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Manny erzählt...


Es ist kalt, dunkel und staubig. Doch trotz allem bin ich glücklich. Ich habe ein wunderschönes Leben hinter mir. Es war ein Leben voller Glück, Liebe, Abenteuer, doch auch Schmerz, Trauer, Hass und Gefahr bestimmten meinen Weg. Ich habe viele Kinder glücklich gemacht. Meine Gedanken werden von den strahlenden Kinderaugen und fröhlichen Lachen dominiert. Und doch waren auch immer wieder Momente aufgetreten die ich am liebsten vergessen möchte. Momente die mich selbst traurig oder verletzt haben. Es ist kein leichtes Leben gewesen. Wie alt ich eigentlich bin, weiß ich dennoch nicht. Ich weiß nicht einmal genau die genau Anzahl meiner Besitzerinnen und Besitzer.
Mein Fell ist verklebt, staubig und das einst strahlende Goldbraun hat sich schon zu einem blassen grau gefärbt. Ein Auge fehlt und auch bei meinen Gliedmaßen quellt schon das Innenfutter heraus. Aber das passiert allen alten Teddybären. Ich habe schon viele Namen gehabt. Teddy und Bärchen, aber ebenso Hugo, Oli oder auch Manny. Doch von allen ist mir letzteres am liebsten. Wieso das so ist werde ich euch gleich erzählen.
Nun sitze ich da und schwelge in Erinnerungen. In schöne und schreckliche. Wie schon gesagt ich habe schon vieles vergessen, doch an eine Geschichte, die seit gut 50 Jahren mein Leben bestimmt, kann ich mich noch so gut erinnern als wäre es gestern gewesen.
Meine kleine Besitzerin war ein reiches Mädchen, Klarissa war ihr Name. Ich wurde ihr zu ihrer Geburt geschenkt und so kannte ich sie schon sehr lange. Klarissa hatte blondes langes Haar, grüne Augen und somit ein richtig süßes Gesicht. Außerdem wuchs sie behütet auf, in einer großen Villa. Das Gebäude war weiß und so prunkvoll eingerichtet, das man vor lauter Gold und Glanz fast blind wurde. Doch für mich war es das schönste auf der Welt. Wenn das kleine Mädchen nicht zuhause war, ging ich im riesigen Haus umher und bewunderte die vielen Gemälde und die wunderschöne Architektur. Auch blickte ich liebend gern aus den Fenster. Die helle Sonne und der strahlend weiße Schnee machten mich so glücklich. Es schien einfach alles perfekt. Klarissa liebte mich, sie nahm mich immer mit ins Bett und ich schlief gern in ihren Armen ein. Auch sie konnte sich scheinbar nichts schöneres vorstellen. Und dann eines schönes Wintertag war es soweit. Das schlimmste was ich mir je ausmalen konnte geschah. Ich blickte wiedereinmal glücklich aus den Fenster und Klarissa erzählt mir gerade, wie es heute bei ihr in der Schule war. Ich lauschte gespannt ihrer sanften Stimme. Da wurde plötzlich dir Türe aufgerissen und Klarissas Vater stürmte hinein. „Jetzt spielst du noch immer mit diesem dummen Bären?“ Er stürmte zu mir und packte mich grob am Arm. Klarissa begann zu schluchzen: „Nein Papa. Nimm mir meinen Manny nicht weg. Nicht ihn. Nicht jetzt.“ Sie weinte und klammerte sich an mich fest. Doch auch ihr Vater blieb hartnäckig: „Du bist schon viel zu alt für ein Kuscheltier. Was sollen denn die anderen von dir denken.“ Klarissa schüttelte den Kopf und begann wieder zu schluchzen. Auch mir rollten Tränen über die Wangen. Ich wollte sie nicht verlassen. Ich wollte bei ihr bleiben. Doch es half alles nichts erbarmungslos zerrte mich ihr Vater aus den Zimmer. Das letzte was ich sah waren ihre großen grünen Augen aus denen gerade eine dicke Träne kullerte.
Nun verbrachte ich lange und unspektakuläre Jahre auf Flohmärkten und in Kinderzimmern. Mir wurde oft weggetan, doch nie war der Schmerz so groß, als der von Klarissa getrennt zu sein. Immer wieder sah ich ihre traurigen grünen Augen und hörte ihr herzzerreißendes Schluchzen. Eines Tages wurde ich einen Jungen geschenkt, Moritz hieß er. Er war eigentlich schon viel zu alt für mich und mochte mich somit auch nicht besonders. Moritz kuschelte und sprach nie mit mir. Ich saß immer in einer Ecke und starrte immer an die gleiche Wand. Doch seine Mutter wollte nicht das er mich in den Keller verbannte, oder ganz weggab. Sie selbst liebte Teddys und wollte auch das ihr Sohn diese Liebe noch erkannte. Doch das geschah nie. Als Moritz in die Pubertät kam, setzte er mich in einen Schrank, da ich ihm peinlich war. Das war eins der verletzendsten Sachen die je jemand zu mir gesagt hatte. Auch hatte er keinen Namen für mich. Wenn er etwas über mich sagte, dann über denn dummen Teddybären. Und das schmerzte noch viel mehr. Ich weinte oft. Wegen Moritz, wegen Klarissa. Sekunden, Minuten, Stunde, Tage, Wochen, Monate und Jahre vergingen nur schleichend. Ich betete oft, dass mein Leid endlich ein Ende findet. Das Moritz mich einfach weggab und ich zu anderen netten und liebenden Kindern kam, um alles zu vergessen. Doch diese Erlösung widerfuhr mir erst nach vielen Jahren. Ich wurde grob aus den dunklen Schrank genommen, hinausgetragen und auf einen Tisch neben der Straße gesetzt. „Ich hoffe der dumme Teddybär bringt wenigstens Geld ein.“ Die kränkenden Worte von Moritz ließen eine Träne über meine Wange laufen. Trotzdem war ich voller Hoffnung nun endlich diesen schmerzvollen Lebensabschnitt hinter mir zu lassen. „Wie viel willst du für den Teddy?“ Eine sanfte weibliche Stimme ließ mich aufschauen. Und ich traute meine Augen nicht. Eine junge hübsche Frau, mit langen blonden Haare und großen grünen Augen stand vor mir. Wieder standen Tränen in diesen wunderschönen Augen, doch nun nicht aus Trauer, sondern aus Glück. „Klarissa“ schoss es mir durch den Kopf. Auch Moritz blickte auf und schmolz förmlich dahin. „Nimm ihn mit. Ich brauch ihn sowieso nicht.“ Er lächelte sie an und ich könnte vor Glück Luftsprünge machen. Sofort schloss sie mich in die Arme „Manny“ flüsterte sie. Zuhause setzte sie mich auf ihr Bett und verzählte mir so viele Sachen. Sie redete Stunde, wenn nicht Tage und es tat so gut ihre Stimme wieder zu hören. Die nächsten Wochen wurden so schön wie schon lange nicht mehr.
Eines Tages stand Moritz wieder vor mir und ich bekam es mit der Angst zu tun. Würde er mich wieder mitnehmen? Doch diese Angst verflog sofort wieder als er mir sanft über den Kopf strich und flüsterte: „Danke kleiner Teddybär. Ich hab zwar kein Geld für dich bekommen, dafür das wundervollste Mädchen dieser Welt.“ Er lächelte und ich begann zu strahlen, nun hatte ich Moritz endgültig alles verziehen. Klarissa tauchte neben ihm auf und küsste ihn mitten auf den Mund. Es war schön sie so zu sehen. Immer öfter kam Moritz nun zu Klarissa und immer öfter wurde ich kurz in die Küche gesetzt damit sie sich unterhalten konnten. Das sagten sie wenigstens, aber ich war nicht dumm und wusste ganz genau was sie im Zimmer taten. Und ich freute mich für die beiden.
Und dann etwa ein Jahr später war Moritz endgültig hier eingezogen. Er schlief nun jede Nacht hier und so wurde ich auf die Eckbank in der Küche gesetzt. Das gefiel mir zwar nicht so gut, aber wie schon gesagt ich freute mich für die beiden. Weiter Monate vergingen. Klarissa und Moritz heirateten und Klarissas Bauch wurde plötzlich immer größer. Ich wusste zuerst nicht warum, doch dann erklärte sie mir, das sie ein Baby erwartete und meine Vorfreude stieg, endlich wieder ein Kind, dass mich Kuscheln und lieb haben konnte. Die neun Monate wurden von Freude dominiert und als dann endlich das kleine Mädchen, die Manuela genannt wurde, da war, war ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Ich saß den ganzen Tag in ihrem Kinderbett und sie liebte mich genauso wie ihre Mutter zuvor. Ich hatte meinen Platz gefunden, neben Manuela und bei Klarissa und Moritz.


Noch immer bin ich in dieser Familie. Ich sitze im Schrank im Wohnzimmer. Es ist Nacht und das Fenster offen. Darum ist es auch dunkel, kalt und feucht. Manuela hatte mir aus Versehen einmal ein Auge ausgerissen, aber ich habe es ihr verziehen. Auch sie ist nun schon erwachsen und schwanger. Bald wird Klarissa kommen mich reparieren und sauber machen. Dann darf ich wieder für ein kleines Kind zum kuscheln und lieben da sein und meine Vorfreude ist schon wieder ins unermessliche gestiegen. Doch egal wie viele Kinder in dieser Familie noch folgen, eins werde ich nie vergessen. Manuelas erste Worte. Manny.



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Tag der Veröffentlichung: 20.03.2012

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