Cover

Kapitel 1

Vanish

 

 

»Bacard, wo hast du deine Hure gelassen?«, witzelte Wolve mit lauter, gehässiger Miene und plusterte sich herausfordernd an meinem Tisch auf. Erwartungsvoll schaute er in die Runde der Soldaten, die nach einem langen, harten Tag ihre Kehlen mit einem wohlverdienten Met befeuchteten und suchte nach Vergewisserung, ob jemand seinen Spruch gehört- und sich an seinem lächerlich primitiven Humor beteiligen wollte. Ein, zwei gedämpfte Lacher konnte er ernten und als ich ihm ins Gesicht sah wusste ich, er glaubte in seinem Versuch mich einzuschüchtern erfolgreich gewesen zu sein.

»Verschwinde, Wolve. Du beleidigst die Tochter des Königs, also hüte deine Zunge, wenn du nicht im Kerker verrotten willst.«, erwiderte ich und nahm gelangweilt einen Schluck meines Getränks. Ich wusste, Wolve nahm mir meine Beziehung mit Lea übel. Er hatte schon seit Jahren ein Auge auf sie geworfen und verkraftete es, wie ich oft bemerkte, nur schwer, dass sie sich für mich entschied. Ich hatte für Halem, unseren König, schon unzählige Aufträge erfolgreich abgeschlossen und mir dadurch das Privileg verdient, als seine rechte Hand zu fungieren. Wolve war ebenfalls ein tapferer Ritter und wertvolles Mitglied unserer Armee. Leider wurde seine Missgunst nur von seiner Unbarmherzigkeit und Bestialität übertroffen. Ich habe in meiner Zeit auf dieser Welt nur wenige Männer kennengelernt, die, ohne mit der Wimper zu zucken, kleine Kinder und Frauen abschlachteten, auch wenn durch unsere Order überhaupt keine Notwendigkeit bestand. Wahrscheinlich mied Lea auch genau deshalb seine Nähe. Trotzdem versuchte er es fast jeden Tag, sie doch noch für sich zu gewinnen. Als Trophäe, nehme ich an.

»Und wer will mich in den Kerker bringen Bacard? DU etwa?! Du hältst wohl sehr viel von dir, wenn du denkst, dass dein Einfluss so weit reicht?«, bemerkte er und näherte sich, auf seine Fäuste stützend, mit seinem Gesicht dem meinen, so dass er mich beinahe berührte. Sein Atem roch, als hätte er seit Wochen nichts anderes getan, als sich zu besaufen. Jedoch, war auch ich etwas beschwipst und ganz und gar nicht in der Stimmung, mir sein elendes Gelaber mit anhören zu müssen. Bedauerlicherweise wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die folgenden Ereignisse, das Leben wie ich es kannte, vollkommen über den Haufen werfen würden. Ich atmete tief ein, hob meinen Kopf, sah ihm direkt in die Augen:

»Wenn du schon versuchst mich zu küssen, solltest du mir vorher Blumen besorgen.« Er hielt einen Moment Inne, wurde ruhiger, wandte seinen Blick ab und lief langsam an mir vorbei. Doch nur einen Augenblick später zerschellte ein Becher an meinem Hinterkopf, den er mir, mit voller Wucht, über den Schädel zog. Ich schlug mit meiner Stirn benommen auf den Tisch. In der Taverne wurde es lauter, die Männer wichen grölend zurück, als wüssten sie, dass ich mich wehren würde. Nun, sie hatten recht. Ich raffte mich auf, fixierte Wolve's Hals, packte ihn der Linken Hand und knallte ihm meine Stirn ins Gesicht. Er taumelte, stürzte kopfüber auf den dahinterliegenden Tisch zu und schlug gegen eine Ecke. Die anderen jubelten, stachelten mich an weiter zu kämpfen. Doch etwas stimmte nicht. Wolve lag vor den Füssen der Anwesenden und bewegte sich kaum. Blut lief unter seinem Kinn hervor und formte ein kleine Lache. Abrupt wurde es still. Nur noch das leise rieseln des Regens auf dem Strohdach war zu vernehmen. Ich ging auf ihn zu und half ihm, sich auf den Rücken zu rollen. Sprachlos stellte ich fest, dass er sich an der Tischkante sein linkes Auge zerschlug und bewusstlos wurde. Das Blut quoll ununterbrochen. Ich kramte hastig in meinen Taschen, zog ein kleines Tuch hervor, das Lea mir kürzlich geschenkt hatte und drückte es fest auf die Wunde.

»Wolve?.. Wolve!«, rief ich dem Verletzten ins Ohr, klopfte ihm ein paar Mal auf die Wange und allmählich kam er wieder zu sich. Seine Versuche, sich grummelnd und stöhnend aufzurappeln scheiterten kläglich. Unter Anstrengung hob ich ihn hoch, legte seinen schlaffen Arm um meinen Nacken und stolperte zum Ausgang der Schenke. Obwohl ich Wolve nicht mochte, konnte ich ihm meine Hilfe nicht verweigern. Der Medicus unseres Dorfes hatte seine Baracke ganz in der Nähe. Wenige mühselige Schritte später klopfte ich hastig an seine Tür, die sich sogleich öffnete und ohne uns verständigen zu müssen, wurden wir vom Heiler, mit einem einfachen nicken, hereingebeten. Sowie ich über die Türschwelle schritt, kam mir eine Duftwolke, bestehend aus Blumen, Kerzen und Blut entgegen. Wir legten Wolve gemeinsam auf eines der klapprig wirkenden Strohbetten, in der hinteren Ecke des Raumes. Als ich mich bedankte und die Hütte verlassen wollte, packte er mich am Arm und flüsterte:

»Da.. dafür wirst du leiden Bacard.« Gedankenversunken trat ich vor die Tür, fuhr ausgelaugt mit der Hand durch meine Haare und sah zum bewölkten Himmel hinauf. Die schweren Regentropen befeuchteten mein Gesicht. Es strömte seit Tagen wie aus Kübeln. Wolve's Worte hallten in meinem Kopf, als ich mich, durch die matschige Erde watend, auf den Heimweg machte. Das konnte nur ins Auge gehen. Ich schmunzelte. „Ins Auge gehen“. Wie so oft, erlaubte sich mein Verstand genau im richtigen Moment einen Scherz.

 

 

Am nächsten morgen wurde ich von der grellen Sonne, die meinen Körper erwärmte, sanft aus dem Schlaf geweckt. Endlich hatte dieses Unwetter ein Ende. Ich wurde geplagt von Kopfschmerzen und fand beim herumtasten eine saftige Beule an meinem Hinterkopf. Verdammter Wolve. Ich richtete mich verkatert auf und blieb träge auf der Bettkante sitzen, während ich versuchte mich zu besinnen, was am heutigen Tag alles anstand. Ach ja. Argus bat mich gestern bei ihm vorbei zu kommen, um mir etwas „revolutionäres“ zu zeigen. Er war ein seltsamer, alter Mann, der mit verschiedenstem Schnick-Schnack herumexperimentierte und mir das Lesen beibrachte. Manche Dorfbewohner nannten ihn aufgrund seines geheimnisvollen Wesens „den Zauberer“. Ich kannte ihn schon eine Ewigkeit und mochte ihn sehr. Auch wenn er manchmal etwas abwesend oder zerstreut wirkte, konnte ich guten Gewissens behaupten, er habe das Herz am rechten Fleck. Entschlossen erhob ich mich aus dem Bett, machte mich auf den Weg zum Wassertrog und wusch mir den Schmutz von meiner, von unzähligen Kämpfen, vernarbter Haut. Danach zog ich meine schwere, aus schwarzem Metall, gefertigte Rüstung an und schlenderte durch die, von Dorfbewohnern gefüllten Strassen. Der Schmied, der mit seinem Werkzeug auf einer neuen Klinge hämmerte, nickte mir heiter zu, als ich an ihm vorbei ging und aufmerksam das Geschehen meiner Mitmenschen beobachtete. Zwei kleine Mädchen, nicht älter als 6 Jahre alt, rannten spielend an mir vorbei bevor ich ihnen subtil lächelnd hinterher schaute. Würde auch ich einmal eine Familie haben und meine eigenen Kinder zusammen mit Lea aufwachsen sehen? Eine schöne Vorstellung.. Den Rest des Weges lief ich verträumt durch eine schmale Seitengasse und erreichte schliesslich Argus' Zuhause.

»Bacard, mein Freund! Schön, dass du gekommen bist!«, begrüsste er mich freundlich und lud mich ein, ihm, in seine Werkstatt zu folgen. Dort angekommen konnte man sich kaum frei bewegen, da alles zugestellt war mit etlichen kleinen Möbelstücken, Phiolen, Werkmaterialien und anderem Plunder, von dem ich nicht einmal erkennen konnte, was es war. Immerhin duftete es angenehm nach allerlei Gewürzen. Mein Blick, den ich durch den Raum wandern liess, verharrte auf einer rundlichen, mit Zweigen geschmückten Anrichte auf dem mittig ein Behälter stand, durch den, der Schein einer rötlich leuchtenden Substanz drang.

»Was ist denn das für eine Teufelei?«, erkundigte ich mich verwundert und zeigte auf den seltsamen Gegenstand.

»Ach, das ist etwas an dem ich schon sehr lange Arbeite. Leider fehlte mir bis jetzt noch der richtige Zeitpunkt es testen zu können. Ich versichere dir aber, dass du dich von den Mächten, die mit diesem Getränk in Zusammenhang stehen, besser fernhalten solltest, Bacard!«, bemerkte er mit erhobener Stimme und streckte warnend seinen Zeigefinger in die Höhe.

 »Keine Sorge.. Dieses Mystische Zeug interessiert mich sowieso recht wenig.«, gab ich schulterzuckend Preis.

»Gut, gut.. Dann schau dir jetzt einmal den Grund an, warum ich dich gestern hergebeten hatte.« Er streckte mir seine offene Hand entgegen, in der ein schwarzer Stein an einer merkwürdigen Apparatur befestigt war, bat mich es in die Hand zu nehmen und es zusammenzudrücken. Der Stein rieb sich und entfachte, nach mehrmaligem pressen eine winzige, bestehende Flamme an einer metallenen Öffnung. Ich war begeistert und informierte mich interessiert:

»Wow! Du kannst mit diesem Ding einfach so Feuer machen!?«

»Hahaa, da staunst du was?! Ich nenne es: ''Den Feuermacher'' Irgendwann in ferner Zukunft, wird man dieses kleine Wunderwerk auf dem Markt kaufen können!«, versicherte er und lächelte stolz.

»Ach, wie geht es eigentlich deinem Sprössling Argus.«

»Gut, gut. Er wächst und gedeiht! Er wird uns alle überdauern, merk dir meine Worte!« Der Sprössling, war eine junge Fichte, die Argus hinter seiner Werkstatt gepflanzt hatte. Er sprach oft davon, wie stolz er darauf war und wie es ihn erfüllte, dem Baum beim wachsen zu zusehen. Den Rest des Tages verbrachten wir gemeinsam. Wir diskutierten Stundenlang über das Leben, die Menschen, ihre Angewohnheiten und genossen dabei einen reichlich gefüllten Humpen Wein. Nebenbei zeigte er mir mehr von seinen beachtlichen Erfindungen und kaute mir dabei fast ein Ohr ab. Ich nervte mich aber nur wenig deswegen, obwohl ich nicht der Typ bin der viel Geduld mit Menschen hat, die lange auf mich einreden. In Gedanken, war ich nämlich nicht immer ganz anwesend, denn ich dachte oft an heute Abend, an dem ich endlich Lea wiedersehen würde. Als es langsam dämmerte, verabschiedete ich mich herzlich von Argus und machte mich frohen Mutes auf den Weg zu mir nach Hause, wo mich hoffentlich meine Geliebte bereits erwarten würde. Ich dachte an ihr aschbraunes, lockiges Haar. Ihre wunderschönen Augen die mich verstohlen beobachteten, wenn ich das Gefühl hatte niemand sähe mir zu, oder ihr charmantes Lächeln, das mich stets willkommen hiess, sobald ich von einer Mission zurückkehrte. Aufgeregt öffnete ich die Tür und lief ins Schlafzimmer. Sie lag mit dem Rücken zu mir. Ihre wohlgeformte Taille wurde vom schwachen Mondschein beleuchtet und lud mich ein, mich zu ihr hinzulegen.

»Hallo Liebes.. Ich hätte nicht gedacht, dass du schön Müde in meinem Bett liegst wenn ich komme. Ich war heute den ganzen Tag bei Argus. Er hat mir seine tollen Erfindungen gezeigt. Mit einer Apparatur konnte er sogar Feuer entfachen. Einfach so aus dem Nichts! Was hast du heute erlebt?.. Lea?«

Ich stutzte. Etwas lag vor ihr auf dem Bett. Ich betrachtete es näher und erkannte es als ein verkokeltes Stück von meinem Tuch, das ich gestern.. das ich gestern.. Mir stockte der Atem. Eine Welle von purem Unbehagen fuhr durch meinen Körper, als in meinem Kopf ein schreckliches Bild entstand. Langsam streckte ich meinen Arm nach Lea aus und berührte ihre Schulter. Wie von selbst, drehte sie sich auf den Rücken. Leblos. Ich stand wie angewurzelt da, als ihr aufgeschlitzter Rachen meinen Blick in einem nie enden wollenden Moment unbegrenzten Schmerzes gefangen hielt. Ich spürte Tränen aufsteigen. Tränen, begleitet von bodenlosem Leid, wie ich es vorher noch nie gefühlt hatte. Meine Welt zerbrach von einer Sekunde auf die andere. Vorsichtig nahm ich sie in den Arm und hielt sie ganz fest, während meine Trauer ihr beständig über das reglose Gesicht lief. Ich wollte schreien, doch jeder laut erstickte augenblicklich in meinem Hals, als hätte man mir die Stimme geraubt. Urplötzlich wurde die unheilvolle Ruhe von schweren Schritten und an zunehmender Lautstärke gewinnenden Stimmen unterbrochen. Soldaten des Königs stürmten lärmend in meine Hütte. »Bacard! Was hast du getan!? Nehmt ihn fest! SOFORT!«, schrie einer der Soldaten entsetzt. Wie von einem Wespenschwarm wurde ich umringt und in Ketten gelegt. Ich wollte meine Unschuld beteuern, doch die erhebliche emotionale Belastung liess mich die Realität in der Unwirklichkeit eines Traums erfahren. Die Männer mussten mich beinahe tragen, da es schien als hätte ich die Kontrolle über meinen Körper verloren. »Lea.. Es tut mir so Leid.«, dachte ich und ergab mich gefangen in Emotionslosigkeit, meinem Schicksal. Sowie ich mit den Soldaten die menschenleeren Strassen entlang lief, zog etwas meine Aufmerksamkeit auf sich. In der kleinen Gasse, nach der Schmiedehütte stand, halb versteckt in der Dunkelheit ein Mann mit Kapuze. Und einem Verband über dem linken Auge. Die Explosion absoluten Zorns in meinem Herzen, entfachte in mir ein Feuer der Vernichtung, das meine Trauer wegbrannte, als hätte man sie in der Hitze der Hölle gebadet. »Ich kriege dich Wolve..«

 

Von Dunkelheit und Klagen umgeben, wachte ich am nächsten Tag auf. Oder war es länger? Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, doch schien ich heute etwas klarer bei Verstand zu sein. Sowie ich mich orientierte, erkannte ich, dass man mich in den Kerker der Burg gesperrt hatte. Ein Soldat sass vor meinen Gittern mit verschränkten Armen auf einem abgenutzten Holzstuhl. Er schlief. Jedoch kam ich nicht an ihn ran, was einen Ausbruch unmöglich erscheinen liess. Grübelnd, lehnte ich gegen die feuchte, kalte Kerkerwand und verharrte für eine gefühlte Stunde. Auf einmal vernahm ich Schritte aus dem langen Gang vor meiner Zelle und spähte aufmerksam der Dunkelheit entgegen. Ein geheimnisvoller Mann, gekleidet in einem alten Kapuzenmantel, näherte sich mir mit eiligen, gedämpften Schritten. Bedächtig zog er einen hölzernen Knüppel aus seinem Mantel hervor und schlug mit einem gezielten Hieb, den schlafenden Soldaten von seinem Hocker. Seufzend griff er mit seinen etwas zittrigen Händen nach den Gitterstäben und sprach mit ehrlicher Stimme:

»Bacard. Was passiert ist, verletzt mich zutiefst. So etwas habt ihr beide nicht verdient. Ich kenne dich und weiss, dass du ihr niemals so etwas antun würdest. Wenn ich dich doch nur nicht so lange aufgehalten hätte, würde sie vielleicht.. Es bleibt nicht viel Zeit. Du musst von hier weg. Du weisst so gut wie ich, dass Halem dir nicht zuhören wird. Der Schmerz um den Verlust seiner Tochter und die, in ihm aufkeimende Rachsucht, verlangen nach einem Schuldigen. Er will dich noch heute Abend hinrichten lassen.«

»Es ist schön dich zu sehen Argus. Natürlich würde ich ihr kein Haar krümmen! Aber das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache. Ich.. Ich weiss nicht wie ich ein Leben ohne sie ertragen kann.«, äusserte ich bedrückt und rang erneut mit aufsteigender Traurigkeit. Besorgt lauschte Argus meinen Worten und berührte mich verständnisvoll an der Schulter. Mit der anderen Hand brachte er einen kleinen Behälter aus seinem Gewand hervor, überreichte ihn mir und flüsterte:

»Trink etwas davon mein Freund. Es wird dir helfen. Du wirst es nicht verstehen aber du musst mir einfach vertrauen. Du wirst dich an einem fremden Ort wiederfinden. Ich.. Ich weiss nicht, was dich erwarten wird. Es ist jedoch unsere beste Chance dich vorerst zu verstecken. Aber keine Sorge. Wenn du dort bist, suche nach.. Was war das?! ..Aargh!« Noch während ich zögerlich einen Schluck des Gebräus genommen und ihm den Behälter zurückgegeben hatte, wurde Argus mitten im Satz von einem, ihm in die Seite schnellenden, Messer unterbrochen. Sein leidend in sich zusammensackender Körper offenbarte allmählich die Silhouette des Angreifers.

»Wie ich hörte willst du uns schon verlassen Bacard. Dachtest du ich lasse dich einfach so gehen? Was ich deiner Hure angetan habe, war nur der Anfang. Um mir zu entkommen musst du schon mehr tun als die Pisse eines alten Mannes zu trinken!« drohte Wolve erhaben und grinste mich hämisch an. Ich sagte nichts. Alle Worte der Welt verloren seit ich Lea tot aufgefunden hatte, schlagartig ihre Wichtigkeit. Vorallem wenn ich mit der Ursache meines Leids, diesem elenden Bastard konfrontiert war, verspürte ich lediglich eine enorme Mordlust. Doch das Gefühls-Chaos in mir, wich langsam einer seltsamen Beklemmung. Ich spürte das sich etwas in meinem Bauch ausbreitete. In meinen Armen. Meinen Beinen. Plötzlich durchfuhr feurige Hitze meinen Körper, als würde man mein Blut mit brennendem Öl auswechseln.

»Was soll das?! Was passiert hier!?«, schrie Wolve und wich aufgeregt zurück, als mein Körper sich aufzulösen begann. Besorgt und voller Fragen schaute ich in letzten bewussten Augenblicken auf den erstarrten Körper meines Freundes, bevor mein, durch die Korridore des Gefängnis hallender Todesschrei im Nichts erstickte.

 

Die Realität war wie ausgewechselt. Die Geisterhafte Szenerie, die sich vor mir auftat, raubte mir meinen Atem. Atmen? Ich weiss nicht einmal, ob man es atmen nennen könnte. Meine Lungen bewegten sich, doch war es auf keinen Fall Luft, die durch meinen Leib fuhr. Die atmosphäre an diesem Ort war erfüllt von schleierhaftem Rauch, der mich in unzähligen Farben umhüllte. Warme, rot glühende Flammen legten sich um meine Hände - drangen aus den Öffnungen meiner Rüstung. Mein Zorn, Meine Liebe, Mein Schmerz.. Alles war wie augelöscht. Ich fühlte mich, als wäre ich angekommen. Beschützt vom Leben selbst, behütet, sanft getragen durch die wundersame Stille. Unsichtbar für das Auge und doch allgegenwärtig. Ich war erfüllt. Erfüllt von tiefem Frieden. Geborgen in Zeitlosigkeit.

»Bin ich tot?«, fragte ich mit Freudentränen in meinen halbgeschlossenen Augen, als ich behutsam dem, endlos weit entfernten, Horizont entgegenglitt. Nach einiger Zeit verlor ich erneut die Besinnung.

 

»Hey du Penner, verpiss dich aus meinem Garten!«, nörgelte eine gehobene Stimme und riss mich aus meinem traumartigen Zustand. Ich öffnete die Augen und erkannte die Sonne, an einem wolkenlosen, tiefblauen Himmel stehend. Friedvolles Vogelgezwitschere erfüllte die Umgebung, während ich wieder saubere, wohltuende Luft atmete. Ich versuchte mich unter Anstrengung aufzurichten und suchte nach der Quelle des Lärms. Auf einem grünen Apparat mit Rädern sass ein seltsam gekleideter Mann, der mit den Händen fuchtelte und mir Beleidigungen entgegenbrüllte, die mich verwirrten. Bekiffter Drogenspinner? Ich stutzte.

»Ich verstehe euch nicht, Bauer. Nennt mir euer Anliegen!«, erbittete ich zu erfahren und Schritt ihm entgegen. Doch dieser sprang von seinem Gefährt, kam streitsuchend auf mich zu und versuchte mich zu schubsen. Er küsste sogleich den Acker, als ich ihm meine Faust ins Gesicht drückte. So ein Unsinniger. Erst sein Maul aufreissen, dann gleich umfallen. Wo war ich hier nur? Ich verliess das Land des bewusstlosen Narren und lief neugierig, eine grosse Strasse, aus glattem Stein entlang. Verwundert, betrachtete ich die Gegend. Die Häuser auf beiden Seiten waren solide erbaut worden, wahre Handwerkskunst. Auch die zahlreichen Gefährte aus Blech, oder welches Material es auch war, wussten zu beeindrucken. Hatte mich Argus durch die Zeit geschickt? Emotional fühlte ich mich noch immer vollkommen erneuert, erinnerte mich aber an alles. Lea.. Ich folgte nachdenklich der Strasse, die letztendlich an einem Ort mündete, der etwas stärker besiedelt war. Die bunt gekleideten Menschenmassen, würdigten mich keines Blickes, denn zum grössten Teil starrten alle auf schwarze Geräte in ihrer Hand. Jeder besass seine eigene, kleine Maschine, auf der man mit den Fingern tippte und wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben, strömten sie an mir vorbei. Zwei kleine Mädchen kreuzten meinen Weg. Ich erinnerte mich an die Begegnung in meiner Zeit. Doch die Gesichter dieser Mädchen strahlten keine Freude aus. Kein aufgeregtes Lachen. Auch ihre Augen fixierten das Ding in ihren winzigen Händchen. Besorgt, hielt ich einen der Menschen auf:

»Herr! Bleibt bitte einen Moment stehen. Was ist hier geschehen? Wofür sind diese Geräte?« Als hätte ich ihn aus einer anderen Welt gerissen, schreckte er verstört auf, stiess mich zurück und kreischte: »Alter! Verschwinde du Freak!«, und reihte sich wieder in den Strom der Leute ein. Ich stand verwirrt zwischen der Bevölkerung, während ich spürte, wie sich eine bedrückende Leere in mir auftat, als würde ich von der Anwesenheit der anderen vergiftet werden. Die Welt war zu einem grotesken Schauplatz bestehend aus purer Desinteresse verkommen. So schien es. Wozu lebt man überhaupt, wenn man dem Leben keine Beachtung schenkt?

»Ich muss in der Hölle gelandet sein.«, sagte ich zu mir selbst.« Ich drängte durch die Menge und stand zu guter Letzt an einem Haus, vor dem einige Leute an runden Tischen sassen und verschiedene Getränke zu sich nahmen. Eine Schenke konnte ich nach meiner Verärgerung gut gebrauchen und setzte mich auf einen der freien Plätze. Sogleich kam ein, in weiss gekleideter, junger Mann zu mir und fragte ob ich etwas zu trinken haben möchte, nachdem er eingehend meine Rüstung gemustert hatte. Ich dachte kurz nach und antwortete:

»Natürlich Bursche. Bringt mir ein Bier!« Er bedankte sich für die Bestellung, verschwand für eine Minute und kam dann mit einem edlen Glas zurück, indem ein herrlich prickelndes Bier umher schwabbte. Behutsam stellte er es vor mich hin und kramte eine lederne Börse hervor.

»Hier! Nehmt diese 2 Silbermünzen mein Junge.« Der Kellner sah verdutzt in meine Hand. Einen Moment lang wirkte es, als wüsste er nicht mehr weiter, willigte dann aber lächelnd ein und steckte die Münzen in seine Tasche. Ein merkwürdiger, junger Mann. Ich genoss also mein Bier und sah mich um. Nach längerer Zeit des Beobachtens anderer Menschen fiel mir auf, dass einige wenige von ihnen noch anwesend zu sein schienen. Jedenfalls waren sie sichtlich irritiert, als sie mich erspähten. Ihre Blicke strahlten, angesichts meiner eindrücklichen Erscheinung, sowohl Begeisterung, als auch Furcht aus. Langsam aber sicher wurde es mir selbst unangenehm. Ich entschied mich diesen Ort zu verlassen und mein neues Umfeld zu erkunden. Eine breite Gasse, über die viele Bewohner mit Taschen in den Händen, von Hauseingang zu Hauseingang liefen, weckte meine Neugier. Könnte eine Art Marktplatz sein. Ich betrat die Geschäfte und staunte über die schier enorme Auswahl an Plunder, der zu erstehen in den unzähligen Regalen bereitstand. Ich dachte an mein Schwert, dass ich in meiner Zeit zurücklassen musste, da mich die Soldaten entwaffnet hatten.

»Entschuldigt altes Weib. Wo kann ich hier ein Schwert kaufen?«, erkundigte ich mich bei einem gebrechlichen Frauenzimmer , das gebückt, einen mit allerlei Kram befüllten Gitterkarren vor sich herschob. Finster blickte sie zu mir hoch, schlug mich mit ihrer Handtasche und preschte davon.

»Ihr Gewitterziege!«, schrie ich hinterher und stapfte mürrisch aus dem Laden. Ich machte mich ,wieder in der Gasse angekommen, bei anderen Leuten über eine Schwertschmiede schlau und wurde von den verblüfften Bewohnern in eine bestimmte Richtung verwiesen. Ich ging ein Stück die Strasse runter und fand ein Geschäft in dem viele, hochwertige Schwerter ausgestellt waren. Interessiert betrat ich den Raum und sah sie mir genauer an. "Anduril – Flamme des Westens". Das klingt doch vielversprechend, dachte ich mir. Was auch immer ein "Herr der Ringe" sein sollte, ich erstand das gute Stück für nur 10 Silbermünzen. Auch dieser Verkäufer wusste zuerst nicht wie er auf meine Bezahlung reagieren sollte. Fragend sah ich ihm zu, wie er es in durchsichtigen Müll und hartes, braunes Papier einwickelte. Mit einem Naserümpfen, bedankte ich mich und entfernte mich vom Schmied. Kaum an der frischen Luft, riss ich den Müll von der Klinge und schob es in meine leere Schwertscheide. Schon viel besser. Ordentlich bewaffnet, setzte ich meinen Weg durch Enge Gassen fort und befand mich letztlich auf einem wenig begangenen Platz mit steinernen Bänken. Es musste ein Ruheplatz für ältere Bewohner sein, denn mir war aufgefallen, dass die Menschen in dieser Zeit länger zu leben schienen. Bei uns war es nicht üblich, dass man sehr alt wurde. Plötzlich hörte ich eine Ansammlung von verschiedenen Geräuschen, die sich mir von hinten näherten. Instinktiv führte ich meine Hand an den Schwertgriff und wirbelte herum. Ich machte drei junge Menschen aus, zwei Jungen und ein Mädchen die auf hölzernen Brettern an mir vorbei rollten. Der vorderste von ihnen, trug einen Schwarzen Sack auf dem Rücken, aus dem laute, rhythmische Töne dröhnten. War das die Musik der Zukunft? Sie hielten bei einem der Bänke, lachten und unterhielten sich. Eingehend beobachtete ich, wie einer davon, ein kleines, blaues Ding hervorzog. Mit nur einer Daumenbewegung, hatte sich aus einer winzigen Öffnung eine Flamme gebildet, mit der er, einen weissen Stängel in seinem Mund entflammte. »Der Feuermacher! Argus hatte also Recht.«, stellte ich erstaunt fest. Vorsichtig näherte ich mich ihnen:

»Hallo Kinder. Wie nennt man diese Musik?« Von meiner Unwissenheit und meinem Aussehen sichtlich überrascht meinte einer von ihnen es handle sich um „Deathmetal“ und wollte wissen ob es mir denn gefalle. Ich fokussierte mein Gehör eine Zeit lang auf das Geschrei des Barden und fand es seltsamerweise ziemlich gut. »Ohne Zweifel sind es interessante Klänge die da aus deinem Sack hallen. Ist dies ein Musiksack?«, informierte ich mich ernst. Die Kinder lachten mich aus. Dann meinten sie, es sei eine „Musikbox“, die darin umhergetragen wird und bemerkten, ich käme wohl aus dem Mittelalter. Wird so die Zeit aus der ich komme genannt? Nach einem angenehmen Wortwechsel, setzte ich mich zu ihnen auf die Bank und das Mädchen der Gruppe wollte mir ein Kunststück auf ihrem rollenden Brett zeigen. Ich schaute gespannt zu. Sie holte ordentlich Anlauf und sprang in die Höhe. Nachdem sich das Brett ästhetisch in der Luft gedreht - und wieder auf den winzigen Rädern landete, lächelte sie mich verstohlen an, genau wie Lea es immer tat. Die Zeit stand für einen Moment still, als hätte jemand die Gesetze der Welt ausgehebelt, was mich einen Augenblick ewiger Schönheit erleben liess. Das Mädchen kam auf mich zu:

»Möchtest du es einmal probieren?«, wollte sie schüchtern wissen. Ich löste mich aus meiner Entrückung und konnte ihr, ihren Wunsch natürlich nicht abschlagen. Nervös stand ich auf das Brett und versuchte ihr Kunstwerk nachzuahmen. Ich landete den „Trick“ mit einer Perfektion, von der alle Rollbrettfahrer der Welt sich eine Scheibe abschneiden sollten. Natürlich mache ich nur einen Scherz, es hatte mich gleich zu Anfang aufs Maul gehauen und das Brett zerbrach unter dem Gewicht meiner Rüstung.

»Verdammte Scheisse!«, zeterte ich vor mich hin und rappelte mich wieder auf. Die Kinder rannten besorgt zu mir hin uns sahen nach dem Rechten.

»Das hat Spass gemacht. Das mache ich nie wieder.«

 

Einige Zeit später, fuhr ein Schwarz-Weisses Gefährt neben uns hin und hielt an. Die Kinder riefen etwas von „Bullen“, sprinteten aufgeregt davon. Doch das Mädchen blieb bei mir, packte mich am Arm und zog mich mit. Wie rannten durch die Menschenmenge, als wäre der Teufel persönlich hinter uns her. Als wir unsere vermeintlichen Verfolger abgehängt hatten, machten wir gemeinsam einen Spaziergang durch einen von Bäumen umringten Schotterweg.

»Ich bin Anna!«, stellte sich die Kleine vor und streckte mir strahlend ihre Hand entgegen. »Sehr erfreut Anna. Mein Name ist Bacard.«, erwiderte ich und küsste sie sanft auf ihren weichen Handrücken. Errötet wandte sie ihren Blick ab und kicherte leise vor sich hin. Wir liefen eine Weile durch das kleine Waldstück mitten in der Stadt, den die Bewohner „Park“ nannten, wie ich in unserem Gespräch erfuhr und genossen einige ruhige Momente zusammen. »Du hast eine coole Rüstung! Warum trägst du sie in der Öffentlichkeit?! Warst du an einem LARP-Event?« Etwas überfordert mit ihren Fragen, erklärte ich, dass, da wo ich herkomme, solche Rüstungen allgemein getragen wurden.

»Entschuldige, dass ich dein Holzbrett zerstört habe. Ich werde dir bei Gelegenheit im Wald ein neues suchen!«, versicherte ich Anna. Wieder kicherte sie und meinte, es sei kein Problem. Nachdem wir das Gebiet wieder verliessen, lud mich meine neue Bekanntschaft zu einer „Party“ ein, was scheinbar so etwas wie „Saufgelage“ bedeutete und nach ihrem Wissen bereits im Gange war. Ich hatte mir schon Gedanken darüber gemacht wie ich wohl wieder in meine Zeit zurückkehren konnte, jedoch erlebt man sowas nicht alle Tage und ich fand, dass ich mir einen Tag frei nehmen durfte. Also sagte ich zu. Wir gingen ein gutes Stück und kamen schliesslich bei einem grossflächigen Haus an, aus dem die selbe Art neuartiger Musik drang, die ich bereits kennengelernt hatte. Aufgeregt, ging ich mit Anna die Stufen der hölzernen Treppe zur Eingangstür hinauf und betrat das Haus. Es waren viele Leute anwesend. Sie schrien, tanzten wild herum und verschütteten ihre klebrigen Getränke auf dem Fussboden. Es dauerte nicht lange, dass ich ihnen auffiel, sie eilig auf mich zukamen und meine Panzerung begrabschten. Ausrufe wie: „Boah!, oder „Aaalter!“ wiederholten sich ständig inmitten von Gelächter und Euphorie. Schliesslich konnte ich mich durch die Meute hindurch kämpfen und wurde von einem schwankenden Fremden, mühsam dazu genötigt, sein süsslich stinkendes Getränk auszutrinken. Da der Boden sowieso schon klebrig war, schmiss ich dem Hundsfott, den Becher ins Gesicht und machte mich gemütlich auf die Suche nach etwas stärkerem. Doch Anna war mir zuvorgekommen und brachte mir einen hölzernen Becher, wie ich sie gewohnt war, gefüllt mit herrlich schmeckendem Met. Ich nickte ihr dankend zu und wir sahen uns eine Weile in die Augen. Langes, schwarzes Haar überdeckte zur Hälfte ihre markanten Wangenknochen. Ihre blauen Augen funkelten mich im gedämpften Licht des Raumes an und ersetzten meine zuvor gefühlte Emotionslosigkeit mit einem warmen Kribbeln. Wenn ich in dieser Zeit geboren wäre, würde Sie diejenige sein, mit der ich meine Zeit verbringen möchte. Leider musste ich aber einen Weg zurück finden. Ich senkte traurig meinen Blick und löste mich von Annas Augen, als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss und den magischen Moment, den wir teilten, zerstörte, wie ein Schwert, das ein wunderschönes Gemälde entzweit. Sie musterte mich bedrückt, sagte jedoch nichts. Ich vermute sie spürte, dass etwas an mir anders war. Dann nahm sie vorsichtig meine Hand, führte mich zu einer etwas abgelegenen Stoffbank und setzte sich neben mich hin. »Zeigst du mir dein Schwert?«, fragte sie schüchtern und bemerkte, dass es nicht gerade scharf sei, nachdem ich es ihr übergab. Ich erklärte, dass ich es aus einem ihrer Läden gekauft - und nicht erwartet hätte, hier auf scharfe Schwerter zu treffen, da die Menschen nicht in ständiger Gefahr zu sein schienen und deshalb ohne Waffen ihre Zeit verbrachten.

»Mhh, na gut. Ich habe, als wir uns vorhin kennenlernten gesehen, wie du das Feuerzeug meines Kumpels angesehen hast. Möchtest du eins haben?« Ich bejahte und steckte es ein, obwohl ich nicht genau wusste, wofür ich es benutzen sollte. Danach verging die Zeit wie im Flug. Wir spielten Spiele wie „Bier-Pong“, oder „Assassin's Creed“ an einer komplexen Maschine, die sie „Playstation“ nannten. Eine menge verrücktes Zeug, erfanden die Menschen in den letzten 1000 Jahren, dachte ich. Aber es hatte auch seine positiven Aspekte. Das Leben schien etwas unbeschwerter und weniger grausam zu sein, als zu meiner Zeit. Jedoch hoffte ich trotzdem, wieder einen Weg nach Hause zu finden und als der Alkohol in meinem Blut seinen Höhepunkt erreichte, schlief ich auf der weichen Polsterung der Stoffbank ein.

 

Eine leise Stimme, weckte mich aus meinen Träumen.

»Lea? Bist du das?«, nuschelte ich schlaftrunken, bis mir Anna einen Kuss auf die Wange gab und ich ,mit dröhnendem Schädel, zurück in der Zukunft war. Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln und sowie ich wieder etwas Nüchternheit erlangte, bat ich Anna, mir zu verraten ob es hier in der Nähe irgendwo Aufzeichnungen über dieses „Mittelalter“ gab. Ich wollte mehr über meine Zeit erfahren und vielleicht würde ich ja sogar Informationen bezüglich Argus finden. Sie bestätigte meine Frage und erzählte mir, es gäbe in der Nähe eine alte Burgruine, die in den letzten Jahrzehnten, zu einer Bibliothek umgebaut wurde. Dort musste ich hin! Anna bestand darauf mich zu begleiten und es lag mir fern etwas dagegen zu haben. Wir fuhren mit dem „Bus“, einem grossen Gefährt, indem man viele Menschen einpferchen konnte, bis zu der Haltestelle, vor der Burgruine. Ich erkannte sie sofort. Es war die Burg von König Halem. Sie hatte wirklich schon bessere Tage erlebt. Die Mauern waren grösstenteils eingestürzt und überwuchert mit allerlei Gewächsen. Drinnen angekommen überkam mich ein seltsam vertrautes, zorniges Gefühl. Ich spürte, dass sich etwas verändert hatte. Etwas Unheilvolles. Anna bemerkte die Veränderung meines Gemüts und hielt meine Hand fest, während wir die Bibliothek betraten. Ich fragte den Bibliothekar nach den ältesten Aufzeichnungen, die er besass und schon nach kurzer Zeit legte er mir einige Bücher, Dokumente, Schriftrollen, Urkunden, alte Wertpapiere und so weiter auf den Tisch. Als ich ein Geschichtsbuch überflog, musste ich mit bedauern feststellen, dass die Menschen nie aufgehlört hatten zu kämpfen. Eine lange Blutspur. Sie hatten auch 1000 Jahre später noch nicht gelernt, miteinander zu sein, statt gegeneinander. Wie lange würde es denn noch dauern, bis eine Veränderung eintrat? Enttäuscht suchte ich weiter nach einem Eintrag, der mir weiterhalf. Und dann fand ich ihn. Ich zitiere: „Argus Zemekis war ein bekannter Kräuterkundler und Shamane des 12. Jahrhunderts (Auch „Der Zauberer“ genannt). Jahre vor seinem Ableben am 15. Juli 1167, vermuteten seine Mitmenschen, er habe Aufgrund des Verlusts seines Freundes „Bacard Murselles“ eine schwere psychische Erkrankung erlitten, woraufhin er Jahrelang einen bestimmten Satz wiederholte (Wodurch er schliesslich an Bekanntheit gewann). Er schrieb und schmierte den Spruch überall hin wo er konnte. Bis zu diesem Tage, hat niemand den Satz verstanden, weswegen man Argus als verrückten abstempelte und schliesslich auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Der Satz lautete laut Überlieferungen: „Mein Freund, Ich habe überlebt. Du wirst verfolgt, sei auf der Hut. Grabe hinter Sprössling. Ich glaube an dich.“ Fassungslos sass ich vor dem Text. Ich werde verfolgt?

»Anna! Steht hier irgendwo eine Alte Fichte?!«, fragte ich erregt nach. Sie überlegte kurz und entgegnete:

»Ich kenne mich zu wenig aus mit Bäumen.. Aber warte ich kann es herausfinden.« Gespannt schaute ich ihr zu, wie sie ihr schwarzes Gerätchen hervornahm und darauf herumtippte. »Yess!«, schrie sie kurze Zet später auf und berichtete, sie hätte einen Eintrag gefunden über eine alte Fichte, hier ganz in der Nähe. Diese „Handys“ waren also doch zu etwas zu gebrauchen. Draussen angekommen, führte mich Anna zu der Stelle an dem der Baum stand. Ich staunte. Sprössling war ein Riese geworden. Im Geiste formte ich mir ein Bild, wo Argus' Werkstatt stand und fing dann hinter dem Baum an zu graben. Schon nach wenigen Minuten, stiess ich auf etwas hartes. Ein verwitterter, alter Metallbehälter ragte aus dem Dreck hervor. Ich zog ihn mit beiden Händen an dem Griff an die Oberfläche und bevor ich ihn öffnen konnte, ertönte eine bekannte Stimme: »Endlich habe ich dich Bacard. Du bist nicht gerade der Hellste in Sachen Spuren verwischen. Dachtest du, ich finde dich nicht? Ich weiss über alles Bescheid. Erst wirst du sterben. Dann wird deine neue kleine Freundin sterben. Schon wieder nicht wahr?! Hahahah! Nachdem ich mich euch beider entledigt habe, kehre ich zur.. was zum!?« Ich liess das Arschloch nicht zuende sprechen und preschte schreiend auf Wolve zu wie ein tollwütiger Köter. Im Sprint zog ich mein ungeschliffenes „Anduril“ aus der Schwertscheide und schlug wild auf ihn ein. Er war jedoch nicht unvorbereitet und konnte meine Schläge mit seinem eigenen Schwert gerade noch abwehren. Jedoch fiel es ihm schwer, meinen wütenden Hieben stand zu halten und seine Waffe flog in hohem Bogen ins Gras. Er fiel nach hinten, nahm eine Hand voll Erde und schleuderte sie mir ins Gesicht. Geblendet, stolperte ich umher, so dass er sich erholen konnte. Dann sprang er mir auf den Rücken, rang mich nieder und verpasste mir ein paar harte Schläge in mein, von Dreck benetztem, Gesicht. Ich versuchte angestrengt ihn von mir runter zu stossen, doch er war stark. Er drückte meine Kehle mit bestialischer Miene zu und langsam wurde meine Sicht verschwommener, die Geräusche dumpfer. Ich sah zu Anna hinüber, die sich unter Tränen, verängstigt und zusammengekauert hinter der Fichte versteckte. NEIN! Ich musste etwas tun! So durfte es nicht enden! Ich löste meine Hand von Wolves Kettenhemd, zog meinen Feuermacher hervor und entzündete die Flamme direkt vor seinem gesundem Auge. Sofort erschrack er und kippte von mir runter. Jetzt war ich am Zug. Taumelnd fiel er auf den Rücken, als ich ihm eine saftige Kopfnuss verpasste. Ich setzte mich auf seine Brust und schlug ihm so lange meine Fäuste ins Gesicht, bis er sich kaum noch wehren konnte. Anduril's Schwertspitze leuchtete kurz im grellen Sonnenlicht auf, als ich es aufhob und Wolve hässliche Visage zerstach bis sein Blut, aus einem Dutzend Wunden giessend, im Dreck versickerte. Endlich war er tot. Ich hatte meine Rache und doch war es noch nicht zu Ende. Erschöpft, schleppte ich meinen Körper zu Anna und umarmte sie, während ich sie tröstete. »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist Anna. Es ist vorbei. Ich muss dich jetzt leider verlassen. Ich.. Ich weiss nicht ob wir uns wiedersehen werden, aber falls eine Möglichkeit besteht, erhoffe ich es mir sehr.« Sie umarmte mich fester. Zusammen an die Fichte gelehnt, verharrten wir noch einen Moment, bis ich Gewissheit hatte, dass sie wieder ruhiger wurde. Dann liefen wir gemeinsam zu der Kiste, die Argus vor langer Zeit für mich versteckt hatte. Mit einem lauten Knacks öffnete sie sich und brachte lediglich einen anderen Behälter, in dem eine blaue Flüssigkeit schwabbte, hervor. Ich verabschiedete mich von Anna mit einem dankbaren Kuss, atmete zwei mal tief ein und aus und würgte den säuerlich schmeckenden Trank mit einem Schluck hinunter.

»Falls du dich noch an mich erinnern wirst, sobald ich weg bin, grabe an derselben Stelle Anna.« Sie nickte bekümmert und sah zu, wie ich mich langsam aufzulösen begann.

 

»Bacard, wo hast du deine Hure gelassen?«, witzelte Wolve mit lauter, gehässiger Miene und plusterte sich herausfordernd an meinem Tisch auf..

»Moment. Diese Szene hatten wir doch schon?«, fragte ich mich selbst und schaute in meiner alten Schenke umher. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Ich war wieder hier. Lea.. Sie musste noch leben. Ich kann Sie retten. Gelassen schaute ich zu Wolve hoch.

»Hey Wolve, ich finde wir sollten uns nicht streiten. Ich habe gestern etwas hier in der Nähe im Wald entdeckt, dass ich dir aus gutem Willen anvertrauen werde. Kommst du mit?« Erst schaute er mich skeptisch an, willigte dann aber ein mich zu begleiten. 2 Stunden später, lief ich alleine aus dem Wald heraus und teilte meinen Kameraden mit dass Wolve leider gestürzt und im See ersoffen war. Was für eine Tragödie.. Ich verlor keine Zeit mehr und spurtete fieberhaft in die Burg, schlug Lea's Zimmertür auf und umschlang sie mit meinen Armen.

»Bacard? Schatz, was ist denn los?«.

»Nichts Liebes. Jetzt ist alles wieder gut..«

 

Graben? Dachte Anna verwundert, als Sie nach Bacard's Verschwinden eine subtile Veränderung in der Atmosphäre bemerkte. Sie erinnerte sich. Eifrig begann sie den Behälter ans Licht zu bringen, der seit über 900 Jahren dort auf sie gewartet hatte und öffnete ihn. Im Behälter befand sich ein, aus Baumholz und Metall gefertigtes,.. Skateboard.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.06.2019

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /