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Langsam und vorsichtig drücke ich die Türklinke herab, öffne die Türe einen Spalt breit und schaue gebannt auf den Flur.
Männer und Frauen mit weissen und grünen Kitteln eilen geschäftig umher, verschwinden teilweise in den Zimmern um das Mittagessen
und die Medikamente zu verteilen.

Entschlossen schlinge ich meinen Bademantelgürtel enger, schnappe mir die zwei roten Krücken und schleiche mich langsam,

den Blick auf meine nackten Füsse gerichtet, auf den Flur.

Bis zum Treppenhaus sind es höchstens zweihundert
Meter.

Das müsste zu schaffen sein.

Unauffällig humpele ich an der Wand entlang, blicke verstohlen aus den Augenwinkeln und erhöhe vorsichtig das Tempo.
Schon spüre ich die ersten Blicke auf mir, kalter Schweiss bildet sich auf meiner Stirn.

Da! Rief da eben nicht jemand "Halt, stehenbleiben Herr Reubold!"

Ich schaue mich hastig um und sehe zwei Gestalten in Kitteln wild gestikullierend hinter mir herlaufen.

Als ich mich wieder meinem Ziel zuwende bemerke ich, wie mir ein Pfleger mit einem beladenen Essenswagen den Weg abzuschneiden versucht.


Gezielt stosse ich ihn mit meiner rechten Krücke auf die Seite, werfe gleichzeitig meine linke Gehhilfe hinter mich, um meinen

Verfolgern keine allzu langweile Jagd bieten zu müssen.

Während ich locker über den Essenswagen flanke, versucht mich die Pranke des Chefarztes zu packen.

Diese schlage ich behende mit einem halben Grillhähnchen, welches ich mir beim

todesmutigen Sprung über den beladenen Wagen stibitzt habe, zur Seite.

Mit einem Lächeln, so aufrichtig wie das Lächeln
eines Oberkellners, rufe ich dem Chefartzt zu: "Danke übrigens für die gelungene Knieoperation heute morgen."

Entzückt, über die Gesichtskirmess des Mannes, renne ich um die Ecke Richtung Treppenhaus.
Mit gewaltigen Sätzen hechte ich die Treppen hinab, dem rettenden Ausgang entgegen.

Schade, dass ich ihre Gesichter nicht sehen kann, wenn sie feststellen werden, dass der frischoperierte Patient brav
mit einem eingegipsten Bein in seinem Krankenbett liegt.

Stefan, mein eineiiger Zwillingsbruder, hatte mir zuvor versprochen zu photografieren und die besten Aufnahmen der

entglittenen Gesichtszüge auf mein Handy zu schicken.

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Tag der Veröffentlichung: 13.09.2009

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