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Neulich auf dem Sportplatz ...



Fußballspielen kann mein Sprössling eigentlich allein, dafür braucht er Muttern ja nicht. Trotzdem freut er sich natürlich, wenn Muttern mal gucken kommt. Besonders, wenn ein wichtiges Spiel ansteht, logisch. Und was gibt es schöneres als den eigenen Sprössling glücklich zu sehen? Eben - nix. Also bin ich mit hin zum Fußballplatz. Dass ich Null Ahnung davon habe tut nichts zu Sache, für mich zählt: Dabei sein ist alles!

Dass ich mit der Einstellung ziemlich alleine bin, wird mir schnell klar. Umzingelt von überehrgeizigen Vätern und Müttern, die beschwörend auf ihre Kids einreden. So ähnlich hab ich das schon mal im TV gesehen, da hat ein blonder Mann Mann das gemacht. Allerdings nicht mit Kindern, sondern mit der Nationalmannschaft, aber ansonsten eben genau so. Na ja, vielleicht doch nicht ganz so hart.

Mit eingezogenen Köpfen und hängenden Schultern nehmen die Kids die Anweisungen ihrer sportbegeisterten Eltern entgegen. Anspannung in den kleinen Gesichtern, beängstigend harte Pokerfaces bei 12jährigen Kids. Ein Vater packt seinen Sohn an den Schultern, versucht scheinbar durch Schütteln die Worte in ihn einzuträufeln: "Konzentrier' dich! Denk dran - wir haben die Taktik genau besprochen! Du darfst dir keinen Fehler erlauben!!!"

Ooops - dass es hier um Leben und Tod geht, war mir gar nicht bewusst! Ich werfe der Frucht unserer Liebe einen besorgten Blick zu, doch der blödelt unbekümmert mit seinem Kumpel rum. Puh, Gott sei Dank, sein Leben scheint nicht in Gefahr zu sein! Ich bin erleichtert.

Das Spiel geht los. Ich werfe der Elternmeute einen Blick zu, und sehe mich unweigerlich nach den Sanitätern um, denn ich befürchte jetzt in absehbarer Zeit einen kollektiven Herzanfall. Es wird gebrüllt, getobt, geflucht und hektisch geraucht. Wie die Furien keifen wild gewordene Mütter und Väter ihren Söhnen Anweisungen auf das Spielfeld. Jeder kleinste Fehler wird wahrgenommen, und sofort kommentiert. Verbissene Gesichter, hektisch zuckende Gesichtsmuskeln, wild fuchtelnde Handbewegungen. Ich befürchte, dass die ehrgeizigen Eltern gleich das Spielfeld stürmen um selbst zu übernehmen, doch das passiert nicht.

Halbzeit. Und jetzt geht die Post erst richtig ab: Die Kids werden mit Vorwürfen bombardiert, angebrüllt, geschüttelt. "Warum hast du da nicht aufgepasst? Warum hast du dies gemacht, warum hast du jenes nicht gemacht? Wenn das so weiter geht, melde ich dich vom Verein ab!", wird gedroht. "Aber dann gibts auch kein Fernsehn und keine Computerspiele mehr", wird schnell noch nachgeschossen. Erste Tränen kullern über die Wangen der erschöpft wirkenden Kindergesichter.

Das Spiel geht weiter, die Stimmung kocht. Ich bekomme langsam Angst, und bin erleichtert, als endlich der Schlusspfiff ertönt. Sofort stürzen sich die Eltern wieder auf ihre Kids, um ihnen erneut Vorwürfe zu machen. Aber nicht nur denen, die verloren haben. Nein, die aufgebrachte Elternschar bombadiert auch die mit Vorwürfen, die als Gewinner vom Platz kommen, und für einen ganz kurzen Moment sogar ein glückliches Lächeln im Gesicht hatten.

"Da hättest du auch noch einen reinmachen können! Die Chance hast du verpennt!!!", keift eine Mutter wütend, worauf dem Sproß sofort wieder Tränen in die Augen schießen. Mir reichts - ich hab die faxen dick! Bis jetzt hatte ich mich ja zurückgehalten, aber jetzt muss ich auch mal was dazu sagen:

"Sollte Sport nicht eigentlich Spaß machen?", frage ich die keifende Mutter.

Und jetzt passiert das völlig unerwartete - sie hat dafür eine Erklärung parat, auf die mir echt nix mehr einfällt:

"Dat is ja dat Problem!", erklärt sie mit dem Gesichtausdruck, der mich unweigerlich an "die allwissende Müllhalde" aus der Sesamstrasse erinnert, "beim Spocht entstehen Glückshormone! Und da er sich nicht genug anjestrengt hat, hat er eben nich genug von den Glückshormonen produziert. So

bringt dat alles nix, kein Wunder dat der heult!"

Aaaaaaaahhhhhhh, so ist das, verstehe ...


Impressum

Texte: Copyright by Lia Alsmann
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dritter Teil meiner Reihe "Neulich ..."

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