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Prolog

 

Als ich zwölf Jahre war, wurde mir dieser Satz immer wieder gesagt:

 

Es ist richtig Menschen zu töten, denn es gibt Menschen – die sind böse, und haben es verdient getötet zu werden.”

 

Um genau zu sein, waren das eigentlich keine Menschen. Sie sahen nur genauso aus. In Wirklichkeit waren es Dämone, die von der Gottheit Iniquus auf die Welt geschickt wurden. Und auch wenn man wusste, dass vor dir ein blutrünstiger Dämon stand, der nur zum Töten erschaffen wurde – fällt es dir schwer ihn umzubringen. Denn das einzige, was du siehst ist ein friedlicher, meist sogar hübscher Mensch. Mir und auch allen anderen Erlöser der Erde wurde daher sehr früh antrainiert jedes Leben auszulöschen, dass böse war. Wir waren also nicht mehr so zimperlich, wenn es ums Beseitigen von „Ungeziefern” ging. Nur gab es eine Person, bei der ich immer noch nicht bereit dazu war mein Schwert gegen sie zu erheben – meine Mutter. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein ziemlich großer Schmetterling eilig an mir vorbei flatterte. Und um ganz ehrlich zu sein, kam er mir gerade recht, denn ich hatte mir schon vor Jahren geschworen, dass ich mir nicht mehr den Kopf über meine Mutter oder über meine Vergangenheit zerbrechen sollte. Was mir übrigens gar nicht so schwer fiel. Ich musste lernen, trainieren und mich an mein neues Leben gewöhnen. Also ich wurde sehr gut abgelenkt. Warum es plötzlich wieder anfing, konnte ich mir auch nicht wirklich erklären.

 

Heute musste ich nichts für die Schule tun, weder aufräumen, noch hatte ich einen neuen Auftrag erhalten. Also beschloss ich ein bisschen durch den nahegelegenen Wald zu schlendern. Der Wald war mein absoluter Lieblingsort. Es war immer kühl, ruhig – und das wichtigste – ich war allein. Es verirrte sich nur selten irgendjemand hierher. Und wenn dann benutzten sie die vorgefertigten Wege, auf die ich deshalb so gut wie es ging verzichtete. Ich bevorzugte mein eigene Orientierung, was mich immer wieder zu schönen neuen Orten führte, die ich dabei entdeckte. Zum Beispiel die riesige Trauerweide, unter der man den Sonnenuntergang beobachten konnte oder diese Steine, die aussahen wie Treppen und immer weiter nach oben führten, bis man eine atemberaubende Aussicht auf meine Heimat – der Stadt Imparis bewundern konnte. Und anscheinend kannte nur ich diese Plätze. Zumindest hatte ich ich in den ganzen Jahren noch nie jemanden hier gesehen und natürlich würde ich auch niemanden davon erzählen. Der Wald war wie mein geheimer Rückzugsort und ich wüsste auch nicht was ich ohne ihn tun würde. Solche Dinge wie in die Disco gehen oder sich in einer Bar betrinken, war für viele der Bewohner Imparis vielleicht eine gute Möglichkeit sich zu amüsieren, aber für mich war das nichts.

 

Ich verließ den vorgefertigten Steinweg, bog links ab und lief quer über eine riesige Wiese. Bis sich wieder Bäume vor mir erstreckten und mich immer weiter hineinzogen. Je tiefer ich hinein ging, umso ruhiger wurde ich und diese vertraute Einsamkeit schlich sich wieder in meine Eingeweide. Für den einen oder anderen ein schreckliches Gefühl, aber für mich ein Segen. Es war dieses Gefühl, wenn man von -15 Grad draußen wieder zurück in die 25-Grad-warme Wohnung kam. Ein Kribbeln, dass sich rasch auf der ganzen Haut verbreitete und immer weniger wurde, dafür eine angenehme Wärme hinterließ.

Vielleicht mochte es für den einen oder anderen aussehen, als würde ich blind durch die Gegend laufen, aber natürlich wusste ich genau wohin ich musste. Wie gewohnt kam ich an der mysteriösen Bank vorbei, die scheinbar völlig wahllos mitten im Wald stand. Aber genau das war eben nicht der Fall. Wenn man sich daraufsetzte, und ich hatte keine Ahnung wie derjenige, der diese Bank dort hingebaut hatte, das geschafft hatte, schienen die Blätter zu glitzern. Vor allem Glühwürmchen sahen noch interessanter aus, weil sie viel heller schienen und quasi um die Wette funkelnden. Auch die Blumen strahlten viel mehr Farbe aus. Ich konnte es auch nicht wirklich erklären warum das so war. Vielleicht fiel, von dieser Stelle aus gesehen, das Licht anders als normal und wurde daher optisch gebrochen. Natürlich hatte ich schon oft versucht das Geheimnis zu lüften. Und nachdem ich es nicht herausfand, hatte ich beschlossen es einfach nur zu genießen.

Plötzlich spürte ich ein ruckartiges Ziehen in der Magengegend und ein Kribbeln, dass sich in meinem gesamten Körper verbreitete, was ein seltsames Gefühl zurückließ, das ich nur zu gut kannte. Es war dieses Gefühl, wenn einem etwas passierte und eigentlich nicht weiter schlimm war oder großartig Nachteile mit sich zog, trotzdem ärgerte man sich darüber, obwohl es nur eine Kleinigkeit war. Und genau dieses Gefühl überkam mich jedes Mal, wenn Solus mich gerade bei sich brauchte, weil er zum Beispiel einen neuen Auftrag hatte. Im Prinzip waren es meine Beine und nicht wirklich mein Gehirn, die mich zum Umdrehen zwangen und die Richtung zum Schloss einschlugen. Natürlich hatte ich, wie viele andere auch, versucht dagegen anzukämpfen. Es hatte auch ganz gut geklappt. Dennoch hatten mich meine Gewissensbisse, die immer schlimmer wurden, praktisch gezwungen doch zu Solus zu gehen. Und ich glaubte auch, dass er wirklich sehr wütend sein würde, wenn ich mich widersetzen würde. Und ich wollte ganz bestimmt nicht die Wut einer Gottheit spüren.Um genau zu sein, wollte das keiner von uns. Wir hatten schließlich auch keinen Grund dazu. Solus war unser Retter. Er hatte sich für jeden einzelnen die Mühe gemacht uns aus dem grausamen Reich der Menschen zu holen, damit wir hier in Imparis ein besseres und friedlicheres Leben zu führen.

Irgendwo verachteten wir die Menschen, obwohl uns bewusst war, wie dumm diese Abneigung war. Denn wir waren nicht anders als sie. Ja, genau. Menschen. Ok. Vielleicht Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Gaben, aber die hatten wir auch nur von Solus bekommen. Eine große Ehre - meiner Meinung nach. Er pflegte daher immer zu sagen, dass wir auch Menschen seien und nicht jeder von ihnen sei für unsere schlechte Vergangenheit verantwortlich. Daher sollten wir sie auch schützen und nicht so auf sie herabschauen. Wenn ich es mir aber genau überlegte, konnten wir gar nicht anders als auf sie herabzuschauen. Denn ihre Welt lag direkt unserer. Für sie selbstverständlich unsichtbar. Auf irgendwelche Anschläge oder Attentaten hatten wir definitiv keine Lust. 

Es war nämlich so, sie dachten wir würden unschuldige Leute umbringen, weil wir Spaß daran hatten. Oder weil wir bösen waren. Keine Ahnung was in ihren Köpfen vorging. Jedenfalls hatten sie Angst und hassten uns. Tja, die Menschen sahen einfach nicht, was für eine Kreatur wirklich vor ihnen stand. Sie hatten auch nicht unsere Fähigkeit und nicht jeder war für diese empfänglich – so erklärte es Solus jedenfalls. Also lernten wir darüber hinwegzusehen und einfach unsere Arbeit zu machen. Sie wussten es einfach nicht besser und eine große Bedrohung waren sie auch nicht.

 

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Tag der Veröffentlichung: 29.04.2020

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