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Die 4 Clans


Wolfsclan



Anführer

:
Neumond

, silbern grauer Kater mit dunklen
Augen

Zweiter Anführer

:
Rotfell

, hübsche Kätzin mit rotem Fell

Heiler

:
Vogelfell

, kleiner, getupfter, brauner Kater mit braunen Augen, Mentor von
Lichtpfote

, durchgehend weisse Kätzin mit blauen Augen

Krieger

:
Schlammschweif

, brauner Kater mit gelben Augen, Mentor von Erdbeerpfote


Schneekralle

, schwarz braune Kätzin mit weissen Pfoten
Meeresschweif

, blau graue Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
Dunkelkralle

, weisser Kater mit schwarzen Pfoten und blauen Augen
Sonnenherz

, rote Kätzin mit grünen Augen
Marmorpelz

, grosser, grauer Kater mit dunkler Schwanzspitze und blau grauen Augen
Birkenherz

, grau braun gemusterter Kater mit grossen, gelben Augen, Mentor von Kiefernpfote
Flinktatze

, kleine Tigerkätzin mit bernsteinfarbenen Augen
Jadeherz

, schwarze Kätzin derer Fell in der Sonne grün scheint, Mentorin von Tupfenpfote
Nachtnebel

schwarze Kätzin mit einem helleren Streifen über dem Rücken und blauen Augen

Königinnen

:
Minzblüte

, hellgraue Kätzin mit dunklen Flecken und bernsteinfarbenen Augen
Blumenfuss

, bunt gefleckte Kätzin mit bernsteinfarbigen Augen und hellen Pfoten


Schüler

:
Kiefernpfote

, braun getiegerter Kater mit grünen Augen
Tupfenpfote

, bunt getupfte Kätzin mit dunklen Augen
Erdbeerpfote

, rote Kätzin mit braunen Flecken

Junge

:
Flussjunges

, grauer Kater mit ewas längerem Fell und bernsteinfarbigen Augen
Windjunges

, kleiner, dunkler Kater mit struppigem Fell mit bernsteinfarbigen Augen

Älteste

:
Pferdeschweif

, braun schwarze Tigerkatze
Bärenkralle

, brauner, stattlicher Kater mit gelben Augen
Fuchsohr

, kleiner, roter Kater dessen rechtes Ohr verletzt wurde
Strohschweif

, gelbe Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen


Löwen-Clan



Anführer

:
Goldmond

, grosser, gold-gelber Kater mit bernsteinfarbenen Augen

Zweiter Anführer

:
Kohlenfell

, pechschwarzer Kater mit grünen Augen

Heiler

:
Schilfherz

, graue Kätzin mit blauen Augen

Krieger

:
Wirbelkralle

, schildpatfarbene Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen, Mentorin von Kristalpfote


Zimtfell

, braune Kätzin mit dunkler Schwanzspitze
Eiszahn

, weisser Kater mit eisblauen Augen
Ahornschweif

, roter Kater mit braunen Streifen, Mentor von Dachspfote


Falkenwind

, brauner Kater mit langem Fell und grünen Augen

Königinnen

:
Flockenfell

, weisse Kätzin mit grauer Musterung und bernsteinfarbenen Augen

Schüler

:
Dachspfote

, graue Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
Kristalpfote

, weisser Kater mit langem Fell

Junge

:
Hermelinjunges

, kleiner, weisser Kater
Streifenjunges

, grauer Kater mit einigen helleren Streifen
Tropfenjunges

, braune Kätzin mit dunklen Flecken und längerem Fell

Älteste

:
Himmelsfuss

, schwarzer Kater mit besonders grossen Pfoten
Rauchsplitter

, grauer Kater mit dunkler Musterung und grünen Augen
Rosengesicht

, kleine rote Kätzin mit einer grossen Narbe im Gesicht


Tiger-Clan



Anführer

:
Hasenmond

, braune Kätzin mit helleren Ohren

Zweiter Anführer

:
Steinballen

, grosse graue Kätzin mit schwarzen Pfoten

Heiler

:
Stromhauch

, auffällig gemusterte, hellbraune Kätzin, Mentorin von
Kupferpfote

, rote Kätzin mit grünen Augen

Krieger

:
Funkenklaue

, unglaublich grosser roter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
Marderfell

, brauner Kater mit einem dunklen Schweif und hellen Augen
Reifbauch

, graue Kätzin mit einem weissen Bauch
Rabenmaul

, weisser Kater mit einer schwarzen Schnauze und grauen Augen
Eichhornschweif

, rote Kätzin mit buschigem Schwanz

Königinnen

:
Blattfuss

, schöne, braune Kätzin mit grünen Augen

Junge

:
Erdjunges

, hellbraune Kätzin mit dunkelbraunen Flecken auf dem Rücken
Sumpfjunges

, brauner Kater mit grünen Augen

Älteste

:
Schwanenwolke

, weisse Kätzin mit langem fliessendem Fell


Leoparden-Clan



Anführer

:
Finstermond

, schwarzer Kater mit weissen, grossen Pfoten

Zweiter Anführer

:
Rindenfell

, brauner Kater mit grünen Augen

Heiler

:
Distleherz

, kleine, rote Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen

Krieger

:
Wolkenkralle

, weisser Kater mit blauen Augen
Hirschfell

, braune Tigerkätzin mit kleinen Pfoten und bernsteinfarbenen Augen
Nachttatze

, pechschwarzer Kater mit grauen Pfoten, Mentor von Rubinpfote


Fledermauskralle

, grauer Kater mit dunklen Augen
Abendherz

, rote Kätzin mit grünen Augen und braunen Tupfen, Mentorin von Ingwerpfote


Sommerklaue

, brauner Tigerkater mit bernsteinfarbenen Augen

Königinnen

:
Tüpfelherz

, schildpatfarbene Kätzin mit langem Fell
Rauchfell

, graue Kätzin mit blauen Augen

Schüler

:
Rubinpfote

, roter Kater mit grünen Augen
Ingwerpfote

, braune Tigerkätzin mit struppigem Fell

Junge

:
Pilzjunges

, braungefleckter Kater mit dunkelbraunen Vorderpfoten

Weisser Tod


Neumond setzte sich nachdenklich auf den grossen Felsen am Flussufer. Er machte sich grosse Sorgen um seinen Clan. Seit dem die Götter ihnen wieder die weisse Himmelsflut geschickt hatten, war Beute nur schwer aufzutreiben. Traurig wand Neumond sein Gesicht zur Sonne. „Oh Ahnen“, dachte er. „Soll es so mit uns enden? Wollt ihr, dass eure Kinder verhungern?“ Er seufzte tief und voll. „Mutter“, dachte er schon fast verzweifelt, „das kann nicht dein Wille sein, nicht euer Wille! Schickt uns Beute, ich flehe euch an.“ In diesem Moment regte sich etwas vor ihm unter der weissen Decke. Er spitzte die Ohren und kauerte sich tief auf den Boden. Vorsichtig und auf jedes Geräusch bedacht schlich er sich näher an die Geräuschquelle heran. Mit einem grossen Satz landete er mit beiden Vorderpfoten auf einer Maus, warf sie in die Luft und brach ihr das Genick. Er lächelte und flüstere: „Ich danke euch, Ahnen. Aber für den Clan wird diese Maus nicht lange reichen.“

Mit der Beute im Maul, trabte er in Richtung des Lagers davon. Auf halber Strecke jagte ihm Rotfell, seine Stellvertreterin entgegen. „Neumond!“, jaulte sie. „Pferdeschweif, es geht ihr schlechter. Ihr Atem geht sehr unruhig.“ So schnell er konnte, jagte Neumond neben der roten Kätzin her und keuchte mit der Maus in der Schnauze: „Was ist passiert?“ Rotfell schüttelte den Kopf. „Ich weiss es nicht. Kieferpfote sagt, er habe ihr frisches Moos geholt, und als er zurückkam, atmete sie nur noch schwach. Er hat mich informiert und ich bin sofort los gerannt, um dich zu holen.“ Neumond nickte und rannte noch schneller. Pferdeschweif war eine der Ältesten und Weisesten in ihrem Rudel. In ihrem langen Leben hatte sie schon so manche Schlacht miterlebt und auch gewonnen. Sie war eine begnadete Kriegerin gewesen, bevor sie zu den Ältesten ging. Sie durfte einfach nicht sterben. Nicht jetzt.

Neumonds Flanken bebten, als er auf der Lichtung zum Stehen kam. Immer noch mit der inzwischen kalten Maus in der Schnauze, lief er zum Bau der Ältesten. Er setzte sich neben die schwer atmende Kätzin und drückte seine Nase in ihr Fell. „Pferdeschweif, was ist geschehen?“, flüsterte er. Die braun schwarze Tigerkatze öffnete die Augen. „Neumond, du bist gekommen.“ Der weisse Kater nickte. „Ich habe mit dem Mondclan gesprochen.“, flüsterte sie schwach. „Sie haben mir eine Vision geschickt.“ Neumond schnurrte. „Rede nicht weiter, Pferdeschweif. Ich hole Vogelfell, er weiss wie er dir helfen kann.“ Doch die Kätzin schüttelte den Kopf und murmelte: „Nein, Neumond. Vogelfell hat schon so viel für mich getan, er kann mir nicht mehr helfen.“ Neumond erschrak. „Sag so etwas nicht, Pferdeschweif!“ Die Tigerkatze lachte und begann zu husten. „Neumond, ich hatte ein langes, erfülltes Leben. Aber ich spüre es, es zieht mich zum Mondclan. Aber bevor ich zu ihnen trete, muss ich dir erzählen was sie mir offenbart haben.“

Sie schloss die Augen und holte Luft. „Ich habe mit Wolfsklaue gesprochen.“ Neumond stiess Luft aus. Wolfsklaue war der der erste Anführer des Wolfclans gewesen. „Auch er hat mir gesagt, dass mein Leben bald zu Ende gehen würde. Ich habe es schon lange gespürt, mein Lieber. Doch er sagte mir auch dass dem Clan Gefahr bevor steht. Nicht von Seiten eines anderen Clans, Neumond. Die Gefahr wird von einer ganz anderen Seite kommen. Und sie wird im Clan selbst gedeihen und Wurzeln treiben.“ Ihr Atem ging nur noch stossweise, und Neumond leckte ihr beruhigend die Schulter. „Du musst nicht weiter reden, Pferdeschweif.“ Doch Pferdeschweif schüttelte den Kopf und sprach unbeirrt weiter. „Dein Clan war dir immer treu ergeben, Neumond, das weisst du. Doch es werden Zeiten und Katzen kommen, die dir nicht gehorchen werden. Eine einzelne ist nicht gefährlich, doch du musst Acht geben, dass sie keine anderen Katzen überzeugen kann, sich gegen dich zu erheben.“

Neumond knurrte: „Das sollen sie ruhig versuchen!“ Wieder lachte Pferdeschweif heiser. „Ich rede von einer starken Katze. Einer Katze die schlau und geschickt ist, Neumond. Unterschätze meine Worte nicht. Und gib ihr keinen Anlass, dich zu hassen, es wäre dein sicherer Tod, Neumond.“ Mit diesen Worten schloss sie zum letzten Mal ihre gelben Augen und flüstere: „Sag Schlammschweif und Schneekralle, dass ich sie liebe. Und danke Vogelfell tausend Mal von mir.“ Der Herzschlag unter ihrem Fell wurde schwächer, bis Neumond ihn nicht mehr hören konnte. Er drückte ihr noch ein letztes Mal das Gesicht ins warme Fell und jaulte laut auf. Ehrfürchtig leckte er ihr die Stirn und ging aus dem Bau.

Schneekralle und Schlammschweif warteten wenige Fuchslängen vor dem Bau auf ihn. Traurig senkte Neumond den Kopf und leckte beiden tröstend die Schulter. Schneekralle schrie herzzerreißend auf und rannte in den Bau der Ältesten. Schlammschweifs Augen wurden glasig und er schlich langsam und schwankend hinter seiner Schwester her. Neumond wollte ihnen Zeit lassen, sich von ihrer Mutter zu verabschieden und schritt langsam zum Bau der Krieger. „Rotfell, kann ich bitte mit dir sprechen?“, rief er in den Bau hinein.

Die rote Katze trat aus dem Bau und ging Seite an Seite mit Neumond zum Frischbeutehaufen, der bedenklich klein war. „Neumond, wie geht es Pferdeschweif?“, fragte sie, als sie sich mit dem Maul eine Amsel vom Haufen nahm. „Sie jagt nun mit dem Mondclan, Rotfell.“ Traurig liess sich Rotfell neben ihm auf dem Boden vor seinem Bau nieder. „Wissen es Schneekralle und Schlammschweif schon?“, fragte sie flüsternd. Neumond nickte. „Wie haben sie es aufgenommen?“ Neumond seufzte. „Nicht gut.“, antwortete er. „Sie sind gerade bei ihr.“ Er wollte gerade den Mund öffnen um Rotfell von Pferdeschweifs Vision zu erzählen, doch er zögerte. Was, wenn die alte Kätzin gar nicht Recht hatte? Wollte er in sonst schon so schweren Zeiten wirklich Unruhe stiften? Er liess es also bleiben und sass nur still neben Rotfell. Nach einiger Zeit murmelte er: „Ich denke es ist Zeit, es den Anderen zu sagen.“ Seine Stellvertreterin nickte. Neumond erhob sich und sprang auf den Baumstamm über seinem Bau.

„Alle Katzen sollen sich vor dem grossen Stamm versammeln!“, rief er laut. Schon nach wenigen Momenten kamen aus allen Bauen Katzen und strömten auf ihn zu. Minzblüte hielt ihre Jungen Flussjunges und Windjunges zurück und setzte sich mit ihnen an den Rand der Katzen. „Seid schön still“, mahnte sie. „Neumond hat etwas Wichtiges zu verkünden.“ Und wirklich setzten sich die beiden Kleinen brav neben ihre Mutter. „Ich habe euch etwas trauriges mitzuteilen.“, begann er als sich alle versammelt hatten. „Pferdeschweif ist von uns gegangen. Sie hatte ein langes und glorreiches Leben, und doch schmerzt ihr Verlust dadurch nur umso mehr.“ Einige Katzen hatten begonnen zu jaulen, andere starrten Neumond nur an. „Heute Nacht werden wir für sie die Totenwache abhalten um sie zu ehren. Möge sie nun glücklich mit dem Mondclan jagen.“

Bis die Sonne unterging, herrschte gedrückte Stimmung im Lager. Viele kannten Pferdeschweif fast so lange, wie sie bis jetzt lebten. Jeder hatte sie respektiert und Hochachtung vor ihr gehabt. Viele Katzen sprachen Schneekralle und Schlammschweif ihr Beileid aus. Als es schliesslich so weit war, trugen die Ältesten Pferdeschweif aus dem Bau und legten sie in der Mitte der Lichtung sanft nieder. Der Mond schien hell und silbern auf sie nieder und liess sie regelrecht strahlen. Schneekralle und Schlammschweif liessen sich neben ihrer Mutter nieder und pressten die Schnauzen in ihr Fell. Auch Neumond, Rotfell und viele andere Katzen liessen sich neben ihr fallen. Es gab auch Katzen, die ihr das Fell leckten und dann niedergeschlagen in ihren Bau krochen. So auch die Königinnen. Für die Jungen wäre es zu kühl, draussen.

Der Mond hatte sein Hoch schon überschritten, als die ersten Katzen von Pferdeschweifs Seite wichen und auch in ihren Bau zurückkehrten. Schneekralle und Schlammschweif blieben die ganze Nacht neben ihrer geliebten Mutter und pressten sich an sie. Auch Neumond gehörte zu den Katzen, die die ganze Nacht neben ihr verharrten. Als die Sonne aufging leckten Schlammschweif und seine Schwester noch ein letztes Mal liebevoll über Pferdeschweifs Kopf und überliessen sie schliesslich den Ältesten, damit sie sie würdevoll begraben konnten. Neumonds Kopf schwirrte vom letzten Tag. Es war vieles geschehen. Pferdeschweifs Verlust lastete schwer auf dem Clan, und doch musste das Leben weitergehen. Auch wenn es nicht einfach war.

Brombeeren


Sehnsüchtig blickte Neumond zum Himmel, wo die Sonne von dunklen, dichten Wolken bedeckt wurde. Immer noch hielt die eisige Zeit an und nichts liess darauf schliessen dass es bald wärmer werden würde. Wenn es so weiterhin so kalt blieb, würden sie noch viele Clanmitglieder verlieren. Und dass konnten sie sich nicht leisten. Wieder ging ihm Pferdeschweifs Prophezeiung durch den Kopf. „Die Gefahr wird im Clan selbst gedeihen und Wurzeln treiben.“ Was hatte sie zu bedeuten? Schon oft hatte Neumond darüber nachgedacht. Ein Miauen drang durch den Vorhang aus Flechten vor seiner Höhle. „Neumond? Kann ich mit dir sprechen?“ Es war Vogelfells Stimme. Er rief den Heiler hinein und ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Behutsam setzte er sich auf seinem Lager auf und blickte gespannt auf den Kater.

„Ein Husten macht sich im Lager breit, Neumond.“, mauzte er. „Viele Katzen sind schon davon befallen.“ Neumond seufzte. „Kannst du sie heilen?“, fragte er betrübt. Vogelfell nickte. „Natürlich, aber alleine wird es Wochen dauern.“ Wieder seufzte Neumond. Natürlich konnte er Vogelfell verstehen, aber der Schüler eines Heilers wurde vom Mondclan ausgesucht und nichts konnte die Suche beschleunigen. „Ich werde dir einen Schüler zur Seite stellen der die Kräuter für dich sammelt und andere einfache Dinge erledigt. Wird dir das helfen?“ Erneut nickte Vogelfell und drehte sich, um den Bau zu verlassen. „Ich danke dir, Neumond.“ Die beiden Kater schritten aus dem Bau und hörten das heisere Mauzen einer jungen Kätzin. „Wer war das?“, fragte Neumond besorgt.

Er und Vogelfell rannten so schnell sie konnten quer über die Lichtung in Richtung des Geräusches. Schliesslich trafen sie auf Lichtpfote, eine schneeweisse, kleine Schülerin. „Was ist passiert, Lichtpfote?“, keuchte Vogelfell. Ängstlich blickte die kleine Schülerin auf und mauzte: „Ich sollte jagen, und auf dem Weg traf ich auf Blumenfuss die röchelnd auf dem Boden lag.“ Erst jetzt fiel den Beiden die bunt gefleckte Königin im Schnee auf. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum noch und Vogelfell war in wenigen Sätzen bei ihr. Er schnüffelte an ihr und drehte sich wieder zu Lichtpfote und Neumond um. „Was hast du gemacht? Was hat sie da im Maul?“, fragte er besorgt. Lichtpfote kauerte sich noch mehr im Schnee zusammen. „Ich…ich habe ihr einige Brombeeren gegeben.“, stotterte sie. Vogelfell blickte verdutzt drein. „Woher wusstest du dass Brombeeren gut gegen Husten sind?“ Sie richtete sich langsam zur vollen Grösse auf und antwortete stolz: „Ich habe dir oft zugesehen wie du Andere geheilt hast.“ Anerkennend nickte Vogelfell. „Jetzt übernehme ich Blumenfuss aber, danke Lichtpfote. Du hast ihr das Leben gerettet.“

Die beiden Kater trabten mit Blumenfuss über den weichen Schnee. Beim Bau des Heilers angekommen legten sie sie vorsichtig nieder und Vogelfell begann einige Kräuter zu zerkauen. Währenddessen beugte sich Neumond über die Königin und lauschte ihrem Herzschlag. Er war gut zu spüren, ging aber immer noch unregelmässig. Besorgt richtete er sich auf und fragte Vogelfell: „Wird sie es schaffen?“ Der braune Kater spuckte die Kräuterpaste aus und schob sie Blumenfuss vorsichtig ins Maul. „Ich denke schon.“, antwortete er zuversichtlich. „Lichtpfote hat gute Arbeit geleistet. Ohne sie hätten wir Blumenfuss wohl an den Mondclan verloren.“ Erleichtert atmete Neumond aus. Ein Gedanke reifte in seinem Kopf heran. Könnte es vielleicht sein? „Denkst du“, begann er nachdenklich. „Denkst du das Lichtpfote vielleicht vom Mondclan auserwählt wurde, deine Schülerin zu sein?“ Vogelfell nickte. „Das habe ich auch schon gedacht. Bis jetzt haben sie mir noch nichts mitgeteilt, aber es könnte gut möglich sein. Eine Schülerin wäre mir jetzt sehr nützlich.“

Langsam brach die Dämmerung über den Wald und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde es kälter. Neumond beauftragte Rotfell damit, eine Abendpatrouille loszuschicken. Er selbst würde noch etwas jagen gehen. „Soll ich mitkommen?“, hatte die rote Kriegerin gefragt. Doch er hatte den Kopf geschüttelt. „Kümmere du dich um das Lager.“ Jetzt hockte Neumond, zum Sprung bereit und die Krallen ausgefahren, im Schnee und wartete auf einen Moment der Unachtsamkeit des kleinen Vogels vor ihm. Er schien den Flug in den Süden verpasst zu haben und sass nun verloren am Boden, die Augen wachsam. Doch da erregte ein Insekt die Aufmerksamkeit des Vogels. Das war sein Todesurteil den Bruchteil einer Sekunde später lag er tot auf dem Schnee, der sich ganz leicht rötlich färbte. Langsam sollte er sich auf den Weg zurück zum Lager machen, das wusste er. Doch sein Kopf war immer noch voller Gedanken die ihn beschäftigten. Einerseits war da die Sorge um seinen Clan. Eine so lange und harte Blattleere hatte es noch nie gegeben, seit Neumond Anführer des Wolfsclan war. Doch der Mondclan würde ihnen beistehen, dessen war er sich sicher. Und auch Lichtpfote tauchte immer wieder in seinen Gedanken auf. Würde sie wirklich die nächste Heilerin des Clans werden? Sie war eine vielversprechende Schülerin, schnell und geschickt mit ihren Krallen. Aber manchmal auch ein bisschen übereifrig. Konnte sie die Verwundeten und Kranke wirklich mit so viel Bedacht behandeln wie es Vogelfell tat, Neumond hatte seine Zweifel.

Über all die Ereignisse durfte er aber auch Pferdeschweifs Warnung nicht vergessen. Falls dem Clan wirklich eine Gefahr bevor stand, mussten sie wachsamer sein denn je. Noch immer verstand er die Prophezeiung nicht gänzlich, aber die Worte des Mondclans zu verstehen war den Heilern und Ältesten vorbehalten. Den leblosen Vogel nahm er ins Maul und sammelte auf dem Weg zurück zum Lager weitere Beutetiere ein die er erlegt und vergraben hatte. Viel war es nicht und es würde den Clan nicht satt machen, doch es würde ihnen helfen, die eisig kalte Nacht zu überstehen.

Zurück auf der Lichtung wartete Vogelfell schon auf ihn. „Neumond“, rief er den Anführer. Der silbern graue Kater legte die Beute auf den kleinen Frischbeutehaufen und begab sich zum Heiler. „Was ist, Vogelfell?“, fragte er. Er war müde und erschöpft von der Jagd und wollte nur noch schlafen. Vogelfell zögerte, er schien die Müdigkeit in Neumonds dunklen Augen zu sehen. Doch dann fasste er sich wieder und begann zu erzählen. „Kurz nachdem du weg warst, da wurde ich auf einmal so unglaublich müde. Ich kämpfte dagegen an, doch ich verlor den Kampf. Du weisst, ich war nie ein grosser Krieger.“ Ein kaum sichtbares Lächeln umspielte Neumonds Mund. „Also schlief ich ein. Im Schlaf erblickte ich Honigfell, die erste Heilerin des Wolfclans. Sie blickte mich an und sagte mit ihrer Stimme, so sanft und süss wie Honig: ‚Vogelfell, der Mondclan hat eine Schülerin für dich bestimmt. Kümmere dich gut um sie und lehre sie, die Mitglieder des Clans zu heilen‘ Dann drückte sie mir kurz die Schnauze auf die Stirn und in mir erschien ganz deutlich Lichtpfotes Gesicht. Danach wachte ich auf und fühlte frische Energie in mir.“ Neumonds Herz wurde leichter und echte Freude lag in seiner Stimme als er sagte: „Vogelfell, das ist ja grossartig. Ich weiss, dass Lichtpfote keinen besseren Lehrer als dich haben könnte.“ Der kleine Kater schnurrte vergnügt.

Der Mond war gerade über den Horizont geklettert, als Neumond mit Vogelfell an seiner Seite auf den grossen Stamm sprang und mit voller Stimme rief: „Alle Katzen des Wolfclans versammeln sich vor dem grossen Stamm.“ Nach und nach trotteten die Katzen über die Lichtung aus ihren Bauten auf Neumond und Vogelfell zu. Neugierig schlich sich Rotfell nach vorne und blickte Neumond fragend an. Doch der lächelte nur und begann mit seiner Rede. „Katzen des Wolfclans, ich habe frohe Neuigkeiten für euch. Der Mondclan hat zu Vogelfell gesprochen und ihm seinen Schüler offenbart.“ Ein Raunen ging durch die Menge, das Neumond einige Zeit duldete, dann aber mit einem lauten Fauchen beendete und weiterredete. „In dieser schweren Zeit der Krankheit und des Hungers stehen unsere Ahnen uns bei uns schicken uns ein Geschenk. Der neue Schüler unseres Heilers Vogelfell, oder bessergesagt die neue Schülerin, hat ihr Können schon unter Beweis gestellt und ihr erstes, aber sicherlich nicht letztes Leben gerettet. Und so frage ich dich, Lichtpfote, Tochter von Meeresschweif und Dunkelkralle, ist es in deinem Wille dem Clan als Heilerin zu dienen und zu helfen, so erhebe dich und begrüsse deinen Lehrer, wie es die Tradition besagt.“

Lichtpfote blickte ihre Mutter Meeresschweif an, die ihr stolz zulächelte. Dann erhob sie sich und schritt erhobenen Schwanzes auf den grossen Stamm zu. Leichtfüssig sprang sie hinauf und legte ihren Kopf ehrfürchtig auf Vogelfells Schulter, der ihr sanft die Stirn leckte. Neumond nickte den beiden zu und fuhr fort. „So sei es, der Mondclan hat seine Wahl getroffen. Vogelfell, lehre dein Wissen gut und mache aus diesem Schüler mit deinem Können eine gute Heilerin.“ Der Clan begrüsste die neue Schülerin mit ihrem Namen. „Lichtpfote, Lichtpfote, Lichtpfote.“, ertönte es von der ganzen Lichtung. „Der Mondclan wird auf eurer Reise zum See der Träume mit euch sein und euren Weg beschützen. Beim nächsten Halbmond werdet ihr dort erwartet.“ Neumond sprang vom grossen Stamm und verschwand in seinem Bau. Die Katzen drängten sich um Lichtpfote um ihr zu gratulieren und zerstreuten sich dann langsam. Als es still wurde, liess sich Neumond von der Melodie des Mondes, die der Wind in seinen Bau trug, einlullen und fiel in einen traumlosen Schlaf.

See der Träume


Der Halbmond kam schnell heran, und bereits drei Tage nach der Zeremonie wurde es für Lichtpfote und Vogelfell Zeit, aufzubrechen. Der Marsch zum See der Träume würde sie einen sehr langen und anstrengenden Tag kosten, und sie würden das Territorium des Löwen-Clans überqueren müssen. Noch vor Sonnenaufgang weckte der Heiler seine Schülerin, die verschlafen aufblickte. „Was ist los?“, murmelte sie müde. Vogelfell schmunzelte. „Es ist Zeit aufzubrechen, Lichtpfote.“ Die weisse Kätzin rappelte sich auf ihre Pfoten und schüttelte sich um wach zu werden. Vogelfell hatte am Tag zuvor schon einige Kräuter zusammengetragen, die sie vielleicht brauchen würden. Nun schob er Lichtpfote ein Bündel hin, die es, immer noch müde, zwischen die Zähne nahm. Die beiden trotteten aus dem Bau und in Richtung des Lagereingangs. Vor dem mit Brombeerbüschen gesäumten Weg sass Neumond bereits, und wartete auf die beiden. Er erhob sich und lief auf sie zu. „Ich wünsche euch alles Gute auf dem Weg.“, mauzte er. „Und grüsst Bärenmond von mir, wenn ihr ihn seht.“ Vogelfell nickte. „Das werden wir tun, Neumond.“ Der Anführer leckte den beiden noch einmal die Schulter und wandte sich dann ab um zurück zu seinem Bau zu springen. Kurz bevor er in seinen Bau kroch, drehte Neumond sich noch einmal um und sah wie sich Vogelfell kurz vor Lichtpfote auf dem schmalen Weg begab. Danach tauchte er gänzlich in die Dunkelheit seines Baus ein.

Vogelfell schritt mit erhobenem Schwanz durch den weissen Wald. Hinter ihm schnaufte Lichtpfote und versuchte, mit ihrem Meister Schritt zu halten. Sie versank mit den Pfoten in der weichen, weissen Decke, was den Weg zusätzlich erschwerte. Der Heiler schmunzelte. Er konnte sich denken dass seine Schülerin im weissen Schnee kaum zu sehen war. Und tatsächlich, sie verschmolz beinahe gänzlich mit der Umgebung. Vogelfells getupftes Fell fiel in der Zeit der Kälte dafür umso mehr auf. Seine Umrisse hoben sich deutlich vom Schnee ab, und man konnte ihn schon aus mehreren Metern Entfernung sehen.

„Vogelfell?“, rief ihn Lichtpfotes Stimme zurück. „Warum bist du eigentlich Heiler geworden?“ Zum wiederholten Male musste Vogelfell an diesem Tag schmunzeln. Oft genug hatte er diese Frage bereits gestellt bekommen, war er doch ein vielversprechender Schüler gewesen. Er drehte sich zu seiner Schülerin um und musterte sie. „Dort vorne werden wir eine Pause machen und ich dir meine Geschichte erzählen. Einverstanden, Lichtpfote?“ Die weisse Kätzin nickte und schritt weiter. Unter einigen Tannen machten es sich die beiden Katzen bequem. Lichtpfote leckte sich den Schnee von den Pfoten und blickte gespannt zu ihrem Mentor auf. Er setzte sich neben ihr in die weisse Masse, leckte sich kurz die Brust und begann dann zu erzählen.

„Weisst du Lichtpfote, ich wollte längst nicht immer Heiler werden. Schon als Junges habe ich zu den Kriegern unseres Clans aufgeblickt, habe bewundert wie sie uns verteidigt und beschützt haben. Du kannst dir also vorstellen wie ich mich gefreut habe als ich zu Bärenkralles Schüler erwählt wurde?“ Vogelfell blickte sie von der Seite an und die Schülerin nickte. Bärenkralle gehörte zwar schon länger zu den Ältesten, doch sie kannte Geschichten über ihn und wusste dass er ein grosser Krieger gewesen war. Vogelfell fuhr fort: „Ich stürzte mich mit Feuereifer in meine Ausbildung zum Krieger. Oft trainierte ich mit Gräserpfote, einer schönen Tigerkätzin. Sie und ich wurden gute Freunde und kümmerten uns um einander, wie Geschwister. Eines Tages kam Rehschweif, Gräserpfotes Mentorin, schwer blutend ins Lager gestürzt. Eine Schar Krieger aus dem Leopardenclan die auf unserem Gebiet jagten hatten sie angegriffen.“ Ein Knurren stieg in Lichtpfotes Kehle auf doch ihr Mentor brachte sie mit einem Schnippen seines Schwanzes zum Schweigen.

„Du kannst dir vorstellen wie wütend alle waren. Ganz besonders aber Gräserpfote. Sie stürzte zu ihrer Mentorin und begann nach dem Heiler zu schreien. Rehschweif brach vor unseren Augen auf dem Boden zusammen und der damalige Heiler konnte nur noch ihren Tod feststellen. Die Verletzungen waren zu schwer gewesen.“ Vogelfells Augen hatten einen abwesenden Ausdruck bekommen und er schien nicht mehr den Wald zu sehen, sondern die Lichtung mit Rehschweifs Leiche. „Von blinder Wut gesteuert jaulte Gräserpfote auf und stürzte von der Lichtung. Wie versteinert standen wir alle da, bis mir klar wurde was sie vorhatte. Ich rannte so schnell ich konnte hinter ihr her und holte sie ein. ‚Gräserpfote‘, rief ich ihr zu. ‚Lass es sein, bitte! Die Krieger werden diese schäbigen Räuber schon lehren, auf unserem Revier zu jagen. ‘ Sie fauchte mich an: ‚ Ihre Jagd ist mir egal. Sie haben Rehschweif getötet. ‘ Mit der Schulter stiess sie mich beiseite und ich fiel hin. Ich wusste dass sie gegen die Krieger des Leopardenclans keine Chance hatte und dass auch sie sich dessen bewusst war. Doch die Wut und der Hass benebelten ihre Sinne völlig.“ Traurig seufzte Vogelfell. „Als ich sie schliesslich fand, lag sie verwundet zwischen Wurzeln und Gräsern. Zwei tote Krieger lagen einige Meter entfernt auf dem Boden. Sie hatten ihr die Flanke aufgeschlitzt und ein langer Schnitt ging quer über ihren Bauch. Den Spuren nach waren sie mindestens zu sechst gewesen.“ Der Heiler erhob sich und begann auf und ab zu schreiten. „Ich war verzweifelt und versuchte alles um die Blutung zu stoppen. Doch Gräserpfote leckte mir die Stirn und sagte schwach: ‚Lass nur, Vogelpfote. Ich werde meine Ausbildung mit Rehschweif im Mondclan fortsetzen. ‘ In der Nacht nach ihrem Tod erschien mir Honigfell in meinem Traum und erklärte mir meine Bestimmung.“

Er schloss seine Erzählung und setzte sich Lichtpfote gegenüber hin. Die Schülerin war während seiner Geschichte immer ruhiger geworden und blickte ihm jetzt schüchtern in die braunen Augen. „Das tut mir Leid, Vogelfell. Ich wusste nicht dass…“ Vogelfell unterbrach sie: „Ist schon in Ordnung, Lichtpfote. Es tut manchmal gut, über schlimme Dinge zu sprechen.“ Er blickte hoch zur Sonne und erhob sich wieder. „Wir müssen weiter. Komm, Lichtpfote.“ Und so schritten sie weiter, liefen durch den Wald und überquerten das Territorium des Löwenclans ohne Zwischenfälle. Die Sonne stand schon tief als sie den See der Träume schliesslich erschöpft erreichten. Lichtpfote hastete darauf zu um ihren Durst zu stillen doch ihr Mentor hielt sie zurück. „Das Wasser des Sees der Träume darf man nicht trinken, Dummkopf. Hat dir das deine Mutter nicht beigebracht?“, fauchte er. Lichtpfote kauerte sich zusammen, erschrocken über die Härte in Vogelfells Stimme. Doch der schmunzelte schon wieder und zeigte auf den Schnee rund um das Wasser. „Du hast doch genug Wasser hier, oder?“ Und er fegte mit seinem Schwanz eine Ladung weissen Schnee auf Lichtpfote, die sich prustend aus dem Schnee kämpfte und ihn schliesslich gierig zu lecken begann.

Derweil machte es sich Vogelfell am Rande des Sees unter einigen grossen Felsen die einen kleinen Vorsprung bildeten gemütlich und betrachtete das Wasser. Die letzten wärmenden Strahlen der Sonne liessen den See glitzern und glänzen. Er strahlte wie tausende von Tautropfen in denen sich das Licht unendlich schön brach. Verträumt lag Vogelfell so da und bemerkte nicht, wie sich Lichtpfote ebenfalls unter die Steine kuschelte. Erst als er ihr warmes Fell an seinem spürte erwachte er aus seinen Träumereien und blickte die Schülerin an, die gedankenverloren aufs Wasser starrte. Nicht nur ihn schien das Schauspiel der Natur zu faszinieren.

„Lichtpfote“, begann der Heiler. „Es ist wichtig dass du mir jetzt gut zuhörst.“ Die schneeweisse Schülerin nickte. „Gut.“; fuhr Vogelfell fort. „Der See der Träume ist unsere Verbindungsstelle zum Mondclan. Es heisst, er bestehe aus Schimmermonds Tränen die sie vergossen hat als sich ihr Clan aufteilte in die vier Clans die heute noch bestehen.“ „Wolfs-, Löwen-, Tiger- und Leopardenclan.“, flüsterte Lichtpfote. Vogelfell nickte. „So ist es. Jedenfalls treten alle angehenden Heiler oder Anführer den Weg zum See der Träume an um im Schlaf endgültig vom Mondclan begrüsst und angenommen zu werden. Das Ritual ist genauso einfach wie unvergesslich. Das einzige was du tun musst, Lichtpfote, ist mit der Pfote im See zu schlafen.“ Lichtpfote riss die Augen auf und meinte: „So einfach soll das sein?“ Vogelfell schmunzelte: „So einfach ist es, vertrau mir.“

Also warteten die beiden schweigend bis die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwunden war und legten sich dann am Ufer nieder. „Und du bist dir sicher, dass der Mondclan mich als Heilerin akzeptieren wird, Vogelfell?“, fragte Lichtpfote besorgt. „Aber natürlich wird er das. Ausserdem bist du erst mal nur Schülerin, der Weg bis du dich Heilerin nennen kannst ist noch lange, glaube mir, Lichtpfote. Und jetzt schlaf, und vergiss deine Pfote nicht.“ Sie blickte ihn erschrocken an und maunzte: „Du wirst nicht mit mir zum Mondclan kommen?“ Der Heiler schüttelte den Kopf und antwortete: „Es ist deine Aufgabe, nicht meine. Und ausserdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen, du wirst das schon schaffen. Und ich werde nicht sehr gerne nass.“ Er leckte ihr aufmunternd die Schulter und trottete dann zurück zu seinem Platz unter den Felsen.

„Ich schaffe das, ich schaffe das. Kein Problem.“, flüsterte sich Lichtpfote Mut zu. Vorsichtig streckte sie ihre weisse Pfote auf den dunkel daliegenden See zu. Die Oberfläche kam näher und Lichtpfote durchbrach den Spiegel aus Wasser schon fast, als eine Libelle auf sie zuflog. Die Schülerin sprang auf und schrie. Ein Lachen aus der Felshöhle verriet ihr, dass sie von ihrem Mentor beobachtet wurde. „Jetzt dreh ich schon wegen einer Libelle durch.“, fluchte Lichtpfote leise. „Ich muss mich mal beruhigen.“ Also legte sie sich wieder hin und streckte die Pfote zum zweiten Mal in Richtung Wasser aus. Dieses Mal durchbrach sie die Oberfläche ohne Zwischenfälle, doch die Kälte des Sees jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie bettete ihren Kopf auf die Pfote die nicht im Wasser baumelte und schloss die Augen.

Kurze Zeit später schlug sie die Augen wieder auf und fand sich auf einer Lichtung wieder. Verstört blickte sie sich um. Wo war der See der Träume geblieben? „Willkommen, Lichtpfote, Schülerin aus dem Wolfsclan.“, ertönte eine liebliche Stimme hinter ihrem Rücken. Blitzschnell drehte sich Lichtpfote um und blickte in die bernsteinfarbenen Augen einer silbernen Kätzin. Lichtpfote verneigte sich vor ihr, denn sie hatte sofort erkannt dass es sich um Schimmermond handelte. Als sie den Kopf wider hob, hatten sich links und rechts von Schimmermond vier grosse Katzen aufgestellt. Zu äusserst erkannte sie einen muskulösen, braun getigerten Kater. „Das muss Tigermond sein.“, dachte Lichtpfote. Rechts von ihm stand eine zierliche, goldene Kätzin. Es war Löwenmond, die zu ihrer Zeit bereits viele unterschätzt hatten. Rechts von Schimmermond blickte ihr ein gefleckter Kater aus dunklen Augen entgegen. Man musste ihr nicht erklären dass dies Leopardenmond war, eine unheimliche Atmosphäre schien ihn zu umgeben und so wanderten Lichtpfotes Augen weiter zum letzten Mitglied in der Reihe. Wolfsmond, ein unglaublich grosser, grauer Kater mit unheimlich blauen Augen blickte ihr freundlich entgegen und nickte ihr sogar zu. Erst jetzt bemerkte Lichtpfote die kleine Kätzin die halb versteckt hinter Wolfsmond sass. Ihr hellbraunes Fell glänzte in der Sonne und ihre Augen strahlten Wärme und Schutz aus. Die musste Honigfell sein, die erste Heilerin des Wolfclans.

„Lichtpfote, von nun an wirst du keine gewöhnliche Schülerin deines Clans mehr sein.“, fuhr Schimmermond fort. „Du wirst von Vogelfell in die Kunst des Heilens eingeführt werden und eines Tages deinen eigenen Schüler zum See der Träume geleiten. Ich hoffe du wirst deine Sache gut machen, den Heiler sind für einen funktionierenden Clan unentbehrlich.“ Leopardenmond schnaubte. Ohne auf ihren Nachbarn einzugehen schritt Schimmermond nach vorne und legte ihre Stirn an Lichtpfotes. Eine Welle der Energie durchflutete sie und ein unglaubliches Glücksgefühl machte sich in ihr breit. Nach Schimmermond schritt nun auch Wolfsmond nach vorne und legte seine Stirn ebenfalls an Lichtpfotes. „Sorge gut für meinen Clan, kleine Schülerin.“, flüsterte er. Unfähig zu antworten nickte Lichtpfote, so gefangen war sie von den tief blauen Augen des ehemaligen Anführers. Löwenmond glitt anmutig nach vorne und Lichtpfote spürte das Gewicht ihres Kopfes kaum, so zierlich war sie. Tigermond legte seinen Kopf nur kurz auf ihren und zog sich dann zurück. Innerlich graute ihr schon vor Leopardenmond, der nun auf sie zu stolzierte. Er presste seine Stirn an ihre und sie hatte Mühe, das Gleichgewicht zu behalten. Kalt blickte er sie an und ein Schauer lief über Lichtpfotes Rücken. Nachdem auch Leopardenmond wieder an seinen Platz zurückgekehrt war, erhob sich auch Honigfell und schritt anmutig auf Lichtpfote zu. Sie legte ihre Stirn auf Lichtpfotes und leckte ihr kurz übers Gesicht. Eine wohlige Wärme breitete sich in der Schülerin aus und Honigfell sagte mit ihrer süssen Stimme: „Lichtpfote, mögest du die Katzen im Wolfsclan pflegen, so wie ich es einst getan habe. Möge deine Treue unendlich und dein Wille stark sein, wie eine Eiche.“ Nach diesen Worten fiel Lichtpfote in einen erholsamen Schlaf.

Zurück zum Wolfs-Clan


Am Morgen erwachte Lichtpfote und fühlte sich frisch und kräftig wie nie. Sie streckte sich gähnend und drehte sich auf die Seite. Es dauerte einige Zeit bis ihr Vogelfells Abwesenheit auffiel. Sie sprang auf die Pfoten und blickte sich ängstlich um. „Wo ist Vogelfell?“, dachte sie. Nervös leckte sich die weisse Kätzin ihr Brustfell und kroch unter den Felsen hervor. Immer noch konnte sie ihren Mentor nirgends entdecken und begann sich Sorgen zu machen. Was, wenn ihn ein Dachs oder ein Fuchs erwischt hatte?
Lichtpfote würde niemals alleine zurück finden. In diesem Moment plumpste ein brauner Klumpen vor ihre Pfoten und Lichtpfote sprang verschreckt zur Seite. „Die Maus beisst dich nicht mehr, glaub mir, Lichtpfote.“, erklang Vogelfells Stimme belustigt. Erleichtert atmete sie aus und stupste die Wühlmaus an. „Ich versuche mir auch eine zu fangen, wenn das in Ordnung ist.“ Vogelfell schüttelte den Kopf und schob Lichtpfote die Beute zu. „Ich habe schon gegessen. Die Wühlmaus ist für dich, du brauchst was im Magen für die Reise zurück.“ Dankbar schlug die Kätzin ihre Zähne in das Fleisch, auch wenn die Maus recht mager war.

Nachdem Lichtpfote fertig gegessen hatte, machten sich die beiden Katzen auf den Weg zurück zum Wolfs-Clan. Sie trabten über den Schnee und machten kaum Halt um zu verschnaufen. Als die Sonne ihren Höchstpunkt schon überschritten hatte, erreichten sie die Grenze zum Löwen-Clan. Sie brauchten sich keine Sorgen zu machen, schliesslich kamen sie vom See der Träume. Und doch wurde Lichtpfote nervös und angespannt.
„Keine Sorge, Lichtpfote.“, sagte Vogelfell, der ihre Angespanntheit bemerkt hatte. „Ich habe keine Angst!“, trotze seine Schülerin und Vogelfell lachte. „Wie ich höre, geht es dir gut, Vogelfell.“, ertönte eine tiefe Stimme rechts von ihnen. Erschrocken drehte sich Lichtpfote um und sah einen grossen, gold-gelben Kater vor sich. „Sei gegrüsst, Goldmond.“, erwiderte Vogelfell und neigte respektvoll den Kopf. Lichtpfote tat es ihrem Mentor gleich. Goldmond war der Anführer des Löwen-Clans und bekannt für die Weisheit, die er in seinem jungen Alter schon besass. Er war ein gütiger Anführer, so wie man hörte.
„Ihr kommt vom See der Träume? War es aufschlussreich?“, fragte Goldmond höflich. Vogelfell nickte. „Ja, Goldmond. Dies ist meine Schülerin Lichtpfote.“ Goldmond schmunzelte und erwiderte: „Sei gegrüsst Lichtpfote. Du kannst glücklich sein, mit deinem Mentor. Einestages wirst du bestimmt eine gute Heilerin sein, da bin ich mir sicher.“ Lichtpfote senkte den Kopf und dankte dem Anführer. „Nun, ich denke euer Clan wartet schon auf euch. Ich will euch nicht länger aufhalten. Grüss Neumond von mir, Vogelfell.“

Mit diesen Worten trabte der Kater in Richtung seines Lagers, und auch die Katzen auf dem Wolfs-Clan setzten ihre Reise fort. Kurze Zeit später erreichten sie den Fluss, der die Grenze zwischen Wolfs-Clan und Löwen-Clan bildete. Vorsichtig setzte Lichtpfote eine Pfote auf das harte Wasser und rutschte prompt aus. Unsanft landete sie auf ihrer Nase und ihr Nackenfell stellte sich unter der Kälte in ihrem Gesicht auf. „Fahr deine Krallen aus, dann geht es besser.“, riet ihr Vogelfell. Sie tat wie geheissen, und tatsächlich, Lichtpfote konnte den Fluss fast ohne Probleme überqueren. Dicht gefolgt von ihrem Mentor erreichte sie das Ufer. Vogelfell war froh, wieder Wolfs-Clan Territorium unter den Pfoten zu haben. Reisen über Territorien anderer Clans waren ihm noch nie geheuer gewesen. So setzten sie ihren Weg durch den tiefen Schnee weiter, langsamer als zuvor.
Links neben Vogelfell bewegte sich ein kleiner, brauner Spatz und der Heiler kauerte sich in Jagdstellung nieder. Langsam schlich er auf den Vogel zu und versuchte so leise zu sein wie möglich. Kurz vor seiner Beute verlagerte Vogelfell sein Gewicht auf die Hinterpfoten und sprang auf den Vogel. Mit den Vorderpfoten drückte der Kater den Spatz zu Boden und tötete ihn mit einem schnellen Biss.

Lichtpfote hatte die Jagd ihres Mentors beobachtet und war erstaunt, wie leise und sicher dieser den Vogel getötet hatte. Er musste wirklich ein überaus begabter Schüler gewesen sein. Und doch hatte er den Weg eines Heilers eingeschlagen. Lichtpfote sah zu ihm auf und es erschien ihr unmöglich, jemals all das Wissen zu erhalten, das ihr Mentor besass.
Doch besagter Mentor war schon weiter vorangetrabt, immer in Richtung des Lagers ihres Clans. Also setzte Lichtpfote ihm mit langen Sprüngen nach und holte ihn schliesslich ein.
Vogelfell stand hinter einer grossen Eiche, das Nackenfell gesträubt und die Zähne gebleckt. Angespannt starrte er auf einen sehr schmalen Donnerweg vor ihnen. Auf ihm kamen nur sehr selten Monster vorbei, dafür viele Zweibeiner mit ekligen Hunden, so wie jetzt. Vor den beiden Katzen auf dem Donnerweg standen zwei Zweibeiner mit ihren Hunden, der eine kaum grösser als Vogelfell, der andere dafür mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Mal grösser. Ängstlich kauerte Lichtpfote sich nieder und betete zum Mondclan dass der Wind nicht zu den Hunden hin wehen und ihnen den Geruch der Katzen zutragen würde.

Und tatsächlich, das Glück schien es gut mit ihnen zu meinen, die Hunde konnten sie nicht riechen und trotteten kurze Zeit mit ihren Zweibeinern weiter. Trotzdem blieb der beissende Gestank nach Hund in der Luft und in den empfindlichen Nasen der beiden Katzen hängen und brachte Lichtpfote sogar zum Niesen. Vogelfell lächelte und sprang dann schnell über den dünnen Donnerweg, Lichtpfote setzte ihm nach. Von nun an flogen die beiden nur noch so über den weissen Waldboden, bis sie im Lager des Clans ankamen. Inzwischen war es schon beinahe Abend geworden, und nur noch wenige Katzen lagen auf der Lichtung um sich von den letzten Strahlen der Sonne das Fell wärmen zu lassen. Unter ihnen war auch Erdbeerpfote, eine gute Freundin von Lichtpfote. Ihr rotes Fell glänzte im Licht und sie streckte genüsslich ihre vier Pfoten von sich. Als sie Lichtpfote und Vogelfell erblickte, sprang sie auf ihre Pfoten und sprang zu ihnen hinüber. „Sei gegrüsst, Vogelfell.“, miaute sie. Der braune Kater nickte ihr zu und begab sich dann zu Neumonds Bau um ihm alles zu berichten. Lichtpfote dagegen begrüsste ihre Freundin ausgiebig, die sie neugierig fragte: „Und wie war es? Bist du jetzt wirklich Heilerschülerin?“ Die weisse Kätzin lachte und antwortete: „Es war wundervoll. Und ja, ich bin Heilerschülerin.“ Sie wischte Erdbeerpfote mit ihrer Tatze von den Füssen, so dass diese mit dem Gesicht im Schnee landet. „Was nicht heisst, dass ich schwächer bin als du.“, stiess Lichtpfote lachend hervor. Die beiden jungen Katzen begannen verspielt miteinander zu kämpfen und Vogelfell lächelte, als er den Kopf noch einmal wendete bevor er in Neumonds Bau verschwand.


„Sei gegrüsst, Neumond.“, schnurrte er. „Hallo Vogelfell.“, kam die Antwort von Neumonds Nest. „Wie war es beim See der Träume?“ Der Heiler setzte sich nieder und miaute: „Sehr gut, Neumond. Der Mond-Clan hat Lichtpfote akzeptiert.“ Neumond nickte. „Ist im Lager etwas Spezielles vorgefallen?“, fuhr der Heiler fort. Wieder nickte Neumond und senkte den Kopf. „Schlammschweif war mit Erdbeerpfote beim Training in der Staubkuhle. Als sie gerade die Verteidigung gegen Hunde trainierten, tauchte ein grosser Dachs auf. Er scheint sich seinen Bau auf dem Trainingsplatz gegraben zu haben.“ Vogelfell fauchte laut: „Ein Dachs? Auf unserem Territorium?!“ Neumond nickte. „Wir werden morgen eine Patrouille zur Staubkuhle schicken, bis dahin ist das Trainieren dort nicht erlaubt.“ Dieses Mal nickte Vogelfell, verabschiedete sich und verliess Neumonds Bau.

Draussen auf der Lichtung spielten Erdbeerpfote und Lichtpfote immer noch verspielt miteinander, als Vogelfell zu ihnen stiess. Mit einem Schnipsen seines Schwanzes beendete er das Spiel der beiden Schülerinnen. „Lichtpfote“, miaute er, „Neumond wird sicherlich gleich den Clan versammeln, damit wir ihnen vom See der Träume berichten.“ Lichtpfote nickte und zog sich zurück um ihr Fell zu reinigen. Kurze Zeit später trat Neumond tatsächlich aus seinem Bau und miaute laut: „Katzen des Wolfs-Clans, versammelt euch vor dem grossen Stamm.“ Die Katzen trotteten aus den verschiedenen Baus und setzten sich vor den Baumstamm. Stolz liess sich Lichtpfote neben ihrem Mentor nieder und reckte den Kopf in die Höhe um Neumond besser sehen zu können, der inzwischen auf dem grossen Stamm thronte.

„Katzen des Wolfs-Clans, wie ihr wisst sind Vogelfell und seine Schülerin Lichtpfote vom See der Träume zurückgekehrt. Vogelfell und Lichtpfote, kommt zu mir und erzählt dem Clan von eurer Reise.“ Lichtpfote folgte ihrem Mentor, der bereits auf den grossen Stamm sprang und sich dort neben Neumond niederlies. „Wolfs-Clan, ihr wisst, dass Lichtpfote meine neue Schülerin ist. Sie hat schon vieles gelernt und nun hat sie auch der Mond-Clan endgültig anerkannt, nachdem sie die Reise zum See der Träume angetreten hat.“ Lichtpfotes Gesicht leuchtete regelrecht als sie das Lob von Vogelfell hörte und ihr Herz quoll fast über vor Stolz und Freude. Sie blickte vom grossen Stamm Meeresschweifs Gesicht und ihre Mutter lächelte sie unentwegt an. Neumond begann wieder zu sprechen. „Nun denn, Lichtpfote, ich denke der Mond-Clan hat die richtige Entscheidung getroffen indem er dich akzeptiert hat. Du wirst eines Tages eine wunderbare Heilerin sein, auf die unser Clan stolz sein kann.“ Die Katzen des Wolfs-Clans riefen Lichtpfote laut bei ihrem Namen und die sonnte sich förmlich in all dem Lob das sie bekommen hatte.

Die weisse Kätzin sprang hinter ihrem Mentor Vogelfell vom grossen Stamm und lief zu Erdbeerpfote. Doch bevor sie ihre Freundin erreichte, stellte sich ihr Tupfenpfote in den Weg und fauchte sie an: „Na, bist dir mit deinem weissen Fell wohl zu schade zum Kämpfen? Du bist faul, nur deshalb bist du Heilerschülerin geworden, weil du kein bisschen Talent zum Kämpfen hast.“ Lichtpfotes Nackenfell sträubte sich und sie gab zurück: „Halt dein Maul, Tupfenpfote. Wenigstens hat mein Fell eine definierbare Farbe.“ Danach stolzierte sie an der jungen Kätzin vorbei zu Erdbeerpfote, um mit ihrer Freundin noch etwas zu reden, bevor sie wieder zurück zu ihrem Mentor musste.

Traum und Schmerz


Goldenes Sonnenlicht fiel auf den Fluss, der das Licht tanzend zurückwarf und die Umgebung in ein leuchtendes Farbenspiel tauchte. Eine schwarze Katze spazierte am Ufer entlang und steckte unbeholfen ihre Nase ins hohe Gras. Die Katze begann zu niesen, hüpfte dabei nach hinten und landete prompt im Fluss, der zum Glück nicht viel Wasser führte. Sie strampelte mit den Beinen, kroch aus dem Fluss und schüttelte sich.

Neumond kam hinter dem Baum hervor, hinter dem er sich bisher versteckt hatte und schritt auf die Katze zu. „Wer bist du?“, fragte er, als er schliesslich vor der schwarzen Katze stand. Die leckte sich die Pfote, fuhr sich damit übers Gesicht und schnurrte: „Mein Name ist Mia. Und wie heisst du?“ – „Neumond.“, antwortete der Kater. „Was tust du hier, Mia? Das ist Wolfs-Clan Territorium.“ Verdutzt blickte Mia Neumond an und miaute: „Wie bitte? Tut mir leid, ich komme nicht aus dem Wald.“ – „Du befindest dich auf dem Territorium meines Clans, Mia. Du solltest hier nicht sein.“

Traurig senkte die schwarze Katze den Blick auf ihre Pfoten. „Das wusste ich nicht.“, murmelte sie. „Aber ich weiss nicht, wo ich sonst hin soll, Neumond!“ Der Kater runzelte die Stirn. „Du bist eine Streunerin.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und trotzdem antwortete Mia: „Ich denke, ja. Ich bin von zu Hause weggelaufen.“ – „Warum denn das?“, fragte Neumond verdutzt. „Du warst ein Hauskätzchen und hast all den Luxus zurückgelassen, um zur Streunerin zu werden?“ Mia nickte. „Mein Mensch war nicht gut zu mir. Er hat mich getreten und kaum gefüttert. Mir geht es besser hier im Wald.“

Betroffen senkte Neumond seinen Blick. „Das tut mir leid.“ – „Warum? Du kannst ja schliesslich nichts dafür.“, antwortete Mia schon wieder etwas fröhlicher. „Wenn das hier euer Territorium ist, werde ich wohl gehen müssen. War schön dich zu treffen, Neumond.“

Mit diesen Worten drehte Mia sich um und schlich mit hängendem Schwanz in Richtung des Löwen-Clan Territoriums davon. „Mia, warte.“, rief Neumond. Die dunkle Kätzin drehte sich zu ihm um und fragte: „Was ist denn, Neumond?“ – „Du weisst wirklich nicht wohin, oder?“, fragte er. Mia schüttelte traurig den Kopf. „Dann bleib hier. Ein bisschen weiter den Fluss aufwärts gibt es eine verlassene Fuchshöhle unter einem Felsen. Du könntest dort schlafen, es ist bestimmt nicht die beste Unterkunft, aber es ist sicher und trocken.“

Schlagartig hellte sich Mias Gesicht auf, sie trabte auf Neumond zu und begann ihren Kopf an seiner Schulter zu reiben. „Neumond, ich bin dir so dankbar. Vielen, vielen Dank.“ – „Ähm, kein…kein Problem, Mia.“, antwortete der Kater, verstört durch ihrer Geste. „Aber pass auf, dass dich keine Patrouille sieht. Und jag nur auf dieser Seite des Flusses. Auf der anderen Seite beginnt das Territorium des Löwen-Clans.“ Mia nickte. „Vielen Dank, Neumond.“

„Neumond? Hallo, Neumond? Wach auf!“ Blinzelnd öffnete der Kater die dunklen Augen. „Was ist denn?“, murmelte er verschlafen. „Wo bin ich?“ – „Ich würde sagen, in deinem Bau.“, antwortete Rotfell, die sich über den Anführer gebeugt hatte. „Und es ist schon spät, du solltest wirklich aufstehen. Ich hatte schon Angst, du willst Winterschlaf halten.“

Der graue Kater streckte sich und gähnte ausgiebig. „Jetzt komm schon, Neumond. Du wolltest doch eine Patrouille zur Staubkuhle schicken.“, miaute Rotfell. Neumond nickte verschlafen. „Kannst du bitte Schneekralle, Marmorpelz und Birkenherz fragen, ob sie das übernehmen?“, fragte der Anführer. „Geht nicht.“, antwortete Rotfell. „Marmorpelz hat doch diesen Husten, schon vergessen?“ Neumond stöhnte auf. „Dieser verdammte Husten.“, fauchte er. „Könntest du dann mitgehen, wenn es dir nichts ausmacht, Rotfell?“

Die zweite Anführerin nickte und verliess Neumonds Bau. Wieder streckte sich der Anführer und dachte an den Traum, den er gerade gehabt hatte. Er wurde einfach nicht schlau daraus. War es eine Botschaft des Mondclans? Und wenn ja, was wollte er ihm damit sagen?

Neumonds Kopf dröhnte schon, als er seinen Bau verliess. Auf der Lichtung traf er auf Strohschweif, die ihn begrüsste. „Hallo, Neumond.“ – „Guten Morgen, Strohschweif.“, antwortete der Kater. „Wie geht es dir?“ Die gelbe Kätzin miaute: „Es geht schon, danke. Aber ich vermisse Pferdeschweif. Es ist so langweilig, ohne sie.“ Neumond nickte. „Wir vermissen sie alle.“ Strohschweif nickte, neigte dann den Kopf und trottete zum Bau der Ältesten davon. Auf dem Weg hustete sie, und der Anführer hörte sie murmeln: „Verflixter Husten“.

Neumond beschloss, zur Kinderstube zu gehen und nach Minzblüte, Blumenfuss und den Jungen zu sehen. Leise schlich er sich durch die schmale Öffnung und betrat die Kinderstube. Wie erwartet schliefen die beiden Jungen noch. Die beiden Königinnen waren aber wach und unterhielten sich leise. „Guten Morgen ihr Beiden.“, miaute Neumond, als er sich an den schlafenden Kleinen vorbeigeschoben hatte.

„Guten Morgen, Neumond.“, antworteten die Kätzinnen. „Wie geht es euch?“, fragte der Kater. „Wenn es meinen Kleinen gut geht, geht es mir auch gut.“, miaute Minzblüte gut gelaunt. „Schön. Und dir, Blumenfuss? Hast du dich erholt?“, fragte Neumond weiter. Blumenfuss nickte und antwortete: „Ja, Neumond. Ich hoffe, meinen Jungen geht es auch gut.“ – „Wenn du Probleme hast, dann ruf einfach nach Vogelfell, in Ordnung?“, miaute Neumond und verliess danach den Bau.

Draussen sah er gerade noch Schneekralles Schwanzspitze hinter den kahlen Bäumen verschwinden, als sich die Patrouille auf zur Staubkuhle machte. Kurz überlegte er, den drei Katzen zu folgen, doch dann besann er sich eines Besseren. Rotfell war weg, also musste Neumond hier im Lager bleiben, auch wenn es ihn in den Pfoten juckte.

Er beschloss eine Jagdpatrouille los zuschicken. Der Frischbeutehaufen war schon wieder winzig. Also lief er zum Bau der Krieger und begrüsste die Katzen, die sich gerade die Zunge gaben. „Jadeherz“, rief er. „Würdest du bitte mit Sonnenherz und Dunkelkralle auf die Jagd gehen?“ Die schwarze Kätzin nickte. „Sollen wir Kiefernpfote und Tupfenpfote mitnehmen, Neumond?“ – „Ja, gerne. Sie können ja im Moment nicht trainieren, wegen dieses Dachses.“, antwortete der Anführer.

„Wie kommt ihr ansonsten mit dem Training voran?“ Schlammschweif antwortete: „Ich kann mich nicht beschweren. Erdbeerpfote ist voller Energie, und lernt schnell.“ Jadeherz nickte. „Auch Tupfenpfote lernt recht schnell. Aber sie ist so eingebildet, manchmal könnte ich ihr deshalb den Schwanz abbeissen.“ Sie grummelte noch etwas, als sie den Bau mit Sonnenherz und Dunkelkralle verliess.

Neumond begab sich in den hinteren Bereich des Baus, zu Flinktatze und Marmorpelz. „Wie geht es euch?“, fragte er, nachdem er sich hingesetzt hatte. Marmorpelz hustete und antwortete danach: „Jetzt weiss ich wie sich ein Stück Krähenfrass fühlen muss.“ Neumond verzog den Mund. „Ist es wirklich so schlimm?“, fragte er mitleidig. „Ich werde es schon überstehen.“, grummelte der grosse Kater und fuhr leiser fort: „Aber ich mache mir Sorgen um Flinktatze. Sie schläft fast den ganzen Tag, ich habe schon lange nicht mehr gesehen, wie sie läuft, oder sich wenigstens aufsetzt.“

Neumond nickte. Auch jetzt lag Flinktatze hinter Marmorpelz, den kleinen Kopf auf den Pfoten. Durch das getigerte Fell konnte man jeden einzelnen Knochen erkennen, die sonst schon dünne Katze war nur noch ein Schatten ihrer selbst. „Du hast Recht.“, miaute Neumond. „Ich werde Vogelfell fragen, ob er ein Mittel hat, damit sie wenigstens wieder frisst.“ Marmorpelz nickte. „Das wäre gut. Ich habe Angst, dass sie noch verhungert oder einfach nicht mehr aufwacht.“ – „Das wird nicht passieren, Marmorpelz. Sie hat einen starken Willen, das weisst du.“ Marmorpelz nickte, legte sich dicht neben Flinktatze und bettete den Kopf auf seine Pfoten.

Draussen auf der Lichtung lag Erdbeerpfote unter einem kahlen Busch und blickte traurig vor sich hin. Neumond lief zu ihr und fragte: „Hallo Erdbeerpfote. Wieso ziehst du so ein langes Gesicht?“ Die rote Kätzin blickte auf und miaute: „Guten Tag, Neumond. Ach es ist nichts. Ich vermisse nur die Zeit mit Lichtpfote. Sie hat jetzt so viel zu tun und fast keine Zeit mehr für mich.“ Neumond leckte ihr tröstend über die Stirn.

Er wollte gerade etwas sagen, als jemand am Eingang zur Lichtung seinen Namen rief. Er blickte auf und sah Rotfell auf sich zu rennen, Birkenherz zu ihrer Rechten. Zwischen den beiden humpelte Schneekralle. Eines ihrer hinteren Beine zog sie schlaff nach. „Erdbeerpfote, geh und hol Vogelfell.“, rief Neumond und sprang auf. Die Schülerin rannte in die entgegengesetzte Richtung zu Bau des Heilers, während Neumond zu den drei Katzen rannte.

„Was ist passiert?“, rief er schon auf halbem Weg. „Der Dachs“, presste Birkenherz zwischen den Zähnen hervor. Bevor Neumond weiter nachfragen konnte, kam auch schon Vogelfell angesprungen. „Bringt sie in meinen Bau. Sieht aus, als wäre das Bein ausgerenkt.“ Also schleppten Rotfell und Birkenherz die jaulende Schneekralle durchs Lager bis zu Vogelfells Bau.

„Legt sie hier auf den Boden.“, wies der Heiler die Katzen an. Vorsichtig liessen sie Schneekralle zu Boden. „Danke schön. Ihr könnt jetzt gehen.“, murmelte Vogelfell, der schon begann, Gänseblümchenblätter zu zerkauen. Lichtpfote hatte sich neben Schneekralle gesetzt und redete beruhigend auf sie ein.

„Lichtpfote“, sagte Vogelfell. „Hol doch bitte einige Mohnsamen.“ Die weisse Kätzin nickte, lief in den hinteren Teil der Höhle, und kam mit einigen der Samen im Maul wieder zurück. „Gut“, miaute Vogelfell. „Und jetzt halt bitte ihr anderes Hinterbein fest.“ Der Heiler blickte auf und bemerkte erst jetzt Neumond, der im Eingang zum Bau sass.

„Neumond, könntest du ihr vielleicht helfen? Ich möchte keinen Tritt von Schneekralle bekommen.“ Der Anführer nickte und stellte sich neben Lichtpfote, die das Bein schon mit ihren Vorderpfoten runterdrückte. Die Schülerin nahm die Pfoten vom Bein und ging zu Schneekralles Vorderbeinen, um diese ebenfalls festzuhalten.

Vogelfell nickte und miaute: „So, Schneekralle. Das wird jetzt kurz wehtun. Danach sollte es aber wieder besser sein.“ Er packte das ausgerenkte Bein zwischen die Zähne und renkte es mit ein paar gekonnten Bewegungen wieder ein.

Schneekralle jaulte auf und begann mit den Beinen zu strampeln. Nur knapp konnte Lichtpfote einem Pfotenhieb ausweichen. „Gut gemacht.“, miaute Vogelfell. „Gib ihr jetzt bitte die Mohnsamen, Lichtpfote.“ Die Schülerin reichte Schneekralle die Samen und versuchte sie etwas aufzumuntern. Vogelfell riet der schwarzen Kriegerin, sich einige Zeit auszuruhen und zu ihm zu kommen, falls das Gelenk anfangen sollte zu schmerzen, während er den Brei aus Gänseblümchenblättern auf dem Gelenk verteilte.

„Der Brei wird die Schmerzen im Gelenk lindern. Merk dir das, Lichtpfote.“ Die Schülerin nickte aufmerksam. „Danke schön, Vogelfell.“, miaute Schneekralle. Der Heiler schmunzelte. „Kein Problem, Schneekralle. Aber was ist eigentlich passiert?“

Das Gesicht der jungen Kriegerin verdunkelte sich. „Wir sollten nach dem Dachs sehen, der seinen Bau in der Staubkuhle hat.“, begann sie zu erzählen. „Er war nicht da, aber sein Geruch war stark und überall in der Kuhle. Wir haben uns also zum Bau geschlichen. Und plötzlich stand der Dachs hinter uns. Der Wind hat von ihm weggeweht und sein Geruch war überall, deshalb haben wir vielleicht nicht gewittert dass er kommt. Na ja, dann hat er mich am Hinterbein gepackt und heftig daran gerissen. Zum Glück waren Rotfell und Birkenherz bei mir, ich wüsste nicht, was sonst passiert wäre.“

Der Heiler nickte und sagte zu sich selbst: „Diese verflixten Dachse, machen nichts als Ärger.“ Neumond nickte. „Ich werde sehen, dass wir ihn loswerden, Vogelfell.“, antwortete der Anführer und verliess den Bau.

Lichtpfote blickte Vogelfell an und fragte, ob sie nicht nachsehen sollte, ob Rotfell und Birkenherz auch etwas fehlte. Ihr Mentor nickte. Schneekralle setzte sich auf und miaute: „Erholen kann ich mich auch im Kriegerbau. Aber nochmal, vielen Dank, Vogelfell. Und auch dir, Lichtpfote.“

Die weisse Kätzin leckte sich verlegen die Brust. „Könntest du mir vielleicht helfen?“, fuhr Schneekralle fort. „Ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen“ – „Natürlich“, antwortete Lichtpfote und stütze die schwarze Kätzin auf dem Weg zum Bau der Krieger.

Monden


Unruhig schlich Neumond in seinem Bau auf und ab. Der Dachs machte ihnen wirklich Probleme. Fieberhaft überlegte der Kater, was er gegen das Tier unternehmen könnte. Da trat Rotfell in seinen Bau und begrüsste ihn. Der Anführer nickte ihr zu, er war in seinen Gedanken versunken. „Ich wollte dich nur noch mal daran erinnern, dass heute Abend das Monden ist. Weisst du schon, wen du mitnehmen willst?“, fragte die Rote Kätzin. Neumond spitzte die Ohren. Über all den Trubel hatte er doch tatsächlich nicht bemerkt, dass es schon wieder Vollmond war. „Danke, Rotfell.“, miaute der graue Kater. „Ich werde dem Clan mitteilen, wer mittkommt, wenn die Sonne am Zenit steht.“ Rotfell nickte und mauzte: „In Ordnung, Neumond. Und mach dir keine Sorgen wegen Schneekralle. Es geht ihr schon besser.“ Neumond nickte und die Zweite Anführerin verliess seinen Bau.

Draussen auf der Lichtung trainierten Tupfenpfote und ihr Bruder Kiefernpfote mit ihren Mentoren. „Na los, Tupfenpfote.“, miaute Jadeherz. „Zeig mir mal, wie du mich angreifen würdest.“ Die Schülerin nickte und kauerte sich auf den Boden. Sie fauchte ihre Mentorin an und peitschte mit dem Schwanz. Jadeherz kauerte sich ebenfalls hin und wartete ab, was Tupfenpfote sich einfallen lassen würde. Kaum eine Sekunde später stiess sich die bunte Schülerin mit den Hinterbeinen vom weichen Boden ab und flog auf ihre Mentorin zu. Die duckte sich unter Tupfenpfote hinweg und entging ihrem Angriff so. Die Schülerin aber drehte sich im Sprung und landete so auf dem Rücken von Jadeherz. Die schwarze Kätzin erschrak und versuchte, Tupfenpfote loszuwerden. Sie drehte sich also auf den Rücken, und Tupfenpfote liess unter ihrem Gewicht los. Jadeherz stand auf und schüttelte sich den Schnee aus dem Schwarzen Fell. „Das war sehr gut, Tupfenpfote“, schnurrte sie. „Mit deiner Drehung hatte ich nicht gerechnet. Mach das nochmal.“

Am anderen Ende der Lichtung schlich sich Kiefernpfote an seinen Mentoren Birkenherz an. Die grünen Augen des Schülers funkelten. Das Maul weit geöffnet kroch er immer näher an den grossen Kater heran und stiess sich schliesslich kräftig mit den Hinterbeinen ab, so wie es seine Schwester kurz zuvor getan hatte. Doch Birkenherz sprang rasch zur Seite und Kiefernpfote landete mit der Schnauze im Schnee.

Über die ganze Lichtung hörte der Kater das Lachen seiner Schwester. Wütend verzog der braune Kater den Mund. Immer musste seine Schwester sich über ihn lustig machen. Langsam rappelte Kiefernpfote sich auf und leckte sich den Schnee von der Schnauze. Birkenherz stapfte neben ihn und miaute: „Das war gut, Kiefernpfote. Du musst nächstes Mal nur noch etwas besser darauf achten, wann du abspringst.“ Kiefernpfote schüttelte traurig den Kopf. Sein Mentor schlug ihm mit der Pfote aufs Ohr. „Hör schon auf, Mäusehirn“, fauchte Birkenherz. „Gleich nochmal, los!“ Der junge braune Kater stöhnte, ging dann aber von neuem in die Hocke.

Das alles beobachtete Lichtpfote aus der Höhle des Heilers. Irgendwie vermisste sie es, das Leben als angehende Kriegerin. Natürlich, die Ausbildung zur Heilerin machte ihr unglaublich Spass und war sehr interessant. Aber an manchen Tagen dachte sie traurig zurück an früher, und war sogar etwas neidisch, wen sie die anderen Schüler beim Training sah. „Du vermisst dein altes Leben, nicht wahr?“ Lichtpfote war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht merkte wie Vogelfell sich neben sie gesetzt hatte. „Das geht vorüber, kleine Schülerin“, schnurrte der Heiler und leckte ihr die Stirn. Danach verschwanden beide wieder in der Höhle.

Die Sonne stieg höher und höher, und schliesslich sprang Neumond elegant auf den Grossen Stamm. Er rief allen Katzen zu, sie sollen sich versammeln. Kurze Zeit später blickte er auf einen bunten Haufen hinunter und begann zu sprechen. „Wie ihr wisst, ist heute Abend die Zeit zum Monden gekommen.“ Die Katzen miauten begeistert. Neumond brachte sie mit einem Schwanzschnippen zur Ruhe und fuhr fort: „Wir werden die anderen Clans warnen, dass ein Dachs im Wald ist. Er könnte jederzeit auch in ihre Territorien eindringen.“ Die Katzen murmelten Zustimmung. „Ich werde jetzt die Katzen aufzählen, die mit mir zum Felsenmond kommen“, fuhr der graue Kater fort. „Rotfell, Sonnenherz, Meeresschweif, Vogelfell und Lichtpfote, Dunkelkralle sowie Jadeherz und Tupfenpfote. Ich werde euch rufen, wenn wir gehen.“ Damit sprang der grosse Kater vom Baumstamm und verschwand in seiner Höhle.

Erdbeerpfote sprang auf Lichtpfote zu und rief: „Wow, du darfst zum Monden! Das wird bestimmt ganz toll. Ich wünsche dir viel Spass.“ Die weisse Kätzin drückte ihren Kopf an den ihrer Freundin und schnurrte: „Vielen Dank, Erdbeerpfote. Ich hätte aber lieber dich anstatt Tupfenpfote dabei.“ Die rote Schülerin lachte und miaute: „Das kann ich mir fast vorstellen.“ Lichtpfote schlug ihr spielerisch mit dem Schwanz auf die Nase. „Hast du Lust mit mir zu essen?“, fragte sie dann. Erdbeerpfote nickte, und so schlenderten die beiden Katzen zum kleinen Frischbeutehaufen.

„Warum darf dieser eingebildete Fellball mit zum Monden?“, fauchte Tupfenpfote ihren Bruder wütend an. Der zuckte die Schultern, doch seine Schwester fuhr einfach fort: „Dieses, dumme, kleine, mäsuehirnige, hinterhältige…“ Ihr Bruder unterbrach sie: „Kann es sein, dass du etwas neidisch bist, weil der Mond-Clan sie ausgesucht hat, und nicht meine grandiose, perfekte Schwester?“ Tupfenpfote schlug Kiefernpfote hart auf die Schnauze. Wütend funkelte sie ihn an. „Auf dieses Stück Krähenfrass? Niemals.“ Mit diesen Worten stolzierte sie davon und zog ihren Bruder mit dem Schwanz hinter sich her. Der braune Kater verdrehte genervt die Augen, liess sich aber mitziehen.

Der Abend kam schnell, und es wurde bitterkalt im Wald. Neumond schritt durchs Lager und trommelte alle Katzen zusammen, die ihn begleiten würden. Lichtpfote hüpfte aufgeregt von einer Pfote auf die andere. Das hier würde schliesslich ihr erstes Monden sein. Vogelfell schnippte ihr mit der Schwanzspitze an den Kopf und miaute: „Du benimmst dich wie ein aufgescheuchtes Kaninchen“ Lichtpfote hörte an seiner Stimme dass ihr Mentor lächelte. Sie atmete einmal tief ein und blieb dann so still stehen wie sie konnte.

„Was höre ich da?“, fauchte Tupfenpfote hinter ihr. „Unsere kleine Prinzessin hat doch nicht etwa Angst, oder doch?“ – „Halt deine hässliche Schnauze, Tupfenpfote“, fauchte Lichtpfote zurück. Vogelfell kniff die Augen zusammen und flüsterte seiner Schülerin zu: „Ich verstehe, dass du dich über Tupfenpfote aufregst. Aber lass dich bitte nicht auf ihr Niveau runter, Lichtpfote.“ Die weisse Kätzin nickte, warf Tupfenpfote noch einen vernichtenden Blick zu und drehte sich dann ab. Kurz darauf trabte Neumond auch schon durch die Büsche aus dem Lager und die acht Katzen folgten ihm. Der bunte Haufen flitzte durch den hohen Schnee und zwischen kahlen Bäumen hindurch in Richtung Felsenmond.

Es stand kaum eine Wolke am Himmel und der volle Mond wurde vom weissen Schnee reflektiert. Der ganze Boden glänzte und glitzerte. Lichtpfotes Fell leuchtete wie eine Schneeflocke die langsam den Himmel verliess um die Welt zum Strahlen zu bringen. Sie lächelte sanft und stellte sich Tupfenpfotes Fell vor, das aussah wie ein Flickenteppich aus Krähenfrass. Nach einiger Zeit wurden die schwarzen Bäume immer weniger, bis sie schliesslich immer mehr von Büschen abgelöst wurden. Unter einigen besonders grossen kauerten sich die Katzen nieder und blickten auf einen hellen Felsen in Halbmondform.
Um ihn herum sassen mindestens zwanzig Katzen in allen Farben und Formen. Lichtpfotes Augen weiteten sich und Neumond gab mit seinem Schwanz das Zeichen, zum Felsen zu laufen. Die Katzen brachen durch das Gebüsch und rasten auf den Felsenmond zu. Einige der schon anwesenden Katzen drehten sich zu ihnen um, die meisten fuhren aber mit ihren Gesprächen fort und beachteten sie nicht. Das Monden war ein friedlicher Anlass, bei dem die Katzen aus allen Clans Neuigkeiten austauschen können. Lichtpfote war schon sehr gespannt auf die Heilerschülerin aus dem Tiger-Clan.

„Ob sie wohl überhaupt hier ist?“, dachte sie. Suchend blickte sich Lichtpfote um. Viele der Katzen waren ihr völlig unbekannt und verwirrten die junge Schülerin. Sie war noch nie unter so vielen Fremden gewesen. Die meisten Katzen waren erwachsen, aber sie blickte auch in einige Gesichter die gleich alt zu sein schienen wie sie selbst. Ihr Blick fiel auf eine kleine braune Kätzin deren Fell in alle Richtungen abstand. Sie sah nett aus, also sprang Lichtpfote fröhlich auf sie zu. „Hallo“, miaute sie. „Mein Name ist Lichtpfote, und wer bist du?“ Die fremde Kätzin drehte sich zu ihr um und bleckte die Zähne. „Redest du etwa mit mir, du Stück Krähenfrass?“, fauchte die braune Schülerin.

Erschrocken machte Lichtpfote einige Schritte rückwärts und rannte dann in die entgegengesetzte Richtung, von der gemeinen Schülerin weg. Plötzlich fiel sie von den Pfoten und blickte verwirrt auf. Vor ihr stand ein Kater mit ebenso weissem Fell wie ihrem, nur war seines länger. „Tut mir Leid“, murmelte sie. „Ich hab dich nicht gesehen“ Der Schüler schüttelte den Kopf und antwortete: „Kein Problem. Ist ja nichts passiert, oder?“ Lichtpfote schüttelte den Kopf. „Ich bin übrigens Kristalpfote. Und wie heisst du?“ die weisse Schülerin stellte sich vor und entschuldigte sich noch einmal.

Es stellte sich heraus dass Kristalpfote Schüler im Löwenclan war. Die beiden Katzen verstanden sich auf Anhieb gut und lachten viel. Nach einiger Zeit stiess eine graue Schülerin zu ihnen, die sich als Dachspfote vorstellte. Sie war zwar etwas schüchtern, aber das legte sich schon bald. Schliesslich sprangen die vier Anführer auf den Felsenmond und baten die Clans um Ruhe. Die drei Schüler setzten sich also neben einander hin und lauschten ihren Anführern.

Als erstes berichtete Hasenmond, dass die Zweibeiner ein neues Nest an der Grenze zu ihrem Territorium aufgestellt hatten. Sie glaube aber nicht, dass eine Bedrohung bestehe, fuhr die kleine, braune Kätzin fort. Sie zog sich wieder zurück und Goldmond wollte vortreten, als sich Riesenmond an ihm vorbeischob. „Es macht dir doch nichts aus, oder?“, miaute der schwarze Kater. Goldmond zeigte zwar seine Zähne, setzte sich aber wieder neben Neumond.

„Unserem Clan fehlt es deutlich an Futter“, rief der grosse Kater. „Alle Vögel sind in den Süden gezogen. Die Schlangen verkriechen sich in ihren Löchern. Unter diesen Umständen halte ich es für angebracht, meinem Clan zu erlauben in anderen Territorien zu jagen.“ Riesenmond sagte das alles ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Die anderen Clans fauchten wütend. Es war klar dass sie das nie zulassen würden. Nun trat Neumond vor und sprach zu Riesenmond: „Wir alle wissen dass es ein harter Winter ist, Riesenmond. Nicht nur dein Clan leidet Hunger.“ Alle Katzen miauten zustimmend. „Trotzdem“, fuhr Neumond fort, „können wir es nicht erlauben dass ein Clan in einem fremden Territorium jagd, und dass weisst du.“ Wütend bleckte Riesenmond die Zähne, zog sich danach aber zurück.

„Goldmond“, rief Neumond über die Schulter. „Ist es für dich in Ordnung, wenn ich nun spreche?“ Der gelbe Kater nickte und lächelte Neumond zu. Der Kater wand sich also wieder den Clans zu. „Wir mussten leider feststellen, dass sich auf unserem Territorium ein Dachs eingenistet hat. Passt also bitte alle auf, er könnte auch in andere Territorien eindringen.“ Hasenmond trat neben Neumond und fragte ihn, ob der Dachs schon etwas angerichtet hätte. Neumond nickte und berichtete von dem Vorfall mit Schneekralle. Hasenmond nickte und setzte sich wieder. „Es gibt aber auch Erfreuliches“, fuhr der silberne Kater fort. „Vogelfell, unser Heiler, hat angefangen eine Schülerin auszubilden. Wir alle sind sehr stolz, dass der Mond-Clan Lichtpfote akzeptiert hat und sind sicher, dass sie eines Tages eine wundervolle Heilerin wird.“

Die weisse Kätzin errötete und senkte den Kopf. Kristalpfote und Dachspfote gratulierten ihr und stupsten sie mit ihren Köpfen an. Während dessen war Goldmond vorgetreten und Neumond hatte sich wieder gesetzt. Der gelbe Kater erzählte, dass Flockenmond vor einigen Tagen drei Junge zur Welt gebracht hatte. Die Zeiten für Junge waren zwar hart, aber sie waren gesund und kräftig. Nach dieser Nachricht sprangen die vier Anführer vom Felsenmond und verteilten sich unter der Menge.

Einige Zeit später trommelte Neumond seine Katzen zusammen, um zurück zum Lager zu gehen. Lichtpfote verabschiedete sich von ihren neuen Freunden und bemerkte, dass Tupfenpfote sich anscheinend mit der unfreundlichen braunen Schülerin angefreundet hatte. „Na das passt ja“, dachte sie. „Eine Ratte und eine Schlange“ Im Lager angekommen tappte Lichtpfote müde in den Bau und rollte sich am Boden zusammen. Schon bald fielen ihr die Augen zu und sie fiel in einen tiefen Schlaf, in dem sie von Ratten und Schlangen träumte, die von einem kleinen Dachs durch den Schnee gejagt wurden. Ohne es zu bemerken, lächelte die Kätzin im Schlaf.

Untoter Feind


„Eine Bedrohung? Eher nicht.“, fauchte eine Stimme. Finstermond nickte. „Das hatte ich mir gedacht. Er ist einfach zu schwach für uns.“ Der schwarze Kater lachte und nickte der anderen Katze zu. Man konnte sie nicht erkennen, sie sass in völlige Dunkelheit eingehüllt gegenüber dem Anführer. „Wie soll es weitergehen?“, fragte die unbekannte Katze. „Mach genau so weiter, wie du angefangen hast“, antwortete Finstermond. „Koch ihn weich. Das schaffst du, nicht wahr?“ Die unbekannte Katze bejahte und stapfte dann durch den Schnee davon. „Nicht mehr lange“, dachte Finstermond. „Nicht mehr lange und der Wald gehört mir.“ Böse lachend verschwand der Kater in seinem Bau.

Zur selben Zeit schlich Neumond im Wald herum. Er hatte nicht schlafen können und so beschlossen, jagen zu gehen. Frischbeute würde seinem Clan nicht schaden. Der Kater sperrte das Maul auf und erkannte die verschiedensten Gerüche. Zum einen der unglaublich reine Geruch des Schnees, von weit weg der Gestank des Donnerwegs und natürlich konnte er auch die Grenzen seines Territoriums riechen. Zwischen all diesen Gerüchen hatte sich der Duft einer Maus verirrt. Neumond blendete die anderen Gerüche aus und folge dem Duft der Maus. Er kam von unter der Erde. Also war die Maus in ihrem Bau, und aus dem würde Neumond sie nicht rausbekommen.

Plötzlich hörte er den Schrei einer Eule. Anscheinend war nicht nur er auf der Jagd. Der graue Kater blickte zum Himmel. Über ihm sass auf dem dicken Ast einer Buche eine grosse, braune Eule. Die beiden Jäger betrachteten sich misstrauisch, bis die Eule entschied, sich doch lieber etwas anderes als den grossen Kater zum Abendessen zu jagen. Sie spreizte die Flügel und flatterte in die schwarze Nacht.

Neumond setzte seine Jagd fort, jedoch mit weniger Erfolg als erhofft. Also brachte er seine karge Ausbeute einer schlaflosen Nacht ins Lager und kroch in seinen Bau, um vielleicht doch noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. Er legte sich auf sein weiches Lager nieder und schloss die Augen. Schliesslich übermannte die Müdigkeit ihn doch und er fiel in einen unruhigen Schlaf.

Als der Kater die Augen wieder öffnete, fand er sich auf einem grossen Feld voller Weizen wieder. Verwirrt blickte er sich um. „Wo bin ich?“, fragte er sich selbst. Neumond erschrak, als ihm eine Stimme antwortete: „Auf einem Weizenfeld?“ Er drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Hinter ihm stand eine schwarze Katze. „Das ist doch Mia“, dachte der Kater verdutzt. „Die Streunerin aus meinem Traum!“

„Hallo Mia“, miaute der Kater fröhlich. Die schwarze Streunerin begrüsst ihn ebenfalls. Neumond streckte sich und genoss die Wärme der Sonne auf seinem Fell. Dieser Traum fühlte sich sehr echt an. Eine Weile standen die beiden Katzen sich einfach schweigend gegenüber, bis Mia sagte: „Du bist nicht sehr gesprächig, hm?“ Neumond dankte dem Mond-Clan dass er so selten rot wurde. Stattdessen antwortete er: „Doch. Und du?“ Mia nickte schnurrend.

„Was wollen wir machen?“, fragte sie belustigt. Der graue Kater dachte nach. Ihm fiel nichts ein. „Wollen wir Fangen spielen?“, schlug Mia lachend vor. Bevor Neumond antworten konnte, tippte die schwarze Kätzin ihm mit dem Schwanz an die Schulter, rief ‚Du bist Fänger‘ und rannte davon. Lachend setzte Neumond ihr nach. „Fangen ist ein Spiel für Junge“, wunderte er sich. „Und doch macht es mit Mia unglaublich Spass“

Einige Zeit tollten die beiden Katzen so durchs Feld, und fielen schliesslich lachend nebeneinander auf einen sonnigen Fleck im Feld. „Das hat Spass gemacht“, schnurrte Mia nachdem sie sich wieder eingekriegt hatten. Neumond nickte lächelnd. „Ich mag dich“, schnurrte die schwarze Kätzin weiter, blickte dem grauen Anführer in die dunklen Augen und verschränkte ihren Schwanz mit seinem. Jetzt wurde Neumond doch rot, und Mia kicherte.

Zum ersten Mal musterte der Kater sie richtig. Ihr schwarzes Fell wirkte trotzt ihrem Dasein als Streunerin gepflegt. Die blauen Augen reflektierten das Licht der Sonne und funkelten wie zwei Wassertropfen. Sie war zierlich gebaut, aber man konnte unter dem kurzen Fell einige Muskeln erkennen. Bei genauerem Hinsehen konnte Neumond erkennen, dass sie nicht durchgehen schwarz war. Über ihren Rücken verlief ein hellerer Streifen bis zum Schwanz. „Sie ist wunderschön“, dachte der Kater atemlos.

Bevor er aussprechen konnte was er dachte, verschwamm das Bild in unzählige Farben und schliesslich wurde alles Schwarz. Das Letzte was er hörte, war Mia die seinen Namen flüsterte. Vielleicht rief sie ihn auch, alles drang nur wie durch Watte zu ihm hindurch. Schliesslich begannen einige helle Punkte vor seinem inneren Auge zu tanzen und Neumond blinzelte. Er fand sich in seinem Bau wieder, immer noch lag er auf seinem Lager.

„Schon wieder ein Traum?“, murmelte der Kater und streckte sich. Nun, er hatte nichts dagegen einzuwenden. Nach den Träumen fühlte er sich immer unglaublich gut und bereit, alles zu schaffen. Also beschloss er, sich heute den Dachs vorzunehmen. Zuversichtlich unterbreitete er Rotfell also seinen Plan. Die Stellvertreterin schien etwas skeptisch. Dennoch, sie vertraute Neumond und würde ihn begleiten.

Am Abend rief Neumond alle Katzen zum Grossen Stamm. „Katzen des Wolf-Clans. Der Dachs auf unserem Territorium stellt eine grosse Bedrohung für uns da. Er wird sich vielleicht nicht nur auf die Staubkuhle beschränken.“, begann er also. „Ich habe daher beschlossen, den Eindringling heute Nacht anzugreifen.“ Ein Murmeln ging durch die Reihen. Neumond fuhr unbeirrt fort. „Ich kann niemanden von euch zwingen, mich zu begleiten und ich werde es niemandem übelnehmen, der hier bleiben möchte. Wer mich und Rotfell aber unterstützen möchte, möge dies jetzt sagen.“

„Auf mich kannst du zählen, Neumond“, rief Dunkelkralle aus der hintersten Reihe. „Ich werde dich natürlich auch begleiten“ Das war Jadeherz‘ Stimme. Auch Sonnenherz und Birkenherz meldeten sich freiwillig. Neumond nickte also und rief. „Ich danke euch für eure Unterstützung und euer Vertrauen. Schlammschweif, bis wir zurück sind, steht das Lager unter deiner Verantwortung.“ Erdbeerpfotes Mentor nickte und die Katzen zerstreuten sich.

Nur die vier Krieger die sich freiwillig gemeldet hatten, Rotfell und Neumond blieben beisammen. „Ich denke, wir brechen am besten gleich auf“, miaute Rotfell und Neumond nickte. Das hatte auch er vorgehabt. Nachdem alle bestätigt hatten, dass sie bereit seien, verliessen sie also mit gemischten Gefühlen das Lager.

Nach einiger Zeit nahmen sie schon den starken Geruch des Dachses wahr. Schliesslich blieben sie oberhalb der Staubkuhle stehen und blickten hinab auf ihren Trainingsplatz. Schwerfällig trottete ein grosser Dachs darauf herum. Dunkelkralle fauchte, doch Neumond wies ihn an zu schweigen. Das Tier schien gerade aus seinem Bau gekrochen zu sein, und war dabei die Kuhle zu verlassen.

Flüsternd begann der Anführer den anderen Katzen zu erklären, was er vorhatte. Sie würden warten, bis der Dachs verschwunden war und sich danach in der Staubkuhle verstecken. Wenn der Dachs zurück käme, würden sie ihn aus dem Hinterhalt angreifen und versuchen, ihn so stark zu verletzen, dass er entweder an den Verletzungen stirbt oder flüchtet. Die Hoffnung ihn zu töten bestand natürlich, war aber sehr gering. Natürlich, sie waren sechs Katzen. Trotzdem könnte der Dachs sie alle mit seinen scharfen Krallen töten.

Schliesslich schlichen sie leise in die Kuhle, nicht ohne sich vorher gründlich mit Schnee eingerieben zu haben. Der Duft des Schnees überdeckte den der Katzen zwar nicht völlig, aber lieber so als gar nicht. Also verteilten sich die Krieger und warteten. Still wie eine Maus hockten sie in ihren Verstecken, die Nerven zum Zerreissen gespannt.

Nach einer langen Zeit kehrte der Dachs zurück auf die Lichtung. Es war schon finster geworden und nur noch die Sterne und der fast leere Mond spendeten ein wenig Licht. Den Katzen konnte dies nur recht sein. Als der Dachs sich etwa in der Mitte der Kuhle befand, gab Neumond mit seinem Schwanz das Zeichen, den Angriff zu starten. Wie geplant sprang Dunkelkralle aus seinem Versteck zur Linken des Feindes.

Verwundert drehte sich der Dachs zu ihm um und bleckte wütend die Zähne. Zur selben Zeit schlich sich Sonnenherz aus ihrem Versteck und fauchte das grosse, schwarze Tier an. Der Dachs blickte kurz zu ihr und drehte sich dann so, dass er beide Katzen im Blick hatte. Der sanfte Wind strich über das dunkle Tier, vom Kopf bis zum Schwanz und glättete ihm das Fell. Besser hätte es nicht laufen können. Nun sprang Neumond selbst aus seinem Versteck und stand dem Dachs einige Längen entfernt gegenüber.

Der Kater legte die Ohren an und bleckte seine weissen Zähne. Das schien den Dachs nicht zu beeindrucken. Dann sprangen Jadeherz und Birkenherz aus ihren Verstecken neben Neumond und positionierten sich. Nun standen sie dem Tier also in einen grossen Halbkreis gegenüber. Der Dachs war so damit beschäftigt, die fünf Angreifer zu beobachten, dass er nicht merkte wie sich Rotfell langsam von hinten an ihn heranschlich. Lautlos glitt die rote Katze auf ihn zu. Anschleichen, darin war Rotfell schon als Schülerin gut gewesen, ging es Neumond durch den Kopf.

Plötzlich stiess sich die Stellvertreterin vom Boden ab und landete auf dem Rücken des Dachses. Erschrocken über die plötzliche Wendung warf sich das Tier instinktiv auf den Rücken. Rotfell sprang geschickt zur Seite. Schwerfällig erhob sich der Dachs wieder, doch bevor er ganz stand, rammte Dunkelkralle ihm seine Kopf in die Seite und der Dachs schwankte wieder. Diesen Moment nutzte Neumond aus. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und stürzte auf das verwirrte Tier zu. Mit einem heftigen Pfotenhieb schlug der Anführer dem Dachs auf die Nase.

Schmerzerfüllt brüllte der verwundete Feind auf. Er stürzte ganz auf die Seite und Sonnenherz fuhr ihm mit ausgefahrenen Krallen über den Bauch. Heftig strampelte der Dachs mit den Füssen und versuchte, die Kätzin zu verwunden. Geschickt wich diese aber aus und sprang rückwärts von dem Tier weg. Während dessen sprang wieder Dunkelkralle auf ihn zu und zerkratzte ihm heftig den Rücken.

Wütend stellte sich der Dachs wieder auf seine kurzen Beine. Der Schlag auf die Nase war heftig gewesen. Neumond konnte sich vorstellen, das der Feind im Moment wohl nicht mehr allzu gut sehen, geschweige denn riechen konnte. Also rasten Jadeherz und Birkenherz auf ihn zu. Birkenherz biss das Tier im Rennen heftig in die Schulter, sodass der Dachs versuchte nach ihm zu schnappen. In diesem Moment machte Jadeherz dasselbe bei der anderen Schulter des Dachses. Lachend rannte sie weiter. „Das ist typisch Jadeherz“, dachte Neumond belustigt. „Sie bringt so schnell nichts zum Verzweifeln“

Wieder griff Rotfell den fauchenden Dachs von hinten an und biss ihm heftig in den Schwanz. Für einen Dachs unglaublich schnell drehte sich das Tier um und schlug mit seiner riesigen Pfote nach der Stellvertreterin. Überrascht von seiner Wendigkeit, blieb diese vielleicht eine Hundertstelsekunde zu lange stehen und der Angriff streifte sie. Neumond hielt kurz den Atem an. Der Pfotenhieb eines Dachses konnte sehr viel anrichten.

Anscheinend hatte das Tier aber nicht mehr allzu viel Kraft, denn Rotfell stand sofort wieder auf allem Vieren. Erleichtert atmete Neumond aus. So ging der Kampf weiter und das für lange Zeit. Schliesslich standen die Katzen keuchend um den Dachs herum, der sich nur noch schwer aufrecht halten konnte. Er blutete aus zahlreichen Wunden und atmete schwer. Ein letztes Mal keuchte er laut auf, dann viel er auf den rot gesprenkelten Schnee.

Noch einige Zeit blieben die Katzen in Kampfposition und lauschten. Schliesslich entspannte sich jedoch Jadeherz und miaut: „Der kämpft nicht mehr“ Die Anspannung fiel von den Katzen ab und sie alle versammelten sich am Rand der Kuhle. „Wie geht es euch?“, miaute Neumond. „Ist irgendjemand verletzt?“ Alle Katzen schüttelten den Kopf, einschliesslich Rotfell.

Skeptisch musterte Neumond die Stellvertreterin und fragte nach, ob sie sich sicher seien. Dieses Mal nickten alle Krieger. „Rotfell?“, miaute der Anführer ruhig. „Der Dachs hat dich doch getroffen, nicht?“ Die rote Katze senkte den Kopf und murmelte: „Das ist nichts, nicht der Rede wert“ Neumond schnaubte und trat neben sie. „Jetzt zeig schon her, du sturer Fellball“ Missmutig drehte die Katze Neumond ihr Gesicht zu.

Von der Schnauze bis zu ihrem linken Ohr verlief ein langer, roter Strich. „Beim Mond-Clan“, keuchte Jadeherz und Dunkelkralle fauchte: „Das nennst du nicht der Rede wert?!“ Wieder senkte Rotfell den Kopf und murmelte: „Ich merke es ja kaum noch“ Neumond schüttelte den Kopf. „Nun, von hier aus ist es gut zu erkennen, Rotfell“, miaute er. „Vogelfell muss das behandeln, du Mäusehirn. Es könnte sich sonst entzünden, denke ich.“ Sonnenherz nickte und bot sich an, mit Rotfell schon zum Lager voraus zu laufen. Der Anführer willigte ein und die beiden roten Kätzinnen sprangen davon.

Birkenherz seufzte: „So war Rotfell schon immer“ Dunkelkralle stimmte ihm zu. „Ja, bloss keine Schwäche zeigen“ Jadeherz fauchte die beiden an. „Jetzt hört schon auf, Jungs. Ohne sie wären wir viel schlechter dran gewesen, und das wisst ihr auch!“ Beschämt senkten die Katzen den Kopf. „Was machen wir nun mit dem Dachs?“, fuhr die schwarze Kätzin an Neumond gewannt fort. Der Anführer dachte nach. Wenn sie ihn hierlassen würden, würde er verwesen und zu Krähenfrass werden, dann würde es schwer werden ihn hier weg zu bekommen.

Also entschied er sich dafür, den Körper des Dachses zum Donnerweg zu schaffen. Das war nicht allzu weit, und die Zweibeiner würden sich darum kümmern. Also packten die vier Katzen den Dachs mit den Zähnen und schleiften ihn durch den Wald. Plötzlich, als sie nur noch ein oder zwei Minuten vom Donnerweg entfernt waren, begann der Dachs heftig mit den Beinen zu strampeln und zu fauchen. Erschrocken liessen die Katzen ihn fallen. Doch er griff sie nicht wie erwartet an, sondern rannte von ihnen weg, auf den Donnerweg zu.

Verwundert blickten sich die Katzen an und setzten dem Dachs dann mit langen Sprüngen nach. Kurz vor dem Donnerweg befahl Neumond den anderen anzuhalten. Sie duckten sich und lauschten. Plötzlich hörten sie die Krallen des Dachses die über den Donnerweg kratzten. Dann einen lauten Knall und unschönes Knacken. Sie hörten ein Monster vorüberziehen, danach wurde alles still.

Einige Herzschläge später erhob sich Neumond und schritt auf den Donnerweg zu. Mit der Schwanzspitze wies er die anderen an, ihm zu folgen. Er spähte auf die breite schwarze Fläche. Mitten darauf lag der tote Dachs. Dieses Mal war der Anführer sich ganz sicher, dass das Tier tot war. Es lag unnatürlich verkrümmt mitten auf dem Donnerweg und regte sich nicht mehr. Traurig senkte Neumond den Kopf. So einen Tod wünschte er niemandem. Die Katzen wandten sich ab und liefen zurück zum Lager.

Dort verkündete Neumond, dass der Dachs tot war. Die Katzen begannen zu jubeln und ungeheure Freude machte sich im Lager breit. Neumond sprang von Grossen Stamm und begab sich zu Vogelfells Heilerbau. Schon von draussen hörte er die Stimme des Heilers. „Kaum lässt man dich aus den Augen, schon passiert so was“

Neumond war beruhigt. Wenn Vogelfell schon wieder so mit Rotfell redete, konnte es nicht allzu schlecht um sie stehen. Also betrat er den Heilerbau und setzte sich neben die Stellvertreterin. „Wie geht es dir?“, fragte er. Rotfell miaute: „Könnte nicht besser sein“ und verzog den Mund zu einem Lächeln. „Red keinen Schwachsinn, Mäusehirn“, miaute Vogelfell. Zu Neumond gewandt sagte er: „Es sollte sich nicht entzünden, aber eine Narbe wird sicher zurück bleiben. Konntet ihr denn nicht besser aufpassen?“ - „Sag das Rotfell, nicht mir“, schnurrte der Anführer. „Sie kommt also wieder auf die Beine?“ – „Natürlich“, miaute Vogelfell entrüstet. „Oder hast du je an meine Fähigkeiten als Heiler gezweifelt?“

Ein Gast


Leise schlich die Kätzin vor der Lichtung auf und ab. Ob der richtige Zeitpunkt schon gekommen war? Nervös leckte sie sich das Brustfell und fuhr sich mit einer Pfote über die Stirn. Der Mut schien sie gerade zu verlassen, als ihr wieder einfiel was ihr Anführer zu ihr gesagt hatte: „Geh, oder du wirst deine Jungen nie wieder sehen“ Beim Gedanken an ihre beiden Jungen spürte sie einen Stich im Herzen. Ein Wunder, dass Eis so etwas fühlte.

Vor einem Holunderbusch gaben sich gerade Erdbeerpfote und Lichtpfote die Zunge. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel und alles war in sanftes Dämmerlicht getaucht. „Wie geht es mit deiner Ausbildung voran?“, fragte die weisse Schülerin neugierig. Erdbeerpfote begann herum zu drucksen. „Na ja, weisst du, ehrlichgesagt…könnte nicht besser laufen“ Lichtpfote stiess ihrer Freundin die Schnauze in die Seite und rief: „Erdbeerprote, ich kenne dich seit der Kinderstube! Ich merke wenn du lügst, Mäusehirn.“

Verlegen rollte die kleine rote Kätzin den Schwanz ein. „Nein wirklich, ich mache Fortschritte. Und wie läuft es bei dir?“, lenkte sie von sich ab. Lichtpfote seufzte im Stillen. „Nicht schlecht. Vogelfell ist streng, aber man lernt sehr viel.“ Erdbeerpfote nickte und frage weiter: „Wann habt ihr eigentlich euer erstes Treffen mit den anderen Heilern?“ Die Heilerschülerin dachte nach. „Das müsst in etwa…einem viertel Mond sein, ich bin mir nicht sicher.“ Wieder nickte die rote Schülerin und sie fuhren mit der Fellpflege fort.

Plötzlich nahmen sie von ausserhalb des Lagers Geräusche wahr. Erschrocken starrten sich die beiden Katzen mit weit aufgerissenen Augen an. Meeresschweif kam gerade müde aus dem Bau der Krieger geschlurft, war aber sofort hellwach als sie die beiden ängstlich dreinblickenden Kätzinnen sah. Lautlos formte sie mit dem Maul die Worte, was ist los, und schlich zu den beiden hinüber. Wieder diese Geräusche. Stapfte da etwa jemand durch den Schnee?

„Ist schon jemand auf die Jagd gegangen?“, flüsterte Lichtpfote ihrer Mutter zu. Die schüttelte den Kopf und sagte, dass alle noch schlafen würden. Scharf zog Erdbeerpfote Luft ein und erhob sich vorsichtig auf ihre Pfoten. Meeresschweif lief auf den Eingang des Lagers zu und die beiden Schülerinnen folgten der anmutigen Kriegerin. Sie stürzten durch das Gebüsch auf die Geräuschquelle zu und knallten mit einer schwarzen Kätzin zusammen.

Meeresschweif packte sie mit den Zähnen im Nackenfell und Lichtpfote fauchte: „Wer bist du und was hast du hier zu suchen?“ Die schwarze Kätzin sah sie aus geweiteten blauen Augen an und schien wie gelähmt. Meeresschweif schüttelte sie kurz und fauchte durch ihr Fell: „Antworte gefälligst, wenn man dich etwas fragt“ Die schwarze Kätzin schien sich wieder zu fassen und begann zu stottern. „Ich bin eine Freundin von Neumond…denke ich“

„Denkst du also“, fauchte Erdbeerpfote und sah der Katze stur in die Augen. „Bitte, bringt mich zu ihm, er kennt mich. Wirklich, glaubt mir!“ Lichtpfote und Erdbeerpfote blickten sich fragend an und zuckten dann kaum merklich die Schultern. „Mama“, wand sich Lichtpfote an ihre Mutter. „Würde es dir etwas aus machen sie bis zu Neumonds Bau zu tragen?“ Meeresschweif schüttelte den Kopf und die Wolfs-Clan Katzen schritten mit der unbekannten Katze über die Lichtung, auf der nun einige andere Katzen neugierig warteten. Als sie die schwarze Kätzin in Meeresschweifs Maul sahen, begannen sie unfreundlich zu fauchen und zu tuscheln.

Unbeirrt setzte die kleine Gruppe ihren Weg fort und hielt schliesslich vor Neumonds Bau an. „Neumond“, rief Lichtpfote ins Innere. „Bist du wach?“ Der Anführer streckte sich und trat aus seinem Bau ins Licht der Sonne. Verwundert blickte er die drei Katzen aus seinem Clan an, bis sein Blick auf die Gefangene fiel. Sein Fell sträubte sich und er fauchte: „Wer ist das?“ Meeresschweif erklärte ihm, dass Lichtpfote und Erdbeerpfote sie vor dem Lager gehört hätten und wie sie mit ihr zusammenstiessen. „Stimmt das?“, fragte Neumond die fremde Katze wütend.

Die Angesprochene hob langsam den Kopf und blickte Neumond aus ihren blauen Augen an, die sich mit Tränen gefüllt hatten. „Erkennst du mich denn nicht, Neumond? Ich bin es doch…“, flüsterte sie. Neumonds Augen weiteten sich und er befahl Meeresschweif die Katze los zu lassen. Die tat wie ihr geheissen und liess die schwarze Kätzin fallen. Vorsichtig leckte Neumond der Katze über die Stirn und flüsterte dabei ihren Namen. „Mia, was tust du hier?“ Mia rappelte sich auf und rieb ihren Kopf an Neumonds.

„Sie ist keine Feindin“, richtete sich der Anführer jetzt an seinen Clan. „Ich werde mit ihr reden“ Die Katzen zerstreuten sich langsam, blieben aber trotzdem misstrauisch Mia gegenüber. Die verzog sich mit Neumond in seinen Bau. Dort setzte sich der Anführer auf sein Lager und wies Mia an, sich auch zu setzen.

Wieder fragte er sie, was sie hier mache. „Ich wurde von einem Fuchs von meinem Lagerplatz vertrieben. Da fiel mir ein was du gesagt hast, dass du ein Anführer eines Clans bist und da dachte ich…“, murmelte sie und blickte dabei auf ihre Vorderpfoten. „Was dachtest du, Mia?“, hakte Neumond weiter nach, auch wenn er sich die Antwort schon denken konnte. „Ich dachte dass du mir vielleicht Unterschlupf geben könntest“, flüsterte sie. „Natürlich nur bis der Winter vorbei ist“ Neumond seufzte.

In seinem Inneren kämpfte er mit sich selbst. Als Anführer wusste er natürlich, dass sie nicht noch ein Maul brauchen konnten, dass sie füttern müssten. Aber da war auch noch eine andere Stimme in seinem Kopf die ihm zuflüsterte, sie aufzunehmen. Es wäre ja schliesslich nur bis zur Blattfrische. Und er musste zugeben, Mia tat ihm Leid. Ihr Leben als Streunerin war bestimmt auch hart. Falls sie vom Leoparden-Clan angegriffen werden sollten, hätte er sie gerne an seiner Seite, sie schien stark zu sein. So fasste er einen Entschluss.

„Mia, schau mich an“, miaute er. Die schwarze Kätzin hob zögernd den Kopf und blickte in seine dunklen Augen. „Du kannst bleiben“ Mia wollte gerade etwas sagen, doch Neumond unterbrach sie: „Unter einer Bedingung. Du versprichst, den Clan zu verteidigen und genauso hart zu arbeiten wie alle anderen Clan Katzen.“ Mia nickte und miaute: „Ich bin dir unglaublich dankbar, Neumond“ Der Kater nickte und rieb seinen Kopf an ihren. Ehrlichgesagt freute er sich, dass sie hier war. Jetzt musste er nicht mehr bis in seine Träume auf sie warten.

Eine Frage war aber noch zu klären. „Mia“, hob er an. „Möchtest du einen Clannamen oder willst du lieber deinen alten Namen behalten? Ich hätte Verständnis dafür, glaub mir.“ Mia schüttelte entschieden den Kopf und miaute mit starker Stimme: „Es wäre mir eine Ehre, einen Clannamen zu erhalten, Neumond“ Der Kater nickte und teilte ihr mit, dass er die Zeremonie am Abend abhalten würde. Sie solle sich bis dahin versuchen, etwas im Clan einzuleben.

Leichter gesagt als getan. Als Mia den Bau des Anführers verliess, trafen sie unzählige unfreundliche Blicke und es kribbelte sie in den Pfoten, die Lichtung wieder zu verlassen, nur um ihnen zu entgehen. Aber sie riss sich zusammen und versuchte jemanden zu finden, der nicht ganz so unfreundlich aussah. Ihr Blick fiel auf zwei Junge, die anscheinend gerade zum ersten Mal ihren Bau verlassen hatten. Sie tollten im Schnee herum und kämpften spielerisch miteinander. Lächelnd spazierte Mia auf die Beiden zu und miaute freundlich: „Hallo ihr Zwei. Mein Name ist Mia und wer seid ihr?“ Die Jungen hielten inne und blickten sie an. Dann stellten sie sich gleichzeitig als Flussjunges und Windjunges vor.

Mia musste lachen bei so viel Übermut. „Was machst du hier?“, fragte Flussjunges. „Bleibst du jetzt für immer hier?“, rief sein Bruder dazwischen. Mia wollte gerade antworten, als sich eine hellgraue Kätzin aus dem Bau schob und neben die Jungen setzte. „Mamma“, wand sich Flussjunges an die Kätzin. „Kennst du die Katze?“ Die Kätzin schüttelte den Kopf und lächelte Mia dann an. „Du musst entschuldigen“, miaute sie. „Sie wollen einfach immer alles wissen. Mein Name ist übrigens Minzblüte.“ Mia stellte sich ihrerseits vor und die beiden Kätzinnen plauderten ein wenig miteinander. Sie fühlte sich zwar immer noch nicht ganz wohl, war aber froh zumindest jemand freundlichen im Clan gefunden zu haben.

Auf einmal rief jemand aus dem Bau nach Minzblüte und die Kätzin drehte sich um. „Das ist Blumenfuss, ihr geht es nicht so gut. Möchtest du trotzdem mitkommen?“, fragte sie und Mia nickte ängstlich. „Hoffentlich ist Blumenfuss auch so nett wie Minzblüte“, dachte sie und folgte ihrer neuen Bekannten in die Kinderstube. Dort lag eine bunte Katze, den Kopf auf die hellen Pfoten gebettet und die bernsteinfarbenen Augen wachsam auf den Eingang des Baus gerichtet. „Wer war das, Minzblüte?“, fragte sie und Minzblüte stellte die beiden Kätzinnen einander vor. Blumenfuss war misstrauischer als Minzblüte, aber Mia schob das auf ihre Krankheit und die Schwangerschaft. „Warum hast du mich gerufen, Blumenfuss? Gibt es ein Problem?“ Die schwangere Kätzin schüttelte den Kopf und sagte, dass sie Minzblüte nur bitten wollte ihr etwas Wasser zu bringen, falls es ihr nichts ausmache. Minzblüte nickte und liess die beiden Katzen alleine in der Kinderstube zurück.

Mia versuchte, Blumenfuss in ein Gespräch zu verwickeln, doch die Kätzin blieb oberflächlich und misstrauisch. Also gab sich Mia schliesslich geschlagen und die beiden schwiegen sich nur noch an. In Blumenfuss machten sich Zweifel breit, ob Mia wirklich für ein Leben im Clan gemacht war, doch sie hatte momentan genug andere Sorgen. Sie konnte spüren, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihre Jungen zur Welt kommen würden. „Wartet doch bitte bis zur Blattfrische“, dachte sie. „Oder wenigstens, bis ich wieder gesund bin“

Einige Zeit später kam Minzblüte zurück und schob vorsichtig etwas Schnee in die Kinderstube. „Hier, Blumenfuss“, schnurrte sie und forderte die Königin auf, den Schnee zu lecken. Blumenfuss bedankte sich und begann zu trinken. „Nun Mia“, wand sich Minzblüte an die schwarze Kätzin. „Du wirst ein neues Clanmitglied, nicht wahr?“ Schüchtern nickte Mia. Minzblüte schnurrte belustigt und miaute: „Na dann, herzlich willkommen im Wolfsclan. Mach dir wegen den anderen keine Sorgen, sie werden sich an dich gewöhnen.“ Wieder nickte Mia. Blumenfuss hob den Kopf und schlug vor, Mia das Clanleben zu erklären. Also erfuhr Mia von den beiden Königinnen, dass es im Clan Katzen mit verschiedenen Stellungen gab, wie die Jungen zu Schülern und schliesslich zu Kriegern wurden, alles über das Monden und die verschiedenen Zeremonien sowie über die anderen Clans. Zwischendurch nickte Mia immer wieder und sog alles begierig in sich auf. Auch vom Mondclan erzählte Minzblüte ihr, dass er sie immer beschützte und für sie da war und dass jede Clankatze an ihn glaubte, genauso wie sie glaubte dass nach der Blattleere die Blattfrische folgen würde. „Obwohl ich mir dieses Jahr gar nicht so sicher bin“, grummelte Blumenfuss.

So verstrich die Zeit und es wurde Nachmittag. Neumond sass in seinem Bau und diskutierte mit Rotfell. „Hältst du es wirklich für eine gute Idee, sie aufzunehmen?“, fragte die Stellvertreterin zum wiederholten Mal. Und wieder bejahte Neumond. „Sie ist eine starke Katze und wir können gute Krieger gebrauchen, das weisst du so gut wie ich auch.“ – „Ja, aber wir können nicht noch ein Maul füttern und das weisst du auch genauso gut wie ich“, warf Rotfell ein. Neumond seufzte: „Natürlich weiss ich das, Rotfell. Aber es sind so viele Katzen krank oder verletzt. Wir brauchen Unterstützung. Der Mondclan würde mich warnen, wenn wir sie nicht aufnehmen sollten, denkst du nicht?“ Rotfell murrte zustimmend, trotzdem: Das ungute Gefühl in ihrer Magengrube wollte nicht verschwinden und das teilte sie ihrem Anführer auch mit. „Du hast nur Hunger“, lachte Neumond und spazierte mit ihr aus seinem Bau. Das Gespräch war beendet und Neumonds Entscheidung gefallen.

Am Abend sprang Neumond auf den Grossen Stamm und rief alle Katzen zu sich. Langsam versammelten sie sich zu seinen Pfoten und blickten gespannt zu ihm hoch. Das Mondlicht spiegelte sich in Neumonds dunklen Augen und sein Fell schimmerte wie Silber. „Katzen des Wolfclans“, hob er an. „Heute nehmen wir eine Katze in unseren Kreis auf. Ihr werdet sie alle schon bemerkt haben, ihr Name lautete bis zu diesem Moment Mia. Komm zu mir auf den Grossen Stamm und empfange vor dem Mondclan deinen neuen Namen!“ Vorsichtig schob sich Mia durch die Katzenmege und sprang neben Neumond. „Bist du bereit, dein altes Leben aufzugeben und von nun an als ein Teil des Clans zu leben und zu arbeiten? Versprichst du, den Clan mit deinem Leben zu beschützen und immer für ihn da zu sein, dem Mondclan zu vertrauen und an ihn zu glauben, die Ältesten zu ehren und mir, dem Anführer, zu gehorchen? Wenn du all diese Fragen bejahen kannst, bist du willkommen in meinem Clan.“ Mia nickte und miaute: „Ja, Neumond, ich verspreche es“ – „Gut“, fuhr der Kater fort. „Dann heisse ich dich in unserem Clan willkommen. Dein neuer Name soll von nun an Nachtnebel heissen. Trage ihn mit Stolz.“ Rufe mit ihrem neuen Namen wurden laut, aber ehren zurückhaltend. Neumond sprang vom Grossen Stamm und verschwand in seinem Bau. Auch Nachtnebel verliess ihren Platz und stand verloren in der Menge. Einige Katzen hiessen sie willkommen, andere ignorierten sie völlig.

Ein brauner Kater schob sich auf sie zu und miaute freundlich: „Hallo Nachnebel. Ich bin Schlammschweif. Möchtest du, dass ich dir den Kriegerbau zeige?“ Nachtnebel nickte und folgte dem Kater zu einem grossen Bau. Darin befanden sich einige kleine Kuhlen, in denen vereinzelt Katzen lagen. Schlammschweif führte Nachtnebel zu einer der Kuhlen und sagte ihr, das sei ihr Schlafplatz. „Ich schlafe dort drüben und die Kuhle neben dir gehört Meeresschweif. Du wirst sie bestimmt noch kennenlernen.“ Nachtnebel nickte und bedankte sich bei Schlammschweif für seine Hilfe. „Ach, kein Problem“, miaute der braune Krieger. „Du bist bestimmt müde. Ich lass dich dann mal ein bisschen alleine.“ Schlammschweif verliess den Bau und Nachtnebel rollte sich müde in ihrer Kuhle zusammen. Vorsichtig legte sich den Schwanz über die Vorderpfoten und schloss glücklich die Augen.

Treten, Kratzen, Beissen


Unruhig warf sich Lichtpfote in ihrem Bau umher, strampelte mit den Pfoten und warf den Kopf in den Nacken. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber sie waren wie zugeklebt. Plötzlich versteifte sich jeder ihrer Muskeln und sie konnte sich nicht mehr rühren. Hinter ihren Liedern tanzten weisse Punkte, die sich immer schneller bewegten. Langsam entstand ein Bild, das sich in ihre Augen brannte. Ihr Lager lag verlassen da und dichter Nebel hing tief über dem Boden. Die Nebelsuppe färbte sich erst rot, und dann gänzlich schwarz. Ein Schrei erklang und Lichtpfote riss zitternd die Augen auf. Erst nach einigen Momenten realisierte sie, dass sie es war die schrie und sie schlug schnell ihren Kiefer zu. „Was war das?“, dachte Lichtpfote verstört und tappte zum Ausgang der Höhle. Ein bisschen frische Luft würde ihr bestimmt gut tun.

Draussen war noch alles dunkel, nur der Mond und die Sterne erhellten die Nacht. Leise schlich Lichtpfote zu einem kahlen Strauch und legte sich darunter. Sie bettete den Kopf auf ihre Pfoten und liess die kühle Nachtluft durch ihr Fell streicheln. „War das eine Vision vom Mondclan?“, fragte sie sich. „Oder doch nur ein schlechter Traum?“ Sie schloss die Augen und sofort sah sie wieder den Nebel. Sie atmete schneller und ihr schien, als würde sie den Nebel mit einatmen. In ihr machte sich eine Kälte breit, die nicht von der Nacht stammte. Ängstlich öffnete sie die Augen und erschrak, als sie in die grünen Augen von Kiefernpfote blickte.

„Kannst du nicht schlafen?“, fragte er. Lichtpfote nickte und fragte, was er hier draussen mache. „Ich gehe nachts oft nochmal raus“, antwortete er. „Ich mag die Stille. Ausserdem schnarcht Tupfenpfote.“ Lichtpfote kicherte bei dem Gedanken und rückte zur Seite, damit Kiefernpfote sich neben sie unter den Strauch legen konnte. So lagen sie da, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Lichtpfotes Gedanken kreisten immer weniger um ihre Vision und drifteten zu der Katze neben ihr. Sie konnte seinen gleichmässigen Herzschlag spüren und fühlte sich sofort wohler. Verstohlen drehte sie den Kopf in seine Richtung und beobachtete, wie er mit geschlossenen Augen dalag. „Schläfst du?“, fragte sie verwirrt und Kiefernpfotes tiefes Lachen erklang. „Nein, aber mit geschlossenen Augen sieht man manchmal mehr“ Lichtpfote nickte und schloss selbst die Augen, nahm die Lichtung mit all ihren anderen Sinnen umso stärker wahr. Sie hörte den Wind, roch den Schnee und ihren Clan und lauschte Kiefernpfotes Atem. Nach einer Weile stand der junge Kater auf und tippte ihr mit der Schwanzspitze auf die Schulter. Langsam öffnete Lichtpfote ihre Augen und erhob sich ebenfalls. „Na dann“, miaute Kiefernpfote. „Schlaf schön, Lichtpfote“ Die weisse Kätzin bedankte sich und lief zu ihrem Bau. Eine Fuchslänge davor drehte sie sich noch einmal um und rief in Richtung Schülerbau: „Kiefernpfote, du bist schwer in Ordnung“ Lichtpfote könnte schwören, dass sie Kiefernpfotes Lachen gehört hatte bevor sie sich wieder schlafen legte.

Der nächste Tag begann mit einem Pfotenhieb. Erschrocken riss Nachtnebel die Augen auf und blickte sich um. „Steh auf“, fauchte Dunkelkralle sie an. „Du sollst dich nützlich machen, die Jagdpatrouille zieht gleich los“ Nachtnebel erhob sich und schlich leise aus dem Bau, um Flinktatze und Marmorpelz nicht zu wecken. Draussen warteten Schlammschweif und Erdbeerpfote schon auf sie. Nachtnebel war erleichtert, mit ihm auf die Jagd zu gehen. Er war bis jetzt als einziger nett zu ihr gewesen, Neumond und die beiden Königinnen ausgeschlossen. „Guten Morgen, Nachtnebel“, miaute ihr Schlamschweif entgegen und die schwarze Kätzin begrüsste ihn und seinen Schüler. „Wir warten nur noch auf Rotfell, dann gehen wir“ Nachtnebel nickte und setzte sich neben den braunen Kater. Kurze Zeit später sprang Rotfell auf sie zu und die vier Katzen verliessen das Lager in Richtung Felsenmond. „Ich denke, wir sehen gleich nach ob der Fluss noch zugefroren ist“, miaute Rotfell über die Schulter, während sie durch den Schnee trabte. Die drei anderen mauzten zustimmend. Plötzlich blieb Erdbeerpfotes stehen und blickte sich um, die Ohren gespitzt. Sie kauerte sich auf den Boden und schlich auf einen Strauch zu. Einige Zeit später kam sie mit einer Maus in der Schnauze zu den anderen zurück. „Gut gemacht, Erdbeerpfote“, lobte Schlammschweif seine Schülerin, die die Maus unter etwas Schnee vergrub. Nachtnebel war erstaunt, die junge Kätzin musste ein sehr ausgeprägtes Gehör haben, keiner der Erwachsenen hatte die Maus bemerkt.

Am Fluss angekommen mussten die Katzen feststellen, dass sich nichts verändert hatte. Das Wasser war noch immer gefroren. „Na gut, lasst uns wieder gehen“, sagte Schlammschweif enttäuscht. Die Katzen wollten gerade gehen, als eine Stimme rief: „Hallo, Rotschweif“ Die rote Kätzin drehte sich um und legte die Ohren an. Auf der anderen Seite der Grenze ihres Territoriums stand Rindenfell, der zweite Anführer des Leopardenclans. „Sei gegrüsst, Rindenfell“, rief Rotfell zurück und die vier Katzen trotteten zur Patrouille. Neben Rindenfell standen ein brauner Tigerkater und ein grauer Kater, der sie aus dunklen Augen anstarrte. „Das sind Sommerklaue und Fledermauskralle. Wie geht es eurem Clan?“ – „Wir kommen zurecht“, antwortete Rotfell. Rindenfells Blick fiel auf Nachtnebel und er kniff die Augen zusammen. „Habt ihr jemanden Neuen in eure Runde aufgenommen?“, fragte er interessiert. „Ja, Rindenfell. Das ist Nachtnebel.“, miaute Rotfell und Nachtnebel blickte Rindenfell in die Augen. In ihnen lag ein Funkeln als er sagte: „Nett dich kennenzulernen, Nachtnebel“ – „Ebenfalls sehr erfreut, Rindenfell“, antwortete Nachtnebel und ihr Fell sträubte sich etwas. „Na dann“, miaute der braune Kater. „Wir müssen weiter. Kommt schon, Sommerklaue! Fledermauskralle!“ Die drei Kater verabschiedeten sich und trabten nach Westen davon. Schlammschweif schüttelte sich. „Ich mag diese Katze nicht“, fauchte er. „Seine Freundlichkeit stinkt schlimmer als ein Stück Krähenfrass“ Rotfell lachte und sprang davon, die drei Katzen folgten ihr.

Zurück im Lager legten sie ihre spärliche Beute auf den Frischbeutehaufen. Schlammschweif hatte Nachtnebel angeboten, ihm und Erdbeerpfote nach der Fellpflege beim Training zu zusehen und sie hatte eingewilligt. Also legten sich die beiden Katzen hin und wollten gerade damit beginnen, sich die Zunge zu geben, als Neumond auf sie zuschritt. „Schlammschweif, hol bitte Jadeherz und Birkenherz, Rotfell möchte mit euch sprechen“ Der braune Kater nickte und lief in den Kriegerbau. „Bis später, Nachtnebel“, rief er über die Schulter. Neumond liess sich neben der schwarzen Kätzin nieder und begann, ihr die Zunge zu geben. Erst versteifte sich Nachtnebel, doch schnell entspannte sie sich und begann Neumonds Fell ebenfalls zu säubern. „Hast du dich schon etwas eingelebt?“, fragte der Anführer. Nachtnebel hörte auf sein Fell zu lecken und antwortete: „Mehr oder weniger. Viele mögen mich nicht, aber ich komm‘ schon klar.“ Neumond nickte und stupste sie an. „Sie werden dich schon noch akzeptieren, gib ihnen nur etwas Zeit“ Nachtnebel lachte und leckte ihm über die Stirn. Die beiden fuhren mit der Fellpflege fort und plauderten etwas. Einige Zeit später kam Schlammschweif zurück. „Nachtnebel, möchtest du jetzt mitkommen? Erdbeerpfote und ich gehen.“ Nachtnebel nickte und verabschiedete sich von Neumond. Der Kater blickte ihr und den beiden Katzen nach, als sie durch die Büsche das Lager verliessen. Der Gedanke, dass sie zurückkommen würde, liess den Anführer lächeln.

In der Kuhle angekommen, erklärte Schlammschweif dass er heute vielleicht das letzte Mal mit Erdbeerpfote als Schülerin trainieren würde. Die Augen der roten Kätzin wurden gross und sie fragte verstört: „Wieso? Gehst du etwa zu den Ältesten?“ Empört schlug ihr Mentor ihr auf die Schnauze und Nachtnebel konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Nein, Mäusehirn“, miaute Schlammschweif. „Das wird vielleicht dein letztes Training als Schülerin sein. Du bist so weit, Kleine.“ Erdbeerpfotes Augen wurden noch ein Stückchen grösser und ihre Kinnlade klappte nach unten. Jetzt konnte sich auch ihr Mentor das Lachen nicht verkneifen. „Also, Erdbeerpfote. Heute werden wir nochmal alles durchgehen, was ich dir beigebracht habe. Und danach steht dein Abschlusstest an.“ Die Schülerin schluckte und nickte dann. „Na dann los“, rief sie. „Was zuerst?“ – „Zeig mir, wie du dich an ein Kaninchen anschleichen würdest.“ Schlammschweif warf Nachtnebel einen Blick zu und rief dann: „Nachtnebel, würde es dir etwas ausmachen, das Kaninchen zu spielen?“ Die schwarze Kriegerin schüttelte den Kopf und legte sich dann auf den Bauch, das Hinterteil zu Erdbeerpfote gewandt. Die rote Kätzin kauerte sich nieder und prüfte, aus welcher Richtung der Wind kam. Sie begab sich in die richtige Position und schlich dann auf Nachtnebel zu. Die achtete auf jedes Geräusch, konnte aber nicht ausmachen, aus welcher Richtung Erdbeerpfote kam. Bis der Wind plötzlich drehte. Sie roch die Kätzin und sprang erschrocken auf. Fluchend setzte die Schülerin ihr im Zickzack nach und holte langsam auf. Nachtnebel konnte Haken schlagen wie sie wollte, irgendwann spürte sie Erdbeerpfote auf ihrem Rücken. Schlammschweif kam zu den beiden und miaute: „Gut gemacht, Erdbeerpfote“ Die Schülerin liess Nachtnebel los und bedankte sich bei ihr. Sie übten noch, bis die in den Nachmittag. Kämpfen, Jagen, Verteidigen. Erdbeerpfote meisterte alle Aufgaben, manche beim ersten, andere erst nach einigen Versuchen, aber immer sehr gut. „Erdbeerpfote, es gibt nichts mehr das ich dir beibringen könnte. Du bist bereit.“, miaute Schlammschweif am Ende stolz. „Wir gehen jetzt zurück zum Lager und berichten Rotfell davon. Wenn du glück hast, wirst du noch heute zur Kriegerin ernannt“ Erdbeerpfotes Brust schwoll an und sie trabte hinter Nachtnebel und ihrem Mentor zurück ins Lager.

Dort angekommen verkündete Rotfell ihnen, dass Tupfenpfote und Kiefernpfote laut ihren Mentoren auch bereit für die Abschlussprüfung seien. Also sammelten sie die Schüler zusammen und trotteten mit ihnen, Jadeherz und Birkenherz zurück zur Trainingskuhle. Schlammschweif hatte Nachtnebel erklärt, dass Erdbeerpfote bei ihrer Abschlussprüfung gegen die anderen zwei Schüler antreten müsse. „Wenn sie sich gut schlägt, kann sie sich noch heute vom Pfote in ihrem Namen verabschieden und in den Kriegerbau ziehen“, hatte er gesagt. Nachtnebel würde es der kleinen roten Kätzin wirklich gönnen, sie hatte Feuer.

In der Kuhle setzten sich die drei Mentoren und Rotfell an den Rand des Trainingsgeländes. „Was denkt ihr?“, fragte Birkenherz. „Werden alle drei bestehen?“ Jadeherz lachte. „Das hoffe ich. Ehrlichgesagt: Ich bin froh wenn ich Tupfenpfote nicht mehr trainieren muss.“ Die beiden Kater lachten und Rotfell schmunzelte: „Sie kommt nach ihrem Vater, Marmorpelz, beide haben eine ziemlich grosse Klappe.“ Jadeherz nickte. „Na dann“, miaute Birkenherz. „Fangen wir an, oder?“ Rotfell erhob sich und schritt auf die Schüler zu. „Ihr kennt die Regeln, nicht wahr?“, fragte sie und alle drei nickten. „Ihr werdet nacheinander gegeneinander antreten. Es ist nicht wichtig, ob ihr gewinnt oder verliert, wir werden euer Verhalten durch den ganzen Kampf beurteilen.“ Wieder nickten die drei. „Gut“, fuhr Rotfell fort. „Zuerst möchte ich Erdbeerpfote und Kiefernpfote sehen. Viel Glück.“ Sie zog Tupfenpfote mit sich und beide setzen sich neben die Mentoren. Mit der Schwanzspitze gab sie das Zeichen zum Anfangen.

Die beiden Katzen kauerten sich nieder und fingen an, sich gegenseitig zu umkreisen. Erdbeerpfote bleckte die Zähne, aber Kiefernpfote liess sich nicht so leicht einschüchtern. Die Kreise der beiden wurden enger und bald standen sie sich nicht mal mehr eine Fuchslänge weit voneinander entfernt gegenüber. „Er muss sich ziemlich sicher sein, wenn er sie so nahe kommen lässt“, flüsterte Jadeherz. „Oder er ist einfach dumm“, zischte Tupfenpfote und erntete einen Hieb ihrer Mentorin. In der Zwischenzeit waren die beiden Schüler stehengeblieben und fixierten sich fauchend. Plötzlich stiess sich Erdbeerpfote vom Boden ab und sprang auf ihren Gegner zu. Birkenherz hielt den Atem an, doch Kiefernpfote machte einfach einen Satz zur Seite, sodass die rote Kätzin im Schnee landete. „Das Manöver kenn ich irgendwoher“, dachte Birkenherz und lächelte. Erdbeerpfote landete wackelnd auf den Pfoten, diesen Moment nutzte Kiefernpfote und warf sich auf sie. „Einfach, aber effektiv“, lachte Rotfell. Erdbeerpfote lag auf dem Rücken unter Kiefernpfote und versuchte frei zu kommen. Verzweifelt strampelte sie mit den Beinen, aber Kiefernpfote war stärker als sie. Der Kater stemmte die Pfoten in ihren Bauch, sodass Erdbeerpfote bald keine Luft mehr bekam und sich immer weniger regte. Schliesslich senkte Kiefernpfote den Kopf und grub die Zähne ins Fell ihres Halses, aber ohne sie zu verletzen. „Gut, das reicht“, rief Rotfell und trabte auf die beiden zu. „Das habt ihr sehr gut gemacht, alle beide“, lobte sie die Schüler. „Kiefernpfote, deine Technik ist sehr gut, besonders als du Erdbeerpfote am Boden hattest. Und du, Erdbeerpfote, bist sehr geschickt. Wenn du deinen Sprung noch etwas perfektionierst, möchte ich im Kampf nicht gegen dich antreten müssen.“ Die beiden Schüler schnurrten zufrieden und Rotfell verkündete, dass als nächstes Kiefernpfote gegen Tupfenpfote kämpfen würde. „Na das wird ein Spass“, murmelte der Kater und begab sich in Kampfposition.

Tupfenpfote machte keinen Hehl daraus, dass für sie der Kampf so gut wie gewonnen war. Von Anfang an spielte sie mehr mit ihrem Bruder, als dass sie ernsthaft kämpfte. Sie stiess immer wieder vor, und zog sich dann doch wieder zurück. Nach einer Weile stürmte sie auf ihn zu und Kiefernpfote schlug ihr die Pfoten weg, bevor sie wieder zurück rennen konnte. Er stürzte sich auf seine Schwester und drückte sie zu Boden. „Was sagst du jetzt, Schwesterherz?“, fauchte er wütend. Tupfenpfote lachte und schlug ihm mit den Pfoten in den Magen, so dass er verkrümmt wegsprang. „Ich sage, du bist ein Schwächling“, rief sie zurück und fuhr ihm mit ausgefahrenen Krallen über den Rücken. Kiefernpfote jaulte auf und versuchte aufzustehen, doch Tupfenpfote nagelte ihn am Boden fest. Sein Rücken wurde weiter bearbeitet und der Kater unterdrückte einen Schrei. „Rotfell, sie geht zu weit“, fauchte Birkenherz und sein Fell sträubte sich. „Lass ihm seine Chance“, sagte die zweite Anführerin beschwichtigend. Währenddessen war es Kiefernpfote gelungen, seine Schwester abzuschütteln. Sie standen sich schwer atmend gegenüber und Tupfenpfotes Augen sprühten Feuer. Sie stürzte laut fauchend auf ihren Bruder zu, fegte ihn von den Pfoten und biss ihm in den Hals. „Stopp!“, rief Rotfell. „Das reicht“ Sie trabte zu den Geschwistern und zerrte Tupfenpfote von ihrem Bruder. „Kiefernpfote, du hast eine gute Ausdauer und kämpfst sehr überlegt. Hör auch mal auf deine Instinkte. Tupfenpfote, du bist ausgesprochen stark. Arbeite aber noch ein wenig an deiner Technik, Stärke alleine zählt nicht.“ Die beiden Schüler nickten und Kiefernpfote trottete zum Rand der Kuhle. Sein Rücken brannte wie Feuer, doch er wollte das vor seiner Schwester nicht zeigen. Erdbeerpfote strich ihm beim Vorbeigehen über die Schulter und flüsterte: „Das war echt tapfer“

Der Kampf zwischen Erdbeerpfote und Tupfenpfote war sehr ausgeglichen. Manchmal schien es, als hätte Erdbeerpfote keine Kraft mehr und im nächsten Moment zerkratzte sie Tupfenpfote den Bauch. Einmal hätte sie Tupfenpfote fast am Boden gehabt, doch die Schülerin drehte sich im aller letzten Moment doch noch weg und Erdbeerpfote schlug ins Nichts. Immer wieder fauchten sich die beiden Katzen an und warfen sich glühende Blicke zu. Doch nie gewann jemand wirklich die Oberhand. „Sieht mir doch sehr nach einem Unentschieden aus“, schnurrte Schlammschweif und Rotfell nickte. „Wenn in den nächsten Minuten niemand gewinnt, erkläre ich den Kampf für beendet“ Kiefernpfote drückte Erdbeerpfote die Daumen, doch schliesslich erklärte Rotfell den Kampf für unentschieden. Die beiden schienen wirklich gleichstark zu sein. Alle versammelten sich am Rand der Kuhle und Rotfell miaute glücklich: „Ihr habt alle sehr gut gekämpft. Und es ist mir eine grosse Freude euch zu verkünden, dass ihr alle drei bestanden habt.“ Die Schüler stiessen erleichtert Luft aus und alle rannten so schnell sie konnten zum Lager. Dort verschwand Rotfell in Neumonds Bau und der Anführer sprang kurze Zeit später auf den Grossen Stamm und rief eine Versammlung ein.

„Katzen des Wolfs-Clans, es ist mir eine Freude euch zu verkünden, dass heute drei neue Krieger ernannt werden. Sie alle haben hart trainiert und heute ihr Können in der Abschlussprüfung bewiesen. Ich bitte Erdbeerpfote, Kiefernpfote und Tupfenpfote zu mir um ihren Kriegernamen in Empfang zu nehmen.“ Die drei Katzen sprangen elegant auf den Stamm und liessen sich neben ihrem Anführer nieder. Der fuhr mit der Zeremonie fort. „Erdbeerpfote, dein Geschick wird ein grosser Vorteil im Kampf sein und dein aussergewöhnlich gutes Gehör dich zu einer grossen Jägerin machen. Von diesem Moment an soll dein Name nicht mehr Erdbeerpfote lauten, sondern Erdbeerballen“ Rufe mit ihrem neuen Namen hiessen die Kriegerin willkommen und sie strahlte wie die Sterne am Himmel. „Nun zu dir, Kiefernpfote. Du bist sehr klug und ausgesprochen tapfer. Du wirst im Kampf eine Bereicherung für uns sein. Von nun an soll dein Name nicht mehr Kiefernpfote lauten, sondern Kiefernnadel.“ Auch Kiefernnadel wurde von seinem Clan willkommen geheissen und Neumond fuhr fort. „Tupfenpfote, deine Stärke wird dir im Kampf sehr nützlich sein und deine Klauen werden jeden deiner Gegner das Fürchten lehren. Von nun an soll dein Name nicht mehr Tupfenpfote lauten, sondern Tupfenklaue.“ Die neue Kriegerin wurde ebenfalls mit ihrem Namen willkommen geheissen. „Heute Nacht werdet ihr Nachtwache halten und danach im Kriegerbau schlafen. Arbeitet hart und der Mond-Clan wird es euch danken.“ Mit diesen Worten sprang Neumond vom Grossen Stamm und verschwand in seinem Bau. Und drei junge Krieger liessen sich von den Worten der Menge treiben und sonnten sich in Glückwünschen.

Neue Wege


„Vogelfell, kann ich kurz mit dir reden?“, miaute Lichtpfote als ihr Mentor gerade seine Kräuter am sortieren war. Der Kater nickte und drehte sich zu seiner Schülerin um. „Was gibt es, Lichtpfote?“, fragte er und legte sich nieder. Die weisse Kätzin tat es ihm gleich und leckte sich noch einmal über die Pfote, bevor sie begann von ihrem Traum zu erzählen. Als sie geendet hatte, blickte sie ihrem Mentor schüchtern in die Augen. „Hoffentlich lacht er mich nicht aus“, dachte sie und fuhr sich nervös über den Kopf. Doch Vogelfell lachte nicht. Er sagte erst mal Garnichts. Dann blickte er seine Schülerin fest an und sagte: „Und was denkst du? Ist es eine Botschaft vom Mond-Clan?“ – „Ich weiss es nicht“, antwortete Lichtpfote. „Aber alles hat sich so echt angefühlt. Ich habe den Nebel gespürt, wie er in mein Fell eindrang und sich langsam in meiner Lunge breitmachte.“ Ihr Fell sträubte sich bei der Erinnerung daran. Vogelfell nickte und antwortete: „Das hört sich stark nach einer Vision an, Lichtpfote. Ich denke, Neumond sollte davon erfahren.“ Lichtpfote war überrascht. „Jetzt gleich?“, stotterte sie und Vogelfell nickte. „Wenn dem Clan wirklich eine Gefahr bevorsteht und wir vom Mond-Clan gewarnt wurden, muss Neumond das wissen.“ Lichtpfote nickte und die beiden erhoben sich, um ihrem Anführer zu berichten.

„Neumond?“, rief der Heiler in den Bau und trat ein, nachdem Neumond geantwortet hatte. Lichtpfote schlich ihm nach, irgendwie war ihr die ganze Sache etwas unangenehm. „Was wenn alles doch nur ein Traum war?“, dachte sie und begann zu zweifeln. Nervös tänzelte sie von einer Pfote auf die andere und blieb dann hinter ihrem Mentor stehen. „Was gibt’s Vogelfell?“, fragte der graue Kater. Vogelfell machte einen Schritt zur Seite, zeigte mit dem Schwanz auf Lichtpfote und antwortete mit ernster Stimme: „Neumond, Lichtpfote muss dir etwas erzählen. Sie hatte einen Traum.“ Neumond blickte die Heilerschülerin neugierig an, doch sie konnte auch Besorgnis in seinen Augen erkennen, vielleicht sogar ein bisschen Angst. Nervös lief sie zu Neumond und begann zu erzählen. „Nun, in meinem Traum war ich alleine im Lager, es war völlig verlassen. Alles war ruhig und über dem Boden hing ein dichter Nebel. Nach einiger Zeit färbte sich der Nebel schwarz und schliesslich blutrot. Ich konnte den Nebel spüren Neumond. Ich fühlte, wie ich ihn einatmete und wie er in meinen Pelz fuhr. Es war schrecklich.“ Neumond nickte und senkte besorgt den Kopf. „Was denkst du Vogelfell“, murmelte er dann. „Hat der Mondclan ihr eine Vision geschickt?“ Vogelfell wiegte den Kopf hin und her und antwortete: „Ich weiss es nicht, Neumond. Es spricht aber viel dafür.“ Der Anführer nickte und seufzte. Lichtpfote konnte ihn verstehen, der Winter allein war schon hart genug für den Clan. Falls ihr Traum wirklich eine Vision vom Mondclan war, machte sie das Ganze nur noch schlimmer.

„Neumond, ich denke du solltest den Clan nicht informieren“, bemerkte Vogelfell vorsichtig. Lichtpfote starrte ihren Mentor ungläubig an. „Aber sie haben doch ein Recht darauf zu erfahren was der Mondclan ihnen mittteilen will. Oder etwa nicht?“, rief sie verstört. Neumond strich ihr besänftigend mit der Schwanzspitze über den Rücken und erwiderte: „Doch natürlich Lichtpfote. Aber Vogelfell hat schon Recht, wenn wir ihnen von deiner Vision erzählen würden, hätten sie nur noch mehr Angst als ohnehin schon. Es würde ihre Hoffnungen erst recht schrumpfen lassen, verstehst du?“ Langsam nickte Lichtpfote und sie und Vogelfell verabschiedeten sich von Neumond. „Lichtpfote, ich möchte dass du niemandem davon erzählst, in Ordnung?“, miaute der Anführer bevor sie den Bau verliessen und Lichtpfote nickte. „Natürlich Neumond. Wenn du denkst, dass es das Beste für den Clan ist, werde ich schweigen.“

Auf der Lichtung machten sich die ersten Katzen breit und streckten sich, um die Müdigkeit aus den kalten Gliedern zu vertreiben. Lichtpfote blickte sich um, vielleicht war Erdbeerpfote ja schon wach. Doch sie fand den vertrauten roten Pelz nirgendwo. Stattdessen entdeckte sie ein anderes ihr wohlbekanntes Gesicht. Die grünen Augen von Kiefernnadel erkannte sie quer über das Lager hinweg. „Er hat schöne Augen“, dachte sie verträumt und riss sich gleich darauf wieder zusammen. „Was ist denn nur los mit dir, Lichtpfote? Du hast wohl Hummeln im Hirn.“ Sie schüttelte den Kopf und Vogelfell richtete sein Wort an sie. „Lichtpfote, wir haben fast keinen Huflattich mehr. Würdest du bitte nachschauen, ob schon etwas gewachsen ist?“ – „Natürlich, Vogelfell“, antwortete die Schülerin. Ihr Mentor rief sie nochmal zu sich zurück, bevor sie das Lager verlassen konnte. „Nicht so schnell. Ich möchte nicht, dass du alleine gehst. Nimm einen der Krieger mit, in Ordnung?“ Lichtpfote nickte und freute sich. „Vielleicht kann ich jetzt endlich wieder etwas Zeit mit Erdbeerballen verbringen“, dachte sie. Sie und ihre beste Freundin hatten schon viel zu lange nichts mehr gemeinsam unternommen. Also stapfte sie durch den Schnee in Richtung des Kriegerbaus.

Sie begrüsste einige Krieger, zumindest die, die schon wach waren. Schliesslich stand sie hinter ihrer Freundin und strich ihr über die Schultern. Ein Schauder lief Erdbeerballen über den Rücken und sie drehte sich zu Lichtpfote um. „Erschreck mich doch nicht so, gemeiner Fellball du“, miaute sie belustigt und begrüsste ihre Freundin schnurrend. „Ich wollte dich fragen, ob du mit mir mitkommen möchtest. Ich soll für Vogelfell Huflattich suchen.“ Lichtpfote strahlte übers ganze Gesicht und blickte ihre Freundin erwartungsvoll an. Erdbeerballens Lächeln wurde schwächer und sie biss sich auf die Lippe. „Ich würd ja gerne, aber weisst du…“, druckste sie herum. „Jetzt rück schon mit der Sprache raus, Erdbeerballen“, schnurrte Lichtpfote. Sie konnte sich schon denken, was los war. „Rotfell hat mich für die Jagdpatrouille eingeteilt. Tut mir wirklich leid, Lichtpfote.“ Traurig verzog die Heilerschülerin den Mund und verabschiedete sich von der roten Kriegerin. „Gute Jagd“, miaute sie über ihre Schulter und verliess mit hängenden Schultern den Bau.

Draussen stiess sie fast mit Kiefernnadel zusammen und entschuldigte sich nuschelnd bei ihm. Der getigerte Kater hielt sie mit dem Schwanz um den Hals fest als sie an ihm vorbeihuschen wollte und fragte besorgt: „Was ist los, du bist so abwesend Lichtpfote“ – „Tut mir Leid. Ich hab nur gerade Erdbeerballen gefragt ob sie mit mir mitkommen möchte, um Huflattich für die kranken Katzen zu suchen. Aber sie hat keine Zeit.“, antwortete die weisse Kätzin und senkte den Blick auf ihre Pfoten. „Oh, naja wenn es dir nichts ausmacht, ich hätte Zeit“, miaute Kiefernnadel und lächelte sie an. „Natürlich nur, wenn du möchtest, dass ich mitkomme“ Sein Lächeln wurde breiter und Lichtpfote nickte fröhlich.

Also verliessen die beiden Katzen das Lager des Wolf-Clans und liefen los in Richtung des Donnerwegs. Lichtpfote unterhielt sich blendend mit dem jungen Krieger und sie lachten beide oft. Durch die heitere Stimmung vergass Lichtpfote für einen Moment sogar ihre Vision und konnte sich völlig entspannen. „Weisst du Kiefernnadel, du bist vollkommen anders als deine Schwester. Sicher dass ihr aus demselben Wurf stammt?“, bemerkte die Schülerin und stupste den Kater neckisch an. Sein Gesicht verdüsterte sich und er blieb stehen. „Nicht du auch noch, Lichtpfote.“, fauchte er. Fragend blickte die weisse Kätzin zu ihrem Begleiter zurück. „Meine Schwester ist wundervoll, talentiert, intelligent, der Stolz der Familie. Und ich bin…“ – „Stopp!“, unterbrach Lichtpfote ihn. „Ihr seid völlig verschiedene Katzen, Kiefernnadel. Du bist auf deine eigene Art grandios und müsste ich entscheiden, glaub mir ich würde mich sofort für dich entscheiden.“ Lichtpfote drehte sich schnell weg als sie bemerkte was sie gerade gesagt hatte. „Das klang ja fast als hätte ich…Nein, das würde mir nicht passieren. Oder doch?“, dachte sie verwirrt. Doch bevor sie zu einer Antwort gelangte, spürte sie Kiefernnadels Kopf an ihrer Schulter. Instinktiv erwiderte sie die Berührung und ihr Fell fühlte sich an, als tanzten tausend Mäuse darunter. „Ich danke dir, Lichtpfote. Das bedeutet mir viel. Du bedeutest mir viel.“, schnurrte der hübsche Krieger und leckte ihr übers Ohr.

Schnurrend setzten die Beiden ihren Weg zum Donnerweg fort. „Wie sieht Huflattich eigentlich aus, Lichtpfote? Ich bin kein Heiler, weisst du.“, fragte Kiefernnadel schliesslich. Lichtpfote lachte und antwortete freundlich: „Die Blüten sind gelb und ähneln ein wenig Löwenzahn-Blüten, weisst du. Du wirst ihn erkennen, wenn du ihn siehst, keine Sorge.“ Kiefernnadel nickte und hielt Ausschau nach allem was gelb war. Man hörte den Donnerweg schon lange bevor man ihn sah. Und noch früher roch man ihn. Lichtpfote rümpfte die Nase und ihr Nackenfell sträubte sich für kurze Zeit. Doch sie riss sich zusammen und schielte zu Kiefernnadel. Man sah ihm nicht an, ob er den Gestank bemerkte oder nicht. „Erdbeerballens Nase wäre jetzt sehr nützlich“, dachte Lichtpfote, traurig darüber dass ihre Freundin nicht hier war. Als sie ihren Blick um sich herum schweifen liess, entdeckte sie einen kleinen gelben Fleck auf dem Boden. Aufgeregt sprang sie auf die Pflanze zu. Und wirklich, es war Huflattich!

„Kiefernnadel, hier drüben“, rief sie und der Kater stellte sich neben sie. „Welchen Teil davon brauchen wir?“, fragte er neugierig. Lichtpfote überlegte kurz, dann fiel es ihr wieder ein. „Die Blätter, wir brauchen vor allem die Blätter um einen Brei daraus zu machen“ Kiefernnadel nickte und begann die Pflanzen abzubeissen. Lichtpfote half ihm und schon bald hatten sie so viel Huflattich zusammen, wie sie gerade noch tragen konnten. Mit den Blättern im Mund machten sie sich auf den Weg zurück zum Wolf-Clan Lager. Dort angekommen verstauten sie den Huflattich im Heilerbau und Lichtpfote bedankte sich noch einmal bei Kiefernnadel. „Es war wirklich nett von dir, dass du mich begleitet hast Kiefernnadel. Vielen Dank nochmal.“ – „Keine Ursache, Lichtpfote. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, weisst du.“, antwortete Kiefernnadel lächelnd und Lichtpfote errötete. In diesem Moment lief Erdbeerballen an den Beiden vorbei und Lichtpfote lächelte sie an. „Hallo Erdbeerballen, wie war deine Jagd?“ – „Nicht gut“, antwortete die rote Kätzin. „Ich wollte gerade fragen ob du nochmal mit mir rauskommen willst. Aber du scheinst beschäftigt zu sein.“ Überrascht weitete Lichtpfote die Augen, doch ihre Freundin drehte sich weg und ging über die Lichtung zum Kriegerbau.

„Keine Sorge, Erdbeerballen wird sich wieder beruhigen“, schnurrte Kiefernnadel und leckte Lichtpfote tröstend über die Stirn. Die Heilerschülerin nickte und verabschiedete sich von dem jungen Krieger als sie bemerkte, dass Vogelfell sie zu sich winkte. „Hallo Vogelfell. Ich und Kiefernnadel haben Huflattich gefunden.“, miaute sie, als sie ihrem Mentor gegenüber stand. „Mir scheint, ihr habt noch etwas anderes gefunden“, schnurrte der Kater und zwinkerte seiner Schülerin zu. Lichtpfote senkte verlegen den Blick und leckte ihr Brustfell. „Keine Sorge, auch ich war einmal jung. Aber nun zu etwas Wichtigem. Morgen findet das Heilertreffen statt, also müssen wir noch heute aufbrechen, um pünktlich am See der Träume zu sein.“ Lichtpfote nickte aufgeregt und sprang von einer Pfote auf die andere. Endlich würde sie die anderen Heiler kennenlernen! Schnell suchte sie mit Vogelfell die Kräuter für die Reise zusammen um noch vor Sonnenuntergang am See der Träume zu sein. „Können wir los?“, fragte Vogelfell und nahm seine Kräuter in den Mund. Lichtpfote antwortete, dass sie sich nur noch verabschieden wolle und ihr Mentor nickte.

Aufgeregt trabte Lichtpfote zum Bau der Krieger und blickte sich suchend nach Erdbeerballen um. Sie zog überrascht Luft ein, als sie ihre beste Freundin lachend neben Tupfenklaue sah. „Hat sie Bienen im Kopf? Warum ist sie bei dieser Schlange Tupfenklaue?“, fragte Lichtpfote sich. Sie musste zugeben, dass sie wütend war. Vielleicht auch ein bisschen…eifersüchtig? Trotzdem lief sie zu der roten Kriegerin uns stupste sie vorsichtig an. Immer noch lachend drehte sie sich zu Lichtpfote um, schloss aber verlegen den Mund als sie sah, wer vor ihr stand. „Du scheinst dich ja köstlich zu amüsieren“, fauchte die Heilerschülerin. Erdbeerballen öffnete den Mund, doch Lichtpfote liess sie nicht zu Wort kommen. „Ich wollte mich nur verabschieden, ich gehe zum Heilertreffen. Viel Spass noch!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und lief aus der Höhle auf die Lichtung. „Lichtpfote, warte!“, rief ihr Erdbeerballen nach und die junge Kätzin drehte sich mit gesträubtem Fell um. „Was ist?“, miaute sie und peitschte mit dem Schwanz. Lichtpfote war wirklich wütend, ein Funkeln lag in ihren Augen dass auch Erdbeerballen nicht entging. „Was ist denn los mit dir, du bist so gereizt“, miaute die Kriegerin besorgt. „Ist es etwa wegen Tupfenklaue?“ Lichtpfote schnaubte und rief: „Natürlich nicht. Ich gebe einen Mäuseschwanz darauf mit wem du dich abgibst!“ Erdbeerballens Augen verengten sich zu Schlitzen und sie miaute leise: „Na gut, wenn es dir so egal ist. Viel Spass am Heilertreffen.“ Die rote Katze drehte sich um und lief mit erhobenem Schwanz zurück zum Bau der Krieger. Am Eingang stand schon Tupfenklaue und lächelte Lichtpfote böse zu.

Langsam glättete sich Lichtpfotes Fell und sie liess traurig den Schwanz hängen. Hatte sie gerade ihre beste Freundin verloren? Erdbeerballen und sie waren schon Freunde solange sie sich erinnern konnte. Sie kamen ungefähr zur selben Zeit zur Welt und kannten sich schon aus der Kinderstube. So ein alberner Streit würde doch nicht alles zerstören. Oder? Fast wäre Lichtpfote zum Kriegerbau gegangen, doch das liess ihr Stolz dann doch nicht zu. Nachdenklich tappte sie über die Lichtung, als ihr Kopf auf einen warmen Brustkorb traf. Erschrocken machte sie einen Schritt rückwärts und hob den Blick. „Kiefernnadel“, rief Lichtpfote und ihre Schnurrhaare zuckten aus Verlegenheit. „Wird das zu einer Gewohnheit, dass du in mich reinläufst?“, schnurrte der braune Kater mit den wundervollen Augen. Lichtpfote schien ihre Frechheit wiedergefunden zu haben, denn sie antwortete lächelnd: „Wäre das denn so schlimm?“ Kiefernnadel lachte und schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Aber warum lässt du den Kopf so hängen?“, fragte er besorgt. Lichtpfote versuchte zu lächeln und antwortete: „Ach, es ist nichts. Nur eine kleine…Auseinandersetzung mit Erdbeerballen.“ Der junge Krieger nickte verständnisvoll und leckte ihr tröstend über die Schulter. „Das wird schon. Sag mal, hättest du Lust mit mir ein bisschen spazieren zu gehen?“ Lichtpfotes Augen hellten sich schlagartig auf, bis ihr einfiel, dass sie gar keine Zeit dazu hatte. Zerknirscht tappte sie auf den Pfoten und miaute: „Tut mir leid, aber ich muss zum Heilertreffen“ Kiefernnadel nickte traurig. „Aber ein anderes Mal sehr gerne“, fügte Lichtpfote hinzu und lächelte ihn an. Er lächelte zurück und verabschiedete sich indem er ihr über die Stirn leckte. Lichtpfote lächelte und ging schnurrend zu ihrem Mentor.

„So gute Laune?“, fragte Vogelfell freundlich. Lichtpfote nickte, nahm ihre Kräuter und trabte hinter ihrem Mentor durch den Wald. Auf zum See der Träume, auf zu einer weiteren neuen Erfahrung.

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Tag der Veröffentlichung: 21.11.2011

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