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Vor vielen, vielen Jahren trug es sich zu, dass ein holder Jüngling eine wunderschöne Prinzessin lieben lernte. Diese Prinzessin hatte flammend rotes Haar und ihr Duft vermochte jeden Mann zu verführen.
Sie war wie eine Rose – trügerisch und gekonnt täuschte sie mit ihrer vermeintlichen, blutroten Schönheit über ihre spitzen Dornen hinweg.

Doch der Jüngling sah nur diese oberflächliche Schönheit und völlig geblendet davon folgte er der Prinzessin fortan durch das ganze Land. Da er zu feige war, vor ihr Antlitz zu treten, zeigte er sich ihr nie und folgte ihr völlig unbemerkt, still und heimlich. So vermochte er nicht ihre wahre Natur kennenzulernen.
Nach langer Zeit machte die Prinzessin und ihr Gefolge - somit auch der Jüngling - Rast in einem kleinen, bescheidenen Dorf. In diesen Dorf lebte ein kecke Bauerntochter, welche sich in den Jüngling verliebte.
Doch allzu bald merkte sie, dass des Jünglings Herz einer anderen gehörte, und so zeigte sie ihm ihre Zuneigung nicht. Trotzdem wurden der Jüngling und die Bauerntochter treue Freunde. Als der Jüngling weiter der Prinzessin hinterher
reisen wollte, zog die Bauerntochter mit ihm.
Auf diesen Reisen erzählte der Jüngling der Bauerntochter immer mehr von sich, schüttete sein Herz vor ihr aus und schwärmte unter anderem auch von der Prinzessin.Obwohl diese Schwärmerei der Bauerntochter mehr Schmerzen bereitete als hundert Messerstiche, es für sie schlimmer war als der Sturz von einer hohen Klippe; Sie hörte sich geflissentlich die Sorgen an und gab dem Jüngling sogar Ratschläge, munterte ihn auf und ermutigte ihn letztendlich sogar dazu, der Prinzessin seine Gefühle zu gestehen.
So fasste der Jüngling tatsächlich bald Mut, bat um eine Audienz bei der Prinzessin und vertraute dieser sein Herz an.
Doch die Prinzessin hatte nichts für ihn übrig, und so musste der Jüngling auf grausame Art und Weise verstehen, dass seine angebetete Prinzessin schrecklicher war als eine böse Hexe. Angewidert zerriss sie sein Herz vor den Augen aller, spottete über ihn, beleidigte ihn zutiefst und ließ ihn in die Kerker des Schlosses sperren.
Als er nach kurzer Zeit aus diesen Kerkern kam, war die Bauerntochter als Erste bei ihm. Sie wollte ihm Trost spenden; doch gekränkt über die Welt wies der Jüngling sie zurück. Es gäbe, so sagte er, niemanden auf der Welt, der ihn lieben würde. Es würde nie wieder jemanden geben, den er lieben würde.
Mit diesen Worten zog er sich in die dunkelsten Wälder zurück. Dort starb er an den Wunden, die die Prinzessin seinem Herz zugefügt hatte.

50 Jahre später stand die Bauerntochter, die inzwischen eine alte Greisin war, an dem Grab, in welchem der Jüngling für immer Ruhe gefunden hatte. Sie legte einen wunderschönen Blumenstrauß nieder.
Es war ein Strauß aus weißen Rosen - die Dornen waren sorgfältig entfernt worden. Eine wahre Schönheit. Kein Trugbild.
Die Bauerntochter sprach mit belegter Stimme: „Du sagtest, es gäbe niemanden, der dich lieben würde... Doch es gab und gibt jemanden.
Eine, die dich damals liebte, obwohl sie wusste, dass dein Herz einer anderen gehörte.
Eine, die ihren eigenen Schmerz missachtete und dir immer Trost spendete, egal, wie sehr ihr eigenes Herz blutete.
Und eine, die dich bis heute liebt, obwohl du schon längst von uns gegangen bist...“

Eine Träne fiel hinab auf das Grab des Jünglings; die alte Greisin weinte. Sie weinte und hasste sich dafür, dass sie dem Jüngling nie gesagt hatte, wie wichtig er ihr tatsächlich gewesen war.


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Tag der Veröffentlichung: 07.07.2009

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