"Paco Fuentes!"
Genervt hebe ich kurz den Kopf und werfe einen Blick auf Mrs. Peterson, die mit ihrem alltäglich genervtem Gesicht hinter ihrem Pult sitzt und darauf wartet, dass ich etwas falsch mache. Das es Petersons Hobby geworden ist, mich den Unterricht über anzustarren, verdanke ich mi familia. Mi mamà und mi padre waren vor einigen Jahren im selben Chemiekurs und hatten damals wohl eine nicht als zu reine Weste, was Probleme mit Peterson angeht, ihren Ruf hatte ich quasi geerbt, als ich das erste mal das Klassenzimmer betrat. Und das zu recht. Ich ziehe Probleme magisch an. Entspannt lehne ich mich zurück und stütze meinen Kopf auf meinen braun gebrannten Armen ab.
"Sí."
"Ich habe viel zu viele blaue Zettel auf meinem Pult liegen, ich weiß gar nicht, wo ich sie alle hintuen soll. Möchtest du dir einen nehmen?"
"Eigentlich nicht." Ich bekomme in letzter Zeit fast jeden Tag einer dieser blauen Nachsitz- Zettel, nicht, das mich das auch nur im entferntesten interessieren könnte, aber ich habe heute noch eine Verabredung.
"Dann verschiebe deine intimen Gespräche mit Mrs. Howe bitte auf nach der Chemiestunde."
Gelangweilt wende ich mich ab und zwinkere Melanie verführerisch zu, was sie mit einem Lächeln erwiedert. Sie ist so ein pendejo. Sie denkt tatsächlich, ich würde etwas für sie empfinden, dabei benutze ich sie nur, und das ist mir völlig bewusst. Seit ich Rachel habe sitzen lassen, brauche ich schließlich eine neue. Aber eine Beziehung? Nicht in diesem Leben. Ich lebe nach dem Motto: Nur ein freier Mann ist ein glücklicher Mann, und das schon seit 2 Jahren, ich habe auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Peterson ist gerade dabei, der Klasse eine Predigt über unangebrachtes Verhalten zu halten, als ich meine Aufmerksamkeit wieder halbwegs auf den Unterricht lenke. Ich bekomme gerade noch den letzten Satz mit.
"......und ich denke, dass wir eine neue Sitzordnung einführen sollten. Und nur damit ihrs wisst: Ich verfolge eine Null- Tolleranz Politik." Sie wirft mir einen mahnenden Blick zu, als ich nicht in das missbilligende gemurmel der Klasse mit einstimme. Warscheinlich denkt sie, ich plane mal wieder, wie ich ihren Unterricht stören kann. Schlaue Frau, das muss ich ihr lassen.
Peterson wendet ihren Blick wieder ab und lässt sich auf den Stuhl hiter ihrem Pult sinken. Sie holt ihre Lesebrille heraus, greift nach der Namensliste und beginnt, die Chemiepartner zu verlesen.
"Jason Andrews und Maria Black, Rachel Baker und Sophie Emanuel, Paco Fuentes mit..... nunja, das ist vielleicht eine weniger gute Mischung, das lassen wir mal außen vor..." Ich schalte ab. Kein Wunder, dass Peterson ausgerechnet bei mir eine Ausnahme macht, ich bin schließlich der Sohn von einem der ihr verhassten Fuentes-Brüder.
"...dann bleibt nurnoch.. Paco Fuentes und Adriana Sanchéz. Nehmt jetzt eure Plätze ein und wenn ich einen beim Reden erwische- ihr wisst, wo sich die blauen Zettel befinden." Bingo. Besser hätte ich es nicht treffen können. Adriana wirft mir einen verärgerten Blick zu, sie ist anscheinend nicht sehr begeistert, meine Chemiepartnerin zu sein. Das wird sich aber bald ändern. Mit meinem engelsgleichen Gesicht, den schwarzen, verstrubelten Haaren und dem durchtrainierten, braunen Körper kann ich jede haben. Dazu kommt noch, dass Mädchen Arschlöcher wie mich gerade zu verehren. Grinsend erhebe ich mich und gehe auf Adriana zu.
"Guck nicht so verärgert, belleza, ich bin sicher, das wird eine schöne Zeit." begrüße ich sie und setze mich auf den Tisch. Sie rückt ein Stück von mir ab.
"Oh ja, ich bin sicher, das wird es." Ich habe das hinterlistige Glitzern in ihren schokobraunen Augen nicht übersehen und ziehe eine Augenbraue hoch, ich bin sicher, dass ich damit unwiederstehlich aussehe. Chica mit Feuer, gefällt mir. Autmatisch begutachte ich sie. Das dunkelbraune Haar fällt ihr bis kurz über die Schultern, kunstvoll zu einem out-of bed look frisiert. Ich begutachte ordentlich die caramellfarbene Haut in ihrem gewagten Ausschnitt, mein Blick gleitet weiter zu den langen Beiden in sehr knappen hot-pants. Als sie sich verärgert räuspert, sehe ich ihr wieder in die geschminkten Augen. Ich bin mir sicher, dass sie auch eine mexicana ist.
"Und, belleza, wie siehts aus? Du und ich, heute nach der Schule in der Toilette?" Ich lege ihr eine Hand aufs Knie.
"Träum weiter. Ich spreche normalerweise nicht mit pendejos, die ich kaum kenne." faucht sie und schlägt meine Hand weg.
"Gut. Ich heiße Paco Fuentes, sitze gerade in Petersons Chemiestunde neben der heißesten chica unserer Klasse. Jetzt kennen wir uns."
"Paco, du darfst dir nach der Stunde einen blauen Zettel abholen." Mrs. Peterson fixiert mich mit einem wütenden, zugleich amüsiertem Blick. Ich rolle mit den Augen und nicke. Von Adriana erhalte ich keine Antwort, früher oder später wird sie mir sowieso verfallen.
Ich schalte wieder auf Durchzug und verbringe den Rest der Stunde damit, Adriana vielsagende Blicke zuzuwerfen. Melanies Eifersucht ist mir egal, sie ist Geschichte. Als es klingelt stehe ich langsam auf und gehe zu Petersons Pult. Ich schnappe mir einen blauen Zettel.
"Werde ich die Famiele Fuentes jeh loswerden?" Peterson lehnt sich zurück und mir fällt auf, wie alt sie ist. Ich muss grinsen.
"Sind sie nicht schon ein wenig zu alt für diesen Beruf?" antworte ich unverblümt und drehe mich um, den blauen Zettel zerknittere ich in meiner Hand. Kurz bevor ich den Klassensaal verlasse, landet er mit einem leisen Rascheln im Mülleimer.
Texte: Textgestaktung Leonie Frey, Grundidee Simone Elkeles
Bildmaterialien: /
Lektorat: /
Übersetzung: /
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich an Simone Elkeles, die mich mit ihren Büchern verzaubert hat.