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Prolog

Du und ich, wie das klingt.
Albern, wie eigentlich alles hier.
Die bunten Ballons an den Wänden. Die farbenfrohen Cocktails. Das alles passt nicht. Vielleicht zu den anderen. Aber nicht zu dir, Julien. In deiner Hand hältst du ein Glas. Nicht ungewöhnlich bei einer Party, doch es ist nicht dein erstes. Deine dunklen Augen blicken starr auf den Grund des Glases. Ich betrachte dich, aber nicht wie die anderen, um über dich zu lachen, sondern weil ich mir Sorgen mache. Deine Augen sind so dunkel, wirken so müde. Julien, du wirkst so weit weg. Du stehst auf, gehst auf einen großen Tisch zu. Mit zitternder Hand stützt du dich am Tisch ab. Ich stehe ebenfalls von meinem schwarzen Hocker auf. Das Scheinwerferlicht taucht den Raum in ein unangenehmes Licht.
Weder hell noch dunkel. Schatten und doch Licht. Du greifst nach einer Flasche, schenkst dir ein, bemerkst mich nicht. "Julien, lass es sein", sage ich. Du drehst dich um. Die Flasche gleitet aus deiner Hand. Ein Klirren. Braune Scherben auf weißem Boden. Keiner merkt es. Niemand achtet auf dich. "Was weißt du schon", brülltst du. Deine Stimme vibriert. Hebt sich deutlich von der Musik ab. "Ich will dir doch helfen." Du lachst. Siehst mich geradewegs mit deinen dunklen Augen an.
"Nein, das willst du nicht."
Ich berühre deinen Arm, doch du schlägt meine Hand weg.
"Lass mich in Ruhe. Kümmer dich um deinen Kram", du fährst herum und läufst dich am Tisch abstützend in Richtung Ausgang.
"Julien, warte", rufe ich dir hinterher. Du antwortest nicht. Ich fühle mich schlecht. Julien, ich hätte eher kommen sollen. Dich früher stoppen müssen. Hätte dir helfen sollen. Doch ich bin wie immer zu spät.

1.1

Weißt du noch wie alles Begann?
Ich erinnere mich genau. Du stehst vor dem großen, düsteren Gebäude. Unserer Schule, die mit ihrem hohen Zaun eher wie ein Gefängnis wirkt. Am Rand stehen drei johlende Jungen. Steve, Paul und Frederick. Ich kenne sie. Es macht ihnen Spaß, andere fertig zu machen. Wie dich, Julien. Sie sehen dich. Für einen Moment fürchte ich, sie würden wieder auf dir herumhacken. Sie wissen, keiner würde dir helfen. Auch ich nicht.
Ich habe Angst. Alleine. Ich will dir helfen, aber ich kann es nicht.
Einer von ihnen, Steve, kommt auf dich zu. Du drehst dich um. Mit diesen dunklen Augen. Ich weiß, du siehst nicht nur ihn, sondern auch mich. Du hasst mich. Bestimmt. Ich kann es verstehen. "Na willst du mit uns trinken?" Steve schwenkt eine Bierflasche vor deiner Nase hin und her. Du verziehst keine Miene. Siehst ihn einfach aus diesen fast schon schwarzen Augen an. "Wieso sollte ich?"
Er lacht. Wahrscheinlich ist er angetrunken. Bestimmt nicht sein erstes Bier. "Ich muss jetzt nach Hause." Er drückt dir die Flasche in die Hand. "Nur weil die Schule aus ist, musst du nicht gehn", meint Steve. Seine Freunde rufen nach ihm und er schlurft wieder zurück. Du drehst dich. Siehst mich. "Was willst du hier?"
Deine Worte erschrecken mich. Ich hatte damit gerechnet.
"Geh nicht zu ihnen", meine ich. Er lacht.
"Ich brauch keinen Babysitter. Geh einfach. Ich weiß, was ich tue."
Das weißt du nicht, dennoch gehe ich. Es ist falsch. Und ich weiß nicht warum ich dich einfach, ohne ein weiteres Wort gehen lasse. Julien du bist zu ihnen gegangen und du hast getrunken nicht nur ein Bier, sondern mehr. Viel mehr.
Du weißt es, Julien.

1.2

Immer wieder frage ich mich, warum du das tust. Wieso, Julien? Warum machst du dich so kaputt? Ich weiß, dass du mir nicht antworten würdest. Nicht weil du es nicht weißt sondern, weil du es nicht sagen möchtest. Am ersten Tag, nachdem alles begonnen hat, warst du anders. Deine Augen sind von Schatten verdunkelt. Dein Gang ist wackelig und du lächelst nicht mehr.
Vielleicht hätte ich zu dir gehen sollen. Dort war es noch nicht zu spät. Bestimmt. Ich hätte dir sagen sollen, was ich fühle. Was ich für dich empfinde, Julien. Ich kann es dir nicht verübeln, wenn du mich hasst. Alles was ich getan habe ist falsch. Ich habe nichts getan. Nur zugesehen. Einmal bin ich in deine Nähe gegangen.
Langsam einen Fuß vor den anderen setzend. Ich hab mich nicht getraut. Du würdest bestimmt lachen. Doch ich muss mit dir sprechen. Auch wenn ich Angst habe, "Wie geht es dir?", frage ich. Es ist der pure Schwachsinn. Ich weiß es. Du drehst dich um. Deine düsteren Augen blicken in meine. Du bemühst dich um ein aufgesetztes Lächeln. "Super", sagst du und drehst dich wieder weg. Mich verlässt der Mut. Ich weiß nicht was ich sagen soll.
Ich kann doch nicht sagen dass ich mich um dich Sorge. "Na was machste da. Begaffste wieder mal Julien?" Es ist Steve. Er kommt mit einem breiten Grinsen auf mich zu. In seiner Hand hält er eine Zigarette. Du beobachtest uns. Ich weiß es. Hast du gehört, was er gesagt hat? "Ich wüsste nicht, was dich das angeht", erwidere ich. Steve lacht und er nimmt einen Zug von seiner Zigarette. Rauch schlägt mir entgegen. Nimmt mir die Luft weg. Ich huste und versuche mich von ihm abzuwenden. "Du hast hier nichts zu melden. Ich bin hier der Boss. Ist das klar?", brüllt er. Er wirf die Überreste seiner Zigarette achtlos zu Boden. Seine Augen mit denen er mich abstätzig mustert sind zusammengekniffen. Ich will gar nicht wissen, was er gerade denkt. Du lässt nichts an dich ran. Ich kann das nicht. "Hey, Steve lass uns abhauen. Was willst du denn von der?" Du stehst plötzlich neben ihm. Ich weiß du willst mir helfen. Man erkennt es nicht an deinen Worten, sondern daran, dass du mich eine Weile wortlos betrachtest. Steve sieht zu dir hinüber. Er überlegt. Bitte geh mit Julien. Es ist falsch, was ich da denke. Er macht dich kaputt. Besser gesagt hilft er dir dabei. "Lass uns abhauen. Die ist nächstes Mal dran." Steve wendet sich ab geht den Gang entlang und winkt einigen Mädchen die an den Schließfächern lehnen zu. Du bleibst eine Weile vor mir stehen, bevor du gehst. "Pass besser auf dich auf", sagst du. Ich möchte etwas erwidern doch dazu komme ich nicht. Du gehst zu Steve, ohne noch einmal zurückzublicken.

1.3

Du bist nur zwei Reihen von mir entfernt. Doch es kommt mir vor als läge eine ganze Galaxie zwischen uns.
Es ist stickig. Die Fenster sind alle offen doch es nützt nichts. Seltsam dieser Tag gestern scheint dich total verändert zu haben. Julien, du hast mir wehgetan. Nicht nur heute, sondern auch gestern. Ich will dir doch helfen, aber du willst es nicht. Du sitzt neben Steve. Lachst und bist doch nicht glücklich. Deine Schultern sind zusammengewogen, als würdest du dich nicht wohlfühlen. Das Lachen klingt nicht echt. Was tust du dort, Julien? Mr. Graves geht die Reihen ab. Sein Gesicht zu einem gespielten Lächeln verkniffen. Wie deines. Einem nach dem anderen knallt er ohne ein Wort zu verlieren die Tests auf unsere Tischen. Du nimmst den Test in deine Hände, überfliegst ihn und lässt ihn fallen.
"Was hast du?", Tabeas Stimme reißt mich aus meinen Beobachtungen. "Ne Drei", antworte ich. Meinen Blick wende ich nicht von dir ab, Julien. Zu gerne wüsste ich dein Ergebnis. Lächelst du vielleicht? Ich habe dich noch nie wirklich lachen sehen. Ich frage dich nicht. Deine Gleichgültigkeit hat mich getroffen. Du hasst mich. Du gehst mir aus dem Weg. Mit Recht. Haben wir nicht alle mitgemacht? Ob ich dich schubse oder zugucke, ist es nicht dasselbe? Ich habe dich geliebt und doch zugesehen, wie sich dich fertigmachen. Sie tun es immer noch. Doch diesmal mit diesem Teufelszeug. Alkohol. Ich verdiene dein Vertrauen nicht, Julien. Ich schäme mich und ich wünschte mir ich könnte alles ungeschehen machen. Doch ich kann es nicht. "Hübsch ist er ja, aber eben voll komisch." Tabea hat bemerkt das ich dich ansehe. "Er ist mehr", ohne das ich es bemerke kommen die Worte über meine Lippen. Sie lächelt, sagt aber nichts weiter. Wenn ich nur wüsste, was mit mir los ist wieso ich dich ständig anstarre. Warum ich dich so liebe. Ich tue es ohne darüber nachzudenken. Und du bist mir wichtig. Dafür müssen wir keine Freunde sein. Nein, Julien egal was du sagst, ich weiß das etwas nicht stimmt. Am Ende der Stunde stehst du auf. Zusammen mit Steve. Ihr geht an unserem Tisch zu. Steve zwinkert mir zu und schenkt mir eines seiner wiederlichen Lächeln. Du tust so als wäre ich nicht da. Dein Mund ist zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Deine Augen wirken wie hinter einem dunklen Schleier. Als würden graue Schatten über deinen dunklen Augen liegen und den Schein dahinter verbergen. Du hast nicht lange geschlafen. Warst du überhaupt zu Hause. Hattest du nicht gestern dasselbe an? Ich schenke dir ein Lächeln doch es interessiert dich nicht. Du gehst aus dem Raum und ich kann dir nur hinterhersehen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.12.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle die dieses Buch lesen

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