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1. Kapitel




Grelle Blitze zucken am Himmel über dem Wald und Donner rollt über mich hinweg. Der Wolkenbruch setzt ein, gnadenlos und eiskalt stechen tausende kleine Nadeln auf mich ein. Bis auf die Knochen durchnässt renne ich durch den Schlamm und weiche Bäumen aus. Meine Verfolger kommen näher, unaufhaltsam spüre ich ihren geringer werdenden Abstand zu mir und meinen Begleitern.
Mit einem weiten Satz springe ich über einen Bach und höre, wie Ruwell und Satil kurz zögern, mir dann aber hinterher hechten.
Ich muss meine Füße immer mehr antreiben, um den Abstand zu Garbons Lakaien zu wahren. Der starke Geruch von feuchtem Moos und Morast dringt in meine Nase. Wieder Grollt der Himmel und es scheint, als würde der Wolkenbruch noch mehr zunehmen, was scheinbar unmöglich ist. Ebenso unmöglich wird mit der Zeit das Atmen. Nicht aus Anstrengung, nein, aber wegen des Regens, der in Nase und Mund strömt.
Hinter mir hustet Ruwell und Besorgnis, ob wir es noch rechtzeitig zum Stützpunkt schaffen werden, kommt in mir auf. Ich versuche sie zu unterdrücken und im Keim zu ersticken, doch sie hält sich penetrant.
Eine Rosenranke peitscht auf mich nieder und ich weiß, sie sind bereits näher, als ich vermutet habe. Schmerz durchzuckt mich, als sich ein Dorn in meine linke Schläfe bohrt, doch ebbt sofort wieder ab. Das einzige was ich spüre, ist das warme Blut, das über meine kühle Haut rinnt. Die einzigen Wunden, die bei uns nicht heilen, sind solche, die uns mit Rosenholz zugefügt werden. Meine Begleiter sollen sich keine Sorgen machen, deshalb wechsle ich so weit wie möglich nach links, ohne dass sie hinterher schwenken würden.
Der Duft von Garbon schlägt mir plötzlich entgegen und ich bleibe stehen, als wäre ich gegen eine unsichtbare Wand gerannt. Satil schlittert einige Schritte an mir vorbei, kommt dann aber auch zum stehen. Er hat ebenfalls die Witterung aufgenommen. Nur Rowell muss sich nach uns richten und uns vertrauen, da er keinen so ausgeprägten Geruchssinn hat. Mein Blick verrät ihm sofort was los ist, denn der Schock und die Angst darin sind nicht zu übersehen. Ein Knurren keimt tief in seiner Kehle auf und er geht in eine Angriffshaltung über. Satil auf meiner einen, Rowell auf meiner anderen Seite, stehe ich im strömenden Regen und warte darauf, dass sich etwas bewegt oder jemand aus den Büschen gestürzt kommt. Doch nichts passiert. Selbst der Duft nach Garbon ist verschwunden, ebenso seine Lakaien hinter uns.
Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Rowell scheint denselben Verdacht zu hegen. Mit einem kurzen Blick in alle Richtungen schätze ich unsere Situation ein. Uns bleiben noch zwei Wege zurück zum Stützpunkt. Mit einem weiteren Blick auf meine Kameraden befinde ich ihren Zustand als gut genug, um den kürzeren, aber um längen anstrengenderen Weg zu gehen.
Entschlossen gebe ich ihnen ein Zeichen, mir zu folgen, was unnötig ist, da sie das immer tun würden, und renne los. Sobald wir in dem dichten Gestrüpp aus Kletterpflanzen sind, versuche ich, mich vorsichtiger zu bewegen, da ich hie und da einen Rosebusch entdecke. Doch auch mit aller Sorgfalt kann ich nicht verhindern, dass meine ganzen Arme und mein Gesicht Blutig aufgekratzt werden. Schon nach einem Kilometer taumle ich mehr, als dass ich renne. Das Gift, das die Rosen für mich in ihren Dornen bereithalten, beginnt bereits seine Wirkung zu zeigen. Ich kann nicht mehr verbergen, dass es mir schlechter geht, als ich es zugeben will. Rowell und Satil treten gleichzeitig an meine Seite und greifen nach meinen Unterarmen, als hätten sie sich abgesprochen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. In jeder anderen Situation hätte ich ihre Hilfestellung abgewehrt, doch jetzt nehme ich sie nur zu gerne an. Meine Kräfte schwinden langsam und ohne die beiden, würde ich wohl für Stunden im Wald liegen, kurz vor dem Stützpunkt und wäre von dem Gift gelähmt.
Ich höre Rowell neben mir Fluchen und mir ins Ohr raunen: „Wieso sagst du uns nichts Nuada? Du weißt genau, dass wir den anderen Weg gegangen wären, wenn die Rosen blühen. Das Gift ist zu stark. Du hättest daran denken müssen.“ Mittlerweile tragen mich die beiden und ich bringe nur noch schwer über meine Lippen: „Ich dachte ich würde es schaffen. Es war der kürzere Weg und euch können die Rosen nichts anhaben. Ich hab nicht nachgedacht.“ Satil schüttelt den Kopf und meint: „Du hast keinen Fehler gemacht Nuada. Du wolltest uns nur sicher zurück ins Lager bringen.“ Ich kann jetzt kaum noch nicken und spüre langsam nicht mehr viel, außer der schrecklichen Kälte und den Schmerzen, der offenen Wunden. Über mir gleitet der Himmel schnell dahin, die Wolken sind zwar schwarz und von Zeit zu Zeit erhellt sie ein Blitz, doch der Wolkenbruch hat sich in einen sanften Nieselregen verwandelt.
Alles um mich schwankt sanft und immer wieder taucht Rowells wunderschönes Gesicht, mit den leuchtend grünen Augen und den Kastanienbraunen Haaren in meinem Blickfeld auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit, sicher nur einige Minuten, erklingt Satils Stimme. Er klingt aufgebracht und scheint jemandem Kommandos zu erteilen. Wir sind anscheinend im Stützpunkt angekommen. Meine Vermutung bestätigt sich, als im nächsten Moment ein überfürsorglicher Jeril Rowell anmault: „Was macht ihr Idioten eigentlich? Ihr sollt auf sie aufpassen und sie nicht umbringen? Seht sie euch an. Ihre Kleider sind vollkommen zerrissen. Es wird mehr entblößt, als sie jemals zeigen würde. Sie zittert und ist bis auf die Knochen nass und abgekühlt. Und das ganze Blut! Könnt ihr überhaupt etwas richtig machen?! Gib sie her!“ mit diesen Worten werde ich Rowell entrissen und der gleichaltrige Jeril blickt mich besorgt an. Wir sind alle vier gleich alt, nur unsere Abstammung erlaubt es Jeril so mit Rowell und Satil zu sprechen. Ich will mich beschweren, er solle die beiden in Ruhe lassen, es sei meine Schuld, doch ich bringe noch immer kein Wort heraus.
„Verdammt! Lass noch zwei zusätzliche Decken in meine Gemächer bringen, heiß Wasser, frische Kleider und die Heilerin. Ach und Maìre!“ Jeril kommandiert seine Dienerin herum, sie fragt mitleiser und unterwürfiger Stimme: „Ja, Sir?“ Es gefällt mir nicht, wie er mit ihr umgeht, doch ich bin, seit wir 5 waren, ihm versprochen.
„Beeil dich!“ herrscht er sie an und wendet sich wieder Rowell und Satil zu. „Und ihr beiden beeilt euch auch besser, euch zu säubern und auszuruhen. Morgen wird jede Kraft benötigt!“ Zögernd senken die beiden für einen Moment unterwürfig den Kopf, werfen mir noch einen traurigen Blick zu und verschwinden aus meinem Blickfeld. Soweit ich wahrnehmen kann bin ich nun mit Jeril alleine, der sogleich in Richtung seiner Gemächer loseilt. Moment! Seine Gemächer?! Ich versuche mich zu bewegen, doch die Lähmung ist zu stark. Wieso bringt er mich in seine Gemächer? Ich will nicht in sein Bett, sondern in meines!
„Alles wird gut, Nuada. Du musst keine Angst haben. Die Lähmung lässt bald nach und die besten Heiler werden sich um deine Wunden kümmern.“, murmelt Jeril. Ich würde am liebsten fragen, wer sich um Rowell und Satil kümmert, doch kein Wort will von meinen Lippen weichen. Mich meinem Schicksal ergebend konzentriere ich mich auf seinen sanften Duft nach seinem Lieblingsparfum, das er benutzt, seit wir die Ausbildungen beendet haben. Seine Schritte hallen in den Gängen der kleinen Burg, über die er befiehlt. Mein Vater führt die Übernatürlichen, doch nur die, die auf der Seite des Lichts stehen. Jerils Vater ist einer der Generäle und gleichzeitig ein Fürst, weshalb Jeril auch diese Burg sein Eigen nennen kann. Jedes andere Mädchen in meinem Alter wäre zutiefst dankbar, wenn es ihm versprochen wäre, aber ich nicht. Ich bin schließlich nicht wie jedes andere Mädchen, sondern die Tochter von König Bismut und der verstorbenen Königin Amber. Eine Träne sammelt sich in meinem Augenwinkel und rollt meine Wange hinunter. Da mein Kopf an Jerils Schulter gelehnt ist, kann er es nicht sehen, zum Glück. Eine große Tür öffnet sich vor uns und er tritt in seine privaten Gemächer. Der Duft von frischen Blumen umhüllt mich und ich werde sanft in einem riesigen Federbett abgelegt und mit einer dicken Flauschigen Decke zugedeckt. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich am ganzen Körper zittere. Über mir ist die mit blauem Samt überzogene Decke des Himmelbetts und irgendwo in einem kleinen Hof vor den Fenstern plätschert ein Brunnen. Schleichend kommen auch meine Gefühle in Armen und Beinen zurück und ich kann meinen Kopf zur Seite drehen.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir Elisa Moosbrugger (lesepony)
Tag der Veröffentlichung: 21.12.2012

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