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Der Tag an dem ich lernte mein Leben zu lieben…

Kurz vor Dortmund zog ich meine Schuhe aus.
Ich saß im Auto. Es war Montag Pfingstferien! Na ja eigentlich kann man diese drei freien Tage nicht gleich Ferien nennen. Meine Familie und ich waren gestern zu Bekannten aufs Land gefahren. Heute sind wir wieder zur Rückreise angetreten. Ich blickte aus dem Fenster und hoffte noch keine gelben Ballons von Kulturhauptstadt 2010 am Himmel sehen zu könne, dass hätte nämlich bedeutet, dass wir schon fast zuhause wären. Und das letzte was ich jetzt wollte, war nachhause. Dort warteten nämlich jede Menge Hausaufgaben, Vokabeln, ein unaufgeräumtes Zimmer und ein Koffer zum auspacken auf mich. Also wollte ich die Fahrt genießen und die Ankunft zuhause so weit wie möglich herauszögern. Es waren keine Ballons am Himmel zu sehen und ich ließ mich erleichtert wieder zurückfallen. Doch mich beunruhigte es ziemlich, als meine Mutter schon das Navi ausstöpselte und einpackte.
Draußen waren es 24° C, eigentlich ein echt schöner Frühlingstag. Unsere Abfahrt war schon längst ausgeschildert. Ich versuchte meine Phantasie darauf zu trimmen, dass wir in Paris wären, weit weg von zuhause, und der Strommast der Eifelturm wäre. Doch das klappte nicht bei den ganzen, mir leider viel zu bekannten, Straßen.
Meine Eltern drehten das Radio richtig laut auf. „Sag mal geht’s noch?“ fragte ich. „Jetzt hör doch mal, das Lied ist echt schön!“ sagte sie. „Nein, ich hab meine eigene Musik!“, brüllte ich, „Ihr seid so asozial!“ Ich drehte meinen MP3player auf höchste Lautstärke. „Wenn ich nachher einen Hörschaden habe weil ich eure Musik übertönen muss, seid ihr schuld!“ schrie ich. Die Antwort von meinen Eltern darauf hörte ich gar nicht mehr.
Ich bekam eine SMS von meiner Patentante aus Bayern: „Wenn ihr zuhause seid, ruft mich mal an!“ Als ich das Wort „zuhause“ las lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
Schon fuhren wir auf die so verhasste Straße, auf der wir immer fuhren, wenn wir aus dem Urlaub kamen. Jetzt nur noch rechts blinken, einmal einbiegen, ein paar Meter die Straße hoch und schon waren wir da.
Papa fuhr das Auto durch die Einfahrt in den Garten. Mein MP3player war immer noch total laut aufgedreht. Alle stiegen aus, nur ich nicht.
Ich starrte aus dem Autofenster auf das Fenster, was zu meinem Zimmer gehörte. Ich weiß gar nicht wie viele Minuten ich nur da saß und versuchte das Fenster wegzustarren.
Ich bemerkte wieder meine Umwelt. Mein Blick fiel auf das Trampolin in unserem Garten. Mich überkam die Lust zu hüpfen. Ich hatte einen Konflikt mit meinem Gewissen, ich sollte doch beim Auto ausladen helfen. Ich schaute auf die Koffer hinter mir im Kofferraum, dann wieder aufs Trampolin. Das Lied was ich grade hörte war genau richtig dafür. Ich lief auf Socken über den Hof. Auf dem Trampolin hüpfte ich dann wie eine verrückte. Das Gefühl zu fliegen, diese Freiheit und zur Musik im takt zu hüpfen, machte mich glücklich und Schmetterlinge flogen Loopings in meinem Bauch. Selbst die pieksigen Tannennadeln, die sich auf dem Trampolin häuften machten mir nichts mehr aus.
Dabei bemerkte ich gar nicht wie mein Vater mich aufforderte zu helfen und die Andern das Auto alleine ausluden.
Ich hörte erst mit dem hüpfen auf als sich eine Tannennadel in meinem Fuß stecken blieb. Ich zog die Socken aus, zog die Nadel aus meinem Fuß, kletterte vom Trampolin, lief barfuß über den Hof und versuchte mein Eigentum aus dem Auto zu ziehen.
Plötzlich bekam ich einen leichten Schlag in den Nacken. Es war mein Vater, den hatte ich gar nicht bemerkt. Ich zog die Ohrstöpsel aus meinen Ohren. „Barfuß?! Du spinnst doch, so gehst du gleich nicht in die Wohnung!“ sagte er in einem sehr aggressiven Ton und sah wütend aus. Ich murmelte schnell: „Du spinnst“. Ich war ganz ruhig und hievte die Sachen aus dem Wagen.
Ich lief in Richtung Haus und genoss das platschen meiner nackten Füße auf dem angenehm warmen Steinboden. Es fühlte sich nach Sommer an…
Ich vergaß wie schwer ich zugepackt war und hüpfte ins Haus: Barfuß!

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Tag der Veröffentlichung: 24.05.2010

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