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Kapitel 1-?

 

Kasviath

 

Kasviath

 

»Gabe jetzt mach schon, ich will weiter!«

»Stress mich nicht, ich muss mich erst sammeln!«, erwiderte Gabe seinem Freund Wesley, der bereits den Sprung über den friedlich plätschernden Bach gewagt hatte und sich nun schon fast am Fuss des Berges, der majestätisch über ihren Köpfen thronte, befand. Gabe atmete drei Mal tief ein und aus, trat wenige Schritte zurück und stürmte sogleich auf den Bach zu, den er mit einem weiten Satz überqueren konnte.

»Wow sieh an! Schön hast du dich doch noch getraut. Aber lass deine Ladung Mut nicht jetzt schon raus, schliesslich müssen wir noch da hochklettern.«

»Wird schon gehn’. Ich will aber genug Pausen machen.«

»Wie Sie wünschen, Prinzessin.« antwortete Wesley mit gehobener Stimme und einem überlegenen Lächeln im Gesicht. Die beiden setzten ihren Weg, dem Berg entgegen fort. Je näher sie ihm kamen, desto mehr stiegen in Gabe Zweifel auf, diese Herausforderung zu überstehen, ohne aus allen Löchern zu pfeifen. Wes hingegen lächelte zufrieden vor sich hin und genoss die schwedische Idylle, von der er schon so viel gehört und gelesen hatte. Am Bergfuss angekommen begann der Aufstieg. Erst einem von Blumen und Gestrüpp umgebenen Wanderweg - später einem steiler und schmaler werdenden Schotterpfad entlang. Gabe zögerte, Wesley zu beichten dass er nun unbedingt anhalten wollte, da der Pfad am Berg entlang gar kein Ende zu nehmen schien. Doch dann blieb er Abrupt stehen und keuchte mit letzter Kraft:

»Alter! Halt an, wenn ich noch weiter gehe muss ich kotzen!« Wes, der schon einige Meter Vorsprung hatte, kehrte um, lag seine Hand auf Gabe’s durchnässte Schulter und antwortete:

»Aufputzen müssen Sie’s aber selber, Miss.« Gabe schmunzelte, ging in die Knie und liess einen vor Anstrengung verzweifelten Lacher von sich, bevor er sich ganz hinsetzte und schlussendlich flach auf dem steinigen Boden lag. Wesley blickte nachdenklich zur untergehenden Sonne:

»Ich würde sagen, wir lagern hier. Es wird bald dunkel, der Platz ist Okay und Holz für ein Feuer liegt auch schon bereit. Einverstanden?«

»Klingt gut. Du stellst schon mal das Zelt auf, bereitest ein Feuer vor und machst alles andere, was wichtig ist auch.«

»Immerhin ist dein Humor nicht mit deiner Power flöten gegangen.«, zischte Wes gereizt.

»Und jetzt steh auf und hilf mir mit dem ganzen Kram hier, ich möchte Fertig sein bevor ich nichts mehr sehe.«

Gabe setzte sich auf und seufzte erschöpft, bevor er mit einem Ruck wieder auf den Beinen war. Als die Sonne fast vollständig hinter der, vom letzten Sonnenstrahl rosa erhellten, Landschaft verschwand, sassen Wesley und Gabriel vor ihrem Zelt auf dem Boden und sahen den lodernden Flammen ihres solide erbauten Feuers zu.

»Schau mal hier!« sagte Wes und griff in seinen Rucksack, der neben ihm, an einen knorrigen Baumstumpf angelehnt war. Hervor zog er eine grosse, breite Flasche mit einer, im Feuer leicht bräunlich schimmernden Flüssigkeit und schwenkte Sie grinsend vor Gabe’s unbeeindrucktem Blick hin und her.

»Whiskey. Dein Ernst? Ich hab dir doch gesagt du sollst dieses Zeug zu Hause lassen. Ich fühle mich nicht mehr wohl dabei, nachdem was meinem Bruder passiert ist. Das hast du doch mitbekommen.«, fauchte Gabe und sah genervt in die Flammen.

»Natürlich weiss ich es noch. Ich hab schon geahnt, dass du so reagierst. Sorry man. Ich dachte nur: Wenn wir schon zusammen auf so einen Trip gehen, möchte ich das auch feiern und da ist Alkohol halt naheliegend. Der Moment ist doch günstig. Komm schon, tu mir den Gefallen, ich trage dich auch den verdammten Berg hoch.«

Gabe verharrte einen Moment und antwortete nachgiebig:

»Mhhh na gut. Aber wenn du anfängst zu sabbern werfe ich dich ins Zelt und Schluss ist mit feiern.« Wesley nickte ihm dankend zu und füllte die kleinen Shotgläser mit dem Getränk, während Gabe ihm mit schlechtem Gewissen zuschaute.

»Nimm’s locker, alles wird gut. Wes hat es sich verdient und ich will ihm ja auch nicht seinen Spass verderben.« dachte sich Gabe bevor er nach dem Glas griff.

»Auf unser Abenteuer!!« schrie Wesley aufgeregt und nachdem das Echo verstummte, waren die Gläser leer.
Wes bestand auf einen Zweiten. Und einen Dritten. Als der Alkoholpegel zunahm, verlor Gabe seine Hemmungen. Er vergas seine Probleme und fühlte sich wohl im Hier und Jetzt, mit seinem besten Freund mitten im Nirgendwo am Ende der Welt. Er spürte eine kühle Brise, die sich sanft heulend, durch den noch endlosen Pfad zum Gipfel des Berges schlängelte und lehnte mit leichter Anstrengung nach hinten, bis er auf dem Rücken lag und den Sternenhimmel musterte. Gabe schloss für ein paar Minuten seine Augen und genoss die Wärme des Feuers. Die vom Alkohol ausgelöste Benommenheit, hob seine Mundwinkel zu einem relaxten Lächeln an.

»Ich bin froh, dass wir diese Reise unternommen haben. Ist echt erfrischend mal weg zu sein von diesem langweiligen Alltag.« Langsam driftete er ab und nickte dann zufrieden ein.

 

»Wes?.. Wes?!« schrie Gabriel bekümmert als er wieder zu sich kam. Sein Freund war nicht mehr da. Während er versuchte sich zu erheben, bewegte er seine Hand in die Glut des Lagerfeuers und schrie auf:

»Fuck! Wo ist denn dieser Idiot hingelaufen. Wesley!? Verdammt, was mache ich jetzt?«

»Gabe, dreh nicht durch! Hier oben! Komm her und nimm die Taschenlampe mit!«, ertönte es aus der Ferne. Gabe griff sich verärgert die Lampe aus Wesleys Rucksack und rannte den Pfad hinauf. Sein Freund stand abseits des Weges, vor einem gewaltigen Loch im Felsen.
»Geht’s dir noch gut, einfach so wegzulaufen verdammt nochmal?!«

»Jaja, ich war mir nur kurz die Beine vertreten. Ich dachte du würdest schlafen, also wollte ich dich nicht wecken. Aber schau mal was ich gefunden habe!,« sagte Wes mit euphorischer Stimme.

»Wow ein Loch. Lobet Wesley, er hat ein beschissenes Loch gefunden.«, erwiderte Gabe sarkastisch.

»Das ist kein beschissenes Loch, sondern ein beschissener Tunnel!«, beteuerte Wes mit gehobenem Zeigefinger.
»Noch besser. Leider ahne ich schon, welche geniale Idee du als nächstes parat hast. Schon wenn ich nur daran denke da reinzugehen läuft’s mir kalt den Rücken runter.«

Wes stutzte und antwortete mit einem Hundeblick:

»Ach komm schon, das gehört zu unserem Abenteuer. Wir müssen ja auch nicht weit hineingehen, ich möchte es mir nur mal ansehen.«
»Na gut, aber wenn wir dann von einem Höhlenbewohner zerstückelt und gegessen werden, ist alles deine Schuld.« Gabe schluckte einmal leer und folgte dann seinem Freund in den Berg hinein. Schon nach kurzer Zeit, in der die beiden durch den dunklen Gang schritten, stiegen bei Gabe ernsthafte Bedenken auf. Er klopfte Wes auf den Rücken:

»Alter, lass uns umkehren. Gehen wir ins Zelt schlafen. Wir können uns das hier auch morgen reinziehen, es ist viel zu spät für solche Aktionen.«

Doch Wes hörte nicht auf ihn und lief wie in Trance, mit einer Hand über die feuchte Wand des Tunnels streichend, weiter und weiter in die Dunkelheit. Nach Minuten des Herumirrens schien sich der Gang auszuweiten und so standen die Jungen schliesslich in einem hohen, gewölbten Raum. Auf dem eingetrockneten Matsch konnte man Abdrücke von Tieren erkennen, die alle um den Zentralen Punkt des Raumes verliefen. Als hätten sie sich davon fernhalten wollen. Nach wenigen Schritten füllte sich Gabes Brust mit grossem Unbehagen.
»Oh mein Gott.. Wesley.. Was zum Teufel ist das?.«, fragte er verblüfft, als Wes’s Taschenlampe einen riesigen, von Moos bedeckten Metallkasten aus der tiefen Schwärze hervorbrachte.

»Bleib cool man, das hat bestimmt irgendjemand hierher gebracht.«

»Ja klar!: Hey Joe, lass uns mitten im nirgendwo einen 2 Meter hohen Blechcontainer im Innern des Berges verstecken!«, witzelte Gabe.

»Nein im Ernst Wesley, ich hab keinen Bock mehr, lass uns gehen.«, fuhr er fort. Wes ignorierte Gabe’s Gejammer und trat näher an den Behälter heran. Obwohl er völlig überwachsen und im Boden verwurzelt war wirkte das Konstrukt funktionsfähig. Er wischte mit seiner Handfläche den Staub von dem, sich seltsam anfühlenden, Material. Unter dem Staub der Aussenhülle verbargen sich fremde Zeichen.

»Was da wohl stehen mag. Ist das überhaupt eine Sprache?«

»Sicher ist das eine Sprache. Da steht: Ich bin ein überdimensionaler Wasserkocher!« antwortete Wes kichernd und lief um das Gefäss herum, bis er schliesslich vor einer rechteckigen Fläche, die an der Hinterseite des Behälters herausragte, stehen blieb.

»Sieht aus, wie eine Art Bildschirm.« murmelte Gabe vor sich hin, als er sich neben Wes stellte, der plötzlich seine Hand hob und die Fläche mit seinem Zeigefinger berührte.

Nichts. Nun strich er mit seiner Hand von Links nach Rechts. Urplötzlich begann der Bildschirm, in hellroten Farbtönen zu flackern, bis nach und nach die ganze Kapsel das rote Licht ausstrahlte und die Höhle erhellte. Nach einigen Sekunden, stiess die Maschine ein kurzes, ohrenbetäubendes Pfeifen aus, als würde Luft aus einem Autoreifen entweichen. Das rote Licht, das aus allen Ritzen des Apparats drang, formte nun die Umrisse einer Tür, genau neben dem Bildschirm, vor dem Wes und Gabe sich befanden. Der untere Teil der Tür setzte sich in Bewegung und riss Teile des Bodens mit sich, als sie sich gegen oben hinweg öffnete. Der Behälter offenbarte einen gepolsterten Hohlraum, aus dem eine menschenähnliche Gestalt, vor den Füssen der beiden Jungen, mit einem dumpfen Aufprall zu Boden fiel. Die Geräusche der Kapsel verstummten und alle Lichter verloren langsam an Kraft. Bis auf Wes’s Taschenlampe, die er in Entsetzen auf die Kreatur richtete war es in der Höhle wieder Stockdunkel geworden. Er leuchtete den Scheintoten vorsichtig ab. Die rot-schwarze Haut des Geschöpfes schimmerte im Lichtkegel der Lampe. Der Kopf war bestückt mit zwei schwarzen, hörnerartigen Gewächsen anstelle der Ohren. Der Mund - leicht geöffnet, verbarg spitze Zähne. Der Aufbau des Gebisses glich anhand der mehreren Reihen, dem eines Hai’s. Ansonsten war von den Füssen bis zu den Händen alles da, auch wenn die Hände nur je drei Finger besassen und die Beine vom Knie abwärts einer Panzerung glichen. Auf dem Rücken waren mehrere Stacheln zu sehen: Zwei grosse auf den Schulterblättern und viele kleinere der Wirbelsäule entlang. Die beiden Platten auf den Schultern, hatten Ähnlichkeit mit den Beinprothesen. Die Rüstung schien jedoch aus dem Innern des Körpers zu dringen. Eine Art genetischer Schutzpanzer.

»Was sollen wir jetzt tun Wes? D-d-dieses Ding sieht nicht gerade freundlich aus.«, stotterte Gabe ängstlich. Wes drehte sich zu Gabe um und flüsterte:

»Lass uns jetzt Ruhe bewahren. Wir müssen aus diesem Tunnel raus und jemandem davon erzählen.«

»Wir sind am Arsch der Welt! Wie willst du hier Hilfe holen? Du hattest ja die geniale Idee unsere Handys nicht mitzunehmen.«, fauchte Gabe vorwurfsvoll. Wes verdrehte die Augen und erwiderte:

»Diese dämlichen Handys hätten nur das Abenteuer-Feeling zerstört, das, wie ich mich erinnere, DU auch nicht durch irgendwelche Techink ruinieren wolltest!«

Die beiden wurden in ihrem Wortgefecht immer lauter und ihre Stimmen hallten stärker durch den Raum, bis Gabe wie aus dem Nichts zusammenzuckte und seinem Freund den Mund zuhielt. Er schaute sich mit wachen Augen im Raum um.

».. Das Ding ist weg.« stammelte er und blickte seinem Freund voller Furcht in die Augen.

»Es war doch eben noch hier neben uns auf dem Boden.«,fügte er hinzu. Die Jungen bewegten keinen Muskel und lauschten verängstigt, der Stille des Gewölbes. Gabe spürte einen schwachen Luftzug auf seinem Nacken, begleitet vom Geräusch einer leisen Atmung. Langsam drehte er sich um.

Sein Herz fing an zu rasen und das Blut gefror in seinen Adern als er von zwei knallig roten Augen fokussiert wurde, die, das bizarre Gesicht der Kreatur erhellten.

»Lauf Gabe!!«, kreischte Wes und wirbelte herum, bevor er, um sein Leben rennend, im Gang zur Oberfläche verschwand. Gabe jedoch konnte sich von seiner Paralyse nicht befreien und stand angestrengt da. Auge in Auge mit dem fremden Wesen, dessen unheimlicher Blick ihn durchdrang und seine Seele bis ins Mark erschüttern liess.

»Komm n-nicht näher!«, stotterte Gabe. Doch wenige Momente später bewegte sich die Gestalt, mit langsamen aber zielbewussten Schritten auf den verängstigten Jungen zu.

»Jetzt ist es aus.«, sagte Gabriel zu sich selbst. Die schritte wurden immer lauter und verstummten schlussendlich, einen halben Meter vor ihm. Seine Atmung beschleunigte sich. Verängstigt kniff er seine Augen zu. Er wartete ab und fühlte, eine angenehme Wärme die sich vorsichtig seinem Kopf näherte.

»Aargh!«, brüllte Gabe, als die Hand des Monsters seine Stirn wie ein Magnet an sich zog. Nach einem elektrisierenden Schmerz, verspürte er wohlgesonnene Erleichterung, die wie ein Lift, von den Füssen bis zum Kopf durch seinen schwerelosen Körper fuhr. Er befand sich nun nicht mehr in der Dunkelheit des Gewölbes sondern erkannte, wie sich in seiner Umgebung, farbenfrohe Hügel und tiefe Schluchten auftaten. Gabe schwebte von einer beruhigenden Leichtigkeit getrieben über die neu erschaffene Landschaft, die ihm seltsam vertraut erschien. Dennoch fühlte Gabe, dass er sich nicht auf der Erde befinden konnte, denn solch wundervolle Landschaftsstrukturen, riesige Wasserfälle und in allen Farben leuchtende Flora, gab es auf der Erde nicht. Nach einiger Zeit nahm das Gewicht seines Körpers zu und zwang ihn, in der Nähe von verschiedenartigen Bauten, auf festen Boden. Der Himmel, tiefblau, wurde vom grellen Licht einer gewaltigen Sonne durchdrungen.
»Ich muss tot sein.«, seufzte er. Der junge blickte sich um und lief mit schweren Schritten den kuriosen Bauten entgegen. Es fiel ihm schwer, sich zu bewegen, da an diesem fernen Ort eine grössere Anziehungskraft herrschen musste. Als Gabe sich dem Ort vor ihm näherte, vernahm er, zunehmend an Lautstärke gewinnende Geräusche, die, trotz der Unverständlichkeit, einer Sprache ähnelten. Angekommen, traute er seinen Augen nicht. Vor ihm befand sich eine Siedlung von seltsamen Figuren, die miteinander interagierten. Es sah aus als würden sie sich austauschen, gemeinsam essen und trinken. Eine ihm unbekannte Zivilisation, an einem fernen Ort. Je länger Gabe die Szenerie beobachtete, desto mehr wurde ihm klar, wo er diese Kreaturen schon gesehen hatte. Sie glichen dem Monster, das ihm in der Höhle begegnet war. Nur waren diese ganz und gar nicht furchteinflössend – im Gegenteil, er fühlte sich wohl in ihrer Nähe. Was sollte er nur tun? Sich den Gestalten nähern oder lieber das weite suchen?

»Wenn ich nun schon hier bin, macht es auch keinen Unterschied mehr. Ich muss wissen was mit mir passiert ist!«, schnaubte Gabe und machte sich mutig auf den Weg in das Dorf. Schon fast bei den ersten Siedlern angekommen, ging urplötzlich ein leises knistern durch die Luft.

»Aaaah Ver-verdammt!« Er hielt sich so fest er konnte seine Ohren zu, während die Siedler in Panik gerieten und auch versuchten, sich dem Schmerz des ,nun einsetzenden, Dröhnens zu entziehen. Gabe sah wie die bunten Blumen in der ferne grau wurden und einfach einknickten. Darüber lief ein groteskes Wesen in der Grösse eines Pferdes. Sein tierisches Aussehen, erinnerte an eine Kreuzung zwischen einem Reptil und einem verwesten Hund und aus seiner schwarzen, verrotteten Haut drangen etliche Knochen. Sowie das Tier seinen Weg zum Dorf fortsetzte hinterless es eine Spur der Vernichtung in dem farbenfrohen Gebiet als würde seine blosse Präsenz jegliches Leben verderben lassen. Zum Entsetzen Gabes und der Bewohner war das Tier nicht das einzige. Es folgte ein ganzes Rudel, die ihrem Anführer hinterhertrotteten. Die Gefährten des Alpha-Tiers waren kleiner und weniger zerfleddert, was ihnen aber keineswegs ihre gespenstische Erscheinung nahm. Plötzlich preschten sie mit voller Wucht in die friedliche Siedlung, sprangen die Bewohner an und zerfetzten mit ihren fauligen Klauen, die Körper und Gesichter der wehrlosen Geschöpfe. Eines der Biester hatte Gabe erfasst und stürmte geifernd auf ihn zu. Gabe schrie auf, verdeckte sein Gesicht mit seinen Armen und ging in die Hocke, während das Tier mit einem weiten Sprung wie von Zauberhand durch ihn durch, auf einen sich nähernden Bewohner der Siedlung, hinter ihm, stürzte und ihn niederrang. Gabe drehte sich um und schaute kleinmütig dem Kampf zu. Der Siedler hatte keine Chance und schrie das Monster auf der fremden Sprache an. Mit aller Kraft drückte das Tier seine Beute zu Boden, holte mit seinem stacheligen Schwanz aus und durchbohrte den Brustkorb seiner Beute mit einem gezielten Stoss. Gabe musste mitansehen wie nach einigen Sterbelauten, das Leben in den Augen des Siedlers erlosch.

Als er sich aufrappelte und dem Leid des Dorfes zusah, kullerte eine Träne über sein blasses Gesicht. Das grösste der Tiere zottelte blutüberströmt in Gabes Blickfeld und blieb stehen. Es schaute sich um und sah Gabe direkt in die Augen. Es musterte ihn auffällig, knurrte und lief dann unbeeindruckt an ihm vorbei. Plötzlich spürte Gabe eine Erschütterung in der Erde und beobachtete wie sich der Boden unter einem der merkwürdigen Häuser spaltete. Mit einem lauten Knall Stürzte das Haus zusammen und eine grosse Kapsel schoss aus dem Boden in Richtung Himmel. Benommen blickte er in die Ferne, sah die wundersamen Farben der Gegend verblassen und klappte dann erschöpft zusammen.

 

Langsam kam er wieder zu sich. Um ihn herum Totenstille. Er tastete den Boden ab, spürte die kalte Erde und wusste, dank seines beklemmenden Gefühls, wieder wo er war. Aus der düsteren Ruhe, ertönte eine tiefe Stimme:

»Gabriel, hab keine Angst. Es tut mir Leid was du gerade durchmachen musstest. Ich sah keine andere Möglichkeit, dir zu zeigen, warum du mich hier vorfindest und dir die Angst vor meiner Erscheinung zu nehmen. Du musst mir nun gut zuhören, ich werde dir alles erklären. Mein Name ist Shedhar und der Ort, den du gerade besucht hast ist Kasviath, mein Heimatplanet, der deinem, wie du wahrscheinlich bemerkt hast sehr ähnlich ist. Es ist wie die Erde ein blauer Planet auf dem, durch günstige klimatische Verhältnisse, Leben möglich ist. Er ist etliche Lichtjahre von der Erde entfernt und deshalb für euch unmöglich zu erreichen. Durch die fortgeschrittenen Rohstoffe und Materialien, die du auch an meiner Rettungskapsel erkennen kannst, konnte unsere Zivilisation schon zu früher Zeit unseres Daseins ,Technologie herstellen, von der ihr Menschen, wie ich deinen Gedanken entnommen habe, noch lange nicht profitieren werdet. Durch unsere vorherige Verbindung, ist es mir möglich deine Sprache zu verstehen und zu sprechen, sowie auch du von jetzt an die Sprache der Kasviath verstehen und sprechen kannst. Den Angriff, den du in deiner Vision beobachten konntest, wurde auf mein Dorf verübt. Ich bin mir nicht ganz sicher wie lange ich hier war. Durch meine Verletzung von damals, benötigte ich viel Zeit um mich zu regenerieren. Die Wesen, die uns angriffen, heissen Dwjrm, eine Spezies, die lange Zeit, friedlich mit uns auf Kasviath gelebt hat. Durch einen Unfall, bei dem das Kind, einer unserer Leute von Tavra, dem Anführer der Dwjrm getötet wurde, vergiftete der Vater, Tavra, mit einem Gift, das seine ganze Spezies befiel. Sie verwesten bei lebendigem Leib und starben. Das alles passierte lange vor meiner Zeit. Doch Tavra und seine Artgenossen sind zurückgekehrt und nun dabei, mein Volk zu töten. Ich muss nach Kasviath und sehen was schiefgelaufen ist. Gabriel, es ist viel verlangt: Bitte begleite mich auf Kasviath und hilf mir Tavra aufzuhalten.« Als die Stimme von Shedhar verstummte, sass Gabe verdutzt auf dem Boden und konnte nicht fassen was in den letzten Stunden passiert war. Was sollte er dem fremden nur sagen? Er rappelte sich auf und sprach voller Verwirrung:

»Bist du verrückt? Ich durchlebe hier die verdammte Hölle, habe keinen blassen Schimmer was abgeht und jetzt willst du auch noch, dass ich dich auf deinen Planeten begleite um irgend so ein untotes Vieh zu erledigen?«

»Nun..Ja.«

»Verdammt.. und wieso gerade ich? Was wird aus Wesley und meinem Leben hier? Ich bin kein Krieger, wie soll ich dir helfen können?«

»Du hast mich aus meinem Schlaf geholt Gabriel.«

»Falsch, das war Wesley!«, schrie Gabe und zeigte wütend auf den Gang zur Oberfläche.

»Aber du bist noch hier, dein Freund ist geflohen. Du bist anders. Deine Fähigkeiten übersteigen das, was du selber von dir hältst bei weitem Gabriel. Ausserdem habe ich dir, durch unsere Verbindung einen Teil meiner Kraft übertragen. Du bist perfekt geeignet um mich zu unterstützen. Du wirst deinen Freund und deine Familie bestimmt wiedersehen. Bitte hilf mir junger Erdling.« Shedhar ging vor Gabe auf die Knie, nahm seine Hand und drückte sie an seine Stirn. Er war verblüfft. Nie hätte er im Traum daran gedacht dass ihn einmal eine ausserirdische Lebensform um Hilfe bitten würde. Geschweige denn überhaupt eine zu treffen. Gabe schaute in die unheimlich leuchtenden Augen, die ihn von unten ansahen und erinnerte sich an die armen Leute, die in seiner Vision abgeschlachtet wurden.

»Bitte Gabriel, die Zeit drängt.« flüsterte Shedhar verzweifelt.

»Okay, okay, okay. Und wie kommen wir auf deinen Planeten?««, fragte Gabe genervt.

»Wir reisen mit meiner Kapsel, sie war lange hier, ist aber noch funktionstüchtig. Die Reise wird nicht lange dauern, wir fliegen schneller als das Licht. Du wirst dich möglicherweise etwas eigenartig fühlen wenn wir ankommen. Das ist jedoch normal für fremde Lebensformen.« sagte Shedhar und bat Gabe, in die Kapsel zu steigen. Er betrat den Hohlraum , bemerkte einen seltsamen Geruch, der ihm ätzend in die Nase stieg und fragte sich, was zum Teufel ihn geritten hatte, bei so einer Reise einzuwilligen. Shedhar betrat nun auch die Kapsel und setzte sich neben Gabe. Eine angenehme Flüssigkeit floss hinter ihnen hervor, die sie in sekundenschnelle völlig umschlang. Aufgeregt schaute er zu Shedhar hinüber, der mit seiner noch freien Hand über einen synthetischen Monitor im Cockpit strich.

»Entspann dich Gabriel.«, sagte Shedhar mit beruhigender Stimme, bevor die Tür sich unter grossem Gedöns schloss und die Maschine zu vibrieren begann.

»Danke dass du mir hilfst.«

»Jaja, ist scho- Aaaaaaah!!« kreischte Gabe, als die Kapsel mit einem unglaublichen Tempo durch den Gang raste und seine Heimat hinter sich liess, die man jetzt nur noch als blauen Punkt in der Weite des Universums wahrnehmen konnte.

 

Gabe öffnete seine Augen. Er sah durch die offene Luke der Kapsel, wie Shedhar vor seinem verwüsteten Dorf kniete und nachdenklich Löcher in die Luft starrte. Die Flüssigkeit, die Gabe umschlang, verflüchtigte sich. Er erhob sich mit Mühe aus seinem Sitz und trat über die Türschwelle auf den schwarz-fauligen Boden von Kasviath. Sowie er sich umsah bemerkte er, dass sich die fröhlich stimmende Atmosphäre aus seiner Vision, in blankes Unbehagen verwandelt hatte. Der Junge näherte sich mit vorsichtigen Schritten seinem Begleiter und erkannte zunehmend das Ausmass der Verwüstung, die, die Feinde hinterliessen. Alle Bauten der Kasviath waren dem Erdboden gleich gemacht und in der Erde steckten noch einige Knochen der längst verstorbenen Bewohner. Gabe stellte sich neben Shedhar und konnte zum ersten mal der Kreatur ins Gesicht sehen, vor der er in der Höhle panische Angst hatte. Die tiefe Trauer über das Unglück, dass ihn und sein Volk ereilte, spiegelte sich in Shedhars geistesabwesendem Gesicht. Seine leuchtenden Augen hatten sich zu einem normalen roten Farbton verändert und wirkten viel freundlicher. Gabe wusste nicht was er sagen sollte und drückte sein Verständnis damit aus, indem er seine Hand auf Shedhars Schulter legte.

 

Die Ruhe wurde durch den Klang einer zusammenbröckelnden Mauer, direkt vor ihnen unterbrochen. Aus den Trümmern sprang ein Dwjrm. Er fletschte seine verdorbenen Zähne und rannte umgehend auf die beiden zu. Gabe wich einige Schritte zurück und schrie:

»Shedhar wir müssen weg komm schon!«, doch er rührte sich nicht und kniete weiterhin ruhig auf dem Acker. Unmittelbar bevor das Monster, in Shedhars Reichweite war, schnellte er hoch und packte das Vieh. Er hob es mit einer Hand in die Luft, drückte seine Kehle zusammen und schmetterte, das nach Luft ringende Geschöpf, auf einen der umliegenden Trümmer.

»Haaaah!«, brüllte er vor Wut, während er dem Tier, das nun darum kämpfte, sich aus dem Griff zu befreien, den Hals zerquetschte, bis es regungslos liegen blieb.

Beeindruckt von Shedhars Kraft schaute Gabe mit offenem Mund zu.

»Der ist hinüber.«, bemerkte Shedhar. Er richtete sich auf und ging zu Gabe.

»Auch du bist fähig, die Dwjrm zu bekämpfen Gabriel. Wenn auch deine Körpergrösse nicht ausreicht um deinen Feind mit blossen Händen zu töten. Wir werden dir eine Waffe besorgen müssen. Ich möchte, dass wir unseren Weg zu einem alten Bekannten meiner Familie fortsetzen, der abgeschieden von uns allen, in einer kleinen Hütte hauste. Wenn noch jemand von unserem Volk am Leben ist, dann er. Vielleicht kann er uns berichten warum Tavra und seine Brut zurückkehren konnten. Danach können wir unseren nächsten Schritt planen um den Planeten zu retten. An die erhöhte Schwerkraft, wirst du dich auch noch gewöhnen müssen.«

Gabe nickte, und so verliessen die beiden Shedhars Dorf. Ihr Weg führte zunächst über eine vermoderte Wiesenlandschaft, die Gabe aus seiner Vision als buntes Gelände in Erinnerung hatte. Als sie nebeneinander herliefen schaute Gabe seinen Gefährten fragwürdig an und erkundigte sich:

»Warum bist du eigentlich genau auf die Erde gedonnert und nirgendwo anders?«
Shedhar schmunzelte und erklärte:

»Alle Kasviath kennen Geschichten von den anderen blauen Planeten. Sie besagten falls man einmal in Not wäre, sollte man unbedingt einen solchen aufsuchen. Ich frage mich, ob die Erzähler dieser Geschichten wussten was passieren würde. Als ich die Erde an meiner Kapsel vorübergleiten sah, wusste ich, dass dieser Ort meine Rettung sein würde.«

 

Sie folgten dem Weg über die Wiese, bis er auf ein Gebirge abzweigte. Vor der Abzweigung blieben sie stehen.

»Wir müssen auf die andere Seite dieses Gebirges um auf Rahvod zu treffen, falls er überhaupt noch lebt.«, verkündete Shedhar mit ernster Mine.

»Scheisse, schon wieder ein Berg.« antwortete Gabe gerädert. Shedhar sah ihn verdutzt an und fragte:

»Wo ist Scheisse?« Gabe grinste und meinte:

»Egal. Ich war heute schon auf Gebirgstour, dann werde ich das hier auch hinkriegen. Falls heute überhaupt noch heute ist. Welches Jahr habt ihr denn auf eurem Planeten?«

»Das jetzige kann ich dir nicht sagen. Als ich Kasviath verliess schrieben wir das Jahr 228’604.«

Gabe staunte:

»Wow, da habt ihr wohl so einiges mitgemacht.«

Shedhar lächelte Gabe stolz an. Der Pfad auf dem sie gingen, wurde steiler und steiler. Es zog dichter Nebel auf und die Sicht wurde nach einigen Minuten stark eingeschränkt. Gabe hielt eine Hand auf Shedhars Rücken, um ihn nicht zu verlieren. Als sie an einem Hang vorbeiliefen, blieb Shedhar stehen und packte Gabe an seiner Jacke. Er ging wenige Schritte zurück und zog den Jungen vorsichtig mit sich mit.
»Du musst ruhig bleiben Gabriel, wir sind nicht mehr allein auf unserem Weg.«, flüsterte Shedhar in Gabes Ohr. Gabe spähte über den Felsen hinter dem sie nun kauerten und versuchte im Nebel etwas zu erkennen. Es näherten sich schwere Schritte. Gabes Herz fing an zu pochen, als sich im Nebel etwas grosses bewegte. Langsam wurden die Umrisse der riesigen, zotteligen Kreatur offenbart, die durch den Nebel schlurfte. Die Grösse betrug ca. 5 Meter. Es bewegte sich wie ein Gorilla, mit audruckslosem Gesicht, pechschwarzen Augen und einem, zu einem Schrei aufgerissenen Maul, durch die vom Nebel verschleierte Felslandschaft.

»Ein Katatzu. Eine Erscheinung, die bei dichtem Nebel auftritt. Was auch immer du tust Gabriel, schau ihm niemals direkt in die Augen und kehr ihm nicht den Rücken zu. Beuge dich nach vorne, und gehe in einem Bogen an ihm vorbei. Solange du es so machst wird er dir nichts tun. Unterlasse auch jegliche Geräusche.«, erläuterte Shedhar ehrfürchtig. Das Wesen steuerte mit seinen schleppenden Schritten genau auf ihr Versteck zu. Davor blieb er stehen, schnupperte in der Luft herum und gab einen gespenstischen Heuler von sich. Gabe stellten sich die Nackenhaare auf, während er mit geschlossenen Augen darauf hoffte, dass sich der Katatzu entfernt. Als Gabe kurz seinen Kopf hob, sah er wie das Monstrum über den Felsen direkt auf ihn herabsah. Es war zu spät, Gabe konnte seinen Blick nicht mehr abwenden. Das Biest hob seinen massiven Arm in die Luft um mit lautem Geheule zum Schlag auszuholen. Gabe senkte seinen Kopf und erwartete, dass sein Schädel zertrümmert werden würde. Shedhar hechtete mit einem gezielten Sprung auf den Felsen, fokussierte den Arm der Bestie, federte den Schlag mit seinen Händen ab und hielt ihn unter grosser Anstrengung fest.

»Gabriel, Tu etwas! Ich kann ihn nicht mehr lange festhalten!«

Panisch wirbelte der Junge herum und suchte die Umgebung nach etwas hilfreichem ab. Ohne weitere Überlegung nahm er eine Handvoll Erde vom Boden und warf sie dem Vieh ins Gesicht.

»Jahaa! Friss Dreck!«, rief Gabe siegessicher. Geblendet, wich der Katatzu einige Meter zurück und rieb sich jammernd die Augen. Shedhar nutzte die Gelegenheit. Furchtlos rannte er los, griff sich einen kantigen Stein und knallte ihn dem Gegner um die Ohren. Der Stein zerbröselte auf dem grotesken Haupt der Kreatur, die unter schmerzendem Aufschrei einknickte. Wütend schlug sie um sich und traf Shedhar, der einen Moment nicht aufgepasst hatte, am Bauch. Dieser flog durch die Luft und landete benommen zwischen ein paar Felsen. Das Monster rappelte sich auf, richtete seinen Blick auf Gabe und hastete tobend auf ihn zu.

»Oh, fuuuuuck!«, kreischte er und flüchtete hinter einen grossen Felsbrocken. Um nicht gefasst zu werden lief Gabe einige Runden um den Felsen, bis der Verfolger sein Spiel durchschaute und ihn ungezügelt zertrümmerte. Erneut versuchte er nun Gabe zu fassen, der nun keine Fluchtmöglichkeit mehr hatte.

»W-was ist denn jetzt los?«, dachte sich Gabe, als er den Katatzu anschaute.

Das Geheule wurde leiser und sein Körper schien fast schon durchsichtig. Langsam löste sich die Kreatur in Begleitung des Nebels auf. Shedhar kraxelte mühevoll aus den Trümmern und gesellte sich zu Gabe. Sie setzten sich kurz hin und holten tief Luft aus Erleichterung der entgangenen Gefahr.

»Das ist ja nochmal gut gegangen. ist alles in Ordnung?«, fragte Shedhar besorgt.

»Das war echt abgefahren. Aber mir geht’s gut.«, versicherte Gabe und klopfte den Dreck von seiner Kleidung.

Shedhar nickte erleichtert und erklärte:

»Glücklicherweise hält der Nebel auf Kasviath nur einige Minuten an. Das wäre andernfalls ein kurzes Abenteuer geworden.« Nach ihrer kurzen Verschnaufpause verliessen sie den Schauplatz des Kampfes und machten sich an den Abstieg.

Schon bald hatten sie das Gebirge bezwungen und befanden sich nun am anderen Ende. Ihr Weg führte durch ein kleines Waldstück, das noch unberührt von der Verderbnis der Dwjrm war. Gabe bestaunte die vielen, ihm unbekannten Farbtöne und trank ein paar Schlücke aus dem tiefblauen Wasser von Kasviath. Sofort fühlte er sich vollständig regeneriert und Shedhar erfreute sich an Gabes Begeisterung über die Wunder seiner Welt. Um kurz erneut eine Rast einzulegen sassen sie gemeinsam in einer, von riesigen, buschigen Bäumen umgebenen Lichtung. Shedhar verschwand für einen Moment und kehrte dann, mit Früchten zurück, die grösser und schmackhafter aussahen als die von der Erde. Sie bissen zufrieden hinein und genossen einen Moment der Ruhe, während das grelle Licht der immensen Sonne sich im Gewässer spiegelte.

 

»Ist es noch weit zu Rahvod’s Haus?«, wollte Gabe wissen.

»Nun, wir müssen noch durch die Zedwen-Schlucht«, antwortete Shedhar etwas nervös.

»Wer oder was ist Zedwen?«

»Zedwen war, oder ist einer der ältesten Kasviath meiner Generation. Er ist schon seit hunderten von Jahren in der Schlucht. Niemand weiss ob er überhaupt noch lebt. Viele die, die Schlucht durchquerten, wollen gesehen haben wie er sie verfolgt und beobachtet. Andere sind nicht mehr aus der Schlucht zurückgekehrt. Falls wir ihn treffen, weiss ich nicht genau wie ich reagieren soll. Ich habe nur von ihm gehört und bin Zedwen noch nie persönlich begegnet.«

»Wieso ist er denn überhaupt in dieser Schlucht?«, wollte Gabe wissen.

»Er hatte sich mit anderen Bewohnern gestritten. Wieso weiss ich nicht. Jedenfalls wollten sie ihm eine Lektion erteilen und steckten seine Hütte in Brand. Durch die Verbrennungen wurde er völlig entstellt und haust seit jenem Tag in der Schlucht.«

»Das kann ja interessant werden.« grübelte Gabe.

Sie richteten sich auf, warfen einen letzten Blick auf die friedliche Lichtung und zogen weiter. Die bergige Landschaft verschwand. Das Gebiet wurde flacher, der Boden schwärzer und trüber und als Gabe in den Himmel sah, verdunkelte sich dieser nach und nach. Die Schlucht war nun in Sichtweite. Sie liefen den Hang hinunter, bis ihre Sicht nach vorne eingeschränkt war. Links und Rechts türmten sich die gigantischen Felswände, die sie zunehmend zu verschlucken schienen. Der letzte Rest des Sonnenlichts, das durch die dichten Wolken drang, schwand. Die zwei tappten den steinernen Korridor entlang und schon bald standen sie in einem offenen Gewölbe, ähnlich dem in der Höhle auf der Erde. Shedhar bat Gabe zu warten und näherte sich vorsichtig einem, der aus Stroh geformten Nester, die überall im Raum zerstreut waren.

»Gabriel! Zu mir, schnell!«, schrie Shedhar. Gabe schaute sich nicht um und rannte ihm augenblicklich entgegen. Schützend, drückte er Gabe hinter sich. Der Raum war schnell erfüllt, von unheimlich raschelnden Geräuschen, die sich um die beiden herumbewegten. Gabe fürchtete sich und sein Gesicht wurde blasser. Er sah spinnenartige Tiere, die sich auf sechs langen, dünnen Beinen, in schnellem Tempo fortbewegten. Er griff nach einem spitzen Holzstück, das in einem der Nester steckte. Schon schnellte eine der Spinnen auf den Jungen zu. Von der anderen Seite wurde Shedhar angegriffen.

»Ducken! Jetzt!«, brüllte Shedhar. Sie warfen sich so schnell es ging auf den Boden und die Spinnen, die aufeinander losrasten, sprangen sich gegenseitig an und fielen betäubt auf ihren Rücken. Shedhar hechtete auf den borstigen Körper der Spinne und schlug voller Zorn darauf ein. Gabe, der noch immer das Holzstück in der Hand hielt, handelte in Panik und stach dem anderen Tier wiederholt in den geschwürartigen Kopf. Die Spinne zappelte und der Junge geriet in Rage, als ihm grünes Sekret über die Hände floss. Nach einigen Stichen bewegte sie sich nicht mehr, doch er machte völlig verzweifelt weiter und spürte wie Shedhar seinen Arm griff.

»Gabriel, hör auf, sie ist tot!

Erschöpft liess er das klebrige Stück Holz fallen und setzte sich neben die erstochene Spinne. Die Ruhe hielt jedoch nicht lange an. Ein stärkeres Rascheln war zu hören.

»Papa hat das wohl nicht gefallen! Mach dich bereit Gabriel!«

Sie stellten sich nebeneinander hin und erwarteten den Aufprall der Riesenspinne, die wütend auf sie zu krabbelte.

Ein lautes “Shhhhhh!“ ging durch den Raum. Gabe blickte verwirrt zu dem anstürmenden Tier. Ein brennender Pfeil beleuchtete für einen kurzen Moment den Raum und schlug dann wuchtig in die Brust der Spinne ein, die zusammenbrach, durch den Dreck den beiden entgegen rutschte und schliesslich nach ein paar letzten Zuckungen verendete. Für wenige Sekunden war ausser dem knistern des brennenden Fells nichts zu hören. Doch dann vernahm Gabe eine dämonische Stimme:

»Wer seid ihr, was sucht ihr in meiner Schlucht?«

Shedhar und Gabe drehten sich um und machten einen geheimnisvollen Kasviath aus, der vor ihnen aus den Schatten trat. Gabe betrachtete den Krieger. Seine Haut verkohlt, in der Hand, einen mit eleganten Schriften, verzierter Bogen und das Gesicht verschleiert durch dreckige Bandagen. Als Gabe den Geruch von verbranntem Fleisch wahrnahm, fiel es ihm schwer, nicht zu würgen.

»Ich bin Shedhar, das ist mein Freund Gabriel. Er kommt von der Erde. Wir wollen nichts Böses und müssen diese Schlucht passieren, um Hilfe, zur Rettung dieses Planeten vor den Dwjrm zu finden.«, erklärte Shedhar dem Fremden.

»Nun gut, ich glaube euch und ihr dürft weitergehen. Dennoch müsst ihr diesen Ort umgehend verlassen!«, sprach Zedwen und deutete auf einen Gang, aus dem schwaches Tageslicht drang.

Gabe konnte es nicht halten und fragte impulsiv:

»Warum trägst du diese Verbrennungen?«

Shedhar senkte seinen Kopf und fasste sich fremdschämend an die Stirn. Von der Frage überrascht, kratzte Zedwen seinen Hinterkopf und musterte den Jungen.

»Deine Direktheit ist erfrischend, junger Erdling. Ich werde es dir erzählen. Vor hunderten von Jahren, als ich jung war, war mein Geist voller dunkler Gedanken und Situationen, aus denen ich falsche Schlüsse über das Leben zog und mich mehr und mehr von meiner Familie und meinen Freunden entfernte. Ich war zornig und verwirrt. Eines Tages ärgerten mich die anderen heranwachsenden Kasviath, weil sie mich nicht verstanden. Weil ich anders war. Ich habe Sie einen nach dem anderen erschlagen. Ihre Familien kamen spät nachts zu meiner Behausung, versperrten die Ausgänge und setzten alles in Brand. Ich hatte Glück und konnte eine, schon halb verkohlte, Tür aufbrechen. Seit dem lebe ich hier, in dieser Schlucht. Ich bereue nicht was ich getan hatte. Sie haben alle bekommen, was sie verdienten!«

Er hielt kurz inne und fuhr dann fort:

»Ich muss euch nun bitten zu gehen, viel Glück auf eurer Mission.« Der Krieger wandte sich ab und verschwand mit einem leisen Lachen in den Gängen der Schlucht. Shedhar und Gabe warfen sich einen fragenden Blick zu und betraten dann den Weg, den Zedwen ihnen zeigte. Mit jedem Schritt kam das Licht der Sonne näher und Gabe kicherte vor Freude, als er die warmen Sonnenstrahlen auf seinem schmutzigen Gesicht spürte. Dennoch wurde es auf einmal kälter. Sie traten aus der Schlucht hinaus und vor ihnen eröffnete sich der Blick auf ein, von Schnee bedecktem, Areal.

»Nun sind wir aus dem Gebiet Halen raus. Die Schlucht ist das Verbindungsstück zwischen Halen und Siiga. Ich hoffe du frierst nicht.«, sorgte sich Shedhar. Gabe wurde von einem eisig kalten Luftzug erfasst, der durch seine Kleidung hinwegfegte. Er drehte sich verlogen zur Seite und antwortete ganz cool:

»Nein Neein, das geht schon.«

»Verdammt ich geh hier noch drauf.«, dachte er sich. Nach langem umherstapfen im hohen Schnee schrie Shedhar auf und sagte:

»Da oben Gabriel! Das ist die Behausung von Rahvod! Wir haben es bald geschafft.« Voller Vorfreude rannte Shedhar los. Gabe kam gar nicht mehr nach, da er ständig im hohen Schnee stecken blieb. Als er bei der Hütte ankam war Shedhar bereits drin. Gabe wartete draussen und bemerkte wie die Sonne, langsam, hinter dem verschneiten Gebirge verschwand. Shedhar trat aus dem Haus und verkündete:

»Ich konnte Rahvod nicht finden. Ich hoffe er lebt noch.«

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Gabe ungeduldig.
»Wir müssen hier bleiben. Die nacht auf Kasviath ist um einiges furchterregender als auf der Erde. Wenn wir draussen bleiben, werden uns die Shems in Stücke reissen.«

»Immer diese Fremdwörter.«, schnaubte Gabriel.

»Du befindest dich Lichtjahre von deiner Heimat entfernt auf einem fremden Planeten. Was hast du erwartet?«, bemerkte Shedhar und bat Gabe, mit ihm reinzugehen.

»Was ist denn ein Shem?«

»Glaub mir Gabriel, das willst du gar nicht wissen.«

Gabe folgte Shedhar in ein Zimmer, in dem sich drei grosse, aus dem Boden hervorragende Krippen befanden.
»Such dir ein Bett aus Junge, das wird ein anstrengender Tag morgen.«

»Wie lange dauert eine Nacht? Und wie schlaft ihr?«, fragte Gabe interessiert.

»Eine Nacht dauert in Erdenzeit immer genau fünfeinhalb Stunden, denn es existieren hier keine Jahreszeiten. Schlafen werden wir kopfüber an der Wand hängend.«

»Was?!« rief Gabe verdutzt.

»Das war ein Witz Gabriel, wir schlafen in der Krippe da.«

»Wow Humor habt Ihr auch. Wie fortschrittlich.«

Shedhar grinste Gabe an und legte sich dann in die Krippe. Der Junge tat es ihm gleich. Als er da lag, schreckte er plötzlich auf, da die Flüssigkeit, die er aus der Raumkapsel kannte, von allen Seiten über seinen Körper floss und sich verfestigte. Er schaute schockiert an die Decke:

»Das ist doch wohl ein übler Scherz?«

»Du wirst dich daran gewöhnen. Schlaf jetzt.«

Gabriel vertiefte sich in seine abenteuerlichen Erlebnisse und dachte an die Erde, die nun so weit entfernt war. Was wohl Wesley und seine Familie gerade machen? Suchen Sie nach ihm? Seine Augenlider wurden schwerer und schwerer, bis sie schliesslich zufielen und er einschlief.

 

Gabe riss seine Augen auf. Durch das Fenster im Zimmer konnte er zwei winzige Monde sehen die jedoch im Verhältnis zu ihrer Grösse eine Extreme Helligkeit ausstrahlten. Er sah zu Shedhar hinüber, der seelenruhig schlief. Ein kratzen an der Hauswand hatte Gabe geweckt. Nun hörte er es wieder. Das Geräusch veränderte sich zu einem zischen, das um die Hütte schlich. Gabe fing an zu zittern. Das Geräusch kam näher und näher. Er hatte die Augen fest geschlossen bis er es nicht mehr aushielt und zum Fenster hinaus blickte. Ausserhalb schwebte ein schlankes Wesen, das ihn mit vier knallig gelben Augen, aus der Dunkelheit der Nacht betrachtete. Der Körper des Geschöpfs schien geisterhaft und nicht aus festem Gewebe zu bestehen. Gabe erschrak und ringte mit der gehärteten Flüssigkeit um frei zu kommen. Doch als er wieder aus dem Fenster sah war es verschwunden. Aus Erleichterung atmete er tief ein und aus. Nach einiger Zeit der Beruhigung gelang es ihm, wieder einzuschlafen.

 

Der Morgen brach an und die Sonne, wärmte Gabes Gesicht. Schlaftrunken versuchte er sich zu erheben, doch seine merkwürdige Decke, wollte ihn nicht loslassen. Er schielte zu Shedhar hinüber. Er war nicht mehr in seinem Bett. Gabe wollte schon beginnen rumzuschreien, als Shedhar ins Zimmer trat.

»Beruhige dich. Anders als bei der Raumkapsel musst du ihr mit deinen Gedanken sagen dass sie gehen soll.«
Erleichtert stellte er sich vor wie sie sich verflüchtigt und genau das tat sie auch unmittelbar, als er daran dachte. Shedhar hatte etwas zu Essen vorbereitet und Gabe setzte sich an den seltsamen Tisch. Er studierte die grüne Pampe vor ihm. Um nicht unhöflich zu sein, liess er sich nicht anmerken, wie angewidert er von dieser Delikatesse war. Shedhar bemerkte jedoch seine Appetitlosigkeit und lächelte ihn verstohlen an.

»Probier es mal, es wird dich für lange Zeit sättigen. Wenn du es nicht magst, dann lass es sein.« Gabe probierte und ass danach die ganze Schüssel leer.

Ihr Festmahl wurde unterbrochen, durch eine sich öffnende Tür.

»Rahvod!«, rief Shedhar und rannte ihm aufgeregt entgegen. Der war auch sichtlich Überrascht von der Anwesenheit seines vermissten Freundes und Gabe sah zum ersten Mal die Begrüssung der Kasviath. Sie standen sich gegenüber und hielten sich gegenseitig an ihren Hörnern fest, während sie ihre Stirn aneinanderpressten. Nach der Begrüssung und Bekanntmachung von Gabe und Rahvod, sassen alle gemeinsam am Tisch.

»Rahvod, was ist passiert? Warum konnten die Dwjrm wieder auferstehen und unsere Welt verwüsten? Wie lange war ich fort?«

Rahvod sah die beiden nachdenklich an.«

»Mein Freund. Du warst fast 327 Jahre weg. Ich bin froh, dass du wieder da bist. Ich kann dir nicht sagen warum sie wieder am Leben sind. Es war eine schwere Zeit. Jedes Jahr fielen mehr und mehr von uns diesen Bestien zum Opfer. Viele hatten versucht, sich Tavra in den Weg zu stellen und alle sind gescheitert. Vor etwa 100 Jahren hatte ich selbst die Gelegenheit Tavra zu töten, jedoch waren meine Waffen keine Hilfe. Die kleineren waren kein Problem, doch gegen Tavra ist kein Kraut gewachsen. Als würde er durch einen Fluch eine wahnsinns Stärke erlangt haben oder beschützt werden. Ich konnte verletzt fliehen und hielt mich die letzten Jahre bedeckt. Es ist aussichtslos, ihr hättet nicht herkommen sollen.«

»Es muss doch eine Möglichkeit geben diese Viecher aufzuhalten?!«, schrie Gabe dazwischen. Shedhar überlegte angestrengt und sagte:

»Was ist mit dem Tempel? Wir könnten versuchen den Narodran zu holen.«

»Viele die das versucht haben, sind nicht einmal an der ersten Prüfung vorbei gekommen. Es wäre viel zu gefährlich die Reliquie zu bergen.«

»Dann müssen wir uns eben anstrengen. Es muss gehandelt werden, oder unser Planet ist für immer verloren. Wenn nicht WIR es versuchen, wer dann?«

»Ich sehe, es ist dir ernst Shedhar. Ich werde dich und deinen jungen Freund unterstützen wo ich kann. Folgt mir!«

Rahvod führte die zwei nach draussen, durch den hohen Schnee, in eine Art Schuppen. Drinnen strich Rahvod über eine kleine Kugel die nun den Raum beleuchtete, räumte einigen Plunder beiseite und zog dann einen alten Bogen, einen Köcher und einen kleinen Dolch hervor, die er Gabe in die Hand drückte. Verwundert betrachtete er den Köcher und fragte:

»Äähm, Da ist nur ein Pfeil drin?!«
»Der Köcher ist organisch, wenn du den Pfeil rausnimmst wächst sofort ein neuer!« erklärte Rahvod. Shedhar erhielt eine Schwertscheide und ein Einhandschwert, dessen scharfe Klinge in der Beleuchtung der Kugel, dunkelrot schimmerte. Rahvod griff sich einen grossen zweihändigen Hammer aus schwarzem Kristall und sagte:

»Lasst uns nun diesen Speer holen und Tavra ein für alle mal zur Hölle schicken.« Gabe und Shedhar nickten. Die drei verliessen den Schuppen und gingen nach draussen. Rahvod bat die anderen noch einen Moment zu warten und lief mit schnellen Schritten ins Haus zurück.

»Eure Geschichten verlaufen über hunderte von Jahren hinweg – wie alt werdet ihr denn eigentlich?«, wollte Gabe von Shedhar wissen.

»Ein Kasviath kann bis zu 8’000 Jahre alt werden. Die Zeit, die ich auf der Erde war eingeschlossen, bin ich nun also 2’805. Rahvod müsste um die 6’000 sein.«

Mit einer dunkelroten, Schuppenartigen Weste in den Händen, kehrte Rahvod zurück und übergab sie Gabe stolz, bevor er erklärte:

»Das ist eine Weste aus Navestim, dem robustesten Material, das auf Kasviath zu finden ist. Sie ist federleicht, dennoch schützt sie dich vor extremen Temperaturen und Angriffen jeglicher Art. Sie passt sich deiner Körpergrösse an. Du wirst sie sicher gut gebrauchen können.« Gabe stutzte:

»Wo sind denn eure Westen, wenn die so gut sind?«

»Unsere Körper sind an jegliche Temperaturen, auf diesem Planeten gewöhnt und wie du sicher schon bemerkt hast, besitzt jeder von uns eine Organische Panzerung an Schultern, Beinen, Rücken und Brust.«

»Und woher hast du sie, wenn ihr keine braucht?«, erkundigte sich Gabe.

»Wir verwenden sie für unsere Kinder, deren Körper sich noch in der Entwicklungsphase befinden.«

Perfekt ausgerüstet für den Kampf gegen die Gefahren von Kasviath, verliessen die drei Rahvods Hütte und folgten einem abgelegenen Weg, der von einer prächtig weissen Landschaft umgeben war. Gabe war beeindruckt von seinem neuen Kleidungsstück, das seinen Körper erhitzte und mutig durch Siiga streifen liess. Er wandte sich Shedhar zu und fragte:

»Was hat es mit diesem Tempel auf sich?«

»Er wurde zu Ehren unserer Könige erbaut. Bevor Kasviath das Zeitalter der Freiheit begann, herrschten viele Könige über unser Volk. Der Tempel wurde von den Sklaven des letzten Königs erbaut und beherbergt nun Narodran, den Speer der Könige, mit dem sie ihre Leute unterjochten. Um zu dem Speer zu gelangen, müssen drei Prüfungen absolviert werden, die unser Geschick, Wissen und Fähigkeiten im Kampf testen. Es wird nicht einfach werden aber wir müssen es dennoch probieren um gegen Tavra eine Chance zu haben. Der Tempel liegt im Norden von Lohr, dem Gebiet, das an Siiga und Halen grenzt. Es ist ein düsterer Ort, voller Gefahren und Monster.«, erklärte Shedhar, sah die Unsicherheit in Gabes Gesicht und versuchte ihn zu beruhigen:

»Es ist in Ordnung, Angst zu haben Gabriel. Wir kriegen das hin.« Nach ungefähr einer Stunde dem Weg entlang, blieben sie stehen. Sie spürten wie der Boden plötzlich leicht zu beben begann und drehten sich um. Gabe beobachtete, wie der, von ihren Spuren übersäte Schnee, sich schwarz verfärbte.

»Wir müssen uns verstecken. Schnell!«, flüsterte Rahvod in aggressivem Ton. Die drei eilten abseits des Weges, hinter ein knorriges Gestrüpp und legten sich hin.

Das rumoren des Bodens wurde lauter. Shedhar drückte mit seinen Händen, die brüchigen Ästchen beiseite um etwas erkennen zu können. Angeführt von Tavra, strömten mehrere Dwjrm-Rudel über den einsamen Weg in ihre Richtung. Als das vorderste Rudel in die Nähe unserer Helden kam, wurde ihr Anführer langsamer, blieb stehen, spähte die Gegend ab und schnupperte in der Luft herum. Gabe erschauderte, als Tavra, ihn durch die dünnen Äste, direkt anzusehen schien. Sie verharrten still hinter ihrer Deckung und betrachteten das Geschehen. Tavra wandte seinen Blick ab, stiess ein markerschütterndes Geheule aus und setzte seinen Weg fort. Die Rudel dicht hinter ihm.

»Was die wohl vorhaben? Ich hoffe die kommen uns nicht noch einmal in die Quere, bevor wir beim Tempel waren.«, wisperte Shedhar. Die drei setzten ihre Reise durch die herrliche Schneelandschaft fort und schon bald erreichten sie eine wackelige Hängebrücke, über die man nach Lohr gelangte.

»Du musst vorsichtig sein Gabriel, diese Brücke ist sehr alt. Bewege dich langsam und vermeide ruckartige Bewegungen.« Nacheinander betraten Sie die Brücke. Gabe fuhr zusammen als er nach unten, in ein tiefes Nichts schielte.

Etwa in der Mitte der Brücke hörte er ein leises knacken unter seinen Füssen. Ein Holzstück liess nach und Gabe stürzte nach unten in die Tiefe. Er konnte sich knapp mit einer Hand an dem nächsten Holz festhalten.

»Gabe, gib mir deine Hand!« schrie Shedhar und streckte seinen Arm aus. Gabe baumelte unter der Brücke, schwang seinen Arm nach oben und packte Shedhars Hand. Langsam wurde er hochgezogen. Als sie am anderen Ende ankamen schmunzelte Gabe seinen Retter an und sagte:

»Das erste Mal, dass du mich Gabe genannt hast! Vielleicht solltest du dir auch einen Spitznamen zulegen? Wie wär’s mit Shedi, oder Shedward?« Shedhar verdrehte die Augen und lief brummelnd weiter.

Als Gabe das nun vor ihm liegende Lohr in Augenschein nahm, wusste er, dass Shedhar nicht zu viel versprach. Das ganze Gebiet war eingekesselt von einer massiven Gebirgskette sowie russigen, schwarzen Steinen und Felsen, durch die ein dunkelblau glühender Fluss verlief. Der Fluss stammte von einem immensen Wasserfall, der einsam am Horizont lag. Wo man auch hinsah, war der Boden gepflastert mit toter Erde und schlammigem Dreck.

»Halte dich von dem blauen Wasser fern Gabriel. Jeder der davon trinkt, fällt in einen tiefen Schlaf, worin er von seinen schlimmsten Ängsten heimgesucht und verzehrt wird. Dein Körper wird sich auflösen und deine Seele für immer in den weiten des Universums umherirren.«, erklärte Rahvod.«

Gabe antwortete lächelnd:

»Kannst du das widerholen? Das klang echt düster und böse!«

»Dein Humor in allen Ehren junger Erdling, aber du wurdest gewarnt.« erwiderte Rahvod mit ernster Stimme. Nach einer kurzen Erholungspause, liefen die drei entlang des blauen Flusses weiter. Minuten später blieb Gabe verwundert stehen und betrachtete ausgiebig das schimmernde Gewässer. Sein Befinden verschlechterte sich zunehmend, als er seinen Blick nicht mehr abwenden konnte und wie von einer starken, teuflischen Macht gezwungen, in ein lebloses Gesicht sah, das aus der Tiefe aufzutauchen schien. Die Geräusche um ihn herum wurden stetig leiser. Die Erscheinung im Wasser streckte seine Hand nach Gabe aus und bevor er danach greifen konnte wurde er von Shedhar aus seiner Hypnose gerissen.
»Du darfst nicht zu lange hineinsehen Gabriel! Manche Seelen verweilen im Fluss um andere Geschöpfe dazu zu verleiten vom Wasser zu trinken. Komm jetzt.«

Ein Stück weiter zweigte die, von Russ bedeckte, Strasse ab und führte über einen breiten Hügel. Auf der gegenüberliegenden Seite tat sich ein weites, flaches Terrain auf, an dessen Ende, sich der Tempel befand. Obwohl er in Sichtweite war, konnte man ihn nur als winzigen Punkt in der Ferne erkennen. Eine Stunde lang, wanderten Gabe, Rahvod und Shedhar durch die furchterregende Einöde, bis Gabe ein sich näherndes flattern bemerkte. Er wandte seinen Kopf dem Geräusch zu und wurde sogleich umgeworfen.

Schützend hielt er seine Hände vor sich, als er ein zerfetztes, Vogelartiges Viech auf seinem Körper ausmachte, dass ihm wild, mit seinem Schnabel, ins Gesicht pickte.

»Aargh! N-nehmt es Weg!« rief Gabe, der mit aller Kraft versuchte, sich den Vogel vom Leib zu halten. Shedhar näherte sich dem Tier von hinten, hielt den Schnabel fest und schnitt mit der scharfen Klinge seines Schwertes den kahlen Hals durch. Gabe atmete schwer als das schwarze Blut pulsierend auf seine Haut spritzte und der Vogel neben ihm zu Boden sackte. Er rappelte sich auf und säuberte mit dem Ärmel sein Gesicht:

»Danke man. Was war denn das jetzt schon wieder?!«

»Keine Zeit, da kommen noch mehr!«, schrie Rahvod und deutete in den Himmel.

Hoch über ihnen kreisten noch drei weitere der aggressiven Vögel, die nun auf sie herabstürzten. Zwei der Gefiederten rasten auf Shedhar zu, der dritte hatte Gabe ins Visier genommen. Er wich mit einem hastigen Sprung, dem Angriff aus. Der Vogel flog einen weiten Bogen und peilte nun Rahvod an, der ruhigen Blutes seinen Hammer zum Schlag vorbereitete und den Vogel mit einem gezielten Hieb zur Hölle schickte. Bedrängt von den beiden Tieren schlug Shedhar um sich. Einer der beiden drückte die spitzen Krallen in seinen Rücken und liess ihn nicht mehr los. Der Kasviath stürzte sich auf den Vogel vor ihm und versuchte ihn festzuhalten. Gabe nutzte seine Chance. Er nahm seinen Bogen zur Hand, schnellte den Pfeil aus seinem Köcher, spannte die Sehne und schoss den Feind von Shedhars Rücken. Dieser hatte seinen Widersacher fest im griff und riss das Tier an seinen verwitterten Flügeln mit aller Kraft auseinander. Als die Geräusche des Kampfes verstummten, näherte sich Shedhar seinem jungen Freund und Sprach:

»Das war ein guter Schuss Gabriel. Diese Garwys haben mich ganz schön in die Zange genommen.«

»Garwys?«, wunderte sich Gabe.

»Eine häufig vorkommende Tierart hier in Lohr. Sie sind bösartig und geschickt. Sie greifen alles an was nicht ihrer Spezies angehört.«

»Gibt es denn eigentlich ausser den Kasviath keine netten Wesen auf diesem Planeten?«

»Die gibt es schon. Ich bin sicher wir werden auf unserer Reise noch ein Wesen treffen, das uns nicht gleich umbringen will.«
Rahvod ging mit ruhigen Schritten zum Kadaver seines Opfers und riss einige Federn von den Flügeln und wischte damit das Blut von seinem Hammer.

»Brechen wir auf, es wird noch dauern, um den Tempel zu erreichen. Wenn wir Tavra mit der Reliquie die Lichter ausgeblasen haben, bleibt noch genug Zeit für euer Schwätzchen.«

Die beiden stimmten Rahvod zu und setzten ihren Weg zum Tempel fort, der nach zwei ereignislosen Stunden einsamer Wanderung endlich in greifbarer Nähe war. Sie waren froh ihr Ziel noch vor der Dämmerung erreicht zu haben und bestaunten die riesige Kulisse, die sich vor ihnen auftat.

 

Das Monument des Gebäudes war eine grosse Plattform. An allen vier Ecken standen Kessel, aus denen blaues Feuer, ruhig vor sich hin loderte.

Im Zentrum der Plattform lag der eigentliche Tempel. Wie eine blau-schwarze Betonflamme deren drei Teile sich gegen die Spitze, in einander verdrehten, ragte er über ihren Köpfen. Die drei folgten der Treppe auf die Plattform und gingen über den blanken Stein zum Eingang. Er war durch eine schwere Tür versperrt. Links und Rechts davon hielten sich enorme Statuen von zwei Kasviath-Kriegern auf, die beide in majestätischer Haltung einen Speer vor sich trugen.

Gabe stand vor dem Tor und runzelte die Stirn:

»Und was machen wir jetzt? Die Tür ist doch zu.«

Shedhar zeigte auf die Statuen, die im nächsten Moment mit ihren Speeren auf den Sockel unter ihnen stampften. Nun war ein lauter Mechanismus zu hören und die massive Steintür spaltete sich in der Mitte. Langsam öffnete sie sich. Gabe betrat mit den anderen einen rätselhaften Gang, der wie eine Wendeltreppe an der Wand des Tempelinneren nach oben führte. Eine stilvolle Beleuchtung, deren Ursprung drei blau glühende Röhren waren, schmückte die Decke. Während sie dem Weg nach oben folgten, durchzog ein sanfter Luftzug den Gang. Sein leises Heulen übertönte ihre Schritte. Aufgrund seines Unbehagens wegen den bevorstehenden Prüfungen atmete Gabe einmal tief ein und aus, bevor ihr Weg im Raum der ersten Prüfung endete. Auf dem Boden waren 6 Reihen quadratischer Platten zu sehen. Sie glichen der Grundlage der äusseren Plattform auf dem der Tempel erbaut worden war. Die Fläche zog sich in etwa 30 Meter in die Länge. Leichen und Skelette früherer Probanden ruhten verstreut auf dem verstaubten Grund. Um sie herum lagen pfeilartige Geschosse von denen einige noch in den Toten steckten. Rahvod lief bis an den Rand der Falle heran, ging in die Hocke und musterte die Platten. Er hob einen kleinen Knochen auf und warf ihn vor sich hin. Der Knochen berührte die erste Platte und sprang sogleich über auf die zweite und dritte. Nichts.

»So ein kleiner Knochen bewirkt doch gar nichts!«, bemerkte Gabe, der gespannt auf ein Ereignis hoffte.

»Ich zeige dir wie das geht!«, fuhr er fort und hob einen grossen Schenkelknochen auf, den er einem der Skelette entnahm. Auch er warf den Knochen auf die Platten. Wieder blieb es ruhig.
»Hmm, dieses alte Zeug ist wohl kaputt.«, sagte er gelangweilt und trat entgeistert der Falle entgegen.

»Gabe, nicht!!«, brüllte Shedhar. Doch es war zu spät. Kaum berührte Gabe den Stein, hallte ein lautes Knacken durch den Raum und ein halbes Dutzend Pfeile schossen aus den modrigen Wänden. Aus Reaktion duckte er sich blitzschnell und versuchte mit seinen beiden Händen auf dem Boden die Balance zu halten. Gelähmt verharrte er in seiner Position und auch Shedhar und Rahvod standen schockiert da, bis Shedhar kopfschüttelnd, einen erleichterten Seufzer ausstiess.

»Was hast du dir dabei gedacht?! Wärst du so gross wie wir, hättest du jetzt ein paar Löcher mehr in deinem Schädel, da hätte auch das Ducken nichts gebracht. Das nächste Mal wartest du gefälligst, bis wir einen Plan haben.«, zeterte er. Doch Gabe antwortete nicht.

Der Junge fühlte eine schwache Wärme an seinen Handflächen und tastete vorsichtig die beiden Platten neben ihm ab. Danach liess er sich nach hinten fallen, um keine unnötigen Bewegungen zu machen und fuhr dann kniend mit seiner Hand über alle Steine.

»Ich glaube ich habe die Lösung für die erste Prüfung gefunden! In der ersten Reihe sind alle Platten warm ausser die rechts aussen. Vermutlich reagieren sie auf Körperwärme.« verkündete Gabe stolz. Die beiden Kasviath sahen sich fragend an und kontrollierten Gabriels Aussage, indem sie es ihm gleich taten und mit ihren Fingern nach einer Wärmequelle suchten.

»Ich spüre nichts. Vermutlich ist der Tastsinn der Menschen ausgeprägter als der, der Spezies, auf unserem Planeten. Gabriel, beginne beim ersten Stein und versuche uns auf die andere Seite zu bringen.«, bat Rahvod. Gabe betrat die Todesfalle, kniete sich wieder hin und versuchte vorsichtig eine kühle Platte nach der anderen zu bestimmen. Seine Gefährten dicht hinter ihm.

Vorbei an den unzähligen Verstorbenen, vergingen Minuten mühevollen Abtastens. Als Gabe schon fast beim anderen Ende angekommen war, wartete er einen Moment und blickte in die leeren Augenhöhlen eines Skeletts, das seinen Arm ausstreckte, als wolle es vor seinem Tod versucht haben, mühevoll die Ziellinie zu erreichen. Shedhar, der kauernd hinter Gabe herging, strich dem Schädel sanft über die Stirn und flüsterte einige Worte, um sich von seinem gescheiterten Artgenossen zu verabschieden.

Hinten angekommen richteten sie sich auf, wischten den Staub von ihren Körpern und hielten einen Moment Inne. An den Gesichtern seiner Freunde, bemerkte Gabe, dass ihnen jetzt nicht nach reden zumute war. Nach dem Prüfungsraum gingen sie erneut ein weiteres Stück des beleuchteten Weges entlang und aufgrund der vergangenen Ereignisse lag nun eine etwas gedämpfte Stimmung in der Luft. Sowie die drei voranschritten, versanken alle für einen Moment in ihren Gedanken.

»Die erste haben wir ja nun gemeistert. Was kommt als nächstes dran?«, wollte Gabe wissen.

Rahvod löste sich merklich von seinen Überlegungen und entgegnete:

»Das war die Prüfung, die unser Geschick getestet hat. Als nächstes werden wir unser Wissen beweisen müssen.«

»Dann können wir uns wohl glücklich schätzen, dass du uns begleitest. Du lebst doch schon sehr lange und müsstest einiges auf dem Kasten haben.«

»Wir werden sehen.«, schmunzelte Rahvod.

Nachdem ihr Gespräch beendet war, weitete sich der Weg zur nächsten Räumlichkeit aus.

Kaum eingetreten zuckten sie zusammen als eine robuste Luke hinter ihnen herunterschnellte und sie somit von der Aussenwelt abschnitt. Gabe schaute sich um. Er sah ein offenes Gewölbe in dessen Mitte eine beschriftete Tafel auf einem Sockel angebracht war. Auch hier lagen Gebeine einiger Verstorbenen, jedoch weniger als bei der ersten Prüfung. Sie waren friedlich angelehnt am Gemäuer. Nahe den Wänden befanden sich acht Statuen, wie sie am Eingang des Tempels standen. Diese waren aber viel detaillierter und trugen vornehme Kleidung und Rüstungen, sowie Helme auf ihren Köpfen, die Gabe stark an Kronen erinnerten. Ihre Haltung war aufrecht und in ihren Händen hielten sie alle ein kleines Behältnis vor ihre Körper, als würden sie nach etwas verlangen. Die drei näherten sich der Tafel. An den Seiten steckten zwei kleine Fackeln in ihren prunkvollen Halterungen. Ihr Feuer loderte blau, wie das in den Kesseln auf der Plattform. Shedhar las die Inschrift vor:

»Die Pforte zur Bestimmung wird weichen wenn die Begierde der Acht neu entfacht und der Klang der Herrschaft begonnen beim Ende, den Ort der Vereinigung erfüllen wird. Versagen bettet die Unwürdigen in ihrer letzten Stätte.«

»Hmm.. Was haltet ihr davon?« , fuhr er fort.

Rahvod überlegte einen Augenblick und antwortete grimmig:

»Nun der letzte Satz bedeutet auf jeden Fall, dass wir hier unser Ende finden, können wir den Text nicht entschlüsseln. Die Luke bleibt geschlossen, bis das Rätsel gelöst, oder jegliches Leben aus diesem Raum entwichen ist.« Die drei setzten sich hin und verweilten gedanklich bei der geheimnisvollen Inschrift. Einige Minuten verstrichen, bis Gabe sich schliesslich erhob, eine Fackel aus der Halterung riss und damit auf eine der Statuen zuging. Er hielt die Flamme über die kleine Schale in deren Händen. Die Augen der Statue wurden durch dasselbe blaue Feuer getränkt, wie jetzt aus dem Behältnis entsprang.

»Ha! Ich wusste es!«, erfreute sich Gabe.

Shedhar schaute ihm gespannt zu wie er die anderen Statuen entfachte und fragte:

»Wie bist du denn darauf gekommen?«

»Ich mag Worträtsel, auf der Erde gibt es tausende davon und sie sind sehr beliebt bei den Menschen. “Wenn die Begierde der Acht neu entfacht“ – hier befinden sich acht Statuen. Sie sehen auch aus als wollten sie etwas, dass ist mir schon als wir eingetreten sind ins Auge gestochen. Ist doch logisch!«, lächelte der Junge.

»Solche Worträtsel, wie du sie nennst, sind auf Kasviath sehr selten. Die Verschlüsselungen werden nur für höhere Zwecke gebraucht. Um zum Beispiel etwas vor fremdem Zugriff zu schützen, wie hier nun der Fall ist.«, erklärte Rahvod.

»Mir will nur nicht einfallen, was es mit diesen Acht oder dem Ort der Vereinigung auf sich haben könnte.« sagte Gabe, während er von Statue zu Statue ging und das Feuer entfachte.

»Das sind alle Könige, die einst über die Kasviath regierten.«, erläuterte Shedhar, hielt kurz Inne und fuhr dann fort:

»Der Ort der Vereinigung müsste demnach dieser Raum hier sein, da sich alle Könige darin befinden.«

»Sehr gut, jetzt muss nur noch der Klang der Herrschaft den Ort erfüllen.«, erweiterte Gabe Shedhars Erkenntnis. Wieder verging einige Zeit des Nachdenkens. Nun wandte sich Shedhar Rahvod zu und erkundigte sich hoffnungsvoll:

»Kennst du die Namen aller Könige?«

»Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich über das frühe Zeitalter zu informieren. Also ja, ich kenne sie.« entgegnete Rahvod.

»Warum kennst DU sie denn nicht? Habt ihr das nicht in der Schule gelernt oder sowas?«, fragte Gabe und runzelte die Stirn.

»Die Dinge laufen hier etwas anders als auf der Erde. Das Festhalten der Geschichte war damals strengstens verboten und wurde mit dem Tod bestraft. Daher existieren nur wenige Dokumente über die Zeit der Könige.«

»Ist das nicht etwas extrem?«

»Sie glaubten, wenn ihre Existenz aus der Geschichte getilgt wird, würde ihre Herrschaft eine Ewigkeit währen.«, gab Rahvod preis und wandte sich wieder Shedhar zu:

»Warum möchtest du die Namen denn wissen?«

»Mit dem ’’Klang der Herrschaft’’ könnten doch die Namen der Könige gemeint sein.«

»Natürlich, versuchen wir es!«, stimmte Rahvod zu und wollte gerade mit der Aufzählung beginnen als Gabe ihm ins Wort fiel:

»Halt! Zähle sie rückwärts auf. Im Text steht “angefangen beim Ende“, also müsste der letzte König, der erste gesprochene Name sein. Rahvod nickte, stellte sich vor die Tafel und sprach mit kräftiger Stimme:

»Jehem! Gelon! Nakre! Urtep! Hadworg! Davran! Javites! Nalajen!«

Das Echo von Rahvods Stimme erfüllte den geheimnisvollen Ort und wurde lauter und schneller, bis sich die Worte so stark in einander vermischten, dass sich Gabe die Ohren zuhalten musste. Plötzlich wurde es Totenstill, alle Flammen erloschen und auf der gegenüberliegenden Wand schob sich ein Stück nach hinten und offenbarte den nächsten Gangabschnitt zu der finalen Prüfung. Auch die Luke hinter ihnen wurde wieder angehoben.

»Ja man! Den zweiten Test haben wir auch schon gelöst!«, erfreute sich Gabe. Shedhar belächelte Gabes stolzen Gesichtsausdruck:

»Ich muss gestehen, wir schlagen uns nicht schlecht! Was meinst du Rahvod?«

»Ihr solltet euch nicht zu früh freuen.«, erwiderte er mit betrübter Miene und ging dann zielstrebig zur Öffnung in der Mauer. Die anderen beiden warfen sich einen fragenden Blick zu, zuckten mit den Schultern und folgten Rahvod aus dem Raum. Mutig marschierten die drei ihrem nächsten Test entgegen. Gabe beobachtete Rahvod, den merklich etwas bedrückte:

»Was ist denn los?«, erkundigte er sich.

»Ich weiss es nicht genau, etwas stimmt nicht.«

Gabe und Shedhar gingen verdutzt neben ihm her.

»Egal was kommt, wir werden es sicher überstehen mein Freund. Kannst du dich an den Angriff in Dwehrim erinnern?«, fragte Shedhar nach.

»Ich erinnere mich. Der Katatzu hätte dich um Haaresbreite zerfleischt.«, dachte Rahvod zurück.

»Ja, wenn du nicht gewesen wärst und ihn zur Strecke gebracht hättest wäre ich nicht mehr hier. Jemand der einen Katatzu töten kann braucht sich vor nichts zu fürchten. Wir kommen hier raus und töten Tavra.«, versuchte Shedhar seinen Freund aufzuheitern. Doch als Rahvod schweigend weiterging, sagte er auch nichts mehr.

Das war er also. Der letzte Raum vor Narodran, dem Speer der Könige von Kasviath. Die Gefährten traten ein und erspähten nur einen Thron am hinteren Ende der Kammer. Eine Kasviath-ähnliche Gestalt war zu sehen, die, wie tot auf ihrem Sitz ruhte und dessen Gesicht von einer alten, dreckigen Kapuze verdeckt war. Ihre Haut war anders als bei seinen Freunden gräulich und wirkte abgestorben. An manchen Stellen des Körpers fehlten einige Hautfetzen und brachten angefaulte Gebeine hervor. Die Brust war durch einen schwarzen Harnisch gepanzert und auch an Armen und beinen waren, zusätzlich zum genetischen Schutz, Teile einer zerfallenen Rüstung angebracht. Um die Hüfte trug sie einen Gürtel an dem sich zwei edle, jedoch rostige Schwerter befanden. Langsam hob sie ihren Kopf. Gabe erschauderte beim Anblick des modrigen Schädels der ihn und seine Freunde musternd anglotzte. Schleppend stieg sie aus ihrem Thron und näherte sich keuchend und mit schweren Schritten, bis sie in einem Abstand von 10 Metern stehen blieb. Gabe bemerkte dass das Wesen den Anschein machte gleich zusammenzubrechen, liess einen spottenden Lacher von sich und sagte:

»Der hat wohl schon so lange auf jemanden gewartet, dass er ein wenig eingerostet ist. Schlagen wir ihn auseinander und holen den Speer.«

Rahvod hielt Gabes Schulter fest:

»Du täuschst dich Gabriel, du bleibst hier!«, befahl er.

Die Gestalt schwankte auf ihren müden Beinen hin und her und brach in teuflisches Gelächter aus. Gabe war wie angewurzelt, als die Haut des Kriegers sich von Kopf bis Fuss langsam erneuerte. Sie wuchs an den offenen Stellen zusammen und wurde strammer. Auch farblich veränderte sie sich von dem gräulich blassen Ton in ein mattes schwarz. Die Gestalt richtete sich von ihrer gekrümmten, gebrechlichen Haltung auf und nachdem ihr Lachen verstummte, stand sie aufrecht vor dem verblüfften Jungen. Sogar seine beiden Schwerter hatten ihren früheren Glanz wieder erhalten.

»So eine Scheisse!«, fluchte Gabe, als er realisierte sich an dem Zustand der Gestalt masslos vertan zu haben.

»Das ist Mehidrad, die Leibwache von Jehem, dem letzten König von Kasviath. Er muss ihn zum ewigen Schutz des Speers verflucht haben. Er galt als einer der begabtesten Krieger seiner Zeit.«, erklärte Rahvod seiner Begleitung. Mehidrad legte seinen Kopf grinsend zur Seite, hob den linken Arm und zeigte mit dem Finger herausfordernd auf Shedhar.

»Ich werde mich ihm wohl als erster stellen müssen.«, meinte er und trat einen Schritt vor. Rahvod sah Shedhars Besorgnis in Form von Schweissperlen auf seiner Stirn. Er starrte einen Moment nachdenklich auf den glatten Boden, griff nach seinem Hammer und rannte auf den Gegner zu.

»Rahvod! Komm zurück!«, schrie Shedhar ihm hinterher.

Er holte zum Schlag aus doch bevor der Hammer Mehidrad berühren konnte, verschwand er ohne sich zu bewegen und stand keine Sekunde später hinter Rahvod. Mehidrad hob seinen Arm und drückte ihm als er sich umdrehte lachend seine Faust ins Gesicht. Er taumelte – ging in die Knie. Seine Wange begann zu bluten. Dennoch richtete er sich wieder auf und versuchte vergebens ein paar Treffer zu landen. Gabe und Shedhar wohnten dem Kampf eifrig bei. Mehidrad wollte schon dem nächsten Schlag ausweichen als Rahvod beim Ausholen plötzlich seinen Hammer fallen liess und so die Möglichkeit zu einer Finte nutzte. Er schlug dem überraschten Kämpfer zwei Mal in den Bauch und schickte ihn mit einer harten Kopfnuss auf die Bretter. Mehidrad knurrte wütend, zog seine Schwerter und schlug wild auf Rahvod ein, der schnell seinen Hammer aufhob und so die Schwerthiebe gerade noch abblocken konnte. Angestrengt von den auf ihn einprasselnden Klingen, wich er einige Schritte zurück. Nun versuchte die Leibwache, Rahvod mit einem Kick zu Fall zu bringen, doch er griff sich den Knöchel, wirbelte herum und warf Mehidrad gegen die Wand. Rahvod lud erneut zum Schlag auf und stürmte auf den benommen wirkenden Kämpfer zu.

»Rahvod pass auf!!« schrie Shedhar, der bemerkte wie Mehidrad entschlossen seinen Schwertgriff zusammendrückte. Doch es war zu spät. Der Kasviath rannte direkt in die hervorschnellende Klinge. Sie bohrte sich tief in seine Brust. Mehidrad rückte mit einem teuflischen grinsen einen Schritt näher und drückte sein Schwert tiefer in Rahvods Körper. Betäubt vom Schmerz liess er seinen Hammer fallen und stand wie angewurzelt und mit offenem Mund vor Mehidrad. Für Gabe erschien dieser Moment wie in Zeitlupe. Hysterisch rannte Shedhar auf seinen Freund zu. Rahvod bemerkte ihn und löste sich aus seiner Starre. Er hob seinen Arm und gab Shedhar das Zeichen wegzubleiben. Dann griff er hastig mit beiden Händen nach Mehidrads Gesicht. Dieser begann plötzlich zu schreien als Rahvods Augen rot aufglühten und man das Blut durch seine Adern, leuchtend pulsieren, sehen konnte. Die Wache hielt noch immer das Schwert fest, versuchte sich von Rahvods Griff zu lösen, während seine Fratze anfing zu kochen und schliesslich in hellen Flammen aufging. Doch Rahvods Kraft liess bald nach. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und kniete sich langsam hin, nachdem sich seine Hände von Mehidrads Gesicht lösten. Verzweifelt rannte er im Raum herum und versuchte das Feuer mit seinen Händen zu löschen bis er einige Sekunden später, nach Luft ringend, zusammenbrach und sein Bewusstsein verlor. Rahvod versuchte keuchend durchzuhalten. Shedhar und Gabriel eilten zu ihm.

»Rahvod! Was kann ich tun?!, fragte Shedhar aufgeregt.

»M..Meine Zeit.. ist um Junge. Holt d-den.. Speer und geht n-nach Hajmar.. Erl..*hust* erledigt dieses Mistvieh endlich.«

Nachdem er seine letzten Worte sprach, quoll Blut aus Rahvods Mund und seine müden Augen schlossen sich langsam, bis er aufhörte zu atmen. Shedhar verharrte vor dem leblosen Körper.

»Aahhh!« - Seine Trauer wurde unterbrochen durch Gabes Aufschrei, der von Mehidrad überraschend am Bein gepackt wurde. Von Hass erfüllt stand Shedhar auf und ging geistesabwesend zu dem verbrannten Kämpfer, packte seinen Kopf und schmetterte ihn immer fester auf den harten Grund, bis sein Schädel zerplatzte und nur noch eine blutige Pfütze von ihm übrig war. Nun ertönte ein Mechanismus und abermals offenbarte sich ein Stück Wand als Fortsetzung ihres beschwerlichen Weges. Die beiden entfernten sich von den Toten und verliessen betrübt und ohne Worte den Raum der letzten Prüfung. Vor ihnen lag eine kleine, bunt geschmückte Kammer. Nahe der hinteren Wand lagen einige, offen stehende, Truhen, die viele merkwürdige Kugeln, kleine Statuen und andersförmige Objekte beinhalteten. Mittig, zwischen all den Schätzen posierte eine grosse Königsstatue. Sie kniete auf einem Bein und hielt mit ausgestreckten Armen und gesenktem Kopf den Narodran in ihren Händen. Um den pechschwarzen Schaft, schlängelte sich eine blutrote Verzierung bis nach oben hin. Von der Speerspitze selbst, die auf Gabe wie ein langer, schwarzer Kristall wirkte, ging eine unheimliche Präsenz aus, die jeden Betrachter aus Ehrfurcht erzittern liess. Gabe schielte zu Shedhar und fragte:

»Da ich sowieso keine Ahnung habe wie das Ding funktioniert, würde ich sagen du nimmst ihn. Das müsste dir doch im Blut liegen oder nicht?«

»Ja.«, antwortete er, ging auf die, in treu ergebener Haltung, versteinerte Statue zu und griff nach dem Speer:

»Ich hoffe dieser Gegenstand ist das alles wert. Rahvods Tod darf nicht umsonst gewesen sein.«

»Hey, wir kriegen das hin. Wir sind schon so weit gekommen. Aufgeben liegt nicht drin.«, versuchte Gabriel seinen Begleiter zu ermutigen.

»Du hast Recht Gabe. Verlassen wir endlich diesen Ort.«

Entschlossen machten sie kehrt. Wieder im vorherigen Raum angekommen lief Shedhar zu Rahvods leblosem Körper:

»Ich will ihn nicht hier lassen.«, hob ihn hoch und legte ihn über seine Schulter.

Als Sie aus dem Tempel traten war es schon finster geworden und nur die grell leuchtenden Monde erhellten die düstere Einöde. Die Treppe der Plattform hinuntergelaufen, blieben sie schlagartig stehen. Erstaunt starrten sie in Tavras geifernde, verrottete Visage. Hinter ihm lechzten zahlreiche Dwjrm, die ruhig auf einen Befehl ihres Anführers warteten. Doch auch Tavra tat nichts. Eine vertraute, kratzige Stimme unterbrach die Stille:

»Nicht schlecht ihr beiden. Das hätte ich euch nicht zugetraut!«, kicherte Zedwen verstohlen und trat hinter Tavra hervor. Shedhars Erstaunen veränderte sich zu einer wütenden Mimik:

»Zedwen?! Hast du dich dem Feind angeschlossen? Was soll das alles?!« Zedwen hielt einige Momente Inne und antwortete schliesslich:

»Ich werde es euch erklären, Ihr werdet ohnehin gleich sterben. Ich habe die Dwjrm wieder erweckt. Jahrhundertelang war ich in dieser verfluchten Schlucht, entstellt von meinem eigenen Volk, obwohl ich mich nur gegen Ihre hitzköpfige Brut gewehrt hatte! Also habe ich mich ausgiebig mit Totenmagie auseinandergesetzt, alles gesammelt und geplündert, was ich darüber finden konnte, bis mir endlich diese Meisterleistung gelungen war! Nun kriegen die Dwjrm und ICH unsere Rache an diesem verkommenen Volk!«

»Aber das ist auch dein Volk! Du bist wahnsinnig alter!«, schrie Gabe dazwischen.

»SCHWEIG, kleiner Erdling! Du wirst genauso bezahlen für deine freche, primitive Art. Allein deine Anwesenheit auf unserem Boden ist eine Beleidigung!«

»Fick dich, Zedw..!«, Shedhar erschrak und hielt hastig Gabes Mund zu, der herumfuchtelte und versuchte weiter zu fluchen!

»Muahahah. Schluss mit diesem Unfug!«, brüllte Zedwen, während seine Augen für einen kurzen Moment rot aufleuchteten. Unmittelbar danach sprang ein Dwjrm hinterhältig dem ahnungslosen Shedhar entgegen und entriss ihm den Speer. Langsam lief das Tier auf seinen Meister zu. Gabe stutzte. Er fühlte eine seltsame Präsenz, die sich unmittelbar neben ihm befand. Die Luft begann zu flimmern und aus dem Nichts materialisierte sich langsam ein gespenstisches Wesen. Es war dasselbe, das ihn bei Rahvods Unterkunft besucht hatte. Der Shem blickte kurz auf Gabe hinab und schwebte dann sanft an ihm vorbei. Blitzschnell schoss er durch den Dwjrm mit dem Speer und zersetzte ihn in sekundenschnelle in winzige Partikel. Zedwen erschrak und seine Begleiter fingen unruhig an zu heulen, als rundherum mehrere Shems auftauchten. Ihre geisterhaften Körper wehten durch die Rudel, die nun in Panik versuchten zu fliehen.

»Nein! Neein!« schrie Zedwen, sprang Tavra auf den Rücken und streckte seinen Bogen in die Luft, der sich mit Funken umgab und Tavra und ihn selbst in einen Schutzschild aus gewaltigen, saphirblauen Blitzen hüllte. Die Shem versuchten wie wild auf ihn einzuprasseln und wurden der Reihe nach zurückgeschleudert. Durch den Schild warf Zedwen dem Jungen einen angewiderten Blick zu, bis der Schutz sich abrupt zu einer kleinen Energiekugel verkleinerte und mit einem lauten Knall dem Himmel entgegen flog. Langsam wurde es stiller. Nur noch das leise Jaulen der letzten geflohenen Dwjrm war in der ferne zu hören. Die Bewegungen der Shem beruhigten sich und Sie wandten sich für einen kurzen Moment den Reisenden zu, bis sie sich schliesslich in Luft auflösten und in den Schatten des Tempels verschwanden.

»Boah, was war das denn gerade?!«, fragte Gabe, verdutzt über die kürzlichen Ereignisse.

»Ich nehme an, den Shem gefällt es nicht, was die Dwjrm für Auswirkungen auf Ihr Land haben. Verdammter Zedwen, wie konnte er nur?«, antwortete Shedhar nachdenklich.

»Warum hat er uns denn eigentlich nicht schon in der Schlucht aufgehalten?«

»Damit wir die Drecksarbeit machen und den Speer holen, den wir zu benötigen glaubten. Ich frage mich ob es reicht, nur Zedwen zu vernichten um die Dwjrm aufzuhalten. Jedenfalls müssen wir nach Hajmar, so wie Rahvod uns angewiesen hat. Zedwen müsste dorthin geflohen sein.«, erklärte Shedhar und legte seinen verstorbenen Freund auf den, vom Kampf gezeichneten, Morast.

»Ich möchte Ihn beerdigen bevor wir weitergehen.«, fügte er hinzu. Gabe willigte ein und so schufen die beiden ein Grab für Rahvod, bevor sie ihn vorsichtig hineintrugen und mit Erde bedeckten. Shedhar steckte zur Markierung der Ruhestätte sein Schwert in den Boden und setzte sich mit Gabe hin. Nach kurzem Verweilen und der Ruhe der Nacht lauschend, erhoben Sie sich. Shedhar lief zum Speer, der immer noch an der Stelle lag, an dem der Dwjrm gestorben war und hob ihn auf.

»Brechen wir gegen Westen auf. Dort gibt es einige Höhlen, die sich eignen um ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Ausserdem finden wir dort eine Route nach Brjiot. So heisst das Gebiet, in dem sich die Stadt Hajmar befindet.«, wies Shedhar an und lief zielstrebig in eine Richtung. Gabe folgte ihm. Nach einem ereignislosen, langen Fussmarsch auf die westliche Gebirgskette zu, stiessen sie auf eine kleine Höhle. Sie nahmen einige Holzstücke von draussen mit und stapelten sie in der Mitte. Bevor sich Gabe fragen konnte, wo sie Feuer herbekämen, kauerte Shedhar vor das Holz und nahm zwei Stücke fest in den Griff. Er konzentrierte sich merklich und nach kurzer Zeit fingen seine Adern, gleich wie bei Rahvod im Kampf gegen Mehidrad an zu pulsieren. Nur weniger Stark.

»Was ist das eigentlich für eine Fähigkeit von euch?«, fragte Gabe interessiert, nachdem das Holz Feuer fing und sich Shedhars Zustand wieder normalisierte.«

»Es heisst Tha’vis und wird erzeugt durch einen bestimmten Stoff in unserem Blut. Er lässt uns extreme Hitze erzeugen und im dunkeln sehen. Darum leuchten unsere Augen rot, wenn es sehr finster ist. Je nach Alter verstärkt sich der Effekt bis man, bei einem natürlichen Tod, verbrennt.«

»Hmm, hast du nicht in der Höhle erwähnt, ich hätte durch unsere Verbindung irgendwas von dir übernommen? Kann ich das jetzt auch?« Shedhar überlegte kurz und erwiderte:

»Mir wurde gesagt, bei den meisten Wesen im Universum wirkt sich die Verbindung rein auf Sprachkenntnisse und Wissen aus. Wenn auch ich mehr über deine Welt erfahren habe, als du über meine. Wie die Verbindung sich auf einen Menschen auswirkt kann ich nur schwer erraten. Ich bin müde Gabriel, wir sollten schlafen.«

Die beiden legten sich auf den vom Feuer erwärmten Stein und langsam drifteten sie zum knistern des Feuerholzes ab ins Land der Träume.

 

Der Einschlag eines Blitzes, in das Gebirge oberhalb der Höhle, liess Gabe hochschnellen. Verwirrt blickte er um sich und sah zum Ausgang der Höhle. Es stürmte und regnete wie verrückt. Von den Blitzen des Gewitters geblendet, hielt sich Gabe die Hand vor Augen und als er genauer hinsah, erkannte er die Umrisse von Shedhars Körper, der wie in Trance aus der Höhle hinausspazierte.

»Shedhar! Was soll das, komm wieder her! Was ist denn da?!« schrie der Junge, rappelte sich auf und lief ihm nach. Ausserhalb der Höhle packte er seine Hand, doch der Kasviath stiess ihn zu Boden. Im Schlamm sitzend beobachtete er wie vor ihm zwei Gestalten auftauchten, die geradewegs auf Shedhar zuliefen. Als sie einander gegenüber standen erkannte Gabe Tavra und Zedwen.

»Gaaah!«, brüllte Shedhar und rannte mit dem Speer voraus auf Tavra zu. Dieser richtete sich auf und liess ihn mit voller Wucht in sein Herz stechen. Der Narodran zersprengte in tausend Stücke und Shedhar ging zu Boden. Dennoch gab er nicht auf, kam hoch und schlug auf Tavra ein, der weiterhin keinen Wank machte. Gabe bemerkte wie Zedwen ihm lächelnd zuzwinkerte. Die Verzierung seines Bogens flackerte wie wild. Nun stürzte sich Tavra auf den erschöpften Shedhar, drückte ihn in den Schlamm und schaute ihm direkt in die Augen. Er öffnete sein Maul und wirkte einen Strahl aus tausenden schwarzen Partikeln, der Shedhars Kopf zum verwesen brachte. Der Kasviath versuchte sich zu wehren, doch es war zu spät. Regungslos blieb er liegen und Gabe sah gedankenverloren, dem Tod seines Freundes zu.

»Gabe!, Gabriel! Wach auf, was hast du?!«, rief Shedhar und schüttelte den Jungen besorgt hin und her.

»W-was ist los?«

»Du hast wohl geträumt. Alles ist in Ordnung.«

»Shedhar du lebst! Zedwen war da und du hast mit Tavra gekämpft und.. Gott sei Dank!«, sagte Gabe euphorisch und seufzte aus tiefster Erleichterung.

»Keine Sorge, die beiden werden wir so schnell nicht zu Gesicht bekommen!«, versicherte Shedhar, klopfte Gabe ermunternd auf den Rücken und fuhr dann fort:

»Es ist Morgen. Wir sollten uns auf den Weg machen. Links von unserer Höhle ist ein breiter Hang, der durch das Gebirge führt. Den werden wir nehmen um nach Brjiot zu gelangen.«

»Okay, okay. Sieht es in Brjiot auch so beschissen aus wie in Lohr?«, fauchte Gabe.

»Brjiot ist Wüstengebiet. Es war die Heimat der Dwjrm. Du wirst es schon noch früh genug erleben, komm hoch jetzt, es wird Zeit.«, bemerkte Shedhar und half Gabe aufzustehen.

»Yeah! Auf nach Brjiot!«

Nachdem sie ihren Unterschlupf verliessen, marschierten die zwei, der hohen Gebirgskette von Lohr entlang und kamen Stunden später endlich an den Hang von dem Shedhar erzählt hatte. Je höher sie gingen, desto schmaler und steiler wurde der Weg, bis er schliesslich pfeilgerade durch die Felsen führte. Etwa nach drei Viertel des endlos scheinenden Pfades wurde es langsam heller und Gabe vernahm, wie ein Windhauch, feinen Sand in sein Gesicht wehte.

PÄNG - Kaum hatte er sich darüber gefreut, Lohr hinter sich zu lassen, verflog sein gutes Gefühl wieder, als ein Projektil vor ihren Füssen in den Boden einschlug. Am Ende der Felswand erkannte Gabe eine kleine Gestalt. Mit erhobenem Gewehr ging sie zielstrebig auf sie zu. Geräuschlos blieben die Gefährten an Ort und Stelle und warteten, bis die Figur in sicherem Abstand vor ihnen stehen blieb. Gabe schmunzelte über das, jetzt besser erkennbare, Aussehen des wuschigen, katzenartigen Wesens. Auf dem Kopf trug sie eine grüne Mütze und vor ihren Augen befand sich eine Brille, die wie eine Skibrille aussah. Shedhar konnte sich nicht erklären was das für eine Spezies war und runzelte die Stirn.

»Fid jetaja wil!«, rief die Kreatur.

»Bitte was?!«, erwiderte Gabe mit fragender Miene.

Die Katze brabbelte irgendwas und fummelte an einem rostigen Gerät herum, das an ihrem Hals befestigt war. Sie schlug aufgeregt darauf herum, bis es anfing zu piepen. Danach drehte sie an einem Regler hin und her und schob die Konstruktion vor ihren Mund.

»Identifiziert euch mal!«, rief sie.

Gabe und Shedhar warfen sich abermals einen verworrenen Blick zu, bis Shedhar das Wort ergriff und erzählte:

»Mein Name ist Shedhar und das ist mein Freund Gabriel von der Erde. Wir müssen nach Brjiot um die Dwjrm aufzuhalten.«

Die Katze hörte begierig zu und als Shedhar fertig war, hielt er einen Moment Inne, senkte sein Gewehr und verkündete dann lachend und offenherzig:

»Dann ist ja alles klar, ich bin Fleks vom Planeten Briis.«

Gabe musterte perplex die Katze und konnte sein Lachen nicht mehr zurück halten:

»Hahaha „Fleks die sprechende Katze“, wie perfekt!«

Fleks lächeln verzog sich zu einer peinlich berührten Grimasse.

»Hey! ich bin ein Junge, also ein Kater du Frechdachs!« Erneut fremdschämend, ärgerte sich Shedhar über Gabes Verhalten und entschuldigte sich bei Fleks:

»Nett dich kennen zu lernen Fleks, bitte entschuldige Gabriel, er ist wohl sehr übermüdet von der langen Reise die wir hinter uns haben.«

»Aha, aha! Na Gut ich verstehe!« Langsam beruhigte sich Gabes Gelächter und Fleks gab den beiden das Zeichen, ihm ins Tageslicht zu folgen.

»Was machst du denn auf diesem Planeten Fleks?«, fragte Gabe und wischte sich die letzte Freudenträne aus den Augen.

»Die wollten mich nicht mehr haben auf meinem Planeten, weil meine Erfindungen immer kaputt gehn’, und dann ging ich weg und dann war mein Raumschiff auch kaputt und dann bin ich hier runtergeknallt. Schon seit 3 Jahren versuche ich das Teil zu reparieren. Es fehlt auch nicht mehr viel dann geht’s endlich weiter! Wohoo!«, erzählte Fleks glücklich und zeigte auf eine Riesige Schrottkonstruktion die im Sand steckte. Beim Schiff angekommen kramte er einen kleinen Beutel hervor.

»Trinkt ihr einen Jaffi mit mir!?«, bat der Kater.

»Einen Jaffi?.. Was ist denn das?«, erkundigte sich Shedhar.

»Das ist bestimmt Alkohol.«, antwortete Gabe.

»Und was ist Alkohol?«, fragte sich Fleks und drehte seinen Kopf nachdenklich zur Seite. Gabe schüttelte den Kopf und grinste über diese, zur Abwechslung amüsante Situation in der er sich befand.

»Egal! Kommt wir nehmen einen Jaffi zusammen!«, rief er und bot Fleks an, die kleinen Farbigen Behältnisse zu füllen, die er voller Vorfreude aus der Tasche genommen hatte. Obwohl Gabe aufgestellt wirkte, machte Shedhar Reue und Unbehagen in seinem Gesicht aus. Er wusste was los war, fragte aber dennoch nach:

»Alles in Ordnung?« Gabe zögerte, atmete tief ein und erzählte, was ihm auf dem Herzen lag:

»Es ist wegen meinem Bruder. Er ging vor 3 Jahren mit seinen Freunden auf eine Party. Nachdem er zu viel getrunken hatte, lief er nach draussen um frische Luft zu schnappen. Als vier Jugendliche an ihm vorbeigingen, hat er sich im Rausch mit ihnen angelegt. Diese Wixxer haben ihn totgeprügelt und auf dem Asphalt liegen lassen. Sein Name war Dwayne.« Die beiden hörten ihm aufmerksam zu und Gabe erkannte grosses Mitgefühl in den Blicken der fremden Wesen.

»Aber naja! Ich bin auf einem anderen Planeten und habe die Möglichkeit, mit 2 fremden Lebensformen einen zu trinken. Ich möchte den Menschen kennenlernen, der darauf verzichten würde.«, fuhr er fort. Schliesslich wollte er ihnen nicht den Spass verderben.

»Dann trinken wir auf Dwayne!«, verkündete Shedhar ermunternd. Ihre Gemüter erheiterten sich und so sassen die Drei gemeinsam in den Schatten beim Raumschiff des Katers und nahmen dann einen Schluck.

»Woah, schlimmer als Absinth.«, dachte sich Gabe und schaute den anderen beiden verwundert zu, wie sie lachend einen nach dem anderen hinunterkippten. Gabe und Shedhar genossen die gemeinsame Zeit mit ihrem neu gewonnenen, flauschigen Freund und plauderten eine Weile über die Verschiedenheiten ihrer Planeten und Kulturen. Gerade als Shedhar von ihrer bisherigen Reise berichtete, unterbrach ihn Fleks, händefuchtelnd, mitten im Satz:

»Ruhig!« Er erhob sich und lief einige Schritte auf die Schlucht zu, aus der Shedhar und Gabe gekommen waren. Hysterisch kehrte er zurück.

»Da kommen Hunde, Ich hasse Hunde! Jetzt ist Schluss!«, schrie er und rannte in sein Raumschiff.

»Verdammt, die restlichen Dwyrm vom Tempel müssen uns gefolgt sein!« sagte Shedhar mit finsterem Blick. Sowie sie sich zum Kampf bereit machen wollten, kam Fleks wieder aus seiner Rostlaube geklettert und hielt zwei kleine Apparate in den Pfoten.

»Bleibt hier!«, wies er an. Sie schauten dem Kater zu, wie er wieder zu der Schlucht hochrannte und dann etwas in der Felswand platzierte. Nun konnten auch sie das, sich nähernde, Geheule der Dwyrm hören. Nervös eilte Fleks zurück und schrie:

»IN DECKUNG!« Sie gingen in die Hocke und hielten sich die Ohren zu und Fleks drückte im Sprung auf einen Knopf am zweiten Apparat. Nichts.

»Jetzt komm schon!«, brüllte er verzweifelt und hämmerte auf seinem Kästchen herum. Gabe wollte sich schon wieder aufrichten.. BOOOM! flog der Eingang mit einer gewaltigen Explosion in die Luft und schleuderte enorme Felsbrocken herum. Die Detonation zog sich mehrere dutzend Meter durch die Schlucht und die Erschütterung des Bodens war so gross, dass sich Gabe kaum noch auf den Beinen halten konnte. Fleks richtete sich auf und betrachtete sein Werk.

»Wohooo Yeah!!«, kreischte der kleine Kater und hüpfte auf und ab.

»Wow, was für ein Psycho! Der hat einfach so die halbe Schlucht weggesprengt!«, dachte sich Gabe, als er Fleks bei seinem Freudentanz zusah. Auch Shedhar war sichtlich begeistert von dem Ergebnis des kleinen Geräts.

Fleks tanzte fröhlich zu den beiden zurück und fragte:

»Hat’s euch gefallen? Das war eine Jaffi Bombe!«

Gabe glaubte sich verhört zu haben:

»Aber das Zeug haben wir doch eben getrunken!«, rief er entsetzt.

»Mhm! In einer Bombe krachts noch viel mehr! Keine Angst, das macht nichts. Ausser du hast Jurd gegessen, dann fliegst du wahrscheinlich auch in die Luft. Aber hey Jurd gibt es hier nicht! Denke ich zumindest.«, erzählte Fleks voller Begeisterung. Gabe rollte mit seinen Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Shedhar griff nach Fleks Pfote:

»Danke kleiner Freund, das hast du gut gemacht.

Das waren bestimmt zahlreiche Dwyrm Gabriel, du solltest Fleks auch danken.« Entgeistert schaute Gabe den Kater an und konnte dann trotzdem nicht mehr böse sein.

»Na gut, danke für die Hilfe!«, gab er zu und streichelte seinen Kopf.

»Möchstest du uns auf unserer Reise begleiten Fleks? Wir könnten deine Technischen Fähigkeiten gut gebrauchen.«, meinte Shedhar.

»Tut mir Leid, ich bin schon so lange hier und will weg. Die Reparatur ist auch bald fertig. Ich geb’ euch aber zum Abschied noch meinen Beutel mit Wasser und einer Flasche Jaffi mit!«

Shedhar lächelte ihn an und erwiderte:

»Ich verstehe. Grosszügig von dir, vielen Dank. Nun denn, wir müssen weiter. Schliesslich lässt sich Zedwen nicht von selbst aufhalten.«

»Ach nehmt noch diese zwei kleinen Behälter mit, damit könnt ihr mit dem Jaffi anstossen! Ich fülle sie euch gleich!«, fügte Fleks eifrig hinzu und goss von seiner offenen Flasche einen Schluck in je eines, der Behältnisse, die in etwa der Grösse einer grossen Traube entsprachen.

Gabe steckte sie sich in die Hosentasche und verliess gemeinsam mit Shedhar die Absturzstelle. Der lustige Kater begleitete die beiden noch ein Stück, wies ihnen eine Abkürzung ins Landesinnere und verabschiedete sich dann herzlich von den Abenteurern. Die Abkürzung führte durch ein grosses Waldstück mit lauter bunten Bäumen und Sträuchern, dessen Schönheit, Gabe frohen Mutes bewunderte. Solch strahlend gelben Sand vermischt mit der Atmosphäre der blühenden Vegetation gab es in den Wüstengebieten der Erde auf keinen Fall. Einige Minuten später kramte er aus dem Beutel, der Shedhar um die Hüfte trug, Fleks Wasser und trank davon.

»Ich muss mal pinkeln Shed.«

»Was ist pinkeln?«, wollte Shedhar wissen. Gabe schmunzelte:

»Ich erkläre es dir nacher, warte einfach 2-3 Minuten hier auf dem Weg okay? Ich verzieh mich kurz auf die Lichtung da hinten.«

»Gut, aber mach nicht zu lange pinkeln!«, rief Shedhar dem Hang hocheilenden Jungen hinterher. Hinter ein paar hohen Büschen stellte er sich hin und entspannte seine überfüllte Blase und überlegte sich:

»Wow dieses Wasser haut ja richtig rein, nach ein paar Schlücken war ich noch nie so voll.« Gabe genoss noch ein paar Momente die Idylle, drehte sich dann um und wollte gerade einen Schritt machen, als ein lautes Knacken unter seinen Füssen zu hören war. Kaum realisiert, brach unter ihm die Erde weg und er schlidderte schreiend, meterweit in die Tiefe.

»Ahh.. Fuck.. was ist jetzt schon wieder passiert.«, sprach er zu sich selbst und tappte im dunkeln hin und her.

»Das hast du mal wieder grossartig hingekriegt du Idiot. Hmpf.. Der Bogen ist auch Geschichte. SHEDHAAAR!? HEY SHED!?« Nichts passierte. Nach einigen weiteren ergebnislosen Hilferufen, wusste er, dass er selber einen Ausgang finden musste. Er richtete sich auf, suchte nach einer Wand und lief dann instinktiv in eine Richtung. Gabe fühlte eine seltsame Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete und auch seine Augen fingen an zu tränen. Erschöpft kauerte er eine Minute auf dem Boden und ging dann weiter. Nach einigen Metern fand er leuchtende Pilze an der Decke, die ein wenig Licht spendeten. Weiter der Wand entlang, befanden sich zahlreiche Spinnweben.

»Brrr.., das ist ja wie bei Herr der Ringe!«, erschauderte er, als er die Netze berühren musste um weiter zu kommen. Der Junge zückte seinen Dolch, den er immer noch in seinem Gürtel trug, schnitt wild durch alles durch und bahnte sich so einen Weg, durch die finsteren Gänge der Höhle.

Er zuckte zusammen, als er ein rascheln vernahm, das ihn zu verfolgen schien. Jetzt musste es schnell gehen. Er kämpfte sich durch die Hindernisse und rannte, was das Zeug hält, dem sich nähernden Tageslicht entgegen. Nervös aus der Höhle gefallen, warf er einen Blick zurück und erkannte nur noch den furchterregenden Kopf eines Rieseninsekts, das sich langsam wieder in die Dunkelheit zurückzog. Nun befand er sich in einem 15 Meter tiefen Graben, der von einer hohen Steinmauer umgeben war. Um wieder zu Atem zu kommen legte Gabe sich einen Moment auf den Rücken.

»Cool.. wieder Glück gehabt!«

Kraks – zu früh gefreut. Erschrocken drehte er sich auf den Bauch und starrte mit grossen Augen auf die Mauer, von der sich ein riesiges, steinernes Monstrum herauslöste.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, brüllte er das Vieh an, das sich meterhoch über seinem Kopf türmte. Es besass zwei lange Beine, einen Kopf so gross wie ein Kleinbus, einen massiven Rumpf, sowie einen Arm, der eine grosse, steinerne Keule formte. Mit wütendem Gebrüll stapfte es auf den Jungen zu. Er nutzte die Chance und rutschte nach einem kurzen Sprint unter den Beinen hindurch.

»Hah!«, rief Gabe vorlaut, bis er merkte, dass sein Erfolg nur von kurzer Dauer war, denn der Rumpf des Golems drehte sich ihm in Windeseile wieder zu.

»Was mache ich jetzt, mein Dolch wirkt doch nicht gegen dieses Steindings.« Das Monster machte zwei Schritte und schlug dann zu. Argh – Gabe wurde frontal, auf Brusthöhe getroffen und segelte in hohem Bogen an den harten Fels. Sein anfängliches Husten und keuchen beim aufrappeln formte ein verstohlenes Lächeln, als er begriff, dass ihm der Schlag aufgrund seiner Weste praktisch nichts ausmachte. Dennoch wusste er nicht was er gegen diesen Gegner unternehmen könnte. Wieder stürmte der Golem auf ihn zu. Gabe machte sich bereit für einen Hechtsprung zur Seite und wich der hinunterdonnernden Waffe im letzten Moment aus. Voller Adrenalin rannte er im Kreis und versuchte einem Schlag nach dem anderen zu entkommen, bis..

»GABE! FANG!« Er blickte nach oben und sah am Kopf des Golems vorbei, Shedhar, der auf der Steinmauer stand und sich vorbereitete, ihm den Narodran hinunterzuwerfen. Erneut versuchte Gabriel sein Glück und rutschte gekonnt unter dem Monster hindurch. Shedhar liess den Speer mit der Spitze in Richtung Golem hinunterfallen.

WOOOOSCH – Kaum berührte Gabe den Speer, entlud er einen blendenden Energiestrahl, der, dem Golem beide Beine hinwegfegte. Mit offenem Mund standen die beiden da.

»SCHEISSE, WAS WAR DENN DAS!?«, rief Gabe.

»EGAL! DER GJORM IST GESCHWÄCHT! TÖTE IHN!«, entgegnete Shedhar dem fassungslosen Jungen. Gabe nickte, lief auf den kriechenden Gjorm zu und sprang auf seinen Rücken. Er wackelte hin und her bei dem Versuch den Speer hochzuheben.

»Der geht doch nie da rein.«, dachte er sich.

Als er guten Halt auf dem benommenen Golem gefunden hatte, stach er ihm, mit aller Kraft, in den Kopf. Die Speerspitze schnitt durch den Stein wie Butter und spaltete ihn in zwei Hälften. Gabe hockte sich für einen Moment auf den Rumpf des toten Monsters um sich auszuruhen. Glüblerisch betrachtete er den Narodran.

»BLEIB DA, ICH WERFE DIR ETWAS RUNTER UM DICH RAUFZUZIEHEN!«

»ALS OB ICH HIER WEGKÖNNTE!«, schrie Gabe schmunzelnd.

Ein Paar Minuten später kehrte Shedhar mit einem Seil zurück, die er aus verschiedenen Gewächsen des Waldes zusammengebunden hatte und warf es in die Gruft. Gabriel hüpfte von dem Gjorm und hielt sich am Seil fest während Shedhar ihn Stück für Stück die Mauer hochzog. Oben angekommen klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern und Gabe erklärte mit einem verschwitzten grinsen:

»Weisst du Shed, wenn er zu viel getrunken hat, dann muss der menschliche Organismus, das überschüssige Wasser wieder loswerden und das nennt man pinkeln.«

Shedhar schüttelte den Kopf und entgegnete:

»Ihr Menschen habt wirklich einen merkwürdigen Humor. Ich habe mir Sorgen gemacht Gabriel. Zum Glück habe ich die Kampfgeräusche gehört und diesen Gjorm-Hort entdeckt. Dennoch muss ich zugeben, dass du dich da unten gut geschlagen hast. Ich habe wohl doch etwas mehr auf dich abgefärbt als ich gedacht habe.«

»Das sehe ich auch so! Kannst du mir diesen Ausbruch von Energie erklären, der aus dem Speer geschossen kam?!«

»Hmm.. Ich wusste schon, dass der Narodran eine mächtige Waffe ist und praktisch durch jedes Material dringt. Mit so einem Angriff, hätte ich jedoch auch nicht gerechnet. Wahrscheinlich hat er deine Energie gebündelt und entladen.«

»Cool war es auf jeden Fall! Was hast du eigentlich so getrieben in der Zwischenzeit?«

»Ich habe einige Früchte und Beeren gesammelt. Wenn du etwas möchtest, dann musst du unbedingt zuerst fragen. Manche könnten sich unangenehm auf deinen Körper auswirken. Okay?«

»Okay.«

Die beiden setzten sich auf einen moosigen Baumstamm und assen gemeinsam eine von Shedhars gesammelten Früchten.

»Und was kommt als nächstes?«, erkundigte sich Gabe voller Enthusiasmus.

»Wie gesagt müssen wir nach Hajmar, die frühere Stadt der Dwyrm. Nun ja man könnte es eher als Ruine einer Stadt bezeichnen, die sie als Behausung nutzten.«

»Und wer hat sie erbaut?«

»Frühere Stämme der Kasviath. Damals herrschte, wenn ich mich recht erinnere Davran, der 3. König, über das Land. Nach und nach verliessen die Bewohner die Stadt und überliessen sie schliesslich den Dwyrm. Da sie nichts bauen oder reparieren konnten, zerfiel Hajmar über die Jahrtausende.«

»Woher weißt du denn das alles, ich dachte die Könige hätten nichts festhalten lassen.«

»Rahvod erzählte mir davon. Ausserdem könnte man nie ganz verhindern, dass etwas durchsickert.«, erklärte Shedhar, hielt kurz Inne, musterte den erschöpften Jungen und sagte:

»Wir sind jetzt schon weit gekommen und du hast meinetwegen einiges durchgemacht. Ich möchte dir noch einmal danken dass du all das auf dich nimmst um meinem Volk zu helfen.«

»Kein Ding, ich war es ohnehin etwas Leid auf der Erde. Manchmal kommt man nur schwer klar. Viele Menschen um dich herum sehen die Existenz als nichts Besonderes an, leben vor sich hin ohne zu hinterfragen, jagen jedem neuen scheiss Trend nach und entfremden sich mehr und mehr voneinander wegen des „achso tollen“ Technischen Fortschritts. Man redet nicht mehr über wichtige Dinge, labert alles nach was man im Fernseher sieht oder im Radio hört. Sie urteilen über dich, obwohl sie kein Stück Bescheid wissen, diskutieren Banalitäten, die 0 Gewicht haben, nur um der Langeweile zu entgehen. Dabei wäre die Erde ein perfekter Ort für uns, denn Nahrung gibt es mehr als genug. Die Sonne hat die perfekte Entfernung zur Erde, so dass wir nicht erfrieren oder verbrennen. Und doch zerstören wir uns alles aufgrund von Geldgier oder Meinungsverschiedenheiten über eine höhere Macht. Also wenn die Dwyrm, die Erde angreifen würden, hätte ich mir zwei Mal überlegt, dich zu fragen, mir zu helfen.«

Shedhar fühlte Gabe’s Angespanntheit und statt ihm gut zureden zu wollen, sagte er nichts, legte seine Hand auf die Schulter des Jungen und blickte mit ihm, dem ruhig vor sich hin wehenden, Sand, ausserhalb des Waldes entgegen.

Nach einigen Minuten Erholung entfernten sie sich vom Wald und schritten über die, von der grellen Sonne erhellten Landschaft Brjiots, in Richtung Hajmar. Wenige Stunden ereignisloser Wanderung später, trafen sie auf eine kleine Ruine, nahe eines enormen Hügels und liessen sich, um wieder zu Atem zu kommen auf den Bruchstücken nieder.

»Shhh!«, gerade als Gabe den Mund aufmachte, gab ihm Shedhar ein Zeichen ruhig zu sein.

»Los, hinter die Mauer da.«, zischte er und zog Gabe mit sich. Die beiden horchten gespannt den Geräuschen, die in ihre Richtung zu kommen schienen. Gabe spähte an der Mauer vorbei und erkannte mehrere Silhouetten, die sich, begleitet von einer lauter werdenden Stimme, aus den Sandböen näherten.

»Shedhar schau doch, das sind Leute von deinem Volk.«, flüsterte Gabe erheitert und fuhr dann fort:

»Wir müssen zu Ihnen gehen, komm schon!«

Schon wollte Gabe seine Deckung verlassen, da packte ihn Shedhar am Arm und zog ihn zu sich zurück:

»Nein Gabe. Da stimmt was nicht. Sieh mal genau hin.«

Etwa ein Dutzend waren zu sehen. Angetrieben von einem, Peitsche schwingenden, Kasviath, der die anderen im 5 Sekunden-Takt anbrüllte, trotteten sie geistesabwesend vor sich hin. Sie zogen Karren, gefüllt mit Rohstoffen mit sich und ihre Körper wirkten blass und zerfallen.

Shedhar erschrak bei ihrem Anblick und sagte:

»Was ist hier nur passiert. Wir müssen ihnen folgen Gabe, komm schon!« Langsam und verborgen in den Trümmern, schlichen die beiden der Gruppe hinterher, bis sie schliesslich auf der anderen Seite des Hügels verschwand. Vorsichtig legten sie sich hin und robbten bis nach oben. Vor ihnen offenbarte sich flaches Terrain. Der Hang führte weit nach unten und mittig des riesigen Areals befand sich Hajmar. Jedoch, war es keineswegs eine Ruine mehr, und die beiden staunten über die Pracht der einst zerfallenen Stadt. Ausserhalb der Stadtmauern liefen unzählige Dwyrm und Kasviath umher, die an Konstrukten arbeiteten und Rohstoffe schürften. Shedhar holte tief Luft um sich zu beruhigen.

»Dieser verfluchte Zedwen hat meine Leute zu Sklaven gemacht!«, fauchte er wütend.

»Aber sie werden von Kasviath getrieben. Warum machen die so etwas?«

»Das wird auch ein Zauber von Zedwen sein. Mein Volk würde sich das gegenseitig niemals antun.«

Gabe schaute sich entgeistert die Geschehnisse an:

»Das sind verdammt viele Shedhar, wie sollen wir zwei da etwas ausrichten. Da hilft uns auch kein Narodran weiter, allmächtig ist der Speer ja nicht.«

»Wir lassen uns etwas einfallen. Wir sollten jetz aber sch.. aargh!« - Gabe schaute entsetzt zu seinem Freund hinüber, der nun bewusstlos im Sand lag und aus dem Schädel blutete. Nach einem plötzlichen Schmerz im Nacken wurde auch ihm schwarz vor Augen. Als Gabe wieder zu sich kam lag er seitlich auf kaltem, staubigem Grund und nach Momenten der Besinnung, setzte er sich mit Mühe auf. Vor ihm versperrte eine eigenartige Gittertür, den kleinen Raum, in dem er sich befand. Dahinter machte er einen dicken Kasviath aus, der mit dem Rücken zu ihm, an einem kleinen Tisch sass und Shedhars Beutel durchwühlte. Zu seiner Rechten, waren zwei weitere Zellen, in denen jedoch nur ein paar Knochen lagen. In der Zelle zu seiner Linken, hockte Shedhar in einer dunklen Ecke. Er schien noch immer weggetreten. Gabe hob ein paar Steinchen auf und bewarf ihn vorsichtig damit, um nicht die Aufmerksamkeit der Wache auf sich zu ziehen.

»Shed.. Hey Shed!« Nach dem vierten Versuch zuckte Shedhar endlich zusammen und langsam aber sicher wurde auch er wach. Gabe zeigte vorsichtig auf ihren Peiniger, der verwundert den Narodran unter die Lupe nahm. Shedhar erhob sich und schaute sich in seiner Zelle um. Dann ging er auf die Gittertür zu und griff nach zwei der Stangen. Seine Adern begannen zu pochen und die Gitterstäbe begannen zu glühen. Doch sein Versuch, sie mit seinem Tha’vis zum Schmelzen zu bringen scheiterte. Der dicke Wächter wurde auf die Geräusche hinter ihm aufmerksam, drehte sich um, näherte sich mit schweren Schritten Shedhar und trat mit lautem Gebrüll gegen die Gittertür. Dann blickte er, ihm, völlig ausdruckslos in die Augen, wandte sich ab und stampfte wütend einen kleinen Gang hoch, der aus ihrem Gefängnis führte. Gabe musterte Shedhar und bemerkte leichte Besorgnis in seinem Gesicht.

»Was ist los Shed?«

»Ich weiss es nicht genau. Etwas sagt mir, dass meine Freunde noch nicht ganz verloren sind. Es schien als würde er innerlich nach Hilfe rufen.«

»Also einige von denen, die wir von dem Hang aus gesehen haben, schienen mir schon recht zerfallen.«, äusserte sich Gabe bedrückt. Shedhar überlegte kurz und antwortete:

»Vielleicht stirbt der Körper erst nach und nach ab, je länger man dem Fluch, oder was auch immer das sein mag, ausgesetzt ist. Jedenfalls müssen wir sofort hier raus, bevor dieses Ding zurückkommt. Ich vermute er hat seinem Meister noch nichts davon erzählt. Sonst wären wir wohl tot oder hätten Zedwen zumindest zu Gesicht bekommen. Der Narodran wäre dann auch nicht mehr hier.«

Sie lehnten sich an die Wand und überlegten gedankenversunken an einem Ausweg aus ihrer Misere.

Gabe stiess nach einigen Überlegungen einen leichten Seufzer aus und sagte:

»Jetzt wäre wohl der perfekte Zeitpunkt für einen Jaffi.«

Shedhars Miene verzog sich zu einem heiteren Lächeln:

»Jaffi! Das ist es Gabriel! Hast du die beiden Behälter noch?.« Gabe tastete seine Hose ab, spürte in seiner rechten Tasche zwei kleine, harte Gegenstände und schrie dann auf:

»Hahaa! Er hat mich gar nicht durchsucht. Also besaufen wir uns!« Shedhar fasste sich entnervt an den Kopf.

»Nein Gabriel, überleg doch mal was Fleks damit angerichtet hat. Die Explosion in der Schlucht?« Gabe dachte kurz nach und schaute seinen Freund an, als wäre er gerade erleuchtet worden. Sie berieten sich kurz und nachdem Shedhar seinen Behälter durch die Gitter gereicht bekam, gingen beide, mit einem Stein in der Hand, zu den Zellentüren und öffneten die Behälter.

»Aber nur einen einzigen Tropfen! Du hast gesehen was dieses Getränk anrichtet.« Er nickte und befeuchtete das Schloss mit dem Jaffi. Jetzt hielten sie ihren Stein mit beiden Händen fest und schlugen gleichzeitig, so fest sie konnten, auf das Schloss. PÄNG – Der Jaffi zündete durch den Funken des Steins und sprengte die zwei Zellentüren auf.

»Was für ein Wunderzeug!«, bemerkte Gabe und lief aus der Zelle. Unmittelbar danach unterbrach ein zorniges Schnauben und Gepolter seine Freude.

»Gaahh!«, brüllte Shedhar und stürmte auf den Wächter zu, der mit ausgebreiteten Armen auf ihn los ging. Er konnte jedoch dem Gewicht des Dicken nichts entgegensetzen und wurde, wie von der Wucht eines Felsens, umgerissen.

»Hnng! Verdammt!«, brüllte er, als er auf dem Rücken darum kämpfte, seinen Gegner davon abzuhalten, ihn zu erwürgen. Gabriel löste sich von seiner Starre, rannte zum Tisch und griff sich den Speer.

»Runter von ihm, du Fettsack!«, schnauzte der Junge. Doch bevor er zustechen konnte, sah der Wächter zu ihm hoch, löste eine Hand von Shedhars Kehle und packte sich den Narodran. Shedhar nutzte seine Chance, tastete nach seinem Jaffi-Behälter und zerschlug ihn im Gesicht des Feindes, der Gabe ruckartig an die Gitterstäbe schmetterte und gereizt durch die Flüssigkeit, samt Speer, einige Schritte zurücktaumelte. Er wandte die Waffe in Richtung der beiden und stach blind um sich.

»So kommen wir nicht an ihn ran!«, rief Shedhar und gesellte sich, total ausgepowert, zu Gabe.

»Das müssen wir auch nicht.«, meinte er verstohlen, bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn dem Widersacher mitten ins Gesicht. Dessen Kopf flog in tausend Einzelteilen durch die Luft, bevor sein lebloser Körper in sich zusammensackte. Vollgespritzt mit Blut standen sie da und blickten geschockt auf den zerfransten Hals des Toten, aus dem eine rote Fontäne spritzte.

»Wow, so viel Blut hätte ich dem gar nicht zugetraut.«, meinte Gabe und wischte sich mit seinem Ärmel über die Stirn.

»Psst!«, wies Shedhar an und horchte den Geräuschen, die aus dem selben Gang, aus dem der Wächter kam, drangen.

»Sie haben uns gehört! Schnell Gabe! Nehmen wir den Gang hinter uns!.« Shedhar lief an den Tisch und nahm Fleks’s Beutel an sich. Gabe lief zu der Leiche und hob den Speer auf, bevor beide in den düsteren Gang huschten, der weiter in den Untergrund führte. Gabe musste sich an Shedhar festhalten, um sich durch den Tunnel führen zu lassen. Nach einer Viertelstunde, in der sie durch die Dunkelheit schlichen, wurde Gabe langsamer, liess Shedhars Arm los und begann sich zu räuspern und zu husten.

»Aaah! Shed, h-halt an! Mir g-geht’s nicht gut.«

Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, ging auf die Knie, begann fürchterlich zu schwitzen und erlitt dem Gefühl, innerlich zu verbrennen. Seine Augen blitzten für einen kurzen Moment in roter Farbe auf und erhellten die Finsternis.

»Was ist los Gabriel?!, fragte Shedhar und sah bekümmert dem ängstlichen Jungen zu, der verzweifelt nach Luft rang. Wenige Sekunden später, normalisierte sich sein Zustand wieder.

»Oh fuck was.. was war das?!

»Ist alles in Ordnung? Es sah so aus, als würdest du Eigenschaften unseres Organismus entwickeln. Hat sich etwas verändert?«

»Ja ich.. ich kann sehen. Es ist nicht mehr dunkel! Das fühlt sich total warm an.«, bemerkte Gabe voller Euphorie.

»Unsere Verbindung damals, hat sich offensichtlich stärker auf dich ausgewirkt, als ich gedacht habe. Faszinierend! Anders als bei uns, leuchten deine Augen nicht, sondern haben lediglich einen rötlichen Farbton angenommen.«, erklärte Shedhar und musterte interessiert Gabe’s Körper.

»Schon irgendwie unheimlich, ein Kasviath-Mensch-Hybrid zu sein. Und war das alles? Oder kommt da noch mehr?«

»Ich weiss es nicht. Wir müssen abwarten.«

Nach einer kurzen Verschnaufpause, richteten sie sich auf und folgten weiter dem schmalen Gang.

Schliesslich gelangten sie in einen grossen Raum, der dem ähnelte, indem sich ihre Zellen befanden. Denn auch hier lagen links und rechts, dutzende kleine Gefängnisse mit verrosteten Türen und vielen Knochen und Schälchen, inklusive Essensreste. Vorsichtig begutachteten sie die verwitterte Räumlichkeit, bis ihnen schliesslich ein riesiges Tor den Weg versperrte.

»Hier muss es irgendwo einen Mechanismus geben um die Tür zu öffnen, sehen wir uns um.«, wies Shedhar an. Nach kurzer Zeit fiel Gabe an der Wand, auf der rechten Seite des Tores, ein kleiner Hebel auf, der hinter einem der Gitter hervorragte. Er griff danach und drückte ihn ruckartig nach unten. Das Tor setzte sich in Bewegung und wurde von lautem Gequietsche begleitet, angehoben. Nun waren leise Kampfgeräusche zu hören, die, je weiter sich die Pforte öffnete, stetig an Lautstärke gewannen.

»Oh mann.«, bemerkte Gabe verwundert, als sein Blick auf die vielen Kasviath fiel, die vor ihm, in einer grossen Arena aufeinander los gingen und sich gegenseitig abschlachteten. Die Kämpfer bemerkten Gabe und Shedhar nach und nach, stoppten ihre Gefechte und starrten regungslos in ihre Richtung. Auf einmal war es Totenstill. Ein starker Luftzug wirbelte den sandigen Grund des Schauplatzes auf. Gabe kam sich vor wie in einem Western-Film in dem er nun das tödliche Duell austragen müsse. Eine altbekannte Stimme unterbrach die Ruhe:

»Ihr! Ich habe zwar erwartet euch wieder zu sehen, jedoch nicht zu unserem kleinen Fest hier. Kommt Näher!«, befahl Zedwen, der auf einer erhöhten Plattform, am anderen Ende der Arena sass und Tavras Kopf streichelte. Shedhar schielte nach hinten. Aus dem Gang tauchten ebenfalls einige seiner Artgenossen auf und versperrten ihren Fluchtweg. Zedwen erhob sich ungeduldig von seinem prunkvoll geschmückten Thron und schrie erneut:

»Kommt her ihr beiden!« Er streckte seinen Arm aus und spaltete mit einer einzigen Handbewegung die Menge. Die seelenlosen Kasviath traten beiseite und eröffneten Gabe und Shedhar eine Passage.

»Na gut, wir haben keine Wahl Gabriel. Bleib dicht bei mir.«, sagte Shedhar mit ernster Miene. Gabe nickte, nahm all seinen Mut zusammen und schritt gemeinsam mit seinem Freund durch den Blutgetränkten Sand, in Richtung ihres Feindes. Die erstarrten Kasviath liessen sie nicht aus den Augen, gaben aber keinen Mucks von sich. Fast am Ende der Arena blieben Shedhar und Gabe stehen. Die Kämpfer wichen nun weiter zurück und kreisten sie ein, während Gabe nervös um sich stierte. Stolz, stand Zedwen über ihnen, begutachtete mit einem düsteren Blick die Eindringlinge und sprach:

»Hahaha! Ihr glaubt gar nicht, wie viel Freude mir eure momentane Lage bereitet. Was mache ich nun mit euch?«

»Wie wär’s wenn du dich von uns töten lässt?!«, antwortete Gabe provokativ. Zedwen lachte und starrte ihn überlegen an.

»Lustig wie eh und je, der kleine. Wie konntest du so ein niederes Geschöpf auf unseren Planeten mitbringen Shedhar?«

»Gabriel ist ein vollwertiger Partner und hat mir schon einige Male aus der Klemme geholfen.«, entgegnete Shedhar überzeugt. Bedrückt sah er sich um und fragte:

»Es macht mich traurig wie weit du gesunken bist. Was hast du mit unseren Leuten gemacht? «

»Sie befinden sich in Trance. Vollkommen willenlos befolgen sie jeden meiner Befehle. So wie es sich gehört hahaha!«

Gabe runzelte entgeistert die Stirn und schrie:

»Du bist so lahm Zedwen! Ein typisch kitschiger Bösewicht aus einem schlechten B-Movie!« Zedwens Lachen verstummte zu einer gelangweilten Fratze. Entschlossen schnellte er seine Hand nach vorne, zeigte auf einen Krieger in Gabriels nähe und brüllte:

»Du! Töte diesen Bengel!« Blitzartig rannte der Kasviath auf Gabriel zu und zückte einen dunklen Kristalldolch aus seinem Gürtel. Shedhar erfasste ihn und schubste Gabe aus dem Weg. Durch einen festen Tritt in den Bauch fiel der Angreifer auf den Staubigen Grund. Ruhig lief Shedhar auf ihn zu und trat ihm kräftig ins Gesicht. Bewusstlos blieb er liegen.

»Gar nicht mal so schlecht, der hat einiges ausgehalten gegen die anderen.«, sagte Zedwen und klatschte leise in die Hände. Ihr habt zwei Optionen: Ihr gebt mir den Speer und ich gewähre euch einen ehrenhaften Tod, oder ihr kämpft gegen meine besten Kämpfer und sterbt einen grausamen, blutigen Tod. Entscheidet euch schnell, sonst hetze ich euch die ganze Meute auf den Hals!«

»Wir ergeben uns nicht Zedwen! Schick wen immer du willst!«, rief Shedhar, wandte sich Gabe zu und bot ihm lächelnd die Hand an, um ihm hoch zu helfen.

»Nun gut. Du da! Gib dem Jungen dein Schwert und einen Schild. Es soll niemand behaupten, der Kampf wäre nicht fair gewesen.« Langsam ging ein anderer Kämpfer auf Gabriel zu und händigte ihm seine blutbefleckten Waffen aus.

»Sind nicht gerade viele anwesend, die etwas behaupten könnten du Idiot!«, neckte Gabe, bevor er die Waffen entgegen nahm. Zedwen versuchte merklich, seinen Zorn über Gabes Besserwisserei im Zaum zu halten und brummelte vor sich hin.

»Ihr werdet einzeln antreten. Wählen könnt ihr selbst aber ihr müsst abwechselnd kämpfen. Ich lasse es mir nicht nehmen, dieses vorlaute Kind sterben zu sehen!« verkündete er wütend, beruhigte sich aber schnell wieder.

»Gaan, du kämpfst zuerst!«, befahl er und deutete erneut in die Menge. Verglichen mit den anderen, erschien ein eher kleiner Kasviath. Er war kaum grösser als Gabriel. Eine tiefe Narbe zog sich durch sein linkes Auge und das verwachsene Lid, liess Gabe vermuten, dass er sich die Verletzung schon vor langer Zeit zugezogen haben musste. Auffällig war auch seine weniger abwesende Mimik. Womöglich stand er nicht derart intensiv unter dem Bann, wie die restlichen Kasviath.

»Ich habe sein Gehirn intakt gelassen. Kluge Köpfe wie ihn kann ich nur gebrauchen, wenn sie noch gut beieinander sind. Sein Wille ist dennoch gebrochen.« Breitbeinig stellte sich Gaan vor Gabe und Shedhar. Die zwei kleinen, rostigen Streitäxte, die er in den Händen hielt, stützte er lässig auf seine breiten Schultern und glotzte dem Jungen selbstbewusst in die Augen.

»Den schaffe ich.«, sagte Gabe mutig.

»Es gefällt mir zwar nicht, aber es musste wohl irgendwann dazu kommen. Viel Glück mein Freund. Vertraue auf deine Kraft.«, ermutigte ihn Shedhar, und legte seine Hand auf Gabes Schulter. Furchtlos schritt er dem Kontrahenten entgegen. Wenige Meter vor ihm, blieb er stehen. Gaan ging von seiner relaxten Haltung in Kampfstellung über und zwinkerte Gabe herausfordernd zu.

»KOMM SCHON!!«, brüllte er und Gaan liess keine Sekunde auf sich warten. Zornig stürmte er los, holte mit seinen Äxten aus und schlug mehrfach auf Gabe ein. Gekonnt wich er den scharfen Klingen aus und blockte den vierten Schlag mit seinem Schild ab. Nun versuchte Gaan einen Rundumschlag, doch Gabe duckte sich, packte den Feind am Bein und riss ihn um.

»Jetzt hab’ ich dich.«, glaubte er und versuchte ihn mit seinem Schwert zu treffen. Gaan kreuzte seine Äxte, vereitelte Gabes Schwerthieb und ein greller Funken entsprang den wuchtig aufeinandertreffenden Metallen. Nun wurde auch Gabe durch einen unerwarteten Stoss auf die Innenseite seines Beins niedergerissen und Gaan hechtete nervös auf den Körper des Jungen. Mit voller Kraft, presste der Krieger den Schaft seiner Axt auf Gabriels Hals und stützte sein gesamtes Gewicht darauf. Erschöpft schnappte er nach Luft. Shedhar wollte ihm schon zu Hilfe eilen doch mehrere seiner Artgenossen hielten ihn zurück. Er musste hilflos mitansehen wie das Gesicht seines Gefährten durch die Atemnot rot anlief, während Gaan mehr und mehr Druck aufbaute. Gabe sah seinen Peiniger an und driftete langsam ab. Seine Augen wurden schwerer. Shedhars wütendes Gebrüll und das lärmende Gewirr der tobenden Menge schienen leiser zu werden. Würde so sein Ende aussehen? Ein letzter Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Er dachte daran, Wesley und seine Heimat nie wieder zu sehen. Würde er nun Dwayne wiedersehen? Gabes Lunge liess angestrengt, das letzte bisschen Sauerstoff entweichen und sein verzweifelter Blick erstarrte. Seltsam. Eine ungemein befriedigende Erleichterung breitete sich plötzlich in seinem Körper aus. Obwohl er vermutete, dies sei sein Körper, der ihm den Tod zu erleichtern versucht, kam er langsam wieder zu sich und verspürte urplötzlich einen starken Ausbruch von Hitze, die wie ein Tornado in seiner Brust zu wüten begann. Gaan, der siegessicher seine Waffe lösen wollte, stutzte, als schimmerndes Blut in Gabes hervorquellenden Adern zu erkennen war.

»Was passiert da?! Beende es! SOFORT!«, befahl Zedwen wutentbrannt, von seinem Podest aus. Gaan löste sich aus seiner Verwirrung und presste erneut seine Waffe auf Gabes pulsierenden Rachen. Bestürzt, musste er mit ansehen, wie sich der Stahl seiner Axt erhitzte und nach und nach verbog.

 

»Gabriel! Komm zu dir, du bist nicht du selbst!«
Benebelt, vernahm Gabe Shedhars Stimme. Er stand aufrecht da, sah sich konfus um und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Vor ihm, machte er Gaan aus, der bewusstlos im Sand lag. Sein Fleisch war übersäht von Schnitten und Schürfungen. Am Kopf trug er eine offene Wunde. Gabe konnte sich nicht erklären was passiert war.

»W-was ist das für ein Kind? Unmöglich! Hast du dich etwa mit diesem Menschen verbunden Shedhar?! Das wird euch noch Leid tun!«, drohte Zedwen und unterbrach die Ruhe, die aufgrund des kürzlichen Schauspiels in der Arena eingekehrt war. Währenddessen kam Gaan langsam wieder zu sich. Als er Gabe sah wurde er merklich nervös, kroch mühselig zwischen den anderen Kasviath hindurch und lehnte sich erschöpft an die rissige Steinmauer.

»Nun denn Junge. Du hast meinen Kämpfer besiegt. Jedoch erspare ich mir aufgrund der jüngsten Ereignisse eine weitere Vorstellung dieser Art und komme gleich zum Hauptgang. Nicht auszumalen, welche Kräfte du noch zum Vorschein bringen könntest wenn ich dich nicht augenblicklich ausradiere. Ihr beiden sterbt jetzt!«

Zedwen wandte seinen Blick Tavra zu und gab ihm ein Zeichen sich in die Arena zu begeben. Dieser knurrte leise vor sich hin und sprang sogleich von der erhöhten Plattform. Gabe, der noch immer nicht ganz beieinander war schreckte zurück vor dem stolz hin und her gehenden Wesen und gesellte sich wieder neben Shedhar.

»Ruhe dich aus Gabriel. Ich werde nun kämpfen.«, beruhigte er den Jungen und wies ihn an, einige Schritte zurück zu gehen.

»Nein Shed! ich habe kein gutes Gefühl dabei dich alleine kämpfen zu lassen. Ich zeige es diesem Mistvieh!«

»Ich sagte du bleibst hier!«, schrie Shedhar mit ernster Miene und stiess Gabe zurück, sodass er hinfiel und wortlos sitzen blieb. Shedhar umklammerte fest den Speer und lief langsam auf Tavra zu. Einige Meter vor ihm, blieb er stehen, schloss für einen Moment seine Augen und atmete tief ein und aus. Gierig fletschte die Bestie seine fauligen Zähne.

»Stirb!«, brüllte der Kasviath und stürzte sich mutig in den Kampf. Tavra wich geschickt der Spitze des Speers aus und schlug Shedhar seine Tatze ins Gesicht. Schnell fasste er sich wieder und stach auf das Tier ein. Alle schauten gespannt dem Schlagabtausch zwischen den beiden ebenbürtigen Gegnern zu. Jedoch schien es so, dass Shedhars Treffer seinen Gegner völlig kalt liessen. Gabe wunderte sich, dass ihm diese ganze Situation derartig vertraut vorkam. Er wurde jedoch schnell wieder ins Geschehen zurückgeholt, als Tavra den Speer mit seinem Maul zu fassen kriegte und ihn Shedhar zu entreissen versuchte. Mit aller Kraft hielt er dagegen, doch es reichte nicht und er wurde samt Waffe zu Boden gerissen. Die Bestie schnappte erneut nach dem Speer und warf ihn hinter sich.

»Was soll das?! Warum konnte ich ihn nicht verletzen?!«, fragte sich Shedhar bekümmert, als er Waffenlos seinem Feind gegenüber stand, der keineswegs einen erschöpften Eindruck machte. Tavra knurrte und startete einen Angriff. Impulsiv rollte Shedhar beiseite und konnte gerade noch dem starken Kiefer entgehen, der rastlos nach ihm schnappte. Gabe schaute fieberhaft zu, als Shedhar die Situation ausnutzte, dem Hund auf den Rücken sprang und versuchte, ihn mit blossen Händen niederzuringen. Tavra setzte sich jedoch heftig zur Wehr. Er tobte auf und ab und konnte Shedhar schliesslich von seinem Rücken werfen.

 

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Tag der Veröffentlichung: 14.11.2016

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