Schon als mir meine Mutter eröffnete, dass wir heute in die Stadt fahren würden, sank meine Laune in den Keller. Sie wollte mich tatsächlich zu dieser Höllengegend schleppen...
Ich persönlich war ja der Meinung, dass Einkaufsstraßen nur aus dem Grunde gebaut worden waren, um uns die Weiber von Hals zu schaffen. Die Mädels waren beschäftigt – und das meist auch stundenlang – und ich konnte in Ruhe interessanteren Dingen nachgehen. Die Mädels wollten meistens ja sowieso unter sich bleiben.
Aber das sagte ich natürlich nicht laut; bin ja nicht Lebensmüde. Ihr wisst ja gar nicht, wie weh es tun kann, wenn dir deine Schwester die Augen auskratzt, nur weil du mal wieder über das einzige Hobby von ihr hergezogen hast. Ich hatte damit meine Erfahrungen gemacht und war vorsichtiger.
Und nun sollte ich doch tatsächlich mit meiner Mutter zum Einkaufen – darauf hatte ich ja nun überhaupt keinen Bock, und das tat ich auch laut kund: „Mum, das ist nicht dein Ernst! Geh doch alleine!“ Doch mit meiner Mum war – wie zu erwarten - nicht zureden: „Nun hab dich mal nicht so! Außerdem brauchst du eine neue Hose, und die kann ich ja schlecht alleine kaufen. Tut mir Leid, aber da musst du schon mitkommen!“
Die Augen meiner Mum funkelten vor Aufregung; mir war sofort klar, dass es ihr eine heimliche Genugtuung war, mich mitnehmen zu müssen. Von Mitleid war keine Spur. 'Tut mir leid!', äffte ich sie in Gedanken nach. Was für eine Lügnerin.
So gab ich mich letztendlich geschlagen und fuhr am Nachmittag mit ihr in die Stadt. Natürlich stillschweigend – denn Männer jammern nicht, Männer ertragen. Als wir dann jedoch – nach gefühlten 3 Stunden – schon den 4. Klamottenladen betraten, war von meiner Männlichkeit nicht mehr viel übrig. „Mum! Können wir nicht einfach irgendeine stinknormale Hose kaufen und gehen? Ich habe kein Bock mehr!“, meckerte ich lautstark und schlurfte über den Boden, ungeachtet des dämlichen Blickes, den mir eine ältere Dame zuwarf. Meine Mum jedoch lachte lediglich gekünstelt, und als sie sich umdrehte, hatte sich das Funkeln in ihren Augen noch verstärkt. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sie gleich hysterisch los gelacht hätte. Ich spielte schon mit dem Gedanken, die Männer im weißen Kittel zu rufen – dann wäre ich gleich zwei lästige Dinge los.
„Wo denkst du hin! Wir müssen doch eine Hose finden, die zu dir passt!“, meinte sie im tadelnden Ton, packte mich an den Schultern und betrachtete mich kritisch von oben bis unten. „Aber du bist schon ein schwieriger Fall. Dir sind die Hosen so gut wie immer zu weit – du bist einfach viel zu schmächtig.“ Der Rest von ihrem Gelaber ging 'leider' an mir vorbei, denn sie hatte so schnell geplappert, dass sich mein Hirn an fühlte wie ein mit Wasser voll gezogener Schwamm. Ich wäre gar nicht aufnahmefähig für ihr Gerede gewesen – und mal ganz ehrlich, es interessierte mich auch nicht.
Weitere gefühlte Stunden dauerte es, bis wir in irgendeinem Laden – ich hatte aufgehört mit zu zählen – zwei Hosen und ein neues Paar Schuhe und eine neue Jacke gefunden hatten. Nun, davon gehörte nur eine Hose mir – der Rest war Eigentum meiner Mutter. Ich erinnerte mich noch vage, wie sie felsenfest versichert hatte, sie würde sich nichts kaufen. 'aber Frauen und ihre Vorsätze...', murmelte ich leise.
Inzwischen gingen wir schon wieder die Straße entlang und ganz langsam erwachte ich aus meiner Trance – wir würden gleich nach Hause fahren. Innerlich jubelte ich, doch dann raubte mir etwas die Sicht: Der Elektroladen, der in meinen Augen wie ein heller Stern am Nachthimmel zwischen all diesen trostlosen Klamottenläden wirkte.
„Ich geh mal eben in den Laden da, okay?“, rief ich meiner Mutter zu, als ich meine Schritte schon längst in Richtung des Stückchen Himmels in der Hölle gelenkt hatte – und wurde jäh aufgehalten. „Du bleibst schön hier, Sohnemann!“ Völlig verdattert drehte ich mich um und blickte in die empörte Miene meiner Mutter. „Was denn?“, fragte ich angenervt. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Wir müssen nach Hause, du hast morgen Schule!“, tadelte sich mich und ging einfach weiter.
Mit heruntergeklappten Kinnladen sah ich ihr nach und wünschte ihr wahrhaftig die Pest an den Hals. Wir hatten doch tatsächlich den ganzen Nachmittag in Klamottenläden zugebracht, und jetzt konnte ich noch nicht mal mehr in einen Laden, der mich interessierte?
Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich jammern konnte, soviel ich wollte – meine Mum würde keine Widerworte dulden. Frauen hatten immer Recht (zumindest in weiblicher Ansicht, und wir wollen sie ja mal nicht mit der Wahrheit konfrontieren... lassen wir sie mal in den Glauben). Ich hastete ihr nach und nahm mir fest vor, mich das nächste Mal durchzusetzen.
Aber Männer und ihre Vorsätze... spottete eine hämische Stimme in meinem Kopf.
Tag der Veröffentlichung: 07.07.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meinen Vater und meinem besten Kumpel
du Hund ;]), denn sie waren meine Vorlage.