Sie kauerte in einer Ecke. Ängstlich sah sie sich um. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Cayetana fürchtete sich, ihr war klar, dass sie kommen würden. Wie ein Stein lag der Umschlag in ihrer Tasche. Darin befand sich das Geld für einen Ausflug. Sie würde nicht mitkommen. Das Gefühl von Scham überkam sie, wieso war es so weit gekommen? Cayetana wusste es nicht und sie würde es auch nie erfahren. Das Geklapper von Schuhen auf dem Boden ließ sie zusammenstrecken. Cayetana ahnte das sie kommen würden. Die Schritte kamen immer näher. Sie zitterte, rückte immer näher an die Wand. Weiter konnte Cayetana nicht zurückweichen. Sie waren nun ganz nah. Cayetana hörte ihr Lachen. Das Kichern von Menschen, die genauso gut Monster hätten sein können. "Da ist sie ja!", bemerkte eine höhnische Stimme. Sie wagte kaum den Blick zu heben. Aus den Augenwinkeln konnte sie langes, blondes Haar ausmachen. Es gehörte zu Anouk einem Mädchen aus ihrer Klasse. "Ja, da ist sie.
Hat sie das Geld?", ertönte eine weitere Stimme diesmal gehörte sie einem Jungen. Anouk blickte sie herablassend an und ihre Lippen umspielte ein grausames Lächeln. Mit ihrer Hand griff sie nach Cayetanas Tasche.
Das Mädchen wollte sie nicht hergeben. Mit ihren Händen umklammerte sie ihre Handtasche, presste sie fest an sich. "Wie süß! Sie will es uns nicht geben. Was sollen wir nur mit ihr machen, Fredward?", hakte Anouk belustigt nach. Er trat näher und musterte Cayetana grinsend. "Das holen, was uns zusteht", antwortete er und griff nun ebenfalls nach der Tasche. "Hört bitte auf. Habt ihr immer noch nicht genug?!", rief Cayetana, deren Stimme zitterte. Eine Träne perle ihre Wange hinab und tropfte auf den Boden. "Gib es uns, oder du wirst es bereuen!", drohte Fredward ihr. Aus Angst schob das Mädchen die Tasche rüber. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie zitterte am ganzen Leib. "Na es geht doch", bemerkte Anouk und riss dem Jungen die Tasche aus der Hand. Sie zog den Reißverschluss auf und nahm den Umschlag mit dem Geld heraus. Anouk zählte die Scheine. "Das ist zu wenig. Wir sagten 200 Euro", stieß sie hervor. Gelähmt vor Angst starrte Cayetana sie an.
"Mehr hab ich nicht", erwiderte sie ängstlich. "Das interessiert mich nicht! Sieh zu, dass du den Rest auftreibst. Sonst kennt jeder unser kleines Geheimnis!"
Mit diesen Worten schleuderte sie ihr die Tasche ins Gesicht. "Bis in drei Tagen", meinte Anouk lachend. Fredward fiel in ihr Kichern ein. "Denk dran",
sagte er. Die beiden entfernten sich. Cayetana blieb am ganzen Körper bebend zurück. Sie fürchtete sich. Irgendwo musste sie das Geld herbekommen. 100 Euro in drei Tagen. Erneut tropften Tränen von ihrer Wange hinunter. Das Mädchen stützte ihren Kopf auf die Beine. Cayetana fürchtete sich so sehr. Es ging nun schon zwei Monate so. Aber sie musste es verhindern. Anouk durfte Jeremy nicht sagen, dass sie ihn liebte. Dann würde alles noch schlimmer werden. Zwar war Cayetana sich nicht sicher, ob es noch schlechter werden konnte, doch sie musste etwas tun. Denn Jeremy sollte ihre Gefühle nicht kennen. Auf keinen Fall.
Sie stand vor ihrem Klassenraum. Cayetana war aufgeregt und ihre Hand zitterte, als sie die Tür einen Spalt öffnete. Sie schob sich hinein und stand in dem großen Raum. Die weiße Tapete, die mit Bildern und Postern überseht war fiel ihr als erstes auf. Es wirkte eher wie das Zimmer eines Schülers als ein Klassenraum. Glücklicherweise war sie pünktlich, da sie noch kein Klingeln gehört hatte. "Ist das die Neue? Schaut euch die mal an!", hörte Cayetana ihre lachenden Mitschüler. Schüchtern betrachtete sie die anderen. Alle sahen sie an und jagten ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. "Hi", sagte sie mit zitternder Stimme. Ein Mädchen trat nach vorne. Mit ihrer Hand fuhr sie sich durch ihr langes, lockiges Haar und betrachtete Cayetana mit einem belustigten Blick. "Hi", äffte sie das Mädchen nach. Die anderen Schüler begannen zu Lachen und Cayetana blickte betreten zu Boden. Sie würde am liebsten im Boden versinken. Schon wieder hatte sie versagt, sie hätte sich einfach anders vorstellen müssen. Der Boden unter ihr hatte die Farbe einer überreifen Banane und passte perfekt zu Cayetanas momentanen Verfassung. "Lass sie doch, Anouk. Es kann nicht jeder so verrückt sein wie du", ertönte eine warme Stimme. Cayetana zuckte zusammen, sie kannte diese Stimme. Der Junge von eben hatte gesprochen. Sie hob den Kopf wieder und erblickte ihn. Er stand lässig von seinem Platz auf und lächelte. Wie machten sie das immer? Ihre neuen Mitschüler wirkten alle so furchtbar perfekt. Warum war sie nicht so. Wenigstens ein bisschen wie sie. "Lass das Jeremy! Wenn die sich nicht mal anständig vorstellen kann, was soll man denn dann von ihr denken?", bemerkte sie herablassend. Jeremys Gesicht nahm einen ernsteren Ausdruck an und seine grünen Augen glitzerten im Licht der Lampen. "Dann erinnere dich Mal an deinen ersten Tag. Du kamst in die Klasse gestolpert und warst genauso schüchtern. Und jetzt hast du viele Freunde", meinte er. Cayetanas Blick wanderte von Jeremy zu Anouk. Ihr Gesicht hatte ein hässliches rosa angenommen und ihre Lippen hatten sich zu einer wütenden Grimasse verzerrt. "Sei ruhig!
Sie wird es noch bereuen!", zischte sie und stöckelte auf ihren hohen Schuhen zu ihrem Stuhl zurück. Cayetana blieb wie festgenagelt an ihrem Platz stehen. Normalerweise hätte sie sich auf einen freien Platz setzen sollen, doch sie konnte sich einfach keinen Deut weit bewegen.
Tag der Veröffentlichung: 10.12.2013
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