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Der Wecker klingelt, reißt mich unsanft aus meinen Träumen.

Ich presse mein Gesicht tief in das Kopfkissen, versuche darin zu versinken, zu entfliehen, hinabzutauchen. Für einen Moment lasse ich mich fallen. Geradewegs hindurch in eine pupurfarbene Welt, zeitlos, terminlos, gedankenlos. Ich lande weich, werde abgefedert, versinke in einer großen, weißen, watteweichen Wolke. Ich drehe mich auf den Bauch, stütze meinen Kopf mit meinen Händen ab, blicke nach unten. Ich sehe die Welt, klein, winzig, bedeutungslos verschwindet sie unter mir. Ein Vogel begleitet mich, zeigt mir seine Kunststücke, treibt mir der Luft sein Spiel. In weiten Kreisen fliegt er auf mich zu, heißt mich willkommen, lädt mich ein in seine Welt. Ich strecke meine Arme aus, lasse mich langsam von der Wolke heruntergleiten. Ein wohlig warmer Windstoß bläst mich nach oben. ich fliege, ich schwebe, schneller, weiter, höher. Die Welt gehört mir, sie liegt mir zu Füßen. Luft strömt an mir vorbei. Ich atme tief ein, bin leicht, schwerelos. Glücksgefühle vernebeln meine Wahrnehmung. Ich folge dem Vogel, ziehe seine Kreise. Wie fliegen gemeinsam, schwenken nach rechts, fliegen Slalom, tauchen ab, der Abendsonne entgegen. Sie hat verschwenderisch Rot und Orange über den Himmel gegossen. Die wohlige Wärme fängt mich ein, zieht mich an.

Doch der Moment hält nicht lange, zerplatzt vor meinen Augen, verrinnt sekundenschnell. Ich bleibe zurück, allein, sehe vor mir die schwarzen Wände meines Zimmers. Ich presse mein Gesicht tiefer, hämmere es energisch gegen das Kopfkissen, so als wollte ich die purpurfarbene Welt erzwingen. Doch ich höre den Wecker. Er klingelt. Frustiert stemme ich mich auf, schaue mich um, schaue auf den Wecker. 6.04 Uhr. Das ist Realität. Der Sekundenzeiger läuft und läuft. Er wird gejagt, unermüdlich, die Zeit verrinnt. 6.05 Uhr. Es geht so schnell. Ich streiche mir durch das Haar und stehe seufzend auf.

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Tag der Veröffentlichung: 31.10.2010

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