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Es waren erst wenige Tage vergangen, seit ich in Petals open to the Moons

Körper implantiert wurde und doch kam es mir so vor, als wäre es schon Jahre her. Von außen hin schien sich nichts verändert zu haben, doch ich spürte die Blicke nur zu gut. Es war fast so wie am Anfang, als ich noch als die Verräterin galt, der Niemand trauen durfte. Mittlerweile gehörte ich genauso zu Jeb's Gruppe dazu wie Paige oder Jared oder all die anderen auch, aber das misstrauische Flüstern tat nicht weniger weh als am Anfang, als ich noch mit Mel zusammen in ihrem Körper steckte. Man hatte mich vor etwa einem Jahr in sie implantiert, im festen Glauben, dass ich den Mels Geist schnellstmöglich unter Kontrolle hatte. Doch Melanie wollte ihren Körper nicht verlassen und seitdem hörte ich sie immer als Stimme in meinem Kopf. Als ich endlich von fast allen Bewohnern des Höhlensystems aktzeptiert wurde, ließ ich mich von Doc aus Mel hinausschneiden, damit sie wieder mit Jared vereint sein konnte. An mich dachte ich damals nicht.
Niemand sah mich nun mehr, wie ich war, wie Wanda, alle konnten offensichtlich nur das kleine, gebrechliche Mädchen erkennen, dem meine Seele jetzt innewohnte, allerdings nur, wenn ich nicht in der Nähe war und sie sich unbeobachtet fühlten. Wenn ich mich mit ihnen unterhielt oder Trudy half, das Geschirr zu spülen, behandelten mich alle wie die alte Wanda, auch wenn sie meinem neuen Körper misstrauten. Ich konnte mich genauso wenig an mein neues Äußeres gewöhnen; mir fehlten die Ausdauer und die Kraft,die in Mels starken Armen steckten. Die vielen harten Jahre Überlebenskampf in der Wildnis hatten sich bewährt. Melanie war so fit wie eh und je und übernahm einen Großteil meiner Arbeiten, wenn meine Glieder zu Schmerzen begannen und ich meinen vor Anstrengung keuchenden Atem nicht mehr verbergen konnte. Ich wollte nicht, dass die anderen Flüchtlinge auf meine Kosten mehr arbeiten mussten, darum schuftete ich oft mehr, als mein untrainierter Körper aushielt und war Mel später doppelt dankbar, wenn sie mir mit einem besorgten Blick die Schaufel aus der Hand nahm und vorgab, Jeb hätte mich gerufen. Und trotzdem weckte mein schwaches Äußeres meine Schuldgefühle,da ich immer den Gedanken im Hinterkopf hatte, nicht sonderlich viel für meine Koordination getan zu haben, seit ich diesen Körper mein eigen nennen konnte. Jeb, Jamie, Ian, Mel und Doc. Das waren die einzigen, denen mein Körperwechsel nichts ausgemacht hatte, die mich noch so behandelten wie früher. Doch mit Doc redete ich zur Zeit nicht viel. Ich hatte ihm noch nicht verziehen, dass er mich ohne meine Einwilligung wieder in einen fremden Körper gesteckt hatte und mich nicht einfach neben Wes' und Walters Grab hatte sterben lassen, so wie er es mir vor der Operation versprochen hatte. Angeblich hatte Jared dafür gesorgt, dass ich noch lebte. Wahrscheinlich würde meine Enttäuschung und Wut auf Doc ohnehin bald verschwinden, denn eigentlich war ich wie alle anderen Seelen auch: Hilfsbereit, Freundlich selbstlos. Nur ein großer Unterschied hob mich von den anderen 'Parasiten', wie Kyle, der Bruder meiner großen Liebe Ian o'Shea, mich früher genannt hatte, ab: Ich konnte lügen. Vielleicht nicht gut, aber es reichte aus, um eine Seele, die mir, einer Fremden, von Grund auf vertraute, in die irre zu führen.Keine dieser zart besaiteten Geschöpfe kamen auch nur auf die Idee, die Unwahrheit zu sagen, doch mich hatte der Aufenthalt bei den Menschen abgehärtet und verändert. Keine Seele ging davon aus, dass ich oder irgend ein anderes Geschöpf ihrer Rasse sie belügen und sich mit den Menschen verbünden würde, um in gewisser Weise die Besetzung der Menschen durch die Seelen zu verhindern. Doch genau das Tat ich. Ich nutzte aus, dass mir alle blind vertrauten und ging, mit meinen Lügen, meiner Implantationsnarbe im Nacken als Schutz, durch die ich, die silbrig glänzende, kleine Seele mit den vielen Fortsätzen in den Körper gegeben wurde um mich mit den Nervenenden zu verbinden und somit die Bewegungen und das Denken des Menschen zu kontrollieren, auf Beutezüge. Das silbernen glänzen in den Augen, das entsteht wenn ein Körper von einer Seele kontrolliert wird, schütze mich noch zusätzlich, sodass ich ungestört meiner eigenen Rasse Nahrung, die ich den Menschen brachte, die ich liebte, rauben konnte. Mittlerweile zählte ich mich nicht mehr zu den Seelen, ich hatte sie schon so oft belogen, dass ich im Herzen schon fast ein Mensch war. Zusammen mit den wenigen Überlebenden, die noch nicht von Seelen eingenommen wurden, lebte ich in einem ausgeprägten Höhlensystem, dass unserer Gruppe Rebellen Schutz vor den suchenden Augen der Sucher bot. Alle Menschen, die ich kannte, hassten Seelen und ich konnte ihnen das nicht verübeln. Sie besetzten gnadenlos jeden menschlichen Körper auf der Erde, den sie fanden und vertrieben den Geist, der vorher zu dem Körper gehörte. Genau das war bei mir und meinem Körper auch der Fall. Gegen die paar hundert Menschen, die sich noch auf der Erde in Gruppen versteckt hielten, waren die Seelen hoffnungslos in der Überzahl. Und doch existierte ein kleiner Hoffnungsschimmer, an den sich die Bewohner des Höhlensystems klammerten, seid es uns möglich war, die Seelen wieder von den Menschlichen Körpern zu trennen, ohne beiden Seiten Schaden zuzufügen. Nicht immer erhielt der Mensch seinen Geist zurück, aber diese Möglichkeit, die Ausrottung der Menschen zu stoppen, erfüllte unsere Gesichter mit Freude. Freude, all die Angehörigen wiederzugewinnen, die es nicht geschafft hatten, vor den Suchern, die alle verbleibenden Menschen zu finden versuchen, zu fliehen.
Ich entkrampfte meine zarten Finger, die ich unbewusst wie ein Schraubstock um den Griff der Schaufel geschlossen hatte, die tief in der Erde steckte. Verbissen unterdrückte ich meine Erschöpfung und zog das Schaufelblatt aus der Erde, nur um noch einmal den Boden damit umzuheben. Es war zwar eine stupide Arbeit, raubte aber enorm an Kraft. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und hob den Blick, als ich ein missbilligendes Schnauben vor mir hörte.
"Wanda." Kurz erwiderte ich Mels Blick, dann stützte ich mich auf dem Griff der Schaufel ab und fixierte einen der hell leuchtenden Spiegel an der Höhlendecke.
"Ja?" fragte ich unschuldig und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie ausgezehrt mein Körper mal wieder von der Arbeit war.
"Du überanstrengst dich schon wieder. Gib mir deinen Spaten und ruh dich aus, du denkst zu wenig an dich!"
"Ja. Ich meine, nein, mir gehts gut Mel. Wirklich.Ich kann noch weiterarbeiten." beteuerte ich, ohne ihr in die Augen zu sehen und stach meinen Spaten provozierend ein weiteres Mal in die Erde. Ich war in diesen Höhlen bereits bekannt für meine Selbstlosigkeit, die für mich selbstverständlich schien. Warscheinlich lag das an meinem Ursprung als Seele.
"Kannst du nicht, ich sehe es. Du musst nicht mehr arbeiten, als du schaffst."
"Ich überanstrenge mich nicht. Ich mache nur so viel, bis sich meine Schuldgefühle beruhigt haben." murmelte ich und verschluckte dabei beinahe die letzten Worte, so leise wurde ich. Gerade als ich ein weiteres Mal die Erde auflockern wollte, schloss sich Mels Hand um den Hölzernen Stiel des Werkzeugs und wand es aus dem lockeren Griff meiner Finger. Mel war viel Stärker als ich, sie grinste nur über den geringen Widerstand, den ich ihr bot.
"Da kannst du ja noch Jahre schuften." scherzte sie und legte den Spaten zur Seite, so weit, dass ich ihn nicht mehr erreichen konnte. "Entscheide dich. Entweder du hilfst in der Küche beim Abwasch oder du sitzt hier rum und lässt alle anderen Schuften." Sie grinste mich an und stemmte die Hände in die Hüften.
"Überredet." lachte ich. "Ich hätte aber wirklich noch umgraben können!"
"Sicher." Mel lachte und nickte wieder, dann machte sie sich daran, meinen Posten zum Feld umgraben zu ersetzten.
"Danke..." flüsterte ich leise und ging davon, meine Finger strichen über die raue Höhlenwand. Ich umging die aufgewühlten Felder und schlich durch die arbeitenden Rebellen hindurch, in den kühlen Schatten des Flurs. Meine Augen brauchten nicht lange, um sich an die Dunkelheit gewöhnt zu haben und ich begab mich in Richtung Küche, immer dicht an der Wand laufend. Die Gänge waren menschenleer, was zu dieser Tageszeit auch üblich war, ich konnte nur 3 Personen ausmachen, die mir gemächlich entgegenschlenderten.
"Kyle, Carol." grüßte ich die beiden, dann lächelte ich.
"Sunny!" liebevoll strich ich der gebrechlichen, schwarzhaarigen Seele über die Wange. In der kurzen Zeit, die sie hier lebte, hatte ich sie liebgewonnen, nicht nur, weil sie die einzige 'meiner Art' war, hauptsächlich wegen ihrem niedlichen Lächeln. Sunny lächelte zurück, Kyle grinste und Carol nickte respektvoll. Sie war neu hier in den Höhlen, erst kürzlich von Doc befreit worden. Etwa in Jamies alter war sie eine der Jüngsten hier. Ihre kurzen, roten Haare standen zu allen Seiten ab und die grünen Augen leuchteten, jedoch ohne den silbrig Glänzenden Zusatz der Seelenaugen. Sie war ein Mensch. Pet erinnerte sich an ein Mädchen, dass ihr sehr ähnlich sah, darum hatte ich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Mir gegenüber verhielt sie sich nicht so offen, ich war schließlich eine Seele. Sie traute mir nicht und musste sich generell erst einmal an die etwas anderen Umstände in Jeb's Höhlen gewöhnen, was sicherlich kein Leichtes für sie war.
Immernoch lächelnd setzte ich meinen Weg ins Herz der Höhlen, zum Speisesaal, fort, bis ich auf einmal Stimmen hörte. Ich konnte zu klar verstehen, was gesprochen wurde, als dass es das übliche Stimmengewirr der Menschen beim Essen sein konnte. Und diese 2 Stimmen würde ich überall wiedererkennen: Jeb diskutierte mit gedämpfter Stimme, scheinbar mit Doc, und schien so vertieft in das Thema zu sein, dass er mich nicht kommen hörte. Aufmerksam ertastete ich die Felswand zu meiner rechten und drückte mich leise unter einen kleinen Vorsprung.
"...in Gefahr bringen? Das ist unverantwortlich, Eustace! Wir wissen nicht, ob wir ihr noch trauen können." Ich konnte beinahe Jebs Hand vor Augen sehen, die sich um den Schaft seines Gewehres geschlossen hatte, das wie immer an seinem Gürtel hing.
"Nenn mich bitte nicht so, Jeb, ich bevorzuge immernoch Doc. Und seid wann bist du so misstrauisch?"
"Das reale Leben hat mich eingeholt." Ich zuckte zusammen bei dem scharfen Unterton, der in Jebs Stimme lag und hielt den Atem an. In diesem Moment der Fassungslosigkeit holte mich mein Schuldbewusstsein wieder ein. Ich wollte nicht mehr lauschen, es kam mir so falsch vor, etwas zu tun, was den anderen Schaden könnte. Ich schälte mich aus meinem Versteck und richtete mich auf, wobei ich nicht sonderlich darauf auchtete, leise zu sein. Auf einmal verspürte ich einen seltsamen Drang zu rennen, nur weg von hier, was warscheinlich auf meine traurige Vorahnung zurückzuführen war, die mir sagte, dass ich das Gesprächsthema war. Sofort verstummte das Gespräch, die beiden hatten mich bemerkt. Ich spürte förmlich Docs Blick auf mir als ich an ihnen Vorbeiging, den Kopf gesenkt um meine sich spiegelnden Emotionen zu verbergen.
"Hallo, Jeb. Doc." begrüßte ich sie, und hoffte, dass der merkwürdige Unterton in meiner Stimme nicht zu sehr auffiel. Noch immer von Schuldgefühlen geplagt beschleunigte ich meine Schritte. Mittlerweile, war es so ruhig, dass ich die Kiesel unter meinen Füßen knirschen hörte. Der Schmerz in mir, der immer aufflammte, wenn ich an die Zeit erinnert wurde, in der ich hier als Abschaum behandelt wurde, machte sich wieder bemerkbar. Ich fühlte mich verraten. Verraten von Jeb, von dem ich geglaubt hatte, dass er mein Freund war. Dachten sie, dass ich, nur weil ich eine Seele war, sie verraten würde? Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, meine Familie zu verraten, die jenigen, die ich liebte und Tränen traten mir in die Augen. In einer gewissen Weise hatte ich meine eigentliche Familie ja schon verraten, indem ich zu den Menschen in die Wüste zog und ihnen das größte Geheimnis der Seelen anvertraute: Wie man eine Seele aus einem Körper wieder entfernte. Nur der Gedanke an Verrat machte mich traurig.Mir lief langsam eine einzelne Träne de Wange hinunter, doch ich blieb nicht stehen, sondern lief einfach immer weiter, bis ich die gedämpften Stimmen der essenden Leute hörte. Hoffentlich hatte ich alles nur falsch verstanden und Jeb redete gar nicht von mir, er hatte mich schließlich noch nicht einmal erwähnt. Ich wischte mir die Träne von der Wange und versuchte so normal wie möglich zwischen den Menschen hindurchzugehen, den meisten schien gar nicht aufzufallen, dass ich sie nicht grüßte.
"Wanda!" bei dem weichen Klang seiner Stimme drehte ich automatisch den Kopf. Eigentlich wollte ich für mich alleine sein, doch seine Stimme belehrte mich etwas besserem. Ich versuchte, die Emotionen in meinem Gesicht zu unterdrücken, drehte mich um und ließ mich von Ian umarmen. Er küsste mich auf den Kopf.
"Was ist passiert, Wanda?" fragte er besorgt und strich mir sanft eine Haarsträne aus dem Gesicht. Mein Herz tat einen Sprung und ich verlor mich in seinen wunderschönen, blauen Augen.
"Nichts, Ich..Ich habe nur Nachgedacht." Jeb vermochte ich zu täuschen, aber Ian nicht. Er zog eine Augenbraue nach oben und hob mich auf seinen Schoß, sodass wir zu zweit auf der Bank saßen.
"Du kannst es mir sagen, wirklich."
"Ich habe nur Nachgedacht." Widerholte ich, sicherer als das erste Mal. Als er den Mund öffnete, um zu Widersprechen, beugte ich mich vor, überbrückte den Geringen abstand zwischen unseren Lippen und küsste ihn. Ich nagte sanft an seinen Lippen und das Kribbeln setzte wieder ein. Das Kribbeln, das sich langsam von meinem Mund bis in meine Fingerspitzen ausbreitete und mich glücklich machte. Aus seiner vornehmen Zurückhaltung wurde brennende Leidenschaft. Seine Lippen bewegten sich synchron mit meinen und es tat fast weh, als er mein Gesicht sanft wegdrückte.
"Nicht hier, Wanda. Wir werden schon ganz komisch angeguckt!" Er gab mir einen Kuss auf die Nase, während ich von seinem Schoß auf die Bank rutschte und meine Sitznachbarn registrierte. Fröhlich begrüßte ich Jared, Jamie, Kyle und Aaron, die sich angeregt über etwas unterhielten. Ich biss in das harte Brötchen, das Ian mir zugesteckt hatte und lehnte mich zurück.
"Wo ist Mel?" fragte Jared und ich sah das kurze, schelmische Aufblitzen in seinen Augen, die beim Gedanken an sie liebevoll leuchteten.
"Sie hat mir meine Arbeit geklaut und wollte sich danach noch waschen gehen." gab ich zurück."Apropos Waschen, Lucina hat sich heute Morgen beschwert, dass wir keine Seife mehr haben.Ich glaube, wir sollten mal wieder auf Beutezug gehen, auch die Lebensmittel werden knapp." Wie zur Bestätigung hielt ich das harte Brötchen hoch, dass es normalerweise nur gab, wenn nichts zu essen im Haus war.
"Hast recht, Wanda. Und ich habe keine Lust, mal wieder die Kaktusseife zu machen!" Jamie schauderte, grinste mich an und alle lachten.
"Ich dachte, Jeb hat die Seife längst abgesetzt?" sagte Aaron und schob sich einen weiteren Bissen seines harten Brötchens in den Mund.
"Zeiten ändern sich!" Jared lachte. "Übrigens, wir haben auch schon daran gedacht, auf Beutezug zu gehen." Jamie nickte zustimmend, ich konnte das aufgeregte Leuchten in seinen Augen ganz genau erkennen, während ich meine Finger mit Ians verschränkte. Seine Hand war plötzlich seltsam verkrampft. Ich nickte zustimmend.
"Wo gehen wir diesesmal hin?" fragte ich in die Runde. In Phoenix konnten wir nicht rauben, da wir schon letzten Beutezug dort die Supermärkte geplündert haben. Ian schien genauso zu denken.
"Also Phoenix ist schonmal tabu, sonst fällt das noch auf." spekulierte er. Alle anderen schienen das auch so zu sehen.
"Wie wärs mit San Diego? Da waren wir auch schon lange nicht mehr und dort gibts diese gute Eisdiele!" bemerkte Jamie und knuffte Jared in die Seite, als der versuchte, Jamies Haar zu zerstrubbeln.
"Geht nicht, Junge. Sucher gesichtet. Aus dem Eis wird wohl nichts." Er überspielte Jamies enttäuschtes Gesicht. "Wir könnten auch mal etwas weiter fahren. Wichita vielleicht, da waren wir erst einmal!"
"Oder Oklahoma City!" warf ich ein, doch Ian schüttelte den Kopf.
"Da war Nates Bande erst kürzlich. Ich denke Wichita wäre wirklich am besten."
"Okay." gab ich mich geschlagen und drückte einmal kurz seine Hand.
"Und was brauchen wir alles?" fragte Aaron mit einem seltsamen Blick auf mich."Glättung,Kühlung, Lebensmittel?"
"Hygienekram und Desinfizierungszeug" ergänzte ich mit einem Seitenblick auf Lucina, die gerade Freedom ein Brötchen zuschob. Da fiel mir wieder ein, dass ich Doc noch etwas bringen musste. Das Spülen musste also warten.
"Ich schätze, das machen wir alles Spontan. Wer kommt mit? Wir haben 5 Plätze."
"Jared, Ian, Mel, Wanda und ich." legte Jamie wie aus der Pistole geschossen fest und erntete einen missbilligenden Blick meinerseits. Ich konnte es nicht ertragen, ihn in Gefahr zu Wissen, selbst wenn ich bei ihm war, um ihn zu beschützen.
"Jamie, du bleibst hier." sagte ich ruhig und Jamie verdrehte die Augen.
"Und du kommst genauso wenig mit, Wanda. Das ist zu gefährlich." Ian verschränkte die Arme über meinem Bauch. Ich wollte nicht schon wieder so vorsichtig behandelt werden, das machte es mir nur noch schwerer, mich an meinen Körper zu gewöhnen.Außerdem hasste ich es, die leichteste Arbeit zu bekommen, immer wieder. Das gab mir das Gefühl, nichts tun zu können. "Außerdem hast du nicht viel Kondition. Du solltest erst einmal etwas trainieren." fuhr er fort.
"Nein." unterbrach ich ihn, obwohl ich wusste, dass ich mein Training tatsächlich etwas vernachlässigt hatte. "Ihr braucht mich. Ich bin schließlich die einzige Seele hier. Jared?"
"Wir brauchen sie,Ian. Sie kann sehr gut auf sich alleine Aufpassen." stimmte Jared mir zu. Ich lächelte ihn dankbar an. Ian verkrampfte sich und ich legte beruhigend meine Hand auf seinen Arm.
"Aber.." er unterbrach sich selbst und biss sich auf die Lippe, weil er wusste, dass diskutieren sinnlos war.
"Tut mir leid." flüsterte ich und küsste ihn sachte. Er schnaubte nur.
"Wenn Wanda mitkommt, bin ich auch dabei." Jamie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Ich wollte gerade etwas erwiedern, da bemerkte ich, dass niemand widersprach. Auch hier würde diskutieren sinnlos sein.
"Schön. Wann gehts los?" fragte ich.
"In ein paar Tagen, wenn sich die Gelegenheit bietet." sagte Jared und streckte sich. "Ich gehe mal Mel bescheid sagen. Und Jeb." verkündete er und stand auf. "Und du Jamie, solltest jetzt lieber in den Unterricht, sonst kriegt Sharon noch nen Anfall!" ich lachte und fuhr Jamie noch einmal durchs Haar, als er maulend an mir vorbeiging und mit Jared den Speisesaal verließ. Nach einer Weile löste sich auch die andere Gesellschaft langsam auf, ich küsste Ian noch einmal auf die Stirn und erhob mich ebenfalls unter dem Vorwand, Doc destilliertes Wasser für seine Instrumente zu holen, da das Desinfizierungsspray leer war. Erleichtert, endlich Zeit für mich zu haben bog ich in den dunklen Gang ein und machte mich leise auf den Weg zu dem Raum mit den Flüssen. Gerade als mein Blick auf Carol fiel, die lässig an der Wand lehnte, überflutete mich Pets Erinnerung so plötzlich, dass ich zusammenzuckte.





Federnd und optimistisch wie immer schritt Pet durch die abgelegene Straße in Phoenix, nahe ihres Hauses. Keine Menschenseele war zu sehen, was sie nicht weiter störte. Sie Pfiff eine fröhliche Melodie und warf sich das lange, blonde Haar zurück, das ihr in großen Wellen über die Schulter viel. Sie mochte ihren Wirtskörper sehr, indem sie jetzt schon viele Jahre auf der Erde verbracht hatte. Niemals war ihr hier etwas auch nur ansatzweise Erschreckendes Zugestoßen, dass ihren Eindruck von der Erde trüben könnte und so hatte sie beschlossen, hier zu bleiben. Die Erde war ihr Planet. Sie arbeitete sich durch den Schnee weiter vor, bis kurz vor dem Straßenende, an dem sich die Einfahrt zu ihrem Grundstück befand. Unterwegs bewunderte sie die wunderschön geschmückten Gärten, durch das Haus ihrer besten Freundin konnte sie sogar den Tannenbaum erkennen, der gerade von Melody geschmückt wurde. Eigentlich lautete ihr vollständiger Name Melody of the Paradise Queen, aber Pet nannte sie immer nur Melody. Sie lächelte und winkte ihr zu. Nachdem Melody ihr den Gruß zurückgegeben hatte, winkte sie nochmals und schaute durch das Fenster des nächsten Hauses. Ein eingeschalteter Fernseher flimmerte hell, in großen, roten Buchstaben prangte ein Satz auf dem Bildschirm, untermalt von einem unscharfen Bild mehrerer Personen. Fast augenblicklich machte Pets Herz einen ängstlichen Hüpfer. 'Menschen in Phoenix gesichtet' lautete die Überschrift. Pet laß gar nicht weiter, sie wollte nur nach Hause. Sie hatte Angst vor den Menschen, diesen grausamen Geschöpfen, die nur zum Spaß töteten und wollte nie so einem begegnen. Ängstlich beschleunigte sie ihre Schritte und warf einen nervösen Blick über die Schulter. Hatte sich dort etwas bewegt? Sie konnte keinen Angriff der Menschen riskieren, denn sonst würde ihr schlimmster Albtraum in Erfüllung gehen. Die Menschen würden ihren Wirtskörper gnadenlos auslöschen, ihn verstümmeln und unbrauchbar machen, sodass Pet gezwungen wäre, auf einen anderen Planeten zu wechseln. Aber das konnte sie nicht. Sie war auf eine besondere Art und Weise an diesen Planeten gebunden und würde den Tod dem Weltenwechsel vorziehen. Sie hoffte inständig, dass es niemals soweit kommen würde.
Ihre Schuhe klapperten laut auf dem vereisten Teer, als sie in ihre Einfahrt einbog. Schnell öffnete sie die unverschlossene Haustür. Sie schloss niemals ab, da sie bis jetzt sicher war, dass niemand einbrechen würde. Erleichtert ließ sie die Haustür hinter sich zufallen und lehnte sich dagegen. Sie war in Sicherheit,glaubte sie, und ihre Angst ebte langsam ab. Noch hatte sie die schemenhafte Gestalt nicht bemerkt, die ein Paar Meter neben ihr stand.
"Carol! Beeil dich! Wir müssen hier raus, der Parasit ist wieder da!" Sie stieß einen Schrei aus, wirbelte herum und tastete nach dem Lichtschalter. Gerade noch so sah ein Mädchen mit kurzen roten Haaren und grünen Augen ein Messer zücken, bevor sie die Treppe hochrannte. Sie sah nicht zurück und waar froh, noch rennen zu können. Die Panik lähmte sie und spielte ihrem Bewusstsein Streiche. Folgte der Mensch ihr?
Jetzt würde sie ihren Körper umbringen und sie auf eine Andere Welt schicken, das wusste sie. Pet schloss sich schwer atmend in einem Schrank ein, die Tränen liefen ihr in Strömen über die Wange. Ihr schlimmster Albtraum würde war werden.



"Wanda? Wanda! Alles in Ordnung?" Ich spürte, dass sich eine Hand auf meine Stirn legte, doch ich zeigte keinerlei Regungen. Das letzte, was ich wollte, war die vielen Neugierigen Blicke der Menschen zu ertragen, die mir die Last dieser Erinnerung ansahen. Verwirrt ertastete ich meine Umgebung. Ich lag zusamengerollt auf dem Boden, den Kopf auf den Knien und die Arme schützend um meinen Körper geschlungen. Der erdige Geschmack von Staub lag auf meiner Zunge und bedeckte meine Haare. Ich hustete und richtete mich langsam auf, meine Fingernägel gruben sich in den schmutzigen Untergrund. Jeb nahm die Hand von meiner Stirn und half mir, mich gegen eine Wand zu lehnen. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen de Fels und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Pets Erinnerungen kamen immer häufiger, sie raubten mir immer mehr Kraft. Manchmal fragte ich mich, wie lange ich es noch aushalten könne, von ihren Albträmen und Träumen so ausgezehrt zu werden.Ich wunderte mich, dass sich mein Körper nicht dagegen wehrte. Schwer atmend fixierte ich einen Punkt an der Höhlendecke, nur um Jebs besorgten Blick nicht auffangen zu müssen.
"Was ist passiert?" Bohrte er und ließ sich neben mich auf den Boden gleiten. "Du hast geschrien wie am Spieß. Hast du Schmerzen?" ernst versuchte er mir in die Augen zu blicken. Ich wollte allein sein. Über diese Erinnerung Nachdenken und dieses Gespräch schnell hinter mich bringen. Ich vergrub mein Gesicht zwischen meinen Knien und versuchte, Fassung zu bewaren. Nervös registrierte ich die misstrauischen Gesichter meiner Mitbewohner, die in einer großen Traube um mich herumstanden und ich ertappte mich dabei, in Carols Hand nach einem Messer zu suchen. Carol musste die plötzlich aufkeimende Angst in meinem Blick bemerkt haben, sie warf mir einen verwirrten Blick zu.
"Nein, ich..Alles in Ordnung. Es war nur eine Erinnerung aus Pets altem leben hier.Ich.." Meine Stimme versagte und ich spürte, wie sich das Wasser in meinen Augen sammelte. Jeb drückte kurz meinen Arm und erhob sich dann.
"Habt ihr nicht was zu Arbeiten?" richtete er an die Menge, die sie neugierig um mich versammelt hatte. "Husch, Husch! Ab mit euch!" Er klapperte mit seinem Gewehr und ich hörte durch meine Zusammengekauerte Haltung dass sich die Menschentraube mit missbilligendem Gemurmel auflöste.
Lange blieb ich einfach nur sitzen, zusammengekauert wie ein ängstliches kleines Kind an der Felswand und hoffte, dass Jeb mich alleine lassen würde. Doch seine Anwesenheit spürte ich nur alszugut und er machte keine Anstalten, mir meine Ruhe zu lassen. Mir kam es so vor als säße ich Stundenlang an die Wand gelehnt und verbarg mein Gesicht hinter meinen Armen, als ich endlich ein kratzendes Geräusch neben mir hörte. Ein paar Steinchen rieselten, Schritte entfernten sich, doch ich bewegte mich nicht. Ich saß nur weiter zusammengekauert an der Wand und dachte über Pet's Erinnerung nach. Mir tat es innerlich weh, Pet so verletzt zu haben, ich hatte ihren schlimmsten Albtraum war werden lassen. Pet war inzwischen schon auf dem Weg auf eine andere Welt und sobald sie in ihrem neuesn Körper stecken würde, würde sie bemerken, dass etwas nicht stimmte. Mir traten die Tränen in die Augen, ich kam mir so grausam vor. Aber wie konnte ich das jetzt noch ändern? Am besten sollte ich diesen Zwischenfall einfach vergessen. Verstört schüttelte ich zu mir selbst den Kopf und strich mir die langen, blonden Haare aus dem Gesicht. Ich wollte weg von hier, von dieser Gegend, an der immer irgendwelche Menschen vorbeiliefen. Und mir fiel nur ein Ort ein, an dem ich ungestört sein konnte.
Vorsichtig dehnte ich meine verspannten Muskeln, einen Finger nach dem anderen und streckte schließlich meine Beine. Ich wischte den Erdstaub an menem Pullover ab und stand auf.

Impressum

Texte: Covergestaltung von Leonie Frey Text von Leonie Frey
Bildmaterialien: http://oldskoolman.de/
Lektorat: Gesucht!
Übersetzung: Keine Übersetzung nötig, da deutsch geschrieben.
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch Widme ich an alle Leser, die 'Seelen' so schätzen wie ich.

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