„Zum dritten mal innerhalb von zwei Monaten einen Krankenschein, dass kann doch wohl nicht war sein! Was ist es denn Diesmal? Senegalesische Hirngrippe mit zeitweiliger geistiger Umnachtung, oder gar schweres Malaysisches Faulfieber? Lenhardt, sobald Ihr Doc Sie nur einen Tag gesund schreibt, werde ich Sie feuern, dass verspreche ich Ihnen Sie, Sie Schmarotzer!“ Bergers Adern am Hals waren so stark angeschwollen, dass sie die Ausmaße eines Feuerwehr C Schlauches in Kleinformat angenommen hatten. Ja, mein Chef gab schon einiges her was jeden Comic Zeichner zu Höchstleistungen inspiriert hätte. Auch das Dunkelrot seines wutverzerrten Gesichts produzierte einen interessanten Kontrast zum intensiven Gelb meiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, mit der er über seinem Schreibtisch hin und her wedelte als wollte er einen Schwarm Moskitos vertreiben. „Herr Berger, es tut mir leid Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber ich fühle mich einer längeren Konversation nicht gewachsen. Mein Gesundheitszustand erlaubt mir keinerlei Aufregung, daher muss ich Sie jetzt leider verlassen. Einen schönen Tag noch.“ Ich erfreute mich aufrichtig an dem herrlich dramatischen Anblick, welchen mein Arbeitgeber bot. Mittlerweile hatten die Adern an seinen Schläfen ebenfalls erheblich an Volumen zugelegt und es standen Schweißtropfen auf seiner Stirn. Alles sah nach unmittelbar bevorstehendem Schlaganfall aus. Leider tat er mir diesen Gefallen nicht. Als die Bürotür hinter mir ins Schloss fiel hörte ich sein Gebrüll immer noch deutlich. Schade eigentlich, er hätte mir eine Menge Arbeit erspart wenn er auf natürliche Weise abgetreten wäre. Aber egal, wenn der Drecksack nicht von selbst umkippte, würde er eben fliegenlernen. Ich bin nämlich grundsätzlich der Meinung, dass selbstgefällige, cholerische Tyrannen mit der Optik einer Schießbudenfigur schon längst einer fortschreitenden Evolution zum Opfer gefallen sein müssten. Ich stieg in mein Auto und machte mich daran, in die Tat umzusetzen was ich schon vor ca. einer Woche beschlossen hatte. Eine ganz normale Reaktion auf den Terror, den Berger in seiner Sklavenfirma verbreitete. Den Anführer einer Terrororganisation würde man ja schließlich auch eliminieren wenn man seiner habhaft werden könnte. Dieses Problem hatte ich Gott sei Dank ja nicht, mein Zielobjekt war stets präsent und es sollte mir nicht allzu schwer fallen ihn ins Nirwana zu befördern, wenn auch nicht gerade als IS Märtyrer mit Sprengstoffgürtel, aber durchaus auch mit lautem Knall, der von ihm nur noch Schnipsel übrig lassen würde – wie es sich gehört. Sicherlich könnten Sie jetzt die berechtigte Frage stellen, wieso jemand in einem solch katastrophalen Betrieb als schlecht bezahlter Elektriker arbeitet. Ganz einfach, wegen Yvonne. Sie arbeitet in der Lohnbuchhaltung und ich konnte doch nicht kündigen bevor ich mit dieser Traumfrau zusammen war. Nachdem wir aber vier Monate Tisch und Bett teilten und Berger in der Zwischenzeit ein immer größerer Folterknecht wurde, beschloss ich nicht zu kündigen, sondern für den Herrn Sklaventreiber sagen wir mal das Sylvester- Feuerwerk etwas vorzuverlegen. Yvonne fand das Sackgesicht zwar immer gar nicht so schlimm und meinte er könne auch ganz nett sein, aber das wundert mich nicht, denn bei attraktiven Frauen schleimte der Knabe stets kräftig herum. Es dauerte exakt zwei Tage und etliche zurückgelegte Kilometer bis ich mein“ Baumaterial“ zusammen hatte. Jetzt musste ich nur noch warten bis der jähzornige Hornochse einen seiner Arbeitsanfälle hatte und mal wieder bis Mitternacht in seinem Büro hockte. Auf der Gebäudeseite wo sich der Chefparkplatz befindet gibt es keine Fenster, so konnte ich ungestört basteln. Ich hatte ja Dank des unscheinbaren, rechteckigen und in trendigem gelb gehaltenen Zettels viel Zeit. Yvonne nahm gerade an einer Fortbildung in Stuttgart teil und war zu jenem Zeitpunkt schon nicht zu hause. Ich hatte also freie Bahn. Autos sind mein Steckenpferd, damit kenne ich mich richtig gut aus und mit Schlüssel war alles gar kein Problem. Den Zweitschlüssel den ich dem aufgeblasenen Ochsenfrosch aus seiner Schreibtisch-Schublade geklaut hatte, würde er wahrscheinlich erst 2025 vermissen – aber manchmal ist der Sensenmann halt schneller. Schade um den schönen Porsche Boxster ging es mir durch den Kopf, als ich das letzte Kabel an seinem vorgesehenen Platz positionierte. Fragen Sie mich nicht wie man als Normalsterblicher an einen Haufen Sprengstoff und solche Dinge kommt. Ich kann Ihnen nur sagen, kennen Sie die richtigen Zeitgenossen, können Sie sich leicht einen russischen Spähpanzer in den Garten stellen. Als ich mich auf den Heimweg begab, hatte ich das gute Gefühl perfekte Arbeit geleistet zu haben. Mit Einschalten der Zündung würde sich ein Gemisch aus Blechfetzen und Bergers spärlichen Überresten weiträumig über den Parkplatz verteilen. Ich musste an meinen gelben Schein denken und grinste vor mich hin, schließlich fiel mein Werk unter die Bezeichnung „Schwarzarbeit“.
Von da an musste ich nur noch im trauten Heim sitzen und auf die frohe Botschaft warten, die Bergers unschönes Ableben verkündete. Ich gönnte mir ein Glas meines besten Scotch, original Irish Single Malt, die Flasche zu zweiundvierzig Euro. Egal, dass musste einfach sein, die Vorfreude die mich emotional wie Meereswellen hoch und runter schaukelte, wollte schließlich weiter angeheizt werden. Zwischenzeitlich fragte ich mich allerdings wo Yvonne bloß blieb, sie hätte eigentlich schon längst zurück sein sollen. Ihr Handy war ausgeschaltet, wahrscheinlich hatte sie wieder ihr Ladekabel vergessen. Ein wenig nervös rief ich Jacqueline, ihre Lieblingskollegin an. „Hi Sven, was verschafft mir den die Ehre deines Anrufs?“ trällerte sie fröhlich in den Hörer. Ihre Stimme hörte sich meistens so an, als wäre sie gerade dabei für den „Eurovision Song Contest“ zu üben. „Hallo Jacky, ist Yvonne in deiner Nähe? Und seid ihr überhaupt noch in Stuttgart? Sie hat ihr Handy nicht an und außerdem dachte ich ihr würdet heute zurückkommen.“ Ich rasselte meinen Spruch im Tempo eines überdrehten Auktionators herunter und war heilfroh als Jacqueline mir meine Whisky – Laune wiederherstellte. „Sven, keine Panik, du hast dich vertan wir kommen erst Morgen zurück. Wo Yvonne steckt weiß ich allerdings nicht, wir sind in drei getrennten Gruppen hierhin gefahren und in meiner Meute ist sie nicht. Wir haben aber auch getrennten Unterricht und danach bist du platt und willst nur noch schlafen, also sieht man sich auch im Hotel nicht. Mach dir keinen Stress, sie wird damit beschäftigt sein ihrem Abschlusszertifikat hinterher zu lechzen. Ich bin jedenfalls schon so verbildet, ich könnte glatt Bergers Posten übernehmen.“ Nachdem wir uns verabschiedet hatten nahm ich mir den restlichen Inhalt meiner Flasche vor. „J ja ja Jacky, du kannst Bergers Poschten bald haaben.“ Lallte ich vor mich hin und kicherte dazu wie ein Kleinkind. Irgendwann rutschte ich einfach vom Stuhl und fiel in einen komatösen Schlaf.
Der nächste Morgen weckte mich mit Sonnenstrahlen durchs Fenster und dem Gefühl, ein Minibagger wäre gerade dabei die Reste meiner Hirnmasse irgendwo unterzugraben. Dennoch war ich tapfer und kaufte mir frische Brötchen und natürlich eine Zeitung. Ich konnte es kaum erwarten endlich die Nachrichten zu lesen und vergaß darüber sogar meine hämmernden Kopfschmerzen. Als der Kaffee endlich fertig war und ich ein halbes Brötchen mit Erdbeermarmelade in der Hand hielt, war der ersehnte Moment gekommen. Ich schlug die Zeitung auf. Da war er, der beste Artikel aller Zeiten. Gierig las ich die ersten Zeilen.
Eifel Kurier Dienstag 06.02.2019
Autobombe fordert ein Menschenleben
Simmerath. Das Gelände der Lammersdorfer Firma INSANO Chemie wurde zum Schauplatz eines abscheulichen Verbrechens. Durch das Zünden einer Autobombe wurde eine Frau getötet. Die Identifizierung der Toten erweist sich aufgrund der Zerstörungsgewalt die von der Detonation ausging als sehr schwierig.“ Vermutlich war die Frau ein zufälliges Opfer, da es sich bei dem zerstörten Fahrzeug um den Porsche des Firmeninhabers Alexander Berger handelt. Wir gehen davon aus, dass der oder die Täter eigentlich einen Anschlag auf ihn vorhatten“, so ein Polizeisprecher. Weitere Angaben wollte die Polizeibehörde, mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt nicht machen. Berger selbst steht unter Schock und befindet sich in ärztlicher Behandlung. Wann er befragt werden kann ist momentan noch unklar. (gezi)
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Cover: Marcus Gieske
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2019
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