann bescheid, wenn ich zum
Essen runterkommen soll, okay?“
,,Okay, dann rufe ich dich in etwa einer halben Stunde.“
Er zog leise dir Zimmertür hinter sich zu.
Ich sah mich etwas genauer um und entdeckte eine Pinnwand. Das war sehr gut, da
konnte ich meine alten Fotos aufhängen.
Ich nahm mein Handy heraus und rief Mutter an.
Sie nahm erst nach dem achten Klingeln ab und klang ziemlich verschlafen.
,,Oh, Mama, habe ich dich geweckt?“
,,Ja, aber das ist nicht so schlimm. Seid ihr schon da? Und wenn ja, wie ist das Haus?“
,,Ja, wir sind vor etwa einer halben Stunde angekommen. Das Haus ist riesig und mein
Zimmer gefällt mir sehr.“
,,Das freut mich zu hören. Und sonst ist auch alles okay bei euch? Freust du dich
schon auf die Schule?“,,Ja, Papa macht mir gerade etwas zu Essen. Naja, es geht. Ich mag Schulwechsel
nicht wirklich. Aber du müsstest das Haus sehen. Es würde dir hier gefallen.“
,,Das glaube ich dir, aber es ist denke ich besser so. Ich freue mich auf Morgen.
Du kommst doch trotzdem noch einmal her, um dich richtig zu verabschieden, oder?“
,,Na klar. Hast du denn Morgen frei?“
,,Ja, ich habe mir extra den Tag frei genommen, damit wir am letzten Tag etwas
unternehmen können. So lange kannst du doch noch hierbleiben, oder musst du
deine Möbel holen und dann sofort wieder zurück?“
,,Nein, ich denke wir werden noch etwas Zeit haben, ich muss Papa nochmal fragen,
okay?“
,,Okay, gut, ich freu mich. Bis Morgen meine Süße. Und schlaf schön.“
,,Danke, du auch Mama.“Ich legte auf und warf das Handy auf mein neues Bett.
In dem Moment kam Papa in mein Zimmer.
,,Das Essen ist fertig, möchtest du kommen, oder es hier essen?“
Eigentlich hatte ich keine große Lust, unten zu essen, aber da es das erste essen in
unserem neuem Haus war, wollte ich mit ihm zusammen essen.
,,Ich komme schon. Isst du denn mit?“
,,Ja, ich habe Heute fast den ganzen Tag noch nichts gegessen. Es gibt Nudelauflauf,
den magst du doch so gerne, oder?“
Mein Dad kochte sehr gerne und was das beste war, auch noch sehr gut. Ich fragte
mich, wie meine Mutter ohne ihn zurechtkommen sollte, da sie nicht wirklich gut
kochte. In unserer Familie war eigentlich alles umgekehrt gewesen. Papa hatte immer
gekocht, sich um mich gekümmert, dass Haus sauber gehalten, während Mama fast
immer arbeiten war und nie besonders viel Zeit mit mir verbrachte. Deshalb konnte ich
mir auch kein Leben mehr ohne meinen Dad vorstellen, denn es war mir sehr wichtig,
jemanden in der Familie zu haben, der sich um mich kümmerte, wenn ich Probleme
hatte auch zuhörte und es nicht immer als unwichtig abschob.
,,Ja, ich liebe deinen Nudelauflauf. Ich komme sofort.“
Er verließ das Zimmer. Ich stellte mein Handy aus und verließ das Zimmer ebenfalls.


15.


Nach dem Essen zeigte mir mein Vater das Haus. Das Badezimmer, dass Esszimmer,
dass Wohnzimmer, der Garten und überhaupt alles an diesem Haus war Wunderschön.
Groß, aber trotzdem gemütlich. Als der Rundgang durch das Haus beendet war, ging
ich wieder in mein Zimmer und ruhte mich ein wenig aus. Um meine Sachen
auszupacken war ich noch zu faul. Ich legte mich mit einem guten Buch in mein Bett
und las ein paar Seiten, aber ich war wohl sehr müde und schlief schon nach den ersten
Fünf Seiten ein.
Ich schlief den ganzen restlichen Tag und die ganze Nacht bis 11 Uhr Vormittags.
Ich wurde mit einem leckeren Frühstück am Bett von meinem Vater geweckt.
,,Hast du denn gut in deinem neuen Bett geschlafen?“
,,Ja, danke, sehr gut. Wann müssen wir denn los?“
Er überlegte ein bisschen. ,,Ich denke, nachdem du aufgegessen hast, solltest du dich
so langsam fertig machen und dann fahren wir auch bald los. Deine Mutter freut
sich sicher schon sehr auf dich. Willst du deine Sachen holen und dann sofort
wieder zurück, oder hat deine Mutter noch etwas was ihr machen könnt geplant?“
Ich musste an das Gespräch Gestern mit meiner Mutter denken.
,,Sie wollte noch etwas mit mir Essen gehen, wenn das okay für dich ist.“
,,Mhm, ja, ich denke das geht, ich wollte sowieso noch ein paar Sachen aus meinem
alten Büro holen. Dann ruf einfach an, wenn ihr fertig seit, und ich hole dich dann ab,
okay?“
,,Klingt gut. Ich mach mich dann fertig.“
,,Ist gut, dann sehen wir uns gleich unten.“
Er verließ das Zimmer. Ich stellte das Glaß und den Teller auf den kleinen Nachtisch,
der neben meinem Bett stand und zog mich an. Dann packte ich noch ein paar
Kleinigkeiten in meine Handtasche und lief nach unten, wo mein Vater schon im Auto
wartete. Ich stieg ins Auto und wir fuhren los.
,,In drei Tagen fängt die Schule an. Bist du aufgeregt?“
Klar war ich aufgeregt, sehr sogar, aber das sagte ich ihm nicht.
,,Es geht eigentlich, ist ja nur eine neue Schule, ich werde in die neue Klasse bestimmt
super hineinpassen!“ antwortete ich mit leichtem Sarkasmus in der Stimme.
,,Ja, dass denke ich auch. Gut, dass du dir nicht allzu viele Sorgen machst, viele
Mädchen in deinem Alter würden sich nicht so erwachsen benehmen.“
Das Papa keinen Sarkasmus verstand hatte ich ja schon immer gewusst, aber nicht,
dass er es GARNICHT verstand!
Inzwischen waren wir auf der Autobahn und schwiegen uns an.
Ich versuchte, ein wenig zu schlafen aber dann stellte Papa das Radio an und es lief ausgerechnet Klassik!
Aber was Radiosender anging ließ Papa sich nie umstimmen. Das war schon immer so gewesen und das würde auch immer so sein.
Bald hatte ich die Autofahrt gut überstanden und meine Mom schloss mich so fest in die Arme, als hätte sie mich mindestens Drei Jahre
nicht mehr gesehen!
,,War die Autofahrt gut? Bist du noch Müde? Hast du großen Hunger?" Sie sah ziemlich besorgt aus und ich fragte mich, ob ich wohhl
sehr fertig aus sah.
,,Mama, mir geht es gut, wirklich. Aber ein bisschen hunger habe ich wirklich."
Ich verabschiedete mich von Dad und machte mich mit meiner Mutter auf den Weg zu einer Eisdiele, die neu eröffnet hatte und die (Wenn man Mama fragte) das beste Eis der ganzen Stadt hatte!
Wir setzten uns nach draußen. Es war das perfekte Wetter und ich freute mich wirklich sehr, wieder einmal etwas mit Mama zusammen
zu machen. Wir redeten viel und erst jetzt merkte ich, wie ich es die ganze Zeit vermisst hatte, mit ihr über solche Dinge wie Jungs, Schule und andere Probleme zu reden. Zwar hatten wir letztens als wir Pizza essen waren auch geredet, aber nicht über solche Sachen.
Ich vermisste sie jetzt schon und ich sah, dass es ihr genauso ging.
,,Aber du kommst mich doch in den nächsten Ferien und an den Wochenenden besuchen, oder?"
Ich sah die Angst in ihrem Gesicht. Oder war es doch keine Angst...Nein, es war viel mehr Unsicherheit. Erst jetzt viel mir auf, dass sie
sich sehr viel Sorgen um mich machte, ob es mir gut ging, ob sie alles richtig machte. Klar, wir hatten uns nicht immer gut verstanden,
aber im Moment verstanden wir uns sehr gut und ich redete gerne mit ihr. Und ich merkte, dass es ihr genauso ging.
Schon viel zu schnell waren die Vier Stunden die wir zur Verfügung hatten, um.
Papa holte mich ab, er hatte schon alle Sachen von mir aus dem Haus ins Auto transportiert und er war abfahrbereit.
Ich umarmte meine Mutter und wollte gehen, aber dann merkte ich, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen und ging
noch einmal zurück, um ihr noch einen Kuss zu geben.
,,Aber Mom, du brauchst doch nicht weinen. Ich komme dich schon nächstes Wochenende wieder besuchen und dann erzähle ich dir,
wie es in der Schule gelaufen ist, okay? Vielleicht sind in meiner Klasse ja auch ein paar Süße Jungs..." Ich versuchte, sie zum lächeln zu bringen. Mit Erfolg. Ihre Wimperntusche war ganz verschmiert und ich gab ihr schnell ein Taschentuch.
,,Ich weiß. Es ist nur...Ach, ich weiß auch nicht, vermutlich bin ich nur eine Heulsuse." Sie lächelte, schnäuzte sich noch einmal,
umarmte mich zum letzten Mal und ich stieg in das Auto und wir fuhren los.
Zuhause angekommen, packte ich erst einmal alle meine Sachen aus, räumte Klamotten in meinen neuen Kleiderschrank und die
Bücher in das Bücherregal. Danach legte ich mich schlafen.


16.


Der nächste Tag verging schnell, wir machten einkäufe, gingen spazieren und ich packte meine restlichen Sachen aus.
Schon viel zu schnell wurde es wieder Abend und nun bekam ich doch ein wenig Panik wegen Morgen.
Ich war schon ziemlich lange nicht mehr in der Schule gewesen, sodass ich ein Jahr wiederholen musste.
Das an sich fand ich nicht so schlimm, nur hatte ich Angst, dass alle mir Fragen stellen würde, warum ich hier her gezogen war, warum
ich das Jahr wiederholen musste...
,,Papa, meinst du, ich werde meine neue Klasse mögen?" Er lächelte mich aufmunternd an.
,,Ganz bestimmt. Du findest dich doch auch sonst schnell ein, du findest mit Sicherheit schnell neue Freunde."
Er war mein Vater, er MUSSTE das sagen. Trotzdem tat es gut, es zu hören.
Wir aßen Nudeln und ich machte mich Bettfertig. Als ich fertig war, kam mein Vater noch einmal in mein Zimmer.
,,Das wird schon, mach dir keine Sorgen. Und schlaf gut."
Er gab mir einen Kuss und ging.
Ich nahm mein Handy herraus und guckte, ob ich eine Nachricht hatte, oder irgentjemand angerufen hatte. Nein, seit meiner letzten
Freundin hatte sich niemand mehr gemeldet. Das konnte man ihnen aber auch nicht verübeln. Ich war, ohne ein Wort zu sagen einfach
gegangen!
Ich war total ausgepowert nachdem ich 3 Stunden mit Papa spazieren gegangen bin, weil er mir unbedingt noch den Rest von der
schönen Landschaft zeigen wollte.
Ich ging nur noch kurz nach unten um mir einen Jogurt zu nehmen, als ich zufällig mitbekam das Papa mit jemanden telefonierte.
,,Nein, ich denke wirklich das sie sich schnell einleben wird. Jaja, dass habe ich schon alles gemacht. Sie sagt, sie Gegend gefällt ihr.
Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen machst, aber das brauchst du wirklich nicht. Ich passe schon auf sie auf, ihr wird es hier gut
gefallen. Gut, dann haben wir ja alles geklärt."
Er sprach mit Mama über mich, dass merkte ich an der Art, wie er mit ihr redete.
Ich bemerkte, dass sich ihr Gespräch langsam dem Ende zuneigte, nahm mir schnell einen Jogurt und verschwand nach oben.
Kurz darauf kam mein Vater in mein Zimmer.
,,Geht es dir gut?" Fragte er mich besorgt. Ich sah wahrscheinlich ziemlich blass aus, denn ich hatte mehr Angst vor dem
morgigen Schultag als ich zugeben wollte.
,,Ja, mir geht es gut, ich bin nur ein wenig erschöpft. Ich möchte dann auch schlafen. Ich habe mir einen Wecker auf 7 Uhr gestellt,
das heißt, du musst mich nicht wecken." In der neuen Schule begann der Unterricht jeden Tag erst um halb 9, und da ich nur 10
Minuten zu Fuß zur Schule brauchte, musste ich nicht wie früher um halb 6 aufstehen.
,,Das ist gut. Ich muss aber leider schon um halb 8 los zur Arbeit. Frühstück kannst du dir doch selber machen, oder?"
,,Klar, kein Problem.
,,Gut. Ich gehe dann auch schlafen. Träum schön."
Ich kuschelte mich in mein Bett und hörte dem Regen zu, der gegen die Fensterscheiben tropfte.
Ich liebte das neue Haus, es war so gemütlich, trotz der größe.
Schon bald schlief ich ein, aber es war die erste Nacht, wo ich nicht gut schlafen konnte. Dauernd wachte ich auf, hatte Albträume wegen Zoe. Immer wieder den gleichen Traum. Ich konnte einfach nicht so tun, als wäre mein Leben wieder normal. Ich vermisste sie so sehr, sie war wie meine Schwester gewesen.
Ich nahm die Fotos von ihr aus einem meiner Umzugskartons und sah sie an. Sie hatte so glücklich ausgesehen. Warum war genau ihr da passiert? Sie wurde von so vielen Menschen geliebt, sie war einer der klügsten, nettesten und aufrichtigsten Menschen die ich gekannt hatte. Wir konnten zusammen lachen, weinen, glücklich und traurig sein. Wir hatten alles zusammen unternommen, sie war immer für mich da. Doch jetzt hatte ich niemanden mehr, mit dem ich reden konnte.
Niemand schien mich zu verstehen.
Und jetzt musste ich in eine neue Klasse, alle würden mich fragen was los war und ich würde meine Geschichte immer und immer wieder erzählen müssen. Ich wollte das alles nicht. Ich wollte nicht, dass jeder bescheid wusste, ich wollte den Mitleid von meinen Mitschülern und Lehrern nicht.
Ich wollte einfach nur hier bleiben, mich unter meine Bettdecke kuscheln und weinen.
Ich war ansonsten nicht der Typ, der sich verkroch, aber mir ging es so schlecht. Ich vermisste mein altes Leben so sehr.
Ich verstand alles nicht.
Mir wurde immer wieder gesagt, dass Zoe einen Fahrradunfall hatte aber ich konnte es nicht glauben. Sie war soweit ich weiß nie mit dem Fahrrad gefahren, besaß noch nichtmal eins. Und ihre Leiche war auch nicht gefunden worden.
Über meinen Gedanken und weinend schlief ich wieder ein, nicht bereit, für den Morgigen Tag


17.


Mein Wecker klingelte viel zu früh. Mein erster Gedanke war krank stellen und wieder ins Bett kuscheln. Aber das ging an meinem
ersten Schultag natürlich nicht. Also stand ich mühsam auf. Als ich in den Spiegel sah erschrak ich. Ich hatte sehr große Augenringe
und sah auch sonst sehr fertig aus. Mein Gesicht hatte rote Flecken und abdrücke von meinem Kissen.
Ich sah verweint aus.
So konnte ich unmöglich in die Schule gehen. Ich duschte und versuchte die Augenringe und die Flecken mit Makeup zu verdecken.
Es klappte so einigermaßen. Dann nahm ich ein Foto von Zoe und legte es zu dem Collegeblock und den Stiften in meine Schultasche.
Vielleicht half das Bild als Glücksbringer. Ich war auf dem Bild auch mit drauf, das Bild wurde in Spanien aufgenommen, als wir gemeinsam im Urlaub mit meiner Familie waren. Wir saßen am Strand und ich hatte einen höllischen Sonnenbrand im Gesicht.
Es war eine schöne Erinnerung.
Ich guckte auf die Uhr. Viertel vor 8. Unten im Kühlschrank fand ich Jogurt. Dann zog ich meine Schuhe und meine Jacke an und
ging los. Ich würde zwar viel zu früh da sein aber das machte nichts. Besser, als viel zu spät.
Draußen war es noch nass vom Regen aber der Himmel zeigte keine einzige Wolke und es war auch entsprechend warm.
Es war wohl nur ein Schauer gewesen.
Papa hatte mir Gestern noch einmal genau den Schulweg erklärt, also würde ich mich nicht verlaufen. Zum Glück musste ich auch nicht
durch den Wald gehen, denn dazu hatte ich nicht die passenden Schuhe an.
Ich hatte mich schlicht angezogen, dass war wohl das beste.
Ich ging an einer Straße entlang und sah noch andere Kinder mit Taschen in die gleiche Richtung gehen wie ich.
Sie kannten sich alle, umarmten sich und freuten sich, sich nach 6 Wochen Ferien wieder zusehen. Dieser Anblick versetzte mir einen kleinen Stich. Ich war die einzige, die niemanden kennen würde. Ich war die ,,neue", die keine Freunde hatte und den ganzen Tag von den Mitschülern angestarrt werden würde.
Jetzt sah ich endlich die Schule. Es war ein typisches weißes Gebäude, ziemlich langweilig.
Aber so war das auf dem Land eben.
Ich ging ein paar Mädchen die ziemlich in meinem Alter aussahen hinterher.
Sie betraten einen Raum, auf dem in großer Schrift 9. Klasse draufstand. Ich wurde sowieso ziemlich früh eingeschult, sodass ich immer die jüngste in meiner Klasse gewesen war. Deshalb passte ich jetzt mit meinem Alter perfekt in die neue Klasse. Also war es garnicht so schlecht, dass ich sitzengeblieben war.
Ich betrat die Klasse und sofort richteten sich alle Blicke auf mich. Die meisten kicherten, ob über mich oder etwas anderes wusste ich nicht. Ich blieb einfach da stehen und merkte, wie ich langsam rot wurde.
Endlich betrat der Lehrer das Zimmer und als er mich erblickte, kam er sofort auf mich zu.
,,Du musst Laura sein. Herzlich wilkommen in unserer Klasse."
Er war mir von Anfang an sympathisch und ich freute mich, dass ich wenigstens einen netten Lehrer bekam.
,,Danke." Ich fragte mich, wo ich sitzen sollte. Die meisten Plätze waren schon besetzt, denn inzwischen waren fast alle da.
Sie saßen auf den Tischen und Stühlen, unterhielten sich, oder guckten mich misstrauisch an.
Der Lehrer schien meine Gedanken lesen zu können.
,,Dein Platz ist dort hinten. Setz dich doch einfach. Ich gebe dir dann die Hefte und alles was nötig ist."
,,Okay, danke." Ich war echt froh, dass ich hinten saß, denn dann konnten mich die anderen nicht so leicht angucken.
Aber da hatte ich falsch gedacht, denn sie bekamen es trotzdem irgentwie hin.
Da ich in meiner alten Schule ganz gut gewesen war, verstand ich hier alles, zumal wir die meisten Sachen schon in meiner alten Schule gehabt hatten.
Die ersten beiden Stunden gingen ziemlich ereignislos vorbei, da sich die anderen aus der Klasse
schon bald nicht mehr auf mich konzentrieren konnten.
In der ersten großen Pause setzte ich mich auf eine Bank und machte die Hausaufgaben, die wir aufbekommen hatten. Es schien, als würden mich die anderen aus der Klasse einfach übersehen.
Alle standen in Grüppchen auf dem Schulhof, unterhielten sich, lachten oder machten sonst etwas dergleichen.
Mich störte es, dass mich niemand beachtete, da ich früher immer sehr viele Freunde gehabt hatte.
Jetzt war ich allein und musste versuchen irgentwie gut damit klar zu kommen.
Ich wusste aber schon von Anfang an das dass nichts werden würde.
In dem Moment bereute ich es, hier her gezogen zu sein.
Aber ich konnte es nicht ändern, also musste ich versuchen das beste daraus zu machen, so schwer es mir auch fiel.
Irgentwie schaffte ich es, die Pause einigermaßen zu überstehen.
Ich guckte auf den Stundenplan und sah was ich als nächstes hatte.
Mathe. Na toll. Mein absolutes Hassfach.
Ich suchte den Raum und guckte mich um, als ich plötzlich mit einem Mädchen zusammenstieß.
Sie sah sehr nett aus, aber sie war mir bis jetzt noch nicht aufgefallen.
Als ich mit ihr zusammenstieß fielen ihre ganzen Hefte aus der nicht ganz zugemachten Tasche.
,,Oh, das tut mir leid. Ich suche nur einen Raum.“
Sie sagte im gleichen Moment ,,Tut mir echt leid, ich habs ein bisschen eilig.“
Wir mussten Grinsen.
,,Wo musst du denn hin? Vielleicht kann ich dir helfen.“
Ich guckte auf den Stundenplan.
,,Raum B. Da wo Mathe ist.“
,,Oh, ich habe auch Mathe. Wir können zusammen hingehen wenn du willst. Ich bin Nina.“
Sie gab mir die Hand. Ich fand sie auf Anhieb Symphatisch.
,,Ich bin Laura. Klar, gerne. Dann sollten wir uns wohl ein bisschen beeilen.“
Wir sammelten ihr Hefte auf und gingen schnell weiter.
Wir erreichten den Raum kurz bevor sich die Tür schloss.


18.


Als wir eintraten blickte uns schon ein Lehrer entgegen. Ich mochte ihn schon alleine wegen seinem Fach von Anfang an nicht, aber mir war sofort klar, dass ich bei ihm mit meinen miserablen Mathe kenntnissen keine Chance hatte, mich bei ihm ein bisschen beliebt zu machen.
Er war Rotgesichtig und sah auch sonst sehr agressiv aus. Sofort als wir eintraten machte er eine Bemerkung.
,,Gerade noch mal Glück gehabt, meine Damen. Das nächste Mal gibt es eine Extraaufgabe.“
Mein Verdacht bestätigte sich sofort.
,,Ach, und du bist dann die neue?“
,,Ähm ja, ich bin Laura.“ Er grinste mich spöttisch an.
,,Achso, LAURA bist du. Das ist aber schön. Setz dich.“ Er zeigte mir keinen Platz, wo ich mich hinsetzen sollte und da Nina sich schon hingesetzt hatte und mich herwinkte, setzte ich mich schnell zu ihr.
,,Sorry, ich hätte dich warnen sollen. Er ist schrecklich!“ Damit hatte sie zwar recht, aber ändern konnte es trotzdem niemand.
,,Nein, dass ist schon okay. Ich hatte schon schlimmere Lehrer.“
,,Das glaube ich dir nicht.“
,,Naja, okay, schlimmer bestimmt nicht, aber immerhin genauso schlimm!“
Sie grinste.
,,Ruhe dahinten, sonst setze ich euch auseinander!“ Rief der Lehrer (Ich wusste noch nicht einmal seinen Namen).
Von da an schrieben wir uns Zettel. Sie erzählte mir ein wenig von der Umgebung und der Schule hier und so bekamen wir heraus das wir praktisch nebeneinander wohnten.
Als die Stunde endlich zuende war (sie hatte sich extrem in die länge gezogen),
gingen wir zusammen zur nächsten Stunde. Wir hatten fast alle Stunden zusammen, was meinen Anfang hier an der Schule ziemlich erleichterte.
Was mich aber erschrak war, dass sie Zoe in einer bestimmten Art ähnelte.
Sie waren so unterschiedlich und doch so gleich. Aber vom aussehen waren sie extrem unterschiedlich. Nina hatte Blonde sehr lange Haare und Blaue Augen, Sommersprossen und sah sehr typisch Deutsch und sehr hübsch aus.
Zoe dagegen hatte dunkelbraune, fast schwarze Haare und grüne Augen. Vom aussehen glich ich eindeutig Zoe mehr, denn wir hatten die gleiche Augen-und Haarfarbe.
Als wir Schulschluss hatten, fand ich es fast schon ein wenig schade, denn es hatte mir spaß gemacht, mich mit Nina zu unterhalten. Die anderen Schüler hatten mich auch weiterhin nicht wirklich beachtet, obwohl Nina recht beliebt war. Aber sie war den ganzen Tag bei mir geblieben, dass sah ich als sehr gutes Zeichen.
Und von daher störte mich das verhalten der anderen auch nicht mehr, denn ich hatte ja schon eine echte Freundin gefunden. Das war die Hauptsache.
Worüber ich besonders froh war, war, dass mir niemand Fragen gestellt hatte, oder sonst etwas. Auch Nina nicht, obwohl ich mir sehr sicher war, dass alle hier bescheid wussten, denn der Ort war so klein, dass Neuigkeiten sehr schnell den Umlauf machten.
Ich hätte es ihr natürlich erzählt, wenn sie gefragt hätte, doch ich war trotzdem sehr froh, dass sie es nicht getan hatte. Wir hatten uns verabschiedet und ich war gerade auf den Weg zu dem Sauto meines Vaters der schon am Tor auf mich wartete, als mir jemand hinterherrief.
,,Warte.“ Ich guckte mich um und sah Nina winken. Ich lief noch einmal zu ihr.
,,Was ist?“
,,Könnte ich vielleicht Heute zu dir kommen? Meine Eltern sind den ganzen Tag nicht da und das könnte alleine ziemlich langweilig werden.“
Ich freute mich wirklich und war mir auch ziemlich sicher, dass Papa es erlauben würde.
,,ja, total gerne, ich muss nur noch einmal schnell meinen Vater fragen, wenn das okay ist. Komm doch schonmal mit zum Auto. Wir liefen schnell zu meinem wartenden Vater.
,,Dad, kann Nina Heute mit zu uns kommen?“ Nina gab ihm die Hand und stellte sich vor.
,,Mhm, also eigentlich wollte ich dich Heute in die Stadt mitnehmen, ansonsten wäre ich ja auch nicht mit dem Auto gekommen. Aber das ist schon okay, dass können wir ja verschieben. Dann steigt mal ein ihr beiden. Erzähl doch mal, wie dein erster Schultag verlaufen ist.“
Ich erzählte ihm im Auto von dem Mathelehrer, aber auch, dass es mir sonst sehr gut gefallen hatte.
Er setzte uns Zuhause ab und fuhr dann alleine in die Stadt. Ich fand es wirklich nett von ihm, dass er mir das sofort erlaubt hatte. Ich glaube, er hat sich sehr gefreut das ich am ersten Schultag gleich ein wenig anschluss gefunden hatte.
Ich schloss die Tür auf und wir traten ein.
,,Wow, dass ist ja ganz schön groß für nur zwei Personen.“ Nina sah sich staunend um.
Ich nickte und holte ihr etwas zu trinken.
,,Ja, aber mir gefällt es hier sehr. Willst du mein Zimmer sehen?“
Sie trank noch aus und folgte mir dann nach oben. Ich hatte zum Glück gerade Gestern noch aufgeräumt. Nina betrachtete die Fotos von Zoe und mir an der Wand.
,,War das deine beste Freundin?“ Ich hatte recht gehabt, jeder wusste bescheid. Als ich nicht sofort antwortete blickte sie mich erschrocken an.
,,Also, du musst auch nicht antworten, wenn du nicht willst, ich meine, wenn dir das Thema zu heftig ist und so..“ Ich ließ sie nicht ganz ausreden.
,,Nein, dass ist schon okay. Du bist die erste die Fragt. Ja, dass war sie.“ Es tat weh, von ihr in der Vergangenheit zu sprechen. Aber damit musste ich jetzt klarkommen und auch irgentwie versuchen, nicht zu weinen, denn jetzt war ich kurz davor. Ich erzählte ihr alles was passiert war, jedes Detail, von meinen Albträumen, meiner Angst, meinem Verdacht. Sie unterbrach mich kein einziges mal. Und es tat gut, endlich mit jemanden darüber zu reden, der einen nicht unterbrach oder Angst hatte, dass ich zu weinen anfangen würde. Als ich fertig war, weinte ich doch.
Nina sagte nichts, nahm mich einfach nur in den Arm. Das war viel besser und tröstender als irgentjemand der die ganze zeit nur ,,es tut mir so leid.“ sagte.
Nach einiger Zeit hörte ich auf zu weinen.
Wir schauten nach draußen und sahen, dass es angefangen hatte zu regnen. Und das im Sommer!
,,Warum muss es im Sommer regnen? Ich hasse regen!“ Sie sprach genau meine Gedanken aus.
Inzwischen sah ich wieder einigermaßen normal und nicht mehr so doll verheult aus.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, Musik zu hören, Chips zu essen und Fotos zu machen.
Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel Spaß gehabt.
Doch es wurde leider schon viel zu schnell Abend. Mein Vater würde bald wiederkommen und Nina musste bald nach Hause.
,,Musst du wirklich schon bald nach Hause? Kannst du nicht hier übernachten?“
Sie schien sich wirklich zu freuen. Ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, der sich so darüber freute, gefragt zu werden ob er hier übernachten darf.
,,Wäre das wirklich okay? Ja, also ich würde total gerne. Würde dein Vater das denn überhaupt erlauben?“ Ich überlegte. Ja, er würde sicher nicht sehr begeistert sein, aber er würde es erlauben. Da war ich sicher. Seit er und Mom sich getrennt hatte erlaubte er mir sehr viel mehr.
,,Ja, ich denke schon und er müsste auch bald kommen.“ In dem Moment hörte ich, wie unten jemand die Tür aufschloss.
,,Oh, ich glaube das ist er schon, dann können wir auch gleich fragen. Haben deine Eltern denn nichts dagegen?“
,,Ich denke nicht, ich frage noch mal. Darf ich euer Telefon benutzen?“ Ich gab ihr das Telefon und ging während sie anrief nach unten um meinen Vater zu begrüßen.
,,Hey. Wie war es in der Stadt?“ Er war ziemlich durchnässt vom Regen.
,,War ganz gut, außer das Wetter. Und bei euch?“ Ich half ihm, seine Einkäufe in den Kühlschrank einzuräumen.
,,Ja, war ziemlich gut. Aber ich hätte da eine kleine Bitte. Könnte Nina Heute vielleicht Heute hier übernachten? Ihre Eltern müssen immer ziemlich lange arbeiten und dann wäre es doch ganz gut, wenn sie in der Zeit und besonders bei dem Wetter nicht die ganze Zeit alleine Zuhause rumsitzt.
Hausaufgaben haben wir auch schon gemacht.“ Das war zwar gelogen, aber wir würden sie noch machen, also stimmte es ja wieder fast. Er überlegte eine Weile, aber da es bereits angefangen hatte zu Gewittern war es ziemlich sicher, dass er es erlauben würde.
,,Ja, wenn ihre Eltern es denn erlauben. Aber Morgen machen wir doch etwas zusammen, oder?“
Ich fand es echt total lieb von ihm, dass er auch gerne etwas mit mir zu zweit machen wollte, aber im Moment versuchte ich eher, mir hier ein paar Freundschaften aufzubauen.
,,Ja, können wir machen, wenn du willst. Ich gehe nach oben. Was essen wir eigentlich?“
,,Ich dachte, wir könnten etwas vom Chinesen kommen lassen, wenn du möchtest. Frag doch mal Nina, ob sie gerne Chinesisch ist.“
Ich lief nach oben und fragte Nina.
,,Hey. Haben es deine Eltern erlaubt? Mein Vater schon.“ Sie lächelte.
,,Ja, haben sie.“
,,Sehr gut. Magst du Chinesisch? Achso und falls mein Vater dich fragt, Hausaufgaben haben wir schon gemacht, okay?“ Sie grinste mir zu.
,,Klar mag ich. Okay, haben wir ja auch.“ Wir liefen lachend nach unten und hörten, dass mein Vater schon mit dem Chinesen telefonierte. Wir deckten schon einmal den Tisch und setzten uns dann hin. Bald darauf kam schon das Essen.
Mein Vater fragte Nina sehr aus, aber ihr schien das nicht sehr viel auszumachen, von daher fand ich es nicht schlimm. Nur als er anfing zu Fragen, was ihre Eltern denn arbeiteten unterbrach ich ihn, denn sie sah etwas nervös aus. ,,Papa, ist doch gut jetzt.“ Da fiel mir auf, dass ich ja auch garnicht wusste, was ihre Eltern arbeiteten, aber ich wollte sie jetzt nicht auch noch mit Fragen löchern, damit sie sich nicht unwohl bei uns fühlte.
Wir aßen von da an schweigend weiter. Es war ein wenig peinliche Stimmung und deshalb war ich ziemlich froh, als wir fertig waren und abräumten.
Als wir endlich wieder im Zimmer waren ließen wir uns erschöpft auf das Bett sinken.
,,Entschuldigung, mein Vater fragt gerne mal ein wenig viel.“
,,Kein Problem. Wollen wir jetzt Hausaufgaben machen? Dann haben wir es immerhin hinter uns.“
Wir setzten uns also schweren Herzens an die Hausaufgaben. Es stellte sich heraus, dass wir genau in den gegensätzlichen Fächern gut waren. War sie zum Beispiel in Englisch gut, war ich es in Spanisch, sie in Chemie, ich in Mathe. Das war gut, denn so konnten wir uns immer helfen.
So hatten wir die Hausaufgaben ziemlich schnell erledigt und machten uns schon einmal Bettfertig.
Das Wetter draußen beruhigte sich auch nicht wirklich, so das wir uns einfach ins Bett kuschelten, redeten und Musik hörten. Mein Vater war echt süß, er brachte uns Kekse und Chips ins Bett.
,,Okay, dann viel spaß noch und geht nicht so spät ins Bett, Morgen ist Schule.“ Er schaute auf die Uhr und verließ das Zimmer. Wir kuschelten uns noch tiefer in die Bettdecken und hörten dem Regen zu, wie er gegen die Fensterscheibe prasselte. Zwischendurch erhellte ein Blitz das Zimmer.
,,Kannst du bei dem Krach überhaupt schlafen?“ Fragte mich Nina.
,,Ja. Ich liebe Regen und Gewitter. Es beruhigt mich, ich kann so noch viel besser einschlafen. Und du?“
,,Ich mag den Regen auch, aber bei Gewittern bekomme ich Angst. Aber so lange ich dabei nicht draußen bin, geht es.“ Ich zog die Vorhänge zu und legte mich wieder ins Bett. Wir redeten nicht mehr lange und schon bald hörte ich Ninas gleichmäßiges Atmen. Ich blieb noch etwa eine Viertelstunde wach liegen und dachte nach. Doch diesmal war es nicht dieses Negative Nachdenken, mit dem ich sonst immer eingeschlafen war. Ich dachte positiv. Mit diesen positiven Gedanken viel ich in den Schlaf.
Es war das erste Mal seit langen, dass ich keine Albträume hatte.


19.


Am nächsten Morgen wurden wir von meinem Wecker geweckt. Ich guckte sofort aus dem Fenster.
Alle Straßen waren überschwemmt und überall lagen umgeschmissene Bäume auf den Straßen.
Häuser waren, soweit ich das sehen konnte, nicht verwüstet.
Nina stand inzwischen neben mir und guckte ein wenig geschockt. Wir liefen sofort nach unten zu meinem Vater. Er saß noch am Tisch, obwohl er eigentlich schon zu Arbeit losgegangen sein müsste. Er stand erleichtert auf als er uns kommen sah.
,,Da seid ihr ja. Habt ihr es schon gesehen? Alle Straßen und besonders die Wälder sind verwüstet, es hat sogar in einem kleinen Wald in der nähe einen Brand gegeben. Da keine Autos mehr dort lang fahren können fällt die Schule für etwa eine Woche aus.“
Wir stießen einen Freudenschrei aus! Kurz nach den Sommerferien noch sozusagen eine Woche Ferien! Auch, wenn es natürlich echt nicht gut war, dass hier alles überschwemmt war. Aber Papa hatte noch nicht ausgeredet.
,,Da deine Mutter dich noch gerne wiedersehen möchte, habe ich ihr Vorgeschlagen, dass du für diese Woche zu ihr fährst!“ Normalerweise hätte ich mich echt darüber gefreut, aber da ich ja jetzt schon eine neue Freundin gefunden hatte, war es natürlich ziemlich ungünstig genau jetzt wegzugehen. Aber mein Vater hatte immer noch nicht ausgeredet.
,,Aber deine Mutter hat gesagt, dass du Nina gerne mitnehmen kannst, natürlich nur, wenn sie will und Zeit hat.“ Wir beide guckten Nina fragend an.
,,Ja klar, also Lust hab ich und meine Eltern erlauben es bestimmt auch. Also eine ganze Woche?“ Sie schien sich ehrlich zu freuen, dass wiederum freute mich!
,,Ja, wenn du das mit deinen Eltern geklärt hast würde es Morgen losgehen. Aber es könnte ja auch sein, dass deine Eltern mich kennenlernen wollen, dann können wir auch erst Morgen Abend oder Übermorgen los, je nachdem...“
,,Nein, also meine Eltern haben ganz sicher kein Problem damit, wenn ich mitkomme, also ich werde natürlich erst noch fragen, aber sie haben im Moment furchtbar viel zu tun, also hätten sie wahrscheinlich sowieso keine Zeit zu einem Treffen.“ Mein Vater sah ein wenig erleichtert aus, denn ich wusste, dass ihm Treffen mit anderen Eltern und Lehrern nicht sehr gut lagen.
,,Gut, dann ruf sie am besten gleich an. Ich habe euch übrigens schon etwas zu Essen gemacht, ich muss ja auch nicht zur Arbeit.“ Wir liefen nach oben, zogen uns an und aßen etwas.
Danach ging Nina wieder nach oben, um ihre Eltern anzurufen.
Papa und ich räumten den Tisch ab und machten das Radio an. Es wurde über das schreckliche Unwetter berichtet und das es im Moment nur in unserem Ort und in unserer Umgebung so schlimm war. Das fast überall die Schule ausfiel, aber keine Häuser beschädigt wurden. Da fiel mir etwas ein.
,,Papa, wie soll ich denn überhaupt zu Mama kommen, wenn alle Straßen überschwemmt und gesperrt sind?“
,,Bis Morgen soll es sich schon wieder ein wenig beruhigt haben, aber zur Sicherheit soll niemand in die Schule gehen, denn falls dort etwas passiert sind die Lehrer verantwortlich. Naja, ist ja auch egal, auf jedenfall sind bis Morgen einige Straßen wieder frei und wir fahren einfach so, dass wir die überschwemmten Straßen umgehen.“ Nina war die Treppe heruntergekommen.
,,Sie erlauben es!“ Wir liefen sofort nach oben um unsere Sachen zu packen. Da Ninas Sachen ja alle bei ihr Zuhause waren und sie bis Morgen noch einmal hier schlafen würde gab ich ihr ein paar Klamotten von mir. Zum Glück hatten wir noch Ersatz Zahnbürsten hier, denn sonst hätten wir noch irgentwie in die Stadt fahren müssen, auch wenn das gerade so ziemlich unmöglich war.
Es hatte wieder angefangen zu regnen, aber der Sturm hatte sich etwas gelegt. Und sowas sollte Sommer sein!
Den Tag verbrachten wir damit ein paar Spiele mit meinem Vater zu spielen, dann waren wir noch ziemlich lange am PC und hörten Musik.
Dann hatten wir plötzlich Stromausfall! Wir spielten gerade ein Gesellschaftsspiel mit meinem Vater als plötzlich alle Lichter ausgehen. Dann war es erstmal still, doch dann bekamen alle Panik.
Nina und ich schrien ein wenig rum, mein Vater versuchte uns ein wenig zu beruhigen.
,,Alles ist gut, ich suche Kerzen und dann wird es wieder hell, wartet hier, ich gehe nach oben.
Er ging und Nina und ich waren allein. Und ja, ich hatte Angst. Ich hatte schon früher immer Angst vor der Dunkelheit gehabt und ich bemerkte wie Nina neben mir vor Angst zitterte.
,,Hey, du brauchst keine Angst haben, mein Vater holt schon Kerzen.“ Ich versuchte sie zu beruhigen obwohl ich selber Angst hatte. Es war stockdunkel im Zimmer und ich hoffte nur noch, dass mein Vater bald mit den Kerzen kommen würde.
Ich hörte eine Tür und war froh, dass er anscheinend wieder da war. Aber nachdem eine Tür zugeworfen wurde war alles still und mein Vater erschien auch nicht.
,,Ich habe wirklich Angst Laura!“
Ich konnte sie echt verstehen und weil wir schon ziemlich lange unbeweglich so gestanden hatten überlegte ich, was wir tun konnten.
,,Wollen wir sonst vielleicht einmal nachgucken gehen, wo mein Vater bleibt?“ Mir war nichts anderes eingefallen und vielleicht war das auch eine bessere Lösung als hier einfach die ganze Zeit nur tatenlos rumzustehen.
,,Nein bitte nicht. Er kommt doch bestimmt bald, oder?“
,,Ja, so lange kann das ja nicht dauern!“ Ich wusste nicht genau, wen ich hier eigentlich zu überzeugen versuchte, sie oder mich. Aber das war auf jedenfall besser als Panik zu schieben.
Nach ungefähr 10 Minuten (Die sich aber wie eine Stunde anfühlten) ging das Licht plötzlich wieder an. Von meinem Vater war zwar immer noch keine Spur zu sehen aber wir waren beide froh, das dass Licht wieder ging.
Wir liefen schnell nach oben, um nach meinem Vater zu gucken. In meinem Zimmer und im Wohnzimmer war nicht also liefen wir in sein Zimmer.
Dort lag er auf dem Bett. Er sah ziemlich blass aus und er bewegte sich nicht mehr. Wir riefen sofort den Krankenwagen und der traf dann auch ein paar Minuten später ein. Nina und ich waren beide total fertig und geschockt.
Im Krankenhaus sagte man uns, dass mein Vater anscheinend einen Schlaganfall gehabt hatte, auch wenn das für sein Alter sehr ungewöhnlich war. Es war wohl der schock gewesen, sagte uns eine nette Schwester und fragte, was in den letzten 10 Minuten passiert war.
Wir erzählten ihr von dem Stromausfall und sie sagte, dass er wohl einen kleinen Schock erlitten hatte, aber das es ihm bereits besser ging.
In der Kantine setzen Nina und ich uns hin und tranken einen Kakao.
,,Geht es dir gut?“ Fragte mich Nina.
,,Naja, es geht, ich bin selber noch ein bisschen geschockt, aber es ist gut, dass es ihm schon besser geht. Wie konnte das denn passieren?“
,,Das hat uns die Frau doch erklärt. Auch, wenn es ziemlich selten ist, auch ein kleiner Schock kann schon einen Schlaganfall hervorrufen.“ Ich verstand es trotzdem nicht. Mein Vater war sonst immer ein sehr ausgeglichener und fröhlicher Mensch gewesen. Ein Schlaganfall? Er war die letzte Person, bei der ich so etwas erwartet hätte.
,,Wollen wir nachschauen gehen, wie es ihm geht?“ Ich war sofort einverstanden und wir machten uns auf den Weg in sein Zimmer.
Eine Krankenschwester stand neben seinem Bett und gab ihm gerade eine Tablette. Er war schon wieder aufgewacht. Aber nur für kurze Zeit. Die Schwester hatte ihm Schlaftabletten gegeben, so das er die nächsten 12 Stunden schlafen würde. Sie erklärte uns, dass er sich wenn er aufwachte vielleicht nicht an alles erinnern können wird aber das es ihm sonst wieder vollständig gutgehen und er sich erholen würde. Ich war sehr froh darüber.
Der Chefarzt fragte uns, ob wir nicht Verwandte in der nähe hätten, die uns abholen könnten, damit wir die Nacht nicht in dem Krankenhaus verbringen müssen. Auch wenn Mama nicht wirklich in der nähe war wollte ich versuchen sie zu erreichen.
Der Arzt kam und gab mir ein Telefon und ich wählte die Nummer von meiner Mutter.
Sie ging nicht dran. Nina war inzwischen neben mich getreten.
,,Und, was ist?“
,,Sie geht nicht ans Telefon.“ Ich musste schlucken. Ich hatte wirklich keine Lust, die Nacht in einem Krankenhaus zu verbringen.
,,Ach, dass ist nicht so schlimm, dann versuchen wir es eben in einer Viertelstunde noch einmal, okay?“ Sie Versuchte, mich aufzumuntern und obwohl ich wirklich schrecklich angenervt, traurig und sauer war, schaffte sie es.
,,Mhm okay. Willst du noch einmal was trinken gehen?“ Ich hatte zwar keinen durst mehr aber vielleicht wollte sie ja noch einmal was trinken.
,,Eigentlich bin ich eher hungrig als durstig. Wollen wir nicht lieber was essen?“ Ich war ziemlich froh über diesen Vorschlag denn ich hatte selber sehr großen hunger.
,,Ja okay, ich habe auch hunger. Lass uns runter in die Kantine gehen.“ Wir sagten dem Arzt bescheid das wir nochmal was essen gehen würden und er gab uns sogar ein bisschen Geld damit wir uns noch eine Kleinigkeit als Nachtisch kaufen konnten.
Wir holten uns Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und Spinat, was besser schmeckte als man es von Krankenhausessen erwarten konnte. Danach kauften wir uns mit dem Restgeld noch einen Pudding und unser hunger war einigermaßen gestillt.
Wir gingen wieder nach oben, bedankten uns noch einmal für das Geld und versuchten wieder, meine Mutter zu erreichen.
Dieses Mal hatten wir Glück, sie ging schon nach dem 3. klingeln dran.
,,Hallo?“ Ich war sehr froh, endlich ihre Stimme zu hören.
,,Oh Hey Mama, gut das du endlich drangehst. Ich bin im Krankenhaus!“
,,Oh was ist denn passiert? Geht es dir gut?“
,,Mir schon nur Papa nicht so wirklich. Er hatte einen Schlaganfall!“ Stille. Sie antwortete nicht mehr.
,,Mama?“
,,Ja, ich meine Oh Gott was ist denn passiert?“ Ich erzählte ihr alles und auch das Nina bei mir war und fragte sie, ob sie uns nicht abholen könnte.
,,Oh natürlich, ihr könnt ja auch nicht die Nacht im Krankenhaus verbringen. Geht es deinem Vater jetzt eigentlich schon besser?“ Ich war so erleichtert das wir nicht hierbleiben mussten und auch Nina freute sich.
,,Ja, der Arzt hat gesagt, er ist zwischendurch aufgewacht, aber sie haben ihm gleich ein Schlafmittel gegeben und jetzt schläft er 24 Stunden durch.“
,,Oh, aber immerhin geht es ihm besser. Habt ihr denn schon etwas gegessen?“ Mir war noch so übel von dem Kantinenessen das ich sie überredete nichts für uns zu kochen. Wir verabredeten das sie in einer Stunde zum Krankenhaus kommen würde. Papa würde erst in mindestens Zwei Tagen das Krankenhaus verlassen dürfen.
Kaum hatte ich aufgelegt kam der Arzt rein.
,,Und habt ihr jemanden erreicht?“
,,Ja, meine Mutter holt uns in einer Stunde hier ab.“
,,Okay, sehr gut. Braucht ihr noch was zu essen oder so?“ lch konnte das Wort essen nicht mehr hören und hatte das Gefühl ich müsste mich jeden Augenblick übergeben.
,,Oh nein wir haben alles. Dürfen wir zu meinem Vater?“
,,Im Augenblick schläft er sowieso noch und sollte eigentlich nicht gestört werden. Aber ihr könnt euch nach unten in einen Warteraum setzen, dort sind auch Zeitschriften.“
Ich fand es zwar ziemlich ungerecht das wir Papa nicht mehr sehen durften aber Nina redete mir gut zu und wir lasen im Warteraum tatsächlich ein paar Zeitschriften.
Meine Mutter kam zum Glück schon bald und wir gingen noch einmal nach oben, denn Mama wollte Papa noch einmal sehen. Wir mussten draußen warten, denn es durfte ihn (wenn überhaupt) nur eine Person besuchen.
Nach einer Zeit kam sie raus und man sah ihr an das sie geweint hatte. Nina war die Situation sichtlich peinlich und sie verließ uns mit der Ausrede das sie noch einmal aufs Klo musste.
Als wir endlich im Auto saßen sagte niemand ein Wort. Irgentwann hielt ich es nicht mehr aus und schaltete das Radio an. Überall waren nur Meldungen über das Unwetter.
Nach einiger Zeit kam endlich Musik und ich schlief ein. Ich schlief bis Nina mich sacht an der Schulter rüttelte und sagte das wir da waren.
Ich weiß garnicht mehr genau, wie Nina und ich in mein Zimmer und ins Bett gekommen sind denn wir waren so müde das wir nicht mehr gerade stehen konnten.
Ich schlief sofort ein und hatte zum Glück schon wieder keine Albträume.


20.


Wir wurden beide nicht geweckt, so das wir etwa bis 12 Uhr schliefen. Kurz, nachdem wir aufgewacht sind, klopfte es und meine Mutter schaute herein.
,,Guten Morgen ihr beiden. Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen.“ Sie brachte uns ein Tablett mit Frühstück und setzte sich mit aufs Bett.
,,Ich war eben im Krankenhaus. Deinem Vater geht es schon wider besser und wir haben versucht, deine Eltern zu erreichen, aber es ist niemand ans Telefon gegangen.“ Fügte sie an Nina gerichtet hinzu. Meine Freundin setzte sich auf und sah etwas genervt aus.
,,Ja, ich weiß, tut mir leid, sie sind wirklich sehr selten Zuhause, man erreicht meine Eltern so gut wie nie. Es ist noch ein Wunder, dass ich selber sie noch erreiche!“ Ich sah, dass sie das sehr zu beschäftigen schien, und ich versuchte sie ein bisschen aufzumuntern.
,,Hey, wie wäre es, wenn ich dir nachher noch ein wenig die Stadt zeigen würde? Du warst doch noch nie hier, oder?“ Sie stimmte sofort zu, und ich war froh, dass wir für nachher eine Beschäftigung haben würden. Sie ging zur Toilette und ließ mich und meine Mutter allein.
,,Wie geht es Papa?“
,,Ich glaube gut, er ist erst vor einer halben Stunde aufgewacht. Sie wollen ihn zu beobachtung noch einen Tag oder so im Krankenhaus behalten, damit sie sich versichern können, dass es ihm wirklich wieder gut geht.“
Nina kam wieder rein, und wir wechselten das Thema. Ich wollte nicht, dass sie sich unwohl dabei fühlte, mit uns über so ein Thema zu sprechen. Also redeten wir über die Schule. Mama wollte alles wissen, wie die Lehrer und die Leute waren. Aber da ich ja erst einen Tag dort gewesen war konnte ich das nicht so recht beurteilen. Das konnte Nina viel besser und sie gab auch einige Male ihre Meinung zu ein paar Lehrern ab.
Irgentwann verabschiedete sich meine Mutter, denn sie musste ja noch zur Arbeit, auch wenn wir alle frei hatten.
Als sie weg war, machten Nina und ich es uns auf dem Sofa vor dem Fernseher gemütlich.
Ich rief zwischendurch im Krankenhaus an, aber die sagten mir nur, dass es Papa schon viel besser ging. Nach einer Weile wurde uns langweilig und ich beschloss, Nina jetzt die Stadt zu zeigen.
Es war kein gutes Wetter, doch noch lange nicht so schlimm wie auf dem Land.
Es nieselte ein wenig und die Sonne zeigte sich auch nicht mehr wirklich. So liefen wir durch die Stadt und ich zeigte Nina meine Lieblingsorte. Als ich ihr gerade den Italiener zeigte, wo ich mit meiner Mutter immer Essen gewesen war zeigte, sah ich vor dem Eingang ein bekanntes Gesicht.
Es war Marie, die einzige Freundin, die sich noch bei mir gemeldet hatte, nach der Sache mit meiner Freundin. Sie schien auf jemanden zu warten, aber sie sah mich noch nicht. Nina hatte anscheinend inzwischen bemerkt, dass ich sie kannte.
,,Wer ist das?“
,,Ach, dass ist nur eine Freundin von mir. Oder eine ehemalige. Sie war die einzige, die sich bei mir gemeldet hat nach... Ach, du weißt ja, auf jedenfall habe ich sie echt lange nicht gesehen.“
,,Achso, oh. Du kannst ihr gerne Hallo gehen sagen, wenn du willst. Wenn du sie so lange nicht mehr gesehen hast...“ Ich überlegte. Einerseits würde ich echt gerne mal wieder mit Marie reden, andererseits...
,,Okay, aber ich stelle dich ihr vor, komm mit.“ Wir gingen auf sie zu und ich tippte sie von hinten auf die Schulter. Sie drehte sich um und schaute mir überrascht ins Gesicht. Dann lächelte sie und umarmte mich.
,,Oh, was machst du denn hier? Warum hast du dich denn nicht mehr gemeldet?“ Dann sah sie Nina und lächelte ebenfalls sie an.
,,Hey, ich bin Marie.“ Nina stellte sich ebenfalls vor.
,,Ach, dass ist eine lange Geschichte. Mein Vater liegt im Krankenhaus, Schlaganfall, und so lange sind Nina und ich bei meiner Mutter.“ Marie sah ziemlich geschockt aus.
,,Oh, Schlaganfall? Das tut mir echt Leid.“
,,Nein, dass ist okay, ihm geht es zum Glück schon wieder viel besser. Und was hast du jetzt vor?“
Ich versuchte, das Thema zu wechseln, denn irgentwie hatte ich keine Lust mehr, darüber zu reden.
,,Ich wollte mich mit einer Freundin treffen, die kennst du nicht, aber wie es scheint hat sie mich versetzt.“
,,Oh, dann komm doch mit uns mit. Ich meine, wenn es dir nichts ausmacht“ Sagte ich mit einem Blick zu Nina. Ich hätte es jedenfalls nicht so toll gefunden, wenn sie Plötzlich eine Freundin mitnehmen würde. Aber ihr schien das garnichts auszumachen.
,,Das ist kein Problem. Du kannst mir die Stadt ja noch wann anders zu Ende zeigen, wenn du willst.“ Marie war auch einverstanden, und wir machten uns zu dritt zu einer Eisdiele, denn trotz dem schlechten Wetter hatten wir alle Lust auf ein Eis. Als wir fertig waren liefen wir noch einige Zeit durch die Stadt, ich kaufte mir ein Oberteil und die anderen beiden Ohrringe.
Es dämmerte schon langsam und als ich auf die Uhr sah, musste ich feststellen, dass Nina und ich schon in Zehn Minuten Zuhause sein sollten. Wir verabschiedeten uns schnell von Marie und machten uns auf den Weg nach Hause.
Zuhause angekommen erwartete uns meine Mutter schon. Sie hatte schon Abendessen gemacht und war nicht sehr erfreut, dass wir so unpünktlich waren. Nachdem wir ein wenig Ärger bekommen hatten, wollte sie noch wissen, wie es war.
,,Na, war es denn wenigstens schön?“ Ich erzählte ihr, dass wir Marie in der Stadt getroffen hatten und meine Mutter war ganz begeistert, dass ich wieder ein wenig ,,Kontakt“ zu den Schülern meiner alten Schule hatte.
Wir aßen nicht so viel, da wir noch ziemlich satt von dem Eis waren und dann spielten wir noch ein paar Spiele mit meiner Mutter, da sie darauf bestand. Jeder anderer von meinen im Moment ziemlich wenigen Freunden hätte es wahrscheinlich echt ätzend gefunden, mit meiner Mutter und mir ein Gesellschaftsspiel zu spielen – Wahrscheinlich alle außer Nina. Sie war total glücklich und lächelte meine Mutter unentwegt an. Ich hatte irgentwie den Verdacht, dass sie zu Hause bei ihrer Familie ein bisschen zu kurz kam. Das Gefühl hatte anscheinend auch meine Mutter, dass sagte sie mir als wir mit spielen fertig waren und Nina für einen Moment ins Bad ging.
Als wir mit allem fertig geworden waren machte Mama uns noch einen heißen Kakao wegen dem Wetter draußen und man sah ihr förmlich an, wie gerührt sie war, als Nina sich extrem überschwänglich dafür bedankte. Mich nervte das alles ein bisschen an und ich sprach Nina später, als wir im Bett lagen darauf an.
,,Findest du das eigentlich sehr schlimm, dass deine Eltern so oft nicht Zuhause sind?“ Ich Versuchte, es wenigstens ein bisschen so zu formulieren das ich ihr klarmachen konnte, das ich es nicht beabsichtigte, ihr weh zu tun, denn ich dachte mir schon, dass sie ziemlich empfindlich war, was das Thema betraf. Zuerst sagte sie garnichts und ich dachte schon sie wäre eingeschlafen, da antwortete sie plötzlich.
,,Es ist nicht so, dass sie nie da sind. Ich bin nur einfach...Nicht sehr gerne da, verstehst du? Es gibt dauernd stress und...Ich weiß auch nicht was los ist, aber meine Mutter und mein Vater benehmen sich beide im Moment ziemlich komisch. Ich weiß auch nicht woran das liegt, es kann auch sein, dass ich es mir nur einbilde, aber...“ Sie brauchte schon garnicht mehr weiterreden, ich war ja schließlich auch einmal in einer ähnlichen Situation gewesen. Und auch wenn ich mir sehr sicher war, dass es sie nicht besonders trösten würde, versuchte ich es.
,,Hey, ich denke nicht, dass du dir das nur einbildest. Aber ich kenne das. Vielleicht verstehen sich deine Eltern einfach nicht mehr so gut wie früher und sie leben sich einfach nur auseinander. Das ist nicht so schlimm, dass passiert.“ Sie lächelte nicht, sie schaute einfach nur auf die Wand und ich machte mir langsam echte Sorgen um sie, denn es tat mir wirklich Leid, dass sich ihre Eltern wahrscheinlich auch trennten.
,,Nein, ich denke nicht, dass es nur streit ist. Sie sind einfach...Komisch. Ich weiß nicht, wie ich dir das sonst erklären soll, aber sie reden auch fast garnicht mehr miteinander. Sie ignorieren sich. Wenn sie sich wenigstens streiten würden...Aber sie sitzen manchmal einfach nur da und sagen kein Wort. Das ist, was mir so sehr Angst macht. Die Stille. Unser Haus ist manchmal komplett still, obwohl alle da sind.“ Obwohl es sehr warm in meinem Zimmer war, bekam ich eine Gänsehaut.
Auch, wenn ich es nicht kannte, denn in unserem Haus war eigentlich immer was los gewesen, ich konnte es verstehen. Ich konnte Stille auch überhaupt nicht ab. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich es nicht verstand, denn ich war nie dort gewesen.
Und genau das sprach Nina jetzt aus.
,,Ja, aber du warst noch nie bei mir. Ich hasse es, bei mir zu sein. Weißt du, du kennst das nicht, bei dir ist immer alles so Freundlich und nett, bei mir ist es einfach nicht mehr auszuhalten. Ich versuche ja schon, mich so oft wie möglich mit Freunden zu treffen, aber es hat ja nicht jeder jeden Tag zeit.“ Ich musste sie in den Arm nehmen. Nein, ihre Situation verstand wirklich nicht, aber ich verstand, dass es in so einer Situation gut war, eine Freundin zu haben, die einen tröstete.
,,Hey, du kannst immer zu mir kommen, egal was ist. Mein Vater stört es auch nicht, wenn du oft kommst, glaub mir.“ Ich umarmte sie noch einmal und so langsam schlief sie ein. Ich lag noch fast die ganze Nacht wach und dachte nach.


21.


Am nächsten Tag schien die Sonne in mein Zimmer. Anscheinend hatte sich das Wetter wieder beruhigt. Aber ich mich nicht, denn ich hatte schon wieder den gleichen Albtraum gehabt. Ich hatte schon gehofft, es hätte endlich aufgehört, nachdem ich schon seit Drei Tagen keinen schlimmen Traum mehr gehabt hatte, aber so langsam bekam ich das Gefühl, die Albträume verfolgten mich.
Entsprechend wie ich geschlafen hatte, sah ich auch aus. Ich ging leise ins Bad um Nina nicht zu wecken, denn sie schlief noch friedlich.
Als ich nach dem duschen in den Spiegel sah, bekam ich einen Schreck. Ich hatte riesige Augenringe und meine Haut war total trocken.
Als ich mich einigermaßen so geschminkt hatte, dass es nicht so extrem auffiel, zog ich mich an und lief prompt Nina in die Arme. Sie kam aus meinem Zimmer.
,,Oh hey, hast du gut geschlafen? Ich war gerade duschen.“
,,Ja, sehr gut und du?“ Sie musterte mich.
,,Eigentlich auch ganz gut.“ Ich wollte nicht, dass sie sich wieder Sorgen um mich machte, aber ich hätte mir eigentlich denken können, dass ich damit nicht bei ihr durchkam.
,,Du siehst aber ziemlich fertig aus. Sicher das alles okay ist?“
,,Naja, eher nicht so, ich hatte schon wieder diesen dummen Albtraum.“
,,Oh das tut mir Leid, kann man da nicht was gegen machen oder so?“ Ich hatte gewusst das sie sich wieder Sorgen machen würde, und genau das hatte ich versucht zu vermeiden.
,,Nein, ist schon okay, ich wollte nur nicht das du dir Sorgen machst oder so. Das geht schon bald schon wieder von selber weg!“ Sie guckte mich noch einmal zweifelnd an.
,,Mhm okay, ich gehe jetzt auch duschen, okay?“
,,Okay. Ich mache dann schonmal Frühstück.“ Sie verschwand im Bad und ich ging nach unten um zu gucken, ob meine Mutter noch da war. Ich hatte Glück, sie machte gerade etwas zu Essen.
Auch sie merkte sofort, dass etwas los war.
,,Oh Guten Morgen Süße. Hast du nicht gut geschlafen?“ Sie registrierte meine Augenringe.
,,Nein, ich hatte mal wieder diesen bescheuerten Albtraum!“
,,Das wird schon wieder. Achso, wir müssen deinen Vater Heute um 15 Uhr aus dem Krankenhaus abholen. Ich kann das natürlich auch alleine machen, aber wenn du und Nina mitkommen wollt, ist das natürlich auch okay.“ Es hörte sich natürlich besser an, den ganzen Tag Zuhause zu bleiben und nur Fernsehen zu gucken, als den kompletten Tag im Krankenhaus rumzusitzen, aber ich wollte natürlich auch wissen, wie es Papa ging.
,,Nein, ist schon okay, wir kommen mit. Ich gehe nur einmal nach oben um Nina zu holen und mich anzuziehen, dann essen wir, ja?“
,,Okay gut. Möchtest du ein Ei?“
,,Ja, gerne, Nina bestimmt auch. Bis gleich.“ Ich ging nach oben und zog mich an. Nina hatte geduscht und zog sich ebenfalls an. Als wir fertig waren, gingen wir nach unten und halfen meiner Mutter den Tisch zu decken.
,,Okay, dass essen ist auch fertig, ihr könnt euch hinsetzen.“ Wir setzten uns und aßen.
Die Stimmung war ein bisschen angespannt und alles war still.
,,Nina, wäre es okay, wenn wir Heute meinen Vater mit aus dem Krankenhaus abholen gehen?“
Sie war sofort dabei und so war es beschlossen.
Wir räumten den Tisch ab und gingen nach oben.
,,Sicher, dass es okay ist, wenn wir meinen Vater mit abholen gehen? Also, wenn nicht, ist es auch okay, dann machen wir hier Zuhause was zu zweit oder treffen uns wieder zu dritt mit Marie oder so.“ Ich bemerkte, dass ich selber eine Ausrede brauchte, um nicht mitkommen zu müssen. Ich wusste nicht genau, wieso ich so unbedingt nicht mitkommen wollte, aber es lag sehr sicher nicht nur daran, dass ich Krankenhäuser hasste. Das gleiche sagte mir auch Nina.
,,Du willst selber nicht so gerne dorthin, oder?“ Sie kannte mich schon nach den paar Tagen sehr gut, dass schätzte ich so an ihr.
,,Naja, es ist nicht so, als würde ich ihn nicht gerne sehen oder so...Aber irgentwie ist es so ein Gefühl...Ach ich weiß auch nicht, vielleicht habe ich auch einfach keine Lust oder so.“
,,Sag doch einfach deiner Mutter, dass wir uns für Heute mit Marie verabredet hatten und das vergessen haben. Deine Mutter mag Marie doch, sie will doch, dass du noch Kontakt zu den Leuten aus deiner alten Klasse hast, oder?“ Das war eine sehr gute Idee und Nina hatte in allen Punkten Recht.
,,Oh, ziemlich gute Idee, dass glaubt sie mir bestimmt! Ich gehe schnell runter und rede mit ihr.“
Unten angekommen machte sich meine Mutter gerade für das Krankenhaus fertig.
,,Ähm, Mama? Ist es schlimm, wenn Nina und ich doch nicht mitfahren? Weil wir vergessen hatten, dass wir uns eigentlich Heute noch mit Marie treffen, dass hatten wir vergessen, tut mir echt Leid.“
,,Das hättest du auch ein bisschen früher sagen können, jetzt denkt dein Vater das du auch kommst!“
,,Ich weiß, tut mir auch echt Leid. Soll ich das sonst absagen und wir kommen doch mit?“ So wie ich sie kannte, würde sie sowieso sagen, dass wir hierbleiben konnten und so war es dann auch.
,,Nein, ist schon okay, dann sage ich ihm das einfach. Aber sag das nächste Mal einfach früher Bescheid, okay?“
,,Okay, danke Mama.“ Ich gab ihr einen Kuss.
,,Achso und fährt Papa dann eigentlich wieder nach Hause zu sich, oder kommt er noch mit zu uns?“ Meine Mutter räusperte sich verlegen.
,,Also...Eigentlich hatte ich gedacht, er könnte vielleicht die ersten zwei Nächte hier verbringen...Es muss sich ja schließlich jemand um ihn kümmern, nachdem er einen Schlaganfall hatte...Oder?“
Ich freute mich riesig, dass die beiden den Streit begraben hatten.
,,Ja, klar, dass kann ich verstehen.“
Sie zog sich eine Jacke über und gab mir einen Kuss.
,,Ich muss, bevor ich ins Krankenhaus fahre noch ein paar Einkäufe machen, es wird also noch ein wenig länger dauern. Kommt ihr trotzdem klar?“
,,Klar, wir treffen uns ja auch noch mit Marie und so...Dann viel spaß und grüß Papa schön!“
,,Okay, mach ich, bye.“ Sie verließ die Wohnung und Nina und ich waren allein.
,,Und was machen wir jetzt?“ Ich hatte genauso wenig Plan wie sie, was wir machen könnten, von daher schlug ich das erste vor, dass mir einviel.
,,Wir haben glaube ich noch ein paar Spiele auf dem Dachboden. Wollen wir eins spielen? Nur um uns die Langeweile zu vertreiben.“ Sie machte zwar kein sehr begeistertes Gesicht, stimmte dann aber doch zu. Ich selber hatte auch wenig Lust, auf irgentwelche ,,Gemeinschaftsspiele“ aber es war das erste, was mir einviel, was mir machen könnten.
,,Kommst du mit auf den Dachboden, eins aussuchen?“ Ich wollte nicht alleine dort rein, denn ich verabscheute Dachböden schon seit ich ein kleines Kind war.
,,Mhm okay, besser, als hier unten alleine rumzugammeln.“ Wir zogen uns schnell Hausschuhe über (Nicht, dass wir sonst immer Hausschuhe tragen würden, aber auf einem Dachboden mit Socken rumzulaufen war nicht gerade die beste Idee) und zogen die Treppe zum Dachboden aus.
Oben angekommen war ich erstmal ein wenig geschockt. Hier schien ja schon ewig niemand mehr gewesen zu sein. Alles war total Verstaubt, Schubladen und Tische standen irgentwo in der Ecke rum und überall waren Spinnenweben.
,,Wie lange wart ihr denn schon nicht mehr hier oben?“ Fragte mich Nina.
,,Ich war schon seit ungefähr Zwei Jahren nicht mehr hier. Mama und Papa weiß ich nicht, aber wie es aussieht, auch schon ziemlich lange nicht mehr.“ Ich fing an, Kisten und Schubladen nach Spielen zu untersuchen, fand aber keine. Vielleicht hatten meine Eltern sie ja auch schon lange weggeschmissen...?


22.


Da rief Nina mich.
,,Hey, Laura, ich habe Kinderfotos von dir gefunden, komm mal her!“ Ich ging zu ihr und versuchte lachend, ihr die Fotos aus der Hand zu reißen, denn ich fände es ein wenig peinlich, wenn sie meine Kinderfotos anschauen würde.
Ausversehen ließ Nina die Bilder auf den Boden fallen. Lachend hoben wir sie auf. Da hielt ich plötzlich ein Bild in der Hand, dass ich noch garnicht kannte.
Auf dem Bild war ich mit einem anderen Mädchen zu sehen, dass ich allerdings nicht kannte. Wir saßen zusammen in einem Sandkasten und lachten. Das Mädchen sah mich von der Seite an. Wir sahen aus wie höchstens Vier Jahre alt.
Ich machte Nina auf das Foto aufmerksam.
,,Oh, dass ist ja süß. Ich habe leider garkeine Kinderfotos von mir, ich weiß eigentlich garnicht genau, wie ich früher aussah. Mama hat mir erzählt, dass wir Fotos hatten, aber einmal...Ach ist ja auch egal, auf jedenfall habe ich keine Fotos von mir.“ Ich starrte auf Nina und dann auf das Mädchen neben mir auf dem Bild. Dieses Mädchen sah Nina zum Verwechseln ähnlich. Das fand anscheinend auch Nina, denn sie sah das Mädchen ebenfalls etwas erstarrt an.
,,Das Mädchen sieht dir richtig ähnlich!“ Sagte ich und hielt das Foto zum vergleich neben Ninas Gesicht. Entweder, sie hatte noch eine Zwillingsschwester, von der sie mir nie etwas erzählt hatte, oder wir kannten uns schon länger, als wir dachten. VIEL länger!
,,Hast du vielleicht eine Zwillingsschwester oder so?“
,,Nicht, dass ich wüsste. Aber wenn das wirklich ich auf dem Bild bin, müsste entweder deine Mutter oder dein Vater wissen, dass wir uns kennen. Oder etwa nicht?“ Jetzt, wo sie es sagte fand ich es auch ein wenig komisch, dass keiner von beiden etwas dazu gesagt hatte.
,,Stimmt. Wenn meine Eltern wieder da sind, fragen wir sie, ja?“ Ich hielt das Bild noch einmal neben Nina, aber es war nicht zu läugnen, es war eindeutig das gleiche Mädchen.
,,Okay, gut. Willst du noch was spielen, oder wollen wir hier auf dem Dachboden weiter Fotos angucken?“ Uns beide hatte die Abenteuerlust gepackt und wir waren immer noch ein wenig überrascht über die Tatsache, dass wir uns anscheinend schon viel länger als nur zwei Wochen kannten. Also entschieden wir hier zu bleiben und uns weitere Fotos anzugucken.
Doch wir fanden keine weiteren Fotos von uns beiden, also ließen wir es sein und wollten uns gerade wieder auf den Weg nach unten machen, als wir hörten, wie die Tür aufgeschlossen wurde und meine Eltern das Haus betraten.
Wir guckten uns verzweifelt an.
,,Was sollen wir jetzt machen? Willst du deine Eltern fragen?“
,,Ja, ich denke schon. Was ist, kommst du mit?“ Sie nickte und wir gingen nach unten.


23.


Als Papa und Mama uns sahen war meine Mutter ein wenig verwundert.
,,Wolltet ihr euch nicht mit Marie treffen?“ Oh Mist, dass hatte ich völlig vergessen! Auch Nina guckte mich völlig verzweifelt an. Ich ließ die erstbeste Ausrede vom Stapel.
,,Ehm jaa, Marie war hier, aber sie musste gleich wieder los weil sie noch Nachhilfe hatte...“
,,Oh achso, okay.“ Ich gab meinem Vater einen Begrüßungskuss und Nina reichte ihm die Hand. Irgentwie schauten meine Eltern Nina die ganze Zeit ein bisschen komisch von der Seite an, und langsam wurde Nina verlegen. Eigentlich hatte ich ja vor, meine Eltern nach dem Foto zu fragen, aber da mein Vater so fertig aussah, wollte ich jetzt nicht noch mehr stress machen.
Mein Vater wollte sich unbedingt hinlegen und meine Mutter machte ihm etwas zu essen. So liebevoll, wie sie ihn dabei anguckte war ich mir nicht ganz sicher, ob sie ihn wirklich nur ,,Zu seiner eigenen Sicherheit“ mit hierher genommen hatte, auch wenn es natürlich auch ein Grund war.
Da meine Mutter sich nun nur noch um meinen kümmerte setzten Nina und ich uns aufs Sofa und guckten eine Weile Fernsehen. Aber irgentwie ließ mich die Sache mit dem Foto nicht los und Nina schien es ähnlich zu gehen. Wir waren beide ganz hibbelig.
,,Was hälst du davon, wir gucken einmal ob deine Mutter gerade Zeit hat und fragen sie nach dem Foto. Okay?“ Ich war einverstanden. Wir fanden meine Mutter in der Küche.
,,Hey Mama, hast du kurz Zeit?“ Sie sah uns fragend an und ich holte das Foto aus der Tasche.
,,Kann es sein, das dass Nina ist? Weil sie ihr so ähnlich sieht und irgentwie wäre es doch dann logisch, wenn wir uns länger kennen würden und...“ Weiter kam ich nicht denn meine Mutter unterbrach mich.
,,Woher hast du das Foto??“ Sie starrte das Bild an.
,,Ehm also Nina und ich wollten ein Spiel spielen und da dachte ich, dass die Spiele noch auf dem Dachboden sind und...Ich weiß auch nicht, also dann haben wir das Foto gefunden...“ Meine Mutter war plötzlich wieder ganz Beschäftigt mit essen machen.
,,Ich kann jetzt nicht, ich muss mich um deinen Vater kümmern. Wir reden wann anders!“ Das war keine Frage, dass war schon eher ein Befehl! So kannte ich sie garnicht. Und Nina ignorierte sie komplett! Also gingen wir schnell in mein Zimmer.
,,Das war echt..Komisch!“ Ein anderes Wort fiel mir im Moment nicht mehr dafür ein!
,,Ja, irgentwie schon. Und irgentwie sind deine Eltern nicht so gut auf mich zu sprechen, oder? Oder habe ich nur das Gefühl, dass sie mich immer so komisch angucken?!“ Ich hatte eigentlich nicht gedacht, dass es Nina so extrem aufgefallen war, aber wir bildeten es uns wahrscheinlich nicht nur ein!
,,Nein, mir ist es auch aufgefallen. Ich habe keine Ahnung, was die haben. Sonst verhalten sich meine Eltern eigentlich nie so!“
,,Naja, ist schon okay. Ist ja auch eine schwere Zeit für sie. Vielleicht können wir ja später mit deiner Mutter darüber reden.“ Ich wollte ihr glauben, aber mir war ziemlich klar, dass meine Mutter nicht so gerne mit uns über dieses Thema sprechen wollte (Warum auch immer) und deshalb würde es wahrscheinlich auch ziemlich lange dauern, etwas aus ihr rauszubekommen, denn wie ich sie kannte, würde sie erst einmal einen auf Stur machen.
,,Auch, wenn ich denke, dass sie nicht so wirklich Lust hat, mit uns darüber zu sprechen, wir können es ja dann später nochmal versuchen.“
Sie stimmte mir zu und wir guckten Fernsehen. Nach einiger Zeit bemerkten wir, dass sowieso nichts gutes lief, also schlug ich vor, dass wir einmal Marie anrufen könnten.
,,Okay, gut, dann kannst du sie ja auch gleich fragen, ob sie herkommen möchte. Ich meine, wenn es okay ist. Uns ist ja sowieso langweilig, oder?“ Ich hatte irgentwie das Gefühl, dass Nina Marie sehr mochte, also stimmte ich zu. Und auch, weil es uns gerade so langweilig war, dass wir sowieso nichts besseres machen konnten.
Also wählte ich ihre Nummer. Nach dem ich es ziemlich lange klingeln lassen hatte, ging sie endlich dran.
,,Hallo?“
,,Hey, hier ist Laura.“
,,Hey Laura, wie geht’s?“
,,Ganz gut, danke. Nina ist auch hier bei mir.“
,,Oh, Hey Nina.“ Nina nahm das Telefon.
,,Hey.“ Langsam wurde mir das ein wenig zu ,,Smalltalk-mäßig“ also fragte ich sie gleich nach dem treffen.
,,Und zwar. Nina und Ich haben beide Langeweile und wollten dir noch was erzählen. Möchtest du vielleicht vorbeikommen?“ Ich hoffte, dass sie ja sagen würde, noch mehr langeweile konnte ich echt nicht vertragen. Obwohl man mit Nina natürlich auch sehr viel spaß haben konnte, war es doch nach einiger Zeit sehr eintönig. Außerdem hatte man mit mehreren Leuten sowieso mehr spaß. Fand ich auf jedenfall.
,,Ich muss erst einmal meine Eltern fragen. Lust hätte ich auf jedenfall. Was wollt ihr mir denn noch erzählen?“ Ich hatte keine große Lust, ihr von der Sache mit dem Foto am Telefon zu erzählen und Nina scheinbar auch nicht.
,,Erzählen wir dir, wenn du kommst. Frag einfach schnell, okay?“ Ich fand es sehr gut, dass Nina und Marie sich so gut verstanden, denn es wäre ziemlich dramatisch gewesen, hätten die beiden sich nicht gut verstanden.
,,Ist gut, wartet kurz.“ Sie legte den Hörer weg und wir warteten. Nach zwei Minuten meldete sie sich wieder.
,,Hey, seit ihr noch dran?“
,,Ja, klar. Und, darfst du?“ Ich war mir extrem sicher, dass sie durfte, da ihre Eltern so locker und nett waren und sie dadurch sehr viel erlaubt bekam und ziemlich viel Freizeit hatte. Und so war es dann auch.
,,Ja, aber dann müsste ich um 21 Uhr wieder Zuhause sein. Ich habe ja leider kein Schulfrei wie ihr.“
,,Okay, alles klar, wann kommst du dann so ungefähr?“
,,Ich fahre Fahrrad, also so in einer halben Stunde? Achso und hast du deine Eltern eigentlich schon gefragt?“ Mist, dass hatte ich ganz vergessen. Naja, ich konnte nur hoffen, dass meiner Mutter nichts ausmachte, und da sie Nina sehr gerne mochte, dachte ich nicht, dass es irgentwelche großen

Probleme geben würde.
,,Oh, dass hatte ich vergessen. Warte, ich frage auch einmal.“ Ich gab Nina das Telefon und ließ die beiden weiter reden, während ich meine Mutter suchte.


24.


Ich fand sie schließlich bei meinem Vater am Bett sitzen. Sie hielt seine Hand, während er schlief.
Ich wollte zwar ungern stören, aber es war besser, als später ärger zu bekommen, weil Marie hier ,,Unangemeldet“ aufgetaucht war. Also schlich ich mich leise ins Zimmer und machte meiner Mutter Handzeichen, dass sie heraus kommen sollte, da Papa noch schlief.
Sie guckte ziemlich genervt, nahm ihre Hand aus Papas und lief auf Zehenspitzen schließlich hinter mir her in einen anderen Raum.
,,Eh, Mama, wäre es okay, wenn Marie gleich kommen würde?“
,,Und DAFÜR hast du mich jetzt gerade aus dem Zimmer geholt??“ Ich verstand zwar nicht genau, wieso das so schlimm war aber...
,,Ja, weil du sonst später sauer gewesen wärst, wenn sie hergekommen wäre, ohne zu fragen.“
Also ich fand, dass klang logisch. Meine Mutter anscheinend nicht.
,,Ja, sie kann kommen. Viel spaß.“ Sie verließ so schnell sie konnte den Raum. So hatte ich meine Mutter schon lange nicht mehr erlebt aber ich war froh, dass sie wenigstens ja gesagt hatte.
Ich ging schnell zu Nina zurück, nahm ihr das Telefon aus der Hand und sagte Marie das sie kommen konnte. Sie machte sich sofort auf den Weg. Als wir aufgelegt hatte, war ich erst einmal total fertig.
,,Meine Mutter benimmt sich irgentwie in letzter Zeit total komisch. Ich hab keine Ahnung, wieso.“
,,Ach, dass wird schon wieder. Jetzt kommt erst einmal Marie und vielleicht weiß sie ja, was wir auch wegen dem Foto machen können.“
,,Ja, stimmt.“ Ich war mir zwar nicht ganz sicher, ob Marie eine Lösung haben würde, aber versuchen konnte man es ja.
,,Denkst du, dass deine Eltern wieder zusammenkommen werden?“ Sie sprach genau die Frage aus, über die ich mir schon den ganzen Tag still und heimlich den Kopf zerbrochen hatte.
,,Ich weiß es nicht. Und das meine ich ehrlich. Im Moment sieht es irgentwie so aus, als hätten sie sich nie getrennt. Aber dann sind sie wieder total abweisend zueinander. Ich habe wirklich keine Ahnung.“ Nina nickte und wir schweigten einen Moment und gingen unseren eigenen Gedanken nach.
Ich schaltete den Fernseher wieder ein und wir schauten eine Weile Fernsehen, bis es endlich klingelte. Ich lief schnell zu Tür und Nina folgte mir.
Marie stand vor der Tür und sah total durchgefroren aus.
,,Ich verstehe WIRKLICH nicht, wie es im Sommer so kalt sein kann.“
,,Naja, so richtiger Sommer ist ja schließlich nicht mehr wirklich.“
,,Trotzdem. Auch für Herbst ist es zu kalt!“ Ich half Marie, die Jacke auszuziehen und sie zog ihre Schuhe aus und umarmte uns.
,,Mein Vater schläft glaub' ich noch, also bitte ein bisschen leiser sein, okay?“ Marie nickte und wir gingen leise in mein Zimmer. Kaum war die Tür hinter uns geschlossen platzte Marie mit ihrer Frage heraus.
,,Also, was wolltet ihr mir jetzt so dringend erzählen??“ Ich nahm das Bild aus meiner Hosentasche und gab es Marie. Sie schaute einige Zeit schweigend darauf, dann schaute sie immer wieder von mir zu Nina.
,,Also die beiden Mädchen seit eindeutig ihr.“
,,Ja, eben!“ Marie sah uns verwirrt an.
,,Und was genau ist jetzt das Problem?“ Ich seufzte. Musste ich also nochmal alles von vorne erklären.
,,Das Problem ist, dass wir dieses Foto auf dem Dachboden gefunden haben. Das dass auf dem Foto eindeutig Nina und ich sind, wir uns aber als wir so klein waren noch garnicht kannten, und meine Mutter total abblockt, wenn man sie auf das Foto anspricht und das wir beide einfach nicht verstehen, warum meine Eltern uns nicht gesagt haben, dass wir uns schon länger kennen.“
,,Oh.“ Ja. 'Oh' war eine ziemlich passende Bedeutung für diese Geschichte.
,,Ja, und wir wollen jetzt herausbekommen, warum uns das niemand gesagt hat.“ Sie schien zu überlegen.
,,Aber vielleicht ist deine Mutter einfach nur ziemlich gestresst und es hat garnichts damit zu tun, dass sie dir nicht antworten möchte, sondern weil es deinem Vater nicht so gut geht?“ Das hatte ich zwar auch schon gedacht, aber irgentwie verstand ich trotzdem nicht, warum sie mir nicht einfach eine Antwort gegeben hatte.
Nina räusperte sich.
,,Naja, aber es wäre doch nicht schlimm gewesen wenn sie uns einfach eine Antwort gegeben hätte. Ich fände es ja auch nicht schlimm, wenn wir uns schon länger kennen würden, auch wenn ich mich immer noch frage, woher. Aber warum hat sie uns nicht einfach eine Antwort gegeben?“
,,Ach, ich weiß auch nicht. Also an eurer Stelle würde ich ein bisschen warten, bis sie sich beruhigt hat und sie dann noch einmal fragen. Und wenn sie dann nicht antwortet, müssen wir es eben herausbekommen.“ Den Vorschlag fand ich gut, Nina scheinbar auch und so war es beschlossen.
,,Wann musst du eigentlich wieder Zuhause sein?“ Da Marie ja leider noch Schule hatte, musste sie ja Morgen im Gegensatz zu Nina und mir in die Schule.
,,Ich weiß es nicht genau. Als ich gefragt habe, waren meine Eltern gerade Beschäftigt, mein Vater hat nur irgentwas von noch vor 11 oder so gemurmelt.“ Auch, wenn ich Maries Eltern wirklich gerne mochte, mich würde es ziemlich fertig machen, wenn meine Eltern nie Zeit für mich hätten.
,,Okay, dass reicht doch.“ Nina klatschte in die Hände und schmiss sich aufs Sofa.
,,Habt ihr vielleicht irgentwas zu essen hier? Ich habe seit Heute Morgen nichts mehr gegessen.“
Erst jetzt, wo Marie es sagte, merkte ich, dass ich ebenfalls ziemlich großen hunger hatte.
Ich lief sofort zum Kühlschrank und schaute nach.
,,Auf was genau habt ihr hunger?“ Nina sprang vom Sofa auf und stellte sich neben mich. Sie begutachtete den gut gefühlten Kühlschrank kritisch.
,,Mhm ich mach mir glaube ich eine Pizza, wäre das okay?“
,,Klar. Marie, was möchtest du?“ Ich wusste, dass Marie unkomplizierter war.
,,Ich mach mir gleich einfach ein Brot, okay?“
,,Ja, ich auch. Wollt ihr was bestimmtes im Fernsehen gucken?“ Nina und Marie guckten sich an. Wie ich uns kannte würden wir sowieso am Ende auf Viva landen.
,,Viva oder Mtv...Was wollt ihr?“ Schließlich entschieden wir uns doch für Viva.
Nach einiger Zeit kam meine Mutter aufgeregt ins Zimmer gestürmt.
,,Warum hast du das so laut gemacht?? Ich habe euch doch gesagt, dass ihr leiser sein sollt, weil dein Vater noch schläft!“ Mist, dass hatten wir vergessen. Jetzt musste ich auch noch versuchen, mich da irgentwie rauszureden.
,,Tut mir wirklich Leid Mama, wir haben uns nur was zu essen gemacht und dann Fernsehen geguckt. Tut mir wirklich leid!“
,,Dann macht euch das nächste Mal ein bisschen leiser was zu essen!“ Da sah sie erst, dass Marie auch da war.
,,Ach, hallo Marie. Schön dich wieder zu sehen.“
Es war einige zeit still. Meine Mutter machte nicht einmal die Anstalten zu gehen.
,,Okay Mama, wir versuchen leiser zu sein, okay?“ Sie drehte sich endlich in Richtung Tür.
,,Ihr versucht es nicht nur, ihr WERDET leiser sein!“
,,Ja Mama. Geht es Papa schon besser?“ Sie seufzte.
,,Ja, zum Glück schon. Ich geh wieder zu ihm. Viel spaß noch.“
Als sie das Zimmer verlassen hatte, war Marie erst einmal ein bisschen geschockt.
,,So habe ich deine Mutter ja noch nie erlebt! Meinst du, ihr geht es gut?“ Die Frage hatte ich mir in letzter Zeit auch schon öfter stellen müssen.
,,Ich weiß es nicht genau, aber irgentwas ist auf jedenfall anders.“ Nina, die bis jetzt nur leise vor sich hin gegrübelt hatte, rutschte nun unruhig auf dem Sofa herum.
,,Also ich kenne sie ja nicht sehr gut, aber irgentwie kommt mir das ganze auch ein bisschen komisch vor. Verstehst du jetzt was wir meinen?“ Wandte sie sich an Marie.
,,Ja, auf jedenfall ist hier irgentwas komisch. Was kann ich euch leider auch noch nicht sagen.“
,,Ja, schon okay, aber gut, dass wir jetzt wenigstens wissen, dass es uns nicht nur so vorkommt, sondern das wirklich was los ist.“
,,Ja. Naja, ich komme auf jedenfall in den nächsten Tagen noch mal wieder und dann fragen wir noch einmal deine Eltern, okay?“ Ich nickte. Doch dann fiel mir plötzlich etwas ein.
,,Wartet mal. Wie lange hatten wir jetzt schon Ferien?“ Wandte ich mich an Nina.
,,Mhm, ich denke mal so 3-4 Tage. Wieso?“
,,Wenn wir jetzt schon 4 Tage hatten haben wir nur noch 3 Tage Ferien und Papa will bestimmt einen Tag bevor die Schule wider anfängt nach Hause fahren, dass heißt wir bleiben nur noch 2 Tage hier?!“ Das war viel zu wenig Zeit die uns blieb, um das alles herauszufinden.
Auch Nina sah plötzlich ziemlich schlecht gelaunt aus. Wir hatten uns hier beide ein wenig eingelebt und jetzt mussten wir schon wieder weg?
,,Das ist echt wenig Zeit. Könnt ihr nicht noch ein bisschen hierbleiben?“
,,Nein, wir haben ja wieder Schule.“ Einige Zeit sagte niemand was. Wir verstanden uns zu dritt echt super, es war echt schade das wir nicht zusammen auf eine Schule gehen konnten.
,,Schade...Naja, dann muss ich meine Eltern eben fragen, ob ich Heute Nacht hier bleiben kann. Es ist ja von hier aus nicht so weit zur Schule, dann muss ich nur Morgen früher als ihr aufstehen, wenn das okay ist.“ Ich fand die Idee sehr gut, die Frage war nur, ob meine Mutter das auch so sah, ihrer Laune nach zu Urteilen eher nicht.
,,Das wäre echt super, aber ich denke nicht das meine Mutter das auch so toll finden würde.“
,,Ach, dass bekomme ich schon hin.“ Ich glaubte ihr das, denn sie hatte schon immer eine extreme Durchsetzungskraft gehabt. Das war auch ein Punkt den ich an ihr bewunderte.
,,Okay. Nina, wäre das für dich auch okay?“ Nina nickte eifrig.
,,Klar. Solange ihr mich Morgen nicht weckt. Ich bin nämlich ein echter Morgenmuffel!“ Wir mussten lachen.
Den Rest des Tages verbrachten wir Hauptsächlich damit, Chips zu essen und Fernsehen zu gucken.
Das alles natürlich extra leise, denn wir hatten meine Mutter noch nicht gefragt, ob es okay wäre wenn Marie auch hier übernachten könnte und deshalb versuchten wir, wenigstens zu dritt einen ganz guten Eindruck zu machen.
Als meine Mutter dann nach langer Zeit auch mal wieder aus ihrem Zimmer herauskam ging ich schnell zu ihr.
,,Hey Mama, ich hätte da eine Frage...Wäre es okay, wenn Marie auch hier übernachten würde?“
Meine Mutter schaute auf Marie, die neben mir stand.
,,Hast du nicht Morgen wieder Schule?“
,,Ja, schon, aber ich könnte ja auch von hier aus fahren, so weit ist es ja nicht. Aber wenn es nicht geht verstehe ich das natürlich, Nina ist ja schließlich auch noch hier, also wenn ihnen das zu viel wird...“ Hatte ich schon erwähnt das Marie extrem höflich war? Das war auch vielleicht der Grund, warum alle Eltern bzw Lehrer sie mochten. Und vielleicht auch, dass meine Mutter plötzlich anders gestimmt war.
,,Also wenn deine Eltern das erlauben...Aber ihr müsst mir versprechen, früh ins Bett zu gehen weil Marie ja noch Schule hat.“
,,Danke Mama, du bist die beste!“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und wir liefen schnell ins Zimmer zurück um Maries Eltern anzurufen.
Ihre Eltern erlaubten es zum Glück und wir gingen wieder in mein Zimmer.
,,Also, was machen wir jetzt?“
,,Ich weiß es nicht genau...Aber ich möchte das mit dem Foto gerne herausfinden!“ Nina streckte sich.
,,Geht mir genauso aber ich bin irgentwie ziemlich müde...“Ich war zwar auch ein wenig müde, aber nicht so sehr wie Nina. Sie hatte ziemlich dolle Augenringe und ihre Haare waren fettig.
,,Ich auch, ist ja auch kein Wunder so lange wie wir in letzter Zeit immer aufwahren.“
Einige Zeit sagte niemand was.
,,Wollt ihr jetzt schlafen gehen oder nicht?“ Marie guckte uns erwartungsvoll an.
,,Ich weiß nicht genau...Nina willst du unbedingt schlafen oder wäre es auch okay für dich wenn wir noch ein bisschen wach bleiben könnten?“ Sie seufzte und setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl.
,,Nein, ist schon okay, aber nicht mehr soo lange, ja?“
,,Okay. Und was genau wollen wir jetzt machen?“
,,Keine Ahnung.“ Wir guckten uns eine Weile ratlos an bis schließlich meine Mutter das Zimmer betrat.
,,Habt ihr noch hunger oder wollt ihr etwas trinken?“
,,Nein danke, wir haben eben gerade etwas gegessen.“ Marie immer mit ihrer übertriebenen höflichkeit!
,,Okay. Wollt ihr sonst noch etwas?“ Ich war ziemlich erstaunt über ihren plötzlichen Sinneswandel und den anderen ging es scheinbar auch so. Marie und Nina sahen ziemlich verwirrt aus und ich musste mir die Hand vor den Mund halten um nicht laut loszulachen.
,,Ehm, nein danke Mama.“ Sie lächelte uns noch einmal zu und verließ das Zimmer.
Als sie draußen war konnte ich nicht anders, ich musste laut loslachen.
,,Was war DAS denn?“
,,Ich habe keine Ahnung, aber wieso hat sie plötzlich so gute Laune? Vor einer Viertelstunde hat sie uns noch total angemeckert...“ Wir sahen uns ratlos an.
,,Mhm, ist ja auch egal, aber es geht ihr und deinem Vater immerhin besser, also ist das doch eigentlich gut, oder?“ Ja, 'Eigentlich' war es gut aber irgentwie fand ich es trotzdem komisch.
,,Trotzdem komisch.“ Nina sprach mir mal wieder aus der Seele.
,,Ja, irgentwie schon. Ach ich weiß auch nicht. Kann man nicht irgentwie herausfinden von wem dieses Foto aufgenommen wurde?“ Das war die Idee! Denn wenn wir wussten, wer das Foto gemacht hatte konnten wir denjenigen fragen, solange es sich nicht um meine Eltern handelte.
,,Aber findet ihr nicht, dass ihr euch zu sehr mit diesem Thema befasst? Ich meine, klar seit ihr auf einem Foto zusammen drauf, obwohl ihr bis jetzt dachtet, dass ihr euch nicht wirklich davor kanntet, aber findet ihr nicht das ihr ein wenig übertreibt? Vielleicht sind deine Eltern auch einfach nur ein bisschen durch den Wind wegen dieser ganzen Sache mit deinem Vater und deine Mutter hat uns deshalb keine richtige Antwort gegeben. Kann doch einfach nur sein, dass ihr euch früher einmal gesehen habt und irgentwie spielen wart und da ist dann das Foto entstanden und danach habt ihr euch nicht mehr gesehen.“ Eigentlich hatte Marie recht, denn das was wir machten klang wirklich ein bisschen übertrieben aber ich hatte da so ein komisches Gefühl...
,,Klar ist das übertrieben, aber mein Gefühl sagt mir irgentwie das da was nicht ganz stimmt. Nina, wie siehst du das denn?“ Nina, die bis jetzt ganz still und nachdenklich zugehört hatte schreckte hoch.
,,Was?“ Ich musste lachen. Sie war schon ziemlich verrückt.
,,Ich wollte wissen, was du davon hältst und ob du auch findest, dass wir das ganze ein bisschen übertreiben. Sie dachte eine Weile nach.
,,Mhm, ja denke ich auch, aber irgentwie ist das ganze ja schon auch komisch, oder findest du nicht?“
,,Doch klar, aber ein bisschen übertreiben wir ja schon.“
Wir hingen alle unseren eigenen Gedanken nach, als mir plötzlich etwas einviel.
,,Oh, stimmt ich wollte euch ja noch etwas über meinen Vater erzählen!“ ich erzählte ihnen noch von der Sache mit dem Gericht, dass ich den Brief gefunden und gelesen hatte und das mein Vater jetzt anscheinend doch nicht hingegangen war. Als ich fertig war guckten mich die beiden ein bisschen verwirrt an.
,,Aber dein Vater ist doch Immobilienmakler, also eigentlich hat der doch garnichts mit Gericht und so weiter zu tun oder?“
,,Ja, eben, dass ist ja das komische an der Sache...“
,,Okay, so langsam wird das alles hier wirklich komisch. Das heißt, wir müssen jetzt auch noch herausfinden was das für eine Sache mit deinem Vater ist, oder?“
,,Ja, ich denke schon, allerdings wird das in zwei Tagen ziemlich schwierig.“
,,Ja, ist wirklich so...Wie sollen wir das denn anstellen? Oder du gehst einfach zu deinem Vater und fragst ihn was das für eine Sache mit dem Gericht ist...“ Ich unterbrach sie.
,,Ja genau, ich gehe zu ihm 'Hey Papa, ich wollte nur einmal eben wissen, was dass mit dem Gericht da auf sich hat, ich habe übrigens deine Sachen durchsucht und dann diesen einen Brief gefunden'.
Nee, lass mal lieber.“
,,Okay, dass wäre echt nicht so eine gute Idee. Aber Marie muss ja Morgen wieder nach Hause und bis dahin bekommen wir das sowieso alles nicht raus.“ Da hatte sie recht.
,,Ach, ich weiß auch nicht. Irgentwie muss man das doch herausbekommen können!“
,,Ja, die Frage ist nur wie.“
,,Mhm, kann man nicht irgentwas im Internet herausbekommen?“
,,Was willst du da denn bitte eingeben? 'Vater hatte einen Herzinfarkt, musste ins Krankenhaus, irgentwas mit Gericht, Mutter verhält sich komisch und Freundin und ich sind zusammen auf einem Bild als Kinder obwohl wir uns eigentlich nicht kannten'? Ich denke nicht, dass da was passendes kommen würde.“ Bei der Vorstellung mussten die anderen lachen.
,,Okay, dann auch kein Internet. Fällt euch sonst noch was ein?“ Wir sprachen viele Möglichkeiten durch aber keine davon wahr besonders gut. Wir wollten gerade aufgeben als mir etwas einfiel.
,,Gott sind wir dumm! Nina, warum fragen wir nicht einfach deine Eltern?“ Sie rutschte unruhig auf dem Sofa herum.
,,Naja, also die sind ja nicht so oft da und so, ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist...“
,,Ich hatte jetzt eigentlich ein bisschen mehr Begeisterung erwartet!“ Sagte ich beleidigt.
,,Also ich finde die Idee ziemlich gut und auch wenn deine Eltern nicht so oft da sind, die werden ja irgentwann mal Zuhause sein, oder?“ Meldete Marie sich zu Wort.
,,Ich weiß nicht, also im Moment nicht so oft, keine Ahnung...“
,,Komm schon Nina, deine Eltern wissen doch sicher auch was über das Foto. Vielleicht haben sie es ja sogar gemacht!“
,,Ich denke nicht, also mir kommt der Hintergrund auch nicht wirklich bekannt vor oder so...Wir können doch nochmal deine Mutter und deinen Vater fragen, oder?“ Ich verstand irgentwie ihr Problem nicht und Marie ging es scheinbar genauso.
,,Aber es wäre doch viel einfacher deine Eltern zu fragen, Lauras Eltern reagieren ja nicht wirklich darauf, aber deine geben dir bestimmt irgenteine Antwort.“ Nina sah plötzlich ziemlich genervt und...Wütend? Aus.
,,Ist doch auch egal, dann sind wir eben zusammen auf einem Foto, ist doch auch nicht soo wichtig, oder? Können wir jetzt bitte schlafen?“ Marie und ich guckten uns ratlos an. Vor einer Stunde wollte Nina doch auch unbedingt wissen was das mit dem Foto auf sich hatte. Irgentwie waren Heute alle echt komisch drauf.
,,Ehm ja, okay. Ich mache nur noch die Betten fertig.“ Ich machte die Betten, Nina legte sich sofort hin, drehte sich um und schlief ein.
,,Was ist denn jetzt mit ihr los?? Habe ich irgentwas falsches gesagt oder so?“ Flüsterte mir Marie zu.
,,Nein, hast du nicht und ich weiß auch nicht was mit ihr los ist. Aber ich habe mitbekommen das sie nicht gerne über ihre Eltern redet, ich weiß garnichts über ihre Familie und kenne sie auch nicht.“
,,Mhm auch irgentwie komisch...Aber das tut mir Leid das sie nicht gerne über ihre Eltern spricht. Hätte ich das gewusst hätte ich sie ja auch nicht darauf angesprochen oder so...“
,,Hey, ich habe sie darauf angesprochen und du kannst ja nichts dafür. Wenn sie uns nicht sagt was los ist, ist es ja nicht unsere Schuld wenn wir etwas erwähnen was sie nicht so toll findet, oder?“
,,Ja, okay. Aber dann versuche ich, nichts mehr über ihre Eltern zu sagen.“
,,Nein, dass brauchst du nicht. Solange sie uns nicht sagt was los ist, ist es ja nicht unsere Schuld, also...“
,,Ja, aber das war echt eine gute Idee ihre Eltern zu fragen...Schade, dass sie das nicht möchte.
Aber Was ich nicht verstehe ist, warum sie dass immer herausfinden wollte mit dem Foto und jetzt interessiert sie das plötzlich garnicht mehr.“ Das verstand ich allerdings auch nicht.
,,Geht mir genauso. Naja, wir können ja eigentlich einfach nur abwarten, vielleicht ist sie Morgen auch plötzlich wieder ganz begeistert von der Idee? Bei ihr kann man ja nie wissen.“
Wir legten uns ebenfalls ins Bett und schliefen schon bald ein.


25.


Nina war auch am nächsten Tag nicht begeistert von der Idee, so wie Marie und ich gehofft hatten.
Als wir sie darauf ansprachen reagierte sie ziemlich zickig.
,,Können wir das Thema nicht jetzt einfach mal lassen? Mir ist es jetzt auch egal ob wir uns schon früher kannten oder nicht, macht da doch nicht so ein Drama draus!“
Damit war das Thema erstmal erledigt. Marie warf mir die ganze Zeit ratlose Blicke zu, aber ich konnte auch nichts machen, ich war genauso verwirrt wie sie.
Da Marie ja zur Schule musste hatten wir uns einen Wecker gestellt und saßen jetzt zu dritt an dem Frühstückstisch. Nina war ziemlich schlecht gelaunt und unsere Laune wurde durch ihre Kommentare auch nicht gerade besser.
Wir waren fertig und Marie und ich räumten den Tisch ab (Nina hatte irgentwas von duschen gemurmelt und war dann nach oben verschwunden) und machten uns fertig. Eigentlich hätten Nina und ich nachdem Marie losgefahren war noch weiterschlafen können, aber wir waren beide nicht mehr wirklich müde. Ich hatte irgentwie keine große Lust, den kompletten Tag mit der schlechtgelaunten Nina in einem Zimmer zu verbringen, also versuchte ich die Sache mit ihr zu klären.
,,Hey, was ist eigentlich los?“ Nina schaute von einer Zeitschrift auf, die sie eben noch gelesen hatte.
,,Wieso, was soll los sein?“ War ja klar das sie jetzt so tat als wäre alles klar.
,,Du benimmst dich voll anders und so. Haben wir irgentwas falsches gesagt oder so? Du hast seit Gestern voll schlechte Laune.“ Nina legte die Zeitschrift weg.
,,Ich hatte keine schlechte Laune, ich bin und war einfach nur genervt davon, dass wir immer über diese ganzen Sachen mit deinem Vater und den Fotos und so weiter reden müssen. Das nervt!“
Ich verstand es trotzdem noch nicht.
,,Das kann ich ja verstehen, aber du wolltest das doch selber so gerne wissen und warst auch meistens diejenige die mit dem Thema angefangen hat und so und dann ganz plötzlich hattest du kein Bock mehr darauf?“ Das fand ich jetzt wieder irgentwie komisch.
,,Ja, ich weiß, aber irgentwie hatte ich da keine Lust mehr drauf. Kann ja sein das ich ein bisschen übertrieben habe aber mich nervt sowas immer schnell.“ 'Ein bisschen überreagiert' war auch ein bisschen untertrieben aber ich sagte nichts, denn ich hatte keine Lust wieder streit mit ihr zu haben, denn stress war das letzte was ich im Moment gebrauchen könnte.
,,Okay. Vertragen wir uns wieder?“ Sie nickte und ich war extrem erleichtert.
Ich sprach sie lieber nicht mehr auf die ganze Sache mit dem Foto an, damit wir nicht schon wieder einen Grund hatten zu streiten.
,,Kommt Marie Heute wieder?“ Ich nickte.
,,Ja, sie wollte nach der Schule wahrscheinlich noch einmal vorbeischauen. Wieso?“ Nina sah en wenig verlegen aus.
,,Naja, vielleicht sollte ich mich auch nochmal bei ihr entschuldigen. Ich hatte wohl einfach nur ziemlich schlechte Laune. Meinst du, sie will sich wieder mit mir vertragen?“
,,Bestimmt. Marie ist zum Glück nicht sehr nachtragend.“ Nina sah sehr erleichtert aus und sie lächelte mich an.
,,Danke das du mir verzeihst. Tut mir wirklich leid, ich wollte eigentlich keinen Stress mit euch.“
Ich war echt froh das wir den stress begraben hatten und lächelte zurück.
,,Ach, dass ist doch kein Problem, ich habe selber keine große Lust auf streit.“
Ich nahm mir ebenfalls eine Zeitschrift und wir lasen noch eine Weile. Aber irgentwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich wollte mit irgentjemanden über die Sache mit meinem Vater und dem Foto sprechen, aber ich hatte Angst das Nina wieder sauer werden würde, wenn ich das Thema ansprechen würde, also ließ ich es. Ich schaute sie nur öfters während sie ebenfalls eine Zeitschrift las von der Seite an. Ich dachte nicht das sie das mitbekommen hatte, aber da hatte ich falsch gedacht. Irgentwie legte sie ihre Zeitschrift seufzend weg und sah mich an.
,,Okay, worüber willst du reden? Irgentwie macht mich das ein bisschen nervös wenn du mich die ganze zeit so gruselig von der Seite anguckst.“ Ich druckste ein wenig rum.
,,Naja, also ich weiß ja das du nicht so gerne darüber reden willst, deswegen...Ach ist doch egal, ich lese weiter, okay?“ Eigentlich dachte ich das die Sache damit erledigt war, aber sie ließ nicht locker.
,,Sag schon. Es geht um deinen Vater, oder?“ Irgentwie verstand ich sie nicht. Vorhin hatte sie noch gesagt das sie keine Lust mehr hatte darüber zu sprechen und jetzt quetschte sie mich regelrecht darüber aus?!
,,Ich dachte du wolltest nicht mehr darüber sprechen?“
,,Mhm naja, also wir können ja schon darüber reden...Nur halt nicht die ganze zeit. Und ich meinte auch eigentlich damit auch nur die Sache mit dem Foto und nicht das mit deinem Vater.“ Ich wurde aus ihr nicht mehr wirklich schlau, also tat ich mal als würde ich sie verstehen.
,,Oh, okay...“ Sie guckte mich erwartungsvoll an.
,,Also, was ist jetzt mit deinem Vater??“ Irgentwie war mir die Lust mit ihr darüber zu reden vergangen, aber da musste ich jetzt wohl durch.
,,Naja, also wie soll ich herausfinden was das für ne Sache mit dem Gericht und so weiter ist?“
Sie überlegte einige Zeit.
,,Wie wärs wenn du zu diesem Typen gehst, der deinem Vater den Brief geschickt hat und ihn einfach fragst worum es bei diesem Termin geht?!“ An sich eigentlich eine ganz gute Idee, dass Problem war nur das ich keine Ahnung hatte, wie dieser Mann hieß und wo sich der Brief befand wusste ich auch nicht. Das erklärte ich dann auch Nina, die darauf vorschlug einfach das Büro wo ich den Brief damals gefunden hatte zu durchsuchen.
,,Okay, wir können ja mal gucken. Meine Mutter ist bei der arbeit und mein Vater schläft soweit ich weiß noch.“Wir gingen leise zu dem Zimmer und ich drückte die Türklinke runter.
,,Mist. Verschlossen!“ Nina schob mich ein bisschen zur Seite und rüttelte ebenfalls an der Türklinke.
,,Warum verschließt deine Mutter ihr Büro?? Sonst ist doch auch niemand hier, oder?“ Sie hatte recht, ich wunderte mich auch ziemlich. Seit wann verschloss meine Mutter ihr Büro?
,,Stimmt, eigentlich ist außer meiner Mutter niemand hier der in ihr Büro gehen würde. Komisch...“
,,Ja, irgentwie schon. Naja, kann man nicht ändern. Außer du würdest deiner Mutter den Schlüssel klauen...“
,,Das Problem ist, ich habe keine Ahnung wo der Schlüssel sein könnte...Vielleicht hat sie ihn ja auch mit zur Arbeit genommen, dass denke ich nämlich.“ Nina überlegte einige Zeit.
,,Habt ihr nicht so ein Schlüsselbrett oder wie man das nennt? Also wo ganz viele Schlüssel dran hängen?“
,,Wir hatten mal eins, aber da hat niemand seinen Schlüssel dran gehängt, also haben wir das abgeschafft. Mama hat den bestimmt mit in die Schule genommen. Aber ist ja auch egal, man kann es sowieso nicht ändern.“
,,Mhm okay, dann gehen wir wieder in dein Zimmer, okay?“
,,Klar.“ Ich wollte zwar nicht so leicht aufgeben, allerdings fiel mir im Moment auch keine andere Möglichkeit mehr ein.
Wieder im Zimmer angekommen, schmissen wir uns aufs Bett. Nina betrachtete meine fein sortierten Bücher und guckte mich daraufhin erstaunt an.
,,Ich wusste garnicht das du so viel liest!“ Das sah sie natürlich total falsch, denn die meisten Bücher stammten aus meiner Kindheit, denn ich hatte es noch nicht geschafft sie zu entsorgen.
,,Mache ich auch nicht so viel, aber die meisten Bücher habe ich noch von früher.“ Nina ging zu meinem Bücherregal und zog ein blaues Buch zwischen den anderen heraus, dass allerdings schon ziemlich zerflettert aussah. Ich erkannte es, sprang schnell auf und nahm es ihr noch bevor sie es lesen konnte aus der Hand.
,,Was ist das? Sieht aus wie ein Notizbuch.“
,,Nah dran, dass ist mein Tagebuch.“ Sie musste grinsen.
,,Oha, was steht da denn geheimes drinnen?“
,,Als ob ich dir das jetzt sagen würde.“ Ich zog das Buch wieder aus dem Regal und tat es in meine Tasche.
,,Okay, dann eben nicht!“ Sie tat gespielt beleidigt und ich musste lachen.
,,Vielleicht später.“ Plötzlich klingelte es an der Tür. Nina wollte gerade aufstehen und zur Tür gehen aber ich kam ihr zuvor.
,,Ich mach das schon.“ Vor der Tür stand Marie.
,,Hey, was machst du denn schon hier? Es ist doch erst 12.“
,,Ich weiß, aber es sind ein paar Stunden ausgefallen.“ Ich ließ sie rein.
,,Achso cool, okay komm rein.“ Ich nahm ihr die Jacke ab und sie fragte mich leise was jetzt mit Nina war.
,,Naja, wir haben uns wieder vertragen, sie meinte sie hatte einfach nur schlechte Laune. Ich verstehe es zwar auch nicht ganz, aber ich wollte mich wieder mit ihr vertragen, verstehst du?“
,,Ja, klar, ich habe auch im Moment keine Lust auf stress.“
,,Bei dir wollte sich Nina auch noch entschuldigen.“ Als hätte ich sie gerufen stand sie plötzlich an der Treppe.
,,Hey Marie.“ Marie legte ihre Jacke ab und begrüßte Nina ebenfalls, wenn auch ein wenig kalt.
Das merkte auch Nina.
,,Ähm, es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht so anzicken. Alles wieder okay?“ Marie guckte sie einige Zeit zweifelnd an, doch dann seufzte sie ergeben.
,,Okay.“
Daraufhin ging Nina zu Marie und umarmte sie stürmisch.
,,Danke, du bist die beste!“ Marie warf mir einen bisschen verzweifelten Blick zu, aber ich konnte ihr da leider auch nicht helfen. Ich wusste das Marie nicht der Typ für stürmische Umarmungen war, aber dass musste sie jetzt alleine hinbekommen.
,,Äh, danke. Wollen wir nicht hochgehen?“ Ich nickte und Marie schnappte sich noch schnell einen Jogurt aus dem Kühlschrank bevor wir in mein Zimmer hochgingen.


26.


Einige Zeit später kam auch meine Mutter von der Arbeit wieder. Meinen Vater hatten wir den ganzen Morgen nicht gesehen.
Als meine Mutter nach Hause kam, waren ihre ersten Worte ,,Wie geht es deinem Vater??“
Da wir Heute noch kein einziges Mal nach ihm gesehen hatten, hatten wir auch ein dementsprechend schlechtes Gewissen.
,,Ähm, also wir haben ihn Heute noch nicht gesehen, tut mir Leid, ich wusste nicht das ich nach ihm gucken sollte.“ Meine Mutter wurde sofort wieder wütend.
,,Natürlich solltest du nach deinem kranken Vater gucken, was denkst du denn?! Was ist zum Beispiel wenn er hunger hat? Er kann ja schlecht einfach aufstehen und sich selber was machen, so wie es ihm im Moment geht!“ Wenn das mit ihrer Laune so weiter gehen würde, würde ich bald die nerven verlieren. Mama stürmte in das Zimmer wo mein Vater schlief und kam kurz darauf wieder in mein Zimmer.
,,Du hast Glück, er schläft! Aber stell dir mal vor, er wäre wach gewesen und hätte nach dir gerufen weil er noch nicht aufstehen darf, du hättest es wegen deiner lauten Musik schon nicht gehört!“
Hätte, hätte, hätte...Ich konnte es nicht mehr hören!
,,Mama, er schläft aber noch und hat nicht nach mir gerufen. Also ist nichts passiert!“
Ich sah meiner Mutter an das sie kurz davor war auszurasten.
,,Es ist zum Glück zwar nichts passiert, aber es HÄTTE ja etwas passieren können!“
Schon wieder dieses Wort. Wie ich es hasste!
,,Ja, aber es ist nichts passiert. Wann verstehst du das endlich?“
,,Ich verstehe es ja, aber ich möchte einfach nur das du in Zukunft mehr aufpasst! Ist das klar?“
Nina und Marie die bis eben schweigend auf meinem Bett gesessen hatten, schreckten bei dem lauten Ton meiner Mutter hoch. Ich gab mich geschlagen. Es hatte ja doch keinen Sinn mit meiner Mutter zu diskutieren.
,,Ja, schon klar Mama. Ich verspreche dir, in nächster Zeit besser aufzupassen.“
,,Das hoffe ich. Und stell endlich die Musik leiser!!!“ Bei den letzten Worten sprang Marie hoch lief zu meiner Anlage und stellte die Musik ganz ab.
Meine Mutter warf ihr einen für ihre Laune dankbaren Blick zu und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer.


27.


Nina und ich erzählten Marie von unserer Idee das Büro zu durchsuchen. Sie war auch ganz begeistert davon, aber auch ihr fiel nichts mehr ein als sie hörte das wir den Schlüssel nicht besaßen.
,,Und was machen wir jetzt? Können wir nicht einfach warten bis deine Mutter diesen Raum wieder aufschließt? Sie ist doch selber öfters in dem Büro oder nicht?“ Ich dachte nach.
,,Ja...Eigentlich schon. Das heißt wir warten einfach bis sie das nächste Mal dort ist und danach schleichen wir uns in das Büro und suchen den Brief?“ Die anderen beiden nickten.
,,Hört sich eigentlich nach einem nicht so schlechten Plan an, würde ich sagen.“
,,Das einzige Problem wäre nur, das wir keine ahnung haben, wann deine Mutter wieder in das Büro geht.“ Gab Nina zu bedenken. Womit sie natürlich absolut recht hatte.
,,Das stimmt auch wieder. Und wie kann man das rausfinden?“ Es war ein nicht endener Gedankenkreis, überall gab es Haken und Fehler.
,,Ach ich weiß es auch nicht. Wir haben noch nicht einmal Schule und trotzdem muss ich so viel nachdenken. Ich hasse es!“ Sagte Nina mit einem 'leicht' ironischem Unterton.
,,Und was machen wir eigentlich mit dem Foto?“ Mit dieser Frage hatten weder Nina noch ich gerechnet. Und ich hatte gedacht, dass Marie kurz nach der auseinandersetzung mit Nina selbst nicht so dumm gewesen wäre und das Thema angesprochen hätte. Aber sie tat es und ich war gespannt wie Nina darauf reagierte.
,,Also eins ist klar, meine Eltern fragen wir schon einmal nicht! Wir können jeden Menschen auf dieser Welt dazu was fragen, nur meine Eltern nicht!“ Marie und ich nickten. Wir wussten beide nicht wieso sie es nicht wollte. Aber wenn es ihr so wichtig war würden wir ihre Eltern auch nicht dazu fragen.
,,Okay. Wenn es dir so wichtig ist werden wir es nicht machen.“ Nina sah erleichtert aus.
,,Danke, das ist echt nett von euch. Und ich kann es euch leider nicht erklären wieso ich es nicht möchte, aber es ist mir echt wichtig. Könnt ihr das verstehen?“ Marie nickte.
,Ja, wie gesagt. Ich verstehe es zwar wirklich nicht...“ Ich unterbrach sie schnell, damit sie nicht wieder etwas sagen konnte, was einen streit auslöste und warf ihr einen schnellen Blick zu.
,,Jaa, aber ist ja jetzt auch egal. Lassen wir das. Marie, gibst du mir mal bitte meine Tasche? Da ist
noch mein Handy drin.“ Sie reichte mir die Tasche, ich machte mich auf die suche nach meinem
Handy und Nina ging schnell um sich etwas zu essen zu machen.
Nach kurzer Zeit hatte ich mein Handy in der Hand, doch mein Tagebuch war nicht zu finden.
Als ich Marie darauf aufmerksam machte, half sie mir zu suchen.
,,Wo hattest du es denn zuletzt?“ Ich dachte nach. Nina hatte es ja aus dem Regal rausgenommen, daraufhin hatte ich es an mich genommen und in meine Tasche getan.
,,Ganz sicher in meine Handtasche aber da ist es ganz sicher nicht, ich habe eben alles durchsucht!“
Marie sah ein wenig irritiert aus.
,,Das ist komisch, du hast es doch erst vor noch nicht so langer zeit in die Tasche getan. Das Buch kann doch nicht einfach so verschwinden!“ Ich nickte.
,,Ja, vor ungefähr einer Stunde habe ich es in die Handtasche gelegt. Oder ist es vielleicht doch wieder in meinem Bücherregal?“ Wir sahen alle Bücher durch, nur mein Tagebuch war nicht zu finden.
Marie kam gerade wieder, als wir unter dem Bett suchten.
,,Hey, was macht ihr denn da?“ Ich kam unter dem Bett herausgekrochen.
,,Ich weiß nicht mehr wo mein Tagebuch ist. Aber ich habe es doch ganz sicher in meine Tasche getan, du warst doch dabei, oder?“ Nina nahm ebenfalls an der Suche teil und durchsuchte meine Tasche.
,,Ja, ich bin mir auch ganz sicher das du es in die Handtasche getan hast. Vielleicht ist es ja auch einfach nur runtergefallen oder so. Du findest es schon noch.“ Als sie meinen verzweifelten Blick sah, setzte sie sich zu mir aufs Bett und legte den Arm um mich.
,,Standen da denn so wichtige Sachen drinnen?“ Ich nickte.
,,Ja, eigentlich schon. Außerdem war es aus der Zeit als Zoe noch gelebt hat. Es war auch eine Erinnerung an sie.“ Marie setzte sich ebenfalls zu mir.
,,Ich kann verstehen das es nicht so toll ist das du das Buch nicht findest, aber ich bin mir ziemlich sicher das es sich noch finden wird. Wie Nina schon gesagt hat, es liegt bestimmt hier unter irgenteinem Klamottenstapel oder so.“ Sie hatte recht, das Tagebuch würde sich bestimmt noch finden. Trotzdem hatte ich irgentwie ein komisches Gefühl dabei.
Meine Mutter betrat das Zimmer und hielt etwas in der Hand.
,,Ich weiß zwar nicht, wie es da hin kommt, aber dein Tagebuch lag in der Wäschekiste! Sei froh das ich es nicht mitgewaschen habe.“ In der Hand hielt sie mein blaues altes Tagebuch!
Ich nahm es ihr schnell aus der Hand.
,,Oh, danke Mama, wir haben es die ganze Zeit gesucht.“ Meine Mutter runzelte die Stirn.
,,Wie kommt denn bitte dein Tagebuch in die Wäschekiste?“ Das fragte ich mich allerdings auch.
,,Ich habe keine Ahnung, aber danke dass du es mir wiedergegeben hast.“ Sie nickte.
,,Na das wäre ja noch schöner gewesen, wenn ich es behalten hätte.“ Ich musste grinsen.
,,Ja, stimmt!“ Sie legte noch einen Wäschestapel auf mein Bett und ich machte die Tür hinter ihr zu.
,,Hat jemand von euch eine Ahnung wie mein Tagebuch in die Wäschekiste gekommen ist??“ Fragte ich die anderen beiden. Beide schüttelten ratlos den Kopf.
,,Keine Ahnung, aber naja, also meine Sachen liegen meistens irgentwo wo sie nicht hingehören, von daher ist es jetzt nicht soo ungewöhnlich würde ich sagen...“ Nina legte sich auf mein Bett, nahm eine Zeitschrift und blätterte darin herum.
Marie nahm sich ebenfalls eine Zeitschrift und ich las ein wenig in meinem Tagebuch rum.
Aber irgentwas stimmte damit nicht. Ich hatte das Tagebuch sehr schnell durchgelesen, aber das Datum zeigte an das ich das letzte mal einen Eintrag vor ca einem Monat gemacht hatte, obwohl ich mir ziemlich sicher war das ich noch vor einer Woche etwas geschrieben hatte.
Und dann sah ich es. Die Seiten der letzten drei Wochen waren herausgerissen worden!


28.


Als Nina und Marie bemerkten das irgentwas nicht stimmte legten sie ihre Sachen weg und guckten mich an.
,,Was ist denn los?“ Marie kam und setzte sich neben mich.
,,Irgentjemand hat die Seiten von dem letzten Monat aus meinem Tagebuch herausgerissen und ich war es ganz bestimmt nicht!“ Jetzt kam auch Nina.
,,Bist du dir sicher? Kann es nicht sein das du in einem anderen Tagebuch weitergeschrieben hast oder so?“ Ich schüttelte den Kopf.
,,Ich bin mir GANZ sicher! Ich habe nie ein anderes Tagebuch gehabt außer das hier.“
,,Aber warum hast du eigentlich noch alle deine Bücher hier und nicht in deinem neuen Haus? Wolltest du nicht noch in deinem Tagebuch weiterschreiben?“ Ich überlegte.
,,Ich weiß es auch nicht genau...Eigentlich wollte ich ja einen kompletten Neuanfang machen und deshalb auch ein neues Tagebuch anfangen, aber in letzter Zeit bin ich noch nicht dazu gekommen.“
Ich öffnete das Fenster. Das Wetter war schon wieder viel besser geworden, die Sonne schien und es sah wieder ein wenig nach Sommer aus.
,,Mhm...Und du selber hast die Seiten auch nicht da rausgerissen?“
,,Nein, mit Sicherheit nicht!“ Nina nahm mir das Tagebuch aus der Hand und blätterte es durch.
,,Scheint sogar so, als hätte derjenige sogar eine Seite direkt in der Mitte durchgerissen. Aber wieso sollte jemand das tun??“ Keiner wusste eine Antwort darauf.
,,Stand da denn etwas wichtiges drinnen? Also irgentwas was für andere Wichtig sein könnte?“
Ich schüttelte den Kopf.
,,Naja, eigentlich nicht, ich bin mir aber nicht so sicher...Hier, ihr könnt es euch durchlesen.“ Ich gab den beiden das Buch und sie fingen an zu lesen. Als sie fertig waren sagte keiner was. Bis Marie plötzlich etwas auffiel.
,,Entschuldigung für die Frage, aber wann genau ist Zoe noch einmal gestorben?“
Ich wusste das Datum selber nicht mehr so genau.
,,Ich weiß es jetzt nicht so genau, aber ich denke vor ungefähr zwei Monaten...Wieso?“ Marie dachte nach.
,,Also es scheint so, als würden die Seiten vom letzten Monat rausgerissen worden, du hast das letzte Mal vor ca einem Monat etwas hinein geschrieben, wenn Zoe vor zwei Monaten gestorben ist, hat derjenige der die Seiten herausgerissen hat eindeutig die rausgerissen die du in der Zeit geschrieben hast, kurz nachdem Zoe gestorben ist.“ Das stimmte genau, aber ich wäre überhaupt nicht auf so eine Idee gekommen.
,,Das könnte sein! Aber wieso sollte jemand was über die Zeit wissen wollen wie es mir in der Zeit nach Zoe's tot ging?“
,,Ich weiß es ja auch nicht genau...Aber vielleicht hat das Thema jemanden interessiert...Wie hast du noch gesagt ist Zoe gestorben?“ Irgentwie hatte ich das Gefühl das Marie die gleiche Theorie hatte wie ich.
,,Bei einem Fahrradunfall. Aber soweit ich weiß ist sie nie Fahrrad gefahren...“ Marie nickte und schrieb sich irgentwas auf.
,,Okay. Und was soll passiert sein? Ich meine, man fällt ja nicht einfach tot vom Fahrrad, oder?“
Ich überlegte. Irgentjemand hatte mir das noch einmal erklärt, was genau passiert war. Wer es war wusste ich selber nicht mehr. Ich hatte auch garnicht so richtig zugehört, ich war eher noch geschockt.
,,Mhm...Ich kann mich nicht mehr so gut erinnern, aber jemand hat gesagt sie wäre mit dem Fahrrad ein wenig vom Weg abgekommen und dann wäre sie von einem Auto angefahren worden.“ Ich musste meine Tränen zurückhalten. So lange war es garnicht her, sie war erst vor kurzem gestorben.
Marie nickte wieder.
,,Ah, okay...Gab es damals nicht irgentwelche Zeitungsartikel oder so dazu? Ich denke nämlich schon. So groß ist unsere Stadt ja nicht, wenn da so etwas passiert kann man davon ausgehen das es Zeitungsartikel gegeben hat, oder?“ Darüber hatte ich noch garnicht nachgedacht. Aber sie hatte natürlich recht, es hatte bestimmt so einige Berichte gegeben. Nina, die bis jetzt nur schweigend zugehört hatte, meldete sich jetzt auch zu Wort.
,,Marie, worauf willst du eigentlich hinaus?“ Wir guckten sie beide erwartungsvoll an.
,,Naja...Also...Ich weiß nicht genau, wie ich es ausdrücken soll aber...Sicher das sie wirklich bei einem 'Fahrradunfall' gestorben ist? Soweit ich das mitbekommen habe wurde ihre Leiche noch nicht einmal gefunden, oder?“ Als sie sah das ich schon Tränen in den Augen hatte versuchte sie schnell mich zu beschwichtigen.
,,Tut mir leid, wenn du nicht darüber reden willst kann ich das verstehen.“ Ich wischte mir die Tränen aus den Augen.
,,Nein, ist schon okay, ich kann nur nicht so einfach darüber reden, aber dass hilft uns ja auch nicht weiter, also wir können darüber sprechen, ist schon okay.“
,,Okay. Aber sag bescheid wenn du es nicht möchtest.“ Ich mochte Marie besonders wegen ihrer ruhigen Art, mit ihr und auch mit Nina konnte man wirklich gut reden.
,,Also. Nein, ihre Leiche wurde nicht gefunden. Warum auch immer. Aber der Typ der sie angefahren hat, meinte dass sie sich nicht mehr bewegt hat und als er sich umgedreht hat und den Krankenwagen gerufen hat war sie weg. Nur sehr viel Blut war anscheinend noch da. Naja, jedenfalls hat der Mann den Krankenwagen gerufen und dann fahrerflucht begangen, wurde aber später wiedergefunden, da es Augenzeugen gegeben hatte. Die Polizei hat die Leiche gesucht aber nie gefunden. Selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt noch gelebt hätte wäre sie spätestens tot, ich meine, niemand kann ohne Essen und so überleben und es wurde überall nach ihr gesucht.
Aber eine Leiche kann sich ja auch nicht einfach so fortbewegen! Die Polizei sucht glaube ich immer noch nach ihr, aber es gab noch keine Spur.“ Ich wusste ja doch mehr, als ich gedacht hätte. Als hätte Nina meine Gedanken gelesen sagte sie ,,Manchmal hat man durch so ein Erlebnis ein bisschen Gedächtnisverlust. Das kommt dann alles wieder, wenn man sich wieder ein bisschen wohler fühlt. Wollen wir vielleicht deine Mutter nach Zeitungsberichten fragen? Sie hat bestimmt noch welche, soweit es denn welche gegeben hatte.“ Ich musste erst einmal ein bisschen darüber nachdenken. Wollte ich wirklich Zeitungsberichte über meine ehemals beste Freundin lesen? In der sowieso nur stand, dass es noch keine Hinweise gab? Ich entschied mich. Wenn ich etwas über diesen Fall herausbekommen wollte am besten mit den einfachsten Mitteln. Und das eine Mittel war in diesem Falle eben die Zeitung.
,,Okay, gehen wir meine Mutter fragen. Ihr beiden kommt doch mit, oder?“ Die beiden nickten und wir gingen nach unten, wo wir meine Mutter beim Wäsche aufhängen vorfanden.
,,Mama? Ich habe eine Frage...“ Sie blickte auf.
,,Ja? Frag schnell, ich habe gerade nicht soviel Zeit.“ Im Moment war sie total hektisch, hatte irgentwie auch nie Zeit für mich. Das fand ich echt schade.
,,Ja, also ich wollte nur wissen...Ob es von dem Fall mit Zoe vielleicht irgentwelche Zeitungsartikel gibt oder so?“ Jetzt konzentrierte sich meine Mutter ganz auf mich.
,,Du wolltest doch eigentlich nie etwas bestimmtes darüber wissen...Warum denn jetzt auf einmal?“
,,Naja...Sie war meine beste Freundin und...Mich interessiert das einfach.“ Ich hoffe, dass war für sie Grund genug. Ich sah ihr zwar an, das sie dachte dass wir irgentwas ausheckten, aber sie ging trotzdem nachgucken ob die noch Artikel da hatte. Hatte sie. Und zwar ein paar mehr.
,,So, hier, mehr habe ich aber leider nicht.“ Marie, Nina und ich nahmen ihr die Artikel ab.
,,Danke, das reicht auch.“ Meine Mutter gab mir einen Kuss.
,,Okay, ich mache gleich etwas zu essen, habt ihr hunger?“ Ich sah die beiden anderen an. Die beiden schüttelten unaufällig den Kopf.
,,Nein danke, wir machen uns später selber was. Wir gehen dann mal hoch ins Zimmer, bis nachher.“ Mit den Zeitungen machten wir uns auf den Weg nach oben. Im Zimmer angekommen ließen wir uns erschöpft aufs Bett sinken.
,,Wow, das sind echt viele. Hätte ich irgentwie nicht gedacht.“ Marie betrachtete die Zeitungen. Ich hätte ebenfalls nicht gedacht das sich so viele Menschen dafür interessieren könnten. Nina nahm sich eine Zeitung und hielt mir auch eine hin.
,,Willst du auch eine lesen, oder eher nicht? Wir können das sonst auch alleine machen...“
,,Nein nein, ist schon okay, ich lese auch welche.“ Ich nahm mir eine Zeitung und fing an zu lesen.

29.

In den Artikeln stand genau das, was mir gesagt worden wurde. Nur, das sie es eindeutig noch ausgeschmückt hatten. Die Zeitungen halfen uns also auch nicht weiter.
Als wir alle fertig gelesen hatten stapelten wir sie und legten sie in eine Ecke meines Zimmers.
,,Okay, das hat uns jetzt auch nicht wirklich was gebracht.“ Wir saßen alle ein wenig depremiert auf meinem Bett.
Da kam meine Mutter wieder in mein Zimmer.
,,Entschuldigt das ich schon wieder störe, aber ich wollte die bescheid sagen das ihr Morgen wieder mit zu deinem Vater fahrt. Montag ist wieder Schule und bis dahin wollte sich dein Vater noch ein wenig Zuhause ausruhen.“ Nina und ich sahen uns entsetzt an.
,,Was?? Morgen schon?“ Meine Mutter nickte erstaunt.
,,Wieso? Ist das ein Problem?“ Ich verneinte schnell.
,,Nein nein, aber ich wäre gerne noch ein wenig länger hiergeblieben.“
,,Das kann ich verstehen, aber Zuhause ist es doch auch ganz schön.“
,,Klar. Okay, dann wollte ich dich noch fragen ob Marie die Nacht nochmal hier schlafen kann...Sie hat ja jetzt Wochenende.“ Meine Mutter nickte wieder.
,,Okay. Dann viel spaß noch, ich gehe dann wieder runter.“ Mit diesen Worten verschwand sie.
,,Und was machen wir jetzt??“ Auf diese Frage hatte ich leider selber auch keine Antwort.
,,Ich denke mal nach Hause fahren. Was bleibt uns anderes übrig?“
,,Eigentlich nichts.“ Wir machten uns schon einmal Bettfertig und schliefen ohne Abendessen schließlich ein.


Am nächsten Tag wurden wir von meinem Vater geweckt. Er sah noch ziemlich müde und fertig aus, aber auch viel besser als das letzte mal als ich ihn gesehen habe.
Wir machten uns Frühstück und kurze Zeit danach wollte mein Vater losfahren.
Ich nahm mein Tagebuch mit und verabschiedete mich von meiner Mutter und Marie. Die Zeitungsartikel nahm ich zum Teil auch mit. Wer weiß, vielleicht könnten sie uns noch einmal nützlich sein.
Auf der Fahrt waren wir alle schweigsam und ich tat die meiste Zeit so, als würde ich schlafen, da ich keine Lust hatte mit meinem Vater zu reden.
Nina schlief tatsächlich. Nach einer endlosen Fahrt (So kam es mir wenigstens vor) waren wir endlich wieder Zuhause. Ich weckte Nina. Mein Vater hatte sie vor ihrem Haus abgesetzt. Die Straßen waren inzwischen wieder befahrbar.
Es stand kein Auto in der Garage aber Nina versicherte uns das sie einen Schlüssel hatte. Ich sagte ihr Tschüss und wir fuhren weiter zu mir.
Zuhause angekommen fragte ich meinem Vater wie es ihm ging. Er sagte es gehe ihm schon besser und ging ins Bett um sich noch ein wenig auszuruhen.
Ich langweilte mich, also nahm ich das Telefon und wählte Ninas Nummer.
Nach kurzer Zeit ging sie dran.
,,Hallo?“
,,Hey, hier ist Laura, ich wollte fragen ob ich zu dir rüberkommen kann. Mein Vater schläft und mir ist langweilig.“ Es war einige Zeit still.
,,Ja, du kannst herkommen aber nicht so lange. Dann bis gleich.“ Und schon hatte sie aufgelegt.
Ich zog meine Jacke und meine Schuhe an, schrieb meinem Vater einen Brief falls er aufwachte und machte mich zu Fuß auf den Weg zu Nina.
Dort angekommen klingelte ich. Zuerst machte Niemand auf, doch nach einiger Zeit hörte ich endlich Schritte. Die Tür wurde einen Spalt breit aufgemacht und Nina bat mich rein.
Ihr Haus war fast so groß wie unsers, nur nicht so schön wie ich fand. Ihr Zimmer war kleiner als meins, und nicht so gemütlich. Ich würde mich hier nicht wohl fühlen.
In ihrem Zimmer standen nicht viele Möbel und ihre Wände waren total kahl, nicht ein einziges Poster oder Bild hing dort, im gegensatz zu meinem Zimmer, das regelrecht vollgepflastert war.
Wir guckten eine Weile nur Fernsehen, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt nichts zu tun.
,,Wo sind eigentlich deine Eltern?“ Nina seufzte.
,,Mein Vater ist noch bei der Arbeit und meine Mutter wohnt nicht hier.“
,,Oh, das tut mir leid.“ Ich fragte mich nur warum sie das nicht früher erzählt hatte.
,,Nein, kein Problem, wirklich.“
,,Mhm okay...Kannst du mir mal sagen wo die Toilette ist?“ Ich bemerke erst jetzt wie dringend ich schon die ganze zeit aufs Klo musste.
,,Klar. Du gehst den Flur lang und dann die letzte Tür Rechts.“ Ich nickte und machte mich auf den Weg. Ich fand die Tür und als ich fertig war sah ich das noch eine Tür gegenüber der Toilette war. Wie gesagt, eigentlich hasste ich rumschnüffeln aber auch diese Tür war, wie auch schon die vom Zimmer meiner Mutter, einen Spalt offen. Dann sollen die Erwachsenen eben lernen Türen ganz zu schließen! Ich machte die Tür ganz auf und ging leise hinein. Es war ein kleiner Raum mit einem großen Schreibtisch in der Mitte.
Auf dem Schreibtisch lagen wie auch bei meiner Mutter Stapel von Papieren. Ich hoffte das ich hier irgentetwas finden würde, denn was ich herausfinden wollte war, was der Vater von Nina arbeitete, denn komischerweise hatte sie das noch garnicht erwähnt.
Ich nahm einen Stapel Papiere, als mir plötzlich ein paar Blätter ins Auge fielen die mir ziemlich bekannt vorkamen.
Als ich sie unter den anderen Papieren hervorzog wusste ich sofort was es war.
Es waren meine Tagebuch Seiten, genau die, die herausgerissen worden waren! Und als ich noch genauer hinsah fand ich Fotos von Zoe!
Ich schnappte mir die Papiere und Fotos, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter mir.
Als ich gerade wieder auf den Gang trat sah ich das Nina schon im Gang auf mich wartete.
Erschrocken ließ ich ein paar der Fotos fallen. Sie hob sie auf und wurde blass.
,,Oh. Wie...wie hast du die gefunden??“ Ich sah sie entgeistert an.
,,WAS? Du wusstest das dein Vater Bilder von meiner besten Freundin hat und hast es mir nicht erzählt??“ Sie blickte zu Boden. Dann zeigte sie auf meine Tagebuch Seiten.
,,Was glaubst du denn wo mein Vater die her hat??“
,,DU hast Seiten aus meinem Tagebuch gerissen? Kannst du mir vielleicht mal erklären was das alles hier soll??“ Sie schüttelte den Kopf.
,,Nein, kann ich leider nicht!“ Ich schaute sie ungläubig an.
,,Wie, du kannst nicht? Natürlich kannst du! Dein Vater hat Bilder von meiner verschwundenen besten Freundin, du reißt Seiten aus meinem Tagebuch und gibst sie dann meinem Vater...Und jetzt kannst du mir nicht erklären was hier los ist?“ Ich hatte inzwischen angefangen zu weinen. Nina stotterte nur ein bisschen verlegen herum, als ich plötzlich eine Männerstimme hinter mir hörte.
,,Nina, lass mich das erklären.“ Wir drehten uns erschrocken um. Hinter mir stand ein Mann den ich nicht erkannte – Vermutlich Ninas Vater – Und der Mann der gesprochen hatte. Mein Vater!
Jetzt verstand ich garnichts mehr.
,,Papa?? Was willst du denn hier? Und kann mir jetzt bitte mal jemand erklären was hier los ist?“
Ninas Vater nickte und führte uns alle zu einem großen Tisch. Er bat uns, sich zu setzen doch ich blieb lieber stehen. Er wechselte ein paar Blicke mit meinem Vater. Schließlich fing er an mit mir zu reden.
,,Ich weiß, das dass ganze schwer für dich ist und ich weiß auch, das du versucht hast herauszubekommen was mit deiner besten Freundin ist. Dein Vater und ich haben ebenfalls versucht es herauszufinden. Vielleicht sollte dein Vater an dieser Stelle noch etwas dazu sagen.“ Ich schaute meinen Vater erwartungsvoll an. Er guckte mich ein wenig traurig an.
,,Okay. Ich bin nicht Hauptberuflich Immobilienmakler, sondern bei der Polizei, genau wie der Vater von Nina.“ In dem Moment hatte ich ziemlich viele Fragen aber ich stellte nur eine.
,,Wieso hast du mich angelogen und mir das nicht erzählt? Weiß Mama davon?“ Mein Vater räusperte sich.
,,Ich wollte gemeinsam mit Ninas Vater herausbekommen was mit deiner besten Freundin passiert ist und wir hielten es nicht für klug, dir davon zu erzählen denn du hast in letzter Zeit schon genug durchgemacht und wir wollten dir nicht allzu große Hoffnungen machen, also haben wir es geheim gehalten. Deine Mutter weiß es auch.“
,,Habt ihr euch denn wirklich getrennt oder war das wegen deinem Beruf?“ Mein Vater sah plötzlich wieder traurig aus.
,,Wir haben uns leider wirklich getrennt, aber vielleicht ist es nicht auf dauer. Aber eigentlich wollten wir dir etwas ganz anderes erzählen.“ Ninas Vater erzählte weiter.
,,Ich habe leider nicht so gute Nachrichten. Zoe's Leiche wurde gefunden. Dein Vater und ich haben uns sehr dafür eingesetzt das sie weitergesucht haben und schließlich wurde sie gefunden. Wie sich herausstellte hat der Mann der sie angefahren hat eine falsche Geschichte erzählt und der Unfall hatte an einem anderen Ort stattgefunden als er zuerst erzählt hatte. Aber wir haben die Leiche gefunden und es wird sehr bald eine Beerdigung geben.“ Nun musste ich mich doch setzen. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf. Ich war glücklich und traurig zugleich. Glücklich darüber das dass warten ein Ende hatte und ich mir endlich keine Hoffnungen mehr machen musste, denn jetzt wusste ich das es keine Hoffnung mehr gab. Traurig darüber das sie tot war. Es hatte wenigstens noch einen winzigen Hoffnungsschimmer gegeben, der auch jetzt verloschen war.
,,Also wurde sie nicht ermordet?“ Mein Vater setzte sich neben mich und nahm meine Hand.
,,Nein, auf jedenfall nicht so wie du denkst. Der Fahrer wird eine Verhandlung haben und der Fall wird sich noch klären.“ Ich war unendlich froh das Zoe wenigstens nicht so schrecklich gestorben war wie ich es in meinen Albträumen gedacht hatte. Und plötzlich ergab auch die Sache mit dem Brief an meinen Vater einen Sinn. Er hatte natürlich nicht als Angeklagter zu dem Gerichtstermin erscheinen müssen, sondern bestimmt nur als Aufpasser oder so etwas. Ich kannte mich zwar nicht gut mit sowas aus, aber ich wusste das bei einer Verhandlung immer Polizisten zur Stelle waren.
Ich war so in Gedanken versunken das ich aufschreckte als Nina meinen Vater etwas fragte.
Ich sah wie sie das Bild wo wir beide drauf waren aus ihrer Tasche zog und ihrem und meinem Vater zeigte. Ich wusste zwar nicht wo sie das Foto jetzt schon wieder herhatte, aber mich interessierte es jetzt auch wirklich sehr, woher wir uns kannten.
Ninas Vater räusperte sich und warf immer wieder ängstliche Blicke zu meinem Vater herüber. Schließlich erklärte er es uns. Und die Erklärung schockte uns.
,,Okay, scheinbar muss ich ab jetzt mit offenen Karten spielen, wie man so schön sagt. Wir wollten es euch eigentlich erst sagen wenn ihr Sechzehn seit, aber jetzt kann man euch ja nichts mehr verheimlichen. Nina, deine Mutter und ich haben dich nur adoptiert. Du bist eigentlich die Tochter von Lauras Eltern, aber da die beiden eigentlich immer nur eine Tochter wollten, haben sie dich adoptieren lassen. Es tut mir so leid, wir hätten es euch früher sagen sollen.“ Es war so lange so still das man eine Stecknadel fallen hören könnte. Keiner sagte ein Wort. Nina und ich saßen auf unseren Stühlen und schauten einfach nur auf irgenteinen Punkt in dem Raum in dem wir waren. Unsere Väter (Oder jetzt wohl eher unser Vater und Ninas Adoptivvater) schauten sich unruhig an.
Irgentwann brach ich das schweigen. Ich stand auf und nahm Ninas Hand.
,,Ich brauche jetzt ein wenig frische Luft, kommst du mit?“ Sie nickte und wir verließen das Haus. Wir gingen einfach einen Weg lang und einige Zeit sagte keiner ein Wort. Doch dieses Mal war es Nina die das schweigen brach.
,,Ich hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. Ich meine, wir sind echt Schwestern?! Das ist echt heftig, oder findest du nicht?“ Ich gab ihr recht. Auch ich hätte als letztes damit gerechnet. Aber es war garnicht so unlogisch. Obwohl wir vom alter ziemlich nah beieinanderlagen (Ca Anderthalb Jahre) konnte es natürlich sein. Aber eine Frage hatte ich noch an Nina.
,,Was ist eigentlich mit deiner Mutter?“ Nina sah plötzlich ziemlich traurig aus.
,,Meine Adoptivmutter meinst du? Sie und mein Vater haben sich getrennt als ich gerade mal 8 Jahre alt war. Meine Mutter hatte einen neuen Freund und ist zu ihm gezogen. Seitdem hat sie sich nie mehr bei uns gemeldet, nicht einmal zu meinem Geburtstag!“ Ich sah wie ihr die Tränen in die Augen traten und nahm sie in den Arm. Und ich wusste auch das sie in Gedanken jedes Mal wenn sie 'Vater' oder 'Mutter' sagte das Wort 'Adoptiv' davorsetzen wollte.
,,Auch wenn es nicht dein leiblicher ist, es ist immer noch dein Vater. Er hat all die Jahre auf dich aufgepasst und für dich gesorgt. Das kannst du doch jetzt nicht nur weil er nicht dein leiblicher Vater ist einfach so wegdenken. Hey, vielleicht ist es noch nicht einmal so schlecht, ich meine jetzt hast du eine große Schwester – Und vielleicht auch sogar eine Mutter.“ Nina blieb stehen und nahm mich in den Arm.
,,Aber deine Mutter – Und auch meine...Ach das verwirrt mich alles irgentwie. Also 'unsere' Mutter wollte mich früher nicht. Warum sollte sie mich jetzt wollen?“ Das war ein Argument aber ich kannte meine Mutter gut.
,,Ich weiß, das sie dich früher nicht 'nicht wollte' sondern das sie einfach überfordert war. Wenn sie überfordert ist trifft sie meistens leichtsinnige Entscheidungen. Ich bin mir sicher das sie dich gerne als Tochter hätte. Und mein Vater sicher auch. Und mit deinem Vater verstehst du dich doch trotz allem auch noch gut. Also, was ist eigentlich schlimm an der ganzen Sache? Wenn man es mal so sieht hast du nur eine neue Familie dazubekommen. Oder nicht?“ Sie lächelte.
,,Ja, du hast recht.“ Ich war froh das wir das alles aufklären konnten. Und jetzt hatte ich eine Schwester! Ich hatte mir schon immer eine kleine Schwester gewünscht, ich war einfach nur noch glücklich das jetzt dieser traurige Abschnitt von meinem Leben vorbei war. Ich würde Zoe noch vermissen, sehr sogar, aber jetzt hatte ich noch einen Menschen in mein Leben dazubekommen der mir sehr wichtig wahr.
Inzwischen waren wir wieder bei Ninas Haus angekommen. Mein und Ninas Vater (Sie hatte recht, man konnte das wirklich schlecht sagen) standen schon vor der Haustür und warteten auf uns. Nina lief auf ihren Vater zu und umarmte ihn. Mein Vater kam zu mir.
,,Ich habe mit deiner Mutter gesprochen. Wir wollen uns in den nächsten Tagen einmal treffen und noch einmal in ruhe über die Trennung sprechen. Und sie wäre bereit Nina mit in unsere Familie aufzunehmen – genau wie ich. Sie wird immer Franks (So hieß Ninas Adoptivvater) bleiben, aber sie hat jetzt einfach noch eine Familie.“ Er nahm mich in die Arme und ich musste lächeln. Ich war so froh das sich alles zum guten gewendet hatte.
,,Papa, wann ist die Beerdigung von Zoe?“ Mein Vater sah mich überrascht an.
,,Oh, ich wusste nicht das du dahin gehen möchtest. Ich möchte nicht das du gehst nur weil du denkst das ist die einzige Möglichkeit dich von ihr zu verabschieden. Aber wenn du gehen willst dann geh. Der Termin ist in einer Woche. Wenn du möchtest können Nina und Marie dich begleiten, natürlich nur wenn sie auch möchten.“ Nina hatte die letzten Sätze von meinem Vater mit angehört und stellte sich dazu.
,,Ja, ich würde gerne mitkommen.“ Mein Vater lächelte sie an.
,,Ich verstehe zwar das dass ganze schwer für dich ist aber ich und meine Frau würden trotzdem noch einmal gerne in der nächsten Zeit mit dir sprechen. Wenn du zeit hast und dich wieder ein bisschen zurechtgefunden hast sag uns bescheid, okay?“ Nina lächelte schüchtern zurück.
,,Okay, vielen dank. Aber ich finde es garnicht so schlecht eine Schwester zu haben.“ Sagte sie und grinste mir zu. Ich musste lachen.
,,Also ich auch nicht, aber nur wenn du nicht wieder mein Tagebuch durchließt.“ Sie wurde rot und ich lachte wieder.
,,Hey, das war nur ein spaß.“ Sie musste grinsen und mein Vater lächelte ebenfalls ein wenig.
Da fiel mir noch etwas ein.
,,Papa, können wir bitte einmal Marie anrufen? Ich möchte sie das wegen der Beerdigung fragen und ihr alles erzählen.“ Mein Vater nickte.
,,Okay, geht rein und telefoniert, wir sehen uns dann gleich.“ Nina und ich liefen schnell rein und wählten Maries Nummer. Nachdem es ewig lange geklingelt hatte meldete sie sich endlich.
,,Hallo?“ Sie klang ziemlich verschlafen.
,,Hey, wir sinds. Haben wir dich aufgeweckt?“ Es war zwar erst vier Uhr Nachmittags, aber man konnte ja nie wissen...
,,Nein, ich war nur eben joggen. Was gibt’s denn?“ Wir erzählten ihr die komplette Geschichte, und sie unterbrach uns kein einziges Mal. Als wir geendet hatten war es am anderen Hörer erst einmal Still.
,,Bist du noch da?“ Fragte Nina besorgt. Marie räusperte sich.
,,Ja, ich bin nur ein wenig...Geschockt. Und das alles habt ihr in ein paar Stunden geschafft aufzudecken? Echt schade das ich nicht dabei war. Oh und es ist natürlich echt schlimm wegen Zoe, das tut mir Leid.“ Ich musste lächeln.
,,Ist nicht schlimm, ich meine dann muss ich endlich nicht mehr warten. Es ist zwar traurig aber ich muss mein Leben weiterleben. Ich wollte dich eigentlich noch fragen ob du zu der Beerdigung mitkommen möchtest? Nina kommt auch.“ Auf dem anderen Ende der Leitung hörte ich wie Marie einen Schluck Wasser trank. Ich hätte nicht gedacht das sie die ganze Geschichte so schockt.
,,Klar komme ich mit. Wann ist sie denn?“ Ich nannte ihr das Datum.
,,Ja, ich denke schon das ich da kann. Wir können uns ja dann noch einmal zu dritt treffen wenn ihr Lust habt.“ Wir sagten zu uns alles war geklärt. Als wir auflegten war ich einfach nur noch glücklich und auch irgentwie total bereit ein neues Leben zu beginnen. Einfach ein Leben ohne trauer, ohne ängste und mit ganz alltäglichen Schulproblemen und Geschwisterzoff.
Jetzt konnte ich einfach alles hinter mir lassen und ganz von vorne Anfangen.


2 Wochen später...

Wir alle hatten die Beerdigung gut überstanden. Ich hatte mich noch sehr schön von meiner besten Freundin verabschieden können. Und sie würde für immer meine beste Freundin bleiben.
Nina und meine (Und inzwischen auch ihre) Eltern hatten geredet und auch meine Eltern hatten sich untereinander besprochen, so das folgendes herauskam.
Meine Eltern vertrugen sich wieder und meine Mutter zog zu uns in das Haus und würde ab sofort an Ninas und meiner Schule unterrichten (Zum Glück aber nicht meine Klasse).
Aber auch Nina würde zu uns ziehen, denn ihr Adoptivvater hatte wegen seiner Arbeit nicht sehr viel Zeit und alle dachten es wäre wohl besser wenn Nina nach der Schule in meiner Gesellschaft war. Außerdem hatte Ninas Adoptivvater eine neue Freundin, was er Nina aber bis jetzt verheimlicht hatte, aus Angst sie würde die neue Freundin nicht mögen.
An den Wochenenden besuchten wir Marie, oder sie uns.
Jetzt hatte ich alles was ich wollte. Sogar die Schulprobleme und die Geschwister streite hatte ich, obwohl ich darauf auch ganz gut hätte verzichten können. Aber so war das Leben nunmal. Es gab höhen und tiefen, aber wenn es gerade nicht so gut lief konnte man davon ausgehen das es bald besser werden würde wenn man nicht aufgab. Und ich war froh das ich nicht aufgegeben hatte, denn es hatte sich eindeutig gelohnt!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An meine Freundin Paulina S., die mir bei sehr vielen Ideen geholfen hat! <3

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