An einem sonnigen, aber auch deprimierenden Tag, sitze ich vor meinem Notebook und überprüfe meine E-Mails. Keine Nachricht. Mal wieder! Nun schaue ich kurz, ob jemand auf meiner Seite in einen meiner Foren war, aber Fehlanzeige. Alles so wie gestern. Mein Tag könnte nicht langweiliger anfangen als heute. Ich sitze an einem heißen Ferientag allein in meinem Zimmer. Meine Freunde sind alle weg gefahren. Maja ist mit ihrem Vater und ihrem Bruder an der französischen Südküste, Jana ist bei ihrer Oma am Ende der Welt, Linda erreicht man nicht und Olivia ist bei ihrer Familie in Spanien. Man muss wissen, dass sie Spanierin ist. Eigentlich immer interessant zuzuhören, wenn sie mit ihren Eltern Spanisch redet. Bei uns, meinen Freundinnen und mir, redet sie kein Ton auf Spanisch. Ziemlich schade. Wir wollen sie aber nicht in Verlegenheit bringen, daher drängen wir sie auch nicht. Obwohl ich es gerne würde. Immerhin kann sie so eine tolle Sprache sprechen und die anderen reden deutsch.
Langweilig! Soll ich Jonas anrufen? Wäre doch irgendwie peinlich! Immerhin wüsste er dann, dass mir langweilig ist und ich niemand anderes habe. Noch schlimmer wäre, wenn er denken würden, dass ich Interesse hätte. Was soll ich nun tun? Allein ins Schwimmbad gehen und am Strand wie ein Außenseiter ohne Freunde da sitzen? Keine schlechte Idee. Vielleicht lerne ich jemanden neues kennen. Hoffentlich nicht schon wieder ein neuer Typ. Hätte ich keine Lust drauf. Könnte dort doch etwas lesen und mich sonnen, wobei mir einfällt, dass ich ein neues Buch bräuchte. ich lasse es doch mit dem Schwimmbad sein. Ein anderes Mal, vielleicht morgen? Dingding. Ach, ich habe gerade eine SMS erhalten. Bin gespannt. Oh nein, er schon wieder.
Hey Süße, ich denke schon den ganzen Tag an dich. Wir sollten echt mal wieder was unternehmen. Du weißt schon, nur du und ich. Meld dich einfach mal wieder! In Liebe, Jonas
Ich habe eh nichts Besseres zu tun. Also schreibe ich zurück.
Hey Süßer, hatte so viel zu tun. Stimmt zwar gar nicht, muss er aber nicht wissen. Bin nachher mit Freunden im Schwimmbad. Liebe Grüße, Monika
Abschicken! Die Sonne scheint immer noch und keine einzige Wolke ist zu sehen. Na dann werde ich mal nach draußen gehen und mich sonnen. Ich bin so weiß wie Käse. Wäre wohl am Besten mich vorher mit Sonnencreme ein zu cremen.
Kaum bin ich draußen und lese mein Buch, kommt jemand in den Garten. Es ist Jonas. Jonas? Oh mist, er denkt doch, ich sei im Schwimmbad. Er bleibt vor mit stehen und lächelt mich an: „Doch nicht im Schwimmbad?“.
Ich richte mich darauf auf und antworte ihm: „Meine Freundinnen haben alle abgesagt. Die haben…ehm….die sind…“ Oh mist, was sag ich jetzt? „Die haben zu starken Sonnenbrand und können sich deshalb nicht der Sonne aussetzen.“, beende ich zufrieden meinen Satz.
Er mustert mich: „Jeder von ihnen?“. „Ja, komisch oder?“, improvisiere ich.
Er lächelt wieder und setzt sich zu mir: „Wie lang brauchst du, um dich fertig zu machen? Du kommst mit mir mit. Wir waren schon seit langem nicht mehr zu Zweit weg“.
Ich bin mir zwar nicht ganz sicher wieso, aber ich stimme zu mit ihm zum Schwimmbad zu gehen. Ob das so eine gute Idee ist? Das wird sich ja noch herausstellen.
„Du hast Recht. Wie sagt man? Freundschaft muss man pflegen“.
Er steht auf und dreht den Rücken zu mir: „Hm…Freundschaft. Na dann, pack mal deine Sachen. Ich warte hier solange auf dich.“
Nun stehe ich auf, gehe zur Tür, drehe mich noch einmal zu ihm hinüber und betrachte sein enttäuschtes Gesicht. Was hätte ich anders sagen sollen? Ich habe kein Interesse an einer Beziehung mit ihm und das weiß er auch eigentlich. Hätte ich ihn anlügen sollen? Ach was, ich hole wohl besser meine Sachen.
Am Schwimmbad angekommen, nehmen wir die noch vorhandenen Plätze für uns ein und setzen uns hin. Jonas wühlt in seiner kleinen Badetasche und nimmt dann anschließend was raus.
Er mustert mich von den Füßen bis zu dem Kopf und fragte mich dann: „Soll ich dich mit Sonnencreme einschmieren? Es wäre doch dramatisch, wenn du genauso Sonnenbrand bekämst wie deine Freundinnen!“.
Hab ich das nur geträumt oder hat er mich gerade wirklich angemacht? Ich kann ihn wohl kaum erlauben meinen Körper einzucremen. Oder doch? Wenn ich „Nein“ sagen würde, wäre zwischen uns dicke Luft und der Tag wäre ebenso gelaufen. Also lasse ich es ihn machen.
Wie es sich später herausgestellt hat, ist es doch eine gute Idee gewesen, mich von ihm eincremen zu lassen. Er spendierte mir ein Eis, das mir leider runter fiel. Er lachte darüber und kaufte mir noch eins. Außerdem spielten wir Frisbee, sowie Volleyball. Ich bekam den Volleyball gegen meinen rechten Arm. Er kann ganz schön harte Aufschläge machen. Das wird einen blauen Fleck geben, das weiß ich schon. Immerhin entschuldigte er sich lieb bei mir und umsorgte mich. Irgendwie süß, wenn er sich so um einen kümmert. Es war doch eine gute Idee gewesen mitzukommen.
Jetzt sitzen wir wieder auf unseren Handtüchern und reden ein wenig über die Ferien. „Ich habe bisher noch nichts wirklich Besonderes gemacht. Ich habe auch nichts besonderes geplant. Was ist mit dir“?
Kurz nachdem ich den letzten Satz ausspreche, springt er auf und rennt zu einem Mädchen. Ich kann sie nicht deutlich sehen, aber sie ist blond und ungefähr in meinem Alter. Wer sie wohl ist? Ach, jetzt erkenne ich sie. Das ist doch seine Exfreundin. Was Jonas wohl von ihr will? Wahrscheinlich schuldet sie ihm noch Geld und er will es zurück. Er wird es mir gleich sagen.
Ich sehe die Beiden. Sie diskutieren. Ich wüsste gern, worüber die reden, aber sie sind viel zu weit weg, um sie zu hören. Jetzt lachen sie. Schön, dass sie nach der Trennung immer noch so gut befreundet sind. Ich hatte zwar noch nie einen Freund, aber wenn ich mich Mal von ihm trennen sollte, dann will ich mit ihm immer noch befreundet sein. Es sei denn, er hätte mich betrogen. Das würde er sich aber bei mir eh nicht trauen. Außerdem käme keine Trennung in Frage. Ich würde ihn später heiraten. Was machen sie jetzt? Sie halten Händchen. Sie halten was…? Das kann nicht sein. Das ist sicher nur eine optische Täuschung. Ich schau noch mal hin. Vielleicht ist diese Täuschung weg. Ich sehe plötzlich alles in Zeitlupe. Sie haben ihre Augen geschlossen und plötzlich bewegen sich ihre Lippen zueinander. Sie küssen sich. Sie küssen sich? Sie küssen sich! Das ist sicherlich kein Freundschaftskuss. Ich habe doch gesehen wie diese Schlampe ihre Zunge in Jonas Hals gesteckt hat. Was für ein Miststück! Wie kann Jonas mir das bloß antun?
Er schrieb mir jeden Tag SMS, worin er eindeutig Interesse an mir und nur an mir zeigte. Heute gingen wir sogar ins Schwimmbad, er durfte mich mit Sonnencreme eincremen und spendierte mir auch noch ein Eis. Jetzt küsst er eine andere? Woher kam diese Sinneswandlung? Ich packe lieber meine Tasche und haue ab. Doch da kommen schon die Beiden.
„Hey, also das ist meine neue Freundin, Chrissy. Na ja, wir waren schon mal zusammen, aber jetzt wollen wir es noch ein Mal versuchen. Chrissy? Das ist Monika. Meine beste Freundin“. Sie lächelt mich lieb an und grüßt mich dann mit einem Küsschen jeweils links und rechts. Dann fällt ihr Blick auf meiner Tasche. Sie starrt verwirrt darauf und dann wieder zu mir. „Du willst schon gehen?“, fragt sie mich schon fast enttäuscht. Vorauf Jonas mich informiert: „Zu Fuß ist es fast eine Stunde entfernt. Warte lieber, dann nehme ich dich mit“. Ich willigte ein, noch da zu bleiben. Die restliche Zeit war für mich die pure Hölle. Nicht nur, dass ich mich gelangweilt habe, sondern dass neben mir ein knutschendes Paar saß. Schrecklich! Ich war dann endlich froh wieder in meinem Bett zu liegen. Ich schaute mir noch ein Film an und schlief dann ein.
Als ich aufwache, ist es schon beinahe 12 Uhr. Der gestrige Tag scheint, als wäre es nur ein Traum gewesen. Ich stehe auf und bemerke den blauen Fleck am rechten Arm. Es war kein Traum. Gestern bekam ich den Volleyball dagegen. Es tat sehr weh, aber der Schmerz verging sehr schnell, weil Jonas sich lieb um mich gekümmert hat. Aber er sagte gestern doch tatsächlich, dass ich seine beste Freundin bin. Sagt man seiner besten Freundin, dass man sie liebt? Wohl eher kaum. Ich brauche jemanden, bei dem ich mich aussprechen kann. Da ruf ich doch gleich Maja an. Ach quatsch, sie ist ja gar nicht da. Meine anderen Freunde sind auch alle weg. Na ja, außer meinen besten Freund, Jonas. Was für eine Ironie. Mein Glück hat mich verlassen. Mein Schutzengel spielt verstecken und Gott hasst mich. Wieso habe ich im Leben nie Glück? Mir laufen Tränen über die Wangen und erst da bemerke ich, dass ich weine. Ich weine schon seit 5 Minuten bis ich den Mut erfasse mir zu gestehen, dass weinen nichts bringt. Wenn das Glück halt nicht zu mir kommt, dann komme ich halt zum Glück. Nur wie mache ich das bloß? Doch noch wichtiger ist die Frage; Was ist eigentlich Glück?
Am Nachmittag ruft mich dann plötzlich Linda vom Handy an. Ich bin überrascht mal wieder was von ihr zu hören. Ob sie wohl immer noch diese gelockten, honigblonden Haare hat? Vor einigen Wochen trug sie noch langes, rotes Haar, bis sie es zu einem Bob schneiden ließ und es blond färbte. Sie geht monatlich zum Friseur und kommt jedes Mal mit einer ganz anderen Frisur raus. Aber Gott sei Dank, dass sie nicht mehr diese pinke Punk-Frisur hat. Na ja, so ist sie halt. Sie fällt überall auf. Nicht nur mit ihrem Aussehen, sondern auch mit ihrem Charisma. Linda zieht Menschenmengen magisch an. Es können Tausende von Leuten in einem Raum stehen. Doch wenn sie denn Raum betritt, richten sich alle Blicke nur auf sie. „Monika“, kommt es erfreut aus dem Hörer. „Na, wie geht es dir?“, fragte sie, als sei es nur aus reiner Höflichkeit. Anstatt die Wahrheit zu sagen, lüge ich: „Ja, prima und dir?“.
„Mir geht es ausgezeichnet. Ich habe da so einen gut aussehenden Jungen kennen gelernt und jetzt ist er mein Neuer. Ich kann es auch kaum glauben. Wir haben uns am…“
Während sie darüber spricht wie sie mit ihm zusammen kam, und ich sie mit „Aha“ und „cool“ bestätige, denke ich darüber nach, wieso sie es immer wieder schafft einen Jungen an Land zu ziehen. Was für ein Glück sie auch hat. Da fällt mir doch die Frage von heute Morgen ein. Ist Liebe gleich Glück? Wie schön, dass ich das so schnell heraus finden kann. Ich habe ja auch einen Freund. „Was für eine Ironie“.
„Was hast du gesagt? Ironie?“, kam es wieder aus dem Hörer.
„Nein, tut mir leid. Hab nur laut gedacht“.
Eine Zeit lang herrscht Stille. „Na gut, ich lege dann auch Mal wieder auf. Machs gut. Wir hören uns“. Ihre Stimme klingt wütend. Ich hätte ihr wohl doch besser zuhören sollen. Ich gehe besser nicht mehr darauf ein und beende das Gespräch für heute „Na gut, wir hören uns. Tschüss“.
Ich blicke aus meinem Fenster und bewundere die Nachbarschaft. Ich lebe in einem Altbauhaus. Meine Eltern haben all ihre Kraft darein gesetzt bis es zum schönsten Haus der ganzen Nachbarschaft wurde. Man merkt aber trotzdem, dass es alt ist, wenn man es sich genau ansieht. Genau wie Madonna; sie lässt sich so oft ihre Falten strafen, dass es kaum auffällt, dass sie über 50 ist. Nur von Nahen sieht man, dass sie alt ist. Die anderen Gebäude ringsum sind ebenfalls Altbau und sehen auch so aus. Manchmal habe ich das komische Gefühl, dass die Nachbarn über mich reden. Sie sehen mich dann immer so an, als hätte ich was angestellt. Dabei versuche ich doch immer alles Richtig zu machen oder erst gar nicht im Mittelpunkt zu stehen, damit ich nicht auffalle. Kann aber auch sein, dass ich mir das alles nur einbilde. In der Schule geht es mir genauso. Egal was ich mache, ich fühle mich beobachtet. Ich achte darauf, dass ich es allen Recht machen kann, ohne mich dabei zu vernachlässigen. Aber die Leute haben immer was, um über mich zu reden. Jedes Mal, wenn ich mich melde, erröten meine Wangen. Mir ist das immer sau peinlich. Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt und wie man merkt, strahle ich das auch aus. Aber ganz anders, wenn ich auf der Bühne bin, strahle ich eine große Portion Selbstsicherheit aus, das man nicht übersehen kann. Ich bin gerne auf der Bühne. Ich gebe dort immer mein Bestes. Ich liebes es in andere Rollen zu stecken und jemand anderes zu spielen.
Es klingelt und ich bin mir nicht sicher, woher dieses Klingeln kommt. Bin zu verwirrt, um es richtig ein zuordnen. Haustür? Telefon? Handy? Ich gehe langsam zum Handy, aber das Handy ist aus. Ich gehe zum Telefon, doch daraus kommt kein Ton. Schon wieder klingelt es. Nun renne ich die Treppe runter, flitze um die Ecke und stoße mir nebenbei noch das Knie an. Autsch…, tut das weh! Mit einem schmerz verzogenem Blick mache ich die Tür auf. Es ist mein alter Kumpel Jonas. Was für eine Ironie. Wieso lässt er sich hier eigentlich hier noch blicken? Doch bevor ich angefangen hatte ihn zu beschimpfen, fällt mir ein, dass er gar nicht weiß, dass ich seinetwegen beleidigt bin. Also halte ich lieber meine Klappe. Stattdessen begrüße ich ihn. „Hey“
„Na, wie geht’s, Süße?“
„Ganz gut. Ich war dabei mir Gedanken über unseren nächsten Kumpelabend zu machen.“
„Ach echt? Du, ich und…?
„…und die anderen.“, ich grinse. Er hebt die Augenbraue hoch und sieht mich verwirrt an.
„Vergiss es.“ Ich stecke ihm die Zunge raus und er beginnt zu lachen und meint, dass ich ein Lachkeks sei. Was das genau ist, weiß ich nicht. Es klingt aber niedlich und bin stolz so genannt zu werden. Als ich ihn reingelassen habe, setzen wir uns auch schon im Wohnzimmer hin. Mein Vater ist nicht da, deshalb habe ich das Haus eine Weile für mich allein.
Es müsste mir zwar komisch vorkommen, wieso er hergekommen ist, bin aber trotzdem froh, dass er bei mir ist. Er blickt zur Tür. Die grünen Augen sind hypnotisierend, man kann nicht mehr weg schauen, wenn man ihn ein Mal ansieht. Seine Lippen so voll, dass ein Mädchen kaum widerstehen könnte. Sein Kiefer so männlich, dass man sich beherrschen muss. Seine dunkel braunen Haaren sind kurz und mit wenig Gel fransig frisiert, sodass er wie ein Model aussieht. Sein gut gebauter Oberkörper scheint durch das weiße Hemd. Welch ein Traum. Wie er mich jetzt ansieht mit seinen perfekten Gesicht, denke ich an den Tag, als ich ihn abblitzen ließ. Nun hat er eine Freundin, und ich merke erst jetzt, was für ein Fehler ich tat. Er nahm mich in den Arm und küsste mich auf die Wange. Dann ließ er mich los und nahm meine beiden Hände. Schließlich schaute er mich mit seinen charmanten, grünen Augen an und fragte mich, ob ich mit ihm gehen wolle. Ich blickte weg und sagte ihm, dass es nicht ginge. Es wäre mir noch zu früh, um einen Freund zu haben. Genau 15 Monate war es her und er versuchte die ganze Zeit mich doch davon zu überzeugen, dass er der Richtige für mich ist. Jetzt ärgere ich mich, die ganzen Chancen nicht genutzt zu haben. Es war ein sehr großer Fehler. Vielleicht der Größte. Nun blickt er mich so an, wie er es damals tat. Er hebt mein Kinn mit seiner Hand und ich habe das Gefühl, dass er mich in jeden Moment küssen wird. Aber er tut es nicht. Was ich bekomme, ist ein Kuss auf meine Stirn. Etwas bin ich enttäuscht. Habe ich mich etwa in ihn verliebt? Ausgeschlossen. Wieso sollte ich? Wieso jetzt? Jetzt, während er eine Freundin hat?
Er schaut mich verwirrt an. „Alles in Ordnung mit dir?“
Ich blicke auf. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich erstart bin. „Klar, ich habe nur an was gedacht.“
„Chrissy fand dich ganz nett. Sie fragt, ob wir Mal wieder was zusammen unternehmen könnten. Was denkst du?“ Auf keinen Fall. Mit dieser Schlampe würde ich nicht ein Mal in einem Boxring stehen wollen. Und ich bin eine gute Kämpferin. Aber anstatt abzulehnen, meine ich: „Natürlich, an was dachtest du?“ „Samstag ist bei einem Freund von mir eine Party. Kannst ja dann mit kommen. Vielleicht lernst du dort jemanden kennen.“ Er zwinkert mir zu. Wirkliche Lust dort hin zu gehen, habe ich nicht. Es wäre aber eine gute Gelegenheit davor shoppen zu gehen. Allein. „Wie spät holt ihr mich ab?“ - „Um 20 Uhr, wenn es dir Recht ist.“
„Dann weiß ich Bescheid.“
Kaum, dass Jonas gegangen ist, nehme ich meine Handtasche und ziehe los in das Stadtzentrum.
Vorbei an der Ecke, an dem viele Studenten die Kneipe besuchen, und links auf die andere Straßenseite, wo oftmals streitlustige Möchtegern Gangster lang spazieren.
Doch bevor ich zur Stadtmitte gelangen kann, habe ich die Möglichkeit entweder entlang der viel befahrenen Straße oder durch den Park zu laufen. Klar nehme ich den Park. Das dauert zwar 15 Minuten länger, ist aber gemütlicher. Außerdem habe ich noch vor meine Rose zu sehen, die ich vor ein paar Wochen gepflanzt habe. Dort, wo kaum jemand entlang läuft und auch schwer hin zu finden ist, blüht sie. Meine Rose.
Früher kam ich immer hier her, wenn ich niedergeschlagen war. Hier flossen meine Tränen. Und nur die Natur wusste, dass ich traurig war. Der Regen ließ meine Tränen verschwinden, der Wind ließ mein Weinen verstummen, und die Sonne ließ mich wieder strahlen. Ich habe keinem verraten, dass ich am Boden zerstört war, als ich Jonas Bitte abschlug. Ich musste so handeln. Es gab keinen anderen Weg.
Als ich ein Bellen höre, bin ich wieder in der Gegenwart. Ein Berner Sennenhund kommt mir entgegen gelaufen. Ich kann nicht anders als wieder an Jonas zu denken. Die treuen Hundeaugen ähneln doch zu sehr, an die von Jonas. Doch bevor ich noch weiter an ihn denke, mache ich mir lieber Gedanken, was ich auf der Party anziehe. Ach und außerdem brauche ich eine neue Handtasche.
Nach weiteren 10 Minuten komme ich dann an eine alte Kastanie an. Ihre Wurzeln sind schon so dick geworden und die Erde schwimmt mit dem Fluss davon, dass es einer Schlucht sehr ähnelt. Hier läuft so gut wie keiner entlang. Das ist auch der Grund, wieso ich immer hier her komme. Neben der Kastanie stehen weitere Bäume und Sträucher. Vorbei laufen kann man weder rechts noch links. Der einzige Weg auf die andere Seite des Weges zu kommen, ist der, auf einen Ast zu klettern, der ungefähr ein Meter hoch ist. Als ich kleiner war, brauchte ich noch einen Stein, um auf den Ast zu kommen, doch mittlerweile kann ich das auch schon ganz gut alleine. Ich bin schon öfters weiter hinauf geklettert als ich Angst gehabt hatte.
Als meine Mutter wegen einem Autounfall ins Komma kam, heulte ich mir die Augen aus dem Kopf, denn ich gab mir die Schuld daran. Damals wollte ich mal wieder nicht zum Kindergarten gehen, deshalb versteckte ich mich im Keller. Die Kinder mochten mich dort nicht, weil ich komisch sprach. Ich kam halt aus dem Osten, da war der Dialekt halt etwas anders. Die haben mich immer ausgelacht und mich damit geärgert. Das grenzte damals schon fast an Mobbing. Meiner Erziehern unternahm auch nichts, weil sie Ossi-feindlich ist. Meine Mutter suchte mich die ganze Zeit. Als sie mich fand, war sie stink sauer. Schon wieder käme sie zu spät zur Arbeit und das wegen mir. Mit rasender Geschwindigkeit raste sie durch den Verkehr. Dann wollte vor ihr ein Auto, das sie nicht gesehen hat, von links nach rechts abbiegen. Mit rasender Geschwindigkeit trafen sich die beiden Autos. Beide Autofahrer kamen verletzt ins Krankenhaus. Der eine Autofahrer wurde nach 3 Wochen gesund wieder entlassen. Meine Mutter aber litt so eine Kopfverletzung, dass sie von nun an auf Hilfe angewiesen war. Vor zwei Monaten fiel sie dann ins Komma und ist bisher noch nicht erwacht.
Jetzt habe ich nur noch meinen Vater, und mein Vater mich.
Nach einen weitern Pfad, sehe ich endlich meine Rose. Ich habe ihr den schönsten Platz ausgesucht. Der Boden ist immer feucht, aber nie nass. Außerdem ist der Platzt teilweise sonnig und teilweise schattig. Wie ich mich freue sie zu sehn. Wow, sie hat Knospen bekommen. Die meisten würden sich jetzt fragen wieso eine Rose so bedeutsam für mich sein kann. Doch sie symbolisiert für mich mehr, als manch einer sich es denken kann. Ich kann es kaum in Worte packen, aber ich will es versuchen. Eine Rose ist die schönste aller Blumen, dennoch hat sie Stacheln. Genauso wie mein Leben oder das Leben aller; Wenn das Leben anfängt zu blühen, so kann das Leben einen auch verletzten. Mein Leben ist schon irgendwie schön, dennoch gibt es viel Schlechtes, was mir widerfahren ist. Aber so ist halt das Leben; unvorausschaubar und dennoch beeinflussbar Wie Blumen, die man mit regelmäßigen Gießen und Düngen beeinflusst, oder sie einfach unvorausschaubar wachsen lässt.
Endlich komme ich an den Teich, an dem viele Spaziergänger Rast machen. Hinter der großen Eiche, die zurzeit prachtvoll aussieht, ist der Ausgang des Parks. Ab jetzt sind es nur noch 5 Minuten Fußweg bis zum Zentrum. Im ersten Laden, den ich begegne, werden Fahrräder repariert und auch verkauft. Hier gehe ich gern mal ab und zu hinein, denn die Leute hier sind so fröhlich, da fühlt man sich gleich geborgen und wohl. Mich kennt man hier schon seit langem.
„Guten Tag“, sagte jemand, als ich rein komme.
„Hey, wie geht’s?“
„Jetzt, wo unser Sonnenschein da ist, geht es uns wunderbar.“
„Freut mich“
Ich setze mich an dem kleinen Klapptisch auf einen Klappstuhl. Hier sieht es zwar nicht exklusiv aus, aber man macht es mir immer gemütlich.
„Brauchst du ein Kissen, My Lady?“
„Ach, es geht schon.“
Plötzlich kommt Harry aus dem Hinterzimmer. Als er mich sieht, kommt er direkt zu mir herüber geeilt. „Monika, was treibt es dich denn hier her. Warst ja schon lang nicht mehr bei uns. Hast wohl nur noch Zeit für deinen Freund.“
„Ach Harry“, höre ich mich sagen. „Ich habe doch gar keinen Freund.“
Harry schmunzelt erstmal, als er dann meint: „Und wer ist dann dieser Jonas?“
„ Er ist mein Kumpel!“ Was für eine Ironie. Wieso kann er denn nicht einfach aus meinem Kopf verschwinden? Jeder redet von ihm. Und jetzt denkt Harry sogar, ich wäre mit ihm zusammen, aber wieso? Nach einer Tasse Tee verschwinde ich wieder.
Nach wenigen Metern komme ich endlich zu der Boutique, indem man ideale Party-Kleidung bekommt. In der hintersten Ecke fällt mir sofort ein Kleid auf. Es ist Dunkelrot, dass es nicht ganz so auffällig ist, wie man es von der Farbe Rot kennt. Dabei glitzert es so wunderschön. Ausgerechnet in der Größe XS ist es noch vorhanden. Ich hab zwar breite Hüften, dafür aber kleine Brüste. Ich schaue mich um. Keiner außer mir scheint in dem Laden zu sein. Abgesehen von einer Verkäuferin. Ich gehe in eine Garderobe und ziehe mich um. Das Kleid kaschiert perfekt meine breiten Hüften und betont meine Brüste und lässt sie sogar größer wirken. Dazu bräuchte ich auf jeden Fall ein Paar neue Pumps. Als ich aus der Garderobe austrete, sehe ich auf einmal Chrissy, die gerade blaue Pumps anprobiert. Ich überlege, was ich jetzt machen soll. Soll ich mich, solange bis sie wieder weg ist, in der Garderobe verstecken? Oder soll ich sie begrüßen und mit ihr ein wenig plaudern? Ich entscheide mich für das Erste. Chrissy dreht sich um und entdeckt mich, ehe ich mich verstecken kann.
„Hey, meine Liebe. Was für ein Zufall. Was machst du denn hier?“
„ Ich… ehm… brauchte noch ein Kleid für die Party.“
Sie blickt kurz um sich: „Allein gehst du shoppen?“
„Meine Freunde warten draußen.“
Chrissy versucht ihr Lächeln zu verkneifen. „Ach was? Draußen schüttet es wie aus Eimern.“
Ich beginne rot zu werden. Das scheint auch Chrissy auf zu fallen. Sie sieht mit ihrem langen, blonden und gelocktem Haar aus wie ein Engel. Irgendwie scheint es mir Falsch, wenn ich sie jetzt anlügen würde.
„ Na ja, sie sind alle im Urlaub gefahren.“
„Ach so. Ich bin auch allein hier. Vielleicht hast du Lust mit mir zu shoppen?“
Ich weiß nicht so recht, denn immer hin möchte ich sie nicht mögen. Aber ich kann kaum einem Engel einen Wunsch ausschlagen. „Okay, gerne.“
„Wow, hübsches Kleid. Willst du das auf der Party tragen?“
„Ja, eigentlich schon.“ „Schick. Zieh dazu aber keine Pumps an. Das könnte zu exklusiv wirken.“
„An was dachtest du denn?“
„Vielleicht an Sandaletten mit hohem Absatz.“
Nachdem wir für mich und auch für sie das perfekte Party Outfit gekauft haben, erzählt sie mir, wieso sie allein shoppen ging.
„Früher wohnte ich in Düsseldorf, meine Eltern und ich sind dann vor kurzen hier her gezogen, weil mein Vater hier eine bessere Arbeitsstelle bekommen hat. Das ist der Grund, wieso ich hier noch keine Freunde habe. Wir sind außerdem noch am Renovieren, sonst wäre ich über die Ferien bei meinen Freunden geblieben.“
„Du und Jonas: Hattet ihr damals eine Fernbeziehung oder wie war es?“
„Ja, wir haben uns beim Campen in den Niederlanden kennen gelernt. Frag mich bitte nicht wo. Unsere Beziehung ging damals 3 Monate. Ich machte Schluss, weil mir die Entfernung nicht gefiel, denn wir trafen uns innerhalb der 3 Monate zwei Mal. Für mich war das viel zu wenig. Wir blieben trotzdem in Kontakt. Als ich ihn dann erzählte, ich würde hier her ziehen, beschlossen wir, es noch mal zu probieren. Hat er dir das nicht erzählt?“
„Ehm… natürlich. So was erzählt man doch seiner besten Freundin.“ Es ist gelogen. Er hat mir nichts erzählt. Vor einem Jahr war er campen, und da dachte ich, er sei in mich verliebt gewesen. Ich habe mich hier wohl geirrt. Wir verabschieden uns mit Küsschen links und rechts. Als ich dann nach Hause gehe, muss ich meine Tränen verkneifen. Ich bin echt enttäuscht von Jonas.
Der gestrige Tag war einfach unfassbar. Erst kommen mir all die Gefühle wieder hoch, von meiner Mutter und von Jonas, und dann will sich Chrissy mit mir anfreunden. Was denkt sie eigentlich, wer sie ist? Nur weil ich mit Jonas befreundet bin, denkt sie, sie könne mich als ihre neue Freundin nehmen, nur weil Jonas und sie ein Paar sind. Das ist doch absurd. Ich entscheide, wer meine Freundin ist und wer nicht.
Oh mein Gott! Das hat Jonas sicher schon seit Wochen geplant. Denkt er etwa ich hätte keine Freunde oder was? Denkt er vielleicht ich wäre allein? Und dann noch diese Anspielung, ich könne auf der Party jemanden kennen lernen. Er wird schon sehen, was er davon hat. Ich mache Samstag mit jeden rum, der in meinem Blickfeld steht, egal ob Junge oder Mädchen. Oder auch nicht.
Am Samstagmittag wache ich verschlafen auf. Gähnend taumle ich ins Badezimmer. Mit halb offenen Augen sehe ich in den Spiegel. Ein Pickel! Ich bin es ja gewohnt morgens schrecklich aus zu sehen, aber ich habe einen Pickel. Und genau heute, wo ich doch vorhatte zu dieser Party mitzugehen, habe ich einen gottverdammten Pickel. Wieso, wieso nur? Was habe ich denn nur falsch gemacht. Muss man mich den mit einem Pickel bestrafen? Und wie ich meinen Körper kenne, bleibt es sicher nicht nur bei einem. Was soll ich nun machen? Ich krame in der Kosmetiktasche meiner Freundin und suche nach Make up. Sie vergaß es vorherige Woche, als sie bei mir schlief. Ich nehme eine große Portion Make up und verteile es im ganzen Gesicht. Na ja, meinen Pickel sieht man nicht, aber auf der Party achtet man sicher gar nicht auf das Make up. Eigentlich war das gerade dumm von mir, das Make up zu benutzen. Immerhin muss ich noch duschen, meine Zähne putzen und dann erst schminken.
Es ist schon spätnachmittags als ich mit dem Duschen fertig bin. Ich bin ja auch erst nachmittags aufgestanden. Ja, ja, ich bin Langschläfer und stolz drauf. Was kann ich denn dafür, wenn das Bett so bequem ist?
Plötzlich höre ich es an der Tür klingeln. Ich hoffe mein Vater macht die Tür auf, aber da fällt mir ein, dass er zu einem Geburtstag gefahren ist. Schon wieder klingelst. In Panty und BH gehe ich zur Tür, mache sie einen Spalt auf und sehe nur mit meinen Kopf hinaus, um zu sehen, wer da ist. Es sind Jonas und Chrissy. Jetzt schon?
„Hey, was macht ihr denn schon so früh? Wir haben doch erst 17 Uhr.“
Jonas macht Anstalten herein zu kommen: „Dürfen wir rein kommen?“
„Das geht schlecht. Die Tür… klemmt.“
Jonas greift die Tür und macht sie mit einem heftigen Schwung auf, er blickt mit großen Augen und lächelt mir dann heimlich zu: „Upps.“
„Ja.“, ich werde rot. Chrissy stupst Jonas etwas an, geht dann rein: „Wir warten im Wohnzimmer. Zieh du dich erstmal an.“
Ich eile ins Badezimmer, während die beiden ins Wohnzimmer gehen. Ich ziehe mein neues Kleid an und die von Chrissy ausgewählten Sandaletten.
Es ist nichts zu hören, als ich an der Tür horche. Kein Reden, kein Geschmatze. Vom Küssen, versteht sich. Leise sehe ich durch das Schlüsselloch. Kein küssen, kein Händchen halten, kein kuscheln. Sie sehen sich nicht einmal an. Was ist nur bei ihnen los? Ach, ist doch klar! Chrissy ist sicher sauer auf ihn, dass er sich über meinen Anblick erfreut hat. Oh man, das schaffe ich wieder aus der Welt. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber irgendwie wird es schon klappen. Langsam drücke ich die Klinke runter. Als ich die Tür aufmache, beginnen die beiden sich zueinander zu bewegen. Das ist doch wirklich nicht notwendig zu tun, als wäre alles in Ordnung. Eine Auseinandersetzung ist doch ganz normal in einer Beziehung.
Na gut, vielleicht schämen sie sich dafür.
„Hey, meine Lieben. Wie sehe ich aus“?
„Kommt ja selten vor, dass du ein Kleid trägst. Aber…“. Jonas unterbricht seinen Satz. Er schaut zu Boden, als wäre dort ein Fleck. „…das Kleid passt gut zu dem Weinfleck auf dem Teppich“.
„Was? Weinfleck? Wo“? Ich erstarre, als er das sagte. Mit meinen 15 Jahren trinke ich gerne mal ab und zu einen Wein. Das macht mich irgendwie glücklich. Nein, ich betrinke mich nicht. Zumindest nicht so oft. Aber eigentlich ist mein Vater sehr streng und ich dürfte weder Alkohol trinken noch zu einer Party gehen.
Jonas lacht heftig: „Wie naiv du immer bist. Du glaubst doch echt alles“.
„Also kein Fleck“? Jetzt beginnt sogar Chrissy an zu lachen und ich lache mit.
„Trinkst du eigentlich immer noch jedes Wochenende ein Glas Wein“?
„Was ist daran so falsch?“ - „Nichts, es ist nur witzig.“, antwortet Jonas mit einem süßen Lächeln.
Wir betreten das volle Haus. Die meisten sind schon da. Eine sehr entspannte Atmosphäre mit dieser ruhigen Techno-Musik. Was für eine Ironie. Da kommen uns schon ein paar Jungs entgegen. Das sind ein paar Freunde von Jonas. Ich kenne die nicht gut, denn bisher hab ich sie nur ein oder zwei male gesehen. „Uh lala, was für süße Mädels hast du denn abgeschleppt“? Einer, von den beiden Jungs, trägt schwarze Haare, hat braune Augen und ein breites Grinsen, was auf Alkohol schließen lässt. „Also das ist Monika, eine Freundin. Und das ist meine Süße. Chrissy nennt sie sich. Heiß oder?“, er blickt zu Chrissy und gibt ihr ein Kuss auf ihrer Wange. „Monika heißt also die schärfere von beiden.“, flüstert, der mit dem breiten Grinsen, dem anderen zu. Doch wie ich feststelle ist der andere schon ziemlich betrunken.
„Hey, also duar biist Mon… Monikaaa. Monika, wie heißt du eigentlich“? Ich blicke verwirrt von den Betrunken zu den Grinsemann. Jonas bemerkt meine Verwirrtheit und wechselt das Thema. Was genau er zu den beiden sagt, höre ich wegen der lauten Musik nicht, aber sie gehen, was mich einigermaßen beruhigt. „Du musst vorsichtig sein! Flirte bloß mit keinem, der so betrunken ist, wie dieser. Ich kenne solche Typen nur zu gut. Was sie mit Mädels wie dir machen, willst du gar nicht wissen. Na gut, nur noch ein paar kleine Tipps. Ich glaube du warst bisher noch nie auf solche Partys. Also den Alkohol findest du in der Küche oder unten im Keller. Wenn du Glück hast, findest du sogar im Wohnzimmer ein paar volle Flaschen, die würde ich dir aber nicht empfehlen. Frag besser nicht, weshalb! Wenn du nötig zur Toilette musst, geh besser nach hause. Im Badezimmer wird zu viel gekotzt. Das wichtigste jedoch: Geh bloß nicht, unter gar keinen Umständen, mit jemanden nach hause. Ist das klar“?
Plötzlich erstarre ich. Ich bin über die Ernstigkeit von Jonas erstaunt. So habe ich ihn ja noch nie erlebt. „Ja, ehm…geht klar“! „Na gut.“, beginnt er zu sprechen. „Ich werde dann mal jeden meine Chrissy vorstellen. Pass auf dich auf“.
Nun bin ich auf mich allein gestellt! Ich wandele erstmal allein umher und suche Alkohol, damit ich nicht ganz so schüchtern wirke. Wo ist der Alkohol noch mal? Scheiße, jetzt habe ich das doch glatt vergessen. Mit einer halbvollen Flasche kommt mir der Grinsemann entgegen. „Hey, Monika, richtig? Wieso trinkst du noch gar nichts?“ Ich überlege, was ich antworten sollte, aber dann fällt mir eine passende Antwort ein: „Ich war gerade nach der Suche nach einer Flasche Bier oder so.“ Als ich versuche mich Richtung Wohnzimmer auf zu machen, stellt sich der Grinsemann mir in den Weg: „Du kannst meine Flasche haben!“ Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich es annehmen soll, aber ich will auf gar keinen Fall als langweilig gelten. Ich nehme seine Flasche und trinke aus ihr einen heftigen Schluck. Wir unterhalten uns und ich glaub er versucht mit mir zu flirten. Nach ein paar Minuten gehen wir ins Wohnzimmer, indem ich noch mindestens 4 Faschen trinke. Langsam taue ich auch auf. Unsere Unterhaltung wird lockerer und unsere Blicke vertrauter. Dann legt er seinen linken Arm um meine Taille und seine rechte Hand an meinem Arm. Er schaut mich liebenswürdig an mit seinen braunen Augen. Er ist vermutlich Italiener, denn sein Akzent lässt mich dahin schmelzen. Wenn er mir sanft in meinem Ohr flüstert, so bekomme ich eine Gänsehaut. Ich schmieg mich näher an ihm heran. Er legt seinen Kopf leicht schräg. Unsere Münder bewegen sich langsam, als verliefe jetzt alles in Zeitlupe, aufeinander zu. Kurz bevor unsere Münder sich treffen, sehe ich im rechten Augenwinkel Jonas, der den Raum betritt. Er zog wütend seine Augenbraue zusammen und kommt auf mich zu. „Mein Gott, Monika. Was tust du da?“ Er zog mich von ihm weg: „Was habe ich dir gesagt? Du sollst nicht mit ihm flirten und auf gar keinen Fall küssen!“ „Wieso nicht? Sei mal nicht so langweilig. Der sieht doch voll geil aus. Na ja, sein Gruuunzen…Ich hab Grunzen gesagt.“ Ich beginne lauthals zu lachen. „Wie viel hast du getrunken? Wie viel?“ „Nach der vierten Flasche habe ich aufgehört zu zählen.“ Jonas ging auf den Grinsemann zu, der übrigens Tobias heißt. „Du füllst sie ab? Mein Gott, du bist so ein Idiot. Das kannst du mit jeder machen, nur nicht mit ihr!“ Der Grinsemann lächelt und antwortet: „Wer bist du? Ihr Vater?“ Jonas Wut wird größer und plötzlich bewegt sich seine Faust auf Tobias Gesicht zu. Tobias fällt zu Boden. Im Raum wird es leiser. Jonas umfasst mein rechtes Handgelenk und zieht mich weg. „Wo willst du hin?“ Jonas bleibt stehen und schaut mich mahnend an: „Ich bring dich nach Hause.“ Ich löse mich von seinen Klauen: „Nein, es wird doch gerade erst lustig.“ – „Ich habe wegen dir Tobias, meinen besten Freund, bewusstlos geschlagen. Findest du das etwa lustig?“ – „Ich habe dich nicht darum gebeten.“ Jonas schaut weg: „Du hast recht. Es ist alles meine Schuld.“ Langsam bekomme ich Mitleid: „Ach Jonas, ich weiß doch, dass du es nur gut für mich meintest.“ Er dreht sich wieder zu mir und kuckt mich mit seinen schönen grünen Augen an. Ich glaube, dass er mich in jeden Moment küssen wird. Wie letztens, als ich dachte er küsse mich und mir dann doch nur einen Kuss auf meiner Stirn gab. Er wird es aber nicht tun. Unerwartet hält er mit seinen rauen Händen meinen Kopf und küsst mich. Seine weichen Lippen auf meine. Es fühlt sich wie eine Massage an. Langsam dringt seine Zunge in meinem Mund ein. Doch bevor es richtig anfängt, sehe ich Chrissy auf uns zu kommen. Ich drücke mich von Jonas weg. Als Chrissy dann neben uns stand, sagt sie nichts, tut sie nichts, als wenn nicht zwischen mir und Jonas vorgefallen wäre. Nun nimmt Jonas Chrissy in den Arm und küsst sie so, wie er mich vor ein paar Sekunden noch küsste. Was dann passiert, kann ich mir nur noch wage erinnern. Ich weiß nur noch, dass mir schwindlig wird und alles sich im Raum dreht und ich zu Boden falle.
Ich wache auf. Ich liege in einem weißen und kahlen, fast leeren, Raum. Die Luft riecht nach Desinfektionsmittel und alten Menschen. Kein Zweifel bleibt. Ich bin im Krankenhaus und kein Mensch außer mir ist hier. Prima. Monika, was hast du wieder angestellt? Gestern noch auf der Party und heut im Krankenhaus. Wenn das mein Vater mitbekommt. Er bringt mich um. Ich will nicht sein Gesicht sehen, wenn er erfährt was ich hier mache. Verzweifelt lege ich meine Hände im Gesicht. Dabei bemerke ich ein paar große und kräftige Hügel. Oh mein Gott, ich habe es doch geahnt. Pickelarlam! Ich wusste, dass es nicht bei einen kleinen Pickel bleibt. Ich wusste, dass es mehr werden. Toll! Echt toll, Monika. Du sitzt hier in einen nach Desinfektionsmittel- und alte Menschenriechenden Krankhaus, freust dich schon auf den Ärger, den du bekommst, und hast Pickel.
Ein Hauch von Tulpenduft steigt mir in die Nase. Ein schöner süßer Duft. Ich liebe Tulpen in jeglicher Form und Farbe. Ich blicke nach rechts und sehe ein wundervollen Strauß voller Tulpen. Tulpen in rot-gelb und weiße Tulpen. Ich stecke meine neugierige Nase in die Blumen und erhasche noch ein Mal den schönen Duft der Tulpen. Dabei entdecke ich einen Zettel. Wahrscheinlich von Jonas, denn ein anderer konnte nicht wissen, dass ich Tulpen am Liebsten habe. Außer meinen Mädels, weiß es nur Jonas. Meine Mädels sind jedoch nicht da. Da bleibt wohl nur noch Jonas. Ich freue mich. Eigentlich schon ganz süß, der Jonas. Wenn er mit Chrissy irgendwann Schluss machen sollte, überlege ich mir, ob ich ihn vielleicht doch noch eine Chance geben sollte. Ich meine, er kann so gut wie jede haben, aber er wollte mich. Er liebt mich halt. Na ja, er liebte mich. Andererseits war er letztes Jahr 3 Monate mit Chrissy zusammen und hat mir Liebe geschworen. Ob das alles ehrlich von ihm gewesen war? Könnte ich ihn dann noch vertrauen? Ich sollte lieber keine Gedanken an ihm verschwenden. War es vielleicht Glück, dass ich mich nicht auf ihn einlassen konnte?
Stutzig blicke ich auf den Zettel, doch ich brauche zweimal, um zu wissen, wer Tobias ist. Das ist doch der Grinsemann von der gestrigen Party. Na ja, süß war er ja.
Die Tür geht auf und ein großer Typ mit dunklen Haar kommt rein. „Jonas! Ich habe schon auf dich gewartet!“ Er bleibt stehen: „Jonas ist ein Vollidiot.“ Er tretet aus dem Schatten und jetzt erkenne ich ihn. Tobias, wer denn sonst?
„Du hast mir den Blumenstrauß geschenkt. Woher weißt du, dass ich Tulpen mag?“ Er bekommt wieder sein typisch breites Grinsen. Anscheinend liegt das doch nicht am Alkohol. Es sei denn er trinkt schon um 10 Uhr morgens. „Hast du gestern schon vergessen? Du hast mir jedes einzelne Detail deines Lebens erzählt. So kam es mir vor.“ Süß, er kann sich an alles erinnern und ich hab so gut wie alles vergessen. „Es tut mir Leid, dass Jonas dich…“ Er kommt näher und setzt sich zu mir. „Ach, das war doch nur ein leichtes Antippen.“ Er lacht, als hätte er einen guten Witz gehört. „Gefallen sie dir denn?“ Tobias lächelt mir zu. Er sieht so zuckersüß aus, wenn er mir zu lächelt, als sei ich das schönste weibliche Geschöpf, das er je gesehen hat. „Ja, danke!“ Er nimmt sein Handy aus seiner Hosentasche: „Sag mal deine Nummer!“ Meine Nummer? Was soll das denn schon wieder? Will er jetzt ein auf Macho machen? „…Bitte.“ Er zwinkert mir zu und wartet darauf, dass ich etwas sage. Meine Handy Nummer kenne ich aber leider nicht auswendig und mein Handy ist zu haus. „Sorry, aber mein Handy liegt zu hause.“ Er beugt sich über mich zu den Nachttisch, der neben meinen Bett steht. Schiebt die Schublade auf und holt eine Stift heraus. Dann nimmt er den Zettel, der an den Blumen hängt und schreibt. Anschließend steckt er den Zettel wieder an den Blumen an: „So, jetzt hast du aber meine Nummer. Ruf mich aber an, ja?“ Er lächelt wieder so süß. „Okay, das mach ich.“ Er schaut wieder auf sein Handy. „Hm, es ist schon 10.30 Uhr. Ich muss leider wieder los. Ich warte auf dein Anruf. Machs gut!“ Er gibt mir einen Kuss auf meiner Stirn. „Bis dann.“
5 Minuten, nachdem Tobias gegangen ist, taucht Jonas unerwartet auf. „Er hat dir seine Nummer gegeben?“
„Mich freut es auch dich zu sehen.“ Was für eine Ironie.
„Her damit!“
„Was?“
„Her mit seiner Nummer!“
„Nein,“ kreische ich fast. „…, ich gebe dir nicht seine Nummer.“
„Monika.“ ruft er laut. „Gib mir sofort seine Nummer. Ich warne dich!“
„Vergiss es, wieso sollte ich? Er ist total lieb zu mir und er hat mir Tulpen geschenkt.“
Er kommt näher auf mich zu: „Wow Blumen.“, sagt er entgeistert. „Fast verwelkt. Was ist daran schön. Was denkst du passiert jetzt? Du rufst ihn an, ihr trifft euch ein paar Mal, seid dann ein Paar und nach ein paar Wochen entjungfert er dich und serviert dich ab. Ist es das, was du willst?“ Er redet sehr laut und ernst, dass ich langsam Angst bekomme. Langsam steigen mit Tränen aus den Augen. Als Jonas das bemerkt, setzt er sich zu mir und nehmt mich in die Arme. „Du bist mir die wichtigste Person. Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“ Er steht auf und nimmt die Tulpen in die Hand: „Ich sehe mich mal nach einer Vase um.“ Er dreht sich um, geht zu Tür raus. Aber zurück kommt er heute nicht mehr.
Nach einer Weile voller Langeweile kommt endlich ein Arzt ins Zimmer. Mit einen ernsten Gesicht schreitet er langsam zu mir hin, während die Krankenschwester hinter ihm her dackelt. „Guten Tag, Frau…“ Er stockt und schaut in seinen Unterlagen und sucht darin meinen Namen. „…Frau Telbe. Nach einer Blutkontrolle mussten wir feststellen, dass in Ihren Blut Zeichen von Drogen zu sehen sind. Die genauen Drogen können wir vor Ort nicht fest stellen. Diese Daten werden aber bis morgen daliegen. Ich bitte Ihnen derhalben uns zu erzählen, was sie genommen haben.“ Ich bin puff. Mit so was habe ich nicht gerechnet. Ich hätte vielleicht mit einer Alkoholvergiftung gerechnet, aber Drogen? „Bitte was? Drogen? Ey, warte mal. Abgesehen von Alkohol habe ich noch nie Drogen genommen. Was soll das? Was soll diese Unterstellung?“ Der Arzt schaut noch einmal in seinen Unterlagen und wiederholt: „Wir mussten Drogen in Ihren Blut feststellen und der gemachte Test war eindeutig.“ Ich richte mich auf. Ich kann es einfach nicht glauben. Wann sollte ich Drogen genommen haben. Ich war doch die ganze Zeit im Wohnzimmer. Aber ja doch, ich sollte ja kein Alkohol aus dem Wohnzimmer trinken, laut Jonas. Er hätte seine Erfahrungen mit gehabt. Die gleichen, die ich jetzt auch habe? Wäre er jetzt nur hier, aber ich habe ihn verjagt. Ich mache alles falsch. Ich bin tot unglücklich!
Glück, ich will dich bitten, ermahnen und ersuchen, kehre zu mir zurück. Ich brauche dich. Jetzt mehr denn je. Glück, zeig mir ein Weg aus dieser Schwierigkeit!
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, aber schließlich wache ich im Fluss meiner eigenen Tränen auf. Immer noch im Krankenhaus. Ich blicke zur Decke. Was ist mit mir nur passiert? Ich bin so allein. Nicht einmal Jonas habe ich noch. Mein Vater wird mich verachten. Die Freundschaft von Chrissy kann ich auch vergessen nach dem Kuss mit Jonas von vorletzter Nacht. Die Nummer von Tobias hat sich Jonas geschnappt und meine Freunde sind im Urlaub und wissen nicht einmal, was los ist.
Die Krankenschwester kommt ins Zimmer. „Wie geht es Ihnen?“ – „Darf ich Sie duzen?“
Sie starrt mich verwirrt an, bejaht aber meine Frage. „Mir geht es beschissen. Kennst du das Gefühl, wenn das Glück einen verlässt und nur das Pech übrig bleibt?“ Sie tretet näher: „Du redest von den Drogen in deinem Bluttest?“ Ich schüttele meinen Kopf, schaue dabei immer noch an die Decke. „Ich meine unter anderen auch das. Was ich aber wirklich meine; Kennst du das Gefühl vom Pech verfolgt zu werden? Wenn du denkst, dass es nicht mehr schlimmer werden kann, es doch immer wieder schlimmer wird.“ Sie legt besorgt ihren Kopf zur Seite. „Manchmal hilft es, um auf den richtigen Pfad zu kommen.“ Ich lache. „Bis vor einer Woche war meine Leben noch ganz in Ordnung. Doch dann änderte sich alles.“ – „ Wieso erzählst du mir das.“ – „Wieso? WIESO? Weil ich allein bin. Ich habe niemanden, mit dem ich jetzt reden könnte. Weil ich alles falsch mache und mit jemanden reden möchte, der das neutral sieht. Weil ich keine andere Wahl habe.“ Ich blicke zum ersten Mal zur ihr rüber. Sie hat eine schmale Figur. Ihr Gesicht ist aber eher rundlich. Ich fass es nicht; sie ist eine echte Blondine. Nicht gefärbt. Dass ich das noch mal erleben darf. „Darf ich sie mal etwas fragen?“ Sie steht wie angewurzelt, als sei das Gespräch wie eine Lebensprüfung. „Natürlich.“ – „Was ist Glück für dich? Seit dem alles schief geht, möchte ich wissen, was das wahre Glück ist.“ Sie holt tief Luft, bevor sie meine Frage beantwortet: „Heut zutage kann man von Glück reden, wenn man eine Ausbildung bekommt.“ Ich nicke, starre dann wieder zur Decke und meine: „Sie finden also Karriere und Erfolg im Beruf ist Glück!?“ Doch sie antwortet nicht, denn wir beiden wissen die Antwort. Leise verschwindet sie aus dem Zimmer.
Minuten und Minuten vergehen, bis dann ein Besucher kommt. Es ist Olivia. Wow, sieht die gut aus. Der Urlaub in Spanien brachte ihre Haut zum strahlen. Außerdem war sie von oben bis unten gleichmäßig gebräunt. „Hey Monika, was machst du denn hier? Als ich davon erfuhr, dass du im Krankenhaus bist, hätte mich das beinah ins Grab gebracht.“ Ich beginn zu lachen. Ihr Humor hat mir gefehlt und ich genieße es. „Der Arzt meint, ich hätte Drogen im Blut.“ – „Bitte was?“ Sie sieht mich stutzig und zugleich unglaubwürdig mit ihren großen und braunen Augen an: „Du und Drogen? Niemals. Ich glaub du willst mich verarschen.“ Ich grinse. „Das sagte ich dem Arzt auch, als er mir diese Nachricht übermittelte.“ Sie schaut mich mahnend an: „Monika Maria Telbe! Was hast du angestellt.“ – „Ich war mit Jonas auf so einer Party und trank dann zu viel und fiel zu Boden. An mehr erinnere ich mich nicht.“ Sie strahlt mich auf einmal mit ihren glänzenden Augen an. „Jonas?“, fragt sie hocherfreut. „Er hat jetzt eine Freundin.“ Ihre Augen werden immer größer und erfreuter. „Und das bist du?“ Jetzt beginne ich lauthals zu lachen Olivia kommt näher und umarmt mich. „Das freut mich. Endlich hat das geklappt. Ich wusste schon immer, dass ihr das perfekte Paar seid.“ – „Na ja, die Freundin bin nicht ich, sondern seine Ex-Freundin.“ Ihr Lächeln erlischt. Sie fragt mich halbwütend: „Wer ist diese Schlampe?“ – „Wieso Schlampe? Sie ist eigentlich ganz nett. Chrissy nennt sie sich.“ Wohl besser ich erzähle ihr nichts von dem Kuss mit Jonas. Wie ich sie kenne, macht sie sich noch falsche Hoffnungen. Als Jonas Olivia fragte, ob es sinnvoll wäre mich zu fragen, ob ich mit ihm gehen wolle, war sie entzückt. Widerrum war sie von mir enttäuscht als ich dies verneinte. Ich war damals noch nicht so weit. Der Druck von außen war zu groß. „Monika, das kannst du doch nicht einfach so zu lassen. Ich sehe doch jedes mal, wie du Jonas anschaust. Außerdem erzählt man sich, dass er im Bett eine Bombe ist.“ Ich grinse. „Olivia, so was interessiert mich doch nicht. Du weißt, dass ich noch Jungfrau bin.“ – „Also ich finde Sex ganz toll. Also wenn sich die Gelegenheit mit Jonas anbieten würde, wäre ich nicht abgeneigt.“ Ich gucke sie mahnend an. „Ist ja schon gut. Sei mal nicht so prüde.“ Die Tür geht auf und ein Mann mit einem weißen Kittel tretet ein. Der Arzt. „Guten Tag Frau Telbe. Die Ergebnisse sind vorhin angekommen.“ Die gute Stimmung erlischt, als er den Mund aufmacht und das liegt nicht nur an seinem Mundgeruch. „Die Drogen, die wir fanden, lassen sich K.O.-Tropfen nennen. Du brauchst nur ein oder zwei Tropfen im Getränk haben und du wirst bewusstlos. Das Risiko, dass Sie Abhängig von Drogen sind, können wir somit ausschließen und sie dürfen gehen.“ Der Arzt geht wieder. Ich habe meinen Schutzengel wieder. Er war nur kurz in Spanien. Ich drücke Olivia fest. Ein Problem ist damit schon mal gelöst.
Ich packe meine Sachen, um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Eigentlich ist meine Tasche das Einzige, was ich dabei habe. Aber sie ist groß. Dann fliehen wir aus diesen schrecklichen Ort des Gestankes. Wir gehen aus den Zimmer durch einen Flur, indem ein alter Mann mit weißem Haar auf Krücken läuft. Am Ende des Ganges laufen wir, immer noch stumm, die Treppen hinunter. Unten angekommen, überqueren wir den großen Saal um zum Ausgang zu kommen. Draußen fängt Olivia an zu sprechen: „Du bist ja sehr erfreut darüber, dass es diese K.O. – Tropfen waren.“ Ich blicke verwundert zu ihr. Natürlich bin ich nicht froh, aber ich bin erleichtert, dass es nichts anderes war.“ - „Es hätte nicht passieren sollen. Verstehst du? Das war total unreif von dir.“ Jetzt versteh ich sie nicht mehr. Wieso redet sie jetzt so? „Wie meinst du das. Ich war auf einer Party und trank nur etwas…“ Ihre Augenbrauen verziehen sich. Sie sieht nicht mehr so fröhlich aus wie vorhin. Nicht so fröhlich, wenn sie eine Eins in Mathematik bekommt. Nicht so fröhlich, wenn sie von ihrer letzten Nacht mit ihren Freund Ivan erzählt. Nicht so fröhlich, wenn sie über meine peinlichen Momente lacht. „Mein Gott, fang du nicht auch damit an. Jana geht auch nur auf Partys, trinkt und leckt mit jeden Typen rum. Dabei seit es doch ihr, die damit nie anfangen wolltet. Ich bin enttäuscht.“ Ich bleib stutzig stehen und sie läuft weiter. Ich renn ihr hinterher. „Hör mir mal zu, wir werden alle älter. Und mit dem Alter ändern sich auch unseren Interessen.“ Sie bleibt stehen und ich dann auch. „Von hier auf jetzt wirst du von einem Engel zu ein Luder.“ – „Bitte was? Was ist denn mit dir los?“ Sie schaut weg, trotzdem sehe ich wie ihre Tränen laufen. „Ivan..“ Jetzt fängt sie richtig an zu weinen. „Ivan hat Schluss mit mir gemacht.“ Sie kommt auf mich zu und weint sich an meine Schulter aus.
Am Abend ruft mich Jonas an und entschuldigt sich, dass er einfach gegangen war. Das ist aber nicht der Grund, wieso er anruft. Er will wissen, ob ich noch im Krankenhaus bin. Ich antworte, dass ich es nicht mehr bin. Als ich ihm die nächste Frage beantworte, dass ich wieder zuhause bin, legt er sofort auf. 15 Minuten später klingelt es an der Tür. „Hey Jonas, du legtest so schnell auf…“ Ohne mich weiter zu beachten, drängelt er sich durch die Tür und an mir vorbei, dann eilt er ins Wohnzimmer, in dem der Fernseher läuft. Ich blicke ratlos in die Luft, denn wieso verhält er sich so dermaßen komisch zur Zeit? Alles verändert sich zur Zeit, nicht nur Jonas. Aber wieso? Vor ein paar Tagen war die Welt doch ganz anders. Auf einmal entwickeln sich Gefühle, die ich noch nie kannte. Was ist das? Wieso fühle ich es nur, wenn ich an Jonas denke, ihn sehe oder über ihn rede. Ist das Liebe? Nein, das kann nicht. Das soll nicht. Ich will nicht. Ich kann es eh vergessen, denn es ist jetzt zu spät.
Langsam trete ich ins Wohnzimmer, sehe dort Jonas auf der Couch sitzen. Seine Blicke richten sich zu mir. Der Fernseher läuft nicht mehr. Es ist still und irgendwie zu still. Eine merkwürdige Situation macht sich im Raum breit. „Willst du dich nicht setzten?“, spricht Jonas mit einen leisen Tonfall. Weil ich weiß, dass er dringend mit mir reden muss, setzte ich mich ohne ein Wort. Dann schaut er mir in die Augen und man kann erkennen, dass er sich nicht traut mir, was auch immer, zu sagen. „Ich war gestern so blöd und auch vorgestern. Es tut mir so leid. Du brauchtest mich und ich, Idiot, habe mich nur um Chrissy gekümmert. Weißt du? Es ist schwer eine gute Beziehung zu führen, deshalb tut es mir Leid, wenn ich uns ein wenig vernachlässige. Das will ich nicht, denn du bist mir sehr wichtig. Aus diesen Grund habe ich mir vor genommen den Rest der Ferien mit dir zu verbringen. Ohne Chrissy. Es sei denn du willst nicht. Mir wäre es aber schon wichtig. Es sind ja nur noch 2 Wochen. Wie sieht es aus?“ Ein Teil meines Herzen jubelt. Das andere weint. Es ist ihm wirklich ernst mit Chrissy. „Ach Jonas“, höre ich mich sagen. Ich will zwar meine Worte stoppen, aber es lässt sich nicht unterbrechen: „Dir ist es also wirklich ernst mit Chrissy? Das freut mich wirklich. Irgendwie.“ Oder auch nicht. Dann steht Jonas hektisch auf, wendet sich kurz mit einem wütenden Blick und meint mir an den Kopf zu werfen: „Ach Monika, du bist so dumm. Du verstehst gar nichts.“ Dann läuft er hastig und ohne ein weiteres Wort nach draußen. Ich sitze hier ratlos.
Wie immer, wenn ich Rat brauche, gehe ich zur alten Kastanie. Dort bin ich jetzt. Ich fühl mich hier nie einsam, obwohl ich der einzige Mensch weit und breit bin. Niemand kommt hier her. Es ist mein Reich und mein Geheimplatz, wo ich nie gestört werde. Die einzigen Lebenden, sind Fische im Wasser des Flusses, Enten schwimmend, und die Pflanzen weit und breit. Es ist fast mein zweites Zuhause. Meistens klettere ich auf die Kastanie, um auf einen der etwas kräftigeren Äste zu sitzen. Viele Leute sind damals hier runter gefallen. Damals als der Weg noch frei war und die Äste der Büsche gestutzt wurden. Ich bin hier noch nie runter gefallen. Die Kastanie beschützt mich. Sie gibt mir Kraft, Hoffung, Geborgenheit und Glück. Hört sich jetzt sicher bescheuert an, aber ein Mensch braucht etwas, an dem es sich halten kann. Viele glauben deshalb an Gott. Gott gebe den Gläubigen Kraft, Hoffnung, Geborgenheit und Glück. Bei mir ist es halt die Kastanie. Etwas, wo ich weiß, dass es existiert. Aber viele Menschen brauchen es nicht zu sehen, um zu wissen, das es einen beschützt. Sie hoffen einfach, und wenn das Gehoffte passiert, geben sie Gott den Dank. Daher auch den Spruch: „Glaube kann Berge versetzten.“ Ich glaubte früher sehr an Gott, aber das hat sich geändert. Ich glaube an Glück, was immer das auch sei. Gott hat bei mir versagt und auch bei vielen andere Menschen. Wieso gibt es Armut? Wieso gibt es Hungernöte? Wieso sterben gute Menschen so früh? Meine Mutter ist mit 27 Jahren gestorben. Sie war so jung und die liebenswerteste Person der Welt. Wieso musste sie von uns gehen? Wenn es Gott gäbe, wäre meine Mutter noch am leben. Die Pubertät begann bei mir sehr schwer. Stellt euch mal vor, ihr müsstet mit euren Vater euren ersten BH kaufen gehen. Wusstest ihr direkt, was man macht, wenn man seine ersten Tage bekommt? Sicher, in Sexualkunde wurde erklärt, wie man ein Tampon benutzt, aber nicht wie man die kräftigen Krämpfe stoppt. Mein Vater verstand mich nie, wieso ich Make up brauchte, und meinte, dass man mit den Pickeln leben müsse, die bei mir rot glänzten. Außerdem verstand er nicht, wieso ich darauf bestand zum Friseur zu gehen, anstatt meine Haare von meiner Oma schneiden zu lassen. Ich habe mich dann nach langer Zeit endlich durchgesetzt. Dank Garnier und Neutrogena sind meine Pickel verschwunden und ich benutze nur noch Mascara, aber für mich war das eine Revolution, was für die meisten Mädchen, verständlich gewesen wäre.
Aber ich bin jetzt etwas reifer. Ich bin 15 und glücklich. Na ja, bis sich meine Leben zu ein Chaos entwickelte.
Ich müsste mich langsam wieder auf den Weg nach hause machen. Aber ich bleibe hier noch eine Minute. Denn es waren schon verrückte Tage. Irgendwie schon verrückt, wieso Jonas mich für doof gehalten hat, kurz nachdem ich Chrissy erwähnt habe. Vielleicht ein Streit? Das würde immerhin erklären, wieso Jonas mich geküsst hat, wieso er mehr Zeit mit mir verbringen will und wieso er schlecht auf Chrissy zu sprechen ist. Aber wieso will ich mit ihm mehr unternehmen, obwohl ich früher ihm doch immer aus dem Weg ging? Bekomme ich etwa meine Tage? Sind das meine Hormone? Ja, das muss es sein. Was anderes gibt es nicht.
Der Baum gibt mir Rat, indem er mich auf die Antworten kommen lässt. Ich konnte früher so oft zu Gott betten, jedoch habe ich nie eine Antwort bekommen. Der Baum gibt mir zwar ebenfalls keine Antwort, immerhin ist er ein Baum, jedoch kann ich hier seelenruhig meine Gedanken baumeln lassen.
Plötzlich rüttelt es am Baum und ich muss mich an den starken Ästen halten, damit ich nicht runter falle. Oh, wen sehe ich den da? Maja!!! „Hey, was machst du denn hier?“ Sie hebt die Augenbraue. „Na, was mach ich hier? Natürlich dich besuchen, du Dummerchen.“ Ich steige vom Baum runter und umarme sie so heftig wie ich nur kann.
„Es war schwer dich zu finden. Zuhause warst du nicht. Olivia hat mir so eine merkwürdige Geschichte von dir erzählt, in der ich mir das meiste zusammen reimen musste. Dann fiel mir plötzlich deine Rose ein. Da du aber dort auch nicht warst, ging ich den Pfad entlang, sofern man es noch Pfad nennen kann. Kurz bevor ich umdrehen wollte, sah ich dann dich auf so einer alten Eiche. Was machst du eigentlich hier?“ – „Na ja, das war bis vor kurzen noch mein Geheimplatz. Ich brauchte eigentlich nur etwas Zeit, um nach zu denken.“ Maja zieht ein Grinsen im Gesicht: „Und hat es geklappt?“ Wir lachen, nicht weil das ein guter Witz gewesen sein sollte, sondern weil wir uns freuen uns nach langer Zeit endlich wieder zu sehen.
Auf dem Weg nach haus, erzähl ich meiner besten Freundin, was alles so passiert ist. Maja kann es kaum glauben, was in Jonas gefahren ist.
„Ist das dein ernst? Wieso ist er denn aus dem Haus gestürmt?“
„Er ist zur Zeit generell so merkwürdig. Meinst du, ich sollte mal mit ihm reden?“
Maja rennt aufgeregt zur Haustür: „Aber erst machst du mir deinen berühmten Milchshake. Den habe ich die ganze Zeit schon vermisst.“
In der Küche schau erstmal nach, was wir für einen guten Milchshake zur Verfügung haben. Zuerst schmeiß ich den vergammelten Käse weg, der im Kühlschrank liegt. Der Käse stinkt, dass ich fast würgen muss. Eigentlich muss ich bei jeden Käse würgen. Aber bei einem vergammelten Käse? Ist ja eklig. Ich halte den Käse zu Maja, doch sie weicht aus. Nicht einmal der Mülleimer will den Käse. Na ja, Pech für ihn. Maja fragt mich: „Wo ist eigentlich dein Vater? Wieder auf Geschäftsreise?“ Nachdem der Mülleimer mein Käse verschlungen hat, gebe ich Maja Antwort: „Ja, mal wieder. Eigentlich ist er nur noch eine Woche weg, aber er wollte auf dem Heimweg noch meine Oma besuchen. Daher kommt er erst, wenn wieder die Schule beginnt.“ Maja ruft wie wild: „Sturmfrei!“ Ich hole Milch und Sahne aus dem Kühlschrank.
„Glaub bitte nicht, ich veranstalte hier eine Party.“
„Wieso nicht? Linda wäre begeistert und Olivia sicher auch.“
Ich schüttele den Kopf. „Wer macht danach den Dreck sauber? Ich habe dazu sicher keine Lust. Außerdem weißt du, was ich von Partys halte.“
Maja schaut brummig. Ich bitte sie: „Hol mir mal den Mixer aus dem Schrank. Ach ja und Zucker. Was willst du eigentlich für einen Shake? Vanille, Banane oder Schokolade?“
„Schokolade natürlich. Was für eine Frage!“
Nun trinken wir genüsslich unseren Shake. Nach einer langen Stille sagte Maja dann: „Ach ja. Ich soll dir noch was ausrichten.“ Sie wendet sich nun wieder ihrem zweiten Schokoladen-Milchshake zu ohne ein weiteres Wort. Ich blicke wartend auf sie, um noch etwas zu erfahren. Doch sie sagt nichts, deshalb spreche ich sie an: „Das wäre?“ – „Ach so, ja. Ganz vergessen. Die Schokolade hat mich so hypnotisiert. Jonas wartet auf dich unter den Linden morgen im Park gegen 14 Uhr.“ Wieder starre ich auf sie: „Und das sagst du mir erst jetzt?“ – „Wieso? Du interessierst dich doch eh nicht um ihn. Oder hat sich da was verändert?“ Ich blicke weg, sage aber: „Das ist jetzt eh egal. Er hat eine Freundin. Ob ich jetzt Interesse habe oder nicht, kann ja egal sein, oder nicht?“ – „Wenn du meinst, ich würde trotzdem dahin gehen. Könnte wichtig sein.“
Auf dem Weg zum Park bin ich am überlegen, was Jonas nur von mir will. Was will er von mir? Das macht mir verrückt. Der Gedanke macht mich verrückt. Wenn ich nur wüsste, wenn ich es nur wüsste. Verdammt, ich will es wissen.
Ich werde schneller, ohne es mitbekommen zu haben. Langsam renne ich, aber werde schneller. Immer schneller. Doch dann halte ich an. Da sitzt er auf einer Bank. Wartend. Es ist mittlerweile schon 15 Uhr. Ich sehe zu wie er aufsteht und er sich zum Gehen aufmacht. Soll ich, oder soll ich nicht? Soll ich seinen Namen rufen oder doch zu ihm laufen? Oder doch lieber stehen bleiben? Das ist vielleicht meine letzte Chance. Ich will zu ihm, doch meine Füße bleiben stehen. Ich kann mich nicht rühren. Keinen Schritt gehen. Ich bin wie gelähmt. Ich will ihn rufen, doch mein Mund will sich nicht öffnen. Was soll ich tun? Er verschwindet ohne mich und dann direkt in den Armen von Chrissy. Ich bin allein. So allein. Mich nimmt niemand in den Armen. Die Welt zerbricht in sich zusammen. Der Boden löst sich auf und um mich herum ist alles schwarz.
Und dann wache ich auf. Schweißgebadet merke ich, dass ich geträumt habe. Gott sei dank ist dieser Albtraum vorbei. Ich muss zu ihm. Ich muss pünktlich sein. Er soll mich sehen, mich hören, mich umarmen. Oh mein Gott. Es ist tatsächlich passiert. Ich habe mich in ihm verliebt. Was soll ich bloß anziehen, wenn ich ihn heute treffe. Hoffentlich sind wir allein. Aber da fällt mir ein, er kann ja nichts von mir wollen. Er hat ja jetzt Chrissy. Wie ich sie hasse. Ich strample in meinem Bett vor Wut. Dann beginne ich zu weinen. Meine Tränen kullern über meine Wangen. Immer mehr Tränen folgen. Ich halte es nicht mehr aus.
Nach einer Dusche stehe ich vor dem Kleiderschrank. Was ziehe ich bloß an? Soll ich eher meinen neuen Rock anziehen, der mit weißen Glitzersteinchen dezent verziert ist, oder meine alte Jeans, die ganz verfranst ist? Jonas würde den Rock sicher gefallen. Andererseits was soll ich mit dem Rock, wenn er doch eh kein Auge auf mich wirft? Dann doch lieber die verfranste Jeans? Dann weiß er, dass er mir genauso egal ist wie ich ihm. Aber eigentlich ist er mir nicht egal. Genau im Gegenteil; Ich glaube, ich liebe ihn sogar.
Ich suche mir lieber ein Mittelding. Wie wär es mit einer normalen Jeans und einem weißen T-Shirt? Ja, das ziehe ich an. Dazu dann aber meine Keilsandaletten. Meine Haare lass ich offen. Ich frisiere die Spitzen mit etwas Gel nur etwas fransig. Welchen Lidschatten soll ich nehmen? Eher dunkle Erdtöne oder doch lieber was dezentes. Ich nehme doch lieber was dezentes, dann glitzern meine blaue Augen so schön. Dafür nehme ich dann meinen Lieblings – Mascara. Der macht ordentlich viel Volumen und zeitgleich lange Wimpern. Ohrringe? Na ja, wäre vielleicht dann doch etwas zu viel des Guten.
Es ist gleich halb zwei, ich sollte mich mal langsam auf den Weg machen.
Aus dem Haus gegangen, merke ich, dass es nach regen aussieht. Der Himmel ist mit dunklen Wolken bedeckt und die Vögel fliegen tief. Aber ansonsten ist es ziemlich warm. Es fühlt sich wie 23 Grad Celsius an. Ich glaube aber, es ins nur 20°C.
Am Park angekommen sehe ich, dass ich 10 Minuten zu früh komme, aber Jonas sitzt schon unter einer Parkbank unter einer Linde.
Wow, scheint so, als hätte er noch was vor.
Dunkle Jeans. So weit ich weiß, scheint sie neu zu sein. Dazu ein weißes Hemd, aber nicht ganz zu geknöpft. Jeder könnte darunter ein muskulösen Oberkörper erahnen. Das Hemd an sich ist leicht durchschaubar. Er steht ihm so gut. Seine braun bis schwarzen Haaren wieder leicht gegelt, aber sieht trotzdem noch natürlich aus.
Ich will ihn nicht warten lassen, deshalb gehe ich zu ihm. Er sieht mich und steht auf. Will er jetzt schon gehen? Bin ich etwa zu spät? Ich schau auf meine Uhr. Nein, ich bin immer noch zu früh.
Jonas kommt langsam auf mich zu. Jetzt stehen wir voreinander. Er lächelt mich an. Hübsches Lächeln. Er sieht so gut aus. Küss mich, denk ich zärtlich. Küss mich, denk ich nun gieriger. Küss mich, denk ich jetzt schreiend. Zur Begrüßung gibt es eine Umarmung. Ich genieße sie richtig.
Langsam fängt es an zu regnen, also stellen wir uns unter einen Baum, der uns vor Regen schützt.
Ich fange das Gespräch mit Jonas an: „Du wolltest dich mit mir treffen. Sehe ich das richtig?“
Er lächelt mir zu und beginnt dann zu sprechen: „Ja, richtig. Es gibt etwas, worüber ich mit dir reden muss. Es fällt mir echt nicht leicht. Es geht um Chrissy.“ Um Chrissy? Was erfreuliches? Macht er Schluss? Ist das realistisch? Eher nicht. Ich hatte meine Zeit und meine Chance. Ich habe nur nie nach ihr gegriffen.
Jetzt habe ich die Hälfte verpasst. Er schwafelt irgendwas von Liebe. Jonas spricht und spricht weiter und ich tue so als ob ich ihm zuhöre. Seine letzten Worte, die ich mit bekomme: „Deshalb bin ich mit ihr zusammen. Kennst du das Gefühl?“
Er liebt sie immer noch. Das dachte ich mir. Wieso auch nicht. Was mache ich eigentlich hier. Ich gebe es einfach auf. Mit welcher Ausrede komme ich hier weg? Soll ich einfach los rennen ohne ein Wort? Albern! Ich habe ein Arzttermin. Ja, das ist es. Das sag ich ihm.
„Hey, Jonas. Ist ja schön, dass du endlich deine große Liebe gefunden hast, aber ich muss jetzt zum Arzt. Richte ihr mal schöne Grüße von mir aus.“ Ohne ein weiteres Wort verlasse ich den Park.
Mein Albtraum wurde wahr.
Ich glaub mein Glück hat sein Akku leer. Mein Schutzengel hat Urlaub und Gott hat meine Akte verbummelt.
Nach dem gestrigen Schock geht es mir jetzt besser. Langsam komme ich auch damit klar, dass er eine andere hat. Sie ist zwar einerseits total nervig, andererseits ist sie auch ganz nett. Ich sollte mich für die beiden freuen. Ich hatte meine Chance lang genug gehabt, obwohl ich sie nie ergriffen habe. Na ja, das ist mein Pech.
Es klingelt an der Tür. Eigentlich erwarte ich gar kein Besuch. Wär es wohl sein kann? Um diese Uhrzeit. Draußen ist schon längst dunkel geworden. Wäre wohl eine gute Idee die Tür auf zu machen, anstatt weiter zu rätseln, wer es denn sein könnte.
Auf dem Weg nach unten, klingelt es noch mal und noch einmal. Langsam gruselt mich dieses ungeduldige Klingeln. Hoffentlich kein Einbrecher oder ähnliches. Ich mache die Tür auf.
Draußen steht ein dunkel gekleideter Typ.
„Hey, Monika. Ich bin es. Erkennst mich noch?“, spricht der Typ zu mir.
„Tobias, hey.“, rufe ich erleichtert.
Er schaut verwirrt zu meiner rechten Hand: „Was willst du mit dem Baseballschläger?“
„Ach, der. Eigentlich nichts.“, stottere ich. „Wollte ihn eigentlich nur gerade weg räumen.“
„Hoffentlich habe ich dich nicht gestört. Immerhin haben wir es schon 23 Uhr. Na? Noch nicht am schlafen?“, spottet er.
„Hast mich gerade bei meinem Mittagsschlaf geweckt.“, kontere ich schnell und beginne zu lachen. „Komm doch erst mal rein. Kalt draußen. Dabei war es letzte Woche noch so warm. Auf dem Sommer ist wohl nie verlass.“ Wir lachen.
„Als wenn vom Winter mehr zu erwarten wäre.“
Wir machen uns auf dem Weg ins Wohnzimmer, biete ihm Kekse und Milch an. Er will lieber ein kaltes Bier. Er ist immerhin schon 18. Bier hab ich aber nicht. Ich trink höchstens ab und zu mal Wein. Habe ich aber auch nicht. Schade. Als Ersatz dient uns ne eisgekühlte Coca Cola und Chips. Apropos eisgekühlte Coca Cola. Das erinnert mich an ein Lied, was ich in der Grundschule gelernt hatte.
Eisgekühlte Coca Cola, Coca Cola eisgekühlt. Eisgekühlte Coca Cola, Coca Cola eisgekühlt und dazu ein belegtes Brot mit Schinken, ein belegtes Brot mit Ei…
Scheiß Ohrwurm.
Als ich mich setze und Tobias ansehe, bemerke ich wie süß er doch aussieht. Er ist zwar nicht so süß wie Jonas, aber immerhin ist er süß. Jonas sagte im Krankenhaus, Tobias sei nur auf meine Jungfräulichkeit scharf. Soll ich ihm das glauben? Ich wette, Tobias ist eigentlich ein Supersoftie. So ein Megaweichei. Ein Muttersöhnchen. Ich beginne lauthals los zu lachen. Tobias ist deutlich verwirrt.
„Was ist los mit dir? Worüber lachst du? Ich will auch lachen.“
„Nichts“, entgegne ich ihm. „Mir ist nur etwas eingefallen. So ein Insider.“
Er nickt langsam, aber immer noch verwirrt.
Ich blicke stumm zur Wand. Jetzt sitze ich hier im Wohnzimmer um 23 Uhr mit einem 18-jährigen Typen, den ich kaum kenne. Er ist 3 Jahre älter als ich. Früher hätte ich so was nie gemacht. Den ganzen Wandel meine ich. Ich bin nie auf Partys gegangen. Die Leute kamen zu mir. Früher war mein Leben ein Haufen voller Glück. Vor ein paar Tagen fragte ich mich noch, was das wirkliche Glück ist. Jetzt weiß ich es immer noch nicht. Eine Krankenschwester meinte doch tatsächlich, dass Erfolg glücklich macht. Doch das stimmt nicht. Das will ich zumindest nicht hoffen.
Er ist mir etwas näher gerückt. Zu nah. „Du, Tobias?“
„Ja, mein Süße. Sag, was bedrückt dich.“, spricht er mit gedämpfter Stimme.
„Was macht dich glücklich.“, will ich von ihm wissen.
Er lächelt mich an, rückt noch etwas näher und flüstert dann in meinem Ohr: „Du könntest mich heute noch sehr glücklich machen.“
„Was? Wie meinst du das?“
Er legt seine Hand auf mein Schoß und gleitet diesen immer näher zu meinem Schritt. Mir wird deutlich unwohler.
„Nicht so schüchtern, Kleine. Du bist langsam alt genug, um es auch zu wollen. Also wieso nicht jetzt? Mit mir?“
„Ich…“ Ich stottere, bin sprachlos.
„Ich bin auch sanft und zärtlich. Zumindest fürs Erste.“
Er schaut mich mit einem Schlafzimmer-Blick an und beugt sich langsam zu mir rüber. Ich glaube, er erwartet, dass ich ihn küsse. Ich will aber nicht. Ich will ihn nicht.
„Tobias? Ich…“
Seine andere Hand gleitet von meiner Taille höher.
„Tobias“, sage ich etwas hörbarer.
„Hab dich nicht so, Moni.“, sagt Tobias, während er kräftig nach meiner Brust greift.
„TOBIAS!“, schrei ich auf. Ich versuche mich von seinen Klauen zu lösen.
Das kann ich nicht. Er hält mich fest. Je mehr ich versuche mich von ihm zu reißen, desto fester hält er mich.
Ich schrei um Hilfe. Doch es ist sinnlos. Es ist aussichtslos, denn es wird mich niemand hören.
Er legt sich auf mich. Anschließend zieht er mein Top hoch, während ich die ganze Zeit und pausenlos um Hilfe rufe. Er küsst meinen Körper. Überall. Ich versuche mich zu befreien, doch ich schaffe es nicht.
Er ist dabei den Knopf meiner Jeans zu öffnen, als es plötzlich kracht.
Eine Porzellanskulptur landet mitten im Wohnzimmer. Die Scherben des Wohnzimmerfenster liegen überall auf den Boden verteilt. Tobias schaut auf, genauso wie ich. Jemand, dessen Gesicht ich nicht sehe, steigt ins Wohnzimmer durch das kaputte Fenster. Er schaut, dennoch erkenn ich sein Gesicht nicht. Es ist zu dunkel. Der große und wohlgeformte Körper erscheint mir maskulin. Eindeutig, es ist keine Frau, sondern ein Mann.
Ich merke, wie sich die Blicke von ihm und Tobias treffen. Seine Griffe lockern sich. Er lässt mich los. Er steigt von mir.
Der seltsame Typ sagt ihm noch: „Geh und lass dich hier nie wieder blicken.“
Er kommt ins Licht. Da sehe ich seine braunen Haare, die fransig gestylt wurden. Sein markanten und maskulinen Kiefer. Und an seine hypnotisierenden, grünen Augen kann ich erkennen, dass es Jonas ist, der mich gerettet hat. Was ein Held.
Er kommt auf mich zu und gab mir mein Top, dass er vom Boden aufgehoben hat. Zumindest das, was davon übrig geblieben ist.
Ich zieh es mir direkt über.
„Was fällt dir eigentlich ein? Was hast du dir dabei gedacht? Wie konntest du ihn zu dir einladen? Du kannst froh sein, dass ich rein zufällig in der Gegend war und deine Schreie gehört habe!“
Ja klar, rein zufällig war er ihr. Ich glaub ja viel, aber bevor ich das glauben soll, muss man mir erst die Revolutionstheorie erklären. Selbst dann ist das ziemlich kurios.
„Ehm, wieso warst du eigentlich in der Gegend?“
Er scheint empört zu sein, dennoch schaut er mich an.
„Wieso ich in der Gegend bin? wieso ich in der Gegen bin? Hör mal zu, Süße! Eigentlich sollte ich der sein, der hier fragt. Wenn ich nicht in der Gegend gewesen wäre, dann weiß Gott was mit dir jetzt wäre. Also frag ich DICH, was du mit ihm hier machst!“
„Ich wusste nicht… ich dachte…, aber dann war alles anders…verstehst du?“
Er steht wütend auf, steht fast drohend vor mir.
„Ja, du weißt gar nichts. Und langsam wird es mir egal, was du denkst. Weißt du, was ich denke? Und nein, ich verstehe nicht. Ich verstehe im zurzeit gar nicht, nicht einmal dich mehr. Ach, weißt du was? Tu, was du willst. Du bist mich jetzt los. Bis dann, Schätzchen.“
Ich konnte nichts mehr sagen, denn er war zu schnell weg. Jetzt sitz ich hier allein und fühl mich einsam und leer. Wieso mache ich so viele falsch? Mein Leben ist langsam nicht mehr lustig. Ganz im Gegenteil, mir laufen die Tränen davon. Was ein scheiß Dreck, Alter. Ich geh jetzt ins Bett. Ins verdammte Bett, maaaann.
Ich wache auf mit einen brummenden Schädel. Meine Augen öffnen sich leicht und ich sehe alles noch etwas verschwommen. Dann sehe ich alles deutlich, aber immer noch mit einem müden Blick. Ich sehe meine gemütliche Leseecke. Ein kleiner Massivholztisch, worauf ein paar Zeitschriften und ein Buch liegen, links und rechts je ein Sessel. Der linke Sessel ist weiß und noch wie neu, während der rechte Sessel ein schmutziges weiß aufweist. Der Rechte ist mein Lieblingssessel. So oft, wie ich schon auf ihn saß, ist es kein Wunder, dass er so schmutzig ist. Vor meiner Leseecke liegt ein Nuss – farbender Teppich auf meinem hellen Laminatboden. Meine Wände sind in einem zarten Sandton gestrichen worden. An der Wand vor meiner Leseecke steht in einem hellen Braunton mit schwungvoller Schrift Du lächelst - und die Welt verändert sich.
Mir haben schon viele Leute gesagt, dass mein Lächeln das Schönste an mir ist. Doch das ist nicht der Grund, wieso ich diese Weisheit auf meine Wand gemalt habe. Der Spruch hat etwas Wahres. Die Welt ist so viel positiver, wenn man lächelnd durch die Welt marschiert. Man sieht viel freundlicher und fröhlicher aus, und diese Freundlichkeit und Fröhlichkeit bekommt man auch zurück. Ja, ein Lächeln kann so viel verändern.
Jetzt wage ich mich endlich auf zustehen aus meinem Himmelbett. Es hat eine Maße von 160/200, also gerade groß genug für mich. Ich muss mir gestehen; ich stinke! Oh ja, ich brauche ein Bad. Ein heißes Bad mit viel Schaum, einer Maske im Gesicht und eine Kur in den Haaren. Und einfach nur noch zu chillen. Oh ja, und nebenbei seinen Gedanken schweifen lassen. Wenn man versteht, was ich meine!?
Also trotte ich zum Badezimmer. Unten nehme ich meine Zahnbürste, schmiere Zahnpasta darauf und putze meine Zähne. Danach bin ich verzweifelt auf der Suche nach meiner Haarkur. Als ich den Spiegelschrank öffne, den ich seit der Party nicht mehr geöffnet hatte, fiel mir die Kosmetiktasche meiner Mutter entgegen. Ich erinnere mich an sie. Sie hat rote lange Haare und stechend grüne Augen.
Noch immer ist sie im Komma. Ich war vor 2 Wochen zuletzt da. An Tagen wie heute vermisse ich sie. Sie wusste immer die richtigen Worte, um mein Laune zu heben. Nach den Unfall, als ich noch klein war, verging ein Jahr bis sie aus ihrem Komma erwacht ist. Doch nach einer Nierenoperation war sie erneut im Komma gefallen. Und das nur, weil sie durch mich diesen Unfall hatte, der ihr ein schwaches Herz verursacht hat. Ich schmiere mir lieber das Bad ab und geh einfach nur kurz duschen. Ich sollte meine Mutter besuchen gehen. Was anderes oder viel eher; was besseres fällt mir nicht ein, was ich tun könne.
Meiner Mutter liegt im Komma, mein Vater ist nie zuhause, meine Freunde reden nicht mit mir oder sind im Urlaub und Jonas hat eine Freundin.
Pech verfolgt mich schon seit Jahren. Also wann glaubte ich, glücklich gewesen zu sein? Wann werde ich wieder glücklich sein? Doch noch immer weiß ich nicht, wie man glücklich wird und was Glück ist.
Es ist doch völliger Unsinn, was die Schwester im Krankenhaus zu mir meine. Karriere bzw Geld macht nicht glücklich. Ich kann mir doch kein Glück kaufen. Wie sähe dies denn aus? Bekommt man etwa ein Zertifikat, auf dem steht, dass man stolzer Besitzer von Glück ist? Wohl kaum. Geld macht nicht glücklich und es bringt auch kein Glück. Alles, was man davon bekommt, sind Heuchlereien von Leuten, die ebenfalls Geld haben wollen. Aber vielleicht ist das, was die Leute wollen? Sie wollen geliebt werden!
Doch wen liebe ich? Ja, ich weiß, wen ich liebe. Nur er weiß es nicht. Ich bin zu spät
Mein Glück ist verunglückt, mein Schutzengel ist tot und Gott glaubt nicht mehr an mich.
(Kapitel 11 verändert) Fortsetzung folgt demnächst....
Texte: Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2011
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