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Neulich musst ich den Arzt aufsuchen, na ja, man kommt in die Jahre...

Termin gemacht, (vor über 6 Monaten, eher war nichts frei), nun war es dann endlich soweit. Zum Glück bin ich inzwischen nicht verstorben und kann mich sogar noch daran erinnern, warum ich überhaupt hier bin.

Ich also rein in die Praxis, zeige freudestrahlend meine Krankenkassenkarte vor und strecke der arroganten Lady in weiß, die an der Rezeption sitzt, mit einem zuvorkommenden Lächeln brav die 10 Euro Praxisgebühr entgegen. (Irgendwo hatte ich mal gehört, dass ein Lächeln immer zurückkommt, aber das erweist sich hier schnell als Gerücht.)

Gelangweilt, und ganz offensichtlich von meiner Anwesenheit belästigt, schiebt die Arzthelferin die Versicherungskarte in den PC und weist schließlich, ohne mich eines Blickes zu würdigen, knapp an:

"Nehmen Sie im Wartezimmer Platz, das kann noch eine Stunde dauern."

Eine Stunde? Ich habe einen Termin, auf den ich über 6 Monate gewartet habe!

Ich behalte den aufkeimenden Unmutsgedanken für mich, denn ihr bestimmter Unterton verriet, dass sie keinerlei Widerspruch dulden würde. Also dackele ich mit eingezogenem Kopf und hängenden Schultern in Richtung Wartezimmer ab. Was soll´s? Sechs Monate hab ich auf den Termin gewartet, da macht doch eine Stunde den Kohl auch nicht mehr fett.

"Nein! Nicht da rein!

" Der harrsche Befehlston lässt mich zusammenzucken, als ich gerade den Raum mit der Aufschrift "Wartezimmer" betreten will. Schnell werfe ich einen Blick in den Raum, bevor ich mich verwirrt zu der Artzthelferin umdrehe. Edle Teppiche und Gemälde eine kuschelige Ledergarnitur, Fernseher, Gebäck, warme und kalte Getränke sowie frische Blumen sorgen für gediegende Wohnzimmeratmosphäre in dem Raum. Eine mit toten Tieren in Mantelform behangene Frau räkelt sich auf dem bequemen Sofa.

"Sie sind Kassenpatient!

", pfeift mich die Arzthelferin in einem verächtlichen Ton an. Der Unterton, der in diesem Anpfiff mitschwingt, gibt mir das Gefühl, dies unbedingt bei der nächsten Beichte als Todsünde vortragen zu müssen.

"Das ist das Wartezimmer für Privatpatienten! Das für Kassenpatienten ist da!", lautet die Anweisung, die mit einer Geste unterstrichen wird, wie man sie benutzt, wenn man einen Hund vor die Tür jagen will.

Demütig ziehe ich die Schultern noch höher, weil ich mich der Illusion hingebe, dadurch die Schamesröte verbergen zu können, die mir der strafende Blick der Pelztante jetzt ins Gesicht treibt. Dann beeile ich mich in das andere Wartezimmer zu kommen, weil ich befürchte sonst noch gesteinigt zu werden. Hier sieht es schon ganz anders aus: Ich bin nicht traurig keinen Sitzplatz mehr zu ergattern, weil die billigen Plastikstühle, die lieblos in den kargen Raum gestellt wurden, ohnehin so aussehen, als müsste ich anschließend zum Orthopäden, wenn ich darauf eine Stunde Wartezeit fristen müsse. Ich geselle mich also zu der endlosen Warteschlange, die sich verschüchtert an der Wand aufgereiht hat.

Nach 90 Minuten, (nun wäre ich doch froh, eine der spartanischen Sitzgelegenheiten zu ergattern, aber es sind noch 3 Kassenpatienten vor mir die auf die Stuhlreihe lauern), werde ich langsam ungeduldig. Ich nehme allen Mut zusammen, und erdreiste mich die Miss Arroganta an der Rezeption noch einmal zu belästigen. Ob sie mir sagen könne wie lange es noch ungefähr dauern würde, frage ich vorsichtig, und erinnere dezent daran, vor 90 Minuten einen Termin gehabt zu haben.

"Als Kassenpatient müssen sie schon etwas Geduld mitbringen!", faucht sie mich an, "wir können die Termine nur bei Privatpatienten exakt einhalten!"

Und dieses Mal ziehe ich nicht den Kopf ein! Jetzt platzt es aus mir raus, meine bitterböse Ironie schlägt durch und veranlasst mich zu der Bemerkung:
"Warum lassen sie den Privatpatienten als kleinen Sonderservice nicht von den Kassenpatienten kostenlos die Schuhe putzen? Dann stehen die Kassenpatienten nicht so lange nutzlos rum, und die Wartezeit kommt ihnen auch nicht so lange vor."

Nein, Miss Arroganta hat mich nicht rausgeworfen, und ich bin deswegen auch nicht schneller dran gekommen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich sie damit auf eine Idee gebracht habe. Na ja, zum nächsten Termin werde ich wohl vorsichtshalber mal das Schuhputzzeug mitnehmen ...

Impressum

Texte: Copyright by Lia Alsmann
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet allen Arzthelferinnen, die wirklich nett sind. Ich weiß, die Netten sind deutlich in der Überzahl, und sie mögen mir verzeihen ...

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