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Pferdestriegel
Corinne Gerigk
WAGNER VERLAG
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Ein Buch aus dem WAGNER VERLAG
Lektorat: Sabine Kopp
Umschlaggestaltung: …………………………….
Titelfoto: …………………………………………
1. Auflage
ISBN: 978-3-86683-797-3
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Gib bei jeder
Entscheidung
deinem Herzen
Mitspracherecht.
Yvonne Mölleken
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Es war einmal …
… ein Mann, der zur rechten Zeit am rechten Ort war.
Paul Mitchmond war damals noch sehr jung. Eines Tages,
und dank seinem guten Gespür, spekulierte er erfolgreich an
der Börse. Damals hatte er extrem hoch gepokert und dabei
gewonnen. Zur rechten Zeit am rechten Ort und die Chance
gepackt, könnte man durchaus sagen. Paul kam somit zu sehr
viel Geld. Wirklich viel Geld. Am Anfang konnte er es noch
nicht richtig fassen. Doch rasch musste er sich Gedanken machen,
was man mit so viel Geld anstellte. Natürlich hatte er da
so seine Ideen. Das Geld investierte er derart erfolgreich in
Immobilien und Geschäfte, dass er heute längstens ausgesorgt
hatte. Zu Pauls großen Leidenschaften gehörten heute das Immobiliengeschäft,
das Polospiel und seine kleine Familie. Er
war reich, ansehnlich und hatte sein Herz am rechten Fleck.
Paul war ein sehr gutmütiger Mensch und es brauchte wirklich
sehr viel, um ihn aus der Ruhe zu bringen. Doch übers Ohr
hauen ließ er sich nicht, dafür war er zu clever. Sein Gespür
und seine Menschenkenntnis waren unglaublich ausgeprägt.
Und darauf konnte er sich, jederzeit, sehr gut verlassen. Was
er auch meistens tat.
Seine Frau Karina war eine wirkliche Schönheit, ein liebenswerter
Wirbelwind und für jeden Spaß zu haben. Doch
auch Karina schätzte Ehrlichkeit sehr. Da durfte man sie kei-
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neswegs unterschätzen. Karina und Paul lernten sich an einer
Modenschau in Paris kennen und später lieben. Da Karina
ausgesprochen hübsch war, dachten natürlich viele Bekannte,
dass Paul sich ein Mädchen vom Laufsteg geschnappt hatte.
Doch tatsächlich hatte Karina damals nur scheu vor dem Eingang
gestanden. Karina interessierte sich natürlich sehr für
Mode und wollte zu gerne die Modenschau sehen. Doch damals
fehlten ihr einfach die finanziellen Mittel, der Mut und
die richtigen Beziehungen.
Paul sah damals das hübsche Mädchen rasch. Sofort hatte
sie seine Aufmerksamkeit. Er beobachtete sie eine Weile, bevor
er sie ansprach und anschließend als seinen Gast spontan
einlud. Für diesen Abend sollte sie seine Begleiterin sein. Liebe
auf den ersten Blick. Von diesem Moment an waren sie ein
fast unzertrennliches Paar und heirateten zwei Jahre später.
Nach weiteren zwei Jahren erblickte der kleine Damian-
Paul Mitchmond das Licht der Welt. Paul und Karina wünschten
sich so sehr ein Kind und waren über die Maßen
glücklich , dass es so rasch klappte. Damian war definitiv ein
Wunschkind. Die ganze Schwangerschaft verlief sehr gut.
Auch die Geburt verlief ohne Komplikationen. Ein schöner
Moment für die glückliche junge Familie. Doch der Moment
war von kurzer Dauer. Damian war eines der Babys, die an
Koliken leiden. Er schrie buchstäblich von morgens bis
abends. Als Damian endlich aus dem Schreialter hinauswuchs,
begann er zu krabbeln. Kurze Zeit später stand er auch schon
auf seinen Füßen. Von dem Moment an, als er mit dem Gehen
begann, war er buchstäblich ein Windelpaket ohne Kopf. Karina
sprang ihrem Wirbelwind laufend hinterher. Da Damian
tatsächlich keine Angst kannte, fiel er wohl von jedem Stuhl
hinunter, den er zuvor erklommen hatte. Des Weiteren flog er
über jede Schwelle und jede Treppe. Der Kleine war immer
mit blauen Flecken übersät. Der eine oder andere Arzttermin
blieb den jungen Eltern nicht erspart. Doch der kleine Damian
nahm alles relativ gelassen. Meistens kam er mit Schürfungen
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und Prellungen davon. Damian schien die Zuwendung seiner
Mutter sehr zu genießen. Denn sie las ihm sprichwörtlich jeden
Wunsch von den Lippen ab. Hauptsache, Damian war mal
für fünf Sekunden ruhig und blieb an Ort und Stelle. Rasch
fand Damian die Schwachstelle seiner Mutter und nützte es zu
seinen Gunsten aus. Damian wusste genau, wann und wie er
was von seiner Mutter bekommen konnte. Damian, ein kleiner,
verwöhnter Junge aus reichem Haus. Ja, er war süß mit
seinen großen, braunen Augen und dem wilden, blonden Haar.
Doch der kleine Damian hatte es faustdick hinter den Ohren.
Die Familie bewohnte ein sehr großes Anwesen mit Pferdehof.
Dieser lag schön separat etwas abseits. Die Familie
Mitchmond selbst besaß fünf Pferde. Der gesamte Stall war an
Marc verpachtet. Er war ein angesehener Reitlehrer und konnte
sich kaum vor begeisterten jungen Reichen und Schönen
retten. Das wiederum war nicht nur seinem großen Talent zuzuschreiben.
Marc sah auch außerordentlich gut aus. Zu jeder
Tageszeit war er immer eine gepflegte Erscheinung. Demnach
erschien es nur logisch, dass seine Reitschüler mehrheitlich
weiblich waren. Sein Geschäft florierte, da er eine außerordentliche
Infrastruktur bieten konnte, von Polo bis zu Springund
Dressurplatz.
Paul Mitchmond genoss die Vorzüge des Poloreitens. Seine
Frau Karina hingegen liebte es, in der schönen Natur zu reiten.
Sie genoss das freie Gelände, die endlose Weite. Karina
versuchte den Spagat zwischen Geschäftsfrau, Freundin, Ehefrau,
Hausfrau und Mutter. Es fiel ihr schwer, nur Mutter zu
sein. Rasch stellte sie eine Haushaltshilfe ein. Das gab ihr ein
wenig Luft für ihre Galerie. Sie selbst war nebenbei Künstlerin
und mit ihrer Heirat gewann sie natürlich an Berühmtheit. In
ihrer eigenen Galerie verkaufte sie ihre Bilder. Karina war spezialisiert
auf abstrakte Menschen- und Tierbilder. Große Landschaften
oder Wasser lagen ihr nicht. Jedes Jahr gab sie einem
Nachwuchskünstler die Chance, bei ihr auszustellen. Das war
immer ein großer Anlass zum Feiern. Für manch einen Künst-
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ler war das sozusagen sein Sprungbrett zur eigenen Karriere.
Doch die dank der Hilfe der Hausangestellten freie Luft
war für Karina rasch verschnauft. Damian wurde immer fordernder.
Karina versuchte, Damian so gut in ihren Alltag zu
integrieren, wie es ging. Sie war eine gute Mutter, nur ein wenig
überfordert. Karina konnte alles lernen, das war ihr klar.
Wie ging man mit dem eigenen Kind um? Zu gerne hätte Karina
zu diesem Thema ein geeignetes Handbuch zur Hand gehabt.
Doch jedes Kind war anders und holte das Letzte aus einem
heraus. Dafür gab es kein Buch. Ab und an hatte Karina
das Gefühl, regelrecht ausgequetscht zu werden wie eine Zitrone.
Karina wie auch Paul kamen an ihre Grenzen. Denn
reich und schön zu sein war nicht immer einfach. Beide hatten
so ihre Verpflichtungen und Termine, die einzuhalten waren.
Termine, Termine und nochmals Termine …
Mit seinen mittlerweile drei Jahren wusste Damian schon
ganz genau, was er wollte. Rasch fand er heraus, dass er ziemlich
alles haben konnte, was er sich wünschte. Karina beschwichtigte
ihr schlechtes Gewissen damit, Damian jeden
Wunsch zu erfüllen. Karina wusste genau, dass sie Damian zu
sehr verwöhnt hatte. Sie konnte ihm schlecht etwas verweigern.
Wenn sich jemand seinem Willen widersetzte, konnte
Damian sehr laut schreien, kratzen und ab und zu auch mal
gut zubeißen. Sein Spielzeug ging regelmäßig in die Brüche,
weil er nicht darauf aufpasste. Weshalb auch, es gab ja neues.
Paul und Karina versuchten es mindestens viermal mit einer
Art Vorschule. Denn sie hätten ihr geliebtes Kind gerne so
normal wie möglich großgezogen. Damit hatten sie leider keinen
Erfolg, der Kleine war nicht integrierbar. Oder er sei nicht
tragbar für die bestehende Gruppe, war die Begründung des
Lehrpersonals. Also wurde Damian von jeder der besuchten
Vorschule verwiesen. Was konnte man schon großartig dagegen
sagen? Karina und Paul wussten ja selber, wie unmöglich
ihr Sohn sein konnte. Im Freundeskreis hörten sie auch schon,
wie getuschelt wurde, der Kleine sei eben hyperaktiv oder so
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was in der Art. Also holten sie ärztlichen Rat ein. Heute waren
ja alle Kinder in Behandlung. Das war ja nun wirklich nichts
Ungewöhnliches mehr. Für Damians Problem gab es ja sicherlich
Medikamente, um ihn ruhiger zu stellen. Im Prinzip wäre
das nichts Ungewöhnliches. Falls so eine Diagnose gestellt
würde, wäre damit schließlich allen Betroffenen geholfen. Also
trafen sie sich zur Besprechung mit Dr. Faust. Dieser nahm
sich Damians an und machte seine Tests. Karina und Paul waren
froh, bei den Tests nicht dabei sein zu müssen. Also warteten
sie einfach ab. Nach ein paar Tagen lagen die Ergebnisse
vor. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln wollte Dr. Faust
reinen Tisch machen und sah die Eltern direkt an, als er zu
sprechen begann:
„Nun, ich kann durchaus sagen: Damian ist ein sehr aufgeweckter
kleiner, junger Mann.“
Karina und Paul lächelten einander liebevoll an.
Dr. Faust sprach ruhig weiter: „Bitte machen Sie sich keine
Sorgen, Hyperaktivität ist völlig ausgeschlossen. Karina, ich
empfehle Ihnen, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Er braucht
seine Mutter. Mehr kann ich im Moment nicht für Sie tun.“
Diese Worte brachten wohl das Fass zum Überlaufen. Karina
stürmte hinaus und war sehr wütend. Sie wusste nicht, ob
ihr die Tränen aus Wut oder Sorge hinunterrollten. Woher
sollte sie sich denn mehr Zeit nehmen? Wie sollte sie denn,
bitteschön, alles unter einen Hut bringen? Und sich selbst dabei
auch noch berücksichtigen. Sie hatte das Gefühl, ihr platze
gleich der Kopf. Paul, der hinter ihr auftauchte, wollte sie beruhigen.
„Liebling, lass den Kopf nicht hängen. Das war erst mal
eine Abklärung. Lass uns eine zweite Meinung einholen.“
Gesagt, getan. Insgesamt waren es drei weitere Ärzte, die
den kleinen Damian untersuchten. Doch jeder kam zum selben
Schluss. Das ganze Hin und Her war schon etwas zermürbend
für die Familie. Schließlich hatte man ja auch einen Ruf,
auf den man achten musste. Schlussendlich kam die Familie
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beim Kinderarzt Wong an. Dieser war ihre letzte Hoffnung.
Sie erhofften sich von dem Arzt mit dem großen alternativen
Wissen endlich die richtigen Hilfen. Als auch diese Ergebnisse
vorlagen, traf man sich wieder. Herr Wong lächelte sie herzlich
an.
„So, die Ergebnisse liegen vor. Damian weiß genau, wann
er sich zu benehmen hat. Als hyperaktiv würde ich ihn auch
nicht bezeichnen. Da gebe ich meinen Kollegen Recht. Glaube
aber, dass Damian ein sehr lebhaftes Kind sein kann und die
jeweilige Situation zu seinen Gunsten nutzt. Damian weiß genau,
wo Ihre Schwachstellen sind. Im Grunde genommen ein
sehr cleverer Zug von dem Kleinen. Darf ich Ihnen einen Vorschlag
machen?“
Karina und Paul nickten zustimmend. Hatten sie denn
überhaupt noch eine Wahl?
„Auch ich bin der Meinung, dass Damian persönliche Betreuung
braucht. Meine Empfehlung an Sie: Suchen Sie sich
eine Art Tagesmutter für den Kleinen. Oder so etwas wie eine
Nanny. Jemanden, der den ganzen Tag um ihn herum ist, damit
Sie am Abend ausgeruht sind und sich ausgiebig um ihn
kümmern können. Natürlich kommt das nur in Frage, wenn
Sie es sich leisten können. So etwas kann sehr kostspielig
sein.“
Damit traf Doktor Wong wohl einen wunden Punkt. Als
könnten sie sich so etwas nicht leisten! Wusste denn dieser
Arzt nicht, wer vor ihm saß? Die beiden bedankten sich und
gingen nachdenklich nach Hause. Sie mussten sich das alles
mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Daheim, bei genauerer
Betrachtung, schien die Idee gar nicht mal so schlecht
zu sein. Auch andere Paare nutzten die Vorzüge einer Nanny.
Und wenn es Damian und ihnen den Alltag erleichterte,
warum nicht? Sofort machten sie sich also auf die Suche nach
einem passenden Kindermädchen. Doch das war einfacher gesagt
als getan. Damian hatte wohl so seine eigene Meinung
dazu. Durchschnittlich blieb so ein Kindermädchen zwei bis
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drei Wochen. Eine sehr sympathische Frau namens Simone
brachte es auf genau einen Tag.
Bei Simone, einer überaus qualifizierten Nanny, waren Damians
Eltern sich sicher, dass es diesmal klappen würde. Diese
Simone hatte sehr gute Zeugnisse vorzuweisen und schon einige
Jahre Erfahrung. Das konnte bei Damian nur von Vorteil
sein. Auch Paul hatte wirklich ein gutes Gefühl. Mit ruhigem
Gewissen gingen Karina und Paul zur Arbeit. Sie wussten ja,
dass Damian in guter Gesellschaft war. Der Morgen verlief
ausgesprochen ruhig. Simone fühlte sich sofort wohl und
hängte sich an ihren Laptop. Den hatte sie von zu Hause mitgenommen.
Somit hatte Simone den ganzen Morgen nicht viel
Zeit für Damian, da sie noch einige E-Mails beantworten
musste. Über Skype führte sie das eine oder andere Telefongespräch.
Dass Damian sich so ruhig verhielt, kam ihr sehr entgegen.
Sie fand den Kleinen äußerst liebenswert. Simone verstand
gar nicht, weshalb die Eltern solche Probleme mit ihm
hatten. Verständnislos schüttelte sie ihren Kopf. In ihren Augen
waren sie wieder mal ein Elternpaar, das übertrieb. Doch
Damian hatte andere Pläne. Er suchte den ganzen Morgen
nach seinem Zimmerschlüssel, den seine Eltern ihm entzogen
hatten. In dieser Zeit sprach er kein Wort mit Simone. Denn
dazu hatte er tatsächlich gar keine Zeit. Er war beschäftigt.
Außerdem war sie Damian nicht sehr sympathisch; sie sah viel
zu ernst aus mit ihrer strengen Frisur. Lange Haare, die Simone
fest nach hinten gebunden hatte. Es stellte sich heraus, dass
sie nicht nur streng aussah, sondern auch streng war. Als Simone
das Mittagessen, Vollkornkost und Gemüse zum Dippen,
auf den Tisch stellte, sah Damian sie seltsam an. Freundlich
und wohlgesinnt begann sie zu essen und wünschte ihm:
„Guten Appetit!“
Damian rümpfte seine niedliche kleine Nase. Danach landete
der Dipp so rasch auf Simones Haar, dass sie gar nicht
reagieren konnte. Kurz darauf flog das Gemüse in der Küche
herum und Damian stolzierte rasch hinauf in sein Zimmer.
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Diesmal schloss er die Türe hinter sich ab, denn er hatte den
Schlüssel am Morgen wiedergefunden. Grinsend saß er nun
mit verschränkten Armen auf dem Bett und hörte, wie Simone
fluchte. Damian kicherte in sich hinein. Er wusste genau,
wenn er seinen Eltern erzählen würde, dass Simone fluchte,
war sie schneller weg als ihr lieb war. Denn fluchen durfte
man nicht. So hatten es ihm seine Eltern beigebracht. Ob Damian
unartig war oder nicht, würde seine Eltern nicht interessieren,
wenn sie Simone fluchen hörten. Fluchwörter waren
tabu. Obwohl Damian sicherlich nicht ganz ungestraft davonkommen
würde. Welche Strafe auch immer, er wollte sie mit
Würde tragen. Auch Damian hat seinen Stolz. Natürlich hatte
Simone auch die Schnauze voll von diesem störrischen Kind.
Sie war so rasch weg, dass gar keine Zeit übrig blieb für Erklärungen.
Damian zuckte unschuldig mit der Schulter. Seine
Mutter kannte diesen unschuldigen Blick von ihrem Sprössling
zu genau. Eigentlich ein zu süßer Blick. Sie wusste genau, dass
er wieder einmal etwas angestellt hatte. In seinen Augen hatte
Simone ja noch Glück. Ja wirklich, sehr großes Glück. Er hätte
sie ja auch treten, beißen oder anspucken können. War alles
schon da gewesen. Insgesamt verschliss Damian mit seinen
mittlerweile vier Jahren sieben Kindermädchen. Kein schlechter
Schnitt für einen so kleinen Racker. Und dafür gab er sich
nicht mal besondere viel Mühe. Er war wohl ein Naturtalent.
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Oma Theresa
Eines Tages kam Theresa. Eine rundliche, ältere Frau mit grau
meliertem Haar. Theresa schien eine aufgeschlossene, erfahrene
Frau zu sein, die auch in ihrem Alter noch gebraucht werden
wollte. Lange Zeit arbeitete sie als Sozialmitarbeiterin.
Von ihren Mitarbeitern wurde sie sehr geschätzt und hatte
auch heute noch guten Kontakt zu den Angestellten. Jetzt war
sie zwar im Ruhestand, wollte aber noch etwas Nützliches tun.
Als sie das Inserat vom kleinen Rebell las, meldete sie sich
umgehend. Theresa war sehr neugierig auf den Rebell in diesem
Haushalt. Paul und Karina fanden sie zwar etwas zu alt,
waren aber bereit, es mit ihr zu versuchen. Als Karina das
neue Kindermädchen ihrem Damian vorstellte, riss er die Augen
auf!
„Das soll mein Kindermädchen sein? Das ist doch gar kein
Mädchen mehr!“
Dann konnte sich Damian vor Lachen nicht mehr halten,
sprang die Treppe hinauf in sein Zimmer und schlug seine
Türe zu. Den Knall der Türe konnte man gut hören. Das war
ja auch beabsichtigt. Abschließen konnte er nicht mehr, da seine
Mutter den Schlüssel diesmal besser versteckt hielt.
„Oh … bitte, Theresa, entschuldigen Sie …“, sprach Karina
verzweifelt. Eigentlich war es ihr eher peinlich, wie sich ihr
Sohn benahm. Wo blieben denn nur seine guten Manieren? Sie
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sah Theresa schon auf dem Absatz kehrtmachen. Also seufzte
sie kurz auf.
„Liebes, gehen Sie zur Arbeit und machen Sie sich keine
Sorgen. Lassen wir ihm Zeit. Ich bin da sehr zuversichtlich“,
waren Theresas warmherzige Worte. Sehr erstaunt sah Karina
zu Theresa.
„Sie wollen wirklich bleiben? Ich will Ihnen nichts verschweigen.
Er wird treten, beißen und spucken. Das war bestimmt
noch nicht alles …“
Theresa lachte kurz auf und meinte ernsthaft: „Ob Sie es
glauben oder nicht, das kann ich alles auch. Also gehen Sie
schon!“
Karina ging etwas irritiert ihren Verpflichtungen nach.
Ganz wohl war es ihr nicht in ihrer Haut. Doch Karina wollte
das Wagnis eingehen. Langsam stieg Theresa die Treppen
hoch. Oben angekommen klopfte sie an Damians Tür an. Damian
reagierte nicht darauf. Er wollte Privatsphäre, also ließ
sie ihm die auch. Theresa ging nicht hinein. Sie sprach laut
und deutlich, sodass Damian sie auch wirklich hören konnte.
„Damian, ich bin unten in der Küche. Deine Mutter ist zur
Arbeit gefahren. Falls dein Hunger sich meldet, weißt du, wo
du mich finden kannst. Bis später.“
Laut stapfte sie die Treppenstufen hinunter und lächelte
dabei. Theresa machte es sich in der Küche gemütlich und
backte Pfannkuchen. Etliche Zeit später war die Neugierde
des Jungen so groß, dass er einen kleinen Blick in die Küche
warf. Verstohlen sah er um die Ecke. Theresa konnte eine
Hälfte von seinem Gesicht sehen und schmunzelte in sich hinein.
„Pfannkuchen? Süße oder so gesunde?“, fragte er interessiert,
als er dann doch noch neugierig und mit ernster Miene
auf Theresa zukam.
Theresa rümpfte ihre Nase, als sie erklärte: „Pfannkuchen
sollten süß bleiben; dann schmecken sie besser.“
Sofort hellte sich Damians Gesicht auf.
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„Willst du welche?“, fragte sie den Kleinen.
Damian strahlte sie weiter an und setzte sich ordentlich an
den Küchentisch. Schmunzelnd gab sie ihm seine süße Speise
und nahm auch Platz.
„Weißt du was? Nenn mich einfach Oma Theresa“, sprach
sie beiläufig während dem Essen. Der Kleine aß ein Stück.
Dann sah er sie neugierig an: „Wieso Oma?“
Theresa kicherte in sich hinein. Liebevoll lächelte sie Damian
an.
„Ich bin nicht mehr so jung und hab’ da einige Falten im
Gesicht. Oma passt besser als Kindermädchen, finde ich.“
„Bist du denn eine Oma?“
„Ich habe eine liebe Tochter. Die hat leider noch kein
Kind. Aber eines Tages wird das schon werden. Hast du denn
eine Oma?“
Damian überlegte und sah Theresa das erste Mal direkt an.
„Leider nicht.“
Damit schien das erste Eis gebrochen zu sein. Denn für
Damian klang Oma Theresa akzeptabel. Eine eigene Oma hatte
er nicht. Entweder waren sie mit seinen Eltern zerstritten
oder bereits gestorben. Also beschloss Damian für sich, dass
es eine gute Idee sei, eine eigene Oma zu haben. Er mochte
den Klang ihrer Stimme.
Oma Theresas Geduld war wirklich groß. Wenn Damian
einen Anfall hatte und sie im Sandkasten mit Sand bewarf,
lachte sie höchstens laut auf und machte dasselbe mit ihm.
Manchmal fand er es lustig, manchmal auch nicht. Mit Wasser
ging das genauso gut. Das Essen gestaltete sie immer lustig.
Meistens war das Essen in Form eines Gesichtes auf dem Teller.
Einmal erkannte er sogar ein Schiff. Ein Auto kreierten sie
auch schon zusammen. Das Essen machte Spaß und er war jedes
Mal gespannt, was Oma Theresa sich wieder einfallen ließ.
Sogar Gemüse wurde so gegessen. Karina und Paul waren so
froh um Oma Theresa, denn sie war eine Bereicherung. Tatsächlich
war Karina am Abend jeweils ausgeruhter und für
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Damian da. Wenn sie ihren Tagesgeschäften nachgehen konnte,
hatte sie den ganzen Abend Zeit für Damian. Karina las
ihm gerne Geschichten vor, bevor er zu Bett ging. Auch Paul
nutzte seine Zeit mit Damian. Er und sein Sohn teilten das Interesse
für Pferde und schöne Autos. Davon standen ein paar
in der eigenen großen Garage. Der ganze Tagesablauf hatte
durch Oma Theresa Struktur bekommen. Für Damian war sie
wie seine wirkliche Oma. Oma Theresa begleitete Damian
auch zu seinem Reitunterricht auf seinem Pony. Die zwei waren
ein süßes Gespann. Das Pony war genauso frech wie Damian.
Oma Theresa amüsierte sich im Reitstall über Marc, den
Reitlehrer. Sie fand es witzig, wie sich die jungen hübschen,
reichen Mädchen um den gutaussehenden Reitlehrer bemühten.
Jedes Mädchen wollte seine Gunst erwerben. In Oma
Theresas Augen bemühten sie sich alle umsonst. Marc gehörte
wohl zu den Männern, die schwul waren, es aber noch nicht
wussten. Der beste Freund eines Mädchens − so viel war ihr
klar. Auch Oma Theresa verstand sich gut mit Marc und
schätzte seine Meinung zu Damians Entwicklung beim Reiten
sehr. Schnell sah sie, dass Damians Liebe zu seinem kleinen
schwarzen Pony Apollo sehr groß war. Hier im Stall bewies
der kleine Damian große Geduld und war wirklich sehr sanft
zu dem Tier. Es schien, als würde er hier seinen inneren Frieden
finden.
Als Damian Oma Theresa das erste Mal mit Handy sah,
konnte er seinen Blick fast nicht von ihr lassen. Damian machte
große Augen und der Mund blieb ihm offen stehen. Er fand
es ein wirklich seltsames Bild. Immer wenn Oma Theresas
Handy zu klingeln begann, nahm ein Ritual seinen Lauf. Oma
Theresa nahm zuerst ihre Lesebrille hervor. Trotz Lesebrille
hielt sie ihr Handy mindestens eine Armlänge von sich weg,
damit sie sehen konnte, wer anrief. Je nachdem nahm sie das
Gespräch entgegen oder auch nicht. Eines Abends berichtete
Damian seiner Mutter davon.
„Mami, Oma Theresa besitzt ein Handy.“
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„O.K. Ist etwas damit nicht in Ordnung?“, fragte Karina
liebevoll und strich ihm durchs wirre Haar.
„Doch schon. Oma Theresa braucht, um zu telefonieren,
eine Brille. Darf eine Oma denn überhaupt ein Handy haben?“
Schmunzelnd gab Karina ihm Antwort: „Ich finde, eine so
fortschrittliche Frau wie Oma Theresa darf so etwas.“
Das schien Damian zu gefallen und er begnügte sich mit
dieser Antwort. Karina küsste ihren Sohn auf die Wange und
ging aus dem Zimmer.
Eines Tages, gegen Abend, hatte Oma Theresa noch mit
Damians Eltern etwas zu besprechen. Sie hatte Glück, da gerade
beide Elternteile anwesend waren. Karina und Paul hörten
ihrem Anliegen gerne zu. Der kleine Damian war sehr neugierig.
Damian wollte lauschen und hielt sein Ohr an die Türe.
Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte beim besten
Willen fast nichts hören. Er schnappte nur Bruchstücke des
Gespräches auf wie:
„Aha … So, so.“ Oder: „Was halten Sie davon? ... Unterstützen
wir gerne ... Wenn wir damit helfen können … Denken Sie, das
klappt?“
Angst machte sich in ihm breit, dass Oma Theresa ihn
nicht mehr mochte. Er war doch so ein lieber Junge geworden.
Obwohl, er könnte sich ja noch mehr bemühen. Also beschloss
er, abzuwarten, bis sie wieder hinauskommen würden.
Als die Tür aufging, stand er mit verschränkten Armen da. Er
war sehr unsicher und wusste nicht genau, wie er sich verhalten
sollte. Damian kniff seine Augen zusammen. Oma Theresa
ging auf ihn zu und lächelte liebevoll.
„Hallo Damian, willst du mir gute Nacht wünschen?“
„Hast du mich nicht mehr lieb?“, war seine direkte Frage
an seine Oma gerichtet. Oma Theresa lächelte ihn verständnisvoll
an. Wahrscheinlich hörte sie die Panik in Damians Stimme.
Sie trat auf Damian zu und bückte sich zu ihm hinunter.
„Ja, ich habe dich liebgewonnen. Sehr sogar. Nein, ich verlasse
dich nicht. Ich hatte nur eine Frage an deine Eltern. Und
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das haben wir eben geklärt. Morgen um die gewohnte Zeit bin
ich wieder da. Das verspreche ich dir hoch und heilig.“
Mehr musste sie ihm gar nicht erklären. Damian war heilfroh,
dass er sie noch etwas behalten konnte. Nicht jeder hatte,
wie seine Mutter ihm bestätigte, eine so fortschrittliche Oma
vorzuweisen. Seine Oma war eben schon etwas Besonderes.
Lächelnd verabschiedete sich Theresa von der Familie. Und
Damian bekam einen Kuss auf seinen Kopf. Der Abend war
gerettet.
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Etwas überrumpelt …
Am nächsten Tag kam Oma Theresa pünktlich wie immer. An
diesem Morgen kam sie aber nicht alleine. Diesmal hatte sie
noch ein kleines Mädchen an der Hand. Das Mädchen war etwas
kleiner als Damian, aber etwa im gleichen Alter. Der kleine
Damian rümpfte seine Nase und zog seine Stirn zusammen.
Er verstand das nicht.
„Wieso bringst du sie mit? Ich kenne sie nicht.“
„Guten Morgen, Damian. Das ist Alexandra. Gestern
Abend habe ich deine Eltern gefragt, ob Alexandra zwischendurch
mitkommen darf. Deine Eltern haben zugestimmt und
hielten es für eine gute Idee. Ich bin sicher, ihr kommt gut
miteinander zurecht.“
Das sah Damian zu diesem Zeitpunkt aber überhaupt
nicht. Musste er jetzt seine Oma mit diesem Mädchen teilen?
Wieso? Das verstand er nicht. Für ihn war es so, wie es war, in
Ordnung. Zuerst war Damian sehr wütend auf Oma Theresa.
Er hatte nicht vor, sie zu teilen. Das stand für ihn nicht zur
Diskussion. Er kannte dieses Mädchen nicht und wollte es
auch nicht kennenlernen. Oma Theresa hatte sich so etwas bereits
gedacht. Sie beschloss, den beiden etwas Zeit zu lassen
und nichts zu forcieren. Kommt Zeit, kommt Rat. Also ignorierte
Damian anfangs Alexandra einfach. Als würde sie nicht
existieren und sei nicht anwesend. Für ihn war Alexandra wie
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Luft. Er verzichtete sogar auf die jeweilige Begrüßung. Weshalb
auch, sie war ja eigentlich gar nicht da. Währenddessen
sagte Alexandra immer schön artig: „Guten Morgen, Damian“
und „Tschüss, Damian“. Alexandra war sehr nett. Jedes Mal,
wenn Alexandra so artig war, verdrehte Damian seine Augen.
Er konnte zwar tun, als sei sie nicht da, doch hören konnte er
sie klar und deutlich. Damian musste zugeben, Alexandra war
hartnäckig. Manchmal beobachtete er sie. Natürlich sah es
Oma Theresa ganz genau und schmunzelte. Ab und zu äffte
Damian Alexandra nach. Das fand Alexandra auch lustig und
musste kichern. Wenn Alexandra lächelte, hellte sich ihr ganzes
Gesicht auf, was sehr hübsch anzusehen war. Für Oma
Theresa war das schon mal ein Fortschritt. Zu Beginn spielte
jeder in einer separaten Ecke. Zwischendurch gab es auch mal
einen verstohlenen Blick in die Richtung des anderen. So, dass
es der andere nicht sehen konnte. Falls doch, richtete man seinen
Blick sofort wieder weg. Oma Theresa konnte genau sehen,
wie langsam sie sich einander näherkamen. Eines Tages
im Sandkasten beschloss Damian, die kleine Alexandra zu
schubsen. Einfach so. Dafür brauchte er keinen Grund. Es
war ihm einfach danach. Alexandra viel unsanft zu Boden und
Damian warf noch etwas Sand über sie. Oma Theresa hatte es
genau gesehen, beschloss aber erst mal abzuwarten, da niemand
schrie. Die kleine Alexandra seufzte laut, stand auf und
klopfte sich den Sand erst mal ab. Ihre Augen funkelten Damian
ärgerlich und wütend an. Dann ging sie ruhig, aber zielstrebig
auf Damian zu und boxte ihn in den Magen. Damian
klappte sofort zusammen. Doch auch er weinte nicht.
Als er sich erholt hatte fragte er Alexandra bewundernd:
„Wo hast du das denn gelernt?“
„Von meinem Vater. Der tat das häufig mit meiner Mutter,
und jetzt sitzt er im Gefängnis.“
Damit war erst einmal Frieden angesagt. Doch Oma Theresa
musste den beiden jetzt etwas erklären. Sie sagte den beiden,
dass man nicht so schubsen und schlagen durfte. Sie er-
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klärte, dass man jedem Ärger besser aus dem Weg ging. Denn
die bösen Jungs landeten erfahrungsgemäß im Gefängnis.
Streiten und Unstimmigkeiten gehörten nun mal zum Leben.
Und an Streiten gab es nichts auszusetzen, außer wenn jemand
einem absichtlich Schmerzen bereitete, wäre das nicht in Ordnung.
Auf jeden Fall müsste man sich dann Hilfe holen. Alexandra
und Damian hörten Oma Theresa aufmerksam zu. Sie
schienen zu verstehen, was ihnen Oma Theresa zu erklären
versuchte. Von diesem Zeitpunkt an war Alexandra akzeptiert.
Alexandra durfte von da an tatsächlich ab und zu mal auf
Apollo reiten. Beim Reiten stellte sie sich ebenfalls gut an. Die
Kinder genossen die Zeit im Stall. Hier konnten sie mal sie
selber sein. Wann immer möglich, ging Oma Theresa mit ihnen
dorthin. Die Kinder halfen mit, wo sie konnten. Ab und
zu striegelten Alexandra und Damian ein Pferd zusammen.
Dabei alberten die beiden gerne oder erzählten einander Geschichten.
Sichtlich stolz präsentierten sie das saubere Tier
dann Oma Theresa. Natürlich musste Oma Theresa dann das
getane Werk begutachten und lobte die Kleinen für ihre gute
Arbeit. Wenn Damians Vater Paul an einem Polo-Turnier teilnahm,
kam es vor, dass Alexandra auch mal zusehen durfte.
Damian selbst interessierte sich sehr für das Springreiten. Er
fand es absolut toll, wie Pferd und Reiter über ein Hindernis
flogen. Alexandra war es gleich, sie genoss es einfach, in der
Nähe der Pferde zu sein, hörte aber Damian bei seinen Fantasien
gerne zu. Sie war eine aufmerksame und gute Zuhörerin.
Wie ein Schwamm schien sie alles in sich aufzunehmen.
Als Damian sechs Jahre alt wurde, kam Alexandra mit einem
Geschenk auf ihn zu.
„Hier, für dich“, lächelte sie ihn unsicher an.
„Warum?“, wollte Damian wissen und riss das Geschenk
trotzdem rasch an sich. Denn er war sehr neugierig, was darin
steckte.
Alexandra zuckte mit der Schulter: „Einfach so. Du hast
heute Geburtstag.“
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„Also bekomm ich etwas von dir, weil ich heute Geburtstag
habe.“
Alexandra schüttelte ihren Kopf: „Nein, weil ich dich irgendwie
mag.“
„Wirklich?“, fragte Damian unsicher.
Alexandra sah ihn mit ihren großen blauen Augen an und
meinte trocken: „Ein klein wenig.“
Jetzt lächelte Damian und vergaß, sich zu bedanken. Er riss
das Geschenk rasch auf. Damian liebte Geschenke. Darin befanden
sich eine Kinder-Pferdebürste und ein Striegel. Alexandra
hatte beides wild bemalt. Die Bürste und der Striegel sahen
so irgendwie besonders aus. So ein Geschenk hatte wohl noch
niemand bekommen. Für ihn war das schon ein spezieller Moment.
Damian staunte nicht schlecht. Noch nie hatte ihm jemand
einfach so etwas geschenkt. Es gab außer Alexandra kein
Kind, das ihn mochte. Meistens bekam er die Dinge einfach,
die er haben wollte. Aber einfach so, unerwartet ...
Diesen Moment würde er nicht so schnell vergessen.
Warum auch immer. Es war das einzige Mal, dass sie sich etwas
schenkten. Dieser Moment war so wie er war. Ehrlich!
Mittlerweile hatte sich Damian an die hübsche, blonde Alexandra
gewöhnt. Ja, er freute sich eigentlich auf die drei Tage in
der Woche, wenn sie dabei war. Sie teilten sich die Liebe zu
den Pferden. Ab und zu ging ihre Fantasie mit ihnen durch.
„Ich werde mal einen ganzen Haufen Pferde besitzen“, erklärte
Damian stolz.
„Das ist aber viel. Ich will nur eines. Eines, das nur ich reiten
kann.“
„Eines ist langweilig. Ich schenk dir dann nochmals eines;
dann hast du zwei.“
Alexandra kicherte: „Dann können wir zusammen reiten
gehen.“
Damian kicherte auch und fand, dass sie wohl Recht damit
hatte. Zu zweit reiten machte sicherlich viel mehr Spaß. Oma
Theresa war sehr stolz auf die beiden. Sie war glücklich dar-
26
über, dass sie Alexandra ein Stück Normalität geben konnte.
Auch für Damian war der Kontakt zu anderen Kindern sehr
wertvoll. Mittlerweile konnte Damian sogar normal eingeschult
werden. Wenn Alexandra mal nicht kommen konnte,
weil sie krank war, vermisste Damian sie. Sie war ein wirklich
toller Kumpel. Für ihn fast wie eine Art Schwester. Er wusste
genau, dass sie es nicht leiden konnte, wenn er sie schubste.
Wenn er das tat, musste er auf einen Gegenschlag von ihr gefasst
sein. Und gegen eine kleine Rauferei hatte er nichts einzuwenden.
Nur, dass Alexandra dabei als Siegerin hervorging,
fand er blöd.
Karina und Paul taten gut daran, ihren Sohn in eine staatliche
Schule zu schicken. Sie wollten ihm ein normales Leben
ermöglichen. Eine Privatschule kam für sie nicht in Frage. Sie
waren der Überzeugung, Damian müsse so normal wie möglich
aufwachsen, was in Anbetracht ihres Wohlstandes nicht
ganz einfach war. Damian genoss die Schule. Endlich gehörte
er zu den Großen und konnte lesen und schreiben lernen. Es
gab so viel Neues zu entdecken. Und wenn er nach Hause
kam, wartete Oma Theresa auf ihn. Automatisch wurde er
noch ruhiger und ausgeglichener. Sport machte Damian am
meisten Spaß. Oma Theresa hatte das scheinbar Unmögliche
geschafft. Ihr Junge benahm sich wie ein gewöhnliches Kind.
Mit sieben Jahren ritt Damian sein erstes kleines Springturnier
mit seinem Pony Apollo. Er belegte einen stolzen siebten
Platz. Auch Alexandra war dabei und sah Damian stolz zu. Sie
freute sich mit ihm. Alle in diesem Haushalt waren glücklich
und zufrieden. Es war eine ruhige, harmonische Zeit, in der
viel Liebe steckte.
Als Alexandra auch die Schule besuchte, wurde es etwas
anders. Damian hatte nicht mehr so viel Zeit für Alexandra
und sah sie ab und an mal in der Pause. Seiner Freundin ging
es da nicht besser. Auch sie fand neue Kolleginnen in ihrer
Klasse, mit denen sie sich gerne aufhielt. Alexandra wurde ein
richtiges Mädchen. Da alle Jungs auf blondes Haar zu stehen
27
schienen, war Alexandra sehr beliebt. Sie machte sich jedoch
nichts daraus und war froh, wenn sie in Ruhe gelassen wurde.
Damian und Alexandra wussten ganz genau, wo sich der andere
jeweils aufhielt. Verstohlen hielten sie immer nach einander
Ausschau. Immer! Wenn sich ihre Blicke zufällig trafen, lächelten
sie einander warmherzig an. Am meisten Probleme
hatte Damian damit, dass Alexandra nicht mehr zum Abendessen
zu ihm nach Hause kommen konnte. Die Gelegenheit bot
sich einfach nicht mehr. Die Tage waren zu kurz. Er sah Alexandra
lediglich noch im Reitstall. Damian wusste genau, an
welchen Tagen Alexandra im Stall zu finden war. Denn mittlerweile
durfte sie auch Marcs Pferde striegeln. An diesen besonderen
Tagen kam Damian rasch von der Schule nach Hause
und erledigte seine Hausaufgaben zügig. Sobald er alles erledigt
hatte, eilte er rasch in den Stall. Im Stall waren Alexandra
und Damian gelöster als in der Schule. Sie alberten und
schubsten einander. Mittlerweile war Damian derjenige, der
bei einer Rauferei gewann. Das wiederum gefiel Alexandra
nicht so sehr. Und wenn Damian Alexandra festhielt, war es
ihr auf eine seltsame Art und Weise unangenehm. Dann lief
sie jedes Mal rot an. Damian ging davon aus, dass ihr die Hitze
der Rauferei in den Kopf stieg und ließ sie los. Die Zeit, die
Alexandra und Damian zusammen verbrachten, war wirklich
schön. Es war nicht mehr so viel wie früher, das war klar. Dafür
hatten sie jetzt viel mehr miteinander zu sprechen. Sie
konnten einander einfach alles erzählen. Sie sprachen über ihre
Wünsche und Sehnsüchte. Nur das Thema um Alexandras Familie
wurde gemieden. Sie konnte und wollte nicht darüber reden.
Damian versuchte, es zu respektieren. Im Grunde ging es
ihn auch gar nichts an. Wenn Alexandra erzählen wollte, durfte
sie das. Jederzeit. Und Alexandra wusste es ganz genau.
28
Veränderungen stehen an
Es war ein wunderschön sonniger Tag. Damian freute sich
schon auf die Schule. Obwohl er nie Zeit für Alexandra fand,
sah er sie doch ganz genau. Er kannte ihre Gewohnheiten. An
diesem schönen sonnigen Tag konnte er sie aber nicht entdecken.
Sie war nicht an ihren üblichen Plätzen anzutreffen. Natürlich
runzelte er seine Stirn. Wo steckte sie bloß? Er wurde
nervös. Sie fehlte ihm. Doch dann kam ihm der Gedanke, sie
könnte ja einfach krank sein. Das wäre die logische Erklärung
ihrer Abwesenheit. Krankheiten kamen und gingen. Auch er
war mal für drei Tage ans Bett gefesselt und konnte nicht zur
Schule. Also musste er einfach abwarten, bis sie wieder gesund
würde. Die Woche verstrich und Alexandra war immer noch
nicht aufgetaucht. So langsam war ihm das etwas ungeheuer.
Schon über eine Woche krank. Das musste ja eine ernsthafte
Krankheit sein. Er musste nur Oma Theresa fragen. Doch er
hatte Angst, es könnte etwas Ernstes sein.
Im Reitstall war Alexandra auch nicht anzutreffen. Wie
konnte sie bloß auf ihre schönen Treffen im Stall verzichten?
Für ihn unvorstellbar. Sie hatten sich doch immer so viel zu
erzählen. Er genoss es, wenn sie ihm zuhörte und ihn dabei
anlächelte. Das Ganze stimmte Damian sehr nachdenklich. Irgendwie
passte es nicht zu Alexandra. Im Gegensatz zu ihm
war sie immer pflichtbewusst. Alexandra war sowieso die Ge-
29
duldigere der beiden. Irgendwann beschloss Damian schließlich,
Oma Theresa zu fragen. Sie musste doch eigentlich wissen,
wo sie steckte. Denn durch Oma Theresa hatte er sie kennengelernt.
Insgeheim wusste er, dass sie sicher Bescheid
wusste. Doch wollte er wirklich wissen, was mit Alexandra los
war? Also suchte er Oma Theresa auf. Damian sah sie lächelnd,
aber unsicher, an.
„Oma, wo steckt denn Alexandra? In der Schule und im
Reitstall hab− ich sie auch nicht angetroffen. Das ist sonst gar
nicht ihre Art. Ist sie sehr krank?“
Oma Theresa lächelte den jungen Knaben an. Liebevoll
strich sie ihm übers Haar. Sie konnte sehen, dass er sich um
Alexandra sorgte. Ein wirklich schöner Zug. Da Damian bereits
zwölf Jahre alt war, wollte sie ihn nicht belügen. Also
musste sie ihm so gut es ging eine Erklärung geben.
„Ich wusste bis heute Morgen auch nicht genau, was los
ist. Jetzt kann ich dir etwas dazu erzählen. Alexandra ist ein
Pflegekind, das keine schöne Kindheit genossen hat. Hier bei
uns, drei Mal in der Woche, konnte sie auftanken. Alles schien
wieder in Ordnung zu kommen. Endlich durfte sie wieder zu
ihrer Mutter, und sie führten zusammen ein normales Leben
hier in der Gegend. Ihr Vater kam vor drei Wochen aus dem
Gefängnis. Alle hofften, er habe sich gebessert. Die Chancen
standen eigentlich sehr gut. Leider war das nur Wunschdenken.“
Oma Theresa seufzte laut auf, bevor sie weitersprach.
„Er hat Alexandra und ihrer Mutter sehr weh getan.“
In Damian zog sich alles zusammen. Er hatte ein ungutes
Gefühl in der Magengegend. Das klang gar nicht gut, was
Oma Theresa ihm da erzählte. Damian verstand nicht ganz.
„Wieso? Warum tut er so etwas?“
„Das kann ich dir leider auch nicht beantworten. Dieser
Mann muss sehr krank sein. Meinen Informationen zufolge
wurde Alexandra weggebracht. Sie wird wohl vorerst auch
nicht mehr an eure Schule kommen können.“
„Oh …, das ist schade. Siehst du sie noch?“, wollte Dami-
30
an weiter wissen, als er seine Stimme wiedergefunden hatte.
Oma Theresa lächelte Damian an und strich ihm nochmals
sanft übers Haar.
„Leider nein. Es tut mir leid.“
Keiner von beiden sprach in diesem Moment.
Eine kurze Zeit war es sehr still im Raum. Damian
schluckte schwer und sprach seine Gedanken laut aus.
„Ich denke, ich werde sie vermissen. Alex fehlt mir schon
die ganze Woche.“
Oma Theresa seufzte auf: „Ja, sie fehlt mir auch. Und wir
fehlen ihr wahrscheinlich auch. Wenn wir sie vermissen, lass
uns einfach über sie sprechen. Das hilft uns, du wirst sehen.“
Damian stimmte ihr zu und eine Träne kullerte an seiner
Backe hinunter. Oma Theresa tröstete ihn.
Am Anfang konnte Damian es nicht fassen, dass ein
Mensch fähig war, jemandem schreckliche Schmerzen zu bereiten.
Welche Schmerzen Alexandras Vater ihr zugefügt hatte,
wusste er nicht. Nur die Vorstellung davon reichte auch schon
aus. Wenn er seine Eltern ansah, fand er es immer süß, wenn
sie einander die Hand hielten. Wenn die beiden sich küssten,
sagte Damian natürlich immer: „Bäh ….eklig. Igitt, muss das
sein?“ Dann mussten seine Eltern lachen, und das gefiel Damian
so dabei. Es war fast so etwas wie ein Spiel geworden. Eigentlich
war er froh, dass sich seine Eltern so gerne hatten. Er
konnte sich nicht vorstellen , dass sein Vater seiner Mutter jemals
etwas antun könnte. Auch Oma Theresa war sehr liebevoll.
Also verstand er es einfach nicht, was Alexandras Vater
da angerichtet hatte. Für ihn musste dieser Mensch wirklich
sehr krank im Kopf sein. Für ihn schien es unmöglich zu sein,
dass jemand so krank sein konnte. Und weshalb war das so?
Manchmal fragte er sich, ob es dafür nicht irgendwelche Medikamente
gab. Damian war sehr froh, es so gut zu haben. Das
erste Mal in seinem Leben war er dankbar für seine Familie
und was sie ihm ermöglichten. Ab und zu fragte er sich, wie es
Alexandra wohl erging. War Alexandra glücklich dort, wo sie
31
jetzt war? Vermisste sie ihn und Oma Theresa denn auch?
Eine Antwort auf seine Fragen fehlte ihm allerdings. Auch
Oma Theresa bekam keinen Hinweis, wo Alexandra steckte.
Ungewissheit hatte einen fahlen Nachgeschmack. Im Reitstall
fehlte Alexandra ihm am meisten. Manchmal fühlte es sich so
leer an. Als würde ein Teil fehlen. Das waren die Tage, an diesen
er schlecht ritt. Es würde wohl ein Rätsel bleiben, was mit
Alexandra geschehen war.
Doch die Zeit verstrich und Alexandra rückte immer weiter
weg. Die Erinnerungen an sie verblassten allmählich. Nicht
dass er sie vergessen hätte. Nein, aber er dachte nicht mehr so
oft an sie. Wenn er an Alexandra dachte, waren es hauptsächlich
schöne Erinnerungen.
Mittlerweile war Damian bereits vierzehn Jahre alt und gewann
schon mal das eine oder andere Reitturnier. Immer wenn
er ein Pferd striegelte, nahm er Alexandras Geschenk in die
Hand. Dabei musste er lächeln. Das erste Geschenk, das er
einfach so bekommen hatte. Er hoffte, Alexandra eines Tages
wiederzusehen.
Mit seinen vierzehn Jahren war Damian schon weit entwickelt.
Die Mädchen in der Schule wären gerne mit ihm zusammengekommen.
Doch seine Tage waren sehr ausgefüllt. Schule,
lernen, Sport und das Reiten. Wie er eine Freundin da hineinpacken
sollte, wusste er nicht.
Und wie seine Oma Theresa so schön zu sagen pflegte:
„Wenn es ein Mädchen wert ist, wirst du sie automatisch in
deine Pläne mit einbeziehen. Lass dir ruhig Zeit, mein Junge.“
Ja das hatte er auch vor. Es gab kein Mädchen, das er dauernd
um sich herum haben wollte. Mit Jungs war das toller.
Mit denen konnte er über die sportlichen Aktivitäten sprechen,
da es die auch interessierte. Wenn es der Zufall mal wollte,
ging er mit seinen Eltern zusammen ausreiten. Mittlerweile ritt
er große Pferde und konnte mit seinen Eltern gut mithalten.
Sein schwarzes Pony Apollo hatte er noch der Erinnerung wegen
behalten. Damit Apollo genügend Bewegung bekam, durf-
32
te das Pony bei Marc in den Reitstunden mitlaufen. Das kam
Marc sehr entgegen, da er mittlerweile auch kleinere Reitschüler
hatte. Apollo wurde heiß umschwärmt. Damian ging es
sehr gut. Nichts konnte ihn so rasch aus dem Gleichgewicht
bringen. Anfangs hatte er das Gefühl, das sei sein Jahr. Alles,
was er anfasste, gelang ihm und das Lernen für die Schule fiel
ihm auch nicht schwer. Damian war ein guter Schüler und
sehr angesehen in der Schule. Rasch fand er Freunde.
Doch plötzlich verlor er seine liebgewonnene und einzigartige
Oma Theresa. Sie war schon sehr alt, als sie unerwartet an
einem Herzinfarkt starb. Damian war unendlich traurig. Er
weinte sich in den Schlaf!
Es konnte doch nicht sein!
Es durfte doch nicht sein!
Die Beerdigung war für ihn schlimm. Es kamen viele Menschen
zusammen. Alle, darunter auch er, trugen schwarz. Tief
in seinem Innersten wusste er, dass Oma Theresa das nicht
wollte. Niemand sollte traurig über ihren letzten Abschied
sein. Oma Theresa selbst hatte Damian mal erklärt, dass sie eines
Tages sterben würde: „Weißt du, Damian, wenn ich mein
Leben gelebt habe, dann muss ich gehen. Dann sterbe ich.“
Er hatte damals gefragt: „Wohin gehst du denn?“
„Nun, ich denke, ich geh mir mal den Himmel anschauen.
Und wenn ich beerdigt werde, sollt ihr nicht trauern. Ich hatte
ein langes, gutes Leben. Ihr solltet feiern, dass wir eine schöne
Zeit zusammen hatten.“
Damals hatte er nicht ganz verstanden, was sie damit meinte.
Jetzt wollte er es nicht verstehen. Alle, die in irgendeiner
Form mit Oma Theresa mal in Kontakt gestanden hatten, waren
gekommen. Zum ersten Mal sah er die Tochter von Oma
Theresa. Sie sah ihr wirklich ähnlich, nur war sie viele Jahre
jünger. Die Tochter weinte bitterlich. Sie hatte einen dicken
Bauch. Dieses Baby würde seine Oma nie kennenlernen.
33
Drei Jahre später …
Damian verkraftete den Verlust von Oma Theresa nicht wirklich
gut. Mit der Zeit wuchs Gras darüber. Doch Damian veränderte
sich zunehmend. Beim Reiten zeigte er lange nicht
mehr die gleiche Motivation wie zuvor. Seine Eltern hatten ihren
Jungen früher zufrieden und glücklich im Stall vorgefunden.
Heute sah es aus, als ginge er einfach seinen Pflichten
nach. Damian war weiterhin ehrgeizig und gehörte zu den guten,
talentierten Reitern. Nur war sein Herz nicht mehr dabei,
er war sehr kopflastig geworden. Marc, der Damian mittlerweile
regelmäßig trainierte, führte ständig lautstarke Diskussionen
mit seinem Schützling. Damian verhielt sich so, als würde ihm
nur der Stellenwert im Reitstall wichtig sein. Ja, Damian genoss
es, reich zu sein. Seine Eltern besaßen zurzeit sechs Pferde.
Zwei davon trainierte Damian regelmäßig. Seine Starrköpfigkeit
und Arroganz war ihm selbst im Weg. Damian selbst
striegelte keine Pferde mehr. Das hatte das reiche Söhnchen
nicht mehr nötig. Dafür hatten sie ja Jorgen, ihren persönlichen
Pferdepfleger. Meistens ritt Damian die Pferde nicht einmal
mehr warm. Auch das machte bereits Jorgen, der die sechs
Pferde täglich bewegte oder für die Familie bereitstellte. Er erledigte
die Arbeiten zuverlässig. Nie hätte Jorgen etwas über
Damian gesagt. Er fand Damian zwar talentiert, aber sehr
oberflächlich. Meistens bekam Jorgen von Damian eine SMS
34
oder einen kurzen Anruf, dass er ein Pferd vorbereiten solle.
Damian kam und übernahm dann das warm gerittene Pferd.
So brauchte er nur noch aufzusteigen und konnte sofort trainieren.
Was für ein praktisches Leben. Natürlich wurde im
Stall über Damian gelästert, was das Zeug hielt. Niemand
konnte ihn verstehen. Ein Junge, der so viel Talent besaß und
so oberflächlich damit umging. Damian war immer höflich,
und die anderen grüßten genau so höflich und oberflächlich
zurück. Natürlich sah Damian, wie sie ihre Köpfe schüttelten.
Doch das war ihm so was von egal. In seinen Augen war der
Stall zwar verpachtet, gehörte aber trotzdem seiner Familie.
Also sozusagen irgendwann einmal ihm. Insofern interessierte
es ihn nicht, was die anderen dachten, er saß so oder so am
längeren Hebel. Solange Damian sich freundlich gab, wollten
seine Eltern ihm seinen Willen lassen. Vielleicht war es ja nur
eine pubertäre Phase. Sein geliebtes Pony Apollo gab er endgültig
weg. Es erinnerte ihn zu sehr an die Zeit mit Oma Theresa
und Alexandra. Glücklicherweise konnte Marc, der Reitlehrer,
Apollo bei sich unterbringen. Denn die Schönen und
Reichen wollten ihre Kinder weiterhin zum Reitunterricht
schicken. Da kam Marc Apollo gerade recht. Es war ja auch
ein zuverlässiges, älteres Pony. Marc hatte schon gefürchtet,
dass Damian aus einer Laune heraus das Pony anderweitig unterbringen
würde, was durchaus möglich gewesen wäre. Doch
in diesem Fall schritten die Eltern ein und sorgten dafür, dass
Apollo bleiben konnte, wo er war. Auch für die Eltern von
Damian war die Zeit mit ihm nicht einfach. Wie gerne hätten
sie ihn wieder einmal richtig glücklich gesehen. Karina dachte
viel an die Zeit mit Oma Theresa. Wie glücklich sie doch alle
in dieser Zeit gewesen waren. Karina und Paul hatten zwar
den Zugang zu ihrem Sohn nicht verloren. Doch verstehen
konnten sie ihn nicht. Insgeheim waren sie dankbar, dass seine
Schulleistungen nicht darunter litten. Im Gegenteil, in der
High School gehörte Damian zu den beliebtesten und besten
Schülern. Zum Leidwesen seiner Eltern war sein Verschleiß an
35
Freundinnen sehr groß. Damian schleuste seine Gespielinnen
meistens zur Hintertür herein. Natürlich blieb das seinen Eltern
nicht so verborgen, wie Damian es annahm. In ihren Augen
war es gut, dass sich Damian so für den Sport interessierte.
Ob Reiten oder Baseball war ihnen egal. Hauptsache er betätigte
sich sinnvoll, damit er nicht auf die schiefe Bahn geriet.
Also schwiegen sie die meiste Zeit.
Damian teilte mit seinem Vater weiterhin die Liebe zu Autos.
Paul entwickelte im Laufe der Jahre eine Vorliebe für Oldtimer.
Damian liebte formschöne, schnelle Wagen. Paul genoss
die Zeit mit seinem Sohn zusammen in der Garage. Dabei waren
sie ungezwungen und konnten das eine oder andere
Männergespräch führen. Dank der vielen Autostunden mit seinem
Vater hatte Damian die Prüfung sozusagen mit links gemeistert.
Damian lernte sehr schnell und bestand die Prüfung
mit Leichtigkeit. Am liebsten fuhr Damian den roten Chevrolet
Camaro Concept. Doch dieser eignete sich nicht unbedingt
für die tägliche Fahrt in die Schule. Zu auffällig und zu teuer
war er und wirklich etwas zu extravagant dafür. In erster Linie
würden die anderen Schüler vor Neid platzen. Sicherlich würde
ein solcher Wagen nicht lange da stehen und wäre wie vom
Erdboden verschluckt. Oder er würde den Wagen ausgeschlachtet
vorfinden. Dieses Wagnis wollte Damian wie auch
sein Vater definitiv nicht eingehen. Also bekam Damian einen
älteren gebrauchten Wagen. Bei ihnen zu Hause standen nun
wirklich genügend Autos zur Auswahl. Damian konnte sich
wirklich nicht beklagen. Die Oldtimer hingegen waren für Damian
ein absolutes Tabu. In diesen fuhr er höchstens mal als
Beifahrer mit. Doch das machte ihm keinen Spaß mehr. Die
Wagen hatten zu wenig PS. Als kleines Kind war es ja mal lustig.
Damian brauchte schon ein paar PS unter seinem Hintern.
Er liebte es, sein Adrenalin hochzujagen. Eines musste man
Damian lassen, er fuhr nie gefährlich. Situationen, die nicht
überschaubar waren, mied er. So verrückt war er dann doch
wieder nicht.
36
Mit seinem blonden, wirren Haar und braunen Augen war er
schon ein hübscher Bursche geworden. Damian besaß einen
sportlichen, athletischen Körper. Er machte sich im Sport hervorragend.
Am besten lag ihm in der Schule der Mannschaftssport
Baseball. Damian liebte es zuzuschlagen. Er hatte ein ausgesprochen
gutes Auge und war ein hervorragender Batter.
Aber auch als Pitcher war er nicht zu unterschätzen. Da er
Linkshändler war, konnte man ihn schwer einschätzen. Diese
Sportart forderte seine ganze Konzentration, Stärke und Schnelligkeit.
Natürlich genoss Damian seine Beliebtheit an der Schule.
Wäre ja auch zu blöd, wenn er es nicht täte. Sie wurde ihm ja
sozusagen auf einem silbernen Tablett gereicht. Er musste nur
noch zugreifen. Man könnte sagen, er nützte es sogar ein wenig
aus. Damian wusste ganz genau, wie er auf die Mädchen wirkte.
Er machte kein Hehl daraus, dass er sich gut fand. Damian liebte
die High School und die Cheerleader. Das Ganze war zwar
etwas oberflächlich, aber Damian war ja niemandem Rechenschaft
schuldig. Er konnte ja fast alles machen, was er wollte, so
lange er die Regeln der High School befolgte. Und falls notwendig,
konnte man auch diese clever umgehen. Meistens war er
mit einem oder zwei Mädchen im Arm anzutreffen. Er lebte
nach dem Prinzip: Weshalb eine, wenn man zwei haben konnte.
Natürlich gab es unter der Damenwelt häufige Neidereien. Jedes
Mädchen, das sich mit ihm einließ, wusste genau, dass er vermutlich
nicht treu bleiben würde. Seltsamerweise nahmen die
Mädchen das in Kauf. Jede dachte oder hoffte insgeheim, dass
sich Damian ernsthaft in sie verlieben würde. Bis dahin hatte jedoch
noch keine Erfolg. Für die Mädchen war er also eine harte
Nuss, die es zu knacken galt. Im Gegenzug erlangten die Mädchen
mehr Popularität, wenn sie mit Damian zusammen waren.
Auch das konnte ein Grund sein, sich mit ihm abzugeben. Zu
Damians stetigem und festem Freundeskreis gehörten Jason,
Nick und Samuel. Seine Freunde nannten ihn meistens Mitch.
Der Name war natürlich von seinem Nachnamen Mitchmond
abgeleitet.
37
Jason war bald achtzehn Jahre alt. Wie Damian liebte er
schnelle Autos. Jason trug sein schwarzes, krauses Haar sehr
kurz. Seine Augen schienen fast schwarz, so dunkel waren sie.
Sein Body war sehr gut proportioniert. Automatisch nahm
man an, dass er sein Leben weiterhin dem Sport widmen würde.
Jason liebte Baseball, seine absolute Lieblingsdisziplin.
Wobei er auch ein begnadeter Schwimmer war. Jason war so
ein Typ, der in jeder Sportart eine gute Falle abgab. Egal wo er
eingesetzt wurde. Ein wahres Naturtalent. Er passte sich rasch
einer neuen Situation an.
Auch Samuel war der geborene Sportler und vom Aussehen
her sehr lang, muskulös und etwas schlaksig. Durch sein
dunkles Haar sah er ein wenig blass aus. Doch er war mit Abstand
der beste Basketballspieler der Schule. Man sagte, er sei
ein Ausnahmetalent. Auch Samuel würde hoffentlich seine
Zukunft im Sport finden. Ein Sportstudium würde ihm sicherlich
entgegenkommen. Durch seine Größe war es für ihn nicht
immer einfach, eine Freundin zu finden. Eigentlich war es
überhaupt nicht einfach, neben seinen balzenden Kollegen
eine für sich zu gewinnen. Samuels Herz war am rechten Fleck
und er würde für seine Jungs sein letztes Hemd geben. Ein
wirklicher Freund. Er suchte eine Partnerschaft. Eine Freundin,
mit der er alles teilen konnte und mit der er durch dick
und dünn gehen wollte.
Dann war da noch Nick, der Chef der Schülerzeitung. Von
Sport hielt er nicht allzu viel. Das lag wohl auch daran, dass er
darin nicht gerade gut war. Die Schülerzeitung war schon
mehr sein Ding. Nick war eher oberflächlich und genoss es
einfach, beliebt zu sein. Er war der Playboy unter den Jungs.
Doch sein Ruf war alles andere als gut. Nick gehörte zu den
bad boys. Er legte immer sehr großen Wert auf sein Äußeres.
Gute, teure Klamotten waren ihm sehr wichtig. Mit Sicherheit
trug er immer den aktuellen trendigen Haarschnitt. Durch den
Platz in der Schülerzeitung konnte er immer mitbestimmen,
was gedruckt werden sollte. Eigentlich machte er seine Sache
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gar nicht mal so schlecht. Hätte Nick nicht Helferchen Michael
und Monica, wäre es ihm auch nicht so einfach gefallen, gut
dazustehen. Doch das interessierte ja niemand. Nur das Ergebnis
zählte. Michael und Monica hielten eigentlich die Zeitung
am Leben. Monica schrieb die Texte und war wirklich gut
darin. Michael machte die ganzen Fotos und Recherchen für
die Schülerzeitung. Nick gab die Themen vor und segnete das
Ganze jeweils ab oder auch nicht. Dank ihrer Stellung bei der
Zeitung kannte und schätzte man Monica und Michael mittlerweile.
Schließlich wollte sich jeder durch die Schülerzeitung
gut darstellen.
Monica war ein burschikoses, zierliches Mädchen. Sie trug
ihr Haar kurz, was gut zu ihrem Typ passte. Ihre Kleidung war
ihr immer ein bis zwei Nummern zu groß und hing daher einfach
so plump an ihr herunter. Daher kam ihre zierliche Figur
nie zur Geltung.
Michael trug definitiv sein Haar zu lang und die falsche
Brille. Das war nicht sehr vorteilhaft. Etwas mehr Sonnenbräune
im Gesicht würde ihm auch nicht schaden. Er war sehr
unscheinbar. Weil er so ein ruhiger Bürger war, nahm man ihn
manchmal gar nicht wirklich wahr.
Wie auch immer, Damian, Jason, Nick und Samuel hatten
keinen besonders guten Ruf. Der Verschleiß an Mädchen
sprach Bände. Samuel war anders als die anderen, das interessierte
jedoch niemanden. Sie wurden alle in denselben Topf
geworfen. Also war auch Samuel sozusagen abgestempelt. Jason
stand auf die Schönste in der Schule. Ihr Name war Jasmin.
Sie war die beste der Cheerleader. Natürlich führte sie die
Gruppe auch an. Man konnte gut sehen, dass sie großen Spaß
am Cheerleading hat. Sie war sehr graziös und präzise in der
Ausführung, von ihrer Beweglichkeit mal ganz abgesehen. Da
konnte praktisch niemand mithalten. Somit war sie immer
einen Sprung voraus. Das war sicher einer der Gründe, weshalb
sie zur Chefin gewählt worden war. Auch Jasmin genoss
ihren Stellenwert und zeigte zu gern, dass sie und Jason ein
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Paar waren. Kein anderes Mädchen sollte es wagen, in seine
Nähe zu kommen. Jasmin war ausgesprochen hübsch. An ihrer
Figur gab es überhaupt nichts zu bemängeln. Auch Jasmin
trug ihr wunderschönes gelocktes, hellbraunes Haar lang, so
wie die meisten Cheerleader. Jason war sozusagen der einzige
der in einer „festen“ Beziehung stand.
Die Jungs unterteilten die Schule in folgende Gruppen: die
Freaks, die Streber und die angesehenen Sportler. Die Neuzugänge
an der Schule nannten sie Neulinge. Weibliche Neulinge
waren fast so etwas wie Freiwild. Jedes Mal war es eine Herausforderung,
welcher der Sportler welches Mädchen der Neulingen
abbekam. Eigentlich war es für die Schüler und Schülerinnen
immer unterhaltsam, wenn das Gebalzte losging. Es
gab eine Gruppe an der High School, die manchmal schon
Wetten abschloss, wer von den Jungs die meisten Mädchen
abbekam. Florian, kurz Floh genannt, war derjenige, der die
Wetten ins Leben gerufen hatte. Eigentlich begann Freak Floh
aus Wut mit diesen Wetten. Denn Nick hatte ihm mal seine
Freundin ausgespannt. Das endete ziemlich hässlich. Eigentlich
war das Ausspannen der Freundin so etwas sie Nicks Spezialität.
Nick schien es zu lieben, den anderen die Freundinnen
auszuspannen. Ja, Nick war kein guter Junge. Da die Wetten
so beliebt wurden, machte es jedes Jahr aufs Neue Spaß. Wobei
Jasons Status seit dem letzten Semester auf schon vergeben
stand. Deswegen würde wohl niemand Wetten auf ihn abschließen.
Obwohl …, man konnte ja nie wissen, wie die Dinge
sich wirklich entwickelten.
Einen Tag, bevor die High School-Ferien vorbei waren,
trafen sich Damian, Jason, Nick und Samuel zu einem Kinobesuch.
Danach blieben sie zusammen auf ein, zwei Bier. Nick
klatschte begeistert in die Hände.
„Jungs, morgen beginnt die Schule. Damit beginnt die
Neulingszeit! Lasst die Mädchen kommen!“
Die anderen lachten ebenfalls auf und Samuel stupste Damian
von der Seite an.
40
„Wäre nett, wenn ihr mir auch mal eine übriglassen würdet.
Ich bin so groß und will nicht immer die Kleinsten abbekommen“,
wollte Samuel einbringen.
„Tja Alter, dann halt dich mal ran“, scherzte Jason.
„Bist du überhaupt noch zu haben? Oder hat es dir bei Jasmin
den Ärmel eingezogen?“, fragte Nick herausfordernd.
Jason lachte auf und nahm Nick in den Schwitzkasten:
„Elender Hund, das fragst du nur, weil du selber scharf auf sie
bist.“
Da hatte Jason nicht einmal so unrecht. Nick nahm, was er
bekommen konnte. Falls Jasmin mal einen Durchhänger haben
sollte, würde Nick diesen ausnützen.
„Immerhin ist Jason der einzige, der regelmäßig Sex hat“,
ergänzte Damian grinsend.
Wieder lachten die Jungs auf und tranken noch einen
Schluck Bier. Sie bestellten gleich noch eine Runde. Nick zündete
sich eine Zigarette an und Damian bat ihn auch um eine.
„Mann Mitch, kauf dir selber mal ein Pack“, stänkerte Nick
Damian an, als er ihm eine Zigarette reichte.
Damians Antwort darauf kam schnell: „Nee danke, dafür
rauch’ ich definitiv zu wenig. Meine Eltern sind strikt dagegen.“
Jason schüttelte seinen Kopf: „Dann lass es doch ganz bleiben.
Blödmann.“
„Ich bin eben ein Genussraucher. Das ist wie mit den Mädchen“,
grinste Damian frech.
Nach einem gelungenen Männerabend und einigen Flirts
gingen sie zufrieden nach Hause und freuten sich auf den
morgigen Tag.
41
Ankommen der Neulinge
Die Jungs parkten ihre Autos an den besten Plätzen. Natürlich
standen sie frühzeitig vor dem Haupteingang und beobachteten
das Eintreffen der neuen Schüler, vier gutaussehende
Teenager, die nur darauf aus waren, die Lage zu checken. Floh
platzierte sich auch in ihre Nähe. Er war mit einem Notizblock
bewaffnet. Für Floh war es in diesem Moment sehr wichtig zu
sehen, wie es sich am ersten Tag schon entwickelte. Momentan
hörte Floh noch etwas Musik aus seinem iPhone. Er fand
es zwar absolut blöd, wie sich die Jungs aufführten. Doch solange
sich ein Geschäft daraus machen ließ, sollte es ihm egal
sein, wie doof sich die Sportler benahmen.
Die hübschen Cheerleader kamen an und stürzten sich auf
ihre Jungs. Je nachdem hatten sie sich über den Sommer nicht
zu Gesicht bekommen. Da gab es einiges aufzuholen und zu
erzählen. Warum die Mädchen immer kreischten, verstanden
die Jungs zwar nicht, aber genossen die Ankunft der Mädels.
Die Mädchen waren zu Recht Cheerleader. Eine hübscher als
die andere. Gutaussehend und sehr beweglich. Einige der
Jungs brüsteten sich gerne damit, wie beweglich die Cheerleader-
Mädchen waren. Ob es gelogen war oder nicht, spielte keine
Rolle. Gerücht war eben Gerücht. Es gab Küsschen dort
und Küsschen hier. Jasmin ließ es sich nicht nehmen, allen zu
zeigen, dass Jason immer noch nicht auf dem Markt zu haben
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war. Sie küsste Jason lang und leidenschaftlich.
Für Jason war der Kuss schon fast zu lang, denn er mochte
es nicht, wenn die Jungs riefen: „Uhhhhhhhh“ oder: „Ohohhh.“
Und überhaupt wollte er die Ankunft der Neulinge nicht
verpassen. Also verdrehter er seine Augen und die Jungs grinsten
hinter Jasmins Rücken und machten Faxen. Doch Jasmin
wusste genau, was hinter ihrem Rücken ablief. Während sie Jason
küsste, streckte sie einen Arm nach hinten und zeigte ihnen
ihren Mittelfinger.
Damian scherzte: „Immer noch dieselbe geblieben. Willkommen
zu Hause.“
Danach lachten auch die anderen auf und Jason verdrehte
seine Augen nochmals. Floh machte bereits seine Notizen.
Trotzdem konnte auch er sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen.
Auch an Damian machte sich jetzt eine der Cheerleader
zu schaffen. Sie küsste ihn auf die Wange und hauchte
ihm leise ins Ohr: „Na mein Hübscher. Lass uns wieder einmal
Spaß zusammen haben. Ja?“
Damian grinste breit und seine Augen begannen zu funkeln.
Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
„Kann schon sein. Wir werden sehen.“
Dann nahm er mit seiner linken Hand ihren Nacken und
zog sie an sich. Der darauf folgende Kuss schien ihr sehr zu
behagen. Als die Jungs pfiffen, ließ er von ihr ab, um nachzusehen,
was es so Besonderes gab. Dann sah er die Mädchen
auch. Eine hübsche Rothaarige mit halblangem Haar und vielen
Sommersprossen. Sie hatte etwas Wildes an sich. So eine
Art Raubkatze. Ihre grünen Augen funkelten wie eine solche.
Natürlich lief sie nicht alleine. Welches Mädchen lief denn
schon alleine? Daneben war noch eine hübsche, etwas kleinere,
sehr zierliche Brünette. Nein, ihr schönes gelocktes Haar
war eher rotbraun. Beide sahen sehr sexy und verführerisch
aus. Noch etwas wild, aber das kam den Jungs gerade recht.
„Habt ihr die Kugeln gesehen? Dafür brauchen die Mädels
sicher einen Waffenschein“, scherzte Nick und alle lachten
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mit. Natürlich wussten alle, dass Nick auf die Oberweite der
Mädchen anspielte. Wieder machte sich Floh Notizen, diesmal
über die beiden Mädchen. Dann kamen noch drei, vier durchaus
akzeptable Mädchen. Doch bei diesen Mädchen kamen die
Jungs nicht so ins Schwärmen wie bei den ersten zwei. Also
waren diese für Floh nicht wesentlich von Interesse. Dann
wurde es still. In diesem Jahr waren es nicht viele Neuzugänge.
Die Lage schien sich zu beruhigen und die Schwärmerei
hielt sich in Grenzen. Floh schüttelte seinen Kopf. Er ging automatisch
davon aus, dass es in diesem Jahr keine großen Wetten
gab. Da ging einiges an Geld den Bach runter. Floh würde
wohl das Beste daraus machen müssen.
Kurz bevor sie alle hinein gehen wollten, kam ganz am
Schluss doch noch ein Neuzugang. Erstmals brachten die
Jungs kein Wort heraus. Ein Mädchen, das durch ihr langes
blondes Haare herausstach. Volles, dichtes Haar. Das Mädchen
hatte eine Sonnenbrille auf und sah die Jungs eher verächtlich
an. Auf den ersten Blick wirkte das Mädchen sehr arrogant.
Sie schien genau zu wissen, dass sie von oben bis unten
gemustert wurde. Warum sollten die Jungs an dieser Schule
anders sein als an anderen Schulen? Sie hatte ein gutes
Selbstbewusstsein und wusste genau, wie sie auf Jungs wirkte.
Sie sah aus, als wäre sie von den Blicken eher gelangweilt als
amüsiert. Sie ging nicht darauf ein. Die Jungs waren sichtlich
begeistert. Als sich das blonde Mädchen gekonnt an den Jungs
vorbeischlängelte und endlich in Sicherheit war, pfiffen die
Jungs kurz auf. Das brachte das Mädchen immer noch nicht
aus dem Gleichgewicht, sie lief einfach ruhig und gleichmäßig
weiter. Sie zuckte nicht einmal zusammen. So gleichgültig war
es ihr wohl, was die Jungs von ihr hielten. Oder hatte sie es
einfach nicht nötig? Das würden die Jungs schon noch herausfinden.
Das war ja klar. Floh machte sich eine dicke Notiz von
dem hübschen blonden Mädchen.
Nick brach das Schweigen und sprach zu den Jungs: „Uh …,
Blondie ist noch ein bisschen blass um die Nase. Ich bringe ihr
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schon noch die nötige Röte ins Gesicht.“
„Sofern du überhaupt in ihre Nähe kommst“, scherzte Damian.
Beflügelt gingen die Jungs hinein und machten sich auf
den Weg in ihre neuen Klassen. Floh hatte seine Notizen zusammen
und ging ebenfalls in seine Klasse. Sie waren natürlich
spät dran und mussten sich beeilen. Das hatten sie nun
davon. Sie mussten sich an die Plätze setzen, die noch übrig
waren. Damian stellte fest, dass Blondie in seiner Stunde anzutreffen
war. Zu gerne hätte er sie während des Unterrichts begutachtet.
Leider saß sie deutlich hinter ihm. Und er konnte
nicht wirklich einen Blick auf sie werfen. Er sah zwar ein-,
zweimal verstohlen während des Unterrichts zu ihr hin. So
richtig zu Gesicht bekam er sie aber nicht. Da hatten Nick und
Samuel den besseren Blick. Aus diesem Grund grinsten die
beiden Damian siegessicher an. Damian verdrehte seine Augen.
Während des Unterrichts achtete Damian darauf, wie sie
genannt wurde. Doch ihr Name wurde leider nicht aufgerufen.
Einmal konnte sie eine Frage beantworten und gab dem Lehrer
ein Zeichen. Der wiederum sagte einfach: „Ja, bitte.“ Als
Damian sie sprechen hörte, sah er nochmals über seine Schulter
zurück. Jetzt sah er sie gründlich und lange an. Er war fasziniert
von ihrem Anblick. Während alle anderen Mädchen
darauf bedacht waren, massenhaft Schminke zu tragen, war sie
sehr natürlich. Sie schien es nicht nötig zu haben, sich
Spachtelmassen ins Gesicht zu streichen. Ihre Haut war tatsächlich
eher etwas blass. Damian fand, es passte zu ihrem
hellen Typ. Damian war so fasziniert von ihr, dass er nicht einmal
hörte, wie ihre Antwort ausgefallen war. Er löste sich erst
aus seiner Starre, als das Mädchen ihn direkt anblickte. Es
musste ihr wohl aufgefallen sein, dass er sie so anstarrte. Das
war ihm doch tatsächlich ein wenig peinlich. Doch er ließ sich
nichts anmerken und lächelte nett zurück.
In der Pause meinte Jason zu Damian: „Was sollte denn
das? Du hast sie ja regelrecht angestarrt. Ein no go!“
Damian meinte nur trocken: „Hast du nicht richtig hinge-
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sehen? Sie hat mich auch angeschaut. Sie hat Interesse.“
„Alter, eher nicht. Träum weiter“, scherzte Nick.
Samuel erwähnte: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der
Dritte. Ihr werdet schon sehen.“
Wieder lachten die Jungs auf. Da sie den Namen des Mädchens
noch nicht kannten, gaben sie ihr den Spitznamen Blondie.
Damian stellte fest, dass er noch weitere Fächer mit ihr
teilte. In Bio saß er direkt hinter ihr und konnte ihr schönes
Haar sehen und riechen. Nick hatte es geschafft und sich neben
sie gesetzt. Dieser Punkt ging an ihn. Für Damian ein
ganz klares Zeichen, dass die Jagd auf Blondie begonnen hatte.
Nick lag momentan ganz klar vorne. Damian konnte genau sehen,
wie sehr sich Nick bemühte. Nick, der eigentlich sehr rüpelhaft
sein konnte, benahm sich so fürsorglich und zuvorkommend
wie fast nie. In Wirklichkeit war er nicht immer so
nett. Zu den Mädchen erst gar nicht. Sein Aussehen war trügerisch.
In Mathe saß Damian in der hintersten Reihe und Blondie
in der vordersten Reihe. Es war wie verhext. Er hatte nie
das Glück, sich neben sie zu setzen. Immer kam irgendwas
oder irgendwer dazwischen. Egal, Damian war gespannt, was
Nick in der Mittagspause zu berichten haben würde. Und Damian
wusste genau, dass Nick es ihm brühwarm erzählen würde.
Darauf war Verlass.
In der Mittagspause nahm das Prozedere seinen üblichen
Gang. Die Cheerleader saßen mit den gutaussehenden Sportlern
an den Tischen. Die Sportler hielten sich die Cheerleader
fast wie eine Trophäe. Drei, vier Ausnahmen gab es da natürlich
schon. Wenn einer der Neulinge, sprich neuen Mädchen,
vorbeiging, wurde laut gepfiffen. Den meisten Neulingen war
das peinlich und sie liefen meistens knallrot an, natürlich zur
Belustigung der Jungs. Die Rothaarige schien sich nicht ablenken
zu lassen. Im Gegenteil, sie ging auf einen der Sportler zu
und setzte sich ihm auf den Schoß. Ihre Kollegin kicherte im
Hintergrund, da der Junge etwas aus seinem Konzept kam.
Leise, doch laut genug, damit es die anderen auch hörten,
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sprach sie: „Hey Süßer. Mein Name ist Cloe und meine Kollegin
hat den Rufnamen Penelope. Also wenn ihr schon pfeift,
dann macht es richtig und nennt uns beim Namen.“
Dann stand sie auf und sah in die Runde der Jungs und ergänzte:
„Übrigens steh’ ich nicht auf Jungs.“
Anschließend ging sie mit ihrer kichernden Freundin Hand
in Hand weiter. Cloe war siegessicher. Jeder hier im Raum hatte
es gesehen und gehört. Natürlich gab es ein Riesengelächter
unter den Jungs.
Jetzt pfiffen sie: „Hey Cloe, mach weiter so.“
Dem Jungen war es doch ein wenig peinlich, so vor seinen
Kumpels bloßgestellt worden zu sein.
Damian zuckte mit der Augenbraue und meinte belustigt:
„Na, die beiden haben wohl genügend Pfeffer im Arsch. Nick,
das wäre was für dich.“
Nick trat ganz nah an Damian heran und sprach leise, aber
so, dass es die anderen auch noch hörten: „Alter, schon Schiss,
du könntest Blondie verlieren? Ich häng mich da voll rein. Obwohl
...“
„Obwohl was?“, unterbrach ihn Samuel mit einem Lächeln
auf den Lippen.
Nick verzog sein Gesicht und kratzte sich hinten am Kopf.
„Blondie scheint mir ein verrücktes Weib zu sein. Sie hat
mir erzählt, sie sei eine Priestertochter.“
„Uh …, harte Nuss“, meinte Jason lächelnd.
Samuel mahnte: „Auch nicht schlimmer als eine, die nicht
auf Jungs steht, zu bekehren …“
Wieder lachten die Jungs laut, da sie genau wussten, das
war jetzt an Nick gerichtet. Er war ja bekannt für die schwierigen
Fälle der Mädchenwelt.
Nick drehte sich in die Richtung der anderen und erklärte
weiter: „Als ich Blondie erzählt habe, dass ich der Mann der
Schülerzeitung bin, wurde sie hellhörig. Ihr seht, ich habe da
schon einen Weg, wie ich an sie rankomme. Und wenn ich es
mir so überlege, könnte ich da eventuell noch jemanden bei
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der Zeitung brauchen. Wenn ihr versteht, was ich meine …“
Nick grinste dermaßen frech, dass Damian ein: „Du Schweinehund“,
rausrutschte.
Damian wusste genau, dass Nick den Vorsprung bei Blondie
in vollen Zügen genoss. Diese Verbissenheit war eine der
negativen Seiten und Eigenschaften bei Nick. Damian traute
Nick wirklich viel zu. Nick würde alle Register ziehen. So viel
war jetzt schon klar geworden. Während des Mittagessens
platzierte Damian sich so, dass er Blondie im Auge hatte. Zu
seinem Erstaunen setzte sie sich einfach zu Cloe und Penelope.
Die drei schienen sich gut zu verstehen. Blondie war und
blieb sehr natürlich. Aus diesem Grund war er so aufmerksam
auf sie geworden. Sie war einfach von Natur aus hübsch. Cloe
und Penelope waren etwas zu sexy für Damians Geschmack.
Damian schätzte es nicht, wenn sich ein Mädchen so sexy anzog.
In dieser Hinsicht war er eher etwas konservativ, irgendwie
altmodisch. Doch nie im Leben würde er es vor seinen
Jungs preisgeben. Oder einem der Mädchen. In seinen Augen
waren Cloe und Penelope die perfekten Cheerleader. Blondie
sah er eher in einer Theatergruppe. Im Prinzip sah Blondie genauso
aus, wie er sich eine Freundin vorstellen könnte. Wohlproportioniert
und natürlich. Sie schien so überaus bodenständig.
War sie etwa doch eine Priestertochter? So wie Nick es
eben erzählt hatte? Wichtig war für Damian, dass er herausfand,
wie er ein Date mit Blondie arrangieren konnte. Er grübelte
darüber nach und bekam Falten zwischen seinen Augen.
Er musste irgendwie eine Verabredung mit Blondie zustande
bringen. Dann wäre er wieder im Vorsprung. Zum ersten Mal
wusste er nicht, wie er es anstellen sollte. Damian trank gerade
einen Schluck und hielt seinen Blick immer noch auf Blondie
gerichtet. Plötzlich sah sie ihn auch an und nickte ihm lächelnd
zu. Damian zog eine Augenbraue hoch und wusste
echt nicht, was das zu bedeuten hatte. Ging das Lächeln denn
wirklich an ihn? Doch er hatte keine Zeit mehr, um sich länger
den Kopf über Blondie zu zerbrechen. Denn sein Cheerleader-
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mädchen von heute Morgen gesellte sich auf seinen Schoß und
flüsterte ihm irgendwelche Schweinereien ins Ohr. Damian begann,
verschmitzt zu grinsen. Sein nachdenklicher Ausdruck
wich und er sah wieder oberflächlich und arrogant aus. Damians
braune Augen begannen zu leuchten. Jetzt bekam das
Mädchen einen Kuss.
Blondie sah es ganz genau, was er da mit diesem zierlichen,
blondierten Mädchen trieb. Blondie lachte innerlich kurz auf
und schüttelte kurz ihren Kopf. Danach aß sie weiter und beteiligte
sich wieder an den Gesprächen ihrer Tischnachbarinnen.
Auch Damian blieb es nicht verborgen, dass Blondie ihn
beobachtete. Für ihn war dies ein gutes, ein sehr gutes Zeichen.
Anscheinend hatte er ihre Aufmerksamkeit. Warum, war
ihm im Moment so etwas von egal. Das gefiel ihm.
Die nächsten Wochen verliefen etwa gleich. Damian kam
nicht wirklich an Blondie heran. Er behielt sie zwar laufend im
Auge und sie anscheinend auch ihn. Ihre Blicke trafen oft aufeinander.
Blondie lächelte ihn immer freundlich, fast herausfordernd
an. Damian konnte ihr Kopfschütteln genau sehen,
wenn eine der Cheerleader auf ihn zukam und auf seinem
Schoß Platz nahm. Blondie machte Damian durchaus etwas
nervös. Was sollte denn das ständige Kopfschütteln? Floh
fand es für seine Wetteinnahmen toll, dass es so gut begann.
Wenn möglich war Floh mit seinem Notizblock in der Nähe,
um sich Notizen zu machen. Auch wenn Cloe erklärte, sie stehe
nicht auf Jungs, war das noch lange kein Grund, nicht um
sie zu werben. Zuerst musste sie mal beweisen, dass sie kein
Interesse an Jungs hatte. Floh fand, es machte die Sache ein
wenig spannender, wenn er Jason doch mit einplante. Denn
für Floh machte es den Anschein, dass Jason auch gerne mitmischen
würde. Jasmin hin oder her. Die Blicke von Jason in
Cloes Richtung blieben ihm nicht verborgen. Langsam spielte
Floh bereits mit dem Gedanken, ob er Jasmin auch wieder auf
seine Liste nehmen sollte. Doch das wäre zu gewagt und er
ließ es lieber bleiben. Jasmin kochte auf jeden Fall vor Wut, als
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sie herausfand, dass Jason auf der Liste stand. Und das allein
war das Ganze schon wert. Die Hofmacherei lief sozusagen
auf Hochtouren. Und die Wetteinnahmen flossen.
Damian belegte die Kurse Bio und Mathe mit Blondie.
Nick hatte jedoch Recht behalten. Blondie zeigte großes Interesse
an der Schülerzeitung. Also schleuste Nick Blondie bei
Michael und Monica mit ein. Die drei verstanden sich auf Anhieb
gut. Für Damian wurde es immer seltsamer. Auch Monica
und Michael gesellten sich zu Blondie, Cloe und Penelope
an den Tisch. Auch Floh aß ab und an mal bei ihnen am Tisch
mit. Sie schienen es jeden Mittag unglaublich lustig miteinander
zu haben. Es schien, als hätte sich eine neue Gruppe gebildet.
Neulinge mit Freaks und der Schülerzeitung zusammen.
Eine Gruppe, die angesehen war und irgendwie auch wieder
nicht. Auf jeden Fall ein Tisch, der Aufmerksamkeit besaß.
Damian wusste selbst noch nicht so genau, was er davon halten
sollte. Blondie beobachtete ihn weiterhin und lächelte ihn
zwischendurch nett an. Selbst Jason fiel es auf, dass Damian
mitunter so nachdenklich und gedankenversunken dasaß.
„Hey, alles in Ordnung?“, fragte Jason.
Damian hob seinen Kopf, als er antwortete: „Mh …, ja.
Warum sollte es nicht?“
„Geht es um Blondie und Nick?“, bohrte Jason weiter.
Damian zuckte mit der Schulter und antwortete: „Nick! Er
nervt, da er Blondies Namen nicht preisgibt.“
Damit war das Thema zunächst vom Tisch. Damian hatte
noch anderes im Kopf. Er musste sich auf ein wichtiges Reitturnier
konzentrieren. Aus diesem Grund hing er nach der
Schule nicht auf dem Schulgelände herum. Seine Freunde
kannten ihn nicht anders. Sie wussten zwar nicht, was er
machte. Damian war einfach so. Wenn er mal nicht Baseball
spielte oder mit ihnen rumhing, ging er schnurstracks nach
Hause. Seine Kumpels wussten nur, dass Damian aus reichem
Haus kam und einflussreiche Eltern besaß. Darum gingen sie
davon aus, er habe noch anderes zu erledigen.
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Die Tage vergingen. Eines Tages, als Blondie wieder Damians
Blick suchte und fand, sah sie, wie eine der Cheerleader
sich gerade wieder an die Jungs heranschmiss. Sie grinste und
schüttelte leicht den Kopf. Natürlich beobachtete auch Damian
Blondie. Heute reichte es ihm. Schließlich verstand er nicht,
weshalb sie ihn beobachtete und dauernd den Kopf schüttelte.
Das nervte ihn total. Da Blondie sich nicht in seine Richtung
bemühen wollte, musste er das Eis eben brechen. Er schob
seinen Cheerleader sanft zur Seite, stand auf und ging los.
Jason rief ihm noch hinterher: „Hey Damian, wohin des
Weges?“
Doch Damian winkte einfach ab. Er ging sehr zielstrebig
auf Blondie zu. Heute war Damian genervt. Natürlich wurde
er von seinen Jungs beobachtet. Wenn Damian sich vom Tisch
entfernte und seinen Kumpels einfach abwinkte, war das
schon etwas Spezielles. In diesem Moment war es ihm egal, ob
er sich blamieren würde. Als er an ihrem Tisch ankam, begannen
bereits alle zu kichern. Floh konnte sein breites Grinsen
auch nicht verstecken und lenkte seine Aufmerksamkeit sofort
auf seinen Notizblock, als Damian ihn mit einem kühlen Blick
ansah. Dann sah Damian Blondie direkt in die Augen.
„Könnten wir zwei uns mal kurz unterhalten?“
„Oh …, ja gerne. Leg los“, sagte sie wieder, nett lächelnd.
Damian schüttelte leicht den Kopf: „Zu viele Zuhörer.
Komm mit. Wir gehen hinaus.“
Das kam jetzt etwas schroff aus seinem Mund. Das war
ihm aber im Moment auch egal. Hauptsache, sie würde jetzt
endlich mit ihm mitkommen. Damian wartete ihre Antwort
nicht ab, sondern nahm sie bei der Hand und sagte zu den anderen
am Tisch:
„Keine Sorge, bringe sie euch gleich wieder zurück.“
Jetzt lächelte Damian zuckersüß in die Runde. Die anderen
am Tisch waren sprachlos, da Damian echt ein seltsames Bild
abgab. Selbst Cloe blieb der Mund offen stehen. Damian lief
hinaus und hielt Blondie ganz fest am Handgelenk. Draußen
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blieb er endlich stehen und sah Blondie wieder direkt an und
fragte sie direkt:
„Wieso siehst du mich an, lächelst und im nächsten Augenblick
sehe ich dich deinen Kopf schütteln. Das mag ich nicht!“
So hatte er es gleich auf den Punkt gebracht. Blondie blieb
ganz ruhig. Sie sah Damian mit ihren wunderschönen blauen
Augen ruhig an. Sie lächelte leicht, als sie zu ihm sprach.
„Würdest du jetzt bitte mein Handgelenk endlich loslassen?“
Jetzt erst bemerkte Damian, dass sie Recht hat. Er hielt immer
noch ihr Handgelenk fest umschlungen. Es fühlte sich
zwar angenehm an, war ihm jetzt aber leicht peinlich. Er war
bloß froh, dass es seine Jungs nicht mitbekamen. Verlegen
strich er sich über sein Haar. Er lächelte Blondie verlegen an.
„Ja, entschuldige. Kannst du mir jetzt meine Frage beantworten?
Blondie seufzte auf: „Ich weiß nicht so recht. Bis dahin haben
wir noch keinen ganzen Satz mit einander gewechselt.
Jetzt kommst du und fällst gleich mit der Türe ins Haus. Hätte
nicht ein einfaches ‚Hallo, wie geht es dir?‘ gereicht? So für
den Anfang wäre das auch in Ordnung gewesen.“
„Ist es denn so schwierig, auf eine einfache Frage zu antworten.
Du bist unmöglich.“
Dann ließ er sie einfach stehen. Dieses Mädchen brachte
ihn durcheinander. Sein Kopf schien wie blockiert zu sein.
Bevor er sich ganz von Blondie entfernte, spreizte er kurz seine
Finger und sah sie fragend an. Diesmal war er derjenige,
der den Kopf leicht schüttelte. Dann kehrte Damian sich endgültig
um und ging. Blondie sah ihm zu, wie er zurück in die
Kantine schritt. Sie seufzte kurz auf.
Natürlich wollten die Jungs von Damian wissen, was denn
gewesen sei. Damian war immer noch in schlechter Stimmung
und antwortete mit zusammengekniffenen Augen:
„Das geht euch nun wirklich nichts an. Eines nach dem anderen.“
„Hattest du Erfolg?“, wollte Nick natürlich wissen, der das
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Gefühl hatte, Damian ginge in die Offensive. Nick wusste genau,
dass Damian ein Gegner war, bei dem er aufpassen musste.
Nick durfte Damian nicht unterschätzen.
Damian antwortete lediglich mit einem: „Fast.“
Das war zwar weit weg von der Wirklichkeit. Damian war
es egal, er musste sein Privatleben nicht mit allen teilen. Er
ging nicht davon aus, dass irgendjemand hier am Tisch Blondie
aufsuchen würde, um zu fragen, was das eben gewesen
war. Damit war das Thema vorläufig vom Tisch.
Wieder huschte ein Lächeln über Blondies Gesicht, als sie
wieder an ihrem Tisch saß. Damian sah es ganz genau. Auch
dort saßen alle mit einem Fragezeichen im Gesicht da. Damian
fragte sich insgeheim, was sie jetzt wohl tratschten. In diesem
Moment wäre er gerne mal eine Fliege gewesen, die lauschen
kann. Gleichzeitig dachte er sich aber, es sei vielleicht besser,
es nicht zu wissen. Was für ein störrisches Mädchen, dachte
Damian. In den nächsten Tagen versuchte Damian, seinen
Blick von Blondie fernzuhalten. Im Augenblick hatte Damian
keine Lust mehr, Blondie näher kennenzulernen. Normalerweise
liefen ihm ja die Mädchen nach und nicht umgekehrt.
Wette hin oder her. Er wollte Blondie definitiv lieber Nick
überlassen.
Nick nützte es tatsächlich aus und holte sie eines Tages an
einem Mittag zu sich an seinen Tisch. Schön brav und zuvorkommend
stellte er sie den anderen vor. Natürlich erwähnte
Nick, dass sie ab jetzt auch bei der Schülerzeitung arbeitete.
Blondie gewann automatisch an Bekanntheitsgrad und auch an
Beliebtheit. Und da sie sehr hübsch war, wurde sie sofort in
ihrem Kreis aufgenommen. Wie sollte es auch anders sein. Ein
so hübsches Mädchen würden sie doch nicht meiden. Damian
rollte seine Augen und stöhnte leicht auf, was zum Glück niemand
mitbekam. Er hielt sich abseits. In diesem Moment hasste
er Nick.
„Kein Interesse am Cheerleading?“, wollte Jasmin von
Blondie wissen.
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„Hättet ihr denn noch Platz?“
Jasmin antwortete aufrichtig lächelnd: „Morgen ist das
Aufnahmetraining. Also wenn du möchtest, bist du herzlich
willkommen mitzumachen.“
Blondie war etwas erstaunt darüber, dass Jasmin nicht so
oberflächlich war, wie sie aussah und antwortete deswegen
ebenso offen: „Ganz ehrlich … Ich denke, das ist nichts für
mich. Ihr seid besser dran, wenn ich nicht dabei bin. Sport ist
nicht so mein Ding.“
„Kein Problem, Blondie. Wie heißt du eigentlich?“
„Oh, … ihr nennt mich Blondie? Hat euch Nick denn
nichts gesagt?“
„Nein, so etwas behält er für sich. Das gibt ihm sozusagen
einen Vorsprung auf dich. Oder nenn es Genugtuung.“
„Verstehe!“, grinste Blondie verschmitzt: „Nenn mich einfach
Sandi.“
Jasmin nickte ihr zu. Nick gesellte sich wieder an die Seite
von Sandi. Doch die sah gerade zu Damian hinüber und hörte
Nick nicht wirklich zu. Sie tat nur so als ob. An Damian klebte
wieder dieses zierliche blondierte Mädchen. Sandi fragte sich,
ob Damian dass wohl wirklich genießen konnte. Danach ließ
sie ihren Blick von Damian ab und wandte sich Nick zu. Jasmin
ging etwas später auf Damian zu.
„Übrigens hat Blondie auch einen Namen. Man nennt sie
Sandi.“


Leider nimmt die Leseprobe hier ein Ende. Wie man sich vorstellen kann, darf ich nicht das Ganze Buch hier veröffentlichen. Das geht Rechtlich nicht. Daher freue mich über jeden Leser der dieses Buch bestellt. Es ist über alle Online Shops bestellbar ;-)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.05.2011

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