Cover

Mir gelang es tatsächlich "Knocking on heavens door" fehlerfrei zu spielen. Das keifende Wesen entmaterialisierte sich und war flux mit einem leisen Plopp verschwunden.

Mist, die grosse Schriftstellerkarriere konnte ich mir nun abschminken. Ebenso den Ruhm und den Reichtum.

Darum beschloss ich, erst mal meinen Vermögensberater anzurufen, um einige Verträge zu stornieren. Ich wählte

die Nummer der Auskunft um dessen neue Telefonnummer in Erfahrung zu bringen.

Als mir eine Computerstimme ins Ohr flüstererte "Diese Nummer ist nicht vergeben, rufen sie bitte die Auskunft

an", wusste ich, das dies heute nicht mein Tag werden würde. Ich liess frustriert meinen Blick durchs Zimmer wandern, der an einer nahezu unberührten Flasche Laphroaig-

Whisky hängen blieb. Warum nicht, dachte ich und schon rann der erste Schluck dieses nach geräuchertem

Pferdesattel schmeckenden Getränks wärmend meine Kehle hinab.

Schluck für Schluck spürte ich die Zuversicht in meinen Gedanken einzughalten.

Der Streit von gestern abend mit meinem Zwillingsbruder erfasste mein Bewusstsein, welches sich sofort wieder

zu trüben begann.

Ermutigt durch die Wirkung dieses aussergewöhnlichen Whiskys begann ich zaghaft "Brothers in arms" von den

Dire Straits zu zupfen. Als ich den Hörer des nun klingelnden Telefons abnahm hörte ich meines Bruders Stimme sagen: "Hey Brother, tut

mir leid wegen gestern Abend und fühl dich von mir umarmt."

Es funktionierte also wirklich. Ich war scheinbar im Stande durch die richtige Musik Dinge zu verändern.

Genial.

Eingehüllt in diese Emotionen begann ich "Yesterday" von den Beatles zu intonieren.

Im Rocklexikon hatte ich einmal gelesen, dass Mr. Mc. Cartney lange Zeit kein geeigneter Text zu dieser Ballade

einfiel und der Arbeitstitel "Scarmbled eggs" lautete.
Mit immer schwerer werdender Zunge und geschlossenen Augen sang ich voller Inbrunst, ganz in mich

selbstverliebt ohne die Konsequenzen zu bedenken.

"Yyyyyyyyyesterday, all my troubles seemed so far away"

PANG! knallte es begleitet von einem leisen Zischen.

Ich riss die Augen auf.

Ein hundertfünfzehn Kiloweib mit katholischen Brüsten, eingezwängt in ein aus allen Nähten zu platzen drohendes,

megaknappen Krankenschwesternkostüms, stürmte gewichtig auf mich zu. In der einen rundlichen Hand hielt sie

eine riesige Spritze mit einer Spaghettidicken, langen Nadel, in der anderen eine Paellapfanne für mindestens

dreizehn Personen mit Rühreiresten am faustdicken Rand.

"Pfanne in die Eier oder Eier in die Pfanne!" dröhnte sie, während aus der Giftspritze eine elefantenenmässige

Träne quoll. Zum Glück, schoss es mir durch den Kopf, habe ich den Song ziemlich langsam und stockend gespielt,

denn mit genausolchen abgehackten, ruckartigen Bewegungen zockelte sie, ein irres grinsen auf den

Schlauchbootlippen, auf mich und meine magische Gitarre zu.

Mit welchem Gitarrenriff bekam ich die Situation wieder in den Griff? Es musste mir auf der Stelle ein Entmaterialiesierungssong einfallen.

"As time goes by" von Jimmy Durante fiel mir millisekundenschnell ein, oder sollten die Gehörgänge des

Universums diesen Titel so verstehen, dass meine eigene Zeit bald abgelaufen war?

"Satisfaction" von den Stones würde wahrscheinlich eine marathonerschöpfende Kopulation bewirken, oh Gott.

Ausserdem sollte ich dringend auf eine genaue Artikulation achten, wenn die Membrana tympani des Universums "Schwester hey" verstanden und "troubles seemd so far away" von vom Wasser des Lebens beschwerter Zunge

die galaktische Membran nicht in Schwingung zu bringen vermocht hatte.

Ich musste handeln, schnell handeln, sie irgendwie um die Ecke bringen.

Die rettende adrenalingeschwängerte Idee sprang mich an. "Standing on the corner" von Jazzadelic war meine

Rettung und den Song konnte ich im Schlaf spielen, es lag mittlerweile zwar neun Jahre zurück als wir diesen

Titel zum letzten Mal beim Finkenbach Festival spielten, aber ich traute es mir zu.

Gedacht, getan.

Der funky Rhythmus brachte die hüftgoldbewilderte Bedrohung ins straucheln. Neben ihr verdichtete sich eine

Strassenecke, ich tänzelte groovymoovy auf sie zu, versetzte ihr mit dem Gitarrenhals einen Hieb dass ihr die

Pfanne scheppernd aus der Hand fiel, während sie das Gleichgewicht verlierend um die Ecke torkelte.


"ZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZSssssssssssssssssssssssssssssssssssss", zischte es und ich befand mich wieder, stolzen Rauhreif auf der Stirn tragend, in meinem Zimmer, erleichtert den Gitarrenhals liebkosend.

Fortsetzung folgt.........


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen Hörenden und Sehenden gewidmet

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