Neulich beim Einkaufen ...
Nur noch schnell ein Pfund Kaffee holen, wollte ich, denn ich hatte noch einen wichtigen Termin. Ich flitze also im Sauseschritt mit wehendem Mantel schnell rein in den Laden, zielstrebig auf das Kaffeeregal zu, da höre ich ein zittriges Stimmchen sagen:
"Junge Frau, könnten Sie mir wohl vorlesen was hier auf der Packung steht?"
Junge Frau??? Die Antifaltencreme, die Tante Helga mir zu Weihnachten geschenkt hat, scheint ja wahre Wunder zu wirken!
"Ohne Brille bin ich blind wie ein Maulwurf", beeilt sich die ältere Dame zu erklären. Na toll, damit ist meine zaghaft aufkeimende Hoffnung auf die Wirkung der Wundercreme mit einem Schlag wieder zunichte gemacht. Vielen Dank auch. Aber was soll´s, die Omi ist so niedlich, dass ich ihr keinen Wunsch abschlagen könnte. Also lese ich ihr ruhig und deutlich vor, was auf der Packung steht, um danach gleich wieder zum Spurt anzusetzen. Schließlich bin ich in argem Zeitdruck.
"Ach wären Sie so gut mir dort unten ein Brot rauszuholen, ich kann mich so schlecht bücken", ertönt die weinerliche Stimme eines Rentners, der eigentlich noch sehr rüstig aussieht.
Was soll´s, ich hole ihm schnell ein Brot aus dem Korb und will weiter hetzen.
"Näää, dat maaaach ich nit", protestiert der Opi energisch, "is da nich noch dat andere drin, dat mit der jrünen Aufschrift?"
Ich krabbele also noch einmal in das Brotregal und suche weiter. Nachdem ich ihm alle verfügbaren Brotsorten gezeigt habe, entscheidet er sich doch für das erste, und lässt mich endlich weiterziehen. So, jetzt aber schnell!
"Ach Fräulein, kommen Sie wohl da oben dran?"
Die ältere Dame, zu der diese Stimme gehört, wirkt zart und gebrechlich, ist höchstens 1,50 m groß, und versucht verzweifelt eine Dose Bohnen aus dem oberen Regal zu fischen. Direkt auf ihrer Augenhöhe stehen doch exakt die gleichen Dosen, wundere ich mich kurz, aber was soll´s, es wäre ihr sicher peinlich, wenn ich sie darauf hinweise. Ich hangele mich also mit akrobatischen Geschick und meinem freundlichsten Lächeln an dem Regal hoch, und reiche ihr die Dose.
"Danke Fräulein, ich meine immer die von da oben schmecken besser, obwohl es ja die Gleichen sind, wie die hier unten", sagt sie mit einem breiten Grinsen.
Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. Mein Bus ist gerade abgefahren, aber wenn ich schnell zu Taxistand laufe, könnte ich es noch pümktlich zu meinem Termin schaffen.
"Ach wären Sie nochmal so gut...", es ist wieder der Opi vom Brotregal. "Die leckeren Joghurts stehen immer ganz unten, ich mach nämlich nur die mit Vanillejeschmack", erklärt er, und deutet mit dem Zeigefinger auf einen Stapel Joghurtkartons. Ich atme kurz durch, und beginne die Kartons mit dem Naturjoghurt umzustapeln, um an die von ihm begehrten Vanillejoghurts zu kommen.
"Aaach, dat dauert mir zu lange, ich glaub, ich maaach heut doch keinen Joghurt", moppert er plötzlich und lässt mich mitten im Chaos stehen. Eilig stelle ich die Kartons wieder ordentlich aufeinander und haste zur Kasse, wo die drei Rentner schon in der Reihe stehen.
"Wäre es wohl möglich mich bitte vorzulassen? Ich habe ja nur ein einziges Teil und bin furchtbar in Eile", bitte ich höflich und halte mit einem flehenden Lächeln demonstrativ mein Pfund Kaffee hoch. In diesem Moment scheint alles zu verstummen. Wie spitze Messerstiche bohren sich plötzlich drei vorwurfsvoll blickende Augenpaare in mich hinein. Für einen Moment herrscht eisige Stille, dann bricht der rüstig wirkende Rentner das Schweigen:
"Unverschämt, diese jungen Leute!", stellt er empört fest.
"Sie meinen wohl, bloß weil wir Rentner sind hätten wir den ganzen Tag Zeit, was?", zischt die Bohnendosen-Omi kampflustig und versieht mich mit einem strafenden Blick.
"Die jungen Leute von heute haben wirklich keinen Respekt mehr vor dem Alter!", pflichtet die kurzsichtige Omi pikiert bei.
"Unverschämt, diese jungen Leute, keinen Respekt vorm Alter!", wiederholt der Opi noch einmal, und die drei scheinen jetzt erst richtig in Rage zu geraten. Als mich schließlich auch noch die Kassiererin mit einem strafenden Blick bedenkt, gebe ich mich geschlagen. Ich lege mein Pfund Kaffee beschämt auf den Wühltisch neben der Kasse und verlasse fluchtartig den Laden. Den Einkauf hake ich als gescheitert ab, aber wenigstens meinen Termin will ich noch retten. In rekordverdächtigem Tempo renne ich zum Taxistand, und sehe das letzte Taxi gerade noch abfahren.
Das war´s, den Termin kann ich vergessen. "Jetzt gehe ich nach Hause, und mache mir zum Trost erstmal ´nen schönen heißen Kaffee", seufze ich leise, um mich selbst wieder aufzubauen. Kaffee???
Oh Sch..., da muss ich wohl erst nochmal in den Supermarkt...
Texte: Copyright by Lia Alsmann
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Teil 1 einer geplanten Reihe unter dem Titel "Neulich ..."