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Seltsame Zufälle

 

Hoch über Wiltshire ging früh morgens die Sonne auf. Die Blumen hatten dieses Jahr besonders früh angefangen zu blühen und so sah die Landschaft mit all ihren Wiesen traumhaft schön aus. Rote, gelbe, sogar blaue Blumen erstreckten sich über die schönen grünen Wiesen. Ganz in der Nähe war ein Wald, aus dem lautes Vogelzwitschern zu hören war. Alles wirkte so friedlich. Selbst das kleine Dorf lag verlassen und friedlich in dem kleinen Tal, obwohl es hier alles andere als friedlich zuging.

Der Schein trügte also.

Ein kleines Mädchen, das am heutigen Tag genau 15 Jahre alt wurde, lag im bewusstlos im Gras. Völlig verdreckt lag sie dort. Nichts ließ darauf schließen, ob die Kleine noch lebte. Einer jedoch wusste ganz genau, dass dieses Mädchen noch lebte. Lucius Malfoy fühlte gerade den Puls des Mädchens und hob sie dann geschwind hoch. Er schien keinerlei Schwierigkeiten damit zu haben, sie zu tragen. Lucius Malfoy war ein stämmiger, gepflegter Mann, der aus einer wohlhabenden Familie aus Reinblütern abstammte. Seine grauen Auge hatte er zusammen gepresst und er sah sich hektisch um. Sehr darauf bedacht, bloß kein Aufsehen zu erregen, wanderte er mit dem Mädchen in dem Arm zurück zu seinem Haus.

Im Garten hatte er extra einige Springbrunnen erstellt, damit auch jeder wusste, wie wohlhabend seine Familie war. Lucius ging an der gepflegten Hecke entlang auf eine Tür zu, auf die er seine Hand legte. Er seufzte. Dies hier war sein eigenes Haus und sogar dort musste er sich erst ausweisen mit dem Dunklen Mal! Hätte er dem Dunklen Lord doch niemals angeboten, sein Haus als Hauptquartier zu nutzen! Dann hätte er wenigstens auch noch etwas Privatphäre, wenn er jeden Abend von der Arbeit im Ministerium nach Hause kam. Seine Frau, Narzissa, hatte sich mehrmals bei ihm beschwert, er sollte doch gefälligst ein anderes Quartier für den Dunklen Lord suchen. Lucius hatte es dennoch immer als Kleinigkeit abgetan und nie auf seine Frau gehört. Er konnte den Dunklen Lord schließlich nicht einfach aus seinem Haus schmeißen. Wie unhöflich das doch wäre! Auch seinem Sohn schien es nicht zu gefallen, dass die Todesser praktisch in seinem Haus ein und aus gingen. Lucius konnte dies überhaupt nicht verstehen, wo sie doch alle treue Ergebene des Dunklen Lords waren. Nun brauchte er nunmal ihre Hilfe, um sich wieder richtig zu sammeln und Lucius hatte versprochen, ihm dabei zu helfen. Es war jetzt eben einfach so! Er durfte sich nicht beschweren. Eigentlich sollte er dem Dunklen Lord sogar dankbar dafür sein, dass er endlich mal für Ordnung sorgte in der Zaubererwelt! Diese muggelstämmigen Zauberer mussten doch aufgehalten werden.

Lucius schritt mit dem jungen Mädchen auf dem Arm durch sein eigenes Haus. Ganz hinten im Flur ging er durch die Tür und ließ das Mädchen dort absichtlich hart auf dem Boden aufkommen. Er wusste nicht, wer sie war, aber sie hatte so bereitwillig vor seinem Haus gelegen. Das konnte er doch wirklich nicht ignorieren, oder? Der Dunkle Lord würde sie sicher für sich gewinnen können und dann würde es schon wieder einen Todesser mehr geben! Wie viele Leute doch klug genug waren, sich den Todessern anzuschließen. Lucius verabscheute alle Menschen, die diesem trotteligem Harry Potter nacheiferten. Er war berühmt, und zwar für nichts! Jeder wusste, dass der Dunkle Lord ihn hätte töten können, wenn er es ernsthaft vorgehabt hätte. Er hatte ihn nur verschont und das bereute er heute zutiefst, wie Malfoy vermutete.

Als er das Mädchen auf den harten Boden fallen gelassen hatte, schloss er die Tür extra von außen wieder ab, damit sie auch ja nicht auf die Idee kam zu fliehen. Er hatte kein Mitleid mit ihr, warum auch? Sie war doch selbst Schuld, wenn sie sich vor seiner Tür gelegt hatte! Natürlich brannte er darauf, zu erfahren, wer sie war, doch erstmal musste er seinem Herrn Bescheid geben. Dieser verlangte von allen Todessern, regelmäßig Vorträge darüber zu halten, was passiert war. Alle Todesser waren Voldemorts Augen und Ohren, ganz besonders Lucius Malfoy und sein Sohn. Da Draco Malfoy noch immer die Hogwarts Schule für Zauberei und Hexerei besuchte, konnte dieser Hogwarts und vor allem Dumbledore und Harry Potter beobachten. Deswegen war der Dunkle Lord auch stets genaustens informiert. Natürlich wusste Lucius, dass sein Sohn nicht alles über Hogwarts erzählte, doch das sagte er nicht. Warum sollte er es dem Herrn auch unter die Nase reiben? Dann müsste Lucius nur wieder für seinen verkommenen Sohn gerade stehen. Und genau das wollte er nicht, schließlich hatte er absolut nichts damit zu tun, was Draco erzählte und was nicht.

Lucius ging durch die dunklen Gänge, die nur spärlich mit Fackeln beleuchet waren. Im Ganzen Malfoy Manor sah es aus wie im Gefängnis. Nicht nur die Dunkelheit, sondern auch die Stimmung und vor allem die Leute erinnerten stark an Askaban, das Zauberergefängnis. Alle Todesser, die an Lucius vorbei liefen, sekten die Köpfe als Zeichen der Unterlegenheit. Er fand das gut, dass sie ihn achteten, dennoch wünschte er sich mehr Respekt. Alle liefen immer nur stumm an ihm vorbei, zu verängstigt, etwas falsches zu sagen.

Lucius nahm das Zimmer weiter vorne im Gang mit der prachtvollsten Tür. Sie war leicht verschnörkelt und glänzte golden in der Morgensonne. Er machte sich aus dieser eigentlich schönen Tür nichts, er fand sie einfach nur übertrieben. Aber der Dunkle Lord hatte sie gewünscht, dem konnte er ja schlecht widersetzen. Hinter dieser Tür würde ihn der Dunkle Lord erwarten, sitzend in einem noch prachtvolleren Stuhl, das man schon eher Thron nennen konnte. Lucius hatte diesen Thron eigens für seinen Herrn anfertigen lassen und war froh darüber, dass er seinem Meister helfen konnte. Langsam klopfte er an die Tür. Sein Herz raste, nicht weil er nervös war, sondern weil sogar er ein wenig Respekt dem Dunklen Lord gegenüber hatte. In seiner Umgebung fühlte er sich immer schwach und verletzlich, als wäre er ein Niemand.

Als es leise „Herein“ von drinnen kam, öffnete der Blondschopf die Tür. Sofort umfing ihn eine Kälte, wie er sie in keinem anderen Raum spüren konnte. Ein Zeichen dafür, dass sein Meister keine Gefühle duldete. Lucius hatte schon vor Jahren gelernt, keine Gefühle mehr zuzulassen, deswegen nannten ihn Außenstehende auch gefühlskalt und emotionslos. Er selbst betrachtete sich nur als selbstsicher und klug, weil er Respekt gegenüber seinem Meister zeigen wollte. Schnell wanderten seine Augen in dem dunkel gehaltenen Raum herum. Wie erwartet saß Voldemort auf seinem goldenem Thron, von wo aus er überheblich und siegenssicher lächelte. Bei ihm sah es jedoch nicht nach Lächeln aus, sondern eher nach einer gruseligen Fratze, wie Malfoy fand.

Die Wände in diesem großen Raum waren alle fast schwarz, bis auf einige Ausnahmen, wo die Farbe langsam abblätterte. Ansonsten standen in dem Raum nur noch einige Stühle für die verschiedenen Sitzungen der Todesser, wo man Pläne besprach. Noch heute Abend würde die nächste Sitzung statt finden. Lucius verbeugte sich vor seinem Herrn, grüßte ihn freudlich und kniete sich dann auf den dunklen Marmorboden. So blieb er sitzen, bis sein Meister mit einer kratzigen Stimme anfing zu sprechen: „Lucius … Was verschafft mir die Ehre?“

„Ich habe heute Morgen direkt vor meinem Haus ein bewusstloses Mädchen gefunden, mein Herr. Sie liegt in einem der Räume hinten im Gang.“ Lucius Stimme war ruhig, doch innerlich war er alles andere als ruhig. Jedes Mal, wenn man diesen Raum betrat, stand das eigene Leben auf dem Spiel. Hatte man etwas falsch gemacht, starb man. So lauteten die Prinzipien seines Herrn.

Voldemort musterte ihn genau, während er gesprochen hatte. „Wozu sollte so eine dumme Göre nützlich sein?“ zischte sein Herr.

Lucius schrumpfte innerlich wieder ein kleines Stück zusammen. Das erging ihm jedes Mal so, wenn er diesen Raum betrat. So langsam war er es Leid, von seinem Herrn so behandelt zu werden. Immerhin war dies noch immer sein Haus! „Sie könnte ein weiterer Todesser werden, mein Herr. Außerdem hat sie ein seltsames Zeichen auf ihrem Körper, welches ich nicht identifizieren konnte.“ Vielleicht wäre es schlauer, jetzt einen Abgang zu machen. Dennoch wollte er nicht wieder wie der letzte Trottel dastehen. Also musste er wohl oder übel bleiben und weitermachen, versuchen, seinen Herrn zu überzeugen, dass das Mädchen sehr wohl nützlich sein könnte.

Lucius sah seinen Herrn genau an. Gerade als dieser etwas erwidern wollte, klopfte es an der Tür. Hervor kam Draco, sein Sohn. Was wollte der nun wieder hier? Hatte er ihm nicht gestern noch gesagt, er sollte sich tagsüber nicht im Haus aufhalten? Wieso konnte dieser Junge nicht einmal hören!

„Vater … Mein Herr!“ Sein Sohn verbeugte sich ebenfalls vor seinem Meister. „Die Kleine in Nummer 10 ist aufgewacht!“ Sein Sohn war das genaue Ebenbild von Lucius Malfoy. Seine kalten grauen Augen sehen erwartungsvoll zu seinem Herrn hinauf, seine weißblonden Haare stehen ihm noch in allen Richtungen ab. Allem Anschein nach war er gerade erst aufgestanden.

„Bring sie her!“ fauchte der Dunkle Lord. „Ist sie die, die vor diesem Haus gelegen hat?“ fragte sein Herr Lucius, als dessen Sohn aus dem Zimmer verschwunden war. Danach trat unangenehme Stille ein.

 

 

Währenddessen war das junge Mädchen langsam aufgewacht. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Und wo war sie? Wer war sie? Die junge Hexe versuchte ihre Augen zu öffnen, zuckte dann aber vor Schmerz zusammen. Immer wieder versuchte sie es, weil sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Nach guten 20 Versuchen gelang es ihr, ihre Augen kurz zu öffnen. Zu ihrem Erstaunen war es in dem Raum ziemlich dunkel, sodass ihre Augen nicht so sehr brannten, als sie sie öffnete. Sie sah sich genau um.

Der Raum, in dem sie lag, war nicht groß. Er wies außer eine kleine Matratze auch keine Möbel auf. Verwirrt sieht sie von der Matratze, auf der sie lag, zu dem kleinen Fenster, das ihr leider keinen Ausblick nach draußen bot. Gitter vor den Fenstern? Wo war sie denn hier gelandet?

Langsam stützte sie sich mit ihren Armen auf die Matratze und versuchte sich so hochzudrücken. Sie musste unbedingt zu der Tür auf der anderen Seite des Raums. Als sie sich erhob, überkam sie ein leichter Schwindel, den sie jedoch einfach ignorierte. Schwankend lief sie zur Tür und drückte dagegen. Abgeschlossen, grunzte sie missmutig. Jemand hatte sie hier eingesperrt! Nur wer? Und wieso? Sie hatte doch gar nichts gemacht … oder?

Sie versuchte sich an irgendetwas aus ihrer Vergangenheit zu erinnern, doch außer ihrem Namen wusste sie nichts mehr. Sie war bewusstlos gewesen, warum wusste sie selbst nicht. Panisch dachte sie immer mehr an ihre nicht vorhandene Vergangenheit und bemerkte dabei nicht, wie ein junger Blondschopf leise das Zimmer betrat.

„Du bist wach.“ stellte der Junge fest, als er vor ihr stand. Das Mädchen öffnete ihre Augen und musterte den Jungen vor ihr. Er wirkte etwas arrogant und seine Gesichtszüge verrieten ihr, dass er wohlhabend und hochnäsig war.

„Was willst du?“ zischte sie und sprang auf. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie sich gesetzt hatte, nachdem sie an der Tür gewesen war. War sie wirklich so in Gedanken gewesen?

„Ich soll dich zu meinem Herrn bringen.“ sagte er monoton. Sie konnte in seinem Gesicht nicht eine einzige Gefühlsregung entdecken. Ob er wohl überhaupt fühlte? „Also komm!“ Seine Stimme duldete eigentlich keinen Widerspruch, dennoch hatte das junge Mädchen nicht die geringste Lust, mit diesem Jungen hier heraus zu gehen.

„Wo bin ich hier?“ fragte sie stattdessen neugierig. Der Junge schüttelte nur den Kopf und zog sie an ihrem Arm hoch, ohne dass sie sich wehren konnte.

„Au! Lass das!“ schrie sie und schlug und trat wild um sich. Sie wollte diesem Jungen nicht folgen! Sie hatte ja nicht einmal eine Ahnung, wohin überhaupt. „Nimm deine bescheuerten Hände von mir, du Arschloch!“ schrie sie immer wieder. Doch der Blondschopf blieb hart und zerrte sie immer weiter in Richtung seines Herrn. Dass sich das Mädchen wehrte, machte es für den Jungen nur spaßiger.

Als sie an einer goldenen Tür angekommen war, klopfte der Junge an die Tür. Diesen Moment nutze die junge Hexe, um sich loszureißen und wegzurennen. Dumm nur, dass sie nicht wusste, wo sie sich befand, geschweige denn, wo der Ausgang aus diesem verdammten Irrgarten war! Ärgerlich rannte sie einfach um eine Ecke und riss panisch einige Türen im Vorbeigehen auf, um zu testen, ob eine von ihnen nach draußen führte. Sie war jedoch nicht sehr weit gekommen, als sich ihr Schwindel wieder zu Wort meldete und sie gegen die Wand fiel. Erschöpft blieb sie dort sitzen, um sich erst einmal wieder zu sammeln. Abhauen konnte sie in ihrem Zustand wohl erst einmal vergessen. Dennoch musste es doch einen Weg geben, hier heraus zu kommen.

„Zu schwach, was?“ fragte der Blondschopf hämisch, als er um die Ecke gerannt kam.

„Halt dein Maul!“ keifte sie ihn an und versuchte, aufzustehen. Ihr gefiel der Ton des Jungen nicht. Er klang so arrogant und wollte sich wohl unbedingt über jeden lustig machen. Doch das ließ das Mädchen ganz bestimmt nicht mit sich machen. Der Junge nahm wieder ihren Arm, diesmal jedoch etwas sanfter, warum auch immer. Grunzend gehorchte sie widerstrebend, sagte aber nichts mehr. Gemeinsam liefen die beiden um die Ecke, zurück zu der Tür, an die der junge Zauberer erneut anklopfte. Als ein leises „Herein“ zu vernehmen war, trat der Blondschopf, gefolgt von dem jungen Mädchen, in den Raum.

Zuerst blickte sich die junge Hexe um. Das Zimmer glich einem riesigen Saal, in dem zusätzlich noch an die hundert Stühle deponiert waren. Außerdem fiel ihr auf, dass dieser Raum, genauso wie jeder andere in diesem Haus, die sie gesehen hatte, eher dunkel war. Die Wände waren schwarz gestrichen, der Marmorboden war dunkel. Das einzige, was in diesem Raum wirklich fehl am Platz wirkte, war der Thron in der Mitte des Raumes. Er war golden, wahrscheinlich sogar echtes Gold, und wirkte protziger als das ganze Haus zusammen. In diesen Raum hatte man offenbar ein Vermögen investiert, warum auch immer. Das blonde Mädchen musterte den Mann, der vor dem Thron kniete. Er verhielt sich, als würde vor ihm der König oder Präsident höchstpersönlich sitzen. Genau wie der Junge, der sie noch immer am Arm festhielt, hatte er ein spitzes Gesicht, zu dem die kalten grauen Augen sehr passten. Seine blonden Haare fielen ihm bis auf die Schultern, dennoch wirkte dieser Mann irgendwie gepflegt und arrogant. Während das Mädchen den Mann gemustert hatte, war Stille eingetreten. Niemand hatte etwas gesagt, bis der blonde Junge sie vor den Thron zerrte, wo er sich ebenfalls kurz verbeugte. Sollte sie es jetzt auch tun? Nein, bestimmt nicht. Sie kannte niemanden von den dreien, und immerhin wurde sie von ihnen entführt! Der Mann, der auf dem Thron saß, wirkte einfach nur angsteinflößend. Sein Gesicht sah beinahe unmenschlich aus und das junge Mädchen fragte sich ernsthaft, was dieser Mann vor ihr bloß angestellt hatte. Sein Gesicht sah fast schlangenähnlich aus mit den roten Augen und den schlitzförmigen Nüstern.

Als der seltsame Mann sie sah, erhob er sich und lief auf das fremde Mädchen zu. Sie hatte keinerlei Angst vor ihm, dennoch wollte sie ihn nicht so nah an sich heran lassen. Sie machte einige Schritte zurück, um weiter weg von dem komischen Mann zu sein. Dieser kam jedoch belustigt immer näher, egal wie weit sie nach hinten ging.

„Angst, Kleine?“ fragte er hämisch. Seine Art war ähnlich der des jungen Zauberers, der sie hergebracht hatte.

„Träumen Sie weiter!“ sagte sie und grinste frech zurück. Ja, sie war nicht auf den Mund gefallen. Sie ließ sich nicht so einfach etwas sagen, sondern gab lieber selbst Anweisungen. Dem Mann schien das nicht einmal zu stören, denn er nickte nur und begab sich zurück auf seinen Thron, wo er sich dann mit einem langen Seufzer hinsetzte. Währenddessen war die junge Hexe wieder näher zu dem Thron gegangen. Sie war trotz allem neugierig, wer diese Leute waren.

„Wie ist dein Name?“ fragte der Mann und machte ein seltsames zischendes Geräusch, das dem einer Schlange verdächtig ähnelte.

„Emilia. Und Sie sind …?“ fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben. Ihr Name war das einzige, was sie aus ihrer Vergangenheit noch wusste. Ansonsten konnte sie sich seltsamerweise an nichts erinnern.

„Du kennst mich nicht?“ fragte der Mann schockiert. Woher sollte sie den Mann denn kennen? War er sowas wie ein berühmte Star oder so? Vielleicht hatte sie es früher ja mal erfahren und konnte sich jetzt bloß nicht mehr daran erinnern.

„Sollte ich denn?“ gab sie zurück. Irgendwie machte ihn dieser Mann angriffslustig. Sie genoss es, so mit ihm reden zu können, ohne dass er gleich ausflippte.

„Lucius, wieso kennt sie mich nicht?“ fragte der schlangenähnliche Mann. Offensichtlich hieß der große blonde Mann Lucius, denn er fühlte sich angesprochen und antwortete: „Mein Herr, ich denke, sie ist einfach nicht aus der Gegend.“

Dann drehte sich Lucius zu dem jungen Mädchen um. „Ich bin Lucius Malfoy, das ist mein Sohn Draco -“ er zeigte auf die jüngere Version von ihm selbst. Dieser Draco hielt sie noch immer am Arm fest, als bestünde Fluchtgefahr. „Und dies ist unser Herr, Lord Voldemort, manchmal auch einfach nur Dunkler Lord genannt.“ Lucius zeigte auf den seltsamen Mann im Thron.

„Wieso haben Sie so einen dämlichen Namen?“ fragte das junge Mädchen geradeheraus, ohne großartig darüber nachzudenken. Am liebsten hätte sie sich später dafür auf die Zunge gebissen. Dem Dunklen Lord schien das weniger auszumachen, als sie befürchtet hatte. Er beließ es bei einem wütenden Blick und setzte dann wieder seine kühle Miene auf. Dieser Mann war doch wirklich zu komisch, dachte das junge Mädchen.

„Emilia, wo kommst du her?“ fragte Voldemort und sah das Mädchen genau an. Sie sah aus, als würde sie so wie er auch aus England kommen. Dennoch wollte er sicher gehen und keine falschen Annahmen haben.

Emilia konnte nur die Schultern zucken. „Ich weiß es nicht.“

Der Dunkle Lord sah sie forschend an. Sein Blick verriet, dass er ihr nicht glaubte. Dennoch konnte sie ihm nichts genaueres sagen. Und selbst wenn sie könnte, würde sie es nicht tun. Dieser Mann war ihr einfach nicht geheuer und sie wollte einfach nur so schnell wie möglich weg von ihm.

„Lucius, Veritaserum!“ rief der Dunkle Lord dem blonden Mann zu, welcher kurz verschwand und wenige Sekunden später schon wieder vor ihr stand.

„Was ist das?“ fragte Emilia verunsichert. Lucius hielt ihr ein kleines Glas hin und bedeutete ihr, dies auszutrinken, gab ihr jedoch keine Antwort. Doch sie würde nicht eher trinken, bevor sie nicht ihre Antwort bekommen hatte. Sie würde nichts trinken, wovon sie nicht wusste, was es war. Es könnte Alkohol sein! Oder irgendwelche Betäubungsmittel! Sie würde auf die Antwort warten.

„Trink.“ fügte Lucius ungeduldig hinzu, als sie sich nicht rührte. Er stand immer noch vor ihr und hielt ihr das Glas unter die Nase. Als er sah, dass Emilia nur den Kopf schüttelte, holte er ungeduldig seinen Zauberstab aus seiner Jackentasche. Das junge Mädchen staunte.

„Was ist das?“ fragte sie neugierig. Lucius sah sie skeptisch an. Auch er schien nicht glauben zu können, dass Emilia von nichts eine Ahnung hatte.

„Mein Zauberstab.“ klärte Lucius die Kleine auf. Er glaubte zwar nicht, dass sie nicht wusste, was ein Zauberstab war, dennoch erklärte er es ihr. Dann schwang er seinen Stab und prompt stand einer der Stühle, die hinten gestanden hatten, vor Emilia und Lucius. Draco und Voldemort beobachteten gespannt die Szene, auch sie konnten nicht fassen, wie wenig Emilia wusste.

„Setz dich.“ sagte Lucius bestimmt. „Trink!“

„Was ist das?“ fragte Emilia noch einmal. So langsam wurde auch sie etwas ungeduldig, immerhin stellte sie diese Frage schon zum zweiten Mal.

„Veritaserum. Bewirkt, dass du nur noch die Wahrheit sagen kannst.“ mischte sich nun auch Draco ein. Er hatte bisher nur zugesehen und sich weitesgehend herausgehalten.

Endlich nahm Emilia das kleine Glas in die Hände und trank den winzigen Schluck Veritaserum aus, der sich in dem Glas befand. Viel war das nicht gewesen, aber offenbar sollte er ja wirken. Sie fühlte sich immer noch genauso wie vorher.

„Nun gut, wo kommst du her?“ fragte Voldemort nun noch einmal.

„Ich weiß es nicht.“ gab das Mädchen als Antwort. Diesmal schien der Dunkle Lord fassungslos und auch Lucius starrte sie fasziniert an, als frage er sich, wie sie das machte. Dennoch sagte sie nur die Wahrheit.

„LÜG NICHT!“ schrie Voldemort durch den Raum. Draco und Lucius hielten sich instinktiv die Ohren zu, während es Emilia voll erwischte. Sie hörte diesen Schrei auch fünf Fragen später immer noch.

„Wer bist du?“ fragte Voldemort. So langsam verlor er seine Beherrschung. Dieses Mädchen trieb ihn wahrlich in den Wahnsinn. Sie war schlagfertig, wirklich, und noch dazu besaß sie die Frechheit, ihn anzulügen. Andererseits hatte sie Veritaserum in sich, also musste sie eigentlich die Wahrheit sagen. Vielleicht wusste sie tatsächlich nichts mehr über ihre Vergangenheit. Vielleicht hatte jemand einen Vergessenszauber angewendet. Er hatte sich sowieso schon die Frage gestellt, wieso sie bewusstlos direkt vor dem Haus gelegen hatte. Wollte möglicherweise irgendjemand, dass er sie fand und einsperrte? Nur wer könnte so etwas wollen?

„Emilia. Sagte ich das nicht bereits?“ fragte sie verwirrt. „Wieso muss ich alle fragen doppelt beantworten?“

„Damit wir uns sicher sein können, dass du die Wahrheit sprichst, Kind.“ Lucius hatte es auf den Punkt gebracht. Alle drei Männer glaubten nicht, was sie sagte. Sie glaubten, sie verheimlichte ihnen etwas. Tat sie aber nicht. Sie wusste nur nichts mehr über ihre Vergangenheit, aber das war ja nicht ihre schuld.

„Draco! Führ sie durch das Haus, zeige ihr alles und erkläre ihr alles.“ Draco sah seinen Herrn fassungslos an. Wollte er wirklich riskieren, dass das Mädchen abhaute? Dennoch begab er sich zusammen mit Emilia nach draußen und schloss die Tür schnell wieder hinter sich. Der Blick seines Herrn hatte keinen Widerspruch geduldet.

„Du weißt, was sie mit mir vorhaben, nicht wahr?“ fragte Emilia ihn vorsichtig. Sie hatte einen üblen Verdacht, dass sie sie vielleicht töten wollten oder zu einem Sklaven machen wollten. Und genau das wollte sie eigentlich vermeiden, immerhin war ihr Leben ihr wichtig, auch wenn sie niemanden mehr hatte. Sie war ja auf sich allein gestellt, da sie ihre Familie nicht kannte. Sie kannte niemanden mehr aus ihrer Vergangenheit. Offensichtlich war sie aber in ihrer Vergangenheit auch noch nie bei diesen Leuten gewesen.

„Sie wollen dich zu einem von ihnen machen.“ erklärte dieser, diesmal ohne ein Grinsen auf dem Gesicht. „Zu einem Totesser. Davon würde ich dir aber abraten. Wenn du einmal dabei bist, wirst du auf ewig damit konfrontiert werden. Totesser werden auch von Zaubereiministerium gesucht, also ist es auch noch gefährlich.“

„Wow, deine Maske ist gefallen, was?“ lachte sie. Eigentlich sollte sie lieber traurig sein, in ihrer Situation, aber das war sie nicht. Sie vermisste ja nichts. Wie auch, wenn sie sich an nichts erinnerte.

„Welche Maske?“ fragte er irritiert. „Weißt du eigentlich wirklich gar nichts über dich und deine Vergangenheit?“ Er schien ehrlich daran interessiert zu sein. Obwohl sie bisher gedacht hatte, dass auch er ihr nicht glaubte.

„Nichts. Ich bin aufgewacht und wusste meinen Namen, mehr nicht.“ erklärte sie. „Und mein Geburtsdatum.“ fügte sie schnell hinzu, als ihr einfiel, wann sie Geburtstag hatte. Am 31. Juli 1979 war sie geboren worden.

„Welcher Trottel hat dir denn die Erinnerung gestohlen?“ fragte er belustigt. Sie fand das eigentlich eher nicht so lustig, dennoch sagte sie nichts.

„Da ich mich an rein gar nichts erinnere, kann ich dir auch diese Frage nicht beantworten.“ sagte sie und verschränkte ihre Arme vor dem Körper. „Wo gehen wir hin?“

„Dich wegbringen. Das hier ist kein guter Ort für dich.“ Emilia zog eine Augenbraue hoch, wie sie es immer tat, wenn sie mit etwas nicht einverstanden war. Doch gerade als sie etwas erwidern wollte, blieb Draco neben ihr stehen und versteifte sich. Angespannt sah er zu einem großen Tor, durch das gerade ein großgewachsener Mann trat, dessen Haare aussahen, als wären sie seit Jahrzehnten nicht mehr gewaschen worden. Seine dunklen Augen und der dunkle, wehende Umhang ließen ihn fast bedrohlich aussehen. Außerdem sah er mit seiner Hakennase aus wie der typische Bösewicht.

„Mr. Malfoy.“ sagte der düster aussehende Mann, der geradewegs auf sie zulief. Emilia mochte diesen Mann schon allein wegen seinem Aussehen und seiner Stimme nicht. Er sprach leise, aber alles bestimmt und durchdringend. Außerdem klang seine Stimme leicht ölig.

„Professor Snape.“ antwortete Draco und zerrte sie an dem furchteinflößendem Mann vorbei. Dennoch schlug Draco jetzt einen anderen Weg ein, da ihm bewusst war, dass Snape ihn beobachtete. Wahrscheinlich würde er auch von seinem Vater noch Bescheid bekommen, da Draco nicht gerade höflich zu dem Professor war.

Emilia fühlte sich leicht fehl am Platz. Jeder wusste über alles Bescheid, jeder wusste mehr als sie. Sie konnte sich ja nicht einmal mehr an ihre Vergangenheit erinnern, wie sollte sie das auch irgendwas wissen … Trotzdem nervte es sie, immer als die Dumme darzustehen, wenn sie eine Frage stellte. Alle gingen davon aus, dass sie alles wissen müsste. Sie wusste ja nicht einmal, was Lucius mit einem Zauberstab wollte! Ihr war nur aufgefallen, dass dieser den Zauberstab geschwungen hatte und auf einmal der Stuhl hinter ihr gestanden hatte. War das Zauberei gewesen? Gab es so etwas?

„Gibt es Zauberei?“ fragte sie den jungen Malfoy, der sie durch den Garten führte.

Dieser nickte. „Natürlich. Und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass du eine Hexe bist. Bei uns ist noch nie ein Muggel aufgetaucht.“ Draco sprach das Wort 'Muggel' abwertend aus. Emilia dachte, dass er damit wohl die Leute meinte, die nicht zaubern konnten. Irgendwie kam ihr das auch bekannt vor. Sie wusste, sie hatte schon einmal davon gehört, nur wann? Und vor allem: Wieso konnte sie sich nicht erinnern? Ganz vage spielte sich in ihrem Kopf eine Szene ab, wo sie noch elf Jahre alt war.

Sie war bei einer Frau zu Hause, die Besuch von einem älteren Paar bekamen. Dieser Mann sagte ihr auch, dass sie eine Hexe sei und eine bestimmte Zauberschule besuchen sollte. Nur der Name dieser Schule war ihr dummerweise entfallen … Aber sie war froh, sich wenigstens an einen Teil noch erinnern zu können. Vielleicht bekam sie ja nach und nach ihre Erinnerungen wieder.

„Hier, probier mal!“ Draco hielt ihr so einen komischen Stab hin, den man wohl Zauberstab nannte. Doch als sie ihn berührte, fühlte sie nichts anderes als sie bei einem normalen Ast fühlen würde. Dann war sie wohl keine Hexe, obwohl sie sich durch die Szene in ihrem Kopf sicher gewesen war, dass sie eine Hexe war. Vielleicht war das auch noch eine Nebenwirkung ihrer Bewusstlosigkeit, möglich wäre es ja.

„Der Zauberstab ist wohl nicht der richtige.“ meinte Draco und steckte ihn sich wieder in die Jackentasche. „Hast du irgendwelche Fragen?“

„Wo genau sind wir hier? Und wieso habt ihr mich sozusagen gefangen genommen?“ fragte Emilia, ohne nachzudenken. Die Frage brannte ihr schon auf der Zunge seit sie das Haus verlassen hatten. Doch sie hatte sich bisher nicht getraut, die Frage zu stellen. Sie hatte etwas Angst vor der Antwort. Vielleicht wollte sie die Antwort ja auch gar nicht … Aber das würde sie erst wissen, wenn sie die Antwort kannte.

„Wir sind in England. Mehr kann ich dir nicht sagen. Sie wollen dich zu ihresgleichen machen, deswegen bist du hier.“ erklärte Draco kurz angebunden.

Wenn Emilia ehrlich sein wollte, wollte sie auch gar nicht genau wissen, wo sie hier war. Diese Leute, die hier wohnten, waren fast alle durch und durch böse. Sie waren also keine Leute, mit denen man sich gerne anlegte. Auch Emilia wollte dies nicht, doch noch weniger wollte sie eine von ihnen werden.

„Was ist mit dir? Gehörst du auch zu diesen … Todessern?“ fragte sie Draco vorsichtig. Er war anders als sein Vater, auch wenn er nach außen hin tat, als wäre er der größte. Draco konnte auch nett und freundlich sein, ganz im Gegensatz zu seinem Vater offensichtlich.

„Nein, ich diene dem Herrn nur so. Ich habe noch kein Mal bekommen.“ Dracos Stimme klang seltsam verändert, als würde es für ihn schwer sein, darüber zu reden. Doch Emilia glaubte ihm, allein schon deshalb, weil er doch anders war als alle Todesser in dem Haus, die sie kennen gelernt hatte. Zwar hatte sie bisher nur Lucius und Voldemort kennen gelernt, aber das reichte ihr, um zu wissen, dass das schreckliche Menschen waren. Sie wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Ob Draco wohl gerne ein Mal hätte? Bestimmt nicht, dachte sich Emilia. Er wollte doch bestimmt nicht wie sein Vater sein …

„Wir müssen bald wieder rein.“ sagte Draco nach einigen Minuten der Stille. Emilia nickte nur leicht und begab sich auf den Rückweg. Auch wenn sie nicht wieder in dieses Haus wollte, so konnte sie nichts anderes tun, als zu gehorchen. Fliehen war bei den vielen Todessern beinahe unmöglich, denn an allen Toren und Türen standen mindestens zwei Todesser mit erhobenem Zauberstab. Emilia fand es immer noch leicht lächerlich, dass diese Leute alle mit Stäben zaubern konnten. Wieso zauberten sie nicht einfach ohne diese seltsamen Stäbe? Wäre doch viel praktischer, immerhin bräuchte man dann nicht immer so einen Stab dabei haben.

„Am besten folgst du mir. Ich denke, wir müssen zurück zu meinem Meister.“ gab Draco ihr Anweisung. Eigentlich wollte sie nicht in diesen schrecklichen Raum zurück. Jeder andere Raum wäre ihr lieber gewesen als dieser! Aber wehren brachte sowieso nichts, dachte sie sich und folgte dem Blondschopf widerspruchslos. Am liebsten hätte sie jetzt laut losgeschrien, aber auch das hätte nichts gegen ihre jetzige Lage geholfen. Wieder gingen sie durch die Tür, wo sie vorhin nach draußen gegangen waren. Sie hatte sich den Weg weitesgehend eingeprägt, sodass sie jederzeit wieder die Tür finden konnte. Vielleicht würde sich ja mal eine Gelegenheit bieten, abzuhauen. Doch erstmal folgte sie dem jungen Malfoy zurück in den großen Saal, wo Lucius und Voldemort schon ungeduldig warteten.

„Was hat denn so lange gedauert?“ zischte Voldemort. Emilia musste sich wirklich das Lachen verkneifen, weil der Dunkle Lord gerade tatsächlich wie eine Schlange gezischt hatte. Dennoch fand sie ihn noch immer abartig, sein Aussehen machte ihr noch immer etwas Angst.

„Ich …“ wollte Draco ansetzen, doch Emilia fuhr dazwischen.

„Er hat mir nur den Garten gezeigt. Außerdem hat er mir ein paar Sachen erklärt.“ Sie wunderte sich selbst, woher sie den Mut nahm, einfach so dazwischen zu reden, obwohl sie doch gar nicht gefragt worden war. Aber Draco hatte sich offenbar keine plausible Ausrede überlegt, sodass sie eingreifen musste.

„Bist du nun schlauer? Willst du nun über deine Vergangenheit reden?“ fragte Lucius sichtlich genervt. Er hatte wohl von seinem Meister gerade ein wenig Ärger kassiert, zumindest dem Gesicht nach zu urteilen, denn seine Mundwinkel waren nach unten gezogen und sein Gesicht sah wütender aus als vorhin.

„Ich sagte doch, ich weiß nichts über meine Vergangenheit!“ schrie ich ihn an und drehte mich zu ihm um, um ihn böse anzuschauen. Diese Leuten regten sie mittlerweile auf mit dieser dummen Frage! Wieso kapierten die auch nicht, dass sie nichts wusste? Sie würde selbst gerne mehr von sich wissen, doch das war im Moment unmöglich, da sie keinerlei Möglichkeiten hatte, sich zu informieren. Und von den Leuten kannte sie niemanden. Sie konnte niemandem etwas erzählen, weil sie es selbst nicht wusste.

Genervt blickte sie wieder zurück zu Voldemort, der sich das ganze Schauspiel in Ruhe anschaute. Das Mädchen hatte Temperament. Wenn sie tatsächlich auch noch eine Hexe war, könnte sie dem Dunklen Lord sehr hilfreich sein in manchen Fällen.

„Nun, mein Kind, wenn du nicht reden willst. Draco! Bring sie in die Kerker!“ wies Voldemort den jungen Malfoy an. Dieser nahm wie schon öfters ihren Arm und zog sie aus dem Raum. Emilia erwartete, dass er sie losließ, doch das tat er nicht. Stattdessen packte er ihren Arm nur noch fester, was Emilia wunderte. Was war nur gerade los?

„Könntest du mich bitte loslassen?“ fragte sie deshalb höflich nach. Doch an ihrer Stimme erkannte Draco, dass es ihr überhaupt nicht passte, von ihm gehalten zu werden. Ohne eine Antwort zu geben zog Draco sie eine Treppe hinunter.

Bisher hatte Emilia gedacht, dunkler als oben könnte ein Haus nicht mehr werden. Aber da hatte sie sich getäuscht, denn im Keller gab es weder eine Fackel wie in den oberen Räumen, noch irgendein anderes Licht. Hier unten war man ganz und gar von Dunkelheit umgeben, ob man wollte oder nicht. Sie hasste Dunkelheit, dort fühlte sie sich immer auf irgendeine Art und Weise bedroht. Panisch versuchte sie, sich loszureißen, doch Draco ließ nicht los. Umso mehr Treppen sie nach unten stiegen, desto dunkler wurde es und desto mehr zappelte Emilia, um sich zu befreien. Doch alles hatte keinen Sinn, denn sie konnte der Dunkelheit nicht entkommen. Still liefen die beiden durch die dunklen Gänge im Keller, ohne dass Emilia sich noch wehrte. Es brachte ja sowieso nichts. Davonkommen würde sie nicht so leicht. Draco sah sich um nach einer geeigneten Zelle für sie, fand jedoch erst am Ende des Ganges eine freie. Noch dazu war es die dreckigste Zelle von allen. Draco schupste sie unsanft in die Zelle, wo Emilia erst einmal so richtig in den Matsch fiel. Während sich Emilia versuchte aufzurichten, schloss Draco die Tür ab und ging ohne ein weiteres Wort wieder den Gang entlang nach oben. Sie hörte noch, wie oben eine Tür zuflog, dann war alles still. In der Nähe hörte sie etwas plätschern, doch als sie gerade genauer hinhören wollte, verebbte das Geräusch und es war wieder alles still.

Langsam robbte sie in ihrer Zelle umher, blieb jedoch immer wieder kurz stehen, weil sie den Brechreiz unterdrücken musste. Sie saß in einer Art Matsch, doch das Ganze roch ganz und gar nicht nach Matsch. Allerdings wollte sie auch nicht weiter darüber nachdenken, was es sein könnte. Dann müsste sie sich nachher erst recht übergeben. Nachdem Emilia mit ihren Händen im Matsch ausgerutscht war und voll mit dem Kopf in das schlammartige Etwas geflogen war, setzte sie sich an die Wand und zog ihre Beine an sich. Ihren Kopf legte sie auf ihre Arme und so sah sie einige Zeit lang aus den Gittern heraus. Viel konnte sie jedoch nicht ausmachen, da sie nicht einmal ihre Hand vor den Augen sehen konnte.

 

Was machte sie nur hier? Wieso konnte sie sich bloß nicht an früher erinnern? Hatte sie sich vielleicht eine Gehirnerschütterung zugezogen?

Sie hatte wahnsinnig viele Fragen, doch keine konnte sie wirklich beantworten. Sie wusste einfach nichts von sich. Sie konnte froh sein, dass sie wenigstens ihren Namen und ihren Geburtstag noch wusste. Ansonsten hätte sie nicht einmal einen Namen gehabt … Wie schrecklich das gewesen wäre!

Emilia musste irgendwie aus diesem Haus fliehen. Sie musste einfach dort weg, sonst würde sie wohl oder übel auch noch ein Todesser werden und das wollte sie ganz und gar nicht. Man konnte fast alles mit ihr machen, aber sie hasste es, jemandem folgen zu müssen. Und wenn sie dann auch noch diesem Trottel von Voldemort helfen müsste, war es wirklich genug. Nein, egal wie oft sie gefragt werden würde, sie würde niemals ja sagen. Sollten sie Emilia doch umbringen, dann müsste sie wenigstens nicht mehr in der kleinen, verdreckten Zelle sitzen. Nicht einmal ein Fenster hatte diese Zelle, also abhauen ausgeschlossen.

Vergeblich versuchte Emilia, es sich in diesem Matsch bequem zu machen, doch immer wieder hatte sie diesen widerlichen Geruch in der Nase, der wieder Übelkeit in ihr verursachte. Sie durfte auf keinen Fall daran denken, was das unter ihr war. Das wollte sie auch gar nicht wirklich wissen, es war so schon eklig genug für sie. Wie lange sie hier wohl bleiben müsste? Sie wollte gar nicht daran denken, dass sie hier mehrere Tage verbringen musste. Bisher waren es nur wenige Stunden, wie lange genau sie schon dort saß, wusste sie nicht.

Hoffentlich kommt bald mal wieder jemand, dachte sie immer wieder hoffnungsvoll. Sie wollte Licht sehen und nicht immer nur Dunkelheit. Außerdem war sie so ein Mensch, der Leute um sich herum brauchte. Sie wollte sich mit jemandem unterhalten, mit jemandem reden, doch sie fand niemanden. Ob wohl in der Zelle neben ihr jemand saß? Eigentlich war sie sich nicht sicher, ob sie es wirklich wissen wollte, aber sie war neugierig. Also krabbelte sie vorsichtig durch den Schlamm an die eine Seite ihrer Zelle, diesmal ohne dass ihr Kopf im Matsch landete. Neugierig lugte sie durch die Gitterstäbe in die Zelle nebenan. Alles was sie sah, war Dunkelheit. Doch gerade als sie sich umdrehen wollte, fiel ihr etwas glitzerndes neben ihr auf. Es lag direkt neben den Gitterstäben, sodass sie mit etwas Glück sogar noch mit ihren Fingern hinkommen könnte. Vorsichtig ließ sie ihre Finger immer weiter in Richtung Glitzerndes Etwas gleiten, bis sie es in den Händen hielt. Triumphierend besah sich Emilia das Amulett in ihrer Hand genauer. Außen konnte sie ein schwarzes Zeichen auf grünem Hintergrund erkennen, welches sie jedoch nicht deuten konnte. Es hatte Ähnlichkeit mit alten Runen aus der vergangenen Zeit. Vorsichtig drehte sie das Amulett in ihrer Hand um und blickte auf eine Art Auge, welches sie zuerst zurückzucken ließ. Es sah beinahe aus wie ein echtes Auge und hatte sogar die gleiche Größe! Trotzdem konnte es kein echtes Auge sein … Die Pupille von dem Auge war schwarz, während die Iris grün glänzte. Wieso war nur alles grün?

Doch wenn sie so das Auge anstarrte, hatte Emilia immer das Gefühl, beobachtet zu werden. Das Amulett war ihr mehr als nicht geheuer, nein, es machte ihr sogar Angst. Schnell öffnete sie es, um das Auge nicht länger ansehen zu müssen. Zum Vorschein kamen zwei strahlende Menschen. Naja, Bilder von ihnen eben, die sich bewegen konnten. Emilia hatte noch nie ein bewegendes Bild gesehen, was aber durchaus daran liegen könnte, dass sie sich einfach nicht mehr daran erinnerte. Staunend betrachtete sie die Menschen auf den zwei Bildern. Auf jeder Seite des aufgeklappten Amuletts sah sie jeweils eines der beiden Bilder. Auf dem ersten lächelte sie eine junge Frau, die vielleicht 30 Jahre alt sein konnte, freundlich an. Ihr leicht rötliches Haar fiel ihr bis über die Schultern und kringelte sich dort. Ihre grünen Augen drückten Traurigkeit, aber auch Liebe und Glück aus.

Auf dem anderen Bild entdeckte Emilia einen jungen Mann mit schwarzen Haaren. Auch er konnte höchstens 30 Jahre alt sein. Mit seinen braunen durchdringenden Augen wirkte er schlau, aber auch leicht überheblich. Trotzdem erschien Emilia dieser Mann netter als Lucius und Voldemort. Wer die beiden wohl waren? Gefangene?

Beide lächelten und winkten freundlich in den Bildern. Sie sahen so unglaublich glücklich zusammen aus. Die beiden waren bestimmt verheiratet und hatten eine hübsche Familie, überlegte Emilia. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie auch mal hier unten gesessen haben könnten. Lange sah sie sich das Amulett und die Bilder an, doch ihr kamen diese Personen überhaupt nicht bekannt vor. Doch immer, wenn Emilia das Bild der Frau betrachtete, musste sie an sich selbst denken. Gewisse Ähnlichkeit von Aussehen bestand zwischen den beiden, nur dass Emilia blonde Haare hatte. Doch sie wollte nicht länger darüber nachdenken, ob sie die beiden kannte oder nicht, denn mittlerweile war sie doch ganz schön müde geworden. Am liebsten würde sie sich hinlegen und schlafen, doch sie traute sich nicht, sich in den Schlamm zu legen. Und sie fand es auch nicht gerade toll, im Schlamm zu sitzen, da musste sie sich nicht auch noch rein legen. Seufzend tat sie es aber einige Minuten später doch. Sie hatte sich überlegt, dass sie sowieso irgendwann schlafen müsste, also konnte sie das genauso gut auch jetzt tun. Gähnend legte sie sich mitten in den stinkenden Schlamm, während sie sich krampfhaft die Nase mit einer Hand zuhielt und sich mit dem Kopf auf den anderen Arm legte. So schlief sie einige Minuten später auch schon ein.

 

 

In Little Hangleton nannten sie es immer noch das 'Riddle-Haus', obwohl die Familie Riddle schon seit vielen Jahren nicht mehr dort wohnte. Das Haus stand auf einem Hügel mit Blick auf das Dorf, einige Fenster waren mit Brettern vernagelt, das Dach war löchrig, und der Efeu rankte sich ungezügelt an den Mauern entlang. Das einst schöne Anwesen der Riddles, das mit Abstand großzügigste und beeindruckenste Haus im ganzen Umkreis, war nun feucht, heruntergekommen und menschenleer.

In Little Hangleton waren sich alle einig: das Haus war ihnen nicht geheuer. Ein halbes Jahrhundert zuvor war hier etwas Merkwürdiges, etwas Entsetzliches geschehen, über das die Älteren im Dorf immer noch zu munkeln pflegten, wenn es sonst wenig zu klatschen und tratschen gab. Sie hatten die Geschichte so oft aufgewärmt und an so vielen Stellen weitergestrickt, dass keiner mehr so recht wusste, was in Wirklichkeit geschehen war. Doch wer auch immer die Geschichte erzählte, sie begann unweigerlich am selben Ort: Vor fünfzig Jahren – damals führten die Riddles noch einen stattlichen Haushalt – war ein Hausmädchen bei Anbruch eines schönen Sommermorgens in den Salon getreten und hatte alle drei Riddles tot vorgefunden. Schreiend war das Mädchen den Hügel hinab ins Dorf gestürzt und hatte die halbe Einwohnerschaft aus dem Schlaf gerissen. „Da oben liegen sie mit offenen Augen! Eiskalt! Und haben noch ihre Abendgarderobe an!“

Die Polizei wurde gerufen und in ganz Little Hangleton breitete sich eine Mischung aus ängstlicher Neugier und kaum verhohlener Erregung aus. Niemand gab sich sonderliche Mühe, so zu tun, als wäre er besonders traurig über den Tod der Riddles, denn sie waren ausgesprochen unbeliebt gewesen. Mr und Mrs Riddle, die älteren Herrschaften, galten als reich, hochnäsig und grob, und ihr erwachsener Sohn Tom hatte sie darin noch übertroffen. Die Menschen im Dorf wollten einzig und allein wissen, wer der Mörder war – denn natürlich fielen drei offenbar gesunde Menschen nicht eines Tages einfach tot um.

Im Gehängten Mann, dem Dorfpub, ging es an diesem Abend hoch her; alles, was Beine hatte, war gekommen, um über die Morde zu spekulieren. Und es hatte sich gelohnt, die heimischen Kaminfeuer zu verlassen, denn plötzlich tauchte die Köchin der Riddles in ihrer Mitte auf und verkündete dem schlagartig verstummten Publikum mit dramatischer Geste, ein Mann namens Frank Bryce sei gerade verhaftet worden.

Frank!“ riefen einige Geste. „Unmöglich!“

Frank Bryce war der Gärtner der Riddles. Er war mit einem stocksteifen Bein und einer großen Abscheu vor Menschenansammlungen und Lärm aus dem Krieg zurückgekehrt und hatte seither immer für die Riddles gearbeitet.

An der Theke gab es jetzt Gedrängel, denn man wollte die Köchin nicht auf dem Trockenen sitzen lassen und Genaueres von ihr hören.

Mir ist er immer schräg vorgekommen“, verkündete sie nach dem vierten Glas Cherry den begierig lauschenden Dörflern. „Irgendwie unfreundlich. Ich hab ihm mal 'ne Tasse Tee angeboten, aber das hat mir gereicht. Der wollte nichts mit anderen zu tun haben, das hat man gleich gemerkt.“

Nun ja“, sagte eine Frau an der Bar, „der Krieg war 'ne harte Zeit für Frank, er mag eben gern seine Ruhe. Das ist noch lange kein Grund -“

Wer sonst hätte denn einen Schlüssel für die Hintertür?“, fauchte die Köchin zurück. „In der Gärtnerhütte hing immer ein Zweitschlüssel, das hab ich selbst gesehen! Gestern Nacht hat jedenfalls keiner die Tür aufgebrochen! Und die Fenster wurden auch nicht eingeschlagen! Frank musste bloß ins Herrenhaus schleichen, während wir alle schliefen …!“

Die Dörfler wechselten vielsagende Blicke.

Ich hab mir immer schon gedacht, der hat den bösen Blick, sag ich euch“, brummte ein Mann an der Bar.

Der Krieg hat 'nen komischen Kauz aus ihm gemacht“, sagte der Wirt.

Hab ich doch gesagt, ich will Frank lieber nicht in die Quere kommen, stimmt's Dot?“ sagte eine aufgeregte Frau in der Ecke.

Übles Temperament“, erwiderte Dot und nickte eifrig. „Ich hab ihn schon als Kind gekannt …“

Am nächsten Morgen zweifelte kaum noch jemand in Little Hangleton daran, dass Frank Bryce die Riddles ermordet hatte. Doch drüben im benachbarten Städtchen Great Hangleton, im dunklen und schäbigen Polizeirevier, behauptete Frank hartnäckig, er sei unschuldig. Der einzige Mensch, den er an jenem Tag, als die Riddles getötet wurden, in der Nähe des Hauses gesehen hatte, war ein Junge im Teenageralter, ein Fremder mit dunklen Haaren und blassem Gesicht. Im Dorf jedoch hatte kein Mensch diesen Jungen gesehen, und die Polizisten waren sich ziemlich sicher, dass Frank ihn erfunden hatte.

Schließlich, als es für Frank schon bitterernst aussah, traf der Untersuchungsbericht über die Leichen der Riddles ein, und mit einem Schlag änderte sich alles. Die Polizisten hatten noch nie einen so merkwürdigen Befund gelesen. Ein Ärzteteam hatte die Leichen untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass keiner der Riddles vergiftet, erstochen, erschossen, erwürgt, erstickt oder überhaupt verletzt worden war. Tatsächlich, so hieß es in dem Bericht mit deutlicher Verblüffung weiter, schienen die Riddles alle bei bester Gesundheit zu sein – abgesehen von der Tatsache, dass sie alle tot waren. Allerdings vermerkten die Ärzte, dass allen Toten das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand – doch einer der ratlosen Polizisten bemerkte dazu nur: Wer hat je von drei Menschen gehört, die zu Tode verängstigt wurden?

Da ein Mord an den Riddles nicht zu beweisen war, musste die Polizei Frank laufen lassen. Die Riddles wurden auf dem Friedhof von Little Hangleton bestattet und noch eine ganze Zeit lang wurden die Gräber immer wieder von Neugierigen besucht. Dass Frank Bryce in seine Hütte auf dem Anwesen der Riddles zurückkehrte, überraschte dann alle, und es gab viel Gemunkel.

Wenn ihr mich fragt, dann hat er sie umgebracht, ist mir doch egal, was die Polizei sagt“, verkündete Dot im Gehängten Mann. „Und wenn nur ein Funken Anstand in ihm steckte, dann würde er hier abhauen, wo ihm doch klar ist, dass er uns nichts vormachen kann.“

Doch Frank zog nicht weg. Er blieb, um den Garten für die nächste Familie, die ins Riddle-Haus einzog, zu besorgen, und dann auch für die übernächste – denn keine Familie blieb lange dort wohnen. Vielleicht hatte es etwas mit Frank zu tun, dass jeder neue Besitzer behauptete, das Haus verbreitete eine düstere Stimmung. Und als keiner mehr dort wohnte, begann das Haus zu verfallen.

Der reiche Mann, dem das Riddle-Haus inzwischen gehörte, lebte nicht hier und nutzte es auch nicht; im Dorf hieß es, er würde es aus 'steuerlichen Gründen' unterhalten, doch keiner wusste so recht, was das heißen sollte. Der reiche Besitzer entlohnte Frank regelmäßig für seine Arbeit im Garten. Frank war jetzt fast 77, er war auf einem Ohr taub und sein schlimmes Bein war noch steifer geworden, doch bei schönem Wetter konnte man ihn in den Blumenbeeten harken und schnipseln sehen, auch wenn ihm das Unkraut langsam die Beine hochkroch.

Doch Unkraut war nicht das einzige, womit sich Frank rumärgern musste. Jungs aus dem Dorf kamen öfter herauf und warfen Steine durch die Fenster des Riddle-Hauses. Sie fuhren mit ihren Fahrrädern über den Rasen, den Frank so mühsam hegte und pflegte. Und wenn sie übermütig wurden, brachen sie auch schon mal in das Haus ein. Sie wussten, dass der alte Frank sich mit Leib und Seele dem ganzen Anwesen verschrieben hatte, und sie lachten ihn aus, wenn er durch den Garten humpelte, mit seinem Stock fuchtelte und sie krächzend beschimpfte. Frank widerum glaubte, die Jungen würden ihn belästigen, weil sie ihn, wie ihre Eltern und Großeltern, für einen Mörder hielten. So dachte Frank sich nichts weiter, als er in einer Augustnacht erwachte und oben am alten Haus etwas recht Merkwürdiges sah. Die Jungs, glaubte Frank, waren eben noch einen Schritt weiter gegangen, um ihn zu zermürben.

Geweckt hatte ihn sein schlimmes Bein; so stark hatte es noch nie geschmerzt, selbst jetzt im hohen Alter nicht. Er stand auf und humpelte nach unten in die Küche, um seine Wärmflasche aufzufüllen, mit der er seinem steifen Knie ein wenig Linderung verschaffen konnte. Er stand am Waschbecken und füllte den Kessel, als sein Blick zum Herrenhaus hochwanderte. In den oberen Fenstern glommen Lichter. Frank war nicht sonderlich überrascht. Die Jungs waren wieder mal ins Haus eingebrochen, und nach dem flackernden Licht zu urteilen hatten sie ein Feuer entfacht.

Frank hatte kein Telefon, und der Polizei vertraute er ohnehin nicht mehr, seit sie ihn nach dem Tod der Riddles ins Verhör genommen hatten. Er ließ den Kessel stehen, hastete, so rasch sein schlimmes Bein es ihm erlaubte, nach oben und brauchte nicht lange, um sich anzuziehen und in die Küche zurückzukehren. Er griff nach einem rostigen alten Schlüssel am Türhaken, packte seinen Stock und machte sich auf in die Nacht.

Die Tür des Riddle-Hauses war offenbar nicht aufgebrochen worden und auch die Fensterscheiben waren noch ganz. Frank humpelte um das Haus herum zu einem Eingang, der fast völlig von Efeu verborgen war, zog den alten Schlüssel aus der Tasche, steckte ihn ins Schloss und öffnete lautlos die Tür.

Sie führte ihn in eine große, gewölbeartige Küche. Frank hatte sie seit Jahren nicht mehr betreten: Zwar war es stockdunkel, doch er wusste noch, wo die Tür zum Flur lag. Er tastete sich den Weg an der Wand lang, modriger Geruch stieg ihm in die Nase, und er spitzte die Ohren, um ja keine Schritte oder Stimmen von oben zu überhören. Er gelangte in den Flur, wo es dank der großen Sprossenfenster zu beiden Seiten der Haustür ein wenig heller war, und betrat die Treppe. Er konnte von Glück reden, denn die dicke Staubschicht auf den Steinstufen erstickte die Geräusche seiner Schritte und seines Stocks. Oben auf dem Treppenansatz wandte sich Frank nach rechts und sah sofort, wo die Eindringlinge steckten: ganz am Ende des Ganges stand eine Tür offen, ein flackerndes Licht fiel durch den Spalt und warf einen langen goldenen Streifen auf den schwarzen Fußboden. Frank umklammerte mit aller Kraft seinen Stock und schlich näher heran. Kurz vor der Tür konnte er ein schmales Stück von dem Zimmer dahinter einsehen.

Jetzt erkannte er, dass das Feuer im Kamin entfacht worden war. Das überraschte ihn. Er blieb stehen und lauschte angestrengt, denn drinnen begann ein Mann zu sprechen, seine Stimme klang schüchtern und ängstlich.

Es ist noch ein Rest in der Flasche, Herr, wenn Ihr noch hungrig seid.“

Später“, sagte eine zweite Stimme. Auch sie war die eines Mannes – doch klang sie merkwürdig hoch und kalt wie ein jäher eisiger Windstoß. Etwas an dieser Stimme ließ die spärlichen Haare auf Franks Nacken zu Berge stehen. „Rück mich näher ans Feuer, Wurmschwanz.“

Frank wandte sein rechtes Ohr zur Tür hin, um mehr zu verstehen. Er hörte das Klirren einer Flasche, die auf etwas Hartem abgestellt wurde, und dann das dumpfe Kratzen eines schweren Stuhls, der über den Boden gezogen wurde. Frank erhaschte einen kurzen Blick auf einen kleinen Mann, der mit dem Rücken zu ihm den Stuhl zum Kamin schob. Er trug einen langen schwarzen Umhang und hatte einen kahlen Fleck am Hinterkopf. Dann war er nicht mehr zu sehen.

Wo ist Nagini?“ sagte die kalte Stimme.

Ich – ich weiß nicht, Herr“ sagte die erste Stimme nervös. „Ich glaube, sie erkundet das Haus …“

Du wirst sie melken, bevor wir uns zurückziehen, Wurmschwanz.“ sagte die zweite Stimme. „Ich brauche heute Abend Nahrung. Die Reise hat mich sehr erschöpft.“ Mit gerunzelter Stirn neigte Frank sein gutes Ohr noch ein wenig näher Richtung Tür und lauschte gespannt. Ein kurzes Schweigen trat ein und dann sprach erneut der Mann namens Wurmschwanz.

Herr, darf ich fragen, wie lange wir hier bleiben werden?“

Eine Woche“, sagte die Kalte Stimme. „Vielleicht länger. Hier lässt es sich einigermaßen aushalten und mit dem Plan können wir noch nicht fortfahren. Es wäre eine Dummheit, wenn wir loslegten, bevor die Quidditch-Weltmeisterschaft zu Ende ist.“

Frank stecktte sich einen knochigen Finger ins Ohr und fing an zu quirlen. Er hatte das Wort „Quidditch“ gehört, zweifellos, weil sich so viel Ohrenschmalz angesammelt hatte, denn „Quidditch“ war überhaupt kein Wort.

Die … Die Quidditch-Weltmeisterschaft, Herr?“, fragte Wurmschwanz. „Verzeiht mir, aber – ich verstehe nicht – warum sollten wir warten, bis die Quidditch-Weltmeisterschaft vorbei ist?“

Weil zu ebendieser Stunde Zauberer aus aller Herren Länder ins Land strömen, du Dummkopf, und alle Kleinkrämer aus dem Zaubereiministerium ausgeschwärmt sind, um nach ungewöhnlichen Vorkommnissen Ausschau zu halten und jeden doppelt und dreifach zu überprüfen. Die haben nur noch eins im Kopf, nämlich sicherzugehen, dass die Muggel von allem nichts mitkriegen. Deshalb warten wir ab.“

Frank gab es auf, sein Ohr zu putzen. Er hatte klar und deutlich die Wörter „Zaubereiministerium“, „Zauberer“ und „Muggel“ gehört. Natürlich bedeuteten all diese Ausdrücke etwas Geheimes, und Frank fielen nur zwei Sorten von Leuten ein, die eine Geheimsprache gebrauchten – Spione und Verbrecher. Frank umklammerte seinen Stock noch fester und spitzte die Ohren.

Eure Lordschaft ist also immer noch fest entschlossen?“ sagte Wurmschwanz leise.

Natürlich bin ich fest entschlossen, Wurmschwanz.“ In der kalten Stimme war jetzt eine leise Drohung zu spüren.

Eine kurze Stille trat ein – und dann sprach Wurmschwanz. Die Worte stolperten ihm hastig aus dem Mund, als ob er sich zwingen müsste, sie auszusprechen, bevor ihn der Mut verließ. „Es könnte auch ohne Harry Potter gehen, Herr.“ Wieder trat Schweigen ein, es hielt ein wenig länger an und dann -

Ohne Harry Potter?“, hauchte die zweite Stimme kaum vernehmlich. „Ich verstehe …“

Herr, ich sage dies nicht aus Sorge um den Jungen!“, sagte Wurmschwanz mit hoher, quickender Stimme. „Der Junge bedeutet mir nichts, überhaupt nichts! Nur, wenn wir einen anderen Zauberer oder Hexe finden – irgendjemanden – könnten wir die Sache sehr viel schneller erledigen. Wenn Ihr mir erlauben würdet, Euch für kurze Zeit zu verlassen – Ihr wisst, dass ich mich ganz wirksam tarnen kann – dann könnte ich in zwei Tagen mit einer geeigneten Person zurück sein -“

Ich könnte einen anderen Zauberer nehmen“, sagte die zweite Stimme leise. „das ist wahr …“

Es wäre das Beste, Herr“, sagte Wurmschwanz und klang dabei ausgesprochen erleichtert. „Harry Potter in die Hände zu bekommen ist sehr schwierig, er ist sehr gut geschützt -“

Und deshalb meldest du dich freiwillig und willst mir einen Ersatz besorgen? Merwürdig … vielleicht ist dir die Aufgabe, mich zu pflegen, lästig geworden, Wurmschwanz? Kann dieser Vorschlag, den Plan aufzugeben, denn etwas anderes sein als der Versuch, mich im Stich zu lassen?“

Herr! Ich … ich habe nicht den Wunsch, euch zu verlassen, keineswegs -“

Belüg mich nicht!“, zischte die zweite Stimme. „Mir entgeht nichts, Wurmschwanz! Du bereust, dass du überhaupt zu mir zurückgekommen bist. Bei mir wird dir übel. Ich sehe dich zusammenzucken, wenn du mich ansiehst, ich spüre, wie es dich schaudert, wenn du mich berührst …“

Nein! Meine Hingabe für eure Lordschaft -“

Deine Hingabe ist nichts weiter als Feigheit! Du wärst nicht hier, wenn du eine andere Zuflucht hättest. Wie soll ich ohne dich überleben, wenn du mich alle paar Stunden füttern musst? Wer soll Nagini melken?“

Aber Ihr scheint mir deutlich kräftiger geworden, Herr -“

Lügner“, keuchte die zweite Stimme. „Ich bin nicht kräftiger geworden, und ein paar Tage auf mich allein gestellt würden reichen, um mich des wenigen an Kraft zu berauben, die ich unter deiner tölpelhaften Pflege gewonnen habe. Schweig!“

Wurmschwanz, der zusammenhanglose Wort hervorgesprudelt hatte, verstummte sofort. Ein paar Sekunden konnte Frank nichts weiter als das Knistern des Feuers hören. Dann sprach der zweite Mann erneut, mit einem Zische, das fast ein Flüstern war. „Ich habe meine Gründe, den Jungen zu verwenden, wie ich dir schon erklärt habe, und ich werde keinen anderen nehmen. Dreizehn Jahre habe ich gewartet. Ein paar Monate mehr schaden da auch nicht. Was den Schutz angeht, mit dem der Junge umgeben ist, so glaube ich, dass mein Plan funktionieren wird. Alles, was ich brauche, ist ein wenig Mut deinerseits, Wurmschwanz – und diesen Mut wirst du aufbringen, wenn du nicht das ganze Ausmaß von Lord Voldemorts Zorn spüren willst -“

Herr, hör mich an!“, sagte Wurmschwanz, und Panik lag jetzt in seiner Stimme. „Während unsrer Reise bin ich den Plan immer wieder durchgegangen – Bertha Jorkin's Verschwinden wird nicht lange unbemerkt bleiben, Herr, und wenn wir fortfahren, falls ich also tatsächlich den Fluch …“

Falls?“, flüsterte die zweite Stimme. „Falls du den Plan befolgst, Wurmschwanz, braucht das Ministerium nie zu erfahren, dass noch jemand verschwunden ist. Du wirst es in aller Stille und ohne Aufsehen erledigen; ich wünschte nur, ich könnte es selbst tun, doch in meinem jetzigen Zustand … komm schon, Wurmschwanz, ein Hindernis musst du noch beseitigen, und unser Weg zu Harry Potter ist frei. Ich verlange ja nicht, dass du es alleine machst. Bis dahin wird mein treuer Diener wieder zu uns gestoßen sein -“

Ich bin Euer treuer Diener“, sagte Wurmschwanz, mit kaum vernehmlichen Trotz in der Stimme.

Wurmschwanz, ich brauche jemanden mit Verstand, jemanden, der immer unerschütterlich zu mir gestanden hat, und du erfüllst diese Anforderung leider nicht.“

Ich habe Euch gefunden“ sagte Wurmschwanz, und nun war die Widerspenstigkeit in seiner Stimme deutlich zu hören. „Ich war es, der Euch gefunden hat. Ich habe Euch zu Bertha Jorkins gebracht.“

Das stimmt.“ Der zweite Mann klang belustigt. „Ein brillanter Zug, den ich von dir nie erwartet hätte, Wurmschwanz – allerdings, um der Wahrheit die Ehre zu geben, du wusstest doch nicht, wie nützlich sie sein würde, als du sie gefangen hast, nicht wahr?“

Ich … ich dachte, sie könnte nützlich sein, Herr -“

Lügner“, sagte die zweite Stimme nun mit unverhohlen grausamer Häme. „Allerdings bestreite ich nicht, dass ihr Wissen unschätzbar war. Ohne es hätte ich nie unseren Plan auf die Beine stellen können und dafür wirst du belohnt werden, Wurmschwanz. Ich werde dir erlauben, eine wichtige Aufgabe für mich zu erledigen, um die sich viele meiner Anhänger geradezu reißen würden …“

W-wirklich, Herr? Was -?“ Wieder schwang Angst in Wurmschwanz' Stimme mit.

Aah, Wurmschwanz, du willst doch nicht, dass ich dir die Überraschung verderbe? Dein Auftritt kommt ganz am Schluss … aber ich verspreche dir, du wirst die Ehre haben, genauso nützlich zu sein wie Bertha Jorkins.“

Ihr … Ihr …“ Wurmschwanz klang plötzlich heiser, als wäre sein Mund völlig ausgetrocknet. „Ihr … werdet … auch mich töten?“

Wurmschwanz, Wurmschwanz“, sagte die kalte Stimme schmeichlerisch, „warum sollte ich dich töten? Ich habe Bertha getötet, weil ich musste. Nachdem ich sie ausgehorcht hatte, taugte sie zu nichts mehr, sie war überflüssig. Jedenfalls wären peinliche Fragen gestellt worden, wenn sie zurück ins Ministerium gegangen wäre und verkündet hätte, sie hätte im Urlaub auf dich getroffen. Zauberer, die angeblich tot sind, tun gut daran, unterwegs nicht in irgendwelchen Spelunken aus dem Zaubereiministerium zu treffen …“

Wurmschwanz murmelte etwas, so leise, dass Frank es nicht verstand, doch der zweite Mann fing an zu lachen – ein gänzlich freudloses Lachen, kalt wie seine Stimme.

Wir hätten ihr Gedächtnis ummodeln können? Ein mächtiger Zauberer kann einen Gedächtniszauber brechen, wie ich ja selbst bei ihrem Verhör bewiesen habe. Wenn wir das Wissen nicht nutzten, das ich ihr abgepresst habe, würden wir doch ihr Gedächtnis beleidigen, Wurmschwanz.“

Draußen im Korridor fiel Frank plötzlich auf, dass seine Hand, mit der er den Stock umklammerte, schweißnass und glitschig war. Der Mann mit der kalten Stimme hatte eine Frau getötet. Er sprach darüber ohne jede Reue – es belustigte ihn. Er war gefährlich – ein Wahnsinniger. Und er plante noch mehr Morde – dieser Junge, Harry Potter, wer immer er war – er war in Gefahr.

Frank wusste, was er zu tun hatte. Jetzt oder nie, es war höchste Zeit die Polizei zu rufen. Er würde aus dem Haus schleichen und sich schnurstracks auf den Weg zumr Telefonzelle im Dorf machen … doch die kalte Stimme sprach erneut, und Frank blieb, wo er war, starr wie ein Eiszapfen und lauschte mit aller Kraft.

Ein Fluch noch … mein treuer Diener in Hogwarts … Harry Potter ist so gut wie mein, Wurmschwanz. Es ist beschlossen! Kein Streit mehr. Doch still … ich glaube, ich höre Nagini.“

Und die Stimme des zweiten Mannes veränderte sich. Er gab nun Laute von sich, wie Frank sie noch nie gehört hatte, er zischte und fauchte ohne Luft zu holen. Er muss eine Art Krampf oder Anfall haben, dachte Frank.

Und dann hörte er, wie sich hinter ihm im dunklen Korridor etwas bewegte. Er drehte sich um und erstarrte vor Schreck. Über den dunklen Boden des Korridors glitt etwas auf ihn zu und als es sich dem Lichtstreifen des Feuers näherte, erkannte er mit einem Schauder des Entsetzens, dass es eine gigantische, gut vier Meter lange Schlange war. Versteinert vor Angst starrte Frank auf das Tier, das sich in weit ausladenden Wellenlinien durch den dicken Staub auf dem Boden bewegte und immer näher kam – was sollte er tun? Flüchten konnte er nur in das Zimmer, wo die beiden Männer saßen und einen Mord ausheckten, doch wenn er stehen blieb, würde ihn die Schlange töten -

Doch bevor er sich entschieden hatte, war die Schlange gleichauf, und dann, unglaubliches Wunder, glitt sie an ihm vorbei; sie folgte den fauchenden und zischenden Lauten jener kalten Stimme hinter der Tür, und in Sekundenschnelle war die Spitze ihres diamantbesetzten Schwanzes durch den Türspalt verschwunden.

Auf Franks Stirn standen Schweißperlen und seine Hand am Stock zitterte. Drinnen im Zimmer zischte die kalte Stimme weiter, und Frank kam ein merkwürdiger Gedanke in den Sinn, ein unmöglicher Gedanke … Dieser Mann kann mit Schlangen sprechen.

Frank begriff nicht, was geschah. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als mit seiner heißen Wärmflasche im Bett zu liegen. Das Problem war nur, dass seine Beine keine Anstalten machten, sich zu bewegen. Am ganzen Körper zitternd stand er da und versuchte seine Glieder zu beherrschen, als die kalte hohe Stimme plötzlich wieder Englisch sprach. „Nagini hat interessante Neuigkeiten, Wurmschwanz“, sagte sie.

Tatsächlich, Herr?“, sagte Wurmschwanz.

In der Tat, ja“, sagte die Stimme. „Nagini zufolge steht draußen gleich vor der Tür ein alter Muggel und hört jedes Wort mit, das wir sprechen.“

Frank hatte keine Chance, sich zu verstecken. Er hörte Schritte, dann wurde die Tür zum Zimmer weit aufgestoßen.

Ein kleiner Mann mit schütterem grauem Haar, spitzer Nase und wässrigen Augen stellte sich vor Frank auf, mit einer Mischung aus Angst und Misstrauen in den Augen.

Bitte ihn doch herein, Wurmschwanz. Wo bleiben deine Manieren?“

Die kalte Stimme kam von dem alten Lehnstuhl am Feuer her, doch Frank konnte nicht sehen, wer da sprach. Die Schlange hingegen hatte sich, wie die grausige Karrikatur eines Schoßhündchens, auf dem verrottetem Kaminlager gemütlich gemacht.

Wurmschwanz winkte Frank mit einer kleinen Verbeugung ins Zimmer. Frank steckte die Angst zwar immer noch in den Knochen, doch er umklammerte erneut seinen Stock und humpelte über die Schwelle. Das Feuer war die einzige Lichtquelle im Zimmer, es warf lange, spinnengleiche Schatten an die Wände. Frank starrte auf den Rücken des Lehnstuhls; der Mann darauf schien noch kleiner zu sein als sein Diener, denn Frank konnte nicht einmal seinen Hinterkopf sehen.

Du hast also alles mitangehört, Muggel?“, sagte die kalte Stimme.

Warum nennen Sie mich so?“ fragte Frank widerspenstig, denn nun, da er in diesem Zimmer war, nun, da es an der Zeit war zu handeln, fühlte er sich mutiger, schon im Krieg war es so gewesen.

Ich nenne dich einen Muggel“, sagte die Stimme kühl. „Das bedeutete, dass du kein Zauberer bist.“

Ich weiß nicht, was Sie mit Zauberern meinen“, sagte Frank mit allmählich festerer Stimme. „Alles, was ich weiß, ist, dass ich heute Nacht was gehört hab, das sicher die Polizei interessieren wird. Sie haben einen Mord begangen und planen noch Morde! Und ich sag Ihnen noch was“, fügte er in einer plötzlichen Eingebung hinzu, „meine Frau weiß, dass ich hier oben bin und wenn ich nicht mehr zurückkomme -“

Du hast keine Frau“, sagte die kalte Stimme völlig ungerührt. „Keiner weiß, dass du hier bist. Du hast niemandem etwas gesagt. Belüge Lord Voldemort nicht, Muggel, denn er weiß … er weiß immer …“

Stimmt das?“, sagte Frank barsch. „Lord, tatsächlich? Nun, ich halte nicht viel von Ihren Manieren, Sie Lord, Sie. Warum drehen Sie sich nicht um und schauen mir ins Gesicht wie ein Mann?“

Ich bin kein Mann, Muggel“, sagte die kalte Stimme, die sich kaum über das Knistern des Feuers erhob. „Ich bin viel, viel mehr als ein Mann. Allerdings … warum nicht? Ich werde dir ins Gesicht sehen … Wurmschwanz, komm her und dreh meinen Stuhl um.“

Vom Diener her kam ein leises Wimmern.

Du hast mich gehört, Wurmschwanz.“

Langsam, mit einer schrecklichen Grimasse, als wäre ihm nichts mehr zuwider als sich seinem Herrn und der vor dem Kamin zusammengerollten Schlange zu nähern, ging der kleine Mann auf den Stuhl zu und begann ihn zu drehen. Die Stuhlbeine streiften leicht den Kaminvorleger und die Schlange hob ihren hässlichen dreckigen Kopf und zischte leise.

Und dann war der Stuhl auf Frank gerichtet, und er sah, was dort saß. Sein Stuhl fiel klappernd zu Boden. Er öffnete den Mund und stieß einen Schrei aus. Er schrie so laut, dass er die Wort, die das Etwas auf dem Stuhl sprach, als es seinen Zauberstab erhob, nicht hören konnte. Ein grüner Lichtblitz, ein Brausen, und Frank Bryce brach zusammen. Noch bevor er aufschlug, war er tot.

Gefangenschaft

 

Erschrocken fuhr Emilia aus dem Schlaf. Was war das für ein Traum gewesen? Es sah so wirklich aus, dass sie nicht wirklich glaubte, dass es nur ein Traum gewesen war. Andererseits war dieser Traum schon sehr komisch gewesen … Gerade als sich der Stuhl umgedreht hatte, war sie aus dem Schlaf geschreckt. Sie konnte den Mann mit der kalten Stimme nicht sehen, auch wenn sie noch so neugierig gewesen war. Aber dieser Mann … er hatte eine Frau umgebracht, einen Jungen auf dem Gewissen und vor ihren Augen einen Mann umgebracht! Welcher normale Mensch tat denn sowas? Niemand, wenn er noch ganz bei Sinnen war. Irgendwie war Emilia die kalte Stimme bekannt vorgekommen und sie wusste auch genau, wem sie diese Stimme zuordnen konnte … Voldemort!

Doch dieser Wurmschwanz kam ihr ganz und gar nicht bekannt vor. Ob er überhaupt noch lebte? Emilia fand es eher unwahrscheinlich, auch wenn sie gar nicht darüber nachdenken wollte, dass der Dunkle Lord auch ihn umgebracht hatte … Sie fand die Vorstellung ja geradezu erschreckend. Voldemort tötete so leicht, als würde ihm das gar nichts ausmachen … Ja, er zeigte ja nicht einmal Reue. Ob er wohl überhaupt Gefühle hatte? Oder war ein schon ein grauenvolles Monster geworden, dass wirklich keine Skrupel zeigte? Emilia tippte auf Letzteres, denn so wie sie ihn kennen gelernt hatte, wäre Voldemort zu allem bereit. Sie glaubte auch nicht, dass Lucius lange verschont blieb. Spätetestens wenn Voldemort ihn nicht mehr brauchte, wäre Malfoy wohl tot …

Kopfschüttelnd richtete sich Emilia ein Stück auf, um nicht mehr in einer so unbequemen Position zu liegen. Sie hatte die ganze Nacht in diesem Schlamm gelegen und nun war sie von Kopf bis Fuß mit diesem stinkenden Etwas bedeckt. Noch immer wollte sie nicht darüber nachdenken, was das wohl war. Das Amulett, das sie gestern in der benachbarten Zelle gefunden hatte, hielt sie fest an sich gepresst in ihrer Hand. Es machte ihr noch immer Angst, zumindest das Auge ganz vorne drauf. Sie hatte das Gefühl, es beobachtete sie, auch wenn das eigentlich unmöglich war. Obwohl? War es denn in einem Haus voller Zauberer wirklich so abwegig, dass man ein Amulett so verzauberte, dass man dadurch jemanden beobachten konnte? Eigentlich ja nicht, dachte sich Emilia, während sie das Auge auf dem Amulett betrachtete. Eine seltsame Ruhe und Kraft ergriff von ihr Besitz, die sie von sich eigentlich gar nicht gewohnt war.

„Ist hier jemand?“ rief sie dann laut. Sie brauchte unbedingt Menschen um sich herum, sonst würde sie wohl noch verrückt werden. Und da die Malfoys wohl in nächster Zeit nicht zu ihr kamen, würde sie sich was anderes einfallen lassen müssen. Als ihr niemand antwortete, schloss sie daraus, dass außer ihr wohl niemand mehr hier war.

Wann würden nur endlich wieder Menschen kommen? Sie fühlte sich schrecklich einsam, jetzt, da sie wusste, sie war allein. Niemand konnte ihr helfen, niemand würde ihr helfen. Um sich abzulenken, versuchte sie, sich an der Wand hochzuziehen, um das Ganze mal aus einer anderen Position betrachten zu können. Langsam ging sie an der Wand entlang zu der Tür, die Draco gestern abend noch abgeschlossen hatte. Jede Menge leere Zellen lagen aneinandergereiht in diesem eigentlich großen Saal. Ihre Zelle war die letzte, danach kam nur noch eine weitere Tür, durch die man hätte gehen können, wenn man nicht wie sie festsaß. Enttäuscht sah sie sich weiter um und entdeckte einige Zellen weiter doch einen jungen Mann … Dieser jedoch lag zusammen gekauert am Boden, als wäre er tot, doch Emilia hörte ganz deutlich seine Atemzüge, wenn sie leise war. Vermutlich war er ohnmächtig, von was auch immer. Emilia wollte gar nicht wissen, was sie mit ihm schreckliches gemacht haben mussten. Immerhin würde ihr vielleicht sogar dasselbe blühen, wenn sie sich nicht Voldemort anschloss, und das würde sie auf keinen Fall.

Eingeschüchtert ließ sie sich wieder an der Wand hinuntergleiten, bis sie eine bequeme Position gefunden hatte, in der sie sitzte. Wie lange sie wohl schon hier war? Einen Tag? Weniger? Sie wusste es nicht. Und sie konnte sich auch an nichts orientieren, was ihr vielleicht verraten hätte, wie lange sie schon hier war. Sie wusste nur, dass es ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Eine nie enden wollende Ewigkeit.

Doch plötzlich rührte sich oben etwas. Emilia hörte, wie die Tür in den Keller aufgemacht wurde und dann kurze Zeit später Schritte auf der Treppe, die eindeutig näher kamen. Als erstes sah sie nur einen kleinen Lichtschein um die Ecke die Treppe hinunter kommen. Umso näher die Person kam, desto heller würde auch das Licht, das den ganzen Raum erhellte. Emilia musste erst die Augen zusammen kneifen, weil das Licht in ihren Augen brannte. Als sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, bemerkte sie, wie jemand eine Fackel an der Treppe platzierte und dann mit erhobenem Zauberstab auf sie zukam. Neugierig stand sie auf und ging zu ihrer Zellentür, vor der die Person stehen blieb. Es war Lucius Malfoy, der sie aus seinen kalten Augen verächtlich ansah. Doch auch Emilia hatte diesen Blick gut drauf und warf Lucius einen extra fiesen Gesichtsausdruck zu, ehe sie sich wieder nach hinten zu der Wand begab.

„Was wollen Sie von mir, Lucius?“ fragte sie leicht gelangweilt. Sie wusste nicht, woher sie den Mut nahm und wieso sie so ruhig blieb im Angesicht dessen, was ihr gleich bevorstand, doch irgendwie war sie gerade selbst ein wenig stolz auf sich, auch wenn ihr das nicht viel brachte.

„Wir können das Ganze auf die Harte oder die Sanfte Tour hinter uns bringen. Wie heißt du?“ Seine Stimme klang eisig und ihr lief ein kalter Schauder den Rücken hinunter. Dieser Mann war fast so gefühlslos wie Voldemort persönlich.

„Emilia, sagte ich das nicht bereits?“ murmelte Emilia weiterhin gelangweilt. Nach außen hin gab sie sich cool, doch innen brodelte es ihr. Sie hatte Angst vor Lucius, allein schon weil er einen Zauberstab hatte und sie praktisch in der Falle saß. Auch seine kühle Art ließ sie zurückschrecken, denn ihr war es schleierhaft, wie man so gefühlskalt sein konnte.

„Wer ist deine Familie?“ fragte er monoton, während er Emilia musterte.

„Woher soll ich das wissen?“ gab sie vorlaut zurück. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern, wieso also konnten diese Leute sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie konnte ihnen nichts sagen, wann kapierten sie es endlich mal? Doch sie hatte nicht die Konsequenzen bedacht, die sie damit auf sich ziehen würde. Lucius richtete nämlich seinen Zauberstab wutentbrannt auf sie und sprach leise eine Formel, die Emilia nicht mehr verstehen konnte.

„Ahhhhhhh“, Emilia biss sich auf die Lippe, um nicht noch lauter zu werden. Die Schmerzen, die ihr Lucius bereitete, waren unaushaltbar, sodass ihr immer wieder kurz schwarz vor Augen wurde. Sie krümmte sich vor Schmerz zusammen, doch auch das half nichts, denn der Schmerz ließ nicht nach. Überall konnte sie ihn spüren, selbst in ihren Zehen schien der Schmerz zu sitzen. Schreiend krümmte sich Emilia auf dem Boden, sie konnte ihre Zähne einfach nicht mehr zusammenbeißen, so schmerzhaft war das. Zusammengekauert krümmte sie sich immer wieder, in der Hoffnung, diese schlimmen Schmerzen würden irgendwann nachlassen. Doch das taten sie nicht. Emilia lag eine Ewigkeit auf dem Boden, ertrug die Schmerzen mit lauten Schreien und krümmte sich zusammen. Schier endlos schien der Schmerz zu sein.

Doch dann wurde sie endlich erlöst. Lucius hatte seinen Zauberstab wieder weggesteckt und sah sie nun hasserfüllt an. Emilia krümmte sich noch immer, keuchte, und schnappte nach Luft. Noch immer tat ihr ganzer Körper weh, jeder Muskel schmerzte, wenn sie sich bewegte. Doch sie nahm all ihre Kraft zusammen und schaute Lucius aus großen, müden Augen an. Dass er so grausam war, hätte sie im Leben nicht gedacht. Er folterte andere Menschen ohne Skrupel und schien auch noch Spaß dabei zu haben.

„Ich stell die Frage nochmal: Wer ist deine Familie?“ Lucius Stimme war eiskalt und schneidend, ließ keinen Widerspruch zu und erinnerte Emilia daran, was passieren würde, wenn sie wieder nichts antwortete. Doch sie konnte nichts antworten.

„Ich … kann e-es … I-Ihnen wirklich … n-nicht sagen, Sir.“ keuchte Emilia. Ihre Stimme war rau und ihr Hals fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Es kratzte im Hals schmerzhaft, wenn sie versuchte zu reden, also ließ sie es einfach bleiben und sah ihn einfach nur erschöpft an. Sollte er sie doch weiter foltern, aus ihr würde er nichts rausbekommen. Schon allein nicht, weil Emilia nichts wusste. Das würde er irgendwann akzeptieren müssen, ob er wollte oder nicht.

Erneut richtete er seinen Zauberstab auf sie und sie bereitete sich schon mal auf die kommenden Schmerzen vor, die sie wieder erleiden müsste.

„Crucio!“ rief er, und sofort durchzuckte sie wieder dieser fürchterliche Schmerz. Emilias Körper brannte und es fühlte sich an, als würde jeder Muskel einfach nur so richtig schmerzen. Bewegen konnte sie sich schon nicht mehr, weil alles so verspannt war und so wehtat. Doch ihr Körper krümmte sich von ganz allein, ohne dass sie überhaupt drüber nachdenken musste. Und dann – endlich – verlor sie das Bewusstsein. Die Erlösung – zumindest für dieses Mal.

 

 

Als Emilia aufwachte, wäre sie am liebsten gleich wieder ohnmächtig geworden. Ihr ganzer Körper brannte, obwohl sie weder Verletzungen hatte noch sonst irgendwas sichtbares war. Es brannte einfach nur höllisch, wenn sie sich bewegte und selbst wenn sie atmete, tat ihr ganzer Körper weh. Einfach ruhig liegen bleiben und alles ist gut, sagte sie sich immer wieder. Doch so oft sie es auch sagte, der Schmerz ließ dadurch nicht nach. Im Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass der Schmerz endlich aufhörte, doch sie wusste, dass das so schnell nicht der Fall sein würde. Sie würde diesen Schmerz aushalten müssen, bis sie endlich wieder frei war und das würde noch dauern, denn noch konnte sie von Glück reden, wenn Voldemort sie nicht umbringen ließ. Emilia hoffte aber, dass er neugierig war und sie so lange nicht umbringen würde, bis er wusste, wer genau sie denn nun war. Aber das würde er nie erfahren, da war sie sich ziemlich sicher. Denn niemand wusste irgendetwas von ihr, es sei denn sie hätte vielleicht Familie, an die sie sich nur nicht mehr erinnerte. Sie hoffte, dass sie noch Verwandten hatte, sonst würde sie allein dastehen, wenn sie jemals aus der Gefangenschaft kommen sollte.

Plötzlich entdeckte Emilia wieder Licht vorne an der Treppe und ahnte schreckliches. Jetzt würde das Ganze wieder von vorne losgehen: Jemand würde sie ausfragen, sie konnte nicht antworten, sie wird gefoltert. Sie hoffte inständig, dass sie nicht mehr so oft gefoltert werden würde, das würde sie nicht aushalten. Denn der Cruciatus-Fluch, den Lucius Malfoy bei ihr angewandt hatte, hatte es wirklich in sich, das wusste Emilia. Es war einer der drei Unverzeihlichen Flüche, weil es die schrecklichsten waren, die es überhaupt gab. Warum sie das nun wusste, konnte sie sich nicht beantworten.

Inzwischen war der Mann, eindeutig wieder Lucius Malfoy, vor ihre Zellentür getreten und schloss sie gerade auf. Emilia wusste, dass das eine gute Fluchtmöglichkeit wäre, doch sie wusste auch, dass sie ganz bestimmt nicht weit kommen würde in ihrem Zustand. Und Lucius wusste das auch. Bisher hatte sie sich nie vorstellen können, dass es Menschen wie Lucius und Voldemort tatsächlich gab und sie fand es schrecklich, dass es solche Leute gab.

„Willst du die Frage vielleicht heute beantworten, oder sollen wir es wieder auf die harte Tour probieren?“ fragte Lucius leicht gelangweilt. Wahrscheinlich freute er sich schon darauf, Emilia wieder zu foltern. So zumindest sah das Grinsen auf seinem Gesicht aus, als wüsste er, dass er eh schon gewonnen hatte. Doch das hatte er nicht. Nein, sie würde gewinnen.

„Wie oft denn noch? Ich weiß die Antwort nicht, aber ich kann Ihnen gerne Märchen erzählen, wenn Ihnen das lieber ist?“ fragte Emilia und sie war froh, dass ihre Stimme dieses Mal nicht versagt hatte. Er sollte nicht wissen, wie schlecht es wirklich um sie stand. Das würde er ihr wahrscheinlich genauso wenig glauben wie dass sie ihre Vergangenheit nicht mehr wusste.

„Crucio!“ rief der Mann wieder mit einem selbstsüchtigen und arroganten Lächeln auf dem Gesicht und den Zauberstab direkt auf Emilia gerichtet.

Sofort fuhr ihr der Schmerz durch Mark und Bein. Wieder krümmte sie sich am Boden und keuchte, um wenigstens ein bisschen Luft zu bekommen. Immer wieder wurde vor ihrem Auge alles schwarz, doch sie wurde nicht ohnmächtig. Sie hielt durch, bis Lucius seinen Zauberstab wegsteckte und sie bitter anlächelte, als hätte er es tatsächlich genossen, sie zu foltern. Ihre Augen tränten, doch das war ihr egal. Emilia warf Lucius Malfoy noch einen giftigen Blick zu, dann schwirrte sie ab ins Land der Träume.

 

Draco Malfoy wanderte währenddessen unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Er hatte ihre Schreie die ganze Zeit gehört und wäre am liebsten nach unten zu ihr gegangen, doch er konnte nicht. Das würde ihm und seinem Vater mächtigen Ärger einbringen und das wollte er nicht. Trotzdem hielt sich Draco die ganze Zeit über die Hände auf die Ohren, damit er Emilias Schreien nicht hören musste. Sie tat ihm tatsächlich Leid. Ihm, Draco Malfoy. Was war nur los mit ihm? Sonst taten ihm andere Menschen doch auch nicht Leid!

Er schüttelte den Kopf und ging weiterhin in seinem Zimmer auf und ab. Er versuchte, sich irgendwie von ihr abzulenken, doch immer wieder sah er ihr Gesicht vor sich. Ihr entsetztes Gesicht, als er sie hinunter in den Kerker gezogen hatte und sie achtlos in ihre Zelle geschubst hatte. Dafür könnte sich Draco selbst Ohrfeigen.

Um den Kopf mal wieder frei zu kriegen, beschloss er, mal ein wenig in seine zukünftigen Schulbücher zu schauen. Immerhin würde er in einigen Wochen schon die vierte Klasse in Hogwarts besuchen, was ihm zwar missfiel, aber es war immer noch besser als 'Zuhause' zu sitzen. Mittlerweile war sein Zuhause eher Hogwarts, einfach weil er dort etwas zu tun hatte und seine Eltern nicht dort waren. Er mochte seine Eltern – keine Frage – aber sein Vater war etwas eigen, wenn es um Dracos Erziehung ging. Er benutzte mittelalterliche Methoden, die wirklich fragwürdig waren, und ärgerte sich dann, wenn seine Erziehung nicht funktionierte. Seine Mutter, Narzissa, war eigentlich immer nett zu ihm und unterstützte ihn, wo sie nur konnte, doch sie kam nicht gegen die Worte ihres Ehemannes an. Sie konnte sich kein bisschen durchsetzen gegenüber ihm. Aber das, was er an seiner Mutter sehr schätzte, war, dass sie noch ein Herz hatte, auch wenn Voldemort in ihrem Haus wohnte. Sie gehörte komischerweise auch nicht zu den Todessern, wie ihr Ehemann. Narzissa mischte sich in die Angelegenheiten des Dunklen Lords wirklich kaum ein, denn bei ihr stand das Wohl ihrer Familie an erster Stelle.

„Draco? Geht es dir gut?“ Leise drang die Stimme von Narzissa Malfoy zu ihrem Sohn durch.

Draco war in Gedanken gewesen, weshalb er aufschreckte, als seine Mutter in sein Zimmer kam und sich zu ihm auf das Bett setzte. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass er sich auf sein Bett gesetzt hatte. „Natürlich.“ War nur Dracos kurze Antwort.

Mehr brauchte Narzissa auch nicht zu wissen, denn sie wusste, dass Draco ebenso wenig wie sie die Machenschaften seines Vaters gutheißte. Offenbar wollte er nicht, dass Lucius mit einem jungen Mädchen so umsprung, immerhin war die Kleine in seinem Alter.

„Ich werde mit ihm reden. Ich finde es auch nicht gut, was er mit ihr dort unten macht … Vielleicht weiß sie ja wirklich nichts über ihre Vergangenheit. Ich rede mit deinem Vater, Draco“, sagte sie freundlich zu ihm und strich ihm durch die Haare. Das machte sie immer, wenn sie ihren Sohn trösten wollte. Draco nahm das als nette Geste auf und nickte.

Narzissa wusste, wann sie ihren Sohn besser allein lassen sollte und ging nach diesem kurzen, aber aufschlussreichen Gespräch nach unten, um nach ihrem Mann zu suchen. Sie traf Lucius, als dieser gerade die Treppe herunter zu dem jungen Mädchen gehen wollte.

 

 

„Lucius, wir müssen reden!“, sagte Narzissa bestimmt und zog ihren Mann in einen leeren Raum, der nur noch selten genutzt wurde, seit Voldemort bei ihnen eingezogen war.

„Worum geht’s?“, fragte dieser mit hochgezogenen Brauen und sah seine Frau abwertend an. Er hatte wahrlich wichtigeres zu tun, als die kleinen Probleme seiner Frau zu klären.

„Um unseren Sohn. Du musst dieses Mädchen freilassen“, verlangte Narzissa und sah ihren Mann auffordernd an. Dieses Mal hatte sie nicht vor, sich einfach damit abzugeben, dieses Mal würde sie für ihren Sohn standhaft bleiben.

„Der Dunkle Lord wünscht nicht, dass wir sie freilassen“, meinte Lucius und wollte gerade gehen, als seine Frau ihn zurückzog. Überrascht ließ er es geschehen, das hatte seine Frau noch nie getan. Zumindest nicht bei ihm, Lucius Malfoy.

 

 

 

Als Emilia wieder aufwachte, sah sie direkt in die grauen Augen Lucius Malfoys, der sich zu ihr hinuntergebeugt hatte, um sie verächtlich anzusehen. Schnell versuchte Emilia, sich aufzurappeln, doch mit ihren Schmerzen war das kaum möglich. Jeder einzelne Knochen tat ihr weh, jeder Muskel in ihrem kleinen, zierlichen Körper schmerzte. Sie konnte sich kaum bewegen, und wenn, nur unter höllischen Schmerzen.

Sie starrte Lucius Malfoy an, in ihrem Blick lag tiefer Hass, und wartete, bis er wieder anfing, sie auszufragen. Doch auch nach fünf Minuten sagte dieser nichts und musterte sie nur kalt.

„Was wollen Sie von mir?“, brach Emilia die Stille. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch Lucius hatte sie gehört.

„Nimm den hier, und dann verschwinde, ohne dass dich jemand sieht, verstanden?“ sagte er kalt und warf ihr einen Stab vor die Füße. Ein brauner Zauberstab aus Ebenholz. Verwirrt sah Emilia Lucius an, doch dieser machte nur eine Geste, dass sie endlich verschwinden sollte. Unter dem durchdringenden Blick von Malfoy richtete sie sich unter Schmerzen auf, nahm den Zauberstab in ihre rechte Hand und stolperte zum Ausgang. Lucius kam ihr langsam hinterher, hielt sie aber nicht weiter auf. Er sah nervös aus und sah sich alle zwei Minuten in alle möglichen Richtungen um. Irritiert ging Emilia Schritt für Schritt langsam die Treppe hoch, bedacht, alles möglichst ohne Schmerzen auszuführen. Oben angekommen wurde sie erst einmal geblendet, denn sie hatte dort unten tagelang kein Licht mehr gesehen. Sie kniff die Augen zu und blieb stehen, bis sich ihre Augen an das flackernde Licht der Fackeln gewöhnt hatten. Stolpernd lief sie durch den dunklen Gang, im Hinterkopf immer den Gedanken, dass das alles vielleicht nur eine dumme Falle sein könnte. Doch sie hoffte inständig, dass sie hier heute lebend rauskam, ohne gesehen zu werden.

Lucius kam ihr noch immer langsam hinterher und trieb sie mit seinen Gesten zur Eile an. Erst als Emilia die dunkle Tür, die nach draußen führte, aufstieß, blieb er stehen und wandte sich um.

Sie schüttelte leicht verwundert den Kopf, ging aber zügig weiter, so schnell sie nur laufen konnte. Leider kam sie nicht sehr weit, denn hinter ihr ertönte eine kalte Stimme, die unverkennbar Voldemort gehörte.

„Du hattest doch nicht wirklich vor, abzuhauen, oder doch, Mädchen?“ Seine schneidende Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken jagen. Sie erinnerte sich an den Zauberstab in ihrer Hand und richtete ihn auf den Dunklen Lord, doch dieser lachte sie nur aus.

„Du kannst nicht zaubern“, behauptete dieser und setzte ein kaltes Lächeln auf. Er wusste, er hatte gewonnen. Sie konnte wirklich nicht mit einem Zauberstab umgehen, schon gar nicht zaubern. Emilia wusste nicht einmal, ob sie überhaupt eine Hexe war. Nur irgendwas tief in ihr drin sagte ihr, dass sie dieses Mal gegen ihn gewinnen könnte. Mutig richtete sie den Zauberstab weiterhin auf ihn und wartete darauf, dass er etwas machte.

Doch er sah sie lange Zeit nur verächtlich an. „Du kannst mir nicht entkommen, Mädchen.“

Ich schüttelte den Kopf. „Natürlich kann ich, wenn ich will. Was glaubt Ihr, mache ich sonst hier draußen?“ Sie spukte die Worte aus, um ihn sehen zu lassen, was sie von ihm hielt.

Doch da hatte sie schon von Voldemort den ersten Fluch abbekommen, so schnell sie gar nicht gucken konnte. Er hatte sie entwaffnet, nun lag sie wehrlos am Boden und sah ihn wütend an. Sie wusste, sie hatte vielleicht noch eine wirklich kleine Chance, dort wegzukommen.

„Expelliarmus!“ rief sie deswegen, auch wenn sie nicht einmal einen Zauberstab in ihrer Hand hatte. Diesen Zauberspruch hatte Voldemort gerade benutzt, um sie zu entwaffnen. Zu ihrem Entsetzen blieb alles, wie es war. Voldemort setzte ein überhebliches Lächeln auf und kam auf sie zu. Ohne weitere Worte blieb er vor ihr stehen, richtete den Zauberstab auf sie und sprach eine Zauberformel. Emilia sah ihn aus großen Augen an, als ihr klar wurde, was passierte. Voldemort wollte sie umbringen. Und mit 'Avada Kedavra' würde er das ganz einfach machen.

Sie schloss noch ein letztes Mal ihre Augen, bevor der Todesfluch sie traf.

Krankenhaus und neues Zuhause

 

 

„Was machen wir mit der Kleinen nun?“ fragte eine junge Krankenschwester, die gerade von einem anderen Patienten kam und das junge Mädchen mitleidig musterte. Sie war eine von vielen Ärzten im St.-Mungo-Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen, und sie arbeitete im vierten Stock. Diese Frau kannte sich gut mit magischen Verletzungen, wie zum Beispiel Flüchen, aus und wollte früher unbedingt anderen Leuten helfen. Nun lag dieses Mädchen auf einem Bett vor ihr und rührte sich nicht. Sie atmete, doch trotzdem standen ihre Chancen zu überleben, nicht wirklich gut. An ihren Verletzungen konnte man sehen, dass sie mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert wurde, denn sie wies bläuliche Stellen am ganzen Körper auf. Außerdem waren ihre Knochen wund und ihre Muskeln angeschwollen. Die junge Krankenschwester wollte sich gar nicht ausmalen, was dieses Mädchen hinter sich haben musste. Denn wie es aussah, wurde sie dann auch noch mit dem Todesfluch getroffen, welcher ihr stark zusetzte. Bisher hatte nur ein kleiner Junge den Angriff überlebt, sein Name war Harry Potter. Er war kaum zwei Jahre alt gewesen, als ihn der Todesfluch getroffen hatte. Nun gab es eine weitere Überlebende, doch hieß das nun auch, dass der, dessen Namen nicht genannt werden durfte, zurück war? Niemand wollte das so wirklich wahrhaben, trotzdem hatte jeder Angst vor der Wahrheit.

„Wir müssen das Zaubereiministerium einschalten. Dieses arme Mädchen wurde gefoltet und dann von einem der drei Unverzeihlichen Flüche getroffen …“, antwortete eine etwas ältere Dame nun. Sie schien wirklich traurig zu sein, dass ein Mädchen so schlecht behandelt werden konnte. Sie hoffte inständig, dass das Mädchen, wenn es aufwachen würde, den Täter zugeben würde.

„Wie konnte sie das überleben?“ fragte wiederum die junge Frau erschrocken, aber dennoch auch interessiert. „Es gibt doch nur einen, der so etwas jemals überlebt hat …“

„Ich weiß, Mathilde. Nun gibt es zwei“, sagte die ältere Dame unwirsch.

Die Frau, die offenbar Mathilde hieß, antwortete: „Wie heißt sie?“

„Das weiß ich nicht.“

„Frag doch im Zaubereiministerium nach“, schlug Mathilde ihrer Chefin vor.

Diese jedoch schüttelte nur den Kopf. „Sie ist nicht registriert. Aber ich bin mir sicher, dass sie eine Hexe ist, sonst hätte sie nicht einmal den Cruciatus-Fluch überleben können …“

„Was ist das hier?“ fragte Mathilde, dessen Blick an dem Arm des Mädchens haftete. Schnell ging sie um das Bett herum und hob den Arm des Mädchens an, um ihn besser begutachten zu können. Das junge Mädchen hatte ein schwarzes Zeichen auf ihrem rechten Oberarm, doch Mathilde wusste nicht, was es zu bedeuten hatte. Ihre Chefin kam zu ihr und betrachtete ebenfalls das seltsame Zeichen auf dem ansonsten blau angeschwollenen Arm. „Kannst du damit etwas anfangen, Lorea?“

Ihre Chefin schüttelte den Kopf und sah sich das Zeichen noch einmal genauer an, bevor sie sich wieder vor das Bett stellte und dem Mädchen in die geschlossenen Augen sah. Sie lag so friedlich auf dem Krankenbett, dass Lorea gar nicht glauben konnte, wie ihr jemand etwas so schreckliches antun konnte. Ihr tat es auch Leid, dass die Kleine von nun an eine Narbe auf ihrer Stirn haben würde, welches im Moment von ihren Haaren bedeckt wurde. Sie hatte eine ähnliche Narbe auf der Stirn wie Harry Potter, und das wunderte Lorea sehr. Normalerweise gleichte nie eine Fluchnarbe der anderen, doch die beiden sahen ja geradezu identisch aus, wenn man sie so betrachtete. Man könnte meinen, Harry Potter und dieses junge Mädchen seien in irgendeiner Weise verwandt, was jedoch völlig ausgeschlossen war, da die Eltern bereits tot waren und nie etwas von einer Schwester bekannt war.

„Sie bewegt sich! Sie bewegt ihre Augen!“, Mathilde sprang zu ihrer Chefin und sah sich die Augen des jungen Mädchens an, welches auf dem Bett lag. Die Augen öffneten sich kurz, schlossen sich dann jedoch ganz schnell wieder. „Sie wacht auf!“, sagte Mathilde erleichtert und blickte noch immer gespannt auf das Mädchen.

 

Emilia fühlte sich schrecklich. Ihr ganzer Körper tat weh, als sie ihr Bewusstsein endlich wieder erlangte. Die Muskeln hatten sich zusammen gezogen, nun taten sie bei jeder Bewegung weh. Ihre Knochen fühlten sich auch sehr seltsam an und schmerzten, sobald sie auch nur die kleinste Bewegung machte. Sogar als sie ihre Augen zu öffnen versuchte, durchzuckte sie ein grellender Schmerz. Sie spürte Blicke auf sich und versuchte erneut, ihre Augen zu öffnen. Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt und sie konnte ohne Probleme alles sehen.

Sie lag in einem kleinen, weißen Zimmer, welches das einem Muggelkrankenhaus ähnelte. An der einen Seite war eine kleine, durchsichtige Tür, daneben ein Fenster, vor dem ein Vorhang war, damit man nicht in ihr Zimmer sehen konnte. Durch das Fenster hindurch erkannte Emilia zwei Leute, die tuschelten und immer wieder besorgt in ihr Zimmer schielten, als würden sie sie kennen. Emilia hingegen hatte keinerlei Erinnerung an die beiden, denn an solche zwei hätte sie sich bestimmt erinnern können.

Beide trugen eine Art Robe, die ihnen bis zum Boden ging. Die Robe der Frau war einfach nur rot, die des Mannes schwarz. Außerdem hatte der Mann schwarze Haare, die ihm ins Gesicht fielen, und grüne Augen, die perfekt zu seinem kantigen Gesicht passten. Sein Körper war gut gebaut, auch wenn er etwas zu groß war, denn er überragte die Frau um mehr als zwei Köpfe.

Die Frau hingegen hatte lange, blonde Haare und sah schon etwas älter aus. Sie hatte ein strenges Gesicht, das keinen Widerspruch duldete, und blaue Augen, die Emilia weise und durchdringend musterten.

Nun warf Emilia wieder einen Blick in ihr eigenes Zimmer, wo sie in der Mitte des Raumes in einem weißen Krankenbett lag. Gegenüber der Tür war ein weiteres Fenster, durch das das warme Sonnenlicht ihre Haut kitzelte. Vor ihr standen zwei Krankenschwester und musterten sie besorgt, aber auch teils neugierig. Die Ältere von beiden kam gleich auf sie zu, als sie bemerkt hatte, dass Emilia wach war. Sofort nahm die Frau Emilias Hand und drückte sie fest. Lächelnd stellte sie sich und ihre Kollegin dann mit Lorea und Mathilde vor. Als Lorea ihren Namen hörte, lächelte sie dem jungen Mädchen kurz zu und kam dann ebenfalls zu ihrer Chefin.

„Wie heißt du, meine Kleine?“ fragte die Chefin der Abteilung.

„Emilia“, antwortete die Verletzte und lächelte beide Frauen freundlich an. Sie versuchte sich aufzusetzen, schaffte es aber nur unter Schmerzen beim vierten Anlauf. Dann sah sie die beiden Frauen aufmerksam an.

„Emilia, weißt du, was passiert ist?“, richtete Lorea wieder das Wort an sie. Mathilde lächelte sie nur immer freundlich an, sagte aber nichts.

„I-ich war in einem Haus. Ein Dunkles Haus. Ich war ohnmächtig, als man mich dort hinbrachte. Ich wurde in ein kleines Zimmer ohne Licht gesteckt, bis ich aufwachte … D-dann brachte man mich z-zu V-voldemort“, während sie diesen Namen aussprach, atmeten die beiden Frauen hörbar aus, „Jedenfalls w-wollte er von mir wissen, wer meine Familie ist und wo ich wohnte. Ich konnte es ihm nicht sagen. Ich hatte ja keine Erinnerung an meine Vergangenheit! Dann hat er mich in den Kerker gebracht … Immer wieder hat er jemanden zu mir geschickt, um mich auszufragen, und immer musste ich ihm die gleiche Antwort geben: Ich habe keine Erinnerung! N-na ja dann hat man mich meistens mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert, bis ich ohnmächtig wurde … Wenn ich aufgewacht bin, war ich meistens schon wieder dran … Dann durfte ich fliehen, jemand hat mir einen Zauberstab in die Hand gedrückt und ich floh. Bis in den Garten. Dort hat V-voldemort auf mich gewartet. Er hat mich entwaffnet, dann mit dem Todesfluch getroffen …“ Sie schluchzte. Erinnerungen brachen über sie ein, Erinnerungen, die Emilia nicht sehen wollte. Doch eines wunderte sie. So sehr sie auch versuchte, sich an die Gesichter und Namen der Helfer zu erinnern, er fiel ihr nicht ein. Als hätte man ihr Gedächtnis schon wieder gelöscht.

„Es ist alles gut“, beruhigte Lorea sie leise und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Lorea war geschockt, das wusste ihre Angestellte Mathilde auch, doch sie ließ sich wie immer nichts anmerken. Für das Mädchen war es besser, sich nichts anmerken zu lassen, und sie stattdessen lieber aufzumuntern, so weit dies eben ging. Doch in dieser Situation wusste selbst Lorea nichts zu sagen, deshalb tröstete sie das Mädchen einfach damit, dass sie sie umarmte. Mathilde ging währenddessen ihrer eigenen Arbeit nach und schlich sich unbemerkt aus dem Zimmer des Mädchens, um nach anderen Verletzten zu sehen. Doch sie kam nicht weit, denn vor dem Zimmer warteten zwei Ministeriumsangestellte auf sie. Sie hätte vielleicht doch im Zimmer bleiben sollen, dachte Mathilde, während sie auf die Frau und den Mann zu. Die Frau schien die Chefin zu sein, denn der Mann stand eher im Hintergrund, hinter der Frau.

„Guten Abend“, grüßte Mathilde die beiden freundlich, als sie bei ihnen stehen blieb. Die Frau hatte einen Schritt auf sie zugemacht, um zu zeigen, dass sie auf sie gewartet hatten. Was sie wohl von ihr wollten, fragte Mathilde sich, als sie die beiden musterte. Die Frau hatte eine lange rote Robe an und trug ihre blonden Haare in einem einfachen Zopf. Der Mann hingegen war ganz in schwarz gekleidet und hatte ebenso rabenschwarze Haare.

„Guten Abend“, grüßte die blonde Frau sie zurück. „Das hier -“, sie zeigte auf den dunkelhaarigen Mann hinter sich, „-ist John Adkins. Mein Name ist Jennifer Carver.“

Mathilde nickte langsam. Irgendwoher kamen ihr die Nachnamen bekannt vor, doch sie konnte sie spontan nicht zuordnen. Vielleicht würde es ihr später wieder einfallen.

„Wir sind vom Zaubereiministerium“, fügte John Adkins hinzu, als würde er meinen, Mathilde hätte das nicht bemerkt. Wer sollten sie sonst sein? Es kam nicht sehr oft vor, dass solche Opfer wie das junge Mädchen Besuch erwarteten, schon gar nicht, wenn das Mädchen nicht einmal eine Identität hat. Immerhin konnte sich die Kleine nicht einmal an ihren Nachnamen erinnern, deswegen würde es sowieso schwer werden, ihre Familie, falls sie noch eine hatte, ausfindig zu machen.

„Weshalb sind Sie hier?“, fragte Mathilde vorsichtig, als gäbe es einen schlimmen Grund für deren Erscheinen. Sie hoffte nicht, dass sie einen anderen Grund hatten, als dass sie gerufen wurden. Mathilde's Chefin hatte doch das Zaubereiministerium informiert, dass das Mädchen verflucht worden sei.

„Wir sind aus der Abteilung für magische Strafverfolgung, weil Ihre Chefin uns informierte, dass hier einer der drei Unverzeihlichen Flüche angewendet wurde“, erklärte die Frau geschäftig. Sie wirkte sehr ernst, nicht so nett und fröhlich wie der junge Mann hinter ihr, der die ganze Zeit lächelte. Die Frau hatte nicht einmal gelächelt, seit Mathilde sie angesehen hatte. Sogar sie selbst lächelte mehr als diese Frau.

„Nun, eigentlich sind es sogar zwei Unverzeihliche Flüche“, sagte Mathilde leise. „Das Mädchen wurde mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert und sollte anschließend mit dem Todesfluch umgebracht werden.“ Ihr fiel es nicht leicht, es so ernst wie möglich zu sagen. Doch die beiden Ministeriumsangestellten verlangten von ihr, so gefühlskalt wie möglich zu reden. Das musste sie schon oft machen und immer wieder kam es vor, dass ihr ein Schicksal so nah ging, dass es ihr unmöglich war, ohne jedes Gefühl darüber zu sprechen. Die Zauberer und Hexen, die im Ministerium arbeiteten, wurden so ausgebildet, sie jedoch nicht.

„Ist sie ansprechbar?“ Zum ersten Mal im Gespräch beteiligte sich der Mann. Er lächelte, als er Mathilde dies fragte, doch dieses Lächeln erreichte seine Augen nicht. Immer, sagte sich Mathilde, schien er nett sein zu wollen, auch wenn es nicht ganz so rüber kam. Sie lächelte ihn ebenfalls kurz an, doch gleich darauf wurde sie wieder ernst.

„Sie ist vor einer Stunde aufgewacht. Jedoch muss ich sagen, dass ich Sie beide noch nicht gerne mit ihr sprechen lasse, da sie immer noch etwas fertig ist von den Erlebnissen.“ Sachlich hatte Mathilde ihre Gedanken zusammengefasst und sie war stolz auf sich selbst, denn sonst fiel es ihr meist nicht so leicht, ihre Gedanken ohne jegliches Gefühl zu formulieren. Sie lernte dazu, stellte sie erleichtert fest. Sie drehte sich kurz um, einfach um sich zu überzeugen, dass ihre Chefin noch immer bei der Kleinen war. Sie kannte die Ministeriumsleute und wusste ganz genau, dass sie sich nicht trauen würden, in das Zimmer zu gehen, solange die Chefin ihnen noch keine Erlaubnis gegeben hatten. Allerdings verstand Mathilde nicht, warum sie dann immer sie belästigen mussten, schließlich war sie nicht die Chefin.

Ihre Chefin saß noch immer auf dem Bett, gleich neben dem Kopf des Mädchens, das auf ihrem Schoß ruhte. Die Kleine hatte ihre Augen geschlossen, Mathilde wusste jedoch, dass sie nicht schlief. Hin und wieder öffnete sie ihre Augen immer, um sich zu vergewissern, dass Mathilde's Chefin noch neben ihr saß.

„Das verstehen wir. Wir müssen jedoch darauf bestehen, jetzt mit ihr zu sprechen. Wir wollen doch alle nur möglichst schnell den Schuldigen finden“, warf Jennifer ein. Irgendwie hatte sie schon Recht, dachte sich Mathilde. Trotzdem war es nicht so einfach, denn das Mädchen würde dem ganzen Stress noch nicht standhalten. Sie war gerade erst aufgewacht, und jetzt schon wieder Stress würde bedeuten, dass sie womöglich gleich wieder ohnmächtig werden würde. Das konnte und wollte Mathilde nicht riskieren und deswegen schüttelte sie entschlossen den Kopf.

„Tut mir außerordentlich Leid, doch ich kann Sie dort nicht hineinlassen“, meinte Mathilde nach schärferem Überlegen. „Warten Sie doch auf meine Chefin und fragen Sie sie noch einmal.“

Damit machte sich Mathilde schnell aus dem Staub, ohne sich noch einmal zu verabschieden. Sie hatte nichts gegen die Leute vom Ministerium, doch sie mochte es nicht, wenn diese immer meinen, über alles erhaben zu sein. Immerhin konnten nicht einmal sie etwas an dem Zustand des Mädchens ändern und dann sollten sie doch einmal in ihrem Leben auf eine Krankenschwester hören. Dafür waren sie leider alle zu stolz, das wusste Mathilde.

Nachdem sie nun endgültig mehr als zwei Stunden wegen diesem Mädchen verplempert hatte, machte sie sich schnell an die Arbeit und ging zu ihren anderen Patienten.

 

Emilia hingegen saß gerade wach in ihrem Bett und unterhielt sich mit der Ärztin, die an ihrem Bett saß. Lorea hieß sie, hatte sie am Anfang ihres Gesprächs gesagt. Sie lachten viel und sprachen über Hogwarts – Lorea erklärte ihr, dass sie dort vielleicht auch hingehen würde – und überlegten sich, wer wohl bei der Quidditchweltmeisterschaft siegen würde. Emilia war für Bulgarien, Lorea jedoch glaubte, die Iren würden gewinnen. Einiges war Emilia zu ihrem Erstaunen noch von ihrem alten Leben in Erinnerung geblieben, zum Beispiel was Quidditch ist und wie man einen Besen fliegt. Anderes, wie ihre Familie, Freunde, Zuhause und Schule, wollten ihr einfach nicht mehr einfallen. Lorea ging davon aus, dass man ihr tatsächlich einen Gedächtniszauber auf den Hals gejagt hatte, damit sie alles vergaß, was sie jemals gesehen hatte. Sogar an den Unterricht, oder vielmehr an den Stoff konnte sie sich erinnern. An die Lehrer leider nicht.

Aber Lorea meinte, es sei schon mal gut, dass sie sich an den Stoff wenigstens erinnern konnte, der Rest würde auch irgendwann wieder kommen, wenn sie sich anstrengen würde. Und das würde Emilia, sie wollte mehr über ihre Vergangenheit wissen.

Während des Gesprächs jedoch blickte Lorea immer wieder zu den zwei Personen hinüber, die vor ihrem Zimmer standen. Nervös spielte sie mit ihren Fingern, wenn sie sah, dass die Leute sie finster anblickten. Dies blieb auch Emilia nicht verborgen und so fragte sie Lorea, was das für Leute waren.

„Vom Ministerium. Sie wollen dich über deine Vergangenheit befragen und … sie wollen dich in eine andere Familie schicken. Einen neuen Vormund, der auch im Ministerium arbeitet“, erklärte ihr Lorea langsam. Daher wehte also der Wind. Da Emilia sich nicht mehr erinnern konnte, würde sie wohl oder übel in eine neue Familie kommen. Auch wenn ihr dies nicht so wirklich gut gefiel, es war allemal besser, als allein zu sein, ohne Vormund. Außerdem würde sie fragen, ob sie nach Hogwarts dürfe, um dort zaubern zu lernen. Und wenn sie dürfte, wäre sie ohnehin nicht oft in dieser neuen Familie.

„Holen Sie sie rein, bitte“, bat Emilia leise. Ihre Stimme hatte sie zwar noch immer nicht vollends im Griff, doch sie selbst hatte auch ziemlich viele Fragen an die beiden vom Ministerium. Zum Beispiel, wie es nun mit ihr weitergehen würde. Wo sie wohnen würde, ob sie nach Hogwarts dürfe. Als Lorea sie skeptisch anschaute und sich nicht bewegte, fügte Emilie hinzu: „Mir geht es gut, und Sie können ja draußen warten.“ Dabei lächelte sie sie überzeugend an, sodass Lorea doch nach einigen weiteren skeptischen Blicken hinaus ging und die beiden Leute vom Ministerium hinein schickte. Erst redeten die drei noch einige Minuten lang miteinander, danach stellte sich Lorea vor das Fenster neben die Tür, während die beiden Leute vom Ministerium den Raum betraten.

Die Frau mit der roten Robe und den blonden Haaren fing als erstes an zu reden: „Wie geht es dir?“

Emilia nickte ihnen zu, dass sie sich auf die zwei Stühle neben ihrem Bett setzen sollten. „Soweit ganz gut. Ich bin nur etwas verwirrt“, erklärte sie, als sich die beiden gesetzt hatten. Die Frau saß direkt neben ihr, während der Mann etwas weiter entfernt das Geschehen nur beobachtete.

„Du wirst sicher wissen, warum wir hier sind?“ fragte die Frau leise und beobachtete Emilia genau. Auch wenn die Frau sich mehr um die Suche nach dem Schuldigen kümmerte als um die Gesundheit des Mädchens, ließ sie die Situation nicht kalt. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, in solch jungen Jahren gefoltert zu werden, fast getötet zu werden und dann auch noch die Erinnerungen zu verlieren.

„Natürlich“, antworte Emilia kalt. Dann begann sie mit belegter Stimme alles noch einmal zu erzählen, was sie den beiden Krankenschwestern gerade gesagt hatte. Diesmal riss sie sich zusammen und erzählte alles mit ruhiger, ja fast schon gefühlskalter Stimme.

Dieses Mal erwähnte sie auch, dass sie glaubte, gleich zweimal der Erinnerung bestohlen worden zu sein. Immerhin saß sie ja im Kerker, das wusste sie noch, und konnte sich auch noch daran erinnern, wie sie sich Gedanken gemacht hatte, was wohl in ihrer Vergangenheit passiert war. Außerdem wusste sie schon dort nicht viel mehr als ihren Namen und ihr Geburtsdatum. Das bedeutete, gleich zweimal wollte jemand, dass sie sich nicht erinnerte. Das sahen auch die beiden so, denn als sie ihren Verdacht schilderte, nickten beide.

Als sie jedoch bei Voldemort angekommen war, waren die beiden Leute aus dem Ministerium so erschrocken, dass sie sich die Hand vor den Mund hielten und schluckten. Außerdem sahen sie Emilia ab dann argwöhnisch und skeptisch an, wenn sie den Dunklen Lord erwähnte. Die ganze Zeit über schrieb der junge Mann mit, stellte aber keine Fragen, wie seine Kollegin. Emilia wurde förmlich durchlöchert von der älteren Dame. Am Ende war sie jedoch froh, alles endlich losgeworden zu sein, auch wenn die beiden nicht so aussahen, als würden sie ihr glauben. Emilia wusste aber, was sie gesehen hatte. Sie wusste, dass alles die Wahrheit war. Und ihr war es egal, ob das Ministerium ihr glaubte oder nicht.

„Sie glauben mir nicht“, stellte sie fest, nachdem sie fertig war mit Erzählen.

„Es ist … ein wenig komisch. Aber wir werden natürlich alles überprüfen. Solange solltest du aber besser mit niemandem mehr darüber sprechen. Das würde nur für unnötige Aufregung sorgen“, erklärte diesmal der junge Mann. Emilia wusste, dass die beiden nur ihre Pflicht taten, trotzdem schien es nicht so, als würden sie sich wirklich dafür interessieren, was vorgefallen war. Sie konnte sich schon bildlich vorstellen, wie der Zettel, den der junge Mann so voll geschrieben hatte, spätestens im Ministerium in den Müll geworfen wurde.

„Natürlich werde ich mit niemanden darüber reden“, sagte Emilia deshalb eisig und nickte. Sie hatte nicht wirklich vor, sich zwingend daran zu halten. Immerhin war es kein Schwur oder ein Versprechen, es war lediglich eine Bitte des jungen Mannes gewesen. „Was wird nun mit mir passieren?“, fragte sie ausweichend, um nicht weiterhin auf ihre Vergangenheit angesprochen zu werden.

„Wir sind natürlich nicht unvorbereitet hier aufgetaucht. Im Ministerium hat man wirklich versucht, einen neuen Vormund für dich zu finden und glücklicherweise hat sich eine junge Frau freiwillig gemeldet. Sie heißt Isabelle Callahan und hat einen recht hohen Rang im Ministerium. Sie ist die Sekretärin des Leiters der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit im Ministerium und steht somit nicht weit unter dem Leiter der Abteilung selbst“, erklärte die Frau langsam. Emilia hörte gut zu, schließlich wollte sie wissen, wer ihr neuer Vormund so war. Sie hoffte, dass diese Frau wenigstens nett sein würde. „Sie ist eine relativ nette Frau, wie man sie im Ministerium nicht mehr oft findet“, fügte die Frau noch hinzu. Dann wandte sie sich zu ihrem Kollegen um, sah ihn kurz fragend an, bis er den Kopf schüttelte und musterte dann wieder Emilia.

„Wann werde ich sie kennen lernen?“, fragte Emilia neugierig. Doch auch sie bemerkte den kalten Unterton in ihrer Stimme, den sie hatte, seit diese beiden in ihrem Zimmer aufgetaucht waren. Sie wollte so schnell wie möglich aus diesem Krankenhaus hinaus, weswegen sie hoffte, dass sie ihren Vormund gleich morgen, oder besser schon heute, kennen lernen könnte. Außerdem war sie gespannt und neugierig auf die Frau, bei der sie wohnen würde.

„Heute. Allerspätestens morgen“, sagte der Mann und packte seinen Zettel in eine der vielen Taschen an seinem schwarzen Umhang. Emilia war froh, dass sie nicht ganz so viele Taschen an ihrer Jeans-Hose hatte, denn sie war sich sicher, dass sie dann andauernd irgendwas suchen müsste. Immerhin zählte sie an seinem Umhang schon allein 20 sichtbare Taschen.

„Nun, hast du noch irgendwelche Fragen?“, sagte die Frau, nachdem sie ihrem Kollegen einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern und grinste Emilia an.

„Nein, ich denke nicht. Und wenn schon, kann ich ja meinen Vormund auch fragen“, sagte sie kalt und blickte der Frau in die Augen. Jetzt, wo sie so ruhig war, konnte sie plötzlich sogar die Gedanken der Frau lesen. Diese starrte Emilia an und hatte offenbar noch nicht bemerkt, dass sie gerade in ihrem Kopf schaute. Die ältere Frau dachte an einen älteren Mann, ein volljährigen Jungen, wahrscheinlich ihr Sohn, und an eine wirklich alte Dame, die vermutlich ihre Mutter sein müsste.

„Raus aus meinem Kopf!“, sagte die Frau plötzlich wütend.

Emilia grinste sie nur kalt an, ließ es aber doch sein. Sie wollte keinen Ärger mit dem Ministerium haben, nur weil sie mal kurz in die Gedanken einer Angestellten geschaut hatte. Sie wollte nur wissen, was sie dachte. Immerhin schien sie nicht gerade die freundlichste und netteste Frau zu sein. Emilia befürchtete, dass die Frau genau wusste, was man von ihr hielt, dass es sie bloß nicht interessierte.

„Sie haben aber wirklich keine gute Verteidigung. Haben Sie noch nie etwas von Okklumentik gehört?“, fragte Emilia erstaunt. Eigentlich wollte sie die Frau vom Ministerium nur ein wenig ärgern, doch diese stürmte mit einem letzten wütenden Blick zu Emilia schnell aus der Tür hinaus. Lorea, die die ganze Zeit vor der Tür gestanden und beobachtet hatte, erschrak sich, als plötzlich die Frau vom Ministerium wütend an ihr vorbeisauste, ohne sie großartig zu beachten. Sie fragte sich, was Emilia bloß angestellt hatte.

„Was hatte die denn?“, fragte Emilia bestürzt den jungen Mann, der noch immer auf dem Stuhl saß, ohne sich zu bewegen. Als Emilia ihn das fragte, lachte er jedoch nur und schüttelte belustigt den Kopf.

„Ich weiß es nicht, wirklich. Sie ist öfters mal so. Mal total hart, dann sauer, dann traurig. Stimmungsschwankungen nennt man das“, antwortete der junge Mann noch immer belustigt. Er machte keine Anstalten, seiner Kollegin hinterher zu eilen, sondern blieb sitzen und beobachtete Emilia weiterhin.

„Schon mal was von Hogwarts gehört?“, fragte sie dann der Mann unerwartet. Erstaunt sah Emilia ihn an. Wieso war er netter als seine Kollegin? Vorhin hatte er den Eindruck gemacht, dass er genauso war wie sie.

„Klar. Ich möchte auch dorthin und zaubern lernen“, sagte sie lächelnd. Das erste Mal, seit sie aufgewacht war, lächelte sie wirklich ehrlich. Und dieses Lächeln erreichte sogar ihre Augen.

Der junge Mann nickte und sagte dann das, was Emilia wirklich nicht erwartet hatte: „Isabelle möchte dich dorthin schicken. Sie meint, es würde dir guttun, unter Gleichgesinnten zu sein. Und es wäre für dich auch besser als bei ihr zu wohnen, weil sie wenig Zeit hat.“ Kurz sah er Emilia noch an, dann erhob er sich und ging zur Tür. Bevor er jedoch aus dem Raum ging, blieb er noch kurz stehen. Dann holte er seinen Zauberstab heraus und wischte damit einmal kurz durch die Luft.

„Das sind alle Hogwartsschulbücher von der ersten bis zur dritten Klasse. Vom Alter her passt du in die vierte. Viel Glück!“, sagte er kurz angebunden, dann verschwand er durch die Tür, ehe Emilia überhaupt noch etwas sagen konnte. Eigentlich wollte Emilia ihm noch danken, immerhin hatte er ihr Bücher geschenkt, aber er war schon weg, bevor sie überhaupt den Mund öffnen konnte. Traurig nahm sie sich eines der Bücher der ersten Klasse, Zaubertränke, und begann es zu lesen. Sehr schnell fiel Emilia auf, dass sie den Stoff bereits in und auswendig konnte, warum auch immer. Rezepte für die einzelnen Zaubertränke konnte sie natürlich nicht auswendig, aber das war bestimmt auch nicht verlangt.

Gelangweilt legte sie das Buch wieder auf den Stapel zu den anderen und sah dann aus dem Fenster neben der Tür. Lorea stand noch immer dort und musterte sie besorgt, doch als sie merkte, dass Emilia sie beobachtete, lief sie schnell zu einem anderen Patienten, auch wenn sie lieber bei dem jungen Mädchen geblieben wäre. Emilia war ihr einfach schnell ans Herz gewachsen, sie war so ein tolles Mädchen mit einer schrecklichen Vergangenheit.

Als Lorea von ihrem Zimmerfenster verschwunden war, hatte Emilia sich ein Buch der zweiten Klasse genommen und die ersten Seiten durchgelesen. Hier kam ihr zwar einiges bekannt vor, doch alles wusste sie noch nicht. Deshalb beschloss sie, das Kräuterkundebuch weiterhin zu studieren, bis sie so ziemlich alles wusste. Wenn sie in Hogwarts in die vierte Klasse wollte, musste sie genau wie alle anderen Schüler die erste bis dritte Klasse können. Das wurde vorausgesetzt. Also las sie bis spät in die Nacht hinein sämtliche Bücher, die neben ihrem Bett lagen, bis sie langsam müde wurde. Bevor sie schlafen ging, legte sie das fünfte Buch, dass sie sich angeschaut hatte, nämlich Zaubertränke zweite Klasse, weg und machte es sich in ihrem Bett gemütlich. Schon ziemlich bald schlief sie tief und fest.

Nächsten Morgen wachte sie erst ziemlich spät auf. Es war schon zehn Uhr, als Emilia langsam ihre Augen öffnete und laut gähnte. Verschlafen sah sie zur Tür, wo Lorea besorgt stand, mit den Händen in die Hüften gestämmt. Wie sie so dort stand, wirkte sie wirklich streng, doch eigentlich war sie nicht so streng, wie sie aussah.

„Morgen“, murmelte Emilia noch verschlafen und lächelte Lorea an.

„Auch mal wach?“, fragte Lorea nur, ohne ihr einen guten Morgen zu wünschen. Sie wusste, wie lange Emilia gestern noch gelesen hatte und das war wirklich nicht gut in ihrem Zustand. Sie brauchte jedes bisschen Schlaf, das sie kriegen konnte, damit sie wieder möglichst schnell gesund werden würde. „Ich habe von einem Pfleger gehört, wie lange du gestern noch wach warst.“

Jetzt fing die Standpauke an, dachte Emilia augenrollend. Lorea konnte ihr doch nicht ernsthaft vorschreiben, wann sie ins Bett zu gehen hatte. Immerhin war sie ein eigenständiger Mensch und konnte selbst entscheiden, wann sie schlafen ging. Außerdem war Lorea nicht ihre Mutter, also hatte sie ihr erst recht nichts zu sagen.

„Es ist meine Sache, wie lange ich wach bleibe. Ich habe gelernt, damit ich nach Hogwarts in die vierte Klasse gehen kann“, sagte sie und blickte ihre Krankenschwester böse an. Diese erwiderten ihren Blick jedoch perfekt und sah sie streng an.

„Damit du nach Hogwarts gehen kannst, musst du erst einmal wieder fit werden!“, erwiderte Lorea, doch gleich danach wurde ihr Blick sanfter. Standpauke zuende, dachte Emilia froh. Sie hasste es, wenn andere Leute meinen müssten, sie könnten ihr irgendetwas vorschreiben. Wenn es dann auch noch Leute sind, die sie kaum kannten, verstand sie es erst recht nicht, wenn sie ihr vorschrieben, was sie zu tun und zu lassen hatte. Wenn es Eltern wären oder wenigsten der Vormund, dann würde die Sache schon anders aussehen, aber Lorea war nunmal einfach eine Krankenschwester, die eigentlich nichts mit Emilia zu tun hatte.

„Wie geht es dir?“ fragte Lorea sie, blieb aber bei der Tür stehen. Emilia vermutete, dass sie gleich zu anderen Patienten gehen müsste. Schließlich war das einfach ihre Arbeit.

„Mir geht’s super! Ging mir nie besser, wirklich“, beteuerte Emilia. Ihr ging es wirklich gut, nicht nur, weil sie heute erfahren würde, mit wem sie leben würde, sondern weil sie hoffte, nach Hogwarts gehen zu dürfen. „Ich bin nur ein wenig aufgeregt, weil heute mein Vormund kommen soll“, fügte sie noch schnell hinzu, als sie den skeptischen Blick Loreas sah.

„Das wird schon. Dein Vormund wird bestimmt nett sein“, ermutigte Lorea ihre Patientin. „Ich muss wieder an die Arbeit. Ich sehe nachher nochmal nach dir! Aber lerne nicht zu viel, ja?“ Sie lächelte Emilia leicht an, dann verschwand sie schnell und schloss die Tür wieder hinter sich.

Schnell schnappte sich Emilia die Schüssel Müsli, die man ihr wohl heute morgen hingestellt hatte. Sie hatte seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen, trotzdem erinnerte sie sich daran, dass sie gestern noch kein Hunger hatte, als sie aufgewacht war. Dafür war sie jetzt doppelt so hungrig und schlang das Essen beinahe schon hinunter. Als sie fertig war, stellte sie die Schüssel beiseite und sah aus dem Fenster nach draußen. Die Sonne schien leicht in ihr Zimmer hinein, sodass es angenehm warm war. Soweit Emilia nach draußen sehen konnte, war keine einzige Wolke zu sehen. Schnell wurde es ihr zu langweilig, aus dem Fenster zu schauen und sie schnappte sich wieder das Zaubertränkebuch der zweiten Klasse, mit dem sie gestern aufgehört hatte. Sie fand Zaubertränke jetzt schon interessant, auch wenn sie noch nie selbst einen Trank gebraut hatte, soweit sie wusste. Allerdings sah alles danach aus, als hätte sie irgendwann einmal die erste Klasse in Hogwarts besucht, und dann hätte sie wahrscheinlich doch schon oft einen Trank selbst gebraut. Vor allem beeindruckte sie an diesem Fach aber, dass man ohne Zauberei arbeitete und trotzdem nicht so etwas herauskam wie bei den Muggeln, also den Leuten, die keine Magie wirken können. Diese stellten nämlich Medizin her, aber damit konnte man nicht einmal annähernd so interessante Sachen machen wie in Zaubertränke. Sie freute sich auf das Fach!

Kurz nach dem Mittagessen war sie dann auch mit dem Buch durch. Sie hatte sich so viel wie möglich eingeprägt, wusste aber, dass sie sich niemals alles merken konnte, so oft sie das Buch auch lesen würde. Darum nahm sie sich gleich das nächste, Zauberkunst. Zauberkunst fand sie nicht sehr spannend. Das meiste, was in diesem Buch stand, kam ihr bekannt vor. Eigentlich ging es ja auch bloß um verschiedene Zauber und deren Ausführung. Deswegen überflog sie nur manche einzelne Zauber aus dem Buch, bis es plötzlich an ihrer Tür klopfte. Durch das Fenster konnte Emilia eine braunhaarige, schlanke Frau erkennen, die genau wie die beiden anderen Leute vom Ministerium, eine lange, blaue Robe anhatte. Emilia schätzte diese Frau auf höchstens 30 Jahre, denn sie hatte kaum Falten im Gesicht und ging aufrecht. Diese Frau besaß Autorität, mehr als die strenge andere Frau vom Ministerium.

„Herein!“, rief Emilia, als sie die Frau gemustert hatte. Sofort ging die Tür auf und die Frau kam lächelnd in den Raum spaziert. Sie setzte sich gleich neben Emilia und beobachtete sie, ohne etwas zu sagen. Aber das musste sie auch gar nicht, denn Emilia wusste bereits, dass es Isabelle Callahan war. Niemand anderes würde so selbstverständlich den Raum betreten und sich setzen, obwohl Emilia ihr das noch nicht einmal angeboten hatte.

„Sie sind Isabelle Callahan, mein Vormund?“, fragte Emilia trotzdem noch einmal nach. Einfach um höflich zu sein.

Die junge Frau nickte, wobei ihr die braunen Haare ins Gesicht fielen. Schnell strich sie sie wieder nach hinten, sodass sie Emilia weiter mustern konnte. „Du kannst aber ruhig Isabelle zu mir sagen, immerhin wirst du eine Zeitlang bei mir wohnen.“

Emilia nickte lächelnd, doch sie sagte nichts mehr. Sie wusste auch nicht, was sie hätte sagen sollen in solch einer Situation. Schüchtern war sie eigentlich nicht, doch diese Situation fand selbst sie ein wenig komisch.

„Ich habe noch eine Frage an dich“, prophezeite Isabelle und sah ihr in die Augen. Emilia hob die Augenbraue und sah sie gespannt an, doch sie redete nicht weiter. Isabelle starrte sie einfach nur durchdringend an, als könnte sie ihre Gedanken lesen. Wer weiß, vielleicht konnte sie es auch, aber eigentlich hatte Emilia es merken müssen, wenn jemand in ihrem Kopf herumspuken würde.

„Welche Frage?“, erwiderte Emilia. Sie machte sich schon mal seelisch dafür bereit, ihre Vergangenheit nochmal zu erzählen. Wahrscheinlich wollte auch Isabelle wissen, was genau sie aus ihrer Vergangenheit noch wusste.

„Da du bei mir wohnst – und ich keinerlei Nachnamen von dir habe – habe ich mich gefragt, ob du nicht vielleicht meinen annehmen möchtest“, schlug sie vor. Erstaunt blickte Emilia ihren Vormund an. Das hatte sie allerdings nicht erwartet. Und über ihre Nachnamen hatte sie sich auch noch keine richtigen Gedanken gemacht. Aber es würde schon komisch aussehen, wenn sie ohne Nachnamen nach Hogwarts käme.

Emilia Callahan, hörte sich auch gar nicht so komisch an, überlegte sie sich.

Dann nickte sie. „Das wäre super!“, stimmte sie zu.

Isabelle lächelte sie freundlich an. „Ich habe in zwei Tagen vor, zu der Quidditchweltmeisterschaft zu gehen. Barty Crouch, mein Chef, hat uns in die Ministerloge eingeladen. Und ich würde dich gerne mitnehmen“, sagte Isabelle.

Wow, dass sie einen so hohen Rang im Ministerium besaß, wo sie doch noch gar nicht so alt war, hätte Emilia wirklich nicht gedacht. Andererseits war es ja für sie gut, dass sie einen hohen Rang hatte, immerhin wurden sie zu der Quidditchweltmeisterschaft eingeladen. Vom Leiter der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit höchstpersönlich.

„Klar will ich mit!“, rief Emilia begeistert. „Die Frage ist nur, ob ich bis dahin hier raus kann.“

Isabelles Lächeln wurde breiter, denn sie wusste, dass sie Emilia mitnehmen könnte. Emilia hatte da ihre Zweifel, dass sie morgen aus dem Krankenhaus raus durfte, immerhin war sie erst seit einem Tag dort. Allerdings hatten ihre Schmerzen schon gestern nachgelassen, nachdem sie irgendeine wunderwirkende Medizin genommen hatte. Heute waren ihre Schmerzen gar nicht mehr zu spüren, lediglich die Narbe auf ihrem Oberarm und die paar Wunden, die sie noch hatte, waren geblieben. Sie wunderte sich, wie Lorea ihre Schmerzen wegbekommen hatte, ihre Wunden aber nicht. Trotzdem war sie der Frau unendlich dankbar, dass sie ihr so gut half. Auch wenn sie sich einfach zu viel sorgte, was wohl aber an ihrem Beruf liegen könnte.

„Ich habe dich sozusagen vorzeitig entlassen.“ Isabelle grinste. „Es war nicht schwer. Ich habe nur die Chefin dieser Etage überreden müssen, dass es toll für dich wäre, einmal dabei zu sein. Heute darf ich dich allerdings noch nicht mitnehmen. Soviel ich auch geredet habe, ich darf dich frühestens morgen Abend mitnehmen. Gesundheitliche Gründe“, den letzten Teil setzte sie extra in Anführungszeichen.

„Ich hätte nie gedacht, dass sie sich überhaupt überreden lässt! Sie ist nämlich irgendwie total überfürsorglich“, erklärte ich meinem Vormund. „Heute morgen habe ich von ihr eine Standpauke kassiert, nur weil ich angeblich zu spät ins Bett gegangen wäre.“

„Hier im Krankenhaus kannst du doch gar nicht zu spät ins Bett gehen, immerhin kannst du morgens schlafen, bis du wirklich fit bist“, bestätigte Isabelle. Emilia fand sie wirklich nett. Zwar konnte sie sich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie von nun an bei einer fremden Frau wohnen würde, doch daran würde sie sich bestimmt gewöhnen. Isabelle war nett und man konnte gut mit ihr reden. Sie war auch nicht so ernst wie die andere Frau vom Ministerium, sondern lachte selbst sehr viel.

„Eben!“, sagte Emilia grinsend. Schön, dass ihr wenigstens einer zustimmte. Den ganzen Abend lang redeten die beiden noch. Zum Teil über Quidditch, zum Teil über die Arbeit im Ministerium, die Isabelle Tag für Tag machen musste und zum Teil über Barty Crouch, den sie bald treffen würden. Beide amüsierten sich prächtig miteinander. Emilia hatte ihre Sorgen beinahe vergessen. Aber auch nur fast. Sie schwirrten ihr immer im Hinterkopf herum, dass sie keine Erinnerungen mehr hatte. Es quälte sie, nicht zu wissen, ob sie vielleicht sogar noch Familie hatte. Das war das einzige, was sie wirklich wissen wollte. Denn wenn sie noch Familie hatte, wollte sie zu ihr. Andererseits hätte doch irgendjemand sie vermisst und nach ihr gesucht, wenn sie Familie hätte. Dennoch ließ ihr dieses Thema keine Ruhe und sie dachte auch während des Gesprächs oft darüber nach, wie ihre Familie wohl aussehen könnte. Vielleicht einen kleinen Bruder, nicht zu klein, sondern ein Jahr oder zwei jünger als sie selbst. Ihr Vater und ihre Mutter, glücklich verheiratet mit einer durch und durch harmonischen Familie, die sich liebte. Ja, Emilia wünschte sich so gerne ihre Familie, falls sie denn eine hatte, zurück. Doch das konnte sie natürlich niemandem sagen. Und es würde auch nicht helfen, wenn sie es jemandem sagen würde. Immerhin war sie eine nicht verzeichnete Hexe, also kannte niemand ihre Familie. Und sie kannte auch niemand.

„Ich muss jetzt gehen … Ich muss morgen früh zur Arbeit, danach komme ich gleich zu dir“, meinte Isabelle leise. Sie wollte selbst nicht gehen, doch ihr blieb nichts anderes übrig, da sie morgen früh zur Arbeit musste. Und bei ihrem Job konnte sie sich verschlafen ganz sicher nicht leisten.

„Viel Spaß auf der Arbeit!“, grinste Emilia. Sie war froh, nicht arbeiten gehen zu müssen. Allerdings würde auch sie arbeiten müssen, wenn sie tatsächlich nach Hogwarts dürfte.

„Danke, dir auch im Faul sein!“, erwiderte ihr Vormund lächelnd und ging zur Tür. An der Tür drehte sich Isabelle noch einmal um. „Schlaf gut und ruh dich aus.“

„Gute Nacht“, wünschte Emilia noch, bevor die Zimmertür ins Schloss fiel. Noch eine ganze Weile lag sie einfach nur im Bett und sah zum Fenster raus, ohne an irgendetwas zu denken. Doch es juckte sie in den Fingern, noch mehr über das Zaubern zu erfahren und so nahm sie sich wieder eines der Hogwartsbücher. Dieses Mal war es das Kräuterkundebuch der zweiten Klasse, welches sie nahm. Kräuterkunde fand sie nicht so wirklich interessant und deswegen lernte sie es auch nur, weil sie es musste. Trotzdem konnte sie sich davon nicht einmal die Hälfte merken. Sie fragte sich, wozu man wissen musste, was für Pflanzen es alles gab und wie man sie umtopfte oder pflegte. Wenn man das brauchte, konnte man das doch schnell in einem Buch nachschlagen, warum also sollte man es lernen? Es war einfach nicht so wichtig wie Dunkle Künste, Zauberkunst und Verwandlung, wo es manchmal sogar um Leben und Tod ging. Wenn man in einem Duell dann keine Zaubersprüche kannte, würde es schon problematisch werden zu gewinnen. Emilia war nicht einmal halb so konzentriert in das Kräuterkundebuch und las es nur schnell einmal durch, ohne darauf zu achten, was davon sie sich merkte und was nicht. Sie wurde dafür auch recht schnell damit fertig, sodass sie sich um Mitternacht schlafen legen konnte. So schaltete sie die Lampe aus, die auf dem Tisch neben ihrem Bett stand und legte sich schlafen. Schon nach wenigen Minuten war sie eingeschlafen.

 

Als sie nächsten Morgen aufwachte, war es schon taghell. Schnell sah sie auf die Uhr. 11.35 Uhr. Seufzend ging ihr auf, dass sie das Frühstück verpasst hatte.

„Hunger?“, fragte Lorea, die gerade ihren Kopf zur Tür herein steckte. Erschrocken fuhr Emilia zur Tür herum.

„Klar!“, murmelte sie erleichtert, dass es doch noch etwas zu Essen gab. Dankend nahm sie Lorea das Tablett ab und lehnte sich zurück in ihrem Bett, das Frühstück auf ihrem Schoß. Die Krankenschwester setzte sich auf den Stuhl neben Emilia und musterte sie genau.

„Wie war das Treffen mit deinem Vormund?“, fragte Lorea neugierig. Sie wollte wissen, ob das Kind auch wirklich gut aufgehoben war. Auf sie hatte die junge Frau einen recht gestressten Eindruck gemacht, doch das konnte vielleicht auch nur täuschen, da sie sehr in Eile war. Isabelle wollte so schnell wie möglich Emilia sehen, hatte sie Lorea gestern noch gesagt, bevor diese gefragt hatte, ob sie Emilia nicht vielleicht ein paar Tage früher entlassen könnte. Lorea hatte nur zugestimmt, weil es dem Mädchen bestimmt gut tun würde, bei der Quidditchmeisterschaft dabei zu sein. Schließlich konnte sie noch nie dabei gewesen sein, denn die Meisterschaft fand nur alle paar Jahre einmal statt.

„Gut“, murmelte Emilia, während sie das Essen in sich hineinstopfte. „Sie ist wirklich nett. Und sie hat mir angeboten, ihren Nachnamen zu übernehmen. Ich freu mich schon total darauf, mit ihr zu wohnen. Sie hat sogar erzählt, dass Barty Crouch, ihr Chef, uns eingeladen hat zu der Weltmeisterschaft.“ Emilia redete gerne, auch wenn es fremde Leute waren. Sie brauchte jemanden zum Reden, sonst fühlte sie sich einsam.

„Das freut mich. Und so wie sie wirkte, darfst du bestimmt auch nach Hogwarts“, erklärte Lorea dem jungen Mädchen. Sie mochte das Mädchen und wollte sie eigentlich nicht gehen lassen, schon gar nicht zu fremden Personen, doch ihr blieb nichts anderes übrig. Wenn sie es sich so recht überlegte, war sie selbst Emilia genauso fremd wie diese Isabelle. Aber nach diesem Tag würde sie Emilia sowieso nicht wiedersehen, auch wenn sie es wollte. Und Emilia war ein Patient, genau wie jeder andere hier auch. Sie durfte sich einfach nicht so viel daraus machen, die Patienten gingen nunmal in einem Krankenhaus ein und aus.

„Ich hoffe es sehr. Ich habe gelesen, dass es in Hogwarts vier Häuser gibt. Was glauben Sie, in welches ich komme?“, fragte Emilia die Krankenschwester, während sie sich den Yoghurt nahm und ihn öffnete.

„Ich könnte mir gut vorstellen, dass du nach Gryffindor kommst“, sagte Lorea. „Ich selbst war aber in Ravenclaw.“

„Sie waren auch in Hogwarts?“, fragte Emilia erstaunt und starrte Lorea an. Kurz vergaß sie den Yoghurt, den sie in der Hand hielt und schaute nur zu der Krankenschwester.

„Natürlich. Die meisten in diesem Krankenhaus waren einmal in Hogwarts. Sehr schöne Schule, wirklich. Es gibt nichts vergleichbares.“ Nach den Schilderungen der Frau wollte Emilia nur umso mehr nach Hogwarts und sie beschloss, ihren Vormund noch heute zu fragen. Sie hatte nichts zu verlieren und ob sie nun früher oder später fragen würde, war ja eigentlich auch egal. Jedenfalls wollte sie unbedingt nach Hogwarts und sie würde alles geben, um Isabelle zu überreden.

„In Hogwarts hast du wirklich alles, was du brauchst. Einen schönen See, Freunde, Unterricht, Lehrer, Hogsmeade …“

Weiter kam sie nicht, denn Emilia unterbrach sie: „Hogsmeade? Das Zaubererdorf?“

„Ganz genau. Dort kannst du einkaufen gehen, natürlich erst ab der vierten Klasse und nur, wenn du ein unterschriebenes Formular vorweisen kannst“, erklärte Lorea dem Mädchen. Sie fragte sich, wie sie in Hogwarts in die vierte Klasse kommen wollte, wenn sie nicht einmal wusste, was Hogsmeade genau war. „Kannst du denn den Stoff der unteren Klassen? Ich gehe mal davon aus, dass sie dich testen werden, bevor sie entscheiden, in welche Klasse du kommst“, fügte Lorea hinzu. Sie wollte dem Mädchen helfen und im Moment hatte sie gerade etwas Zeit. Eigentlich hatte sie Mittagspause, doch sie verbrachte ihre Mittagspause gerne mit dem jungen Mädchen, um ihr zu helfen, das Nötigste zu lernen.

„So gut wie alles. Zauberkunst und Verwandlung kann ich zumindest alle Zaubersprüche und deren Wirkung. Kräuterkunde mag ich eh nicht und kann ich dann eben auch entsprechend … Dunkle Künste ist ganz okay, ich mag das Fach, es ist einfach. Zaubereigeschichte muss man ja nur einige Daten auswendig lernen und das mache ich ein paar Tage vor Hogwarts. Muggelkunde kann ja auch nicht so schwer sein. Pflege magischer Geschöpfe ist einfach, weil man da nur Tiere wissen muss und wie die halt aufgezogen werden und so, das kann ich mir ganz gut merken. Zaubertränke ist aber am besten, finde ich“, überlegte sie laut. Sie hatte so ziemlich jedes Buch, welches neben ihrem Bett lag, schon einmal in der Hand gehabt und in den meisten Fächern konnte sie sich das meiste merken. Nur in Kräuterkunde wollte das Zeug nicht so wirklich in ihren Kopf gehen.

„Kräuterkunde war auch nie mein Fach. Allerdings kommst du da normal auch durch die Prüfung, wenn du die Hälfte der Punkte erreicht hast. Also du weißt ja, dass es am Ende jedes Jahres einen Versetzungstest gibt, oder?“, fragte Lorea. Emilia nickte nur. „Gut, Zauberkunst und Verwandlung kannst du nicht so gut lernen, wenn du keinen Zauberstab hast. Also am Besten fragst du nachher mal, ob ihr nicht zusammen in die Winkelgasse gehen könnt, um einen Zauberstab zu besorgen“, riet Lorea ihrer Patientin.

„Wissen Sie, wann das Jahr in Hogwarts immer beginnt?“, fragte Emilia neugierig.

„Am 1.September fährt der Hogwarts-Express in London ab“, erklärte Lorea. „Aber nun solltest du dich noch ein wenig ausruhen, bevor dein Vormund nachher kommt, um dich abzuholen.“

Emilia nickte brav und wartete, bis ihre Krankenschwester die Tür hinter sich zugezogen hatte, nachdem sie verschwunden war. Seufzend nahm sich Emilia das nächstgelegene Schulbuch zur Hand und begann darin zu lesen. Dieses Mal hatte sie Verwandlung dritte Klasse erwischt. Sie mochte das Fach. Schon die ganzen Zaubersprüche konnte sie sich wirklich gut einprägen, sie fand, dass das Fach eines der einfachsten war und so merkte sie gar nicht, wie die Zeit verging. Vertieft in ihr Buch bekam sie gar nicht mit, wie Isabelle am späten Abend Emilia's Zimmer betrat. Fast lautlos setzte sich ihr Vormund neben ihr Bett, bis Emilia zufällig aufsah und sie entdeckte.

„Oh … ich hab dich gar nicht kommen hören! Wie lange bist du schon hier?“, fragte sie deshalb überrascht und legte das Buch zur Seite. Sie freute sich wahnsinnig auf ihr neues Zuhause, auch wenn es wohl nur für kurz war, wenn sie nach Hogwarts gehen würde. Außerdem war sie schon gespannt darauf, wie Isabelle wohnte. Immerhin schien sie ein hohes Ansehen im Ministerium zu haben und demnach auch einen relativ gut bezahlten Job. Emilia war einfach neugierig, wie so eine reiche Ministeriumsangestellte wohnte.

„Nicht lange. Ich bin gerade gekommen. Wie geht es dir?“, fragte Isabelle sie freundlich und strich ihr einige Strähnen aus dem Gesicht. Wenn man das Schauspiel von außen betrachtete, könnte man fast glauben, die zwei wären Mutter und Tochter, so nah wie sich die beiden zu stehen schienen. Das jedoch täuschte, da sich die beiden ja erst seit gut einem Tag kannten.

„Mir geht’s super! Ich freue mich schon voll auf morgen. Und ich bin neugierig, wie du wohl wohnst …“, erzählte Emilia. Wenn sie mit Isabelle redete, war sie komischerweise immer gut gelaunt, was wohl an der Ausstrahlung von Isabelle liegen könnte.

„Das ist schön“, sagte Isabelle lächelnd. „Ach ja, bevor ich es noch vergesse, ich habe einen Brief für dich -“, fügte sie noch hinzu und übergab Emilia den Brief. Erstaunt, dass sie mal einen Brief bekommen hatte, nahm sie ihn an sich und betrachtete ihn genau. Dies war der erste Brief, seit sie sich erinnern konnte. Der gelbliche Umschlag war dick und schwer, und auf dem Umschlag stand in smaragdgrüner Tinte die Adresse des Krankenhauses. Außerdem stand noch ihr Name und die genaue Zimmer-und Bettnummer auf dem Umschlag. Doch dies war kein gewöhnlicher Brief, wie Muggel ihn versandten, dies war ein Brief einer Zauberergemeinschaft. Emilia konnte keine Briefmarke entdecken, weshalb sie davon ausging, dass dieser Brief nicht von einem Muggel stammte. Zitternd drehte sie den Brief in ihrer Hand von einer Seite zur anderen, wobei ihr ein purpurnes Siegel auffiel. Beim genaueren Betrachten stellte Emilia fest, dass das Siegel aus Wachs war, und entdeckte ein Wappen darin, bestehend aus vier Tieren: einem Löwen, einem Adler, einem Dachs und einer Schlange, die allesamt einen Kreis um den Buchstaben 'H' in dem Siegel schlossen. H für Hogwarts, überlegte Emilia. Es könnte hinkommen. Neugierig riss sie den Umschlag mit ihrer zitternden Hand auf und nahm einen Brief aus dem Umschlag heraus. Mit belegter Stimme las sie den Brief laut vor:

 

 

 

HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI

 

Schulleiter: Albus Dumbledore

(Orden der Merlin, Erster Klasse, Großz. Hexenmst. Ganz hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer)

 

Sehr geehrte Ms Callahan, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass sie an der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei aufgenommen sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bücher und Ausrüstungsgegenständen und einen Brief des Schulleiters.

Das Schuljahr beginnt am 1. September. Wir erwarten Ihre Eule spätestens am 31. Juli.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Minerva McGonagall

Stellvertretende Schulleiterin

 

Innerlich fing sie an zu jubeln, erinnerte sich dann aber doch an den Brief vom Schulleiter. Wahrscheinlich würde dort dann drinstehen, in welche Klasse sie kommen würde, immerhin fände sie es ganz toll zu wissen, was sie lernen sollte. Wenn sie nun doch noch ins dritte Jahr gehen müsste, könnte sie sich das Lernen ja sparen, auch wenn sie teilweise gerne lernte.

Neugierig griff sie nochmal in den Umschlag und zog einen Brief aus meeresblauem Pergament hinaus. Leise vor sich hin murmelnd begann sie zu lesen:

 

Sehr geehrte Miss Callahan,

Wie Sie bereits bemerkt haben sollten, stellt sich bei Ihnen die Frage, in welche Klasse Sie kommen könnten. Deswegen habe ich mir etwas einfallen lassen. Und zwar werden Sie wie ein normaler Viertklässler zunächst in die Große Halle kommen. Nach dem Festmahl muss ich Sie jedoch bitten, sofort mein Büro aufzusuchen, damit wir Lehrer gemeinsam entscheiden können, in welcher Klasse Sie am besten aufgehoben wären.

Desweiteren möchte ich anmerken, dass auch ich mich auf die Suche begeben werde nach Ihrer Vergangenheit. Dazu aber am 1. September mehr.

Mit freundlichen Grüßen

Albus Dumbledore

 

„Wow … ich glaub das alles noch gar nicht! Ich kann tatsächlich nach Hogwarts. Ich hätte nie gedacht, dass das wirklich möglich wäre“, stammelte sie leise. Glücklich ließ sie sich in ihr Kissen zurück sinken und sah Isabelle zu, wie sie den Brief von Dumbledore las. Den anderen kannte sie ja bestimmt selbst schon, immerhin hatte sie früher einmal den gleichen bekommen. Auch Isabelle machte große Augen, als sie am Schluss des Briefes angekommen war, doch im Gegensatz zu Emilia fasste sie sich schnell wieder.

„Natürlich ist das möglich. Als Ministeriumsangestellte ist so ziemlich alles möglich“, grinste Isabelle sie verschmitzt an. Emilia wusste, dass sie ihre Finger im Spiel hatte, sie wusste nur nicht genau wie. Aber wahrscheinlich war es für jemanden aus dem Ministerium nicht wirklich schwer, mal eine Schule zu fragen, ob sie nicht noch eine Schülerin nehmen könnten. Dennoch war Emilia einfach zu glücklich, um sich darüber Gedanken zu machen, und so umarmte sie Isabelle einmal kurz. „Danke“, flüsterte Emilia ihrem Vormund leise ins Ohr, dann lehnte sie sich wieder zurück und ließ sich in ihr Kissen fallen.

„Gern geschehen“, lächelte Isabelle sie fröhlich an, dann schaute sie auf die Uhr, „Bist du schon fertig?“, fügte sie dann noch hinzu. Offenbar war es doch schon relativ spät und sie mussten ja beide morgen früh aufstehen, wenn sie zur Weltmeisterschaft wollten.

Emilia nickte und warf die Bettdecke neben sich, sodass sie völlig ungehindert aufstehen konnte, wäre da nicht der Schwindel. Taumelnd ließ sie sich zurück aufs Bett sinken und wartete, bis sich ihr Kopf wieder beruhigt hatte.

Isabelle bekam davon gar nichts mit, denn sie war zu beschäftigt damit, Emilias Sachen einzuräumen, die sie überall im Zimmer verteilt hatte. Ihre Bücher lagen am Fenster, unterm Bett, auf dem Beistelltisch neben ihrem Bett, vor der Tür, also eigentlich überall. Als sie damit fertig war, wandte sie sich Emilia zu, die zwar noch etwas schwankte, aber immerhin schon mal einen relativ festen Stand hatte.

„Geht's? Oder ist dir schwindelig?“, fragte Isabelle besorgt, als sie sah, wie sich Emilia die Hände an die Schläfen hielt und schwankte.

„Ein wenig schwindelig. Aber es geht, ganz sicher“, versicherte sie schnell. Emilia wollte auf keinen Fall die Quidditchweltmeisterschaft am morgigen Tag verpassen, also tat sie den ganzen Weg aus dem Krankenhaus raus so, als würde ihr nichts mehr fehlen. Immerhin merkte niemand, besonders nicht Lorea, die sie besorgt musterte, dass es ihr eigentlich gar nicht so gut ging, wie sie tat.

„Viel Glück, Emilia. Pass auf dich auf“, hatte Lorea zum Abschied gesagt und dann Emilia an sich gedrückt. Sie selbst hatte nur brav genickt, da sie nicht wusste, was sie hätte sagen sollen. Nun stand sie mit Isabelle vor dem Krankenhaus und wartete auf irgendetwas, was anscheinend Verspätung hatte. Isabelle erklärte dazu nur, dass ihr Bruder eigentlich hier hätte warten sollen, doch offenbar war er schon vor gegangen und wartete nun bestimmt auf sie. Also lief Emilia still ihrem Vormund hinterher, durch die kleinen Gassen, oder vielbefahrenen Straßen.

„Wo genau gehen wir hin?“, fragte Emilia, als sie gerade wieder durch eine kleine Seitengasse liefen, nur um dann wieder auf einer Art Hauptstraße herauszukommen. Emilia hatte sich schon seit sie losgingen gefragt, wo sie denn hingingen, hatte bisher aber noch keine Lust gehabt, zu fragen. Immerhin wollte sie nicht nervig oder aufdringlich wirken und wenn Isabelle von Anfang an gewollt hätte, dass Emilia erfährt, wohin sie gingen, hätte sie es ihr bestimmt gesagt. Also fragte Emilia erst nach einer knappen Stunde, in der sie mehr oder weniger ziellos im Kreis gelaufen waren.

„Diese Muggelstädte! Immer das gleiche Chaos!“, regte sich Isabelle auf. Dann fügte sie noch hinzu: „Zu meinem Haus. Aber ehrlich gesagt kenne ich den Weg nicht, weil ich sonst für gewöhnlich appariere.“

„Wieso apparieren wir nicht jetzt auch?“, fragte Emilia verwirrt. Dann fiel es ihr wieder ein. Apparieren war nicht so einfach und konnte auch durchaus schmerzhaft enden, und in ihrem jetzigen Zustand wäre es wohl kaum zu Raten, dass sie apparieren. Immerhin waren ihre Verletzungen noch immer nicht vollständig geheilt und ihr war auch noch immer ein wenig schwindelig. „So finden wir uns doch nicht zurecht. Wir kennen uns hier beide nicht aus! Also probieren wir halt das Apparieren?“

„Du bist noch nicht gesund. Und morgen wirst du dann schon wieder apparieren müssen, beim besten Willen, das ist wirklich nicht gut für dich so oft zu apparieren“, erklärte Isabelle. Damit war für sie wohl die Diskussion beendet, doch für Emilia nicht. Emilia war schon immer stur gewesen und deswegen war sie nicht einverstanden mit der Entscheidung.

„Ich kann selbst entscheiden, was gut für mich ist!“, sagte sie genervt, „Nur, ich habe echt keine Lust mehr hier im Kreis zu rennen.“

„Ich werde nicht mit dir apparieren“, blieb Isabelle hart. „Apparieren ist gefährlich und du bist noch nicht wieder ganz gesund! Das kann schwere Folgen haben.“ Mit Isabelle zu diskutieren war wirklich nicht toll, vor allem, weil Emilia wusste, dass sie sie nicht umstimmen konnte. Auch wenn sie stur war, wusste sie, wann sie verloren hatte. Und dieser Zeitpunkt war nun gekommen.

„Dann überlegen wir uns irgendwas anderes. Aber hier die ganze Zeit im Kreis zu rennen bringt uns wirklich nicht weiter“, warf sie ein und sie wusste, dass sie Recht hatte. Auch Isabelle wusste, dass sie so nie am Ziel ankommen würden.

„Gut, dann apparieren wir. Am besten wir gehen jetzt noch in die Winkelgasse und besorgen deine Sachen, dann müssen wir das nicht mehr nach der Weltmeisterschaft machen.“ Isabelle seufzte und nahm Emilias Arm. Dann schloss sie die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. „Am besten, du schließt auch deine Augen. Und vorsicht, dir könnte danach etwas schlecht sein.“

Emilia wollte noch nicken, doch dann hatte sie bereits das seltsame Gefühl, als würde sie nach oben gezogen werden. Sie verlor den Boden unter ihren Füßen. Panisch sah sie sich um, konnte jedoch nichts weiter erkennen als ihre tiefschwarze Umgebung. Sie spürte, wie ihr Abendessen ihr hochkam, als sie endlich landeten. Gebückt ließ sie sich auf den Boden fallen, wo sie sich mit den Händen fest an den Bauch gedrückt, einrollte. Ihr war mittlerweile so schlecht geworden, dass sie glaubte, sich gleich übergeben zu müssen.

Doch nach ein paar Minuten schon hatte sich ihr Bauch wieder soweit beruhigt, dass sie gefahrlos aufstehen konnte. Dann sah sie sich genauer um und entdeckte überall um sich herum Zauberer und Hexen, die mit ihren Kindern durch Läden rannten und Schulsachen einkauften. „Wow!“, brachte sie staunend heraus. Alles mögliche gab es in der Winkelgasse zu kaufen, was sie gar nicht für möglich gehalten hätte, schließlich waren sie noch immer in London, so viel sie wusste. Man konnte Zauberstäbe bei Ollivander's, Bücher bei Flourish & Blotts, Besen bei Mollys beste Besen kaufen und sogar Geld von der Zaubererbank Gringotts holen. Emilia war begeistert. Sie wusste gar nicht, wo sie hinschauen sollte, so viel Neues gab es hier zu betrachten.

„Komm, dort vorne steht mein Bruder“, sagte Isabelle und nickte in Richtung Gringotts. Einen Moment sah sich Emilia noch einmal staunend um, dann folgte sie Isabelle mit offenem Mund. Sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, war gar nicht so einfach, wie Emilia es sich vorgestellt hatte. Dauernd wurde sie angerempelt oder beiseite geschubst, nur um andere Zauberer vorbei zu lassen. Und hier rannte irgendwie sowieso jeder in eine andere Richtung, sodass man andauernd mit irgendjemandem zusammen stieß. Schnaubend rannte sie Isabelle hinterher, die bereits um einiges voraus in der Menge unterging. Panisch drängelte sie sich an den netten Zauberern vorbei, die sie anpöbelten, wenn sie vorbei wollte, doch davon ließ sich Emilia nicht beirren. Sie rannte einfach nur weiter, ohne darauf zu achten, wen sie eigentlich umschubste, bis sie Isabelle wieder in der Menge ausmachen konnte. Erleichtert lief sie schnell zu Gringotts, welches Isabelle gerade mit einem jungen Mann betrat.

Der junge Mann hatte braune Haare, die ihm ins Gesicht hingen und die er oft nach hinten streichen musste, damit er überhaupt etwas sehen konnte. Außerdem hatte er, wenn Emilia das richtig beobachtet hatte von der großen Entfernung, meeresblaue Augen, die seltsam strahlten. Seine Augen wirkten wie die eines kleinen Kindes, wenn man ihm ein Spielzeug geschenkt hatte. Sie glänzten einfach. Doch der junge Mann sah nicht wie ein normaler Zauberer aus, sondern hatte einen schwarzen Anzug an, den normal nur Muggel anzogen, und eine weiße Krawatte.

Emilia beeilte sich, den beiden zu folgen, und holte sie mitten in der Halle von Gringotts doch noch ein. „Wieso … rennt … ihr … so?“, fragte Emilia die beiden heftig atmend. Sie musste nach jedem Wort erst einmal wieder Luft holen, so sehr hatte sie sich angestrengt, den beiden zu folgen.

„Oh, tut mir Leid. Ich dachte, du wärst direkt hinter uns“, Isabelle verzog ihr Gesicht, doch Emilia schüttelte nur den Kopf. „Das hier -“, Isabelle zeigte auf den großen Mann, der, wie Emilia jetzt erst auffiel, mehr als einen ganzen Kopf größer war als sie, „ist Jaden, mein älterer Bruder“, stellte Isabelle ihren Bruder vor.

„Ich bin Emilia“, sagte sie, während sie den Mann musterte. Er verzog keine Miene, seinem Gesicht konnte man keinerlei Gefühlsregung ablesen.

„Emilia, ich muss dich bitten, kurz hier zu warten … Ich bin gleich wieder da“, versprach Isabelle und verschwand mit ihrem Bruder nach vorne, ohne dass Emilia etwas erwidern könnte. Also blieb ihr wohl oder übel nichts anderes übrig, als zu warten, bis die beiden wiederkamen.

Gelangweilt lehnte sie sich an eine Mauer und sah sich in der großen Halle um. Es wimmelte nur so von kleinen Kobolden, die jeweils an den Seiten an ihren Tischen saßen. Ganz hinten in der Halle konnte Emilia außerdem zwei Kobolde ausmachen, die wohl für das Geld selbst zuständig waren. Der Rest erledigte wahrscheinlich nur die Schreibarbeit. Allerdings sahen alle wirklich beschäftigt aus, dennoch aber nicht glücklich, zumindest sahen alle mehr oder weniger grimmig aus.

Um sich von ihrer Langeweile abzulenken, beschloss sie, nach draußen zu gehen, und mal in einige der Läden zu gehen. Die beiden würden sie schon früher oder später wiederfinden, da war sich Emilia sicher. Langsam erhob sie sich und ging durch die Tür hinaus zurück in die Winkelgasse, die nur so von Leuten wimmelte.

„Warte!“, rief Isabelle da jedoch schon von hinten. Schnell ging sie auf Emilia zu und drückte sie kurz als Entschuldigung, sie einfach stehen gelassen zu haben. Emilia nickte nur und lief durch die Tür hinaus auf die Winkelgasse. Vor lauter Leuten konnte sie die einzelnen Laden gar nicht ausfindig machen und so blieb Emilia nichts weiter übrig, als ihrem Vormund und deren Bruder zu folgen.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Emilia, die durch die Menschenmasse hetzte, um den beiden folgen zu können. Wahrscheinlich merkte sie gar nicht, wie schnell sie gingen und dass Emilia mehr als einmal weit hinter ihnen gewesen war.

„Ollivanders“, meinte Isabelle. „Und danach zu Eylops Eulenhaus. Den Rest wird Jaden nachher noch alleine erledigen. Er muss morgen nicht ganz so früh aufstehen wie wir. Außerdem ist es jetzt doch schon recht spät geworden.“ Emilia hatte die Zeit völlig vergessen. Allerdings hatte sie auch keine Uhr, auf die sie mal schnell schauen konnte. So etwas wie eine Armbanduhr trug sie nicht, weil sie solche Dinger einfach nicht leiden konnte. Ungeduldig joggte Emilia hinter den beiden her, die mal wieder in ein Gespräch vertieft waren. So bemerkten sie gar nicht, wenn Emilia mal wieder etwas zurückfiel und Mühe hatte, die beiden wieder zu finden. Als sie endlich bei Ollivanders ankamen, war Emilia völlig außer Atem und der Schweiß lief ihr von der Stirn hinunter. Nicht, dass sie gerannt wäre, aber die Aufregung, wenn sie die zwei Erwachsenen mal wieder verloren hatte, verursachten bei ihr solche Reaktionen.

Kühle Luft schlug ihr entgegen, als Emilia die Tür zu dem Zauberstabgeschäft öffnete. Angenehm kühle Luft, die sie sofort ihren Stress vergessen ließ. Der Laden bestand, so weit sie es sehen konnte, aus zwei Räumen. Einen kleinen Raum mit dem Verkaufthresen, der direkt gegenüber der Tür angebracht war, und einen Großen, zu dem ein Gang nach hinten durch führte. Wie es aussah, lagerte Ollivander dort seine Zauberstäbe. Die Wände waren mit zahlreichen Bildern von anderen Zauberstabmachern oder berühmten Zauberstäben übersäht, sodass Emilia nicht mehr erkennen konnte, welche Wandfarbe der Raum einst hatte. An sich wirkte der Raum eher dunkel, da das spärliche Licht einer kleinen Fackel im vorderen Raum den Laden nicht wirklich erhellen konnte. Langsam ging Emilia nach vorne an den Thresen, wo sie erst einmal stehen blieb und wartete. Als sie nach einigen Minuten noch immer nicht bedient wurde, rief sie ein lautes „Hallo?“ in den Laden hinein. Sofort erschien ein älterer kleiner Mann mit großen, leuchtenden und blasssilbernen Augen, die sie starr und forschend anblickten.

„Guten Tag“, murmelte er. Seine Stimme war leise, aber dennoch sanft. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ War es nicht eigentlich offensichtlich, was sie hier wollte? Immerhin war dies ein Geschäft, wo man Zauberstäbe kaufte, was sollte sie also sonst hier wollen?

„Ich brauche einen Zauberstab, was sonst?“, erwiderte Emilia kühl. Sie mochte den Mann eigentlich schon, aber irgendwie war sie gerade extrem genervt von ihm. Die Frage von ihm war mehr als … dumm gewesen, immerhin lag die Antwort doch auf der Hand. Kopfschüttelnd trat sie abwartend vor den Thresen, um zu Ollivander zu schielen, der gerade in den hinteren Raum verschwunden war. Leider konnte sie nicht mehr als Dunkelheit erkennen. Nach einigen Sekunden tauchte der Mann wieder auf und legte Emilia drei Zauberstäbe vor die Nase.

Sie griff nach einem und schwang ihn ein wenig. Nichts passierte. Absolut nichts. „Sollte da nicht eigentlich irgendwas passieren?“, fragte sie stirnrunzelnd.

Ollivander nickte zerstreut und wies sie an, den nächstens auszuprobieren. Auch dieser bewirkte absolut nichts. Emilia fühlte nicht einmal etwas, als sie ihn in die Hand nahm, der Zauberstab fühlte sich an wie jeder gewöhnliche Ast eben auch. Einen Moment konnte Emilia in Mr. Ollivanders Augen die Verwirrung sehen, dann waren seine Augen jedoch wieder neutral und glänzten im Kerzenschein.

Emilia drehte den Kopf nach hinten und suchte nach Isabelle, die dicht an die Wand gelehnt dastand und dem ganzen Treiben zusah. Als sie jedoch bemerkte, dass Emilia Zweifel hatte, ging sie sofort zu ihr und drückte sie an sich. „Ollivander findet schon noch den richtigen Zauberstab für dich. Die beiden waren einfach falsch!“, beruhigte Isabelle sie. Jaden stand noch immer an die Wand gelehnt gelangweilt da und sah dem Schauspiel amüsiert zu. Er konnte nicht fassen, dass seine Schwester doch tatsächlich ein Mädchen adoptiert hatte. Bisher hatte sie Kindern doch auch nichts abgewinnen können, wieso also jetzt auf einmal? Diese Frage quälte ihm, seit er das nette junge Mädchen kennen gelernt hatte. Was hatte seine Schwester für eine Absicht?

Als Ollivander wieder in den Raum spazierte, ging Isabelle schnell zurück zu ihrem Bruder und sah diesen warnend an. Er sollte ja kein Wort darüber verlieren, dass sie Emilia nun wirklich adoptiert hatte. Schließlich war es ja nicht seine Sache, sondern ganz allein ihre.

Der Zauberstabmacher hatte drei weitere Kästen mit Zauberstäben auf dem Arm und stellte diese vor Emilia auf den kleinen Tisch. Skeptisch nahm Emilia einen in ihre Hand und spürte schon, wie neue Kraft durch ihre Adern floß. Das musste ihr Zauberstab sein! Glücklich schwang sie ihn einmal. Es kamen bunte Schmetterlinge heraus, die wild umherflogen und dann plötzlich verschwanden.

„Ich denke, das ist Ihr Zauberstab. Drachenherzfaser, Stechpalme, 13 Zoll“, sagte Ollivander, einfach nur indem er sich den Zauberstab anschaute. Emilia war begeistert von dem Mann, immerhin war er ein richtiges Genie auf seinem Gebiet.

Isabelle bezahlte für sie und so gingen sie wenig später schon in den nächsten Laden: Eylops Eulenkaufhaus. Hier sollte sich Emilia eine Eule aussuchen, damit sie ihrem Vormund auch schreiben könnte und keine Schuleule nehmen musste.

„Seit wann … nimmt man Eulen als Brieftauben?“, fragte sie etwas verwirrt, als Isabelle ihr das mit den Briefen erzählte.

„Was sind Brieftauben?“, erwiderte diese äußerst interssiert. Den ganzen Weg bis ins Geschäft hinein versuchte Emilia zu erklären, was Brieftauben waren, doch Isabelle stellte immer solch komischen Gegenfragen, dass Emilia sehr schnell aufgab und ihre weiteren Fragen einfach schamlos ignorierte.

„Wow!“, flüsterte Emilia ehrfurchtsvoll, als sie den Laden betrat. Überall saßen Eulen in den Käfigen und alle sahen irgendwie verschieden aus. Keine Eule glich der anderen, sodass es Emilia auch nach einer Stunde noch schwer fiel, sich zu entscheiden. Sie hatte die Wahl zwischen einem hübschen, braunen Waldkauz gehabt und einen süßen, kleinen Steinkauz. Am Ende hatte sie sich schweren Herzens für den Steinkauz entschieden, den sie auf den Namen „Fly“, taufte. Sehr einfallsreich fand sie den Namen nicht, aber ihr war auf die Schnelle kein besserer eingefallen und so verließen die drei nach guten zwei Stunden das Eulenkaufhaus mit einer glücklichen Eule.

„Gut … du gehst noch ihre Bücher kaufen?“, fragte Isabelle ihren Bruder, während Emilia ihren Steinkauz streichelte. Sie fand ihn so unglaublich süß, wie er da so unschuldig in dem Käfig saß, den Emilia auf der Schulter trug.

„Ich wollte eh noch etwas drüben in der Nokturngasse machen, dann kann ich ihre Sachen mitbringen, ja“, stimmte er zu. „Wir sehen uns also morgen nicht, bei der Weltmeisterschaft?“

„Ich denke nicht. Ich werde bei meinem Chef sein und ich denke nicht, dass es so gut wäre, wenn ich noch jemanden mitbringen würde“, murmelte Isabelle leise. Emilia tat es fast Leid, dass Jaden nur wegen ihr nicht bei seiner Schwester sein konnte. Aber auch nur fast! Eigentlich war sie froh darüber, nicht bei ihm sein zu müssen, denn sie fand ihn noch immer etwas unheimlich. Die kurze Zeit, die sie ihn nun kannte, hatte er wenig geredet und wenn, nur mit seiner Schwester. Und immer, wenn er Emilia anschaute, lag in seinem Blick so etwas wie Verwirrung und Enttäuschung. Emilia verstand diesen Blick nicht, beschloss aber, nicht nachzufragen. Sie hoffte, dass er es ihr sagen würde, wenn er ein Problem mit ihr hatte.

„Gut, dann sehen wir uns nach der Abreise nach Hogwarts“, sagte Isabelles Bruder und schielte leicht zu Emilia. Diese tat so, als würde sie seinen forschenden Blick nicht bemerken, doch eigentlich wollte sie ihm nur zu gern die Meinung sagen. Andererseits wollte sie nicht gleich am ersten Tag in ihrer neuen Familie negativ auffallen. Also beschäftigte sie sich weiter mit ihrer neuen Eule, hörte aber trotzdem ganz genau den beiden zu.

„Ja, ist ja nicht mehr lange. Ein paar Tage noch!“, meinte Isabelle und fiel ihrem Bruder um den Hals. Dieser nickte und drückte seine Schwester fest an sich, bevor er sich von ihr löste und verschwand, ohne ein weiteres Wort an Emilia zu richten.

„Wieso hat er nicht tschüss gesagt?“, fragte sie deshalb ihren Vormund und sah sie stirnrunzelnd an. Jaden tat ja fast so, als existiere Emilia gar nicht.

„Ich weiß es nicht. Er redet einfach nicht so viel und er denkt von dir, dass du ihn nicht magst“, erklärte Isabelle.

„Wieso sollte ich ihn denn nicht mögen?“, fragte ich verwirrt nach. Ich hatte keine fiesen Bemerkungen gemacht und ich hatte ihn auch behandelt wie jeden anderen Menschen auch.

„Du hast ihm mehr oder weniger die kalte Schulter gezeigt. Meist hattest du einen eisigen Blick aufgesetzt und das hat ihn abgeschreckt“, versuchte Isabelle dem Mädchen klar zu machen. Eigentlich mochte Isabelle dessen Art ja, aber als ihr Bruder anwesend gewesen war, war sie so seltsam gewesen und hatte sich seltsam verhalten. Im Krankenhaus noch war sie ein total nettes Mädchen und kaum war sie raus, wurde sie zu einer Prinzessin, die sich für etwas besseres hielt. Das konnte Isabelle sich nur dadurch erklären, dass Emilia ihren Bruder nicht leiden konnte und deshalb so abweisend gewesen war.

„Tut mir Leid“, sagte Emilia, doch sie wusste, dass das nicht wirklich von Herzem kam. Das sagte sie nur, um ihren Vormund zu beruhigen. Sie wollte nicht schon am ersten Tag einen so schlechten Eindruck machen, dass sie womöglich bald wieder alleine wäre.

„Es ist okay. Komm, wir gehen nach Hause“, sagte Isabelle und griff sich Emilias Hand. Dann zog sie sie mit sich durch die Winkelgasse in eine kleine, eher abgeschiedene Gegend. Emilia hatte dabei gar kein gutes Gefühl, nicht dass sie Angst hätte, aber ihr war die Gegend nicht geheuer. Alles sah so heruntergekommen aus, die Häuser waren fast alle schon verfallen, sodass niemand mehr dort wohnen konnte. Was machten sie also hier? Doch Emilia ließ sich brav mitziehen und schon wenig später waren sie an einem kleinen, grünlichen Haus angekommen. Dieses wirkte nicht so verfallen wie andere, aber auch nicht so, dass Emilia gerne dort gewohnt hätte.

„Wir gehen nur zu einem Flohnetzwerk, keine Sorge“, beruhigte Isabelle die Kleine, als sie ihren skeptischen Blick sah. Schmunzelnd drückte sie gegen die Tür, die sogleich aufging. Kalte Luft schlug den beiden Frauen entgegen, als sie eintraten. Von innen sah das Haus schlimmer aus als manche von außen. Die Fenstergläser waren zersprungen, was man von außen gar nicht gesehen hatte. Die Gardinen waren heruntergerissen worden, zumindest so halb, denn eine Seite hing noch normal, die andere lag komplett auf dem Boden. Zögernd ging Emilia der Frau hinterher, bis diese bei einem Kamin stehen blieb.

„Ich mach es dir vor, und du kommst dann nach, okay?“, fragte Isabelle. Emilia nickte und bekam etwas Sand in ihre Hand geschüttet. Dann stieg Isabelle in den Kamin und rief laut: „Adlerhaus!“ und schmiss den Sand, den sie in der Hand hielt, auf den Boden, bevor sie auf einmal verschwand. Mit offenem Mund starrte Emilia dahin, wo Isabelle vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte. Wo war sie hin? Und vor allem wie war sie weg?

Nervös lief Emilia mit langsamen Schritten auf den Kamin zu und stellte sich so hinein, dass sie herausschauen konnte in den Raum. „Immer ruhig bleiben!“, sagte sie sich selbst. Schluckend konzentriert sie sich auf die Situation. Dann schloss sie schnell die Augen, sagte laut „Adlerhaus“, und warf reflexartig den Sand auf den Boden. Schon hatte sie keinen Boden mehr unter den Füßen. Sie wurde herumgewirbelt in alle möglichen Richtungen, bis ihr schlecht wurde. Doch kurz bevor sie sich übergeben musste, stürzte sie in einen hellen Raum auf den Boden. Dort blieb sie keuchend einige Minuten lang liegen, bis Isabelle geschockt im Zimmer erschien. „Da bist du ja!“, rief sie laut und stürzte zu ihr. Sie hatte eine grüne Flasche in der Hand mit irgendeinem durchsichtigen Zeug darin. „Trink das!“, forderte Isabelle sie auf und kippte ihr das flüssige Zeug in den Mund. Tatsächlich half es schon, als sie es noch nicht einmal geschluckt hatte. Es wärmte sie von innen heraus, sodass es ihr nach Sekunden schon wieder besser ging.

„Danke!“, murmelte Emilia leise. Sie war in einem großen Raum gelandet, in dem fast alles blau war. Die Wände waren meeresblau, das Geschirr in einem der Holzschränke war blau, und die Tischdecke war blau. Offenbar war blau Isabelles Lieblingsfarbe. Emilia war eindeutig im Esszimmer gelandet, denn in der Mitte des Raums stand ein großer Holztisch für mehr als vier Personen.

„Nichts zu danken. Aber nun, ab ins Bett, es ist schon spät!“, meinte sie und scheuchte sie auf. Widerwillig erhob sich Emilia und wankte aus dem Raum auf der Suche nach ihrem Zimmer oder einem freien Bett. „Treppe hoch, oben das erste Zimmer“, kam es da aus dem Esszimmer. Lächelnd ging Emilia die Marmortreppe hinauf und tatsächlich war dort eine Tür, die wohl in ihr Zimmer führen sollte. Gleich gegenüber der Treppe drückte sie die Tür auf und stolperte in ein hübsches Zimmer. Es hatte zwei Fenster und war dementsprechend hell, Isabelle konnte ja nicht wissen, dass Emilia mehr das Dunkle mochte. Gähnend schmiss sie sich auf das weiche Bett, ohne sich vorher umzuziehen. Sie schlief auch keine zwei Minuten später schon ein.

 

„Aufstehen, Emilia!“, jemand rüttelte an Emilias Arm und riss ihr dann die Decke weg. Verschlafen machte sie kurz die Augen auf und seufzte dann. Ihr kam es vor, als wäre sie gerade eben erst eingeschlafen. „Hm?“, fragte sie noch im Halbschlaf. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie wollten ja heute zusammen zu der Quidditchweltmeisterschaft. Abrupt setzte sie sich auf.

Erschrocken fuhr Isabelle, die sich über Emilia gebeugt hatte, von ihr weg und stellte sich vor sie hin. „Du solltest dich umziehen. Wir müssen gleich schon los!“, murmelte sie leise und verließ dann das Zimmer.

Als Emilia sich von ihrem Bett erhob, stellte sie fest, dass sie noch immer die Sachen von gestern trug. Kopfschüttelnd ging sie zu dem Kleiderschrank und zog ein hübsches rotes Kleid heraus, das ihr bis knapp über die Knie ging. Schnell zog sie es an und bewunderte sich im Spiegel. Das rote Kleid passte sich perfekt an ihre schlanke, geschmeidige Figur an, dazu passend fielen ihre blonden Haare über ihre Schulter, wo sie ein paar Locken entdecken konnte. In dem Moment fand sie sich wirklich hübsch, auch wenn sie eigentlich noch nie eingebildet gewesen war. Glücklich hüpfte sie die Treppe hinunter und jagte in die Küche, wo ihr ein süßer Geruch entgegen kam. Der Geruch nach frisch gebackenen Brötchen stieg ihr in die Nase und ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.

„Du siehst wirklich wunderschön aus“, sagte Isabelle, als sie Emilia neben sich stehen sah. Emilia nickte grinsend und setzte sich an den Tisch, wo Isabelle bereits fein säuberlich den Tisch mit allen möglichen Sachen gedeckt hatte.

„Das sieht lecker aus!“, kommentierte Emilia den Esstisch. Es gab wirklich alles. Nutella, Marmelade, Honig, Wurst, Käse, wirklich alles konnte man irgendwo auf dem Tisch verteilt finden. Hungrig griff Emilia nach einem Brötchen und schmierte es sich mit Nutella voll.

In Rekordzeit bekam sie 5 Brötchen hinunter, dann gab sie es auf zu essen. Immerhin wollte sie ihre schlanke, zierliche Figur behalten und nicht dicker werden. Da nicht mehr viel Zeit blieb, bis die beiden losmussten, half Emilia ihrem Vormund, den Tisch abzuräumen.

„Danke!“, sagte Isabelle ehrlich zu Emilia, als die beiden fertig waren mit aufräumen. „Nun … hol bitte alle deine Sachen, die du brauchst. Wir treffen uns in fünf Minuten an der Tür“, erklärte sie. Emilia nickte bloß und machte sich wieder die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. Nun ja, ihr Zimmer konnte man es eigentlich nicht nennen, da sie sowieso nur zweimal dort schlafen würde. Heute abend, so hatte Isabelle es ihr beim Frühstück erklärt, würden sie beide in einem Zelt nahe der Quidditcharena verbringen. Also blieb noch eine Nacht, nämlich die gleich danach, dann war auch schon die Zeit gekommen, Isabelle wieder zu verlassen. Doch auch wenn Emilia Isabelle eigentlich nicht so schnell wieder verlassen wollte, freute sie sich auf Hogwarts. Sie glaubte auch, es sei am besten, denn immerhin konnte Isabelles Bruder Emilia nicht so wirklich leiden, und Isabelle musste schließlich auch arbeiten. Da würde es ziemlich schnell langweilig werden für Emilia.

Was sollte sie nun mitnehmen? Eigentlich brauchte sie ja nichts, außer vielleicht ihrem Zauberstab und etwas zu essen und zu trinken. Essen und Trinken nahm aber Isabelle schon mit, also brauchte sie ja nichts mehr einzupacken.

Langsam schob Emilia die Tür zu ihrem Zimmer auf und nahm ihren Zauberstab vom Bett. Wozu brauchte man wohl einen Zauberstab? Und konnten womöglich auch Muggel damit zaubern? Nachdenklich ging sie wieder die Treppe hinunter und stellte sich an die Tür. Es waren noch nicht einmal drei Minuten vergangen, seit sie nach oben gegangen war. Isabelle kam kurz nach ihr mit einem vollen Rucksack aus der Küche.

„Hast du alles?“, fragte sie Emilia, als sie sah, dass sie nicht einmal einen Rucksack hatte. Diese nickte jedoch nur und sah Isabelle aufmerksam an.

„Gut, wir werden mit dem Flohnetzwerk reisen, das ist am bequemsten, denke ich“, erklärte sie Emilia, die sie fragend anschaute. Isabelle hatte das Gefühl, dass irgendetwas mit Emilia nicht stimmte. Sie benahm sich so seltsam und redete kaum ein Wort. Was sie wohl hatte? Doch Isabelle traute sich nicht nachzufragen, schließlich kannten sie sich ja noch nicht so lange.

„Ich hasse diese Art zu reisen!“, klagte Emilia, doch Isabelle hatte sich schon in den Kamin im Esszimmer gestellt.

„Ich weiß. Nimm ein bisschen Flohpulver“, Isabelle hielt Emilia einen kleinen Sack hin. Diese griff ohne jeden Kommentar hinein und holte eine Handvoll Pulver hinaus. Dann nahm sie etwas Abstand von dem Kamin und schaute Isabelle auffordernd an.

„Quidditcharena!“, rief Isabelle laut und deutlich und warf währenddessen ihr Flohpulver auf den Boden des Kamins. Mit einem leisen 'Plopp' verschwand sie. Emilia starrte noch einige Zeit wütend auf den Kamin, dann setzte auch sie sich in Bewegung und positionierte sich in dem Kamin. Seufzend musterte sie das Flohpulver in ihrer Hand. „Quidditcharena!“, rief sie laut und öffnete ihre Hand, sodass das Pulver auf den Boden fiel. Kurz verlor sie den Boden unter den Füßen … dann schon tauchte sie mitten in einem großen Raum auf. Zuerst konnte Emilia ihren Vormund sehen, welche nicht weit entfernt auf sie gewartet hatte. Viele Zauberer schwirrten in diesem großen Saal herum und kamen aus zahlreichen Kaminen an den Seiten heraus. Hier kamen wohl alle Zauberer und Hexen an, die mit Flohpulver reisten, überlegte sich Emilia. Langsam marschierte sie durch die Menge auf Isabelle zu und blieb dort stehen.

„Wo sind wir hier?“, fragte Emilia und sah sich stirnrunzelnd um. Die meisten Leute rannten mit ihrer Familie in Richtung große Türen am Ende des Saals. Die Leute, die sich nicht bewegten und einfach nur schlecht gelaunt dastanden, hatten alle die gleiche Uniform an und waren wohl vom Zaubereiministerium. Emilia würde es aufregen, hier unten zu stehen und nicht bei der Quidditchweltmeisterschaft zuzuschauen. Aber irgendwer musste den Job ja machen.

„Unter dem Zeltplatz. Wir laufen jetzt dort entlang -“, Isabelle zeigte auf die Richtung, in die alle gingen, zur großen Tür hin, „und dann suchen wir unseren Zeltplatz. Du bleibst bitte dicht hinter mir, okay?“

„Und wenn nicht?“, fragte Emilia frech. Es war nicht so, dass sie unbedingt abhauen wollte, nur wahrscheinlich würde sie dort oben schon von allen Wolken fallen. Immerhin war dies eine Weltmeisterschaft. Und dann würde sie bestimmt nicht mehr darauf achten, hinter Isabelle her zu kommen, vor allem nicht, wenn diese wieder so schnell laufen würde.

„Dann gibt’s nachher Ärger!“, sagte Isabelle und schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Das wollte Emilia lieber doch nicht riskieren und nickte nur, ehe sie sich in Richtung Ausgang in Bewegung setzte. Staunend lief sie durch die Menge. Ständig wurde sie von irgendwelchen kleinen Kindern angerempelt, doch das scherte sie eher wenig. Sie war viel zu glücklich, eine Hexe zu sein. Sie liebte Zauberei jetzt schon, auch wenn sie noch nicht einmal in Hogwarts war. Vor allem aber war sie froh, bei der Quidditchmeisterschaft dabei sein zu dürfen.

Alle zwei Meter waren Kamine angebracht auf jeder Seite, sodass auch wirklich viele Leute dort ankommen konnten und es nicht so viel Stau gab. Bei der Tür wartete Emilia auf ihren Vormund, die sich langsam durch die Menschenmasse drängelte. Isabelle warf Emilia einen bösen Blick zu, bevor sie an ihr vorbei durch die große schwarze Tür ging.

Quidditchweltmeisterschaft

Als Emilia durch die Tür trat, kam ihr heller Sonnenschein entgegen. Zuerst musste sie ihre Augen zusammen kneifen, weil das Licht so brannte. Erst als sich ihre Augen weitesgehend an das Sonnenlicht gewöhnt hatten, machte sie erneut die Augen auf.

Vor ihr lag ein kleiner Hügel, auf dem bereits einige Zelte standen. Bunte Zelte in wirklich allen Farben, die es überhaupt gab. Ansonsten konnte Emilia noch nicht so viel erkennen, da vor ihr bereits wieder eine ganze Ansammlung von Menschen stand, die genau wie sie, ihr Zelt suchten. Emilia sah Isabelle hilfesuchend an und marschierte ihr dann einfach hinterher, als Isabelle sich in Bewegung setzte. Sie gingen den kleinen Hügel hinauf und drängelten sich unsanft an einigen Leuten vorbei. Oben angekommen konnte Emilia nicht anders als die gesamte Situation zu bestaunen. Vor ihr lagen eine ganze Reihe von Zelten, die sich bis über den Horizont hinaus erstreckten, und um diese Zelte herum tummelten sich tausende von Menschen.

„Wow“, brachte Emilia nur heraus. Ihr hatte es die Sprache verschlagen, aber wie sollte es auch anders sein? Um sie herum flogen verschiedene Hexen und Zauberer auf Besen über die Zelte hinüber und versuchten Stunts und Tricks zu machen, die für Emilia ziemlich gefährlich aussahen.

Doch leider hatte sie nicht sehr viel Zeit, alles zu bestaunen, denn Isabelle lief bereits den Hügel hinunter. Schnell folgte Emilia ihr, bevor sie noch irgendwo in der Menge unterging und Emilia allein dastand.

Sie hätte niemals gedacht, dass eine Weltmeisterschaft so beeindruckend sein konnte, aber genau das war es. Emilia konnte nicht glauben, dass das alles mit Zauberei möglich war. Aber das musste sie – schließlich war sie eine Hexe und würde selbst bald solchen Kram wie Fliegen lernen. Sie freute sich bereits darauf und war auch schon neugierig, was für Fächer sie wohl bekommen würde. Aber am meisten war sie auf die Schüler, ihre Mitschüler gespannt.

Flink folgte Emilia ihrem Vormund und drückte sich durch die Massen hindurch, bis Isabelle plötzlich vor einem kleinen Zelt stehen blieb. Emilia war skeptisch, dass sie beide in dem kleinen Zelt Platz haben sollten, denn es war nicht einmal zwei Meter lang. Allerdings war keines der Zelte in ihrer näheren Umgebung größer als das.

„Ist das unser Zelt?“, fragte Emilia neugierig. Als Isabelle nickte, ging sie in das Zelt hinein und blieb perplex stehen. Von innen war das Zelt mehr als 30 Meter lang und es waren Möbel hineingestellt worden. In der einen Ecke standen zwei kleine Betten, eins für Emilia und eins für Isabelle, daneben standen diverse Kommoden mit mächtig viel Platz. Außerdem konnte Emilia einen Esstisch und einen Kühlschrank in der gegenüberliegenden Ecke erkennen. Desweiteren stand auf dem Tisch noch so etwas ähnliches wie ein Radio, das aber nicht an war.

„Wann fängt die Weltmeisterschaft an?“, fragte Emilia neugierig. Sie konnte es kaum noch erwarten, endlich ein Quidditchspiel sehen zu können, und dann auch noch das spannendste überhaupt: Irland gegen Bulgarien.

„Bald, wir müssen auch schon jetzt los, wenn wir noch pünktlich sein wollen“, lächelte Isabelle sie an und nickte mit dem Kopf in Richtung Tür. Emilia nahm das als Zeichen, dass sie hinausgehen sollte, auf und tat, wie ihr geheißen. Isabelle kam wenig später ebenfalls hinaus, doch jetzt hatte sie keinen Rucksack mehr auf dem Rücken. Sie hatte wohl so lange gebraucht, weil sie den Rucksack erst noch auspacken musste. Zusammen gingen die beiden durch die tobende Menge. Vorsichtig machte Emilia immer einen Schritt vor den anderen, denn bei den vielen Kindern konnte man nie wissen, was passieren würde. Vor allem weil die dort spielenden Kinder so klein waren und man sie so leicht übersehen konnte.

Emilia und Isabelle brauchten eine ganze halbe Stunde, bis sie endlich bei dem hoch aufragenden Stadion angekommen waren. Es war in eine große Vertiefung gebaut worden, sodass man nicht ganz unten hinein gehen musste.

Barty Crouch wartete bereits am Einlass auf die beiden. Als er sie sah, flüsterte er einer jungen Frau in Ministeriumsuniform etwas zu und zeigte dabei auf die beiden ankommenden Frauen. Die Ministeriumsangestellte nickte nur und ließ Emilia und Isabelle auch gleich bereitwillig durch.

„Mr. Crouch, schön, Sie zu sehen“, sagte Isabelle zu ihm und gab ihm geschäftlich die Hand. Als sie ihre Hand wieder wegzog, zeigte sie auf ihre Begleiterin: „Das ist Emilia.“

Der Chef der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit nickte Emilia kurz lächelnd zu, dann widmete er sich wieder Isabelle, die auch gleich ein Gespräch über die Arbeit mit ihm anfing. Währenddessen liefen die drei durch enge Gänge, bis sie endlich auf die große Tribüne gekommen waren. Von dort, wo sie nun standen, konnte man perfekt die ganze Arena überschauen, sogar den Boden konnte man noch sehen, obwohl man das ja eigentlich gar nicht müsste. Emilia ging davon aus, dass die drei wohl irgendeinen geheimen Gang entlang gegangen waren, da alle anderen Leute anders liefen wie sie.

„Hier ist die Ministerloge“, Crouch zeigte auf einige Sitze. Wir waren in einem kleinen Raum gelandet, der durch drei Wände und dem Spielfeld angegrenzt wurde. Es waren nicht viele Sitze, aber das waren die besten Sitze in der ganzen Arena, das stand fest. Und Crouch hatte Isabelle und Emilia sogar die Plätze ganz vorne am Geländer reserviert, direkt neben ihm selbst.

Überrascht stürzte Emilia zu dem Geländer, welches die Loge von dem Spielfeld trennte, und besah sich das große Spielfeld. Unter ihnen waren noch massenweise Plätze frei, vermutlich weil dort unten niemand sitzen wollte.

Leise setzte sich Emilia neben Isabelle und wartete auf den Beginn der Weltmeisterschaft. Hinter ihnen trudelten immer mehr Leute ein, sodass Crouch manchmal aufstehen musste, um sie zu begrüßen. Zuletzt, kurz vor Spielbeginn, kamen zwei blonde Männer hinein und blieben an der Tür stehen.

Beide sahen sie arrogant aus, hatten ein arrogantes Lächeln auf ihrem sonst eher blassen Gesicht. Emilia vermutete, dass es Vater und Sohn waren. Der Sohn hatte kalte graue Augen und kurze, weißblonde Haare, die perfekt gekämmt waren. Diese Familie war reich, das konnte man auf den ersten Blick sehen. Und sie genoss auf jeden Fall ihren Ruf. Der ältere Mann der beiden hatte, genau wie sein Sohn, kurze blonde Haare, ebenfalls perfekt gekämmt und mit Gel an den Kopf geklebt. Außerdem hatte er kalte, graue Augen, die Crouch musterten, als er aufstand und zu ihm hinmarschierte.

Angewidert drehte sich Emilia wieder zu dem Spielfeld um, denn mittlerweile war es genau 13 Uhr. Schnell wuselte Mr. Crouch nach vorne, sodass ihn jeder sehen konnte, auch alle, die unter der Loge saßen.

 

Doch dann wurde die Aufmerksamkeit aller von Nr. Crouch zu den Iren geleitet, die gerade in dem Moment ins Stadion schossen. Aus ihren Besen kamen grüne und weiße Fäden, die zusammen die Irische Flagge bildeten. In der Mitte des Stadions flogen dann alle senkrecht nach oben, wobei sie einen kleinen, grün-weißen Mann erschufen, der dann wie ein Hologramm tanzte. Das ganze Stadion jubelte, als die Iren sich an der Seite des Stadions postierten, während die Bulgaren die Arena betraten. Genau wie die Iren schossen sie durch die Arena, direkt in die Mitte. Dabei wird als Hologramm der bulgarische Sucher Viktor Krum gezeigt, wie er durch das Stadion flog. Die Bulgaren jedoch machten witzige, jedoch auch sehr gefährliche Stunts und Tricks auf ihren Besen, und flogen so durch das Männchen der Iren, dass es kaputt ging und sich in Luft auflöste. Die ganze Arena jubelte laut und rief Krums Namen. Auch Emilia beteiligte sich dabei und klatschte laut, während sie „Bulgarien vor, noch ein Tor“ rief.

Dann erst fing Crouch an zu reden: „Guten Abend!“, rief er mit magisch verstärkter Stimme. „Als Minister für Zauberei ist es mir ein wirklich besonderes Vergnügen, heute Abend jeden einzelnen von Ihnen hier zu begrüßen, zum Endspiel der 422 Quidditchweltmeisterschaft.“ Er wartete kurz, doch die ganze Arena blieb ruhig und lauschte seinen Worten. „Lasst das Spiel beginnen!“, rief er und zielte mit seinem Zauberstab auf die Mitte des Spielfelds. Dabei entwich dem Zauberstab ein grelles Licht, welches sich auf dem Spielfeld ausbreitete.

Schon ging das Spiel los! Emilia fand es beeindruckend, wie sich Zauberer und Hexen so wendig auf einem Besen machen konnten. Emilia selbst hätte Angst, vom Besen zu fallen. Immerhin spielten sie ja nicht gerade knapp über den Boden, sodass ein Sturz durchaus schmerzhaft wäre. Während des Spiels versuchte sie, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Es stand bereits 10 zu null für Bulgarien, weil Troy, ein Jäger, den Quaffel im gegnerischen Tor versenkt hatte.

Emilia konnte ganz deutlich sehen, dass die Iren einfach um einiges besser zusammenspielten als die Bulgaren. Sie passten den Ball mit sehr viel Geschwindigkeit zu einem anderen Spieler und das alles ging so schnell, dass Emilia gar nicht hinterher kam. Sie hörte immer nur Bagmans begleitende Stimme, die alles kommentierte. „Dimitrow! Lewski! Dimitrow! Iwanowa – oha, kann ich da nur sagen!“, donnerte Bagman. Dann jedoch hatte Krum wohl den Schnatz entdeckt, denn er flog im Sturzflug immer näher auf den Boden zu. Lynch, der irische Sucher, stürzte ihm nach. Die ganze Arena hielt den Atem an, als Krum seinen Besen hochzog und spiralförmig wieder nach oben schwirrte. Der irische Sucher jedoch, Lynch, war auf dem Boden aufgekommen, was ein markerschütterndes Stöhnen bei den irischen Zuschauern hervorrief. „Auszeit!“, rief Bagman mit seiner magisch verstärkten Stimme. „Die Medimagier laufen aufs Spielfeld, um Aiden Lynch zu verarzten.“

„Genialer Bluff! An dem könntest du dir mal ein Beispiel nehmen“, sagte der blondhaarige, ältere Mann hinter Emilia. Sie hatte sich seine Stimme eingeprägt und würde sie ganz sicher überall wieder erkennen.

„Ja, Vater!“, stammelte der Junge. Die Enttäuschung und Unsicherheit waren seiner Stimme deutlich anzuhören. Emilia kicherte innerlich. Was für ein Idiot! Wieso ließ der Kleine sich das denn bitte gefallen? Emilia hätte dem Vater schon längst die Meinung gesagt.

Den Rest des Spiels sagten die beiden nichts mehr – sie schwiegen sich an. Anscheinend verstanden sie sich nicht so besonders gut. Emilia konnte nachvollziehen, dass der Junge, der offenbar Draco hieß, seinen Vater nicht mochte. Denn dieser war ja total kalt und schien auch keine Gefühle mehr zu besitzen, wie Emilia feststellte. Seine Miene war immer die Gleiche.

Am Ende gewann überraschenderweise die Irische Nationalmannschaft den Titel des Weltmeisters, während die Bulgaren enttäuscht das Feld verließen. Emilia, die eigentlich vor dem Spiel noch für Bulgarien gewesen war, freute sich für Irland, da sie wirklich gut gespielt hatten. Niemand konnte behaupten, die Iren hätten den Titel nicht verdient.

„Wollen wir zurück?“, fragte Isabelle leise. Sie hatte sich zu Emilia gebeugt, um die anderen hinter ihnen nicht zu stören. Emilia nickte nur und erhob sich von ihrem Platz. Dabei blickte sie aus Versehen zu Draco, der sie verwirrt anstarrte. Emilia war ihm den Du-kannst-mich-mal-Blick zu und verschwand hinter ihrem Vormund aus der Ministerloge. Die beiden waren die ersten, die das Stadion verließen, sodass sie Glück hatten, dass vor ihnen noch keine Schlange stand. Langsam schlenderten sie über die leeren Zeltplätze, die zwar immer noch mit Zelten vollgestellt waren, aber es waren ja keine Menschen mehr da, weil alle bei der Weltmeisterschaft im Stadion waren.

„Wie fandest du das Spiel?“, fragte Isabelle, um mal ein wenig mit Emilia zu reden.

„Es war toll! Eigentlich war ich ja am Anfang für Bulgarien, aber das Irische Team war einfach besser. Die haben total gut miteinander harmoniert und gut zusammengespielt!“, beginnt Emilia. „Ich finde aber immer noch, dass Krum der beste Sucher ist! Wenn man sich mal anschaut, was er auf dem Besen draufhat!“

„Lynch war auch nicht schlecht. Zumal er ja den Schnatz gefangen hat“, ergänzt Isabelle und lächelte Emilia freundlich an. Diese erwiderte das Lächeln jedoch nicht, sondern redete weiter: „Ich habe mir überlegt, mich in Hogwarts auch für das Quidditchteam zu bewerben. Ich meine, ich saß zwar noch nie auf einem Besen – soweit ich weiß – aber das bedeutet ja nicht, dass ich nicht fliegen kann!“

Isabelle nickte. Sie wollte Emilia nicht ihren Traum zerstören, aber zum Quidditch spielen gehörte einfach weit mehr als nur Fliegen zu können. Sicherlich spielte auch das eine Rolle, aber viel wichtiger wäre ja eigentlich, ob sie mit dem Team gut zusammen arbeiten kann. Und das glaubte Isabelle nicht so recht. Sie hatte Emilia als einen Einzelgänger kennen gelernt, natürlich konnte sie nett sein, aber sie war eben trotzdem ein Einzelgänger.

„Willst du gleich etwas essen?“, fragte Isabelle, um vom Thema Quidditch abzulenken.

„Was gibt’s denn?“, erwiderte Emilia. Isabelle seufzte.

„Musst du immer mit Gegenfragen antworten?“, fragte sie und verdrehte ihre Augen.

„Machst du das nicht gerade auch?“, erwiderte Emilia spöttisch. Sie liebte es einfach, mit Gegenfragen zu antworten. Damit konnte man Leute perfekt aufregen und manchmal konnte das ja von Vorteil sein. Zum Beispiel jetzt, wenn man auf die eigentliche Frage nicht antworten möchte.

„Es gibt Suppe“, klärte Isabelle Emilia auf, denn ihr war das Spiel zu blöd geworden. Sie ließ sich doch nicht von einem Kind zum Narren halten!

„Dann ess ich mit, ja“, gab Emilia endlich die erwünschte Antwort. Damit war die Sache erledigt und sie verfielen wieder in Schweigen, bis die beiden das Zelt betraten. Wie Emilia vor der Weltmeisterschaft vermutete hatte, hatte Isabelle den Rucksack ausgeräumt, denn nun lehnte er leer an einem Schrank.

„Ich helfe dir beim Kochen“, bot Emilia an. Sie hatte sowieso nichts zu tun, also konnte sie genauso auch ihrem Vormund helfen, das Essen zu machen. Gesagt, getan. Schon nach wenigen Minuten hatten die beiden ein genießbares Essen hervor gebracht und setzten sich gegenüber an einen Tisch.

„Die schmeckt gut“, murmelte Emilia, als sie die Suppe probiert hatte, die sie gekocht hatten. Einige Löffel nahm sie noch, dann hörte sie auf und begann zu lauschen. Draußen war ein Lärm, wahrscheinlich von den Iren, die feierten. Andererseits hörte sich das so gar nicht nach Feiern an, sondern nach Schreien. Erschrocken stolperte sie zum Eingang des Zeltes und sah hinaus. Tatsächlich schien dort irgendwas nicht zu stimmen. Die Leuten liefen schreiend umher und wechselten panische Blicke. Emilia blickte sich um. Alle packten ihre Sachen zusammen und verließen rennend ihre Zelte. Sie vermutete, dass die Leute sich wohl alle verkriechen wollten.

„Wir müssen hier weg“, rief Emilia zu Isabelle, die geschockt aufsah und sie anstarrte.

„Wieso?“, fragte sie verwirrt und runzelte die Stirn.

„Dort draußen stimmt etwas nicht. Die Leuten flüchten!“, schrie Emilia und zog ihren Vormund hoch. Diese jedoch blieb hartnäckig sitzen und bewegte sich nicht.

„Das ist sicher nur ein Irrtum“, meinte sie und schob sich einen weiteren Löffel Suppe in den Mund.

„Dann sieh es dir selbst an!“, schrie Emilia zickig. Wieso mussten die Leute vom Ministerium immer nur so standhaft und leichtgläubig sein? Isabelle erhob sich und warf einen raschen Blick aus dem Zelt hinaus. Dann nickte sie leicht.

„Du hast Recht, wir müssen weg“, meinte sie und rannte aus dem Zelt hinaus. Ich folgte ihr, jetzt war sie diejenige, die panisch flüchtete. Vor was wir flüchteten wussten wir nicht, aber wir wollten es auch lieber nicht herausfinden. Schnell lief ich hinter Isabelle her, hatte sie aber schon weniger Meter nach dem Zelt verloren. Panisch sah sie sich um. Ihr blieb nichts anderes übrig, als blind in irgendeine Richtung zu rennen. Tränen standen ihr in den Augen, als die Leute sie wegschubsten und sie hinfiel. Doch so gerne sie auch gewollt hätte, sie konnte nicht aufstehen. Ihr Bein schmerzte höllisch und Emilia konnte es nicht mehr richtig bewegen. Hilfesuchend sah sie sich um, doch alle Leute waren auf einmal wie weggeblasen. Emilia fühlte sich einsam, allein und im Stich gelassen. Hier hatte jeder nur an sein eigenes Leben gedacht.

Verzweifeld schrie sie um Hilfe, gab es jedoch schon ziemlich bald auf. Nichts bewegte sich mehr rund um den verlassenen Zeltplatz.

Sie blickte sich panisch um. Was war nur los? Der Himmel verdunkelte sich und plötzlich sah Emilia mehrere schwarze Rauchschweife, die vom Himmel nicht weit von ihr am Boden aufkamen. Todesser. Erschrocken sah sie sich das Schauspiel an und versuchte, keinen Mucks zu machen. Aus diesen schwarzen Rauchschweifen formten sich am Boden dunkle Zauberer, die Voldemort dienten. Hektisch besprachen die Leute etwas, dann ging jeder in eine andere Richtung. Einer kam direkt auf Emilia zu. Schnell legte sie sich platt auf den Boden und schloss ihre Augen. Hoffentlich würde sie der Todesser für tot halten, ansonsten wäre sie wohl spätestens in ein paar Minuten wirklich tot. Kaum atmend presste sich Emilia auf den Boden, um möglichst wie leblos zu wirken. Die Schritte kamen näher zu ihr, bis sie plötzlich neben ihr stehen blieben. Erschrocken hoffte sie, dass dem Todesser nicht aufgefallen war, dass sie noch lebte. Einige Sekunden verharrten die Schritte neben ihr, dann ging der Typ einfach weiter. Offensichtlich hatte er nicht bemerkt, dass Emilia sehr wohl noch lebte. Erleichtert überlegte sie sich, was sie nun tun sollte. Sollte sie es riskieren, wegzulaufen? Doch dann bestand die Möglichkeit, dass sie direkt in die Arme eines anderen Todessers lief. Leise seufzend blieb sie liegen, wo sie war. Nur was wäre, wenn die Todesser zurückkommen würden? Dann würden sie merken, dass sie nicht tot war. Angestrengt versuchte sie, darüber nachzudenken, welche Möglichkeit besser war. Und vor allem weniger gefährlich. Wenig später kam sie zu dem Entschluss, dass weglaufen ganz sicher die bessere Methode wäre.

Also versuchte sie, sich mit ihrem schmerzenden Bein zu erheben, musste sich jedoch mit den Händen am Boden aufstützen, um sich so hoch zu drücken. Sie vermutete, dass sie sich ihr Bein gebrochen hatte, denn es tat höllisch weh, sodass sie den Fuß nur unter schrecklichen Schmerzen bewegen konnte. Humpelnd beeilte sie sich, in eine Richtung zu laufen. Der Himmel wurde immer dunkler, wie Emilia mit Entsetzen feststellen musste. Nicht, dass sie Angst hätte, aber sie wollt Voldemort nicht unbedingt schon wieder begegnen. Bisher hatte sie Glück, weil er noch nicht aufgetaucht war, doch das konnte sich jeden Moment ändern. Plötzlich hörte sie hinter sich leise Schritte und sie duckte sich hinter ein Zelt, wo sie sich wieder wie tot hinlegte. Aus den Augenwinkeln heraus konnte sie beobachten, wie die Todesser alle Zelte in Flammen setzten. Erschrocken bewegte sich Emilia von dem Zelt weg und rannte, so schnell sie konnte mit ihrem schmerzenden Fuß, los. Es war ihr egal, wohin, nur sie wollte weg. Weit weg. Immer wieder sah sie hinter sich und konnte erkennen, wie sich so langsam alle Todesser wieder zusammenfanden. Langsam blieb Emilia hinter einem Zelt stehen und versuchte zu beobachten, was die Todesser machten. Doch es gab nicht so viel zu sehen, denn sie lösten sich einfach ganz unspektakulär in schwarzen Rauch auf und verschwanden. Erleichtert irrte Emilia weiter durch die verschiedenen Reihen der Zelte, bis sie plötzlich einen jungen Mann vor sich sah. Er hatte einen Zauberstab in der Hand und zeigte damit in den Himmel. Emilia konnte nicht verstehen, was er sagte, doch aus seinem Zauberstab schoss grüner Nebel, der langsam in den Himmel stieg. Dort bildete er das Zeichen von Voldemort und seinen Anhängern, den Todessern. So plötzlich, wie dieser junge Mann gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Emilia hatte das Gesicht des Mannes nicht erkennen können, konnte aber die ungefähre Größe sagen. Außerdem war die Gestalt schwarz gekleidet gewesen und hatte eine schwarze Kapuze auf dem Kopf. Vorsichtig schlich Emilia humpelnd weiter, bis sie plötzlich Geräusche vernahm. Abrupt blieb sie stehen und wandte sich nach vorne, wo sich gerade ein Junge hilfesuchend aufrichtete. Sie wollte gerade zu ihm gehen, als sie sah, dass der Junge panisch in ihre Richtung lief. Als der Junge Emilia sah, konnte man ihm die Überraschung deutlich ansehen, doch er fing sich im Angesicht der Tatsache, dass er verfolgt wurde, schnell wieder. „Komm!“, flüsterte er und versteckte sich leise hinter einem Zelt.

Von weit her hörte Emilia Stimmen, die laut einen Namen riefen: „Harry!“ Offenbar hieß der Junge neben ihr so und wurde von seiner Familie und seinen Freunden gesucht.

Die Stimmen näherten sich ihnen, was den Verfolger dazu veranlasste, schnell in eine andere Richtung zu fliehen. Das Zeichen am Himmel jedoch blieb.

„Ich hab dich ewig gesucht!“, sagte ein anderer Junge und legte von hinten seine Hand auf Harrys Schulter. Auch ein junges Mädchen in Emilias Alter erschien.

„Wir dachten, du wärst weg!“, sagte der seltsame rothaarige Junge, der seine Hand auf Harrys Schulter gelegt hatte. „Was ist das?“, rief er dann erschrocken, als er in den Himmel schaute.

„Das ist das Zeichen von Voldemort und seinen Anhängern“, murmelte Emilia leise und musterte die zwei Neuankömmlinge. Der Junge hatte rote Haare und einen ziemlich breiten Kopf, noch dazu war er nicht gerade der größte. Das Mädchen hatte braune, lockige Haare und sah eigentlich wirklich hübsch aus. Nun, als Emilia sich zu Wort gemeldet hatte, starrten alle drei Zauberer sie an.

„Ich bin Emilia Callahan“, sagte sie auf die fragenden Gesichter hin.

„Harry Potter“, lächelte sie der Junge, der vorhin geflüchtet war, zu Wort. Er hatte eine runde Brille auf der Nase und schwarze, zottelige Haare, die aussahen, als hätte er sie lange nicht mehr gebürstet. Seine Kleidung entsprach nicht gerade der neusten Mode, doch Emilia dachte, dass er vielleicht doch gar nicht so schlecht aussah.

„Ron Weasley“, erwiderte der rothaarige Junge und nickte Emilia kurz zu.

„Hermine Granger“, stellte sich das Mädchen vor. Plötzlich wurde es hell um die vier und einige Leute vom Ministerium erschienen, die versuchten, die vier zu entwaffnen. Hermine zog jedoch alle drei rechtzeitig in die Hocke, sodass keiner von ihnen von einem Zauber getroffen wurde.

„Halt, das ist mein Sohn!“, schrie ein anderer Mann, der mit erhobenem Zauberstab auf die vier zukam. Sofort erstarben die Zauber und die Ministeriumsleute ließen ihre Zauberstäbe sinken.

„Emilia, geht’s dir gut?“, rief plötzlich eine ihr bekannte Stimme. Isabelle, dachte sie glücklich und lief in die Richtung, aus der die Stimme kam. Isabelle rannte auf sie zu und nahm sie ganz fest in den Arm. Schluchzend brachte sie heraus: „Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Was ist passiert? Egal, ich bin so froh, dich zu sehen! Geht's dir gut?“ Emilia wusste gar nicht, auf welche Frage sie als erstes antworten sollte.

„Mir geht’s wirklich gut. Außer … na ja ich glaube, ich habe mir den Fuß gebrochen. Was passiert ist, erzähl ich dir zu Hause“, murmelte sie leise. Dann sah sie zu den dreien zurück und ging schnell noch zu dem Jungen, der sie praktisch gerettet hatte.

„Ich wollte dir danken, dafür, dass du mich vor dem Typen gewarnt hast“, erklärte ich selbstbewusst.

„Nichts zu danken“, sagte Harry. „Das hätte jeder gemacht.“

„Das glaube ich kaum, aber danke. Wir sehen uns bestimmt in Hogwarts! Tschüss!“, rief Emilia ihm noch zu, dann drehte sie sich um und lief humpelnd zu Isabelle zurück, die sie argwöhnisch musterte. Emilia strafte sie mit einem Ich-erzähl-es-dir-später-Blick und ging ohne einen weiteren Kommentar weiter. Ihr Fuß schmerzte schon die ganze Zeit und dass sie damit auch noch gerannt war, war vielleicht nicht die beste Idee gewesen, doch immerhin war sie ansonsten unverletzt. Blöd war nur, dass ihr Fuß wirklich verdammt blau wirkte und geschwollen und es wild pochte. Bei jedem Schritt, den Emilia tat, hatte sie das Gefühl, ihr Fuß würde zerbrechen. Dauernd meinte sie ein 'Knacks' zu hören, welches ganz sicher von ihre, Fuß stammte.

„Warte! Ab hier dürfen wir apparieren“, sagte Isabelle. Emilia nickte kurz und blieb stehen, wo sie war. Sie war froh, nicht mehr so viel laufen zu müssen. Hoffentlich würde Isabelle direkt in ihr Haus apparieren, damit Emilia nicht laufen müsste. Denn sie glaubte nicht, dass ihr Fuß das noch lange mitmachte. Schnell fasste Isabelle die Kleine am Arm und im Null komma Nichts standen sie schon in ihrem Haus. Überrascht, dass es so schnell ging, humpelte Emilia zu der Couch im Wohnzimmer, wo sie sich erst einmal lang ausstreckte.

„Du musst dich natürlich wieder hinlegen!“, sagte Isabelle ironisch, als sie in die Küche stapfte, um sich einen Tee zu machen.

„Mein Fuß tut schrecklich weh!“, rief Emilia zurück. Da durfte sie sich ausnahmsweise mal auf die Couch legen, immerhin konnte sie mit dem Fuß ganz sicher nirgends mehr hinlaufen.

„Muss ich heilen?“, fragte Isabelle, als sie das Wohnzimmer betrat und ihren Tee auf den Tisch stellte.

„Wäre nett“, murmelte Emilia und sah Isabelle neugierig an. Diese nickte nur, holte ihren Zauberstab aus ihrer hinteren Hosentasche und zielte auf den gebrochenen Fuß. Dann murmelte sie leise: „Episkey“, und schon wurde Emilias Fuß wohlig warm. Als die Wärme in ihrem Fuß wieder nachließ, tat er nicht mehr weh, auch wenn Emilia ihn bewegte. Bewundernd sah sie zu Isabelle. „Danke“, murmelte sie leise. Sie war froh, keine Schmerzen mehr haben zu müssen.

„Gerne. Und nun erzähl mal, was passiert ist“, bat Isabelle.

Eigentlich wollte Emilia das nicht erzählen, es bereitete ihr immer noch ein seltsames Gefühl, doch sie wusste, sie würde nicht drum herum kommen. Als fing sie bei ihrer Verletzung an zu erzählen und endete damit, dass sie Harry gerettet hatte. Als Harrys Namen fiel, zuckte Isabelle merklich zusammen und spannte sich an. Mochte sie ihn nicht?

„Was ist? Wieso reagierst du so seltsam?“, fragte Emilia alarmiert.

„Es ist Harry Potter. Er war der einzige, der jemals den Todesfluch überlebt hat. Zusammen mit dir. Ihr wurdet beide von Voldemort gezeichnet“, erzählte sie. Emilia machte den Mund auf und wollte etwas sagen, dass sie wusste nicht was. Tatsächlich hatte sie bemerkt, dass sie auf ihrer Stirn eine blitzförmige Narbe hatte, die aber niemand sehen konnte, da sie von ihrem Haaren verdeckt wurde. Natürlich konnte man mit solch einer Narbe angeben, doch eigentlich machte sie sich nichts daraus.

„Ja, das mag sein. Aber das erklärt nicht, was du mit der ganzen Sache zu tun hast“, begann Emilia. Sie wusste nicht, wie sie darauf kam, aber ihr Bauch sagte ihr, dass Isabelle etwas damit zu tun hatte. Ob Harry Isabelle kannte? Sie beschloss, ihn in Hogwarts mal danach zu fragen.

„Ich habe nichts damit zu tun. Ich kannte seinen Vater und seine Mutter, mehr nicht“, murmelte sie. Emilia wusste, dass sie log und sah sie deshalb dementsprechend wütend an.

Isabelle seufzte. Sie wollte sich nicht damit rumschlagen, etwas zu erzählen, was niemand wissen durfte. Immerhin hatte sie es IHM versprochen, Emilia noch nichts zu erzählen. Das wollte die betreffende Person selbst machen, hatte er gesagt. Nun, sie würde sich an ihr Versprechen halten, auch wenn es Emilia ganz und gar nicht gefiel. Isabelle kannte zwar mehr von der Vergangenheit des Mädchens als Emilia selbst, doch auch ihr blieben noch Rätsel. Emilia war jahrelang verschwunden gewesen – genau genommen seit circa 15 Jahren. Kurz nach ihrer Geburt, nachdem das Paar ermordet worden war, welches sie aufzog, war sie verschwunden. Bislang dachte man immer, sie wäre in dem Haus ebenfalls wegen Voldemort gestorben, doch offensichtlich ja nicht. Das Ministerium war sich sicher, dass Emilia es war, die damals bei der Familie Potter lebte. Allerdings war sie – soweit das Ministerium das wusste – nicht mit den Potters verwandt gewesen. Nein, der Vater des Mädchens war nicht bekannt. Nur die Mutter Amicita war bekannt. Doch auch sie war spurlos verschwunden seit der Geburt des Mädchens … Isabelle fand die Familie immer schon etwas komisch, auch wenn das Mädchen ja ganz nett war.

„Na gut … ich kannte die Familie, bei der du gewohnt hast, nicht deine leiblichen Eltern“, erklärte sie. Dann sah sie kurz auf die Uhr und fiel aus allen Wolken. Es war bereits 2.35 Uhr mitten in der Nacht. „Du solltest schlafen gehen. Und ich auch“, sagte Isabelle und brachte ihren noch immer halbvollen Tee in die Küche. Emilia ging währenddessen gähnend nach oben in ihr Zimmer und schmiss sich dort auf das Bett. Immerhin konnte sie morgen noch einmal ausschlafen. Nächsten Tag würde es dann endlich nach Hogwarts gehen. Sie freute sich schon darauf, auch wenn sie Angst hatte, dort keine Freunde zu finden. Allerdings würde sie bei so vielen Schülern bestimmt irgendwo einen Freund finden, schließlich konnte sie auch nett sein wenn sie wollte.

Weiter konnte sie nicht mehr denken, denn schon wenige Minuten nachdem sie sich ins Bett gelegt hatte, schlief sie ein.

 

Endlich in Hogwarts

Zwei Tage später war es endlich soweit. Heute würde Emilia endlich nach Hogwarts gehen, um dort Zaubern zu lernen. Der Hogwarts-Express würde um 11Uhr am Bahnhof Kings Cross abfahren, auf Gleis 9 ¾. Wie Emilia zu dem Gleis kommen sollte, wusste sie nicht, aber sie hatte auch gerade andere Probleme. Eines davon war, dass ihre Haare nicht perfekt saßen und sie sich dauernd kringelten. Doch nachdem sie ihre Haare ordentlich mit der Bürste behandelt hatte, fielen ihr ihre schwarzen Haare perfekt auf die Schulter. Um ihre Augen zu betonen, machte sie sich noch ein wenig Make-up drauf und ging dann nach unten, wo Isabelle schon das Frühstück vorbereitete.

„Hast du alles gepackt?“, fragte Isabelle hektisch. Emilia nickte nur und setzte sich an den schon reichlich bedeckten Tisch.

Emilia hatte den gestrigen Tag vorwiegend damit verbracht, ihre Koffer zu packen und alles herzu richten, damit sie heute nur noch alles ins Auto bringen mussten. Natürlich würden sie sich ein Taxi rufen, da Isabelle (wie viele Zauberer) nicht Autofahren konnte. Warum auch? Apparieren ginge viel schneller. Diesmal wollte Isabelle jedoch nicht apparieren, weil ihr das zu gefährlich erschien, nachdem Emilia eh schon geschwächt war.

Isabelle hatte zum Frühstück Brötchen besorgt und sogar Spiegeleier gebraten. Hungrig machten sich die beiden über das Essen her. Emilia aß ganze zwei Brötchen und ein Spiegelei.

Nachdem sie dann den Tisch abgeräumt hatten, war es auch schon Zeit zu gehen, wenn sie es noch pünktlich zum Bahnhof schaffen wollten. Das Taxi stand schon seit einer viertel Stunde bereit vor dem Haus, da der nette Fahrer so frei war und sämtliches Gepäck schon einmal eingeräumt hatte. Emilia überprüfte noch einmal, ob auch wirklich alles im Taxi war, dann ging sie runter und setzte sich zwischen ihren Koffer und die Eule. Isabelle setzte sich auf den Beifahrersitz, nachdem sie die Tür abgeschlossen hatte.

Fly, Emilias Eule, krächzte die ganze Fahrt über rum und war total nervös und aufgedreht. Wahrscheinlich war der Fahrer froh, als sie eine halbe Stunde später endlich am Bahnhof ankamen. Während Isabelle die Fahrt bei dem Fahrer bezahlte, ging Emilia schon einmal nach hinten und holte all ihre Sachen hinaus. Sie hatten noch circa zehn Minuten, bis der Zug abfuhr. Schnell rannten die beiden über den Bahnhof und blieben zwischen Gleis neun und zehn stehen. Emilia hatte keine Ahnung, wo nun ihr Gleis war, aber sie hoffte, dass Isabelle es wusste. Schließlich war sie ebenfalls mal in Hogwarts gewesen. In Ravenclaw, wenn Emilia das richtig erkannt hatte, denn im ganzen Haus war das Wappen verteilt gewesen.

„Du musst durch die Wand dort“, erklärte Isabelle. „Ich komme nach.“ Etwas ungläubig starrte Emilia ihren Vormund an. Diese wiederum seufzte nur, nickte in Richtung Absperrung und rannte los. Dort, wo sie eigentlich gegen die Absperrung laufen sollte, verschwand sie. Mit offenem Mund und klopfendem Herzen stellte sich Emilia so hin, dass sie geradeaus auf die Absperrung laufen konnte. Dann holte sie tief Luft und rannte mit geschlossenen Augen auf die Absperrung zu.

Zwei Sekunden später stand sie auf dem Gleis 9 ¾. Staunend sah sich Emilia um.Der rote Hogwarts-Express stand bereits direkt vor ihr, darüber ein Schild, welches das Gleis anzeigte. Eltern standen neben den Fenstern der Züge und verabschiedeten sich von ihren Kindern, andere standen bereits an der Wand und winkten nur noch. Einer davon war auch Dracos Vater, den Emilia mit Grauen beobachtete. Schnell schüttelte sie den Kopf und machte sich auf den Weg in den Zug. Ihr Gepäck war unhandlich, das merkte sie, als sie in den Zug ansteigen wollte. Denn ihr Koffer rutschte ihr aus der Hand und landete wieder neben ihrem Zug.

"Kann ich helfen?", fragte jemand hinter ihr. Es war das junge Mädchen von der Quidditchweltmeisterschaft, Hermine Granger.

"Ja, danke", sagte Emilia leise. Schnell kroch Hermine aus dem Zug und hob ihr Gepäck an, sodass Emilia es in den Zug ziehen konnte. Dort stellte sie es erst wieder ab und lief raus aus dem Zug.

"Danke", sagte sie an Hermine gewandt, als sie an ihr vorbei zu ihrem Vormund lief. Isabelle stand etwas abseits. Sie schien sich nicht wohl zu fühlen in ihrer Haut und versteckte sich in einer der dunkelsten Ecken.

"Ich werde dich vermissen!", schluchzte Isabelle und umarmte Emilia fest und lange.

"Ich dich auch", brachte Emilia nur raus. Dann löste sich Isabelle wieder von ihr und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie weinte.

"Du solltest in den Zug gehen. Sonst verpasst du ihn noch", brachte Isabelle heraus und lächelte tapfer. Es war kein echtes Lächeln, aber sie versuchte es immerhin. Emilia nickte bloß und ging zum Zug zurück.

"Ich schreib dir, in welches Haus ich gekommen bin!", rief sie noch zurück, dann stieg sie endgültig in den Hogwarts-Express. Der Zug fuhr bereits an, als Emilia sich ein freies Abteil suchte. Ganz hinten im Zug fand sie eines, doch sie wurde von einigen Mädchen und Jungs wütend angesehen. Sie verstand nicht ganz, warum, aber darum scherte sie sich auch nicht. Langsam legte sie ihre Koffer auf das Brett über ihr und schob den Käfig mit Fly auf die gegenüberliegende Bank. Dann sah sie durch die Abteiltür, wie Schüler sie seltsam anstarrten. Wütend ignorierte sie die Blicke und sah aus dem Fenster, bis sie draußen Stimmen hörte. "Wie waren deine Ferien, Daphne?", fragte ein Junge mit einer sanften Stimme. Drei Zauberer kamen Emilias Abteiltür immer näher. Einer von ihnen war Draco, eine andere hieß demnach Daphne und neben ihnen stand noch ein braunhaariger Junge.

"Was wollt ihr hier?", fragte Emilia mit zusammen gekniffenen Zähnen, als die drei völlig perplex an der offenen Abteiltür stehen blieben und sie wütend anstarrten. "Das ist unser Abteil!", rief der braunhaarige Typ.

"Na und? Steht hier irgendwo euer Name? Habt ihr das Abteil reserviert?", fragte Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Nein, aber wir sitzen jedes Jahr hier! Niemand hat das Recht, sich ungefragt in dieses Abteil zu setzen", murmelte er und sah Emilia herausfordernd an.

"Weißt du, wie egal mir das ist? Ich war zuerst da, also verzieht euch", sagte sie gelangweilt. Emilia interessierte es herzlich wenig, was sie machten, nur sollten sie auf jeden Fall verschwinden.

"Verzieh du dich doch! Du hast hier nichts zu suchen!". Der Junge ballte seine Fäuste, blieb aber stehen, wo er war.

"Wieso sollte ich das tun? Ach ja, und nur weil alle Leute vor euch Angst haben, heißt das nicht, dass ich die auch hab", blieb Emilia stur. Sie hatte gesehen, wie die anderen Schüler um sie herum sie angestarrt hatten und wie sie jedes Mal zusammen zuckten, wenn der Junge redete.

"Du bist das erste Jahr hier", murmelte Draco leise. Enilia kniff die Augen zusammen und sah ihn an.

"Ach ehrlich? Schlau bemerkt, Kleiner", sagte sie spöttisch. "Also verpisst euch, ich hab besseres zu tun, als mich mit euch zu unterhalten." Das Mädchen, welches wohl Daphne hieß, zog die beiden Jungs unter Emilias vernichtenden Blick weg von der Tür. Erleichtert atmete sie auf. Wenn in Hogwarts nur solche eingebildeten Loser herumliefen, würde sie dort ganz sicher keine Freunde finden.

Daphne zog die beiden Jungs in ein benachbartes Abteil und sah sie böse an. Das Mädchen war hübsch gewesen und Daphne war sich sicher, dass sie auch nett sein konnte, aber sie konnte auch gut austeilen. Den Jungs zumindest hatte es die Sprache verschlagen, dass es tatsächlich jemand wagte, so mit ihnen zu reden.

"Was war das denn bitte?", fragte Daphne und sah beide nacheinander an.

"Was?", fragte Blaise, der mal wieder nicht zugeben wollte, dass er gegen ein Mädchen nicht ankam.

"Mit dem Mädchen! Wieso konntest du nicht mal nett zu ihr sein? Du wusstest doch, dass sie neu war!", fing Daphne an zu reden und sah dabei Blaise, ihren besten Freund, an.

"Sie hat mich einfach wütend gemacht!", knurrte Blaise. Sein Tonfall verriet, dass er nicht drüber reden wollte. Daphne jedoch war das egal.

"Am besten du gehst hin und entschuldigst dich! Sowas wirft einen schlechten Schatten auf unser Haus, Idiot!", erwiderte Daphne. Als Blaise meinte, er würde das ganz bestimmt nicht machen, erhob sich Daphne und ging zu dem Mädchen zurück ins Abteil, wo sie sich ungefragt ihr gegenübersetzte. Kurz hob die Neue den Kopf, dann vertiefte sie sich wieder in ihr Buch.

"Was?", knurrte Emilia, als Daphne sie anstarrte.

"Die Jungs.. oder vielmehr Blaise.. meinen es nicht so. Achte einfach nicht auf die beiden, sind eh Idioten", murmelte Daphne. "Du bist neu, richtig? Wie heißt du?"

"Emilia", sagte sie nur und starrte das Mädchen an. Immerhin bemühte sich diese, das Verhalten ihrer Freunde zu entschuldigen. Eigentlich mochte Emilia sie schon, deswegen fügte sie noch ein "Und du?" dran.

"Daphne Greengrass", lächelte sie. Dann zeigte sie auf das Buch in Emilias Hand: "Was liest du?"

"Ich lerne noch ein wenig. Ich will unbedingt in die vierte Klasse", erwiderte Emilia. Dann legte sie aus Höflichkeit ihr Buch weg und sah Daphne an. Sie hatte braune Locken und blaue Augen. "In welchem Haus bist du?"

"Slytherin. Draco und Blaise.. ehm na ja, sie sind auch in Slytherin", erklärte Daphne. "Du musst die beiden nur besser kennen lernen. Sie sind wirklich nicht so schlimm, wie sie nach außen hin tun." Emilia nickte nur.

"Ich werds dann ja sehen", murmelte sie leise. Dann nahm sie wieder ihr Buch in die Hand und begann zu lesen. Weit kam sie jedoch nicht, denn Daphne nahm ihr das Buch weg. "Gib mein Buch her!", sagte sie und funkelte Daphne an, die aber nur fies grinste.

"Du sollst mit mir reden und nicht in diesem langweiligen Schulbuch lesen", gab Daphne zurück. Emilia seufzte.

"Dann gib mir wenigstens mein Buch zurück."

"Nur, wenn du nicht wieder liest!", sagte Daphne lächelnd. Man könnte meinen, die beiden kannten sich schon ewig. Sie redeten wie enge Vertraute.

"Abgemacht. Und jetzt los, mein Buch!", forderte Emilia. Daphne gab es ihr fröhlich zurück und machte es sich auf ihrer Seite der Bank gemütlich. Emilia räumte währenddessen ihr Buch in die Tasche und ließ sich in den Sitz fallen.

"Schon aufgeregt?", fragte Daphne dann, um die Stille zu durchbrechen.

"Ziemlich, ja", gab Emilia zu. "Ich mache mir viel Gedanken, in welches Haus ich wohl kommen werde."

"Meistens entscheidet er auch nach deinem eigenen Wunsch, so war es jedenfalls bei mir. Ich wollte unbedingt nach Slytherin, weil meine ganze Familie dort war und vor allem meine beste Freundin dort ist", erklärte Daphne.

"Wo ist denn deine Freundin?", fragte Emilia, um vom Thema Familie abzulenken. Sie wollte beim besten Willen nicht darauf angesprochen werden. Obwohl ihre Geschichte vermutlich sowieso bald in allen Nachrichten kommen würde.

"Weiß nicht. Knutscht vermutlich mit ihrem Freund, wer weiß", Daphne zuckte nur die Schultern, als interessierte es sie nicht wirklich, was ihre Freundin machte.

"Wie heißt ihr Freund?" Emilia war schon immer neugierig gewesen. Einige Leute würde sie bestimmt auch vom Nachnamen kennen, denn Isabelle hatte ihr doch so manches erzählt.

"Terry Boot. So nen Ravenclaw. Seit Tagen hängt sie ihm an den Lippen! Das ist echt widerlich, weißt du? Beim Essen sitzt du neben den beiden und die knutschen die ganze Zeit rum..", murmelte Daphne. "Lilith ist einfach total in ihn verknallt, aber ob dieser Terry das genauso empfindet, weiß ich nicht. Bisher hat er alle Mädchen ja nur ausgenutzt."

"Du glaubst also, er nutzt deine Freundin nur aus und will Spaß mit ihr haben?", fragte Emilia vorsichtig. 'Spaß haben' bedeutete in diesem Fall, dass er nur wegen dem Sex mit ihr zusammen war. Emilia hoffte wirklich nicht, dass der Typ so drauf war.

"Ja. Ich habs ihr auch schon oft gesagt, aber na ja - Liebe macht blind. Ach ja -", plapperte sie gleich weiter. Emilia musste kaum etwas sagen, sondern einfach nur aufmerksam zuhören. "- Draco und Blaise sind übrigens die totalen Player an unserer Schule. Zusammen mit Dean Thomas und Oliver Rivers. Also denen würde ich wirklich nicht zu nahe kommen."

Emilia nickte langsam. "Ich glaube nicht, dass ich mich mit denen anlegen möchte. Und sie anfassen schon gar nicht -", sie schüttelte sich aus Ekel, Draco anzufassen. Sie würde sich auf jeden Fall von den Leuten fernhalten und höchstens mit ihnen befreundet sein, obwohl das bei Draco und Blaise auch eher undenkbar schien. Daphne lachte und sah sie gespielt angeekelt an. Das brachte auch Emilia zum Lachen.

*Snapes Pov*

Snape wanderte gerade von seinem Büro im Kerker nach oben ins Lehrerzimmer, denn er musste noch einiges für den morgigen Unterricht herrichten und planen. Außerdem hatte er es satt, immer nur im kalten Kerker herum zu sitzen. Allerdings würde er im Lehrerzimmer auf seine Kollegen treffen, und die mochten ihn fast genauso wenig wie die Schüler. Trotzdem war es unumgänglich, nun ins Lehrerzimmer zu gehen. Und klein bei geben war noch nie Snapes Stärke gewesen. Seufzend näherte er sich der Tür zum Lehrerzimmer. Bevor er die Tür jedoch aufdrückte, atmete er noch einmal tief ein und setzte seine kalte, unergründliche Miene auf. Wegen dieses Gesichtausdrucks hatten die meisten Schüler Angst vor ihm oder hassten ihn. Nur einige wenige Slytherins mochten ihn. Und natürlich Dumbledore. Dumbledore war Snape immer wie ein Vater gewesen und er war auch der einzige, mit dem Snape normal reden konnte, ohne aufzupassen, seine Fassade zu halten. Snape drückte die Tür auf und lief ins Lehrerzimmer, in dem sich erstaunlicherweise niemand befand. Zielstrebig ging der junge Mann zu seinen Unterrichtsmaterialien und wollte sie gerade durchsuchen, als er hinter sich eine Stimme hörte, die unverwechselbar Dumbledore gehörte. Mit einem leisen Seufzen drehte sich Severus Snape um und musterte Dumbledore. Der alte Mann mit dem langen weißen Bart und den langen grauen Haaren stand auf den Tisch gestützt vor ihm. Über die Halbmondbrille hinweg starrte er Severus an. "Ich dachte mir schon, ich würde dich hier finden", sagte Dumbledore und lächelte den Professor an. "Du hast mich gesucht?", fragte Severus nochmal nach, denn er war der Meinung, sich verhört zu haben. In den ganzen letzten Jahren hatte Dumbledore ihn nicht einmal aufgesucht, sonst war es immer Severus, der Dumbledore besuchen ging. "Es gibt einiges zu besprechen, Severus", sagte dieser. "Tee?" Als Snape verneinte, ging Dumbledore zu einer Maschine und machte sich einen warmen Tee. "Was genau gibt es denn zu besprechen?", fragte Snape erstaunt. Nun war er wirklich neugierig, denn sonst hatte nie jemand etwas mit ihm zu besprechen, außer vielleicht Madam Pomfrey und die Schüler, die sich über die Hausaufgaben beschwerten.

"Es geht um deine ... Familie", Dumbledore hatte Schwierigkeiten, das richtige Wort zu finden, da Severus auf das Thema Familie sehr reizbar war. "Genauer gesagt um deine Tochter."

"Du meinst Emilia? Hast du sie gefunden?", fragte Snape. Eigentlich war ihm das Schicksal seiner Tochter ziemlich egal, immerhin war es nur ein Kind. Doch irgendetwas in ihm brachte ihn dazu, zu hoffen, dass man sie endlich gefunden hätte.

"Ich denke ja", murmelte Dumbledore leise. Dann kramte er in seinen Umhangtaschen herum und zog ein kleines zerknülltes Blatt heraus. Er faltete es noch schnell auseinander, dann übergab er es Severus. Dieser las sich den Artikel aus dem Tagespropheten zweimal durch, ehe er den Sinn der Sätze verstand. In dem Artikel hieß es eindeutig, dass ein junges Mädchen wohl ihr Gedächtnis verloren hatte und dann von Todessern gefoltert wurde. Diese ließen Emilia fliehen, löschten jedoch vorher noch ihre Erinnerungen an sämtliche Leute. Nun sollte das Mädchen im Saint Mungus Hospital liegen. "Das ist meine Tochter?", fragte Snape skeptisch. Vielleicht wollte er es einfach nicht wahrhaben, doch noch einen kleinen Teil einer Familie zu haben. Bisher kam er auch ohne Familie gut zurecht.

"Ich bin mir ziemlich sicher, Severus", antwortete Dumbledore. "Ich habe einige Nachforschungen über dieses erwähnte Mädchen angestellt und heraus kam, dass auch sie vor einiger Zeit einfach verschwunden ist. Dies sagte zumindest das Zaubereiministerium."

"Das kann doch alles nicht sein!", schimpfte Severus mit einem düsteren Gesicht. Er wollte keine Tochter haben, schon gar ein Kind seiner längst verschollenen ehemaligen Freundin. Und überhaupt wollte er nichts mehr mit seiner Familie zu tun haben, sie hatten ihn schließlich auch immer nur schikaniert.

"Heute Abend wird sie nach Hogwarts kommen. Du musst es ihr sagen, auch sie hat außer dich niemanden mehr", erklärte Dumbledore.

Severus schüttelte den Kopf. Er wollte nicht, dass sie wusste, dass sie eine Familie waren. Andererseits hatte sie ein Recht darauf zu erfahren, dass sie noch Familie hatte. Doch Snape wollte keine Familie! Und er würde es ihr auch ganz bestimmt nicht sagen, wenn es nicht unbedingt sein müsste. Oder noch besser: Er würde sie einfach in Ruhe lassen.

"Nein!", schüttelte Snape noch immer den Kopf. Fassungslos, dass seine Tochter wieder aufgetaucht war, ging er schnellen Schrittes an Dumbledore vorbei zur Tür hinaus. Seine Unterlagen in der Hand haltend rannte Snape zu seinem Büro in den Kerker, wo er ankam, ohne einem anderen Lehrer zu begegnen.

Wieso musste man seine Tochter unbedingt finden? Wieso war sie nicht einfach verschwunden geblieben? Dann hätte Snape sich jetzt keine Gedanken darüber machen müssen, ob er es Emilia sagte oder nicht. Seiner Meinung nach durfte es niemand erfahren! Wenn sich rumspräche, dass Snape eine Tochter hatte, würden sich die Lehrer noch mehr über ihn lustig machen. Und die Schüler würden ihn noch mehr nerven als nun eh schon. Bei einem war sich Snape sicher: Die Schüler durften auf keinen Fall etwas davon erfahren. Es war für Severus eh schon schwer genug. Ob er es Emilia sagen würde, entschied er, wenn er sie gesehen hatte. Er musste ja auch erstmal rausfinden, wie ihre Art war und ob sie überhaupt miteinander auskommen könnten. Ja, Severus würde nach dem ersten Unterricht entscheiden, ob er es ihr sagen würde oder nicht.

*Emilias POV*

Seit Stunden redeten Emilia und Daphne wie die besten Freunde. Sie amüsierten sich und unterhielten sich über die Jungs in ihrer Jahrgangsstufe. Auch Daphne ging in die vierte Klasse, so wie Emilia es vorhatte. Mittlerweile hofften beide, dass Emilia auch in die vierte gehen würde. Daphne erzählte auch sehr viel über die anderen Slytherinmädchen in ihrem Schlafsaal. Sie warnte Emilia vor Millicent und Pansy, denn diese zwei sollten wohl die gemeinsten und hinterhältigsten Mädchen der Schule sein. Außerdem wich Pansy nicht von Dracos Seite, was ihn widerrum nervte, da er sie hasste.

Von Daphne erfuhr Emilia auch einiges über die Lehrer. Zum Beispiel sollte sie sich auf keinen Fall mit Snape anlegen, da der Griesgram, wie sie ihn nannte, sehr schnell unfair werden konnte. Mit Professor McGonagall war auch nicht zu spaßen, zumindest wenn man ein Slytherin war. Denn die Gryffindorhauslehrerin verabscheute das Haus Slytherin, auch wenn sie sich nach außen hin neutral gab, ganz im Gegensatz zu Slytherinhauslehrer Snape, der die Slytherins öffentlich bevorzugte.

"In welchem Haus sind Hermine, Ron und Harry?", fragte Emilia. In Slytherin waren sie wohl nicht, aber sie fragte sich dennoch, in welchem Haus sie waren. Emilia hatte die drei auf Anhieb nett gefunden, zwar nur wegen Harry, aber gut.

"Gryffindor. Das sind Dracos Feinde, er macht sie immer und überall fertig", erzählte Daphne. "Bist du eigentlich reinblütig?"

Emilia sah Daphne fragend an. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, geschweige denn, was sie nun antworten sollte.

"Ob deine beiden Eltern Zauberer waren oder nur einer", erklärte Daphne ihr.

Emilia nickte kurz. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Man ... Ich kann mich an nichts erinnern."

"Wie meinst du das? Du kannst dich nicht an deine Vergangenheit und deine Familie erinnern?", fragte Daphne neugierig.

"Genau. Ich kann mich an nichts außer meinen Namen und mein Geburtsdatum erinnern", sagte Emilia.

"Wieso das denn nicht?" Daphne öffnete erschrocken ihren Mund und sah sie an.

Emilia rutschte unruhig auf ihrer Bank herum. Sie wollte das alles eigentlich nicht erzählen. Aber würde es schaden, nur Daphne davon zu erzählen? Sie schien nett zu sein und konnte so etwas bestimmt für sich behalten. Seufzend fing Emilia an zu erzählen. Über ihre Gefangenschaft (Voldemort erwähnte sie dabei nicht) und dann über ihren Krankenhausaufenthalt und ihrem Vormund.

Daphne hörte leise zu und erschrak einige Male, während Emilia erzählte. "Das ist ja schrecklich! Wer konnte dir nur so etwas schlimmes antun? Wer würde es wagen, so etwas zu machen? Ich kanns kaum fassen, dass es sowas wirklich gibt! Was sagt das Zaubereiministerium dazu? Haben sie schon angefangen mit der Suche nach dem Täter und deiner Familie?", sprudelte Daphne los.

Emilia musste lachen. Sie hatte noch nie jemanden gesehen, der so viel reden konnte. "Das Ministerium sucht noch. Und auch viele andere Leute wie Dumbledore suchen mit", erzählte sie. "Den Täter zu finden, wird nicht einfach. Immerhin haben sie mir die Erinnerungen an sie gelöscht, eben damit man sie nicht finden kann. Ich glaube eher, dass das Ministerium bei der Suche nach meiner Familie mehr Glück haben wird."

"Ist doch toll! Dann hast du immerhin deine Familie wieder. Und irgendwann werden sie den Täter bestimmt auch finden", versuchte Daphne sie aufzumuntern. "Kommst du mit zum Servierwagen?"

Emilia nickte und folgte Daphne hinaus auf den Gang. Von einigen Slytherins wurde sie noch immer böse angestarrt, doch Emilia achtete einfach nicht darauf und ging weiter hinter Daphne hinterher. Sie liefen weiter nach vorne durch den Zug, bis ihnen eine kleine, rundliche Frau entgegen kam, die immer wieder "Hier kommt der Servierwagen" schrie. Gerade stand sie an einer Abteiltür, aus der Ron hinaussah und sich etwas kaufte. Hinter ihr kamen auch schon einige Mädchen, die etwas kaufen wollten. Außerdem stand Harry, dicht an Ron gedrängt, in der Abteiltür und wollte sich gerade etwas nehmen, als er ein junges Mädchen entdeckte. Man sah ihm deutlich an, dass er sie mochte.

"Hey Harry!", rief Emilia ihm zu. Überrascht wandte er den Blick von dem Mädchen zu Emilia, die sich einfach etwas vom Servierwagen nahm und der netten Frau das Geld in die Hand drückte.

"Emilia! Du gehst auch nach Hogwarts?", fragte Harry und sah Emilias Freundin böse an. Ganz klar, Harry mochte keine Slytherins.

"Na klar. Seit diesem Jahr", sagte Emilia und blickte ihn kühl an. Wieso mussten denn alle immer Vorurteile gegenüber anderen Häusern haben? Total kindisch. Emilia mochte die Slytherins, zumindest einige, genauso wie die Gryffindors.

Harry, der von ihrem kühlen Blick irritiert war, wünschte ihr noch viel Glück und meinte, er würde sich freuen, wenn sie nach Gryffindor käme. Dann wandte er sich ab und ging zurück in sein Abteil. Daphne hatte sich inzwischen auch etwas vom Servierwagen genommen, also gingen beide wieder zusammen in ihr Abteil. Emilia ließ sich wieder auf ihrer Seite des Abteils nieder und machte es sich dort gemütlich.

Nervös spielte sie mit ihren Fingern. "Hör mal auf mit deinen Fingern zu spielen! Du machst mich auch noch ganz nervös!", sagte Daphne, die ihre Finger wütend anstarrte.

"Ich bin nervös, tut mir Leid", erwiderte Emilia leise, ließ ihre Finger aber ruhig. Es gab keinen Grund, nervös zu sein. Ihr war es ziemlich egal, in welches Haus sie kommen würde, immerhin wusste sie selbst nicht, welches für sie das beste wäre. Andererseits würde sie schon gerne nach Slytherin oder Gryffindor, lieber nach Gryffindor. Aber sie konnte es sich nicht aussuchen, das hatte sie zumindest in einem Buch über Hogwarts gelesen.

"Du musst nicht nervös sein. Du musst nur einen Hut aufsetzen, der dann dein Haus sagt. Klar, ich war auch aufgeregt und nervös, aber dafür gibt es wirklich keinen Grund!", munterte Daphne sie auf. Sie war schon echt lieb, dass sie Emilia half, obwohl sie eigentlich auch bei den Jungs oder ihrer Freundin sitzen könnte.

"Danke", murmelte Emilia. "Wieso sitzt du eigentlich bei mir und nicht bei den Jungs oder deiner Freundin?"

"Ich mag dich. Außerdem will ich dir doch helfen und ich betrachte dich doch mittlerweile auch als meine Freundin!", sagte sie und gab Emilia einen lieb gemeinten Fußtritt.

"Echt cool. Ich finde dich auch super nett", grinste Emilia. Plötzlich klopfte es an der Abteiltür und Emilia sah einen Blondschopf dort stehen. Draco, dachte sie seufzend. "Hast du Angst vor mir oder wieso kommst du nicht rein?"

Diese Frage ließ ihn wohl aufhorchen, denn sofort wurde die Tür geöffnet und ein wütender Draco kam herein. "Ich wollte lediglich nicht in euer Gespräch platzen!", keifte er und stellte sich vor uns. "Wir sind bald in Hogwarts. Zieht eure Umhänge an und macht, dass ihr eure Sachen holt", dabei starrte Draco Emilia feindselig an. Emilia zog eine Augenbraue hoch, während Draco das Abteil verließ und ins nächste ging.

"Muss der immer so nervig sein?", fragte sie Daphne ungerührt. Diese schüttelte nur den Kopf und half Emilia, ihre Sachen einzusammeln. Als sie es endlich geschafft hatte, die Sachen alle aufzusammeln, wurde der Zug auch schon langsamer. Alle Schüler sprangen wild zu einer Tür, um möglichst früh aussteigen zu können. Emilia und Daphne hingegen hatte es nicht eilig, also blieben sie sitzen, bis der Großteil aller Schüler aus dem Zug war. Sie waren die letzten, die aus dem Zug sprangen.

"Wo müssen wir hin?", fragte Emilia leise, denn sie sah weit und breit niemanden mehr, dem sie hinterher laufen könnte.

"Dort vorne -", Daphne zeigte auf eine kleine Straße, "müssen wir auf die nächste Kutsche warten." Kutsche? Emilia wunderte sich, wieso sie mit einer Kutsche fahren mussten, doch wenig später kannte sie die Antwort: Die Kutsche zog nämlich sich selbst. Emilia hatte angenommen, dass Pferde die Kutsche ziehen würde, doch was war in einer Welt voll Zauberer noch normal? Als die Kutsche direkt vor den beiden Mädchen hielt, stiegen sie beide ein und ließen sich ziehen. Emilia war die Kutsche nicht geheuer, zumal sie ja eigentlich von nichts gezogen wurde. Sie zog sich selbst ... und das fand Emilia etwas komisch. Es dauerte auch nicht lange bis sie beim Schloss angekommen waren. Als Emilia es zum ersten Mal von weitem gesehen hatte, war sie sprachlos gewesen. Es wirkte riesig mit den vielen hohen Türmen. Hogwarts ragte in einer flachen Gegend aus und wirkte so etwas unheimlich, aber auch geheimnisvoll und unglaublich schön.

Die Kutsche hielt in einem kleinen Hof, von wo aus Daphne gleich durch eine große Tür ging. Sie stand offen, denn vor ihnen waren schon jede Menge anderer Schüler hindurch gelaufen. Emilia hatte große Schwierigkeiten, dem schnellen Tempo von Daphne hinterher zu kommen, doch als sie mehrere Treppen hinauf gerannt waren, blieb Daphne stehen und wartete.

"Wo musst du hin? Zu den Erstklässlern?", fragte Daphne.

"Ich weiß nicht. Aber nein, zu den Erstklässlern nicht", murmelte Emilia. "Du kannst dich ja hinsetzen, ich warte, bis ein Lehrer hier vorbei kommt."

"Ist gut. Viel Glück! Ich hoffe, ich sehe dich in Slytherin wieder", sagte Daphne grinsend und ging durch eine Tür in eine riesige Halle, in der sich alle Schüler sammelten. Emilia sah noch, wie sich Daphne an einen Tisch setzte, wohl dem Slytherintisch, und dann anfing, mit Blaise zu reden. Währenddessen hatte sich Emilia vor der Halle postiert und wartete vergeblich auf einen Lehrer. Hin und wieder kamen mal ein paar vereinzelte Schüler und sahen sie neugierig an, doch ein Lehrer ließ sich nicht blicken.

"Emilia, was stehst du denn hier rum?", fragte eine mädchenhafte Stimme hinter Emilia. Abrupt drehte sie sich um und sah sich gegenüber von Hermine. Diese lächelte sie freundlich an.

"Ich warte auf einen Lehrer. Ich habe keine Ahnung, wo ich hinsoll", gab Emilia zu. Eigentlich hatte Emilia nicht mehr die große Hoffnung, dass sich in den nächsten Momenten doch noch ein Lehrer zu ihr verirren würde, doch sie wusste auch nicht, was sie sonst tun sollte.

"Dann komm mit mir", schlug Hermine vor. "Es kann nicht falsch sein."

"Okay, du kennst dich hier besser aus. Ich vertrau dir einfach mal", murmelte Emilia und folgte Hermine in die riesige Halle. Als die beiden die Große Halle betraten, wurde es plötzlich leise in der Halle und alle Köpfe fuhren zu ihnen herum. Emilia, der es egal war, wenn sie so angestarrt wurde, lief neben Hermine zu dem Gryffindortisch und setzte sich neben sie. Auch Harry und Ron saßen dort und sahen die beiden Mädchen neugierig an.

"Was schaut ihr beide so?", fragte Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen. Die zwei kannten sie doch - zumindest hatten sie sie schon einmal getroffen - also warum starrten sie Emilia an wie alle anderen?

"Weißt du schon, in welches Haus du kommst?", fragte Harry, der Emilias Frage gekonnt ignorierte. Emilia schüttelte den Kopf und sah sich genauer um. Ganz vorne saßen wohl die Lehrer, denn es war wie ein Podest, wo ein großer Tisch aufgebaut war. Ein Mann mit langen grauen Haaren ging gerade zu einem Tisch, wo er sich eine Karte zurecht legte. Dann bat er um Ruhe, die auch gleich herrschte, als hätten alle Angst vor ihm. Das musste wohl der Schulleiter sein, Dumbledore, überlegte Emilia.

"Nun ... bevor ich mit den guten Neuigkeiten anfange, möchte ich anmerken, dass wir ab diesem Jahr eine neue Schülerin an unserer Schule haben. Sie wird jedoch nicht in die erste Klasse kommen", begann der Schulleiter. Emilia wurde panisch. Wieso musste der Schulleiter sie der ganzen Schule vorstellen? Das war total peinlich! Ändern konnte sie es jedoch nicht. "Minerva, würden Sie den Stuhl schon einmal holen?"

"Wieso haben sie dich nicht einfach mit den Erstklässlern geschickt? Das wäre viel einfacher gewesen!", murmelte Hermine leise und starrte zum Lehrertisch. Gleich musste Emilia bestimmt nach vorne gehen und diesen Hut aufsetzen, von dem Daphne ihr erzählt hatte. Natürlich war es kein großes Ding, aber ab dem heutigen Tag würde sie jeder in Hogwarts kennen! Jeder würde wissen, dass sie 'die Neue' war.

Eine ältere, streng aussehende Professorin, die offensichtlich Minerva hieß, ging durch eine Tür hinter dem Lehrertisch und kam wenige Minuten später mit einem Stuhl und dem Hut wieder auf die Bühne. Den Stuhl stellte sie gleich neben Dumbledore, den alten, zerschlissenen Hut legte sie auf ihn. "Emilia Callahan", rief die strenge Professorin. Sie hatte eine Rolle Pergament in ihrer Hand und sah über ihre Brille hinaus in die Schülermenge, als sie den Namen vorlas. Langsam erhob sich Emilia und ging durch die Reihen nach vorne auf Dumbledore zu. Dieser lächelte sie ermutigend an. Eigentlich war Emilia nicht schüchtern, doch vor so großer Menge war sie doch etwas unsicher. Einige Schüler, an denen Emilia vorbei kam, tuschelten leise und zeigten auf sie und die drei Gryffindors.

Emilia kam es vor wie eine Ewigkeit, bis sie endlich vorne bei dem Hut angekommen war. Dumbledore nahm den Hut von dem Stuhl und bedeutete Emilia, sich zu setzen. Mit wackelnden Knien lief sie zu dem Stuhl und setzte sich. Dumbledore setzte ihr den Hut auf, welcher auch gleich anfing zu sprechen.

"Ahh ein sehr gerissenes Mädchen. Selbstbewusst, intelligent, ehrgeizig, listig - alles, was ein Slytherin braucht. Doch du bist auch weise und klug - wie eine Ravenclaw. Deinen Freunden bleibst du treu und bist immer gerecht - wie eine Hufflepuff. Trotzdem bist du tapfer und mutig - wie eine Gryffindor. Du vereinst alle vier Häuser in dir", sprach der Hut. Emilia hoffte, dass es außer ihr niemand hörte, doch so leise wie der Hut sprach, wollte er wohl, dass es niemand hörte. Sie betete dafür, nach Gryffindor oder Slytherin zu kommen, allein schon, weil sie dort schon Leute kannte. Was wollte der Hut ihr nur sagen? Sie vereinte alle Häuser in sich? Das ergab doch nicht einmal Sinn!

"Nun gut, dann .... SLYTHERIN", rief der Hut, diesmal rief er es durch die ganze Halle. Emilia fiel ein Stein vom Herzen und sie atmete erleichtert auf. Als Dumbledore ihr den Hut vom Kopf nahm, sprang Emilia auf und rannte zu Daphne, ihrer Freundin, mit der sie sich nun einen Schlafsaal teilen würde.

"Du bist bei mir", rief Daphne schon begeistert und erhob sich von ihrer Bank, um Emilia zu umarmen. Emilia grinste nur und fiel in die Arme ihrer Freundin, dann setzte sie sich daneben. Blaise und Draco sahen sie nur böse an, doch das war Emilia egal. Sie hatte eine Freundin in ihrem Haus! Glücklich wandte sie sich wieder Daphne zu, die Emilia gerade ihrer beste Freundin Lilith Moon vorgestellt hatte. Lilith hatte bunte Haare, die ihr bis zur Schulter gingen.  Sie hatte Strähnen in blau, rot und grün in ihrem Haar und an einigen Stellen sah man noch ihre ursprüngliche Haarfarbe: Schwarz. Sie war schlank und sah gar nicht mal so schlecht aus. Als Dumbledore sich räusperte, wandte Emilia ihren Blick wieder zum Lehrertisch. Dumbledore, der in der Mitte saß, nickte ihr zu, während ein anderer Lehrer sie böse anschaute. Was der wohl hatte? Plötzlich ging die große Tür, die bisher geschlossen war, auf und einige strenge Frau trat herein, die sich als Minerva herausstellte. Emilia hatte gar nicht mitbekommen, dass sie verschwunden gewesen war. Im Schlepptau hatte die Lehrerin eine Horde Erstklässler, wie Emilia feststellte. Minerva führte die Neuen nach vorne, dorthin, wo Emilia vorhin auch gestanden hatte. Dann stellte sie sich neben den Stuhl und hob den Hut an. In diesem tat sich plötzlich ein Riss auf, welcher nach einem Mund aussah, und dann fing der Hut schon an zu singen:

"Eintausend Jahr und mehr ist's her,

seit mich genäht ein Schneiderer.

Da lebten vier Zaubrer wohl angesehn;i

hre Namen werden nie vergehn.

Von wilder Heide der kühne Gryffindor,

der schöne Ravenclaw den höchsten Fels erkor

.Der gute Hufflepuff aus sanftem Tal,

der schlaue Slytherin aus Sümpfen fahl.

Sie teilten einen Wunsch und Traum,

einen kühnen Plan, ihr glaubt es kaum -

junge Zauberer gut zu erziehn,

das war von Hogwarts der Beginn.

Es waren unserer Gründer vier,

die schufen diese Häuser hier

und jeder schätzte eine andere Tugend

bei der von ihm belehrten Jugend.

Die Mutigsten zog Gryffindor

bei weitem allen andern vor;

für Ravenclaw die Klügsten waren

alleine wert der Lehrerqualen.

Und jedem, der da eifrig lernte,

bescherte Hufflepuff reiche Ernte.

Bei Slytherin der Ehrgeiz nur

stillte den Machttrieb seiner Natur.

Es ist vor langer Zeit gewesen,

da konnten sie noch selbst verlesen,

doch was sollte später dann geschehen,

denn sie würden ja nicht ewig leben.

's war Gryffindor, des Rates gewiss,

der mich sogleich vom Kopfe riss.

Die Gründer sollten mir verleihn

von ihrem Grips 'nen Teil ganz klein.

So kann ich jetzt an ihrer statt,sagen,

wer wohin zu gehen hat.

Nun setzt mich rasch auf eure Schöpfe,

damit ich euch dann vor mir knöpfe.

Falsch gewählt hab ich noch nie,

weil ich in eure Herzen seh.

Nun wollen wir nicht weiter rechten,

ich sag, wohin ihr passt am besten."

 Als der Hut verstummte, erbebte die Große Halle unter lautem Beifall. Emilia selbst klatschte mit. Auch Daphne rang sich dazu durch, wenigsten ein paar Mal zu klatschen, auch wenn sie nichts von dem Hut hielt. Draco und Blaise, die beide neben Emilia saßen, sahen nur missmutig drein. Dann räusperte sich Minerva und entrollte ein Pergament. "Wenn ich euren Namen aufrufe, zieht ihr den Hut über den Kopf und setzt euch auf den Stuhl", erklärte sie den Neuen, während sie über ihre Brille hinweg streng schaute. "Wenn der Hut euer Haus aufruft, geht ihr zum richtigen Tisch und setzt euch dort hin.

Ackerly, Stewart!" Ein Junge, sichtlich am ganzen Leib zitternd, trat vor, nahm den Sprechenden Hut in die Hand, setzte ihn auf und ließ sich auf dem Stuhl nieder. "Ravenclaw!", rief der Hut laut durch die Halle. Der Ravenclawtisch sprang auf und applaudierte laut. Grinsend rannte Stewart zu seinem Platz am Ravenclawtisch, wo er freundlich empfangen wurde.

Danach musste Malcolm Baddock den Hut aufsetzten. Als verkündet wurde, edass er in Emilias Haus war, brandete am Slytherintisch Beifall aus. Malcolm, der ein breites Grinsen auf dem Gesicht hatte, ließ sich von allen Willkommen heißen, dann setzte er sich neben Draco.

"He Malfoy, schon nen neues Mädchen aufgerissen in den Ferien?", fragte ein Junge, der nicht weit von Draco saß und einem Hasen vom Aussehen Konkurenz machte. Draco fuhr zu dem Jungen herum und sah ihn abschätzend an, dann erwiderte er: "Mehr als du bestimmt." Damit drehte Draco sich wieder weg und unterhielt sich mit Zabini.

"Sind das Idioten", murmelte Emilia leise an Daphne und Lilith gewandt. "Als würden die Mädchen abbekommen."

Daphne lachte. "Die haben schon ihre Methoden, wie sie die Mädchen rum kriegen."

"Ach ja? Müssen die beiden die Mädchen erst mit Alkohol abfüllen, damit sie mit denen schlafen können?", fragte Emilia zwischen zusammen gebissenen Zähnen. Was waren das nur für Idioten? Die fühlten sich eindeutig cooler als sie eigentlich waren.

Lilith zuckte mit den Schultern. "Bei den meisten Mädchen funktionierts nicht."

"Was funktioniert nicht, Süße?", fragte Blaise, der ihr Gespräch offenbar verfolgt hatte. Augenblicklich wurde Lilith rot wie eine Tomate.

Emilia seufzte. "Euer Sexleben, Blaise, das funktioniert offenbar nicht. Schließlich müssen die Mädchen alle erst dicht sein, bevor sie sich euch nähern, wie ich gehört habe." Daraufhin sah Blaise Emilia fassunglos an.

"Sie nähern sich uns auch ganz ohne Alkohol. Wie man an meiner Freundin sehen kann", sagte Blaise. Dann zeigte er auf ein junges Mädchen, welches wohl in der dritten Klasse war, und lächelte ihr zu. Sie erwiderte das Lächeln.

"Süß. Weiß sie, dass du fremdgehst?", fragte Emilia kühl und sah Blaise gelangweilt an. Daphne und Lilith hielten sich die Hand vor ihrem Mund, um nicht laut loszulachen. Sie fanden die Tatsache, dass Emilia den größten Idioten der Schule gerade dumm dastehen ließ, ziemlich amüsant.

"Wie kommst du darauf, dass ich fremdgehe?"

"Sagtest du eben", sagte Emilia und zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es ihr egal, ob er nun fremdging oder nicht, aber ihr tat das Mädchen Leid.

"Und woher willst du das wissen? Hast dus ausprobiert?", fragte Blaise. Draco hielt sich aus dem Gespräch lieber raus und quatschte zwei andere, dicke Jungs voll, die aussahen, als wären sie strohdumm.

"Spar dir deine billigen Anmachsprüche. Die ziehen bei mir nicht", erwiderte Emilia leicht genervt. Wie konnte ein Mensch sie nur so nerven? Der Typ war ja mehr als lästig! Blaise zuckte nur mit den Schultern, dann wandte er sich dem Gespräch zwischen Draco und den zwei anderen Typen zu.

"Dem hast dus aber gezeigt", lachte Lilith. "Und ich dachte, Daphne übertreibt. Sie hat mir nämlich erzählt, dass du die zwei schon aus ihrem Abteil geworfen hast."

"Rausgeworfen kann man es nicht nennen. Eher nicht reingelassen", murmelte Emilia. "Wann gibts denn endlich essen?" Emilia hatte mittlerweile ziemlichen Hunger. Erwartungsvoll blickte sie nach vorne zu dem Lehrertisch, von dem sich nun Dumbledore erhoben hatte. Die Erstklässler waren schon aufgeteilt worden, was Emilia gar nicht so richtig mitbekommen hatte.

"Ich hab euch nur zwei Worte zu sagen", verkündete Dumbledore und blickte in die erwartungsvollen Gesichter seiner Schüler. "Haut rein!" Daraufhin erschienen vor Emilia einige Gerichte, die sie noch nicht kannte. Vorsichtig belud sie sich ihren Teller und fing an zu essen. Das Essen schmeckte großartig, auch wenn sie nicht wusste, was sie eigentlich aß.

"Wo kommst du eigentlich her, Emilia?", fragte Lilith sie, nachdem sie einige Minuten lang schweigend gegessen hatten.

"Die meiste Zeit vor Hogwarts hab ich in einem Krankenhaus verbracht", murmelte Emilia leise. Lilith ließ noch ein leise "Oh!" ihren Mund verlassen, dann war es wieder still. "Kann mich nachher jemand von euch zu Dumbledores Büro bringen?"

Daphne stopfte sich noch einen Löffel in den Mund, dann nickte sie. "Wegen der Jahrgangsstufe, oder? Also in welche du kommst?", fragte sie mit vollem Mund.

"Ja, Dumbledore hat in seinen Brief geschrieben, dass ich nach dem hier zu ihm kommen soll", sagte Emilia. Sie hatte keinen Hunger mehr, sie war einfach noch zu aufgeregt, um mehr essen zu können, also ließ sie es vor sich stehen. Gelangweilt sah sie zum Lehrertisch hinauf, wo sie ein schwarz-haariger, grimmig schauende Mann musterte. Er schien in sie hineinzuschauen und als sie sich mehr auf ihre Gedanken konzentrierte, spürte sie, dass er tatsächlich in ihren Gedanken war. Schnell schüttelte sie den Kopf und baute ihren 'Schutzwall' in ihrem Kopf auf, sofort verzog sich der komische Mann aus ihrem Kopf. Doch er musterte Emilia weiter, was ihr gar nicht gefiel.

"Wer ist der Lehrer dort oben? Der so grimmig zu uns schaut?", fragte Emilia Daphne und stupste sie mit ihrem Ellenbogen an. Dann zeigte sie auf den seltsamen Mann nach vorne.

"Professor Severus Snape, unser Hauslehrer", antwortete Daphne. "Ich vermute mal, er wird nachher die endgültige Entscheidung treffen, in welche Klasse du kommst."

"Und wieso sieht der uns so komisch an?", fragte Emilia ungeduldig.

"Naja, er würde niemals die anderen Häuser anschauen, weil er unser Hauslehrer ist. Und eigentlich schaut er immer so, auch im Unterricht", erklärte Lilith. Emilia nickte nur und sah den beiden beim Essen zu.

*Snapes POV*

Seit McGonagall den Namen eines ihm unbekannten Mädchens aufgerufen hatte, war Snape sich ziemlich sicher, dass er ihr Vater war. Sie hatte große Ähnlichkeit mit ihm und jemandem, dessen Erinnerung ihm immer noch Shmerzen bereitete. Sie war wirklich einzigartig hübsch, das musste er zugeben. Mit ihren schwarzen Haaren, die ihr über die Schultern fielen, und den schwarzen Klamotten wirkte sie düster und geheimnisvoll. Außerdem hatte sie hohe Schuhe an und bewegte sich auch wirklich geschmeidig und anmutig. Severus hatte feststellen müssen, dass sowohl Malfoy und Potter, wie auch viele andere Jungs in den verschiedenen Häusern, seine Tochter mit offenem Mund anstarrten. Snape ließ das jedoch völlig kalt. Er beobachtete nur das Geschehen mit einer Mischung aus unverhohlener Neugier und Langeweile. Emilia kam nach vorne und setzte den Hut auf. Seiner Meinung nach brauchte der Hut viel zu lange, um sie in eines der Häuser zu stecken. Für gewöhnlich ging das schneller. Circa fünf Minuten blieb der Hut stumm, dann rief er "Slytherin", durch die Halle.

Snape erstarrte. Das wars dann wohl mit seinem Plan. Eigentlich hatte er sich überlegt, sie einfach zu ignorieren, was auch gegangen wäre, wäre sie nicht ausgerechnet in seinem Haus gelandet. Nun musste er sich einen neuen Plan überlegen. Sollte er mit ihr umgehen wie mit jedem anderen Slytherin auch? Oder sollte er es ihr doch sagen? Snape verschob das Nachdenken auf später und beobachtete, wie Emilia sich am Slytherintisch mit Zabini und Greengrass unterhielt. Es brannte Severus darauf, zu erfahren, was der Sprechende Hut zu ihr gesagt hatte. Ohne großartig darüber nachzudenken, brach er in Emilias Gedanken ein und horchte sich um. Ja, Snape war Legilimentiker, er konnte also Gedanken lesen. Und genau das hatte er nun bei Emilia vor. Doch leider fand er nicht so schnell, was er wollte. Sie musste wohl das vom Hut Gesagte verdrängen, sonst hätte es Snape schon längst gefunden. Snape starrte sie finster an. Plötzlich sah sie zum Lehrertisch hinauf - zu ihm und sah ihn böse an. Snape wusste, dass sie ihn erwischt hatte in ihrem Kopf und ließ Emilia für die nächste Zeit in Ruhe. Hoffentlich würde sie damit nicht zum Schulleiter gehen.

Dumbledore jedoch unterbrach Snapes Gedanken, indem er sich erhob und nach vorne trat. Augenblicklich wurde es still in der ganzen Halle und nur noch das Heulen des Windes und das Trommeln des Regens waren zu hören.

"So!", sagte Dumbledore und lächelte in die Runde. "Nun, da wir alle gefüttert und gewässert sind, muss ich noch mal um eure Aufmerksamkeit bitten und euch einige Dinge mitteilen. Mr. Filch, der Hausmeister, hat mich gebeten, euch zu sagen, dass die Liste der verbotenen Gegestände in den Mauern des Schlosses für dieses Jahr erweitert wurde und nun auch Jaulende Jo-Jos, Fangzähnige Frisbees und Bissige Bumerangs enthält. Die vollständige Liste zählt, soviel ich weiß, etwa 437 Gegenstände auf und kann in Mr. Filchs Büro eingesehen werden, falls jemand sie zu Rate ziehen will." Es herrschte Schweigen in der Halle. "Wie immer", fuhr Dumbledore ungeirrt fort, "möchte ich euch daran erinnern, dass der Wald auf dem Schlossgelände für Schüler verboten ist, wie auch das Dorf Hogsmead für alle Schüler der ersten und zweiten Klasse. Ich habe zudem die schmerzliche Pflicht, euch mitzuteilen, dass der Quidditch-Wettbewerb zwischen den Häusern dieses Jahr nicht stattfinden wird." Snape sah in die Gesichter der Schüler und konnte ganz deutlich das Entsetzen darin sehen. Wenn sie gleich erfahren würden, wieso es kein Quidditch gab, würden sie nicht mehr so betrübt schauen, dachte Snape.

"Der Grund ist eine Veranstaltung, die im Oktober beginnt", fuhr Dumbledore fort, "und den Lehrern das ganze restliche Schuljahr viel Zeit und Kraft abverlangen wird - doch ich bin sicher, ihr werdet alle viel Spaß dabei haben. Mit größtem Vergnügen möchte ich ankündigen, dass dieses Jahr in Hogwarts -" In diesem Moment gingen die Flügeltüren der Großen Halle krachend auf und verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm. Snape sah den Neuankömmling grimmig an, denn er hatte ihm schließlich seinen Posten als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste weggenommen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Snape zu, wie der Mann, der auf einen langen Stock gestützt, die Halle betrat. Er hatte einen schwarzen Reiseumhang an und machte damit einen wirklich düsteren Eindruck. Jeder Kopf in der Großen Halle war zu dem neuen Professor gerichtet, der nun von einem grellen Blitz ins Licht getaucht wurde. Professor Moody, wie er hieß, wandte sich dem Lehrertisch zu und kam hoch gelaufen. Bei jedem zweiten Schritt ging ein dumpfes Klonk durch die Halle. Das Gesicht des Mannes sah aus, als wäre es aus einem Stück verwitterten Holzes geschnitzt, von jemandem, der nur eine ganz vage Ahnung von einem menschlichen Gesicht hatte und nicht allzu kunstfertig mit dem Breitel umgehen konnte. Das ganze Gesicht schien vernarbt zu sein und der Mund sah aus wie eine klaffende Wunde, die sich über das ganze Gesicht zog. Außerdem fehlte ein Stück seiner großen Nase. Doch Snape wusste, dass die meisten Schüler wohl weniger Angst vor seiner Erscheinung als vielmehr vor Moodys Augen hatten. Denn das eine war eine kleine, dunkle Perle. Das andere war groß, rund wie eine Münze und von einem leuchtend stählernen Blau. Das Auge bewegte sich unablässig, ohne Lidschlag, rollte nach oben, nach unten, zur Seite, ganz unabhängig vom normalen Auge.

Professor Moody trat vor Dumbledore, der ihm die Hand freundlich hinhielt. Schnell ergriff Moody die Hand des Schulleiters mit seiner eigenen vernarbten Hand. Dumbledore schüttelte sie und murmelte ein paar leise Worte, ehe er sich an die Schüler wandte und dem Neuankömmling einen Platz neben ihm selbst anbot. "Ich möchte euch euren neuen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste vorstellen", sagte Dumbledore laut zu den Schülern. "Professor Moody." Doch niemand klatschte, außer Hagrid, dieser Nichtsnutz, und Dumbledore selbst. Alle anderen Schüler und Lehrer waren zu sehr damit beschäftigt, den Neuen anzustarren. Snape klatschte aus Prinzip nicht, weil eben dieser Neue Lehrer ihm die Stelle genommen hatte. Dann hörte Snape leises Geflüster von den Tischen her und es klang auf jeden Fall geschockt. Offensichtlich wusste die Mehrheit der Schüler etwas mit dem Namen anzufangen. Dumbledore räusperte sich erneut. "Wie ich eben erwähnte", sagte er geheimnisvoll, "werden wir in den kommenden Monaten die Ehre haben, Gastgeber einer sehr spannenden Veranstaltung zu sein, eines Ereignisses, das seit über einem Jahrhundert nicht mehr stattgefunden hat. Mit allergrößtem Vergnügen teile ich euch mit, dass dieses Jahr in Hogwarts das Trimagische Turnier stattfinden wird."

*Emilias POV*
Lauter Beifall brandete in der Halle auf, als Dumbledore verkündete, dass Hogwarts das Trimagische Turnier austragen würde. Emilia wusste zwar nicht, was das für ein Turnier war, aber trotzdem freute sie sich. Der ganzen Halle schien es zu gefallen, also würde es wohl ganz toll werden. Daphne und Lilith konnten es kaum glauben, dass der Schulleiter das wirklich gesagt hatte. Aufgeregt diskutierten die beiden darüber, wer von Hogwarts wohl teilnehmen würde.
"Sie machen Witze!", rief ein rothaariger Typ vom Gryffindortisch.
"Ich mache keine Witze, Mr. Weasley", gluckste Dumbledore. Also war es wohl ein Bruder von Ron gewesen, der laut reingerufen hatte. "Obwohl, da fällt mir ein, im Sommer habe ich einen köstlichen Witz gehört; ein Troll, eine Vettel und ein irischer Kobold gehen zusammen in die Kneipe -", erzählte Dumbledore, doch Professor McGonagall unterbrach ihn mit einem Räuspern.
"Ehm ... aber vielleicht ein andernmal ... nein ...", sagte Dumbledore und es schien so, als hätte er den Faden seiner Rede verloren. "Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, das Trimagische Turnier ... nun, einige von euch werden nicht wissen, worum es bei diesem Turnier geht, und ich hoffe, dass die anderen mir verzeihen, wenn ich es kurz erkläre, sie können ja inzwischen weghören.
Das Trimagische Turnier fand erstmals vor etwa 700 Jahren statt, als freundschaftlicher Wettstreit zwischen den drei größten Zaubererschulen Hogwarts, Beauxbatons und Durmstrang. Jede Schule wählte einen Champion aus, der sie vertrat, und diese drei mussten im Wettbewerb drei magische Aufgaben lösen. Die Schulen wechselten sich alle fünf Jahre als Gastgeber des Turniers ab, und alle fanden, dies sei der beste Weg, persönliche Bande zwischen jungen Hexen und Magiern verschiedener Länder zu knüpfen - bis allerdings die Todesrate so stark zunahm, dass das Turnier eingestellt wurde."
"Da sterben Leute! Wieso führt man das überhaupt wieder ein?", fragte ein junger Ravenclaw, der mit dem Rücken zu Emilia saß.
"Kann doch dir egal sein, ob da Leute sterben. Du darfst bestimmt eh nicht teilnehmen", meinte Emilia. Zwar wusste sie, dass sie darauf eigentlich nicht hätte antworten sollen, doch sie hatte gerade Lust dazu gehabt. Außerdem war sie schon gespannt darauf, ein bisschen mehr über das Turnier zu erfahren. Und sie wollte endlich wissen, ab welchem Alter man teilnehmen dürfte.
"Es gab im Laufe der Jahrhunderte mehrere Versuche, das Turnier wieder einzuführen", fuhr Dumbledore fort, sofort trat wieder Schweigen in die Schüler, "doch keiner davon war sehr erfolgreich. Nun allerdings hat unsere Abteilung für magische Spiele und Sportarten beschlossen, dass die Zeit reif ist für einen neuen Versuch. Den ganzen Sommer über haben wir uns alle Mühe gegeben, dafür zu sorgen, dass diesmal kein Champion in tödliche Gefahr geraten kann.
Die Schulleiter von Beauxbatons und Durmtrang werden mit ihren Kandidaten engerer Wahl im Oktober hier eintreffen und der Ausscheidungskampf für die drei Champions wird an Halloween stattfinden. Ein unparteiischer Richter wird entscheiden, welche Schüler geeignet sind, im Trimagischen Turnier anzutreten und das ausgesetzte Preisgeld von tausend Galleonen zu gewinnen."
Innerlich jubelte Emilia, während sie nach außen hin so tat, als wäre es ihr völlig egal. Und wenn sie über das Turnier und die Todesfälle nachdachte, gäbe es bestimmt auch ein Mindestalter. Und das hatte sie bestimmt noch nicht erreicht, immerhin war sie ja gerade einmal gute 15 Jahre alt. Andererseits hatte sie nie vorgehabt, wirklich bei so einem Turnier mitzumachen. Emilia schien es einfach dumm, sein Leben so oft aufs Spiel zu setzen, nur um Ruhm und Ansehen zu bekommen.
Und als hätte Dumbledore ihre Gedanken gelesen, redete er weiter: "Zwar weiß ich, wie begierig ihr alle darauf seid, den Trimagischen Pokal für Hogwarts zu holen, doch die Leiter der teilnehmenden Schulen haben gemeinsam mit dem Zaubereiministerium beschlossen, in diesem Jahr eine Altersbegrenzung für die Bewerber festzusetzen. Nur Schüler, die volljährig sind - das heißt 17 Jahre oder älter -, erhalten die Erlaubnis, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Dies ist ein Schritt" - und Dumbledore sprach ein wenig lauter, denn bei diesen Worten hatten ziemlich viele empört aufgeschrien - "dies ist ein Schritt, den wir für notwendig halten, denn die Turnieraufgaben sind schwierig und trotz aller Vorkehrungen nur unter Gefahr zu lösen, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass Schüler unterhalb der sechsten Klassenstufe damit zurechtkommen. Ich persönlich werde dafür sorgen, dass kein minderjähriger Schüler unseren unparteiischen Schiedsrichter hinters Licht führt, um Hogwarts-Champion zu werden." Kurz sah er zwei Gryffindors an, dann sagte er noch: "Ich bitte euch daher, eure Zeit nicht mit einer Bewerbung zu verschwenden, wenn ihr noch nicht siebzehn seid.
Die Abordnungen aus Beauxbatons und Durmstrang werden im Oktober eintreffen und den größten Teil des Jahres bei uns bleiben. Ich weiß, dass ihr unsere ausländischen Gäste mit größter Herzlichkeit empfangen und den Hogwarts-Champion mit Leid und Seele unterstützen werdet, sobald er oder sie ausgewählt ist. Und nun ist es spät und ich weiß, wie wichtig es ist, dass ihr alle wach und ausgeruht seid, wenn ihr morgen in die Klassen geht. Schlafenszeit, husch husch!"
Dumbledore setzte sich und begann sich mit dem neuen Lehrer zu unterhalten, während sich die Schüler mit lautem Stuhlbeinscharren erhoben und in ihre Schlafsäle gingen. Emilia blieb noch einige Zeit mit ihrer neuen Freundin Daphne am Slytherintisch sitzen und unterhielt sich mit ihr über das bevorstehende Turnier.

"Glaubst du, man kann trotzdem seinen Namen in das Feuer werfen, auch wenn man keine 17 Jahre alt ist?", fragte Emilia. Sie fand es interessant zu wissen, wie Dumbledore verhindern wollte, dass Minderjährige ihren Namen in das Feuer gaben.  Außerdem hatte sie mal gelesen, dass es beim Trimagischen Turnier immer so war, dass die, die mitmachen wollten, ihre Namen auf einen Zettel schrieben und diesen dann in eine blaue Flamme warfen. Diese Flamme entschied auch später die Champions.

"Warum nicht? Ich wette, die Wiesel-Zwillinge werden versuchen, ihre Namen dort rein zu bekommen", sagte Daphne und blickte an den Gryffindortisch.

"Du meinst die zwei Rothaarigen?", fragte Emilia. Die zwei hatten große Ähnlichkeit mit Ron Weasley, vermutlich weil sie seine älteren Brüder waren. Ansonsten sahen die beiden aber total gleich aus, die beiden sahen sich echt zum Verwechseln ähnlich.

"Genau die", stimmte Daphne zu. "Wenn die beiden es nicht schaffen, dann kann es niemand."

"Du redest gut von Gryffindors? Hab ich was verpasst?", fragte Emilia stirnrunzelnd.

"Musstest du mich jetzt daran erinnern, dass die beiden Gryffindors sind? Darf ich nicht mal träumen?", erwiderte Daphne gespielt traurig.

"Dein Blick -", Emilia fing an zu lachen. Der Blick von Daphne war eben wirklich witzig gewesen, denn sie hatte ihre Mundwinkel so weit nach unten gezogen, dass ihr Mund völlig schief gewesen war. Lachend sah Emilia ihre Freundin an. "Mir ... gehts ... gut", brachte Emilia raus, während sie lachen musste. Daphne hatte sie etwas verwirrt und besorgt angestarrt.

Doch nun musste selbst Daphne den Kopf schütteln und dann lachen. "Jetzt hast du mich angesteckt, du dumme Kuh!", prustete Daphne. Da musste Emilia nur noch mehr lachen.

Nach einigen Minuten jedoch merkte Emilia, wie ihre Bauchmuskeln anfingen weh zu tun. Also versuchte sie, den Atem anzuhalten, um nicht gleich wieder laut loszulachen. Daphne gab das allerdings nur noch mehr Grund zu lachen, also riss sich Emilia zusammen und versuchte, so normal wie möglich auszusehen, ohne dabei zu lachen. Nachdem sie sich ein paar Mal verschluckt hatte, musste sie tatsächlich nicht mehr lachen. Auch Daphne hatte sich so langsam wieder beruhigt und sah Emilia nun grinsend an.

"Du bist Schuld!", sagte Emilia zu Daphne, dann erhob sie sich und hielt Daphne eine Hand hin, um sich daran hochzuziehen.

"Ja, ich habe dich auch lieb", scherzte Daphne und streckte Emilia die Zunge raus, ließ sich aber von ihr hochziehen. Gemeinsam gingen sie aus der Großen Halle hinaus und blieben dann unschlüssig stehen.

"Kannst du mich zu Dumbledore bringen?", fragte Emilia ihre Freundin. "Oder besser noch, kannst du mit rein kommen?"

"Also hinbringen kann ich dich auf jeden Fall, aber ob ich mit rein darf, weiß ich nicht", sagte Daphne und ging los in Richtung Treppen. Emilia folgte ihr einfach mal und sah sich derweil in den kühlen, leeren Gängen von Hogwarts um. Überall hingen Bilder von Personen, die Emilia noch nie im Leben gesehen hatte. Zumindest waren in den meisten Bildern welche, in anderen widerum waren zu viele - deswegen schloss Emilia daraus, dass sich die Leute frei in allen möglichen Bildern bewegen konnten. Wie das möglich war, wollte sie lieber gar nicht erst wissen.

"Hats dir die Sprache verschlagen oder wieso bist du so ruhig?", lachte Daphne, während sie eine Treppe hinauf gingen.

"Ich seh mich nur um", meinte Emilia. "Ich war beeindruckt von der Tatsache, dass die Leute in den Bildern in andere Bilder gehen können. Und dass sich die Bilder überhaupt bewegen!"

"Hast du noch nie ein Bild gesehen, was sich bewegt hat? Ich meine, wenn sies nicht tun, ist es doch langweilig, das Bild anzuschauen, oder?", fragte Daphne. Da merkte man den Unterschied zwischen ihren Welten. Oder anders ausgedrückt: Dort merkte man, dass Emilia nicht wie alle anderen war.

"Ich weiß nicht", gab Emilia zu. "Ich habe noch nie ein Bild gesehen." Keuchend blieb Daphne stehen, sodass Emilia fast in sie hineingerannt wäre.

"Du hast wirklich noch nie ein Bild gesehen?", fragte Daphne erschrocken.

"Ich denke, du vergisst, dass ich mich nur an die letzten zwei Wochen meines Lebens erinnern kann -", sagte Emilia daraufhin.

"Oh stimmt, ja, tut mir Leid", meinte Daphne und nahm Emilia in den Arm. Emilia kicherte und erwiderte die Umarmung. Als Daphne sich löste, ging sie weiter den Gang entlang, in dem sie gelandet waren, nachdem sie unendlich viele Treppen hoch gelaufen waren, blieb jedoch gleich wieder stehen.

"Daphne, wir müssen reden", rief Draco, der gerade um die Ecke gerannt kam. "Oh hi ... Callahan"

Daphne sah von Emilia zu Draco und wieder zurück. Dann nickte sie. "Ich komme gleich wieder", dann zog sie Draco am Arm mit sich und zusammen verschwanden die beiden um die Ecke. Emilia blieb ungerührt stehen, wo sie war. Sie versuchte, mitzubekommen, was die beiden redeten, doch dafür redeten sie zu leise. Und Emilia wollte auch nicht erwischt werden beim Zuhören, sodass sie einfach dort stehen blieb, wo sie gerade war, und wartete.

Daphnes POV

Draco hatte ihr gerade noch gefehlt. Was er wohl wollte? Bestimmt war es nichts wirklich wichtiges, doch trotzdem hatte Daphne das Gefühl, sie hatte mitgehen müssen. Schon allein, weil er ihr bester Freund war.

"Was ist so wichtig, Draco?", fragte sie höflich, auch wenn sie leicht genervt war.

"Ich ... Was machst du mit Callahan hier?", fragte Draco. Eigentlich hatte er etwas anderes sagen wollen, doch es war ihm einfach nicht über die Lippen gekommen. Normal war er nicht so schüchtern gegenüber Mädchen, doch bei Daphne war es anders. Sie hatte eine große Klappe, und er hatte durchaus Respekt vor ihr, außerdem war sie seine beste Freundin. Er konnte es nicht so einfach sagen, wie er es sich vorgenommen hatte.

"Mit ihr zu Dumbledore gehen. Sie wird jetzt gleich in ihre Klasse eingeteilt, also wünsch uns Glück, dass sie in die vierte kommt!", erklärte Daphne.

Draco nickte. "Wieso gehst du mit ihr?"

"Wieso nicht? Wir sind Freunde! Sie ist total nett!", verteidigte Daphne ihre Freundin. Wenn Emilia wüsste, was Draco von ihr hielt ...

"Sie ist ein Schlammblut!", gab Draco bissig zurück.

"Woher willst du das wissen? Du hast es ja gerade mal geschafft, einen Satz zu ihr zu sagen! Und verdammt nochmal, du kannst das nicht wissen! Sie kennt ihre Eltern nicht." Draco konnte einem wirklich auf den Geist gehen. Was hatte der nur immer? Wenn er dauernd jeden nach seiner Abstammung beurteilte, würde er nie viele Freunde finden. Schließlich mussten seine Freunde sogar alle aus Slytherin kommen! Nun gut, Daphnes Freunde kamen auch alle aus Slytherin, aber nur wegen Draco und Blaise, die zwar andauernd mit Hufflepuffs schliefen, ansonsten aber nichts mit ihnen zu tun haben wollten.

"Glaubst du! Vielleicht gibt sie ja nur vor, ihre Eltern nicht zu kennen", behauptete Draco. Dafür kassierte er eine saftige Ohrfeige von Daphne.

"Sag nie wieder, dass einer meiner Freunde lügt!" Daphne hatte jedes einzelne Wort langsam und betont ausgesprochen, dass es auch wirklich wie eine Drohung klang. "Nur, weil sie nicht wie jedes andere Mädchen in dieser verdammten Schule nach deiner Pfeife tanzt, brauchst du sie nicht zu beleidigen. Kapiert?" Ohne ein weiteres Wort machte Draco auf dem Absatz kehrt und ging zurück in die Kerker, wo der Slytherin-Gemeinschaftsraum lag. Daphne drehte sich um und ging zu Emilia zurück, die tatsächlich noch genau da stand, wo sie vorher war. Daphne hätte vermutet, dass sie zuhörte, was sie aber ganz offenbar nicht gemacht hatte. 

 

Emilias POV

 

"Bereit?", fragte Daphne Emilia und setzte ihr strahlendes Lächeln auf. 

"Klar", sagte Emilia kühl. "Was ist passiert? Habt ihr euch gezofft?" Es war eigentlich nicht ihre Art, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen, doch in diesem Fall konnte sie einfach nicht mitansehen, wie traurig ihre Freundin war. Daphne nickte leicht, sagte aber nichts mehr, bis sie bei Dumbledores Büro vor einem Wasserspeier stehen blieben. 

"Zitronenbonbons!", sagte Emilia. Daphne schaute sie beeindruckt an, als der Wasserspeier tatsächlich zurückging und eine Wendeltreppe freigab. "Steht auf dem Zettel da." Emilia zeigte auf einen kleinen, gelben Zettel, der an der Wand angebracht war. Daphne nickte, noch immer beeindruckt von Emilia. Kurz atmete Emilia nochmal scharf ein, dann setzte sie sich in Bewegung und marschierte die Treppe hinauf. Daphne blieb die ganze Zeit dicht hinter ihr und wäre beinahe in Emilia hinein gelaufen, als diese an einer Tür stehen geblieben war, um zu klopfen. Als ein leises "Herein" zu hören war, gingen die beiden Mädchen hinein.

Nervös sah Emilia sich in dem großen Zimmer um. An den Wänden hingen überall Bilder von ehemaligen Schulleitern, die die zwei Gäste aufgeregt musterten. Etwa in der Mitte des Raumes saß Dumbledore auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch, von wo aus er die beiden beobachtete. Hinter ihm saß ein seltsamer Vogel, ein Phönix, wie Emilia nach genauerem Betrachten sehen konnte. Sehr hübscher Vogel. Daneben ging eine kleine Treppe nach oben, von wo aus mehrere Türen abgingen. Vorsichtig schritt Emilia auf Dumbledore zu und murmelte ein leises "Guten Abend, Professor", während sie sich setzte. Daphne tat es ihr zögernd gleich. Auch sie war noch nie in diesem Raum gewesen - welch ein Glück, denn wenn man hier war, musste man etwas wirklich schlimmes verbrochen haben. Und so ganz persönlich hatte sie sich mit dem Schulleiter auch noch nie unterhalten, bisher hatte sie ihn immer nur in der Großen Halle Ansprachen machen hören. 

"Guten Abend, ihr zwei. Zitronenbonbons? Hilft gegen die Aufregung", sagte Dumbledore schmunzeld, als er sah, wie Emilia auf ihrem Stuhl rumzappelte. Emilia nickte, Daphne wollte lieber keine nehmen, da Draco dem Mann nicht vertraute. Als Emilia sich einen Bonbon in den Mund steckte, breitete sich wohlige Wärme in ihrem ganzen Körper aus und sofort wurde sie ruhig. Sie war nicht mehr so aufgeregt. "Wie ich sehe, haben Sie schon eine Freundin gefunden, Miss Callahan?"

Emilia nickte. "Ja, ich finde sie total nett. Und ich habe sie gebeten, mitzukommen." Daphne nickte zustimmend und sah den Professor aufgeregt an.

"Nun, Sie wissen, wieso Sie hier sind. Wir - das heißt, deine zukünftigen Lehrer und ich - wollen entscheiden, ob du bereit bist für die vierte Klasse", sprach Dumbledore. Emilia nickte. Was würde sie wohl machen müssen? "Ich habe einen Test - speziell für Sie, Miss Callahan - entwickelt, der das Grundwissen der vergangenen drei Schuljahre in allen Fächern bei Ihnen abfragen wird."

Emilia konnte zwar nicht sehr viel damit anfangen, doch sie nickte zustimmend. Sie musste also Fragen über alle Fächer beantworten, über den ganzen Stoff der ersten bis dritten Klasse. Zum Glück hatte sie in den Sommerferien noch gelernt. Dumbledore reichte ihr ein kleines Stück Pergament, dazu eine Feder und Tinte. Die Fragen standen auf dem Pergament gut leserlich drauf, sodass Emilia ihre Antworten einfach darunter setzen konnte. Schon nach wenigen Minuten hatte sie alle fragen beantwortet - ob richtig oder falsch, konnte sie nicht sagen. Daphne hatte sie die ganze Zeit beobachtet, hatte aber ihren Mund gehalten, denn helfen konnte sie eh nicht.

Zufrieden nahm Dumbledore das Pergament und legte es auf seinen Schreibtisch. Dann sah er Frage für Frage durch und hakte ab, was richtig war. Stille trat ein und man hörte nur das Schaben der Feder auf dem Pergament. Um die unangenehme Stille zu überbrücken, wollte Emilia den Professor gerade fragen, was er denn unterrichtete, als es plötzlich an der Tür klopfte. Ein schwarz haariger, düster gekleideter Mann trat ein.

"Professor?", fragte er mit einer leisen Stimme. Die Stimme hörte sich ölig an, doch trotzdem zerschnitt sie die Luft. Der Schulleiter sah auf. "Severus!", sagte er und sein Gesicht hellte sich auf. "Deine neue Schülerin ist hier." Dumbledore zeigte auf Emilia. Ihr war die Situation deutlich unangenehm, immerhin war sie mit zwei Lehrern in einem Raum, das konnte doch gar nicht gut gehen!

Snape sah seine beiden Schülerinnen an. Daphne wirkte, als hätte sie panische Angst. Emilia starrte ihn nur wütend an. Und er wusste genau warum. Emilia hatte wieder das Gefühl, sein Blick würde sie durchbohren. Seine kalten Augen musterten sie von oben bis unten. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.

Dumbledore, der die Spannung zwischen ihnen bemerkt hatte, hob seinen Kopf und sah Severus fragend an. Dieser gab ihm jedoch keine Antwort. "Nun, Miss Callahan, ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass Sie mit Miss Greengrass zusammen die vierte Klasse besuchen werden", meinte der Schulleiter. "Sie haben fast alle Fragen richtig beantwortet, nur in einem Fach fehlt es noch ein wenig. Severus, wärst du so nett, ihr ein paar Nachhilfestunden zu geben?"

"Natürlich", brachte Snape nur raus. Dumbledore nickte und schickte die beiden Mädchen aus dem Raum. Draußen angekommen, holten beide erstmal wieder richtig Luft. "Nie wieder!", keuchte Emilia. Die Spannung in dem Raum, als Snape hineingekommen war, war fast unerträglich gewesen, deshalb waren die beiden Mädchen auch froh gewesen, so früh gehen zu dürfen. Daphne nickte zustimmend und so machten sich die beiden auf zum Gemeinschaftsraum. Vor einem grünen, dunklen Bild blieben die beiden stehen. Daphne murmelte: "Fischvogelfänger!", und schon sprang das Bild zur Seite und gab einen großen Gang frei. Das Passwort merkte sich Emilia, sonst würde sie ja nicht mehr in den Gemeinschaftsraum kommen. Gleich, als sie hineinstolperten, kam ihnen Blaise entgegen.

"Wo warst du, Daphne?", fragte er gleich.

"Bei mir", antwortete Emilia knapp.

"Sehr witzig, Callahan", spottete Blaise. Daphne sah den beiden Streithähnen nur schmunzelnd zu.

"Oh, du kannst dir meinen Namen merken? Und ich dachte, du hättest kein Gehirn ...", gab Emilia zurück. Sie ließ sich ganz bestimmt nicht von ihm platt machen!

"Das trifft wohl eher auf dich zu", murmelte Blaise.

"Fällt dir wirklich nichts besseres ein, Zabini?", fragte Emilia und ließ sich auf eines der vielen Sofas fallen. Der Gemeinschaftsraum war in grün gehalten, die Möbel waren schwarz. Eine ganze Menge Leute saßen dort rum und starrten die beiden an, die sich laut zofften. Nun ja, fertig machten, traf es wohl eher.

"Die Neue ist sexy", murmelte ein braun haariger Typ in einer Ecke. Zwei andere nickten eifrig und gafften das Mädchen weiter an.

"Emilia, komm jetzt. Die starren dich alle an", meinte Daphne und zog ihre Freundin auf die Beine.

"Ich bin neu, was erwartest du?", gab Emilia zurück und sah sich um. Tatsächlich wurde sie von so ziemlich allen Jungs angestarrt, wahrscheinlich nur, weil sie neu ist.

"Dass du mir folgst, wenn ich das sage. Glaub mir, ich kenne die Jungs unten", sagte Daphne und zog sie in ein Zimmer, auf dem Vierte Klasse Mädchen draufstand. Dann schob sie Emilia in das Zimmer.

"Abend, Mädels!", sagte Emilia zu den Mädchen, die bereits auf ihrem Bett saßen. Dazu gehörte ein dickes, aber dennoch auf eine andere Weise hübsches Mädchen mit blonden Haaren, die sich als Millicent Bulstrode vorstellte. Das andere Mädchen hatte eine arrogante Miene aufgesetzt, die Emilia absolut nicht nachvollziehen konnte, da dieses Mädchen wirklich total schlimm aussah. Sie hatte große Glubschaugen, war etwas dicker, und hatte auch sonst einfach die falsche Kleidung an. Sie stellte sich als Pansy Parkinson vor. Mit der würde sich Emilia ganz sicher nicht anfreunden, zumindest nahm sie sich das fest vor. Doch in dem Zimmer standen fünf Betten - momentan waren sie aber nur vier Personen.

"Ist Lilith auch bei uns?", fragte sie Daphne, die es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht hatte. Emilia ging zu dem Bett, auf dem ihr Koffer und ihre Eule standen und räumte alles vom Bett, damit sie sich dort hineinlegen konnte.

"Ja, aber ich denke, sie hängt wieder bei ihrem Freund rum", meinte Daphne. Emilia nickte.

"Stört es euch, wenn ich jetzt schon schlafen gehe?", fragte Emilia und sah in die Runde.

"Nein, geh nur. Wir wollen auch gerade schlafen gehen, als ihr beide gekommen seid", lächelte Millicent. Sie schien ganz nett zu sein. Zwar etwas zurückhaltend, aber nett.

Schnell verschwand Emilia ins nebenstehende Bad und schminkte sich ab, zog sich um und putze ihre Zähne. Dann ging sie zurück in ihr warmes, kuscheliges Bett und machte es sich gemütlich.

"Gute Nacht, Mädels", wünschte Emilia noch, dann schlief sie auch schon tief und fest.

Professor Moody

 

Am nächsten Tag wurde Emilia von ihrer Freundin geweckt. Doch trotzdem mussten sich die beiden mit dem stylen beeilen, denn sie waren spät dran. Und schon am ersten Tag zu spät zu kommen, war wirklich peinlich. Emilia zog sich ihre Hogwarts-Kleidung über. Also einen schwarzen Umhang, einen kurzen schwarzen Rock, den sie selbst noch ein wenig verändert hatte und einen grün-schwarzen Pullover. Ja, Emilia liebte schwarz über alles. Und sie fand, das passte auch am besten zu ihr. In windeseile schminkte sie sich dezent, dann machten sie sich auf in die Große Halle. Daphne meinte nur, dass sie dort ihre Stundenpläne bekommen würden. Pansy, Millicent und Lilith saßen schon am Slytherin-tisch und waren gerade am Essen, als die beiden Mädchen die Große Halle betraten. Wieder einmal fuhren alle Köpfe zu 'der Neuen' rum und begleiteten ihren Weg zu den Mädchen aus ihrem Schlafsaal.
"Hey Mädels", begrüßte Emilia die Slytherins und setzte sich daneben. Daphne tat es ihr gleich und setzte sich zwischen Pansy und Emilia. Emilia war ganz froh darüber, nicht neben Pansy sitzen zu müssen, weil sie fand, dass sie etwas gewöhnungsbedürftig roch. Als sie hörte, wie ihr Magen knurrte, nahm sich Emilia schnell etwas zu essen. Sie schaufelte sich etwas Müsli rein und aß ein Brötchen, obwohl sie sonst morgens noch nie so viel gegessen hatte. Aber die Aufregung und die Umgebung stellten all ihre Gewohnheiten auf den Kopf.

"Da ist Snape! Meine Güte, der sieht ja noch mies gelaunter aus als sonst", murmelte Daphne und zeigte auf den schwarz gekleideten Mann am Lehrertisch. Er saß ganz außen, neben der stellvertretenden Schulleiterin, die anscheinend wohl gleichzeitig die Hauslehrerin Gryffindors war. Hermine hatte sie einmal erwähnt. Tatsächlich sah Snape noch wütender, böser und überhaupt furchteinflößender aus als gestern, als sie ankam. Woran das wohl lag? Eigentlich wollte Emilia es gar nicht so genau wissen ... Es ging sie ja auch gar nichts an. Trotzdem war sie neugierig.

"Wieso sieht der einen eigentlich immer so ... durchbohrend an? Als würde er deine Gedanken lesen", was er ja schon einmal bei ihr getan hatte, erinnerte sich Emilia. Was er wohl in ihren Gedanken gesucht hatte? Sie wusste es nicht, aber es interessierte sie brennend.

"Er kann Gedanken lesen. Aber normal darf er das bei Schülern nicht", stirnzunzelnd sah Daphne ihre Freundin an. "Hat er etwa bei dir schon mal ...?", fragte sie dann geschockt.

Emilia nickte. "Gestern. Und er weiß, dass ich gemerkt habe, was er treibt."

"Du kannst deinen Geist verschließen?", fragte Lilith interessiert. Bisher hatte sie sich aus dem Gespräch rausgehalten, doch jetzt wurde auch sie neugierig auf das neue Mädchen. Sie schien ja mal ganz nett zu sein.

"Ja, aber frag mich nicht, woher ich das kann. Ich konnte es einfach. Vielleicht hab ich das vor ... in meiner Vergangenheit mal gelernt", murmelte Emilia. Sie wollte nicht erzählen, was Voldemort mit ihr gemacht hatte, es würde ihr ja doch niemand glauben. Außerdem war es ihre Vergangenheit und die ging nunmal niemanden etwas an.
"Da kommt McGonagall mit den Stundenplänen!", rief Daphne aus, um vom Thema abzulenken. Sie wusste, dass sich Emilia nicht mehr an ihre Vergangenheit erinnerte, aber das musste Lilith ja nicht auch wissen. Zumal sie so ein Tratschmaul war, dass es nächsten Morgen garantiert Gesprächsthema Nummer 1 bei allen Schülern war.

Tatsächlich beugte sich in dem Moment McGonagall über den Tisch und gab ihnen ihren Stundenplan. „Miss Greengrass -“, sie legte Daphne den Stundeplan vor die Nase, „Miss Callahan-“, Emilia wurde ihr Stundeplan in die Hand gedrückt. „Miss Parkinson“, McGonagall legte den Stundenplan auf den Tisch. Danach bekam nur noch Lilith ihren Stundenplan und schon verschwand McGonagall wieder.

Schnell sahen sie sich alle ihren Stundeplan an und verglichen ihre Stundenpläne. Emilia hatte zuerst zwei Stunden Kräuterkunde, danach zwei Stunden Pmg und nach der Mittagspause nochmal zwei Stunden Zaubertränke, worauf sie sich am meisten freute.

„Welche Wahlfächer habt ihr eigentlich?“, fragte Emilia. „Ich hab nämlich PmG, Wahrsagen und Muggelkunde.“

„Ich hab alles außer Muggelkunde“, meinte Millicent.

„Ich hab Arithmantik, PmG und Alte Runen“, sagte Daphne.

„Gleiche wie Daphne“, grinste Lilith verschmitzt. Daphne lächelte ihr nur etwas zu, dann wandte sie sich wieder zu Emilia.

„Pansy, du hast doch auch Muggelkunde, oder?“, fragte Daphne. Pansy nickte leicht und wurde rot. Offenbar mochte sie das Fach nicht so wirklich gerne.

Emilia dachte nur, dass das doch nicht wahr sein konnte. Wieso musste sie ausgerechnet mit Pansy zusammen einen Kurs besuchen? Dass Muggelkunde bei Slytherins nicht besonders beliebt war, hatte sie sich schon gedacht, aber Pansy!? Von ihr hätte Emilia am wenigsten erwartet, dass sie Muggelkunde gewählt hat.

„Ich hoffe, du weißt, wo wir nachher hinmüssen, Pansy“, seufzte Emilia. „Ich renn nämlich einfach immer einem von euch hinterher.“

„Das wird witzig! Dann können wir dich ja überall hinführen und du würdest nicht mal merken, wenn der Weg nicht der richtige wäre“, grinste Daphne.

„Wenn du das machst, bist du tot.“ Emilia streckte ihrer Freundin die Zunge raus und nahm sich noch etwas Müsli.

 

Daphne schüttelte nur lachend den Kopf. "Sieh mal, Potter starrt dich an", murmelte Daphne und zeigte auf Harry, der am Gryffindor-Tisch seinen Müsli aß und zu ihnen schaute. Wieso starrte er sie nur so an? Andererseits wurde Emilia von vielen Jungs angestarrt, wohl einfach weil sie neu war und interessant.

"Nicht nur er", sagte Emili. "Viele Jungs schauen zu uns her."

"Stimmt, zu dir", meinte Lilith. "Sie finden dich heiß!"

"Quatsch! Ich bin interessant, weil ich neu bin", hielt Emilia dagegen.

"Habt ihr die Jungs schon gesehen?", fragte Pansy und wechselte somit das Thema. Emilia mochte sie nicht. Pansy redete kaum etwas und wenn, drehte es sich um Jungs, eben wie jetzt.

"Sind bestimmt schon im Unterricht", sagte Lilith. "Wir sollten auch langsam mal gehen", fügte Daphne hinzu. Emilia nickte, nahm ihren Stundenplan und erhob sich langsam. Kurz erhaschte sie noch einen Blick auf Snape, der sie kalt musterte. Was musste der wohl erlebt haben, damit er so geworden ist? Wenn sie ehrlich sein sollte, wollte Emilia es vielleicht doch nicht wissen. Es musste auf jeden Fall schrecklich gewesen sein.

Zusammen mit Daphne, Lilith, Millicent und Pansy ging Emilia aus der Großen Halle. Sie spürte noch immer die Blicke auf sich, doch es störte sie nicht im Geringsten. Sollten sie doch glotzen, irgendwie war es ja auch schmeichelnd, von so vielen Leuten angesehen zu werden. Aber das würde bestimmt nach einiger Zeit vergehen, dann würde sie niemand mehr beachten.

Zu dieser Jahreszeit war es noch nicht wirklich kühl draußen. Die Sonne schien ihnen noch ins Gesicht, als sie aus dem Schloss traten. Emilia hatte keine Ahnung, wo sie hinmussten, aber offenbar fand der Kräuterkunde-Unterricht nicht im Schloss statt. Daphne lief ganz vorne, Emilia daneben. Während Daphne sie einen Hügel hinunterführte, unterhielten sich die beiden über die Lehrerin.

"Wir haben mit Ravenclaw zusammen, also dürfen wir nicht wirklich viele Punkte erwarten. Die Mädchen aus Ravenclaw sind allesamt Streber, die so gut wie jede Frage beantworten können, bevor du überhaupt nachgedacht hast", erklärte Daphne ihr.

"Also haben wir so gut wie keine Chance, in dem Fach Punkte zu sammeln?", fragte Emilia. Eigentlich war sie nicht schlecht in Kräuterkunde, aber besser wie die Streber aus Ravenclaw würde sie wohl nicht sein. Andererseits hatte sie sich das Buch der vierten Klasse teilweise schon durchgelesen, und einiges wusste sie bestimmt noch.

Daphne schüttelte den Kopf. "So schnell wie Ravenclaw die Fragen beantwortet, haben wir nicht einmal unsere Hände gehoben", murmelte sie.

"Wir hatten schon letztes Jahr mit denen Kräuterkunde - meistens haben wir uns mit anderen Slytherins unterhalten, während die den Unterricht gemacht haben", lachte Lilith.

"Na das kann ja was werden!", seufzte Emilia.

"Ja, Kräuterkunde ist auch nicht gerade mein Lieblingsfach. In der Erde rumbuddeln und irgendwelche Pflanzen umtopfen ist schrecklich!", Daphne verdrehte ihre Augen. "Ich verstehe auch gar nicht, wieso wir sowas lernen müssen!"

"Den Sinn habe ich auch noch nicht gefunden", lachte Emilia. "Muggel lernen in der Schule schließlich auch nicht, wie sie Pflanzen umtopfen. Das ist ja auch nicht so schwer!"

"Unnötiges Fach. In der Zeit könnte man lieber ein anderes Fach lernen, was uns mehr bringen würde", murmelte Daphne.

"Gewächshaus zwei, oder?", fragte Lilith, die gerade vor einer Tür stehen geblieben war mit der Aufschrift Gewächshaus zwei.

Als Daphne nickte, drückte Lilith die Tür auf und ging hinein. Emilia folgte ihr und stolperte ein wenig zurück, als ihr die Luft aus dem Gewächshaus entgegen kam. Heiß, feucht und einfach nur stickig. Kein angenehmes Klima, wo man Unterricht haben möchte. Emilia hasste dieses Fach jetzt schon! Am liebsten würde sie jetzt umdrehen und zurück ins Schloss gehen, doch nun war sie hier und hatte Unterricht.

Pansy, die hinter Emilia lief, lachte leise, als Emilia zurückstolperte. Gemeine Ziege, dachte Emilia bloß und riss sich zusammen. Hoch erhobenem Hauptes ging sie ins Gewächshaus und stellte sich neben Daphne in die Mitte. Von den Jungs aus Slytherin war niemand zu entdecken. Vermutlich hatten sie verschlafen. Oder die kamen extra spät.

Nach und nach trudelten auch die Ravenclaws ein. Alle sahen Emilia neugierig an, sagten aber nichts. Feige Idioten, dachte Emilia nur und starrte ebenso kühl zurück. Ihr Blick schreckte zumindest einige ab, die sich hastig umwandten und sich im Gewächshaus umsahen. Plötzlich kam eine kleine, ältere Frau aus einer Ecke des Gewächshauses und stellte sich in die Mitte der beiden Häuser. Ravenclaw und Slytherin standen sich gegenüber, mit möglichst viel Abstand dazwischen. Doch bevor die Lehrerin den Mund öffnen konnte, sprangen die Jungs noch schnell hinein. "Wir sind noch pünktlich!", rief Draco und starrte die Lehrerin eisig an. Diese erwiderte den blick jedoch nicht, sondern nickte nur. Draco, Blaise und die anderen drei Jungs stellten sich schnell zu den Mädchen und schubsten sich gegenseitig, um den besten Platz zu bekommen.

Nachdem es dann endlich ruhig war im Gewächshaus, fing die Frau an zu reden: "Ich bin Professor Sprout, wie die meisten von Ihnen sicher wissen. Willkommen zu Ihrem vierten Jahr! Ich hoffe natürlich, dass wir gut miteinander auskommen werden, ansonsten möchte ich, dass ihr macht, was ich sage! Dieses Gewächshaus ist gefährlich, also ist es wichtig, dass ihr meinen Anweisungen folgt!" Emilia zog die Augenbrauen hoch. Sie konnte noch nie gut die Anweisungen von jemandem befolgen. Es war viel interessanter, wenn man machte, was man wollte. Diese Frau war langweilig, das konnte Emilia schon jetzt sagen. Und das Fach trug auch nicht unbedingt zum Spaß bei. Nicht, dass Emilia etwas gegen dieses Fach hätte, aber es war einfach nur total langweilig. Da war Zaubertränke, Verwandlung oder so was einfach interessanter. Zwar kannte sie die Lehrer von den Fächern noch nicht, aber schlimmer als dieses Fach konnte es ja fast nicht mehr werden.

Und wie sich herausstellte, war das Fach nicht nur total öde, sondern auch noch eklig. Denn die ganze Stunde lang mussten sie versuchen, den Eiter aus der Bubotubler-Pflanze herauszudrücken, was sich als völlig unmöglich herausstellte. Pansy hatte einen falschen Griff gemacht und musste nun mit einem schmerzverzerrten Gesicht feststellen, dass ihre Hand immer dicker wurde. Wie dumm muss man auch sein, es ohne Drachenhauthandschuhe zu versuchen? Das konnte doch nur schief gehen! Die Schwellungen auf Pansys Hand sahen jedoch weder schön aus, noch sahen sie so aus, als würdn sie von alleine weggehen. Als Professor Sprout das bemerkte, rannte sie sofort zu Pansy und fragte nach, wie das passieren konnte. Emilia musste sich wirklich das Lachen verkneifen, weil Pansy jetzt auch noch eine Standpauke von der Professorin bekam.

"Miss Moon, begleiten Sie doch bitte Miss Parkinson zu Madam Pomfrey!", rief Sprout durch das Gewächshaus. Sofort kam Lilith angerannt, die das Gesicht angewidert verzog, als sie Pansys Hand sah. Die Nase rümpfend nahm Lilith Pansy am Arm und führte sie aus dem Gewächshaus. Wie gerne wäre Emilia jetzt an Lilith Stelle! Dann wäre sie aus diesem sticktigen, feuchten Gewächshaus raus und könnte endlich wieder atmen! Außerdem müsste sie sich dann nicht damit abmühnen, den Eiter aus der Beule der Bubotubler-Pflanze zu bekommen. Wobei sie das sowieso schon aufgegeben hatte, nachdem sie gesehen hatte, was mit Pansys Hand passiert war. Sie war wirklich nicht scharf darauf, dass ihre Hand womöglich nach der Stunde genauso aussah. Wie konnte jemand nur dieses Fach mögen? Es war einfach nur schrecklich! Aber da musste Emilia nunmal durch, ihr blieb nichts anderes übrig. Sie musste zum Unterricht gehen, sonst würde es Ärger geben. Zum Glück gingen die zwei Stunden Kräuterkunde relativ schnell vorbei. Emilia war froh, endlich aus dem Gewächshaus raus zu kommen. Und auch alle anderen waren besser gelaunt, nachdem sie wieder frische Luft bekamen. Die nächste Stunde war PmG, Pflege magischer Geschöpfe. Es war nicht das interessanteste Fach von allen, doch immerhin besser als Kräuterkunde. Dachte Emilia zumindest bis sie sah, wer sie in dem Fach unterrichtete. Ein Halbriese namens Hagrid, der nicht gerade den Geflegtesten Eindruck machte mit seinem ungekämmten grauen Bart und seinen Zottelhaaren. Außerdem trug er Kleidung, die danach aussah, als hätte er sie zerschnitten und wieder neu zusammen genäht. Alles in allem machte dieser Professor keinen sehr guten Eindruck, vor allem bei den Slytherins war er verhasst. Die fünf Mädchen aus Slytherin stellten sich so weit nach hinten wie nur irgend möglich, um ja nicht aufzufallen. Sie hatten geplant, die ganze Stunde lang zu reden und ganz sicher nicht dem Professor zuzuhören. Dies stellte sich jedoch als nicht so einfach heraus, denn Hagrid hatte durchaus dafür gesorgt, dass man ihm die Aufmerksamkeit schenkte, die er wollte. In dieser Stunde ging es nur darum, sich mit einem Einhorn anzufreunden. Wozu das gut sein sollte, wusste keiner, nur Hagrid. Aber dieser meinte, sie würden es schon nächste Stunde sehen. Die Gryffindors, besonders Potter und seine tollen Freunde, waren begeistert von der Stunde und dem neuen Lehrer, dagegen waren die Slytherins eher wütend, dass man so jemanden unterrichten ließ.

"Wie kann man den nur unterrichten lassen? Der kann doch nichts!", meinte Daphne nach dem Unterricht, als die fünf zurück ins Schloss liefen. Emilia konnte ebenfalls nicht glauben, dass man so jemanden an Hogwarts unterrichten ließ. Er konnte nicht einmal seine Schüler unter Kontrolle halten, denn gerade Draco und Blaise hatten den Unterricht immer wieder aufgemischt und gestört. Trotzdem war der Unterricht recht witzig gewesen, da sich Emilia immer mit Daphne unterhalten konnte.

„Endlich Pause! Noch eine Stunde mehr und ich wäre tot umgefallen!“, rief Daphne, als sie auf dem Weg in die Große Halle waren. Emilia lief mit Daphne einige Meter vor Millicent, die langsam hinter ihnen herkam. Sie gab kaum ein Wort von sich und wenn, dann nur, wenn man eine Frage direkt an sie richtete. Offenbar war sie recht schüchtern und hatte es dadurch besonders schwer, sich in Hogwarts zurecht zu finden. Emilia mochte Millicent, aber sie war ihr einfach zu still, genau wie Pansy, die die ganze Zeit nur von 'ihren tollen Jungs' redete.

„Vor Hunger?“, fragte Emilia lachend. „Oder doch von Langeweile?“

„Beidem. Immerhin gibt’s jetzt Essen!“, rief Daphne glücklich und hüpfte zur Großen Halle.

„Manchmal könnte man meinen, du bist ein kleines Kind“, meinte Emilia und streckte ihrer Freundin die Zunge raus.

„Ich bin ein kleines Kind!“, behauptete Daphne grinsend und nahm Kurs auf den Slytherin-Tisch. Emilia bemerkte Lilith, die am Ravenclaw-Tisch neben einem blonden Jungen saß. Das musste wohl Terry Boot, ihr Freund, sein. Schnell folgte Emilia Daphne an ihren Stammplatz und nahm sich etwas zu Essen. Eigentlich hatte sie keinen so wirklich großen Hunger, aber irgendwas musste sie ja essen, sonst würde sie gleich in Zaubertränke Hunger bekommen.

„Wieso sieht Potter dich die ganze Zeit so seltsam an?“, fragte Daphne angewidert. Sie mochte Gryffindors nicht, besonders Harry konnte sie, wie alle anderen Slytherins, nicht leiden.

„Ich werds herausfinden“, murmelte Emilia, nahm sich ein Stück Brot in die Hand und erhob sich vom Slytherin-Tisch. Kauend marschierte sie einmal durch die Große Halle auf den Gryffindor-Tisch zu, bis sie bei Harry angekommen war.

„Na? Wie geht’s?“, fragte sie Harry, Ron und Hermine und quetschte sich zwischen Harry und Hermine. Rundum starrten sie die Gryffindors feindselig an, doch das war ihr egal. Sollten sie doch denken, was sie wollen.

„Ging nie besser“, murmelte Harry überrascht. Die beiden anderen sagten nichts und schwiegen nur, während sie sich ihre Teller voll packten. Besonders Ron legte sich ordentlich etwas auf den Teller.

„Also erzähl mal, wieso starrst du die ganze Zeit zum Slytherin-Tisch rüber?“, fragte Emilia diesmal nur an Harry gerichtet. Dieser zog nur eine Augenbraue hoch, widmete sich seinem Essen und schaufelte sich einen Löffel in den Mund. Er war rot geworden.

„Ich warte“, murmelte Emilia ungeduldig.

„Ich frage mich nur, wie du mit der da drüben so viel Spaß haben kannst“, sagte Harry, sah ihr dabei aber nicht in die Augen.

„Die da ist meine Freundin!“, zischte Emilia leise.

„Die da ist eine Slytherin!“, gab Harry zurück.

„Ich bin auch eine Slytherin! Und die sind wenigstens nett, im Gegensatz zu dir gerade“, rief Emilia, erhob sich wütend und stapfte zurück zu Daphne, die das ganze Schauspiel ungläubig mitangesehen hatte. Auch die Gryffindors sahen ihr nach, aber das merkte Emilia gar nicht. Sie war viel zu wütend, um sich um die anderen Leute zu scheren.

„Was war das denn bitte?“, fragte Daphne Emilia, kaum dass sie sich wieder neben sie gesetzt hatte. Emilia war der Appetit vergangen, deswegen schob sie ihren Teller zur Seite und stützte ihren Kopf auf ihre Hände.

„Harry meint, dass alle Slytherins schlechte Menschen sind. Aber das stimmt nicht. Und das hab ich ihm auch gesagt“, erklärte Emilia.

„Du hast es ihm genau so gesagt?“, fragte Daphne mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ja – nein. Ich hab es etwas … anders gesagt“, murmelte Emilia.

„Anders?“, erwiderte Daphne. „Also hast du ihn beleidigt?“

„So in etwa“, sagte Emilia und schüttelte den Kopf. „Ich bin kaum zwei Tage in Hogwarts und schon hab ich Stress!“

„Ach das wird schon wieder“, versuchte Daphne ihre Freundin aufzumuntern. Diese nickte und lächelte Daphne an.

„Fertig mit essen?“, fragte Emilia und zeigte mit dem Kopf auf den leeren Teller vor Daphne.

„Ja, mehr passt ganz sicher nicht rein“, lachte Daphne. „Wollen wir schon mal ins Klassenzimmer? Wir haben sowieso nur noch 10 Minuten Pause.“

„Zaubertränke haben wir jetzt, oder? Bei … lass mich raten: Snape?“, fragte Emilia und erhob sich. Zusammen liefen die beiden aus der Großen Halle in Richtung Kerker, wo sich das Klassenzimmer befand, wo sie hinmussten.

„Du hast es erfasst“, lachte Daphne. „Das wird ein Spaß! Zaubertränke mit den Gryffindors! Er zieht ihnen immer wieder Punkte ab, das ist genial!“

„Einfach so zieht der denen Punkte ab?“, fragte Emilia fassungslos. Dann wollte sie sich mit dem auf keinen Fall anlegen. Allerdings würde sie ja Nachhilfestunden bei ihm bekommen … Das würde lustig werden.

„Na ja meistens schon. Longbottom zum Beispiel lässt jede Stunde mindestens einen Kessel explodieren, das gibt immer Strafpunkte“, meinte Daphne belustigt und blieb vor einem Klassenzimmer stehen. Hermine saß ebenfalls am Rand und las ein Buch. Als sie sah, dass Emilia kam, lächelte sie ihr kurz zu und widmete sich dann wieder dem Buch.

„Da ist Streber-Granger“, murmelte Daphne und zeigte auf Hermine. Wieso bekamen gerade Gryffindors immer solch nette Namen!? Das war irgendwie leicht abwertend, auch wenn man durchaus verstehen konnte, dass Hermine den Beinamen trug.

„Wieso gehen wir eigentlich nicht rein? Die Tür steht doch offen …?“, fragte Emilia und deutete auf die Tür, vor der sie standen.

Daphne zuckte nur mit den Schultern. „Wir sollen erst beim Gong rein.“ Damit war das Thema beendet und sie schwiegen, bis endlich der erlösende Gong eintrat. Sofort sprang Emilia ins Klassenzimmer und setzte sich in die hinterste Reihe direkt neben die Tür, damit sie auch ganz schnell abhauen kann. Daphne setzte sich neben sie und sah sie fragend an.

„Ich liebe die letzte Reihe! Da kann man meistens Quatsch machen“, sagte Emilia grinsend. Daphne schüttelte belustigt den Kopf und zog ihr Zaubertrankbuch aus der Tasche.

Emilia tat es ihr gleich und legte alles bereit vor sich auf den Tisch.

Hermine hatte sich ganz vorne vor das Pult des Lehrers gesetzt. Ganz Streber-Like eben.

Draco kam natürlich wieder mit der ganzen Slytherin-Gang ins Klassenzimmer spaziert und setzte sich vor die beiden Mädchen. Kurz musterte Draco Emilia, dann wandte er sich wieder Zabini zu.

„Heute gar nicht mit der Gruppe unterwegs, Callahan?“, fragte Blaise arrogant.

„Nein, ich brauche keine Schoßhündchen, die mir Tag und Nacht hinterherlaufen, nur um mir dabei zu helfen, aufs Klo zu gehen“, meinte Emilia daraufhin. „Das sieht bei dir allerdings anders aus.“

Emilia sah, dass sich Daphne wirklich das Lachen verkneifen musste und auch Hermine prustete vor ihnen los und drehte sich zu ihnen um. Emilia lächelte Blaise charmant an und nickte dann in Richtung Pult, wo gerade Snape das Zimmer betrat. Allerdings waren bisher nur Slytherins und Hermine da, also konnte der Unterricht noch nicht beginnen.

„Kannst du dich nicht allein umdrehen? Soll ich dir helfen, Blaisylein?“, fragte Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen. Jetzt konnte Daphne sich endgültig nicht mehr halten und lachte laut los. Emilia schüttelte belustigt den Kopf und sah weiterhin Blaise abschätzig an. Dieser machte jedoch keine Anstalten, sich umzudrehen.

„Meine Güte, bist du ein Baby oder was? Kannst du dich nicht einmal allein umdrehen?“, fragte Emilia leicht genervt. Zabini erwiderte nichts mehr, sondern drehte sich nur um und sah zu Snape, der sie mit seiner üblich kalten Miene musterte.

 

Snapes POV

 

Als er den Zaubertrankraum betrat, redete Emilia gerade mit Zabini. Offenbar nervte er sie, denn Emilia wirkte leicht genervt. Greengrass und Granger hingegen konnten sich das Lachen nicht verkneifen. Mit hochgezogenen Augenbrauen schritt Severus zum Pult und musterte die beiden Streithähne.

„Meine Güte, bist du ein Baby oder was? Kannst du dich nicht einmal allein umdrehen?“, fragte Emilia Zabini. Eines musste man ihr zugestehen, sie war wirklich schlagfertig. So langsam sickerte auch zu Severus hindurch, dass es seine Tochter war, ob er nun wollte oder nicht. Er konnte es nicht ändern, auch wenn er es gerne gewollt hätte. Sie sah ihm aber auch verdammt ähnlich. Die dunkle Kleidung, die Schlagfertigkeit, sie hatte manchmal dieselbe Miene aufgesetzt wie Severus. Außerdem schien sie intelligent, beliebt und verdammt hübsch zu sein; noch dazu war sie in seinem Haus. Er konnte es nicht leugnen, dass sie seine Tochter war, es war einfach zu offensichtlich. Allerdings hoffte Snape, dass die Ähnlichkeit sonst niemandem auffallen würde. Keiner der Schüler durfte erfahren, dass Severus eine Tochter hatte.

In den nächsten Minuten kamen alle Schüler langsam ins Klassenzimmer gewandert. Und wie sollte es auch anders sein: Potter und Weasley waren natürlich wieder die letzten. Potter. Pah! Bei seinen Noten hätte er eigentlich das Schuljahr wiederholen sollen!

„Nun, ihr werdet heute den Gemeinen Schlaftrank brauen, Rezept ist im Buch auf Seite 97. An die Arbeit!“, sagte Severus, als alle Schüler im Raum waren. Dann setzte er sich an sein Pult und überblickte die Schüler argwöhnisch. Schon nach wenigen Minuten hatte es Longbottom geschafft, seinen Kessel in die Luft fliegen zu lassen.

„Longbottom! 10 Punkte Abzug! Aufwischen!“, rief Snape durch das Klassenzimmer. Sofort schrumpfte dieser Nichtsnutz zusammen und machte sich an die Arbeit, den Kesselinhalt vom Boden zu wischen.

Nach etwa der Hälfte der Arbeitszeit beschloss Severus, einen kleinen Rundgang durch das Klassenzimmer zu machen, um zu sehen, wer es richtig gemacht hatte. Der Trank war nämlich durchaus nicht einfach zu brauen.

„Potter! Ihr Trank ist nicht grün! 5 Punkte Abzug!“, rief Snape, ohne überhaupt Harrys Trank anzusehen. Bei Hermine ging er kommentarlos vorbei.

„Sehr gut, Malfoy. Sie haben Talent“, meinte Severus mit seiner öligen Stimme. Dann kam er an Emilias und Daphnes Tisch. Obwohl Daphnes Trank ganz sicher nicht grün war, ging Snape kommentarlos vorbei. Seinem eigenen Haus wollte er auf keinen Fall leichtfertig Punkte abziehen. Emilias Trank dagegen war perfekt – man konnte es nicht anders ausdrücken.

„Sie alle sollten sich ein Beispiel an dem Trank von Miss Callahan nehmen“, murrte Snape, dann wanderte er zum nächsten Tisch.

„Wow! Snape hat dich gelobt!“, keuchte Daphne. „Außer Draco, seinen Lieblinsschüler, hat er noch nie jemanden gelobt!“

„Ich habs halt drauf, weißt du ja“, lachte Emilia und erledigte noch die letzten Schritte, bis der Trank endlich fertig war. Dann füllte sie es in eine Ampulle und brachte sie nach vorne zum Pult, wo Snape saß und sie böse ansah. Schnell stellte sie das Gefäß ab und drehte sich gerade um, als Snape etwas sagte: „Callahan, Sie bleiben nach der Stunde kurz bei mir.“

 

Emilias POV

Emilia nickte nur langsam, dann ging sie schnell zu ihrem Platz zurück und half Daphne, ihren Trank fertig zu machen. Was Snape wohl von ihr wollte? Bestimmt wegen den Nachhilfestunden, die sie von ihm bekommen sollte. Seufzend ließ sie sich in ihren Stuhl fallen und beobachtete, wie Daphne sich wieder neben sie setzte, nachdem sie ihr Gefäß nach vorne gebracht hatte.

„Was ist los?“, fragte Daphne.

„Ich muss nach der Stunde zu Snape nach vorne“, murmelte Emilia. „Vermutlich wegen den Nachhilfestunden.“

 

„Oh … ich warte dann vorm Klassenzimmer auf dich, ja?“, meinte Daphne. Emilia nickte leicht und musterte Snape, der wieder eine seiner Runden machte. Er sah finster und angsteinflößend aus, mit seinem schwarzen Umhang, den dunklen Augen, die kalt die Umgebung musterten. Hin und wieder beleidigte er einen Schüler wegen Unfähigkeit, sogar seine Slytherins mussten ein Mal einstecken. So ein etwas moppeliger Junge brachte, wie Longbottom vorher, einen Kessel zum explodieren. Dafür bekam er zwar keine Strafpunkte, doch er wurde vor der ganzen Klasse gedemütigt. Das fanden natürlich die Gryffindors total toll. Emilia hielt sich mehr im Hintergrund, auch wenn sie die anderen gerne verteidigt hätte.

Nach der Stunde räumte Emilia ihre Sachen in ihre kleine Tasche und blieb sitzen. Daphne strich ihr beruhigend über die Schulter und verschwand dann als letztes durch die Tür, die sie hinter sich schloss.

„Professor?“, fragte Emilia, als Snape keine Anstalten machte, zu reden. Er musterte sie nur und hatte wieder seinen durchdringenden Blick aufgesetzt. Kurz zuckte Snape zusammen, als Emilia sprach, doch er hatte sich gleich darauf schon wieder gefangen, sodass Emilia dachte, sie hätte es sich nur eingebildet.

„Sie haben das Talent, Zaubertränke perfekt zu brauen. Nur die Theorie fehlt Ihnen“, sagte der Professor mit seiner öligen Stimme.

„Ich weiß“, meinte Emilia nur und setzte ihren kühlsten Blick auf. Die Spannung zwischen ihr und dem Professor war richtig zu spüren, doch sie konnte das Gefühl, sich dennoch bei ihm sicher zu fühlen, nicht einordnen. Immerhin kannte sie ihn nicht einmal, wie konnte sie sich dann sicher bei ihm fühlen?

„Ich werde Ihnen einige Nachhilfestunden zur Wiederholung der gelernten Tränke geben und Sie werden die Theorie wiederholen.“ Snape ging um das Pult herum und stellte sich drohend vor Emilia. Von Nahem sah er noch wütender aus. Sie war ihm so nah, wie sie nie gewollt hatte. Sie konnte sogar seinen Atem auf ihrer Wange spüren.

„Und wann werden diese Nachhilfestunden stattfinden?“, fragte Emilia und versuchte, sich ihre Unbehaglichkeit nicht anmerken zu lassen.

„Ich denke, Mittwoch und Sonntag Abend gegen 20 Uhr sollte Ihnen passen?“ Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung. Na ja, Emilia hatte abends eh nicht viel zu tun, da konnte sie auch mal eine Stunde lernen. Schaden würde es ihr nicht.

„Natürlich“, stimmte Emilia ihm zu. „Kann ich dann gehen?“

Snape nickte, doch Emilia sah noch, wie seine Augen gefährlich aufblitzten, bevor sie einen schnellen Abgang machte. Wie erwartet stand Daphne an die Wand gelehnt gegenüber der Tür. Doch neben ihr stand noch jemand, mit dem sie sich unterhielt. Draco Malfoy.

„Emi! Wie wars?“, fragte Daphne sofort und umarmte ihre beste Freundin. Emilia lächelte und antwortete, als sie sich voneinander lösten: „Erzähl ich dir nachher.“

Daphne nickte und drehte sich dann zu Draco um. Ganz eindeutig, zwischen den beiden lief etwas. Die beiden starrten sich so intensiv an, doch keiner traute sich, etwas zu sagen.

„Soll ich euch kurz allein lassen?“, fragte Emilia deswegen. „Ich finde den See bestimmt auch alleine …“ Daphne hatte sie im Unterricht gefragt, ob sie nach Zaubertränke nicht noch mit den anderen Slytherins zum See gehen wollten. Doch die anderen Mädchen waren schon vorgegangen.

„Nein!“, sagte Daphne bestimmt. „Draco, kannst du ihr den Weg zeigen? Ich muss noch … etwas machen.“

Bevor Malfoy auch nur den Mund aufmachen konnte, war Daphne um die nächste Ecke und Emilia stand allein mit dem größten Idioten der Schule auf einem Gang.

„Wieso hat sie das gemacht?“, fragte Emilia wütend und funkelte Malfoy an. Dieser hob nur abwehrend die Hände und nickte mit dem Kopf in Richtung Gang, dann ging er an Emilia vorbei.

„Sie ist sauer auf mich“, sagte Malfoy nur. Emilia rannte hinter ihm her und blieb neben ihm stehen.

„Weshalb? Mal wieder ein Mädchen zu viel abgeschleppt?“, fragte Emilia schnippisch.

Malfoy schüttelte nur den Kopf. „Das geht dich nichts an.“

„Wenn du meinst“, sagte Emilia schulterzuckend. Daphne würde ihr bestimmt erzählen, warum sie sauer war. Spätestens wenn Emilia sie fragen würde, was los war. Und sie würde fragen, ganz sicher.

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, bis sie aus dem Schloss traten direkt in den hellen Sonnenschein. Es war schön, die Sonne auf den nackten Schultern zu spüren.

„Wieso bist du so still?“, brach Malfoy das Schweigen.

„Ich mag dich nicht“, sagte Emilia wahrheitsgemäß. „Wieso sollte ich also viel reden?“

Malfoy senkte betreten den Kopf. Emilia meinte so etwas wie Traurigkeit in seinen Augen gesehen zu haben, doch das konnte nicht sein. Emilia kannte ihn als gefühlskalten Jungen, zumindest wurde er von sämtlichen Leuten so beschrieben. Mittlerweile waren sie am See angekommen und Emilia konnte schon ihre Mitbewohner erkennen, die glücklich im Wasser schwammen.

„Viel Spaß“, wünschte ihr Malfoy noch. Meinte er das ernst!? Seltsamer Junge … Vielleicht war er zu ihr nett, weil sie ein Slytherin war.

„Danke, dir auch“, erwiderte sie und lief mit schnellen Schritten auf den See zu. Daphne war nicht da, also musste sie wohl auf ihrem Zimmer sein. Pansy und Millicent schwammen im Wasser herum, während Lilith auf einem Handtuch saß und ein Buch las. Emilia schlich sich von hinten an sie heran, und nahm ihr dann ruckartig das Buch aus der Hand. Lilith erschrak so heftig, dass sie ihre Sonnenbrille, die sie aufgesetzt hatte, im hohen Bogen aus der Hand schmiss. Emilia kugelte sich vor Lachen am Boden.

„Das war fies!“, sagte Lilith und verschränkte die Hände vor der Brust.

„So bin ich“, lachte Emilia. „Aber es sah dennoch total witzig aus!“ Lilith schaute sie entrüstet an und erhob sich, um sich ihre Sonnenbrille zurück zu holen. Emilia konnte sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen, das Gesicht war einfach zu witzig gewesen. Auch Millicent und Pansy kamen nun zu ihnen und schauten Emilia fragend an.

Diese hob entschuldigend die Hände und zog sich ihr Top aus. Sie hatte einen hübschen schwarzen Bikini an, der ihre dunkle Haut perfekt betonte. Außerdem wurde ihre tolle Figur so hervorgehoben.

Als sie sich auch die Hose ausgezogen hatte, rannte sie auf den See zu und sprang kopfüber hinein. Millicent folgte ihr kopfschüttelnd und schwamm dann eine Runde im kalten Wasser des Sees. Emilia, die noch immer ein breites Grinsen auf dem Gesicht hatte, schlich sich an Millicent heran und spritzte sie dann unerwartet nass. Diese spritzte keuchend zurück, und schon bald war eine Wasserschlacht zwischen Emilia, Millicent, Pansy und Lilith entstanden. Alle vier spritzten sich gegenseitig nass. Sie hatten zusammen wirklich viel Spaß im Wasser, doch Emilia konnte Daphne nie wirklich aus ihren Gedanken verbannen. Im Hinterkopf wollte sie trotzdem zu Daphne und sie fragen, was los war. Und das würde sie auch bald machen, denn mittlerweile war es Abend geworden und die Sonne verabschiedete sich sowieso.

„Ich geh mal wieder ins Schloss. Die Hausaufgaben warten“, meinte Emilia entschuldigend und schwamm zum Ufer des Sees, wo sie sich raufzog. Schnell sammelte sie ihre Kleidung ein, doch anziehen konnte sie sie nicht, da sie nass war. Zitternd lief sie Richtung Gemeinschaftsraum. Auf dem Weg begegnete sie einigen Jungs, die sie aufmerksam beobachteten, doch Emilia nahm keine Notiz davon. Ihr war kalt und sie wollte so schnell wie möglich in ihr warmes Zimmer, wo sie hoffentlich auch auf Daphne treffen würde.

Schnell murmelte sie das Passwort, dann schwang das Bild schon auf und gab den Gang in den Gemeinschaftsraum frei. Noch immer vor Kälte zitternd sprang sie, ohne auf die Gesichter der anderen Slytherins zu achten, die Treppe hinauf und klopfte an die Tür. Offensichtlich schien niemand dort zu sein, also schob Emilia die Tür leise auf und schlüpfte hinein. Tatsächlich war Daphne nirgends zu sehen. Wo sie sich wohl herumtrieb? Darüber würde sich Emilia den Kopf zerbrechen, wenn sie sich umgezogen hatte. Sie zog ein hübsches, schwarzes Top und eine aufreizende schwarze, kurze Hose aus dem Schrank und zog sie sich über. Dann ging sie zurück in den Gemeinschaftsraum und setzte sich auf das Sofa, was soeben frei geworden war. Dort wartete sie einigen Minuten und überlegte, wo Daphne wohl sein könnte.

Ein braunhaariger Junge, der Emilia bekannt vorkam, lief kurz darauf an ihr vorbei, was sie auf eine Idee brachte.

„Hey, warte mal!“, rief sie ihm hinterher. Verwirrt blickte er sich um und blieb dann mitten auf der Treppe stehen.

„Nott, richtig?“, fragte Emilia, die hoffte, dass sie sich den richtigen Namen gemerkt hatte. Der Junge nickte. Theodore Nott hieß er, fiel Emilia wieder ein.

„Hast du zufällig Daphne gesehen?“, fragte Emilia ihn. „In meinem Alter, rennt immer mit mir zusammen rum, eher klein, braune, lockige Haare?“

"War vorher in der Großen Halle. Sie müsste eigentlich auch bald kommen", meinte Nott und ging dann an Emilia vorbei die Treppe zu den Jungenschlafsälen hinauf.  Kopfschüttelnd verließ Emilia den Gemeinschaftsraum und beschloss, mal in der Bibliothek nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten. Sie hoffte, auf Hermine zu treffen, denn sie brauchte jetzt unbedingt jemandem, mit dem sie unbesorgt reden konnte. Emilia fand Hermine nett, auch wenn sie eine Gryffindor war. Ron dagegen mochte sie gar nicht, denn er dachte sowieso nur ans Essen. Harry war in Ordnung, auch wenn er sich manchmal komisch ihr gegenüber benahm wie das eine Mal im Zug. Emilia hatte noch ungefähr zwei Stunden Zeit, dann war Ausgangssperre und sie durfte sich nicht mehr auf den Gängen aufhalten.

In der Bibliothek wimmelte es auch nicht gerade nach fleißigen Schülern. Kaum jemand hatte sich um diese Zeit in die Bibliothek zum Lernen verirrt und auch Emilia war nicht ohne Hintergedanken gekommen. Denn sie hatte nicht vor, etwas zu lernen.

„Hermine!“, rief Emilia durch die Bibliothek und erntete dafür einen missbilligenden Blick von der Bibliothekarin. Hermine saß an einem kleinen Tisch, hatte eine Rolle Pergament und ein Schulbuch vor sich ausgebreitet. Sie machte wohl Hausaufgaben, so wie es aussah. Emilia setzte sich an den Tisch und blickte Hermine an. Diese sah kurz auf und war einen Moment lang verwirrt.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie stirnrunzelnd.

„Ich wollte dich besuchen kommen“, grinste Emilia. „Zum Lernen bin ich ganz sicher nicht hier.“

Hermine schüttelte ungläubig den Kopf. „Ein bisschen lernen hat noch niemandem geschadet.“

„Doch, es schadet der Unwissenheit und der Dummheit!“, argumentierte Emilia. Hermine schüttelte belustigt den Kopf und packte ihre Hausaufgaben weg. Emilia hatte sie tatsächlich dazu bekommen, ihr Lernen zu verschieben.

„Danke“, murmelte Emilia. „Ich brauche einfach jemanden zum Reden.“

„Hast du in Slytherin niemanden?“, fragte Hermine argwöhnisch.

„Doch, Daphne, aber sie ist gerade nicht aufzufinde. Ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Außerdem bist du ebenfalls meine Freundin“, erklärte Emilia. „Pansy rennt eh nur Malfoy hinterher. Lilith hat meist nur ihren Freund im Kopf und auch so wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich mit ihr anzufreunden. Und Millicent … ehm, na ja ich kann sie nicht besonders gut leiden.“

„Also sind die meisten Slytherins doch so schlimm, wie man es immer sagt?“, fragte Hermine. Sie fand Emilia eigentlich ganz nett und wunderte sich noch immer, wieso sie nach Slytherin gekommen war.

„Nein. Also natürlich gibt es Leute wie Malfoy, die den typischen Merkmalen entsprechen, aber es gibt durchaus nette Leute in meinem Haus“, meinte Emilia. „Mich zum Beispiel.“

Hermine lachte nur. „Ja, ich wundere mich sowieso schon, wieso du nach Slytherin gekommen bist.“

„Ich weiß auch nicht, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich wirklich in das Haus hineinpasse, auch wenn ich Freunde außerhalb habe“, meinte Emilia. „Freunde wie dich zum Beispiel.“

„Ich denke, wir sind nur Freunde geworden, weil wir uns getroffen haben, bevor du nach Slytherin gekommen bist. Ansonsten hätten wir uns doch wahrscheinlich nur ignoriert“, erzählte Hermine. Dem stimmte Emilia zu.

„Ich bin froh, dass wir uns vorher getroffen haben, sonst hätte ich eine wunderbare Freundin weniger“, sagte Emilia lächelnd.

Hermine schmunzelte. „Ich bin auch froh. Hast du eigentlich Lust, am Wochenende mit Harry, Ron und mir zum See runter zu gehen? Oder hast du schon was vor?“, fragte Hermine und sah Emilia fragend an. Diese überlegte kurz.

„Danke für das Angebot“, lachte Emilia. „Natürlich habe ich Lust, mit euch zu kommen!“

„Toll!“, lächelte Hermine und fiel Emilia in die Arme. Diese umarmte ihre Freundin und drückte sie fest.

„Da ist Harry“, rief Hermine und löste sich von Emilia. Dann zog sie sie mit sich und zusammen gingen die beiden auf Harry zu, der vor der Bibliothek auf sie wartete. Er lächelte die beiden Mädchen an.

„Hey Harry“, murmelte Emilia. „Lange nicht mehr gesehen.“

„Stimmt, seit heute morgen nicht mehr“, lachte Harry. Hermine sah zwischen den beiden hin und her.

"Was machst du hier? Lernen?", fragte Emilia belustigt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Potter in die Bibliothek ging um zu lernen. Er sah eher nach jemandem aus, der faul im Gemeinschaftsraum rumsaß und sich amüsierte.

"Wohl kaum", meinte Potter. "Ich hole Hermine ab."

"Achso", sagte Emilia. "Hermine hat mich vorhin gefragt, ob ich am Wochenende mit euch zum See kommen will, das ist doch okay für euch, oder?" Sie glaubte kaum, dass Hermine ihren Vorschlag den beiden Jungs erzählt hatte, deswegen fragte Emilia noch einmal sicherhaltshalber nach. Sie könnte verstehen, wenn die Jungs etwas dagegen hätten.

"Also für mich ist das auf jeden Fall okay", lächelte Potter. "Und für Ron sicher auch."

Emilia nickte erleichtert. Sie dachte schon, die beiden hätten etwas dagegen. Andererseits waren sie Gryffindors und waren dafür bekannt, nett zu sein. Zu allen Häusern außer Slytherin versteht sich.

"Wir sehen uns dann morgen", verabschiedete sich Emilia und rannte zurück zu ihrem Gemeinschaftsraum. Vielleicht war Daphne ja mittlerweile wieder aufgetaucht, sodass Emilia nicht mehr ganz alleine dort rumsitzen musste. Tatsächlich saß Daphne auf dem Sofa und hatte ein dickes Buch in der Hand, in dem sie offenbar laß. Emilia konnte gar nicht glauben, dass Daphne freiwillig laß.

"Du liest?", fragte Emilia verwirrt und setzte sich neben ihre Freundin auf das Sofa. Diese nickte und legte ihr Buch beiseite.

"Ich hatte Langeweile, also bin ich in die Bibliothek und hab mir ein Buch ausgeliehen", erklärte Daphne und hielt das Buch hoch. Es handelte über das Zaubereiministerium. Was an dem Buch interessant sein sollte, wusste Emilia nicht, doch sie nickte einfach.

"Ich war gerade auch in der Bibliothek, aber ich habe dich nicht gesehen", meinte Emilia leise. Sie wusste, was Daphne von Hermine hielt und sie würde es bestimmt nicht gut finden, wenn Emilia sich mit ihr traf.

"Ich weiß, ich hab dich mit Granger gesehen", sagte Daphne ernst. Natürlich freute sie sich für Emilia, dass sie Freunde in anderen Häusern gefunden hatte, doch wieso mussten es ausgerechnet die sein? Granger, Potter und das Wiesel, wieso musste Emilia sich unbedingt mit denen anfreunden? Sogar die meisten Ravenclaws waren besser!

"Sie ist auch meine Freundin. Und nur, weil ich in Slytherin gelandet bin, muss ich doch meine Freunde nicht verlassen", meinte Emilia. Außerdem hatte sie in Slytherin eh kaum Freunde und wenn Daphne sich um ihren Ruf sorgte, konnte Emilia sie beruhigen. Was hatte Daphnes Ruf auch mit ihren Freunden zu tun?

"Schon klar, aber wieso ausgerechnet Granger? Sogar Ravenclaw ist besser als sie", murmelte Daphne.

"Ist ja auch egal - du kannst mich eh nicht umstimmen", beharrte Emilia.

"Ich merks." Ein leichtes Grinsen stahl sich auf Daphnes Lippen. "Schon von der Willkommensparty gehört? Das Haus Slytherin feiert am Freitag extra - allerdings nur für Schüler ab der vierten Klasse - eine Party, um dich Willkommen zu heißen. Du kannst einige Bekannte einladen, wenn du willst, damit es witziger wird."

"Bekannte aus anderen Häusern?", fragte Emilia erstaunt.

Daphne nickte. "Du kannst auch Granger meinetwegen einladen, aber Potter darf nicht kommen. Und das Wiesel auch nicht."

Das Wiesel war also Ron Weasley. Hübsche Kosenamen bekamen die Gryffindors von den Slytherins ja schon, also kreativ waren sie. Emilia nahm sich vor, Hermine gleich morgen beim Frühstück zu fragen, ob sie nicht kommen wollte. Sie wusste zwar, dass Hermine die Slytherins eigentlich hasste, doch eine Party konnte man mit ihnen bestimmt trotzdem gut feiern. Vor allem wenn Alkohol im Spiel war, ließ es sich doch schon viel besser feiern.

"Das wird toll", meinte Emilia in freudiger Erwartung. "Kommst du mit nach oben?"

Es war schon spät geworden und Emilia wollte ziemlich bald schlafen gehen. Sie war sich sicher, dass auch die anderen Mädchen schon seelenruhig schliefen. Daphne schüttelte jedoch nur den Kopf und zeigte auf ihr Buch. Emilia verstand, dass sie weiter lesen wollte und wünschte ihrer Freundin noch eine Gute Nacht, bevor sie die Treppen hinauf ging. Im Eiltempo zog sich Emilia um und kuschelte sich in ihr Bett ein. Sie war so müde wie schon lange nicht mehr.

 

Am nächsten Morgen, als Emilia in den Gemeinschaftsraum trat, fand sie Daphne schlafend auf dem Sofa liegen. Sie hatte wohl die ganze Nacht noch gelesen, jedenfalls war sie so müde, dass sie nicht wach zu kriegen war. Emilia rüttelte und schüttelte, doch Daphne wollte einfach nicht aufwachen. Nach einigen Versuchen gab sie es schließlich auf und entschied sich dafür, Daphne liegen zu lassen und erst einmal essen zu gehen. Da am Slytherin-Tisch niemand war, den sie kannte, setzte sich Emilia gleich neben Hermine. Die Gryffindors hielten sie auf Abstand und rückten alle so weit wie möglich von Emilia weg, nur Hermine, Potter und Weasley blieben bei ihr sitzen. Und ein kleines Mädchen mit roten Haaren, das Ron verdammt ähnlich sah. Bestimmt seine Schwester.

"Gut geschlafen?", fragte Emilia in die Runde, als keiner mehr etwas sagte. Alle waren zu irritiert, dass sich Emilia an ihren Tisch gesetzt hatte.

"Natürlich", lächelte Hermine sie an. Die anderen sagten nichts.

"Hermine?" fragte Emilia ihre Freundin flüsternd. "Ich wollte dich noch etwas fragen."

"Was denn?", fragte Hermine. Ihre Augen leuchteten auf, sodass sie die Neugier nicht verstecken konnte.

"Am Freitag findet im Slytherin-Gemeinschaftsraum eine Party statt und ich wollte dich fragen, ob du auch kommen willst?"

"Darf ich denn?", fragte sie verwundert. "Slytherins sind ja von uns Gryffindors bekanntlich nicht sehr begeistert."

"Natürlich darfst du", lachte Emilia. "Sonst würde ich wohl nicht fragen."

"Stimmt. Aber ja, ich komme gerne", sagte Hermine und lächelte ihre Freundin an. Sie wurde noch nie gefragt, ob sie auf eine Party kommen wollte. Im Haus Gryffindor wurden für gewöhnlich keine Partys gefeiert und von den anderen Häusern kannte sie kaum Leute.

"Klasse! Wir treffen uns dann vor dem Gemeinschaftsraum, ja? Gegen acht uhr", meinte Emilia und erhob sich dann. Die Gryffindors, die sie nicht mochten, fingen an zu tuscheln und merkwürdige Geschichten über sie zu erzählen und das wollte Emilia sich nicht länger anhören, auch wenn sie die Leute durchaus verstehen konnte. Malfoy hatte den Ruf des Hauses nicht gerade zum Positiven gewendet, sondern alles nur schlimmer gemacht mit seiner Art, sodass niemand mehr etwas mit den Slytherins zu tun haben wollte.

Es waren ohnehin nur noch wenige Minuten, bis der Unterricht bei dem neuen Lehrer anfing. Professor Moody. Emilia war gespannt auf den Lehrer, vor allem, weil mittlerweile die halbe Schule sich über ihn beschwerte. Mitbekommen hatte Emilia aber nur, dass er wohl die unverzeihlichen Flüche an Tieren gezeigt haben sollte, was eigentlich verboten ist. Emilia störte das kaum - sie war viel zu neugierig auf die unverzeihlichen Flüche, denn sie wusste nicht sehr viel über sie.

Außer Emilia war wohl noch die halbe Klasse zu früh bei dem Klassenzimmer angekommen, denn als sie dort ankam, stand bereits eine große Schlange vor der Tür. Auch Harry, Hermine und Ron kamen kurz nach ihr und reihten sich hinter ihr ein. Als sie das Klassenzimmer dann endlich betreten durften, rannten Hermine, Potter und das Wiesel ganz nach vorne in die erste Reihe. Emilia setzte sich neben Hermine, da sie nicht glaubte, dass Daphne den Weg ins Klassenzimmer bei ihrer Müdigkeit überhaupt finden würde. Vor ihnen, am Pult, stand dieser seltsame Mann mit dem vernarbten Gesicht. Emilia war fasziniert von dem Mann, das musste sie zugeben.

"Alistor Moody", begann er und kritzelte seinen Namen auf die Tafel. "Ex-Auror, Dorn im Auge des Ministeriums  und -" Er machte eine kurze Pause und sah die Klasse an, "euer Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste.

Ich komm nur auf Bitten von Dumbledore und Schluss, Punkt, Ende. Noch was unklar?", fragte er und sein Blick haftete auf Potter. Niemand meldete sich. Alle waren so ruhig wie noch nie. Vermutlich waren sie alle genauso gespannt auf den Unterricht wie Emilia. Hoffentlich würden sie das gleiche machen wie die anderen Klassen - die Unverzeihlichen Flüche.

Als hätte er Emilias Gedanken gelesen, fing er an, die Klasse über die Unverzeihlichen Flüche auszufragen.

"Es gibt 3, Sir", antworte Hermine neben ihr. Sie schien eher wenig davon begeistert zu sein, dass sie die Unverzeihlichen Flüche durchnahmen.

"Die so heißen weil?", erwiderte Moody und schrieb etwas hektisch an die Tafel. Seine Stimme klang gepresst, als würde es ihm wahnsinnig viel bedeuten, ihnen alles beizubringen, was er wusste.

"Weil es unverzeihlich ist, sie anzuwenden. Wer auch nur einen von ihnen benutzt, ..." Hermine wurde von Moody unterbrochen.

"Bekommt eine Reise ohne Wiederkehr nach Askaban." Die ganze Klasse schien den Atem anzuhalten. Emilia hätte das alles auch gewusst, aber sie hatte keine Lust alle Fragen zu beantworten. Das wollte sie Hermine überlassen.

"Das Ministerium sagt, ihr seid zu jung, um diese Flüche kennen zu lernen. Ich sag was anderes. Ihr müsst wissen, was euch erwartet. Ihr müsst vorbereitet sein." Langsam wurde Moodys Stimme immer lauter. Als dann auch noch Finnigan sein Kaugummi unter seinen Tisch kleben wollte, wurde Moody so richtig wütend. Er bewarf ihn mit seiner Kreide. 

Emilia fragte sich, ob Moodys Unterrichtsmethoden überhaupt erlaubt waren. Schüler mit Kreiden bewerfen fand Emilia nicht gerade so unglaublich schlau von ihm. Allerdings wirkten diese Methoden immerhin, denn danach war Finnigan ruhig und auch der Rest der Klasse machte keinen Mucks mehr. 

"Welchen Fluch sollen wir uns zuerst vornehmen?", fragte er und lief durch einen Gang zwischen den Tischen. Neben Weasley blieb er stehen und sah die Klasse aufforndernd an. "Weasley!", schrie er dann und Ron zuckte zusammen. Ängstlich sah er zu seinem Lehrer auf. Emilia fand es witzig, wie viel Angst alle vor ihrem Lehrer hatten. Sie fand den Lehrer interessant und faszinierend, doch sie hatte keine Angst vor ihm. 

"Aufstehen", bellte Moody. Weasley tat, was er befohlen bekam und erhob sich. Mit gesenktem Kopf stand Ron nun vor Moody. "Nenn uns einen Fluch."

"Ich ... ich kenn nur einem von meinem Vater", murmelte Weasley, sodass man ihn kaum verstehen konnte. "Den Imperius-Fluch."

"Ohh ja, den kennt dein Vater ja bestens. Der hat dem Ministerium vor ein paar Jahren viel Kummer gemacht. Ich werde euch jetzt den Grund dafür zeigen." Moody ging zu einem Gefäß und holte eine kleine, eklige Spinne heraus. Ron, der sich mittlerweile wieder gesetzt hatte, wurde weiß im Gesicht. Offensichtlich hatte da jemand eine riesen Angst vor Spinnen, dachte Emilia belustigt.

Zuerst ließ Moody die Spinne in seiner Hand größer werden, und dann verhexte er das Tier mit dem Imperius-Fluch. Sofort konnte Moody der Spinne alles befehlen. Mit Leichtigkeit bewegte Moody seinen Zauberstab so, dass die Spinne immer näher zu Rons Tisch schwebte. Diesem stand die Panik deutlich ins Gesicht geschrieben. Einige Schüler schrien auf, als die Spinne auf ihrer Schulter landete, doch Emilia fand es eher interessant, was man mit einem Zauberstab alles anstellen konnte.

Als Moody jedoch fragte, was man mit ihr nun machen sollte, erschrak Emilia. Er ließ die Spinne gegen ein Fenster fliegen und fragte dann, ob man die Spinne ersäufen sollte, während er sie über das Wasser hielt. Die Spinne zappelte, doch alles half ihr nichts. Sie stand unter dem Imperius-Fluch. Dann ließ er sie zur Erleichterung aller Schüler wieder in seine Hand fliegen und sa die Klasse an.

"Unmengen von Hexen und Zauberern haben behauptet, sie hätten nur deshalb den Befehlen, die ihnen Ihr-wisst-schon-wer gab, Folge geleistet. Weil sie unter dem Imperius-Fluch standen. Aber hier wirds knifflig. Wie finden wir die heraus, die lügen?", erklärte Moody. "Noch ein Fluch, noch ein Fluch."

Viele Hände gingen in die Höhe. Auch Emilia meldete sich. Die beiden anderen Flüche kannte sie - sie hatte immerhin unter beiden Flüchen schon einmal gestanden. Einmal der Cruciatus, mit dem man Leute foltern konnte. Grauenvolle Schmerzen.

Auch diesen führte Moody anhand der Spinne vor. Neville stand direkt daneben. Ihm war das Entsetzen aufs Gesicht geschrieben und auch Emilia konnte nicht mitansehen, wie Moody die Spinne folterte. Eine kleine Träne rann ihre Wange hinunter und zeigte, wie sehr sie diese Flüche doch mitnahmen. Mit jeder Sekunde, die Moody die Spinne folterte, wurden die Erinnerungen an ihre eigene Folterung immer klarer.

"Aufhören!", schrie Emilia wütendt. "Bitte, hören sie auf!" Moody sah seine Schülerin durchdringend an. Was hatte sie? Durch seine Unaufmerksamkeit brach der Fluch und die Spinne musste keine Schmerzen mehr erleiden.

Emilia keuchte heftig. Die Erinnerungen waren einfach zu grausam. Sie hatte alles einfach nur vergessen wollen, doch offensichtlich war es nicht so leicht, wie sie es gehofft hatte. Hermine zog ihre Freundin, die aufgestanden war, zurück auf den Stuhl und versuchte, sie zu beruhigen. Auch sie wusste nicht, wieso es ihre Freundin so mitnahm, aber trotzdem musste Hermine ihr helfen. Moody starrte seine Schülerin an. Dann nahm er die Spinne auf die Hand und ging zu Hermine, die ihn mit Hass betrachtete.

"Miss Granger, vielleicht kannst du uns den dritten Fluch nennen?" Hermine schüttelte den Kopf. Emilia wusste, welchen Fluch es noch gab.

"Der Todesfluch", flüsterte Emilia leise. Wenn Moody auch diesen vorführen würde, würde sie aus dem Klassenzimmer rennen. Mehr Erinnerungen konnte sie einfach nicht zulassen, sie war schon nach den wenigen Erinnerungen fertig genug.

"Avada Kedavra!", rief Moody und schon fiel die Spinne tot um. Vor Emilias innerem Auge spielten sich wieder die Bilder ab.

Voldemort, der vor ihr stand, mit erhobenem Zauberstab. Sie, Emilia, lag entwaffnet, wehrlos am Boden. Voldemort wollte sie umbringen, sagte ein letztes Mal "Avada Kedavra", bevor Emilia das Bewusstsein verlor.

Die Bilder waren schrecklich. Sie musste so schnell wie möglich weg. "Bringen Sie immer einfach so Tiere um, ohne Gefühle?", schrie Emilia aufgelöst und rannte durch die Tür aus dem Raum. Natürlich hatte sie sich gerade vor sämtlichen Schülern blamiert, aber sie musste einfach da raus. Schluchzend lief sie in eine dunkle Ecke von Hogwarts Gängen, möglichst weit weg von Moody.

Wieso hatte er das getan? Er hatte doch gesehen, wie Emilia sich fühlte. Wieso also hatte er kaltblütig weitergemacht? Auch Neville hatte das Ganze nicht kalt gelassen, er hatte sein Gesicht auch schmerzverzerrt, als Moody die Spinne folterte. Nach einiger Zeit hatte sie sich soweit wieder beruhigt, dass sie es wagen konnte, in ihr Schlafsaal zu gehen. Die anderen Schüler hatten sowieso noch Unterricht, also konnte sie es ja wagen. Doch mit Moody hatte sie nicht gerechnet. Gerade als Emilia um die Ecke zum Gemeinschaftsraum bog, kamen ihr Neville in Begleitung von Moody entgegen.

"Miss Callahan, kommen Sie kurz mit?", fragte Moody sie. Sie blickte zu Neville, der leicht nickte, also nickte auch Emilia. Sie wollte Neville nicht alleine mit diesem Lehrer lassen. Zu dritt gingen sie zum Büro des Professors, wo sie sich alle an einen kleinen Tisch setzten. Er bot ihnen sogar Tee an, doch die beiden aufgelösten Schüler wollten keinen.

"Miss Callahan, was hat Sie so mitgenommen?", fragte Moody sie.

"Ihr ganzer verdammter Unterricht! Wie können Sie nur so etwas im Unterricht machen!?", zischte Emilia leise. Neville sah sie erschrocken an und wirkte so, als würde er ihr gleich sagen, dass sie so nicht mit einem Lehrer reden konnte. Allerdings redete sie mit ihm so, wie er es verdient hatte.

"Wollen Sie sich nicht einmal beruhigen?", fragte Moody langsam. "Was ist in Ihrer Vergangenheit geschehen?"

"Das werde ich Ihnen ja wohl als letztem sagen!", drohte Emilia. Sie fühlte sich nicht gut, sondern eher traurig und deprimiert, aber sie versuchte, so selbstbewusst wie möglich zu wirken.

Moody nickte nur und ließ sie dann gehen. Neville blieb geschockt sitzen, was Emilia aber auch nicht störte, weil sie einfach nur weg wollte. Ihr war dieser Lehrer ganz und gar nicht geheuer und so wie er sie immer anschaute, wusste er garantiert mehr über ihre Vergangenheit wie sie selbst. Allerdings starrten Emilia viele Lehrer an, warum auch immer. Am liebsten würde sie schon wieder all ihrer Trauer freien Lauf lassen, doch das ging nicht vor all diesen Schülern. Sie versuchte, eine möglichst selbstbewusste und arrogante Miene aufzusetzen, als sie durch die Menge der Schüler auf dem Gang nach unten in die Kerker ging, wo der Slytherin-Gemeinschaftsraum lag. Eigentlich hätte sie erst in zwei Stunden Mittagspause, aber sie war noch nicht wieder in der Lage, unter Menschen zu gehen. Vielleicht würde sie zur zweiten Stunde erscheinen.

Erschöpft ließ sich Emilia auf ihr Bett fallen und ging in Gedanken nocheinmal den Tag durch. Er war schrecklich gewesen, obwohl er ja noch nicht einmal richtig angefangen hatte. Moody konnte doch nicht ernsthaft solchen Unterricht machen! Das war gefährlich und noch dazu einfach nur sinnlos. Emilia hatte zwei der drei Unverzeihlichen Flüche schon selbst erfahren und der Unterricht von Moody hätte es ganz sicher nicht weniger schmerzhaft gemacht. Und dass er auch noch nach ihrer Vergangenheit fragen musste ...! Unverschämtheit! Der Tag konnte ja nur besser werden. Da fiel ihr ein, was sie heute noch vorhatte. Sie musste ja zu Snapes Nachhilfeunterricht, schließlich war heute Mittwoch. Genervt ließ sie sich nach hinten fallen, was ihr einen schmerzenden Kopf einbrachte, da sie gegen die Wand geknallt war. Wütend auf sich selbst ging sie wieder aus dem Schlafsaal und lief zu dem Klassenzimmer, indem sie Unterricht hatte. Zauberkunst. Eigentlich eines ihrer Lieblingsfächer, doch heute hatte sie so gut wie keine Lust darauf. 

Leise schob sie die Tür auf. Der Professor stand gerade mit dem Rücken zur Wand, sodass er Emilia nicht sehen konnte. Die Schüler jedoch wandten ihren Kopf zu Emilia und kicherten leise, als diese sich erleichtert auf den Stuhl neben ihrer Freundin fallen ließ. Offenbar war Daphne doch noch rechtzeitig aufgewacht, denn sie saß jetzt gähnend neben Emilia. 

"Gut geschlafen?", fragte Emilia belustigt. 

"Wie ein Stein", murmelte Daphne und zuckte mit den Schultern. "Müde bin ich trotzdem noch."

"Du hast Moody verpasst", sagte Emilia leise und starrte den kleinen Zauberkunstprofessor an. Von der Größe her könnte er ein Zwerg sein ... Jedenfalls musste sich Professor Flitwick auf einige Bücher stellen, um überhaupt über seinen Schreibtisch hinüber sehen zu können. "Wir haben die Unverzeihlichen Flüche durch genommen."

Daphne zog scharf die Luft ein. "Kein Scherz? Deswegen bist du auch zu spät gekommen, oder?"

Emilia nickte. "War der Unterricht so schlimm?"

"Schlimm ist noch untertrieben. Er hat ... eine Spinne gefoltet, sie tun lassen, was er wollte und sie danach umgebracht! UMGEBRACHT!", zischte Emilia leise. Das letzte Wort betonte sie extra, damit Daphne verstand, was sie davon hielt. Nämlich gar nichts.

"Das darf er doch gar nicht ... Das ist verboten!", beschwerte sich Daphne. Emilia nickte nur. Der Unterricht war eher langweilig. Einige Male durften sie selbst Zauber üben, doch Emilia war immer eine der ersten, der der Zauber gelang. Irgendwann, als es ihr zu langweilig wurde, beschloss sie, einen Brief an ihren Vormund zu schreiben. Sie berichtete über Moody, ihr Haus, ihre Freunde und fragte, wie es im Ministerium so lief. Danach beschloss sie, zur Eulerei hoch zu gehen und den Brief ihrer Eule Fly zu geben. Daphne meinte, sie würde im Gemeinschaftsraum mit den Jungs warten, also ging Emilia alleine hinauf. Es waren nicht mehr viele Treppenstufen bis ganz nach oben gewesen, als sie plötzlich Stimmen hörte und augenblicklich stehen blieb.

"Wann siehst du ihn wieder?", fragte gerade der jüngste Weasley, Ron hieß er.

"Bald, hoffe ich. Ich darf ihn in den Ferien vielleicht mal besuchen", sagte nun Potter.

"Aber dir ist klar, dass Sirius sich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen kann? Und was willst du den Dursleys sagen? 'Tante Petunia, darf ich nicht mal Sirius besuchen, meinen Paten', oder wie?", fragte nun wieder Ron.

"Moment", keuchte Emilia und rannte die paar letzten Treppenstufen hinauf. "Dein Pate ist Sirius Black, der Massenmörder?" Sie starrte Potter entsetzt an. Wenn die Lehrer herausfinden würden, dass er Kontakt zu Black hatte, wäre er schneller aus der Schule raus als er sehen kann.

Doch Potter und Weasley bekamen kein Wort raus, sie starrten Emilia einfach nur entsetzt an.

"Du hast uns belauscht", stellte Ron nach einer Weile fest.

"Falsch. Ich bin gerade die Treppe hoch gelaufen. Du hast einfach zu laut geredet, Weaselbee!", fauchte Emilia. Ron schrumpfte unter dem wütenden Blick des Mädchens etwas zusammen.

"Du wirst es doch keinem sagen, oder?", fragte Potter auf einmal. Emilia hatte ernsthaft überlegt, damit zu ihrem Hauslehrer zu gehen, allerdings wollte sie so gemein auch nicht sein.

"Vielleicht", antwortete sie deshalb nur. "Eure Plauderecke hier, oder was?"

"Wir waren zufällig hier und -" "Spar dir dein unnötiges Gelaber, Weaselbee, dich hat keiner gefragt", fuhr Emilia ihn an.

"Genau Ronnie, dich hat keiner gefragt", echoten zwei ältere Jungs, die nun an der Treppe standen. Sie sahen aus wie die ältere Version von Ron. Vermutlich also waren sie die Weasley-Zwillinge, von denen man immer mal wieder etwas hörte, meist in Verbindung mit irgendwelchen Regelbrüchen oder Streichen.

"Euch aber auch nicht!", fauchte Emilia.

"Wir reden aber auch ..."

"... wenn uns keiner gefragt hat", beendete der eine Zwilling den Satz vom anderen. Konnte es noch schlimmer kommen, als mit vier kindischen Gryffindors in einem Raum zu sein?

"Sind alle Gryffindors so lästig, kindisch und einfach nur nervig?", fragte Emilia herablassend.

"Natürlich nicht ..."

"... das wäre ja sonst langweilig ..."
"Dann hätten wir ja keine Aufgabe mehr ..."
"... und müssten uns langweilen..." 

"... oder lernen..."

"... oder Hausaufgaben machen..."

"... was gleichbedeutend mit lernen ist ..."

"Seid ihr nicht fähig dazu, mal selbst vollständige Sätze zu bilden?", giftete Emilia. "Seid ihr so abhängig voneinander, dass ihr nicht einmal alleine reden könnt?"

"Da wird aber jemand beleidigend", lachte der eine Zwilling.

Langsam ging sie auf den Zwilling zu, der zuletzt geredet hatte, und kam ihm so nah, dass sie sogar seinen Atem spüren konnte. "Würde ich euch beleidigen wollen, würde ich das ganz sicher anders machen." Der Weasley sah sie abwägend an. "Hat es dir etwa die Sprache verschlagen?"

"Nein, ich überlege nur, was du mit dem Satz meinst", flüsterte der Zwilling, sodass es nur sie hören konnte.

"Als ob du das nicht wüsstest", spottete sie. "Du bist ein Weasley, wenig Geld, viel zu viele Kinder, wenig Ansehen, gibt sich sogar mit Schlammblütern ab, nicht wahr?" Jetzt hatte sie einen wunden Punkt bei den drei Weasleys getroffen. Alle sahen sie zornig an, als würden sie gleich einen Mord begehen wollen. Emilia beugte sich noch weiter zu dem Weasley vor sich und stellte sich auf Zehenspitzen. "An deiner Stelle würde ich mich von Schlammblütern fernhalten", hauchte sie ihm ins Ohr. Zufrieden sah sie, wie er zu zittern anfang und heftig einatmete. Emilia hatte die Wirkung erzielt, die sie wollte. "Was schaut ihr so? Eifersüchtig?", fragte Emilia sie und drengte sich an Potter und Weasley Junior vorbei. Schnell gab sie ihrer Eule den Brief und einen Eulenkeks, dann verschwand sie eilig aus dem Raum. Sie war sich sicher, dass ihr Auftritt Eindruck hinterlassen hatte.

 

"Was war das denn?", fragte Ron keuchend und brach die unangenehme Stille. Seit Emilia gegangen war, hatten alle mehr oder weniger den Atem angehalten. George, dem Emilia am nähesten gekommen war, stand noch immer völlig aus der Fassung gebracht neben seinem Bruder.

"Unheimlich", murmelte auch Harry leise. Zwar hatte sie auch bei ihm einen gewissen Eindruck hinterlassen, doch eher einen negativen als einen positiven.

"Unglaublich", sagte Fred. "Georgie, du hast ja Gänsehaut."

"Freddie, das weiß ich selbst. Sie ist schuld."

"Sie macht Snape wirklich Konkurrenz", sagte Fred wieder.

"Ihr Auftreten ist genauso unvorhersehbar, ja.", murmelte auch George.

"Harry, Ron, da seid ihr ja!" Hermine betrat ebenfalls den Raum und sah sich prüfend die Zwillinge an. "Was ist hier los?"

"Callahan ... "

"... sie war gerade hier oben..."

"...und hat uns ziemlich fertig gemacht", sagte Fred.

"Warum sollte sie das tun?", zischte Hermine. "Harry, stimmt das?", wandte sie sich nun an ihren besten Freund.

"Nun ... ja, also ... es war seltsam." Mehr fiel ihm dazu auch nicht ein.

"Wie seltsam? Was ist passiert?", fragte Hermine eindringlich.

"Sie hat uns belauscht, als wir über Sirius sprachen. Und dann sind die Zwillinge aufgetaucht und sie hat sie beleidigt oder so ...", sagte Ron.

"ODER SO!? Ist euch klar, dass ihr gerade meine Freundin beschuldigt, euch beleidigt zu haben!?", sagte Hermine aufgebracht. Wütend rauschte sie davon, auf der Suche nach Emilia.

"Wieso müssen Mädchen immer so ...", fing Ron an.

"Seltsam?"

"Unvorhersehbar?"

"Unverständlich?"

"Jaa genau ...", stimmte Ron den Zwillingen zu.

 

"Emilia!", hörte sie eine Stimme hinter sich ihren Namen rufen. "Warte!"

Langsam drehte sie sich um und entdeckte Hermine, die auf sie zugerannt kam. Was wollte die denn von ihr? Bestimmt wegen den Jungs und dem Vorfall von eben.

"Was ist oben in der Eulerei passiert?", fragte Hermine atemlos. Sie musste den ganzen Weg gerannt sein.

"Nichts interessantes. Die Zwillinge haben mich genervt, Ron ebenso, also habe ich ein bisschen mit ihnen gespielt, mehr nicht", erklärte Emilia tonlos. Was machte Hermine denn so einen Aufstand davon? So schlimm war sie nun auch nicht gewesen!

"Du hast sie nicht beleidigt?", fragte Hermine vorsichtig.

"Nein, wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss noch lernen", sagte Emilia, dann verschwand sie schnell, bevor Hermine noch etwas erwidern konnte. Sie musste sich beeilen, sonst kam sie noch zu spät zu Zaubertränke und sie wollte sich auf keinen Fall mit Snape anlegen. Er sah gruselig aus und wie Emilia festgestellt hatte, war mit ihm nicht zu spaßen. Besonders einige Leute konnte er nicht leiden, wobei Emilia eine der wenigen war, die er leiden konnte. Zumindest machte es den Anschein danach. Ohne anzuklopfen machte Emilia die Tür auf und ging nach vorne vor das Pult, an dem Snape saß, und ließ ihre Tasche fallen.

Dann betrachtete sie ihn eingehend. Seine durchdringenden schwarzen Augen hatte er auf einige Pergamente gerichtet, die er wohl gerade korrigierte.

"Fangen Sie mit ihren Hausaufgaben aus meinem Fach an, Callahan", sagte Snape ohne aufzusehen. Emilia nickte und ging dann wortlos zu einem der Bänke, wo sie sich mit ihren Sachen ausbreitete. Zum Glück gingen die Hausaufgaben ziemlich schnell. Es waren nur einige Wiederholungen vom Stoff der letzten Stunde, in der sie den Gemeinen Schlaftrank brauen mussten.

"Ich bin fertig", sagte Emilia und legte ihr Pergament auf die Seite. Dann sah sie Snape forschend an. Dieser hob zum ersten Mal in der Nachhilfestunde seinen Blick und sah Emilia wieder einmal an, als könnte er ihre Gedanken lesen, bevor er sich erhob und auf ihren Tisch zu schritt.

"Gut, dann dürfen Sie für heute gehen", sagte Snape und drehte sich mit wehendem Umhang um. "Bis Sonntag." 

"Natürlich. Gute Nacht, Professor", murmelte Emilia, sammelte ihre Sachen ein und lief so schnell wie möglich aus dem Raum. 

 

Severus setzte sich wieder auf seinen Stuhl und starrte gedankenverloren auf die Tür, durch die seine Tochter gerade verschwunden war. Es war komisch, sie seine Tochter zu nennen, doch er würde sich daran gewöhnen. Aber irgendwann musste er es ihr sagen. Vor allem hatte sie die Nachhilfestunden ja nicht bekommen, weil sie schlecht in dem Fach war, sondern weil Dumbledore es Severus leichter machen wollte, es ihr zu sagen. Also war es sozusagen seine Schuld, dass seine Tochter Nachhilfestunden bekam. 

Gestern hatte Severus noch mit Dumbledore über ihre Mutter und ihren Bruder geredet. Ja, sie hatte noch einen Bruder. Genau genommen einen Halbbruder. Doch auch dieses 'Halb' änderte nichts daran, dass er nicht wollte, dass sie von ihrem Bruder erfährt. Was dachte er hier eigentlich gerade? Dachte er wirklich darüber nach, was das beste für sie war? Nur wegen ihr würde er noch verweichlichen!

Ende einer Freundschaft

Einige Tage später war endlich Wochenende. Heute war Emilia mit Hermine, Potter und dem Wiesel am See verabredet, und obwohl Daphne versucht hatte, es ihr auszureden, bestand Emilia darauf, hinzugehen. Hermine war ihre Freundin und sie hatte zugesagt, also konnte sie nicht einfach wegbleiben. Das passte auch gar nicht zu ihr. Fertig geschminkt machte sich Emilia um kurz vor elf auf den Weg nach unten zum See.

"Callahan, wohin des Weges?", fragte Flint, der sie schon einige Male angesprochen hatte. Emilia fand ihn nett, aber auch ein wenig zu anhänglich. Manchmal war er ihr schon gefolgt, wenn sie vom Unterricht kam und in die Große Halle ging, und setzte sich dann 'unauffällig' neben sie.

"Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Flint", lächelte sie ihn an und lief aus dem Gemeinschaftsraum. Möglichst schnell natürlich, damit er ihr nicht folgen konnte. Wenn er sie mit einigen Gryffindors sehen würde, wäre ihre Ehre und Würde, ihr guter Ruf bei den Slytherins, mit einem Mal nur noch Hass. Slytherins würden es niemals tolerieren, sich mit Gryffindors zu treffen. Andererseits hatte sie Hermine ja auch zur Party heute Abend eingeladen, also wusste sowieso bald so ziemlich jeder Slytherin, dass Emilia mit einer Gryffindor befreundet war.
Am See angekommen saßen Hermine, Potter und das Wiesel bereits am See und unterhielten sich innig miteinander. "Hey ihr", rief Emilia schon von weitem und ließ sich dann neben ihre Freundin auf den Boden sinken. Sie hatte extra einen hübschen blauen Bikini angezogen, falls das Wetter es zulassen würde, schwimmen zu gehen.
"Da bist du ja", sagte Hermine lächelnd.
"Hey Kleine", grinste Potter sie an.
"Selber klein!", gab Emilia schnippisch zurück. Sie hasste es, mit ihren 1,70 Metern als klein bezeichnet zu werden, denn genau genommen war sie größer als viele andere Mädchen.
"Schon klar", nickte Potter ernst, was Emilia dazu brachte, belustigt den Kopf zu schütteln.
"Mine, hast du die Hausaufgaben von McGonagall schon gemacht?", fragte Emilia ihre Freundin. Vielleicht konnte sie ja die Gelegenheit nutzen und schauen, ob sie nicht vielleicht abschreiben durfte.
"Vergiss es, du darfst nicht abschreiben", Hermine schüttelte den Kopf. "Dann lernst du ja nichts, wenn du dauernd abschreibst."
"Natürlich, ich lerne richtig abzuschreiben und ich lerne, wie ich jemanden dazu bringe, mich abschreiben zu lassen."
"Deine Logik. Aber vielleicht solltest du lieber Grundwissen in den Fächern beherrschen als zu wissen, wie du jemanden dazu bringst, dich abschreiben zu lassen", erklärte Hermine.
"Es muss nicht jeder so ein Streber sein wie du", lachte Emilia. "Ich behaupte nicht, dass ich sonderlich gut bin in allen Fächern, aber solange ich den Versetzungstest am Ende des Jahres bestehe, sehe ich kein Problem in meiner Art und Weise des Lernens."
Hermine sah ihre Freundin beleidigt an. Gerade von ihr wollte sie nicht als Streber bezeichnet werden.
"Du hast die gleiche Einstellung wie die zwei Jungs da drüben", Hermine zeigte auf die schwimmen Jungs, Harry und Ron. Emilia hatte gar nicht bemerkt, wie die beiden ins Wasser gegangen waren.
"Kann sein", grinste Emilia nur. "Hey Jungs! Wartet auf mich!"
In windeseile hatte Emilia sich ihrer Kleidung entledigt und stapfte nun bibbernd ins kalte Wasser des Sees. Die Jungs kamen zu ihr geschwommen, was sich aber als großer Fehler herausstellte, da Emilia die beiden mit Wasser nass spritzte. Dafür wurde sie von Harry untergetaucht und Ron missbrauchte sie als Uboot, indem er sich auf ihren Rücken schwang und lospaddelte. Harry schwamm grinsend hinter ihnen her, während Hermine - wie sollte es auch anders sein - in ein Buch vertieft auf ihrer Decke lag. Als Ron Emilia endlich losließ, gab sie den Jungs das Zeichen, ruhig zu sein und näherte sich langsam Hermine. Fies grinsend schwang sich Emilia aus dem Wasser und ließ das Wasser aus ihren Haaren direkt auf Hermine tropfen, sodass ihre Hose nass wurde. Diese zog jedoch nur ihre Augenbrauen hoch und widmete sich wieder ihrem Buch, das anscheinend interessanter war als ihre Freunde.
"Willst du nicht auch mit rein kommen?", fragte Emilia leise. Hermine schüttelte ohne von ihrem Buch aufzusehen den Kopf. Damit verschwand Emilia wieder ins Wasser und ärgerte die Jungs.
Am späten Nachmittag musste Emilia jedoch gehen, da sie sich noch für die Party umziehen musste.
"Wir sehen uns morgen, Jungs", rief Emilia den Jungs zu und ging mit ihrer Freundin Richtung Schloss. "Was ziehst du an?"
"Ein blaues Kleid und schwarze Schuhe, aber nicht mit einem hohen Absatz, auf denen kann ich nämlich nicht laufen", erwiderte Hermine. "Und du?"
"Ein rotes Kleid. Es ist wunderschön! Und dazu habe ich mir passende schwarze Schuhe mit einem ... ehm etwas höheren Absatz vorgestellt. Du wirst sehen", grinste Emilia verschwörerisch. "Also bis um acht!"
Hermine nickte und ging Richtung Gryffindor-Gemeinschaftsraum, während Emilia den Weg in die Kerker einschlug und sich in ihrem Schlafsaal schnell daran machte, sich umzuziehen und zu schminken. Sie brauchte eine ganze Stunde bis sie mit ihrem Make-Up zufrieden war, sodass sie erst ganz knapp vor acht unten an der Tür zu ihrem Gemeinschaftsraum erschien, wo Hermine noch einmal ihr Aussehen kontrollierte. "Wow", meinte Hermine mit offenem Mund, als sie ihre Freundin sah. Sie sah wirklich wunderschön aus! Sie hatte ein rotes Kleid an, dass ihre Brüste und ihre Taille besonders hervor hob und dazu passende hohe Schuhe, die sie nicht mehr ganz so klein wirken ließen.
"Danke", lächelte Emilia Hermine an. "Du siehst auch toll aus."
Hermine wurde leicht rot, nickte aber dankbar. "Wollen wir rein?"
Hermine nickte unsicher und folgte ihrer Freundin in den Slytheringemeinschaftsraum, aus dem schon laute Musik drang. Emilia ging einfach der lauten Musik nach und fand sich schon bald in einem riesigen Raum wieder, den sie noch nie gesehen hatte. Einige Leute wie Pansy, Zabini und Malfoy erkannte sie sofort in der großen tanzenden Menge, andere suchte sie vergeblich. Fröhlich zog Emilia ihre Freundin mit sich zur Bar und holte sich einen Coctail, dann setzte sie sich an einen Tisch an den Rand, zusammen mit Hermine, die allerdings nur eine Cola bestellt hatte.
"Kein Alkohol?", fragte Emilia mit ungläubigem Blick.
Hermine schüttelte den Kopf. "Ich hab noch nie Alkohol getrunken."
"Dann wirds Zeit", sagte Emilia und schob ihr ihren Coctail vor die Nase. "Austrinken!" Hermine nickte langsam, nahm aber noch keinen Schluck.
"Na Kleine, Lust zu tanzen?", fragte Zabini Emilia, die ihn abschätzig musterte.
"So lange du mich nicht mehr Kleine nennst", murmelte sie und erhob sich. Dann ging sie mit Zabini auf die Tanzfläche und tanzte mit ihm, doch sie redete kein Wort mit ihm.
Hermine saß derweil allein am Tisch und probierte den Coctail von Emilia, der zugegebermaßen gar nicht mal so schlecht schmeckte. Also bestellte sie sich einen neuen, als ihrer leer war.
"Ist das Granger, die du eingeladen hast?", fragte Zabini nach einige Zeit.
"Ja, Problem damit?", fragte sie und sah sich nach ihrer Freundin um. Diese jedoch schien nicht mehr ganz nüchtern zu sein, denn sie ließ sich freiwillig von Nott auf die Tanzfläche führen.
"Nein nein, allerdings denke ich, dass sie heute noch mit Nott im Bett landen wird", murmelte Zabini und sah Granger genau an.
"Ha! So wie du sie gerade ansiehst, würdest du liebend gerne mit ihm tauschen!", grinste Emilia.
"Halt die Klappe, Callahan", murmelte der jedoch nur.
"Das ist aber keine sehr gute Verteidigung. Du stehst auf sie! Du stehst auf Granger!", lachte Emilia und löste sich von Zabini. Dann hüpfte sie um ihn herum und ging dann zurück zu ihrem Platz, wo ihr Coctail noch stand.
"Stimmt gar nicht!", zischte Zabini. "Ich hasse Gryffindors."
"Ja mit einer Ausnahme! Granger!", lachte Emilia ihn aus. Sie fand es toll, wie er es abstritt, wo es doch so offensichtlich war. "Du musst nichts abstreiten, mich kannst du nicht umstimmen."
"Du willst nur die Wahrheit nicht akzeptieren."
"Nein, denn so, wie du sie anschaust, ist es offensichtlich, was du für sie empfindest!"
"Vielleicht bist du auch nur blind?"
"Kann sein. Aber dann würde ich auch nicht sehen, dass sie dich gerade anschaut, oder?"
"Sie..?" Unauffällig lugte Zabini zu Hermine hinüber und musste feststellen, dass Emilia sie verarscht hatte.
"Ha! Da ist der Beweis!", triumphierend sah Emilia Zabini an.
"Du miese Schlampe!", zischte Zabini.
"Ich bin doch keine Schlampe", Emilia lächelte ihn unschuldig an. "Wollen wir sie eifersüchtig machen?"
"Was hast du vor?", fragte Zabini, ohne den Blick von Hermine abzuwenden. Anstatt zu antworten, kletterte Emilia auf seinen Schoß, nahm sich noch einen Coctail und flüsterte ihm lachend ins Ohr: "Ich liebe diese Drinks."
Eine halbe Stunde später saß Emilia betrunken auf dem Schoß von Zabini und amüsierte sich köstlich über die bösen Blicke ihrer Freundin Hermine.
"Son betrunka?", fragte Zabini nuschelnd und musste dann über sich selbst lachen. Auch Emilia fiel mit ein, was ihr weitere verwirrte Blicke ihrer Freundin einbrachte. Dann plötzlich zog Zabini sie hoch und nahm sie an der Hand. Sie wusste nicht, wieso, aber er steuerte die Jungenschlasäle an. Emilia erhaschte noch einen letzten Blick auf Hermine, die sie geschockt ansah, dann zog Zabini sie in eines der Zimmer und schloss die Tür hinter sich zu.

"Was hast du vor?", fragte Emilia bemüht um einen ruhigen Ton, als er sie mit seinem Körper an die Wand presste. Er küsste sie am Hals, was sie einmal kurz stöhnen ließ. Dann vergrub Zabini seine Hände in ihren Haaren und zog sie auf eines der Betten im Umkreis. Stürmisch, fordernd, verlangend lagen seine Lippen auf ihren. Beide hatte nun die Lust gepackt.

Nächsten Morgen wachte Emilia in einem fremden Bett auf. Neben ihr lag jemand. Nur wer? Und wo war sie? Plötzlich kam ihr der letzte Abend wieder in Erinnerung und sie schrie laut auf.

"Was isn los?", nuschelte dieser verschlafen. Dann fiel ihm auf, dass Emilia neben ihm saß - nackt - und machte große Augen. "Wir haben -"

"Ja, wir haben miteinander geschlafen!", fauchte sie und sammelte ihre Sachen wieder ein. "Wenn das hier irgendjemand erfährt, bist du tot -"

"Nun mal langsam", murmelte Zabini. "Was regst du dich eigentlich so auf?"

"Ich will nur nicht, dass es irgendjemand erfährt!", sagte sie deutlich. "Klar?"

"Glasklar." Nachdem Emilia ihre letzten Sachen angezogen hatte, bückte sie sich noch einmal aufs Bett, hauchte Zabini verführerisch einen Kuss auf die Lippen und verschwand zügig. Zum Glück war heute kein Unterricht, denn sehr ausgeschlafen fühlte sich Emilia nicht. In ihrem Schlafsaal angekommen wartete Daphne bereits ungeduldig auf sie.

"Da bist du ja endlich", sagte Daphne erleichtert. "Wo warst du?"

"Ich war draußen, spazieren."

"Ernsthaft? Das glaube ich dir nicht. Denn als ich gestern ins Bett gegangen bin, warst du auch nicht in deinem Bett. Also wer war dein Opfer?", sprudelte es aus Daphne heraus.

"Zabini" Daphne sah sie geschockt an. "Ich war betrunken und er wollte jemanden eifersüchtig machen, also sind wir uns ein bisschen näher gekommen und ja ..."

"Wie hast du ihn ins Bett gekriegt? Ich versuche seit Jahren einen der Jungs aus Slytherin ins Bett zu kriegen, aber anscheinend seh ich nicht gut genug aus. Ich hab mal mit so einem kleinen Hufflepuff geschlafen, allerdings war der ne Lusche -"

"Die Jungs sind einfach primitiv! Die denken eh nur an Sex, man muss ihnen nur genug Gelegenheiten für Gedanken geben und schon landet man mit denen im Bett", erklärte Emilia bitter. "Das Problem ist nicht, dass ich mit ihm geschlafen hab, sondern dass eine Freundin auf ihn steht und er auf sie!"

"Sie hat also gesehen, wie du mit ihm verschwunden bist?"

"Natürlich, dafür hat Zabini ja gesorgt."

"Dann rede mit ihr. Du meinst Granger, oder?"

"Jaa. Ich werde nachher mit ihr reden. Am besten ich such in der Bibliothek, sie ist eh immer da. Wo sind die anderen Mädchen?" 

"Lilith ist mit Boot im Raum der Wünsche, Pansy rennt Draco hinterher und Milli ist glaube ich bei Vincent drüben", informierte Daphne sie. 

"Apropos Malfoy, was läuft zwischen euch?", fragte Emilia neugierig. 

"Gar nichts. Wie kommst du darauf? Er ist nur mein bester Freund!", verteidigte sich Daphne. 

"Du hast dich mit ihm gestritten, ihr seht euch immer so seltsam an und er wollte mir nicht sagen, weshalb ihr euch den einen Tag so gestritten habt -", fing Emilia an aufzuzählen, doch Daphne unterbrach sie. 

"Na schön. Dir muss man auch wirklich alles erzählen, oder?", fragte Daphne genervt. 

"Logisch, so als Freundin hab ich schon ein Recht darauf, dass du mir sowas erzählst", sagte Emilia lächelnd. 

"Meine Eltern sind ja in Askaban - davon hast du sicher gehört - also wohne ich bei Malfoy, also in den Ferien manchmal. Narzissa war so nett, mich aufzunehmen. Jedenfalls mag ich seinen Dad überhaupt nicht, er mich auch nicht, und Draco mag ihn auch nicht, aber es ist halt seine Familie, also sag ich da nichts zu. Na ja ... ich durfte so lange bei ihnen wohnen, bis Lucius uns mal erwischt hat, wie wir uns geküsst haben. Dann hat er mich rausgeschmissen. Seit dem Tag sind wir beste Freunde", erzählte Daphne, starrte dabei aber die ganze Zeit auf ihre Hände. 

"Wenn ich das richtig verstehe, empfindet ihr beide etwas füreinander, habt aber Angst, dass Lucius es rausfindet, also lasst ihrs lieber ganz bleiben?", fragte Emilia. Daphne nickte. "Das ist totaler Blödsinn! Was bitte will Lucius gegen eine Beziehung schon machen? Er kann eure Gefühle nicht kontrollieren, und wenn er es versucht, dann ist er ein mieser Vater."

Daphne, die von ihre Freundin überrascht sah, sah sie an. "Nun ja, Lucius arbeitet im Ministerium. Er kann auch Draco von der Schule nehmen!"

"Wenn du dir bei jedem deiner Freunde solche sorgen gemacht hast, dann kann ich verstehen, dass deine Beziehungen nie länger als eine woche hielten. Denn, jeder Vater kann sein Kind von der Schule nehmen. ABER fast keiner würde es tun, nur weil sein Kind eine Beziehung hat, die der Vater nicht toleriert."

"Du hast Recht. Aber Lucius ist kein normaler Vater! Er ist kaltblütig, er war sogar einer der früheren Todesser!", schluchzte Daphne. Emilia hatte keine Ahnung gehabt, wie sehr sie das alles mitnahm. Also nahm sie ihre beste Freundin in die Arme und drückte sie fest. "Rede nochmal mit ihm."

Daphne nickte kaum merklich, hörte aber auf zu weinen und sah ihre Freundin mit großen Augen an. "Danke", murmelte sie und drückte Emilia fest.

"Mach dich fertig und dann gehen wir frühstücken, ja?", sagte Emilia lächelnd und ging nach unten in den Gemeinschaftsraum.

"Du und Zabini, was?", fragte Malfoy, der gleich auf sie zukam, als er sie sah.

"Hör zu, nur weil ich mit ihm schlafe, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn mag, okay?", zischte Emilia und ließ sich auf einen der Sessel fallen. Draco stellte sich aufrecht vor sie.

"Dir ist schon klar, dass du gerade mit seinem besten Freund sprichst?"

"Natürlich."

"Dann würde ich dir raten, ihn ab jetzt in Ruhe zu lassen", murmelte Draco.

"Warum sollte ich das tun? Weil klein-Draco das so will? Da muss ich dich aber enttäuschen, denn ich höre leider nicht auf verweichlichte Idioten", giftete Emilia und sah Malfoy wütend an.

"Solltest du aber, sonst -"

"Sonst was? Willst du dich mit mir anlegen? Nur zu, ich habe keine Angst vor dir", zischte Emilia, bevor Malfoy ausreden konnte."Sag Daphne, dank dir werde ich unten in der Großen Halle auf sie warten." Damit erhob sie sich und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen, aus dem Gemeinschaftsraum in Richtung Große Halle, bis ihr einfiel, dass sie ja mit Hermine reden wollte. Also drehte sie wieder um und ging diesmal nach oben, zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Staunend sah sie sich die Bilder an den Wänden an, die ihr manchmal sogar wunken oder ihr freundlich zulächelten. In diesem Teil von Hogwarts war sie noch nie gewesen, einfach weil dort keine Klassenzimmer lagen, sondern nur der Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Und der war die meiste Zeit uninteressant, zumindest für eine Slytherin. Einige Bilder waren leer, Emilia ging davon aus, dass diese dann gerade in anderen Bildern zu Besuch waren. Doch wo war der Eingang zum Gemeinschaftsraum? Hermine hatte gesagt, er sei in diesem Stock, aber wo genau? Denn so könnte sie ewig suchen, mittlerweile kam es ihr so vor, als wäre sie schon dreimal im Kreis gelaufen. Suchend ging sie durch die Gänge und versuchte sich dabei zu erinnern, von wo die Gryffindors immer zum Unterricht kamen. Aber so richtig hatte sie noch nie darauf geachtet ...

Bunte Lichter tanzten durch die Luft, unter lautem Knallen gesellten sich immer Neue dazu. Sie sahen aus wie die Lichter von Feuerwerksexplosionen, nur dass sie nicht erloschen. Mit einem für sie untypischen Quietschen schlug sie um sich und taumelte schließlich aus der sich ausbreitenden Feuerwerks-Wolke. Ihre Haare rochen so, als wären sie leicht angesengt und ein Blick auf ihre Spitzen bestätigte ihr, dass diese dran geglaubt hatten. Abgesehen davon hatte ihre Tasche Feuer gefangen, wie sie im nächsten Moment entsetzt feststellte. Wütend schlug sie darauf ein, als eine Stimme neben ihr ertönte: „Warte, ich mach das“, ein Zauberstab wurde auf die Flammen gerichtet, ein paar Worte gemurmelt, woraufhin ihre Tasche nur noch leicht vor sich hin qualmte.
Langsam hob sie den Blick und sah die Weasley Zwillinge vor sich stehen. Beherrscht atmete sie ein und wieder aus. „SAGT MAL, SEID IHR DENN TOTAL BESCHEUERT?!“, schrie sie die beiden dann an. „WOLLT IHR JEMANDEN UMBRINGEN ODER WAS?!“

"Genau gesagt wollten wir etwas testen ..."

"...wobei es auch ein guter Nebeneffekt gewesen wäre ..."

"...wenn du die Person wärst ..."

"...die wir erwartet hatten."

"Wirklich!? Wen bitte hattet ihr denn erwartet?", zischte Emilia.

"Sollen wir es ihr sagen, George?"

"Ich denke nicht, Fred", sagte George ernst.

"Meine Haare sind angebrannt! Meine Tasche ist hinüber! Und das alles nur wegen euch Vollidioten!"

"Jetzt übertreib mal nicht"

"Ich übertreibe nicht, George!", zischte Emilia, die die Zwillinge nicht auseinander halten konnte.

"Ich bin Fred."

"Es ist mir eigentlich fürchterlich egal, wer du bist!"

"Spaaaaß, ich bin George." Emilia warf demjenigen, der George war, einen bösen Blick zu und musste mit Entsetzen feststellen, dass Filch hinter ihnen stand.

"Kleine Überraschung hinter euch, Jungs", sagte Emilia mit einem fiesen Lächeln. Argwöhnisch wandten sich die Zwillinge um und machten große Augen, als Filch hinter ihnen stand. Seine Katze lag daneben und miaute Emilia an. Diese bückte sich, streichelte die Katze sanft und hörte amüsiert zu, wie die beiden Nachsitzen bekamen.

"Aber ...", setzten beide an.

"Nichts aber! Ihr beide seid Schuld, dass Filch noch mehr Arbeit hat! Ihr verdient Nachsitzen dafür!", unterbrach Emilia beide. Filch grunzte zustimmend und besah sich das Mädchen genauer.

"Nachsitzen! Morgen Abend! Ihr BEIDE!", schnauzte Filch die Zwillinge an und humpelte dann weiter den Gang entlang. Mrs. Norris, Filchs Katze, miaute einmal kurz, bevor sie ebenfalls verschwand. Zurück blieben nur die Zwillinge und Emilia.

"Wieso ..."

"...hast du das gemacht?", fragten die Zwillinge.

"Weil ihr Vollidioten seid! Ihr habt mich fast in die Luft gesprengt, ne Menge Regeln gebrochen und zudem mag ich euch nicht einmal", zischte Emilia, dann verschwand sie um eine Ecke, wo sie fast mit Longbottom zusammen lief.

"Ist Granger im Gemeinschaftsraum?", fragte sie. Neville nickte langsam. "Holst du sie?", fragte sie weiter. "Bitte."

Schnell sagte Neville das Passwort, das Emilia nicht verstand, weil er so leise sprach, dann schwang ein Bild auf und gab einen Gang in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors frei.

 

"Hermine, Callahan sucht dich", Neville kam langsam auf sie zu und blieb vor ihr stehen. "Wartet draußen."

"Sag ihr, ich habe keine Lust mit ihr zu reden", maulte Hermine, die noch immer sauer auf ihre Freundin war.

"Rede doch einfach mit ihr", schlug Harry vor, der soeben die Treppe von den Jungenschlafsälen hinunter kam. Hermine hatte ihm alles erzählt. "Sie wird ihre Gründe haben, wieso sie das gemacht hat."

"Ich habe keine Lust mit ihr zu reden, Harry!", fauchte Hermine. Harry hob abwehrend die Hände.

"Dann wirst du sie aber ganz sicher als Freundin verlieren", murmelte Harry.

"Sie hat mich hintergangen!"

"Das kann jedem Mal passieren", meinte Harry. "Vielleicht gibt es ja auch einen ganz einfachen Grund für das."

"Wieso verteidigst du sie!?", fragte Hermine. "Ich bin deine beste Freundin! Du solltest zu mir halten."

"Ich betrachte das ganze objektiv, und halte es nunmal für das Beste, wenn du mit ihr einfach Mal redest", hielt Harry dagegen. Neville betrachtete die zwei Freunde, denn er hatte keine Ahnung, worum es ging.

"Gut", fauchte Hermine und lief schnellen Schrittes aus dem Gemeinschaftsraum, wo Emilia ungeduldig auf sie gewartet hatte.

"Mine!", rief Emilia. Hermine betrachtete ihre Freundin nur kalt.

"Was willst du?", fragte Hermine.

"Mit dir reden. Ich will alles klarstellen! Ich will dir erklären, wie es dazu gekommen ist, dass ich mit ihm geschlafen habe ..."

"Du hast was!?", kreischte Hermine.

"Oh shit ... du wusstest das nicht?" Emilia biss sich auf die Lippe. "Ich kann es dir erklären."

"Ich glaube kaum, dass es da noch etwas zu klären gibt!", sagte Hermine kalt.

"Er wollte dich eifersüchtig machen!", rief Emilia. "Ich ... habe mit ihm getanzt, er hat dir dauernd Blicke zugeworfen, aber wenn ich ihn gefragt hab, ob er auf dich steht, hat er nein gesagt. Jedenfalls konnte man ihm deutlich ansehen, dass er lieber an Flints Stelle wäre ... Na ja, dann hab ich beschlossen zu versuchen, dich eifersüchtig zu machen, indem ich einfach ein bisschen mit ihm flirte, mit Alkohol intus, leider. Irgendwann als ich nicht mehr so richtig klar denken konnte, hat er mich mitgezogen in sein Zimmer und -"

"Ich will keine Details, danke", fauchte Hermine. "Du hast mich hintergangen. Ich will dich nie wieder sehen!"

Mit offenem Mund starrte Emilia ihrer ehemaligen Freundin hinterher. Sie konnte nicht fassen, dass Hermine nur wegen dem nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Außerdem war es ja nicht nur Emilias Schuld, sondern ganz genauso Zabinis. Es tat schon weh, dass Hermine nun nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, aber Emilia hatte nicht vor, ihrer Freundin hinterher zu rennen. Sie war niemand, der sich geschlagen gab und sich einfach so entschuldigt. Abgesehen davon hatten sie sich ja gerade einmal eine Woche gekannt, also waren sie noch nicht dicke Freunde. Emilia beschloss, Hermine die nächste Zeit zu ignorieren und ihr aus dem Weg zu gehen.

Gefasst suchte sie den Weg nach unten in die Große Halle, in der Daphne bestimmt schon wartete. Eigentlich hatte sie keine Lust, Zabini zu treffen, doch sie hatte ihrer Freundin gesagt, dass sie sich dort treffen würden. Es war ein unangenehmes Gefühl, an einem Tisch zu sitzen wie Zabini, stellte Emilia eine halbe Stunde später fest. Die ganze Schule hatte mittlerweile mitbekommen, dass sie mit Zabini geschlafen hatte, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, woher es alle wussten. Jemand musste es ausgeplaudert haben.

"Huhu? Erde an Emilia!", Daphne fuchtelte ein wenig mit ihren Fingern vor Emilias Nase herum, bis diese den Blick auf ihre Freundin richtete.

"Tut mir Leid, was hast du gesagt?", fragte Emilia nochmal nach.

"Zabini! Er starrt dich die ganze Zeit schon an!", stellte Daphne klar. Emilia nickte nur.

"Soll er doch, wenns ihm Spaß macht! Mich starrt jeder an, wenn du dich mal hier umsiehst."

"Ja, da hast du auch wieder Recht", meinte Daphne und schaufelte sich etwas von ihrem Essen rein.

"Ich hab immer Recht!"

"Ach wirklich?", grinste Daphne.

"Jaja, Paragraph 1: Ich hab immer Recht. Paragraph 2: Sollte dies einmal nicht der Fall sein, tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft!", lächelte Emilia ihre Freundin an.

"Na dann gilt also meistens Paragraph 2? Ich werds mir auf jeden Fall merken", grinste Daphne.

 

Harry und Ron betraten gerade die Große Halle und sahen sich nach den Mädchen um.

"Emilia wirkt wie immer - gefasst, unnahbar und als könnte ihr nichts etwas anhaben", murmelte Harry zu seinem Freund.

"Hermine wirkt ... wütend, sauer, traurig und deprimiert", erklärte Ron. "Auf wessen Seite stehst du? Gibst du Callahan oder Hermine Recht?"

"Emilia hat etwas falsches getan - na und? Klar, es war falsch aber ich denke, sie wollte sich entschuldigen, doch Hermine hat sie nicht gelassen"

"Sehe ich genauso", murmelte Ron.

"Wusstest du, dass Emilia mit Zabini geschlafen hat? Hermine hat gestern so etwas erwähnt -"

"Sie hat WAS!?", sagte Ron wütend. Ein kleines Gefühl der Eifersucht machte sich in ihm breit. Auch wenn Emilia ihn immerzu mies behandelt, konnte Ron nicht abstreiten, dass er sie trotzdem toll fand. Auf einer freundschaftlichen Ebene, das redete er sich zumindest ein.

"Daraus schließ ich, dass du es nicht wusstest", murmelte Harry nur leise und ging in Richtung Gryffindor-Tisch zu Hermine.

"Nein, wusste ich nicht", meinte Ron gleichgültig. Zumindest nach außen hin musste er so tun, als würde er sie nicht einmal kennen und als wäre ihm das völlig egal.

"Hey Hermine", grüßte Harry seine Freundin. Sie strafte ihn nur mit einem bösen Blick und widmete sich dann wieder dem Buch in ihrer Hand. Ron sagte lieber gar nichts und ließ sich nur schweigend neben Harry fallen. Immer wieder musste Harry zu Emilia an den Slytherin-Tisch schauen, die sich ausgelassen mit Greengrass unterhielt.

Auch Snape starrte seine Schülerin an. Seine Tochter. Sie hatte einfach so mit einem Jungen geschlafen und es sah so aus, als würde sie sich nichts aus den Gedanken anderer machen. Wie immer unterhielt sie sich mit ihrer besten Freundin. Zabini jedoch starrte Severus Tochter ununterbrochen an, was ihm absolut nicht gefiel. Die anderen Lehrer, besonders McGonagall, die Snape am nähesten saß, wunderte sich über das plötzliche Interesse des Zaubertrankmeisters an seinen Schülern. Amüsiert beobachtete sie, wie seine Miene von undurchdringbar zu wütend und dann zu fassungslosigkeit wurde. Severus bemerkte die Blicke der Gryffindor-Hauslehrerin nicht, er war viel zu fokussiert auf seine Tochter. Er beschloss, ihr beim nächsten Nachhilfeunterricht, also am Sonntag Abend, die Wahrheit zu sagen. Morgen Abend. Es würde nicht einfach werden, zumal er selbst das ja noch nicht einmal verstand, aber wenn er so weiter machte, würde es nur zu unnötigen Missverständnissen kommen. Nun blieb nur noch eine Frage. Sollte er ihr von ihrem Bruder erzählen? Es wäre besser, gleich die ganze Wahrheit zu sagen. Alles andere würde sie nur verwirren.

Wie weit war es eigentlich schon mit ihm gekommen!? Er dachte gerade ernsthaft darüber nach, welche Möglichkeit für Emilia die beste sein würde. Noch nie in seinem Leben hatte er so viele Gedanken an jemanden anderen verschwendet, außer an eine bestimmte Person, an die er ohne Schmerzen noch immer nicht denken konnte.

 

Da Emilia heute kein Unterricht hatte, beschloss sie, mit Daphne und Lilith zum See zu gehen und es sich dort gutgehen zu lassen. Doch dass Lilith mitkommen würde, bedeutete auch, dass Terry Boot, ihr Freund, ebenfalls kommen würde. Eigentlich hatte Emilia nichts dagegen, aber sie wäre lieber mit den beiden Mädchen allein gewesen.

"Wann kommt dein Freund, Lilith?", fragte sie, als sie eine Decke am Ufer des Sees ausbreiteten. Zu dieser Zeit war noch kaum jemand draußen, nur vereinzelt konnte man einige Hufflepuffs beobachten.

"Später, glaube ich. Er wollte noch etwas mit den Gryffindor-Zwillingen klären." Lilith zog sich gleich ihre Kleidung aus und sprang ins eiskalte Wasser, während sich Emilia neben Daphne auf die Decke legte.

"Was ist los, Emi? Du siehst heute so nachdenklich aus", fragte Emilias beste Freundin.

"Ich habe vorhin mit Her ... Granger geredet. Sie hat die Freundschaft gekündigt und ist abgehauen, weil ich mich nicht entschuldigt habe. Aber im Ernst, ich hab doch nichts gemacht, wofür ich mich bei ihr entschuldigen sollte! Wenn überhaupt sollte ich mich bei Zabini entschuldigen. Und mal ehrlich, das mit den beiden wäre eh nie was geworden", regte sich Emilia auf.

"Seh ich so wie du. Die beiden hatten drei Jahre Zeit und haben sich nicht mal angesehen. Und jetzt, wo du mit Zabini schläfst, ist sie auf einmal in ihn verliebt", sagte Daphne und drehte sich so, dass sie ihrer Freundin ins Gesicht schauen konnte. "Und würde Zabini wirklich etwas für sie empfinden, wäre er ja wohl kaum mit dir im Bett gelandet!"

"Na ja wir waren betrunken ... Aber ich bin ja nicht allein Schuld. Also ich meine, sie kann ja nicht mir die ganze Schuld geben und -" Emilia stoppte und sah zu dem blonden Jungen, der gerade auf sie zugelaufen kam. Das musste wohl Terry Boot sein, vermutete Emilia.
Er war gut durchtrainiert und hatte auch insgesamt viele Muskeln. Sein blondes Haar umrahmte sein Gesicht perfekt, welches weiche Züge angenommen hatte. Emilia konnte durchaus verstehen, was Lilith an ihm toll fand. Er sah wirklich gut aus. Schnellen Schrittes kam er auf die beiden Mädchen zu und winkte ihnen.

"Hey ihr zwei", rief er, als er näher kam. Dann setzte er sich vor Emilia und Daphne und hielt Emilia die Hand hin. "Terry Boot", stellte er sich schüchtern lächelnd vor.

"Emilia Callahan." Sie nickte Liliths Freund zu und legte sich neben Daphne auf die Decke.

"Jetzt weiß ich, warum die anderen so Zeug von dir reden", lachte Terry. Emilia schloss langsam die Augen, bis sie registrierte, dass er sie gemeint hatte, dann setzte sie sich widerwillig wieder auf.

"Ach ja? Was reden die Leute denn so interessantes über mich? Wer kennt die besten Fakten?"

Kurz wirkte Terry erschrocken und verblüfft, fing sich jedoch schnell wieder. "Du bist kalt, unnahbar, hast immer die besten Sprüche auf Lager, bist die einzige von den Mädchen, die sich bei den Slytherins richtig durchsetzen kann, deine Blicke sind manchmal ... wirklich furchteinflößend -"

"Ist ja gut! Das hab ich alles schon mal gehört!", zischte Emilia. "Wer meint denn, das Recht zu haben, über mich zu urteilen, bevor er mich überhaupt kennt?"

"Na die Ravenclaws aus deiner Stufe. Ich bin ja ein Jahr höher als du, aber -"

"Sag deinen Ravenclaws, die können mich mal kreuzweise und dass sie mich vielleicht mal kennen lernen sollten, bevor sie über mich Dinge erzählen! Und da sag mal einer, Ravenclaws sind schlau! Pah, dass ich nicht lache!"

"Dir ist bewusst, dass ein Ravenclaw direkt neben dir sitzt?", fragte Terry argwöhnisch.

"Natürlich. Ich meinte auch nicht dich, sondern die Idioten, die das alle behaupten!", meinte Emilia. Terry nickte, zog sich dann bis auf seine Badehose aus, und watete zu seiner Freundin ins Wasser.

"Du musst dich wirklich mit jedem anlegen, oder?", fragte Daphne belustigt.

"Mit wem leg ich mich denn an?", erwiderte Emilia stirnrunzelnd.

"Soll ich aufzählen? Mit Draco, mit Blaise, mit Terry, mit Flint -"

"Okay, ja, aber die haben es alle verdient .. bis na ja, Terry vielleicht. Der hat es nicht verdient. Aber alle anderen schon!"

Am nächsten Tag machte sich Emilia pünktlich um kurz vor Acht auf den Weg in die Kerker, um mal wieder Nachhilfeunterricht bei Snape zu bekommen. Das letzte mal hatte sie ja nur Hausaufgaben machen müssen. Sie war gespannt, was sie heute zu tun hatte. Vielleicht dachte er, sie würde es nicht schaffe, einen Trank zu brauen, immerhin war sie gerade mal eine Woche in Hogwarts. Nicht einmal, eigentlich. Am morgigen Tag würde es eine Woche sein. Heute hatte Emilia den ganzen Tag mit unendlich vielen Hausaufgaben verbracht, bei denen ihr Daphne zum Teil sogar geholfen hatte. In einigen Fächern hatte sie auch bei den anderen Slytherin-Mädchen abschreiben dürfen, so zum Beispiel in Zaubereigeschichte. Zaubertränke hatte sie natürlich alleine erledigt, das war ja auch ihr Lieblingsfach von allen. Nicht, dass sie den Lehrer so gern hatte, sondern einfach das Fach selbst hatte es ihr angetan. Snape saß wie immer an seinem Schreibtisch, als Emilia in sein Büro trat. Doch anders, als sie gedacht hatte, saßen vor ihm die Weasley-Zwillinge, die wegen ihr Nachsitzen mussten. Sie würden doch nicht etwa ...?

"Ah Miss Callahan, Ihr Auftrag wird heute sein, diese Aufgabe zu erledigen, danach dürfen Sie gehen", meinte Snape, schob ein Pergament auf einen benachbarten Tisch und widmete sich wieder seinen eigenen Aufgaben. Langsam ging Emilia an den Zwillingen vorbei, welchen sie einen spöttischen Blick zuwarf, und setzte sich an den Platz neben Snape. Dann fing sie an, die für sie vorgesehene Aufgabe zu bearbeiten. Die Zwillinge schrieben derweil ihre seitenlangen Aufsätze, die, wie Emilia vermutete, nicht so schnell gehen würden. Snape gab aus Erfahrung ziemlich lange Strafarbeiten, das wusste sie von Daphne. Die Zeit ging recht schnell vorüber, sodass Emilia schon um kurz nach neun gehen durfte. Die Weasley-Zwillinge, die eh schon mindestens zwei Stunden dort saßen, schrieben noch immer an ihren Aufsätzen. Schadenfroh lief Emilia durch die Gänge und sah sich plötzlich niemand anderem als Filch höchstpersönlich gegenüber.

"Mr. Filch! Wie schön, Sie zu sehen!", begrüßte sie ihn. Verwirrt musterte der alte Hausmeister die Schülerin. "Ich hab zufällig bei Professor Snape gerade die Zwillinge gesehen, die Ihnen so viel Arbeit gemacht hatten. Sie sahen ziemlich beschäftigt und missmutig aus."

"Das haben sie auch verdient", murmelte Filch und ging weiter, um seine Katze zu suchen. Leise sagte er immer wieder den Namen seiner Katze. Zu Emilias Glück hatte er gar nicht darauf geachtet, dass mittlerweile Sperrstunde war und sie eigentlich gar nicht mehr auf den Gängen sein dürfte. Grinsend ging die Slytherin zu ihrem Gemeinschaftsraum, wo sie Blaise und Draco auf der Couch reden sah. Die beiden ignorierend suchte sie den Raum nach ihrer besten Freundin ab, fand sie jedoch erst oben in ihrem Schlafsaal.

 

Severus Snape saß völlig erledigt in seinem Bürostuhl. Die Weasley-Zwillinge hatten ihn des Öfteren zur Weisglut getrieben und Severus verfluchte die beiden dafür, dass er seiner Tochter noch immer nicht die Wahrheit sagen konnte. Die Zwillinge hatten extra langsam geschrieben, um ihn zu ärgern und das wusste er. Dafür hatte er ihnen auch kurzerhand jeweils 5 Punkte abgezogen, was ihm mehr als fair schien. Er war dennoch froh, dass seine Tochter nicht mit solchen Idioten in einem Haus war, sondern bei ihm. So konnte er sie, falls nötig, in Schutz nehmen.

Kopfschüttelnd ging Severus ins benachbarte Zimmer, seiner eigenen kleinen Wohnung in Hogwarts, und holte sich ein Glas Wein aus dem Schrank. Vor Jahren hatte er eigentlich aufhören wollen zu trinken, doch heute packte ihn einfach das Verlangen danach wieder.

Er wusste, dass auch seine Kollegen so langsam anfingen, sich Gedanken zu machen und hinter seinem Rücken darüber zu reden, denn auch sie hatten bemerkt, wie Severus das neue Mädchen anstarrte. Alle wussten, dass es eine Verbindung geben musste, doch welche konnten sie sich nicht denken. Keiner von ihnen wusste davon, dass Severus Snape mal eine Freundin gehabt hatte. Hatte er aber. Ziemlich viele sogar. Nach Lilys Tod hatte er mit verschiedenen Frauen versucht, eine Beziehung zu führen, aber alle scheiterten wegen ihm. Er konnte das einfach nicht.

Beauxbatons und Durmstrang

In den nächsten Wochen versuchte Emilia alles mögliche, um im Unterricht mitzukommen und dennoch genug Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. Hermine ignorierte sie gekonnt, mit Harry sprach sie kaum noch ein Wort, was ihr aber auch nicht sonderlich fehlte. Sie hatten sich ja meistens doch nur gestritten. Blaise und Draco wurden, sehr zu ihrem Erstaunen, immer netter zu ihr. Besonders zu Blaise entwickelte sich eine Freundschaft, auch wenn sie das nie erwartet hätte.

Der Unterricht war meist beschwerlich. Am schlimmsten fand Emilia Pflege magischer Geschöpfe und Zaubereigeschichte, da sie immer den Hang hatte, in diesen Stunden einzuschlafen. Dies erging aber nicht nur ihr so, denn auch Daphne schien mit ihren Gedanken überall, nur nicht im Unterricht zu sein. Das schwierigste Fach war, wie Emilia feststellen musste, Verteidigung gegen die dunklen Künste. Moody hatte es sich fest vorgenommen, ihnen wirklich alles über die Unverzeihlichen Flüche beizubringen. Und so kam es, dass sich die ganze Klasse am Montagmorgen in einer Schlange aufstellen musste, damit Moody immer einen mit dem Imperius-Fluch belegen könnte. Die Gryffindors standen vorne, die Slytherins sahen skeptisch von hinten aus zu und reihten sich nicht einmal ein. Nur Emilia wollte unbedingt drankommen, denn sie wollte sich auf weitere Angriffe von Voldemort vorbereiten. Natürlich könnte sie sich gegen die anderen Flüche nicht wehren, aber immerhin hatte sie dann noch eine kleine Chance.

"Du willst das echt machen?", fragte Daphne skeptisch, die sich hinter Emilia gestellt hatte.

"Natürlich, ich will lernen, mich zur Wehr zu setzen. Mich vor Angriffen zu schützen", sagte Emilia daraufhin.

"Noch keiner hat es geschafft, mal abgesehen von Potter, im Unterricht dem Fluch zu widerstehen. Was also bringt es dir?"

"Ich lerne, Daphne. Außerdem, woher willst du wissen, ob ich mich nicht widersetzen kann?"

"Weil das nicht viele können", murmelte sie kleinlaut.

"Du vergisst, dass ich den Todesfluch überlebt habe! Da wird mir so ein kleiner Zauber wohl auch nichts anhaben, oder?", zischte Emilia sauer. Wenigstens von Daphne hatte sie Unterstützung erhofft, aber das musste sie diesmal wohl alleine durchstehen. Nervös sah sie sich ihre Vergänger an, von denen es aber niemand mehr schaffte. Dann endlich war sie dran. Darauf bedacht, möglichst selbstbewusst zu wirken, trat sie vor und sah ihren Professor mit festem Blick an. Dieser richtete seinen Zauberstab auf sie und sprach leise: "Imperio." Es war ein sehr seltsames Gefühl, wie als wäre sie in Watte gepackt worden. Sie nahm von außen her keine Geräusche, nur die Stimme von Moody, wahr. Außerdem fühlte sie sich glücklich, als hätte sie jemand von all ihren Sorgen befreit. Doch im Hinterkopf wusste sie, dass sie dem Drang widerstehen musste, zu tun, was der Professor befahl.

"Spring auf den Tisch." Sie hatte Mühe, ihren Körper so unter Kontrolle zu halten, dass sie eben dies nicht tat. Sie wollte nicht auf den Tisch springen, sondern dort stehen bleiben, wo sie war. Auf den Tisch zu springen wäre lächerlich, auch wenn es die anderen vor ihr ebenfalls gemacht hatten. Emilia wollte anders sein, nicht wie die anderen.
"Spring auf den Tisch." Moodys kalte Stimme drang leise zu ihr durch, doch sie widerstand dem Drang, sich jetzt sofort auf den Tisch zu stürzen. Wie angewurzelt blieb sie dort stehen, wo sie war, und bekam gar nicht mit, wie sie von allen mit großen Augen angesehen wurde. Daphne starrte ihre Freundin an, denn sie hätte nicht gedacht, dass diese tatsächlichen widerstehen konnte. Zwar hatte sie gesagt, sie hatte den Todesfluch überlebt und Daphne hatte auch ihre Narbe gesehen, doch so ganz überzeugt war sie erst jetzt.
Emilia kämpfte weiter. "Du weißt, es ist lächerlich auf den Tisch zu springen. Tu es nicht!" Die Stimme von Professor Snape drang in ihr Ohr, obwohl er nicht einmal im Raum war.
"Der Drang ist zu groß", rechtfertigte sich der Teil in Emilia, der verhext wurde.
"Nein! Du kannst dem widerstehen! Du bist stark genug!" Wieder Snapes Stimme. Emilia versuchte weiterhin, dem Drang zu widerstehen, auf diesen bescheuerten Tisch zu springen.
"Spring auf den Tisch!" Eindeutig Moodys Stimme. Gedämpft drang sie zu Emilia durch. Doch Emilia bekam langsam ihren Verstand und ihren eigenen Willen wieder, was bedeuten musste, dass der Fluch nachließ. Emilias Sicht klärte sich und sie sah zu Moody auf, der sie beeindruckt musterte.
"Dann stimmt es also? Du hast tatsächlich den -", fing Moody an, wurde jedoch von Emilia unterbrochen.
"Ja, habe ich. Und ich bin nicht stolz darauf, so etwas erlebt zu haben. Ich hätte darauf verzichten können", zischte sie so leise, dass es nur Moody hören konnte. Alle anderen waren einen Schritt zurück getreten und warfen ihr nun verwirrte Blicke zu. Emilia würde es ihnen aber nicht weiter erläutern. Sie wollte nicht über ihre Vergangenheit sprechen. Langsam lief sie auf Daphne zu, die sie bewundernd anstarrte. Auch Draco und Blaise hatte es die Sprache verschlagen.
"Nun, wenn keiner mehr will, beende ich den Unterricht für heute. Hausaufgabe: Schreiben sie zwei Pergamente über ihre erste Begegnung mit den Unverzeihlichen Flüchen", Moody besah alle Schüler noch einmal dringlich, dann machte er die Tür auf und sofort stürmten alle Schüler nach draußen.
"Potter und Callahan, Sie bleiben bitte kurz da", rief Moody über den Lärm hinweg. Emilia war gerade an der Tür angekommen und blieb wie angewurzelt stehen, als er ihren Namen sagte. Nicht schon wieder, fluchte sie. Wieso musste eigentlich immer sie zu ihm? Auch Potter war noch im Raum, saß allerdings an seinem Platz und musterte Moody neugierig. Emilia setzte sich auf einen Tisch in der ersten Reihe und sah Moody auffordernd an.
"Nun ... Sie beide waren die einzigen, die es geschafft haben, dem Imperius-Fluch zu widerstehen", fing er an. Wenn er Emilia wieder nach ihrer Vergangenheit befragen würde, würde sie ihn umbringen. Schlau bemerkt, dachte Emilia, verkniff jedoch, dies laut zu sagen.
"Miss Callahan, vom Ministerium habe ich erfahren, dass sie eine schreckliche Vergangenheit hinter sich haben."
"Nennen Sie es, wie Sie wollen, Professor", meinte Emilia leicht gelangweilt und angesäuert. Woher wusste er es!? Wussten es die anderen Lehrer auch? Und warum sprach er sie darauf an?  Wieso hatte das Ministerium ihm bereitwillig Auskunft erteilt?
"Sie fragen sich, wieso das Zaubereiministerium mir solche Informationen gibt", sagte Moody. "Sehr gut. Wissen Sie, ich bin ein guter Freund Ihres Vormunds."
Isabelle hatte Moody verraten, was sie erlebt hatte? Wie konnte sie das tun!? Emilia beschloss, ihren Vormund nachher einen Brief zu schreiben.
"Und? Wieso erzählen Sie mir das?", fragte Emilia.
Harry sog scharf die Luft ein. Er kannte es nicht, dass jemand so frech und unhöflich mit einem Lehrer redete. Aber was solls? Er wurde aus diesem Mädchen sowieso nicht schlau. Was hatte sie zu verbergen? Was wusste Moody über sie und wusste Dumbledore Bescheid?
Harry beschloss jedoch, die beiden erst einmal reden zu lassen und schwieg deshalb. Vielleicht würde er auch so heraus bekommen, was das Mädchen nun erlebt hatte.
"Laut Ihrer Geschichte, Miss Callahan, wurden Sie mit zwei der drei Unverzeihlichen Flüche belegt bevor Sie nach Hogwarts kamen. Das würde bedeuten, auch Sie haben den Todesfluch überlebt?", fragte Moody. Harry stutzte. Emilia sollte also den Todesfluch und den Folterfluch vor Hogwarts abbekommen haben? Wie hatte sie das überlebt? Und wieso wusste niemand davon? Und er dachte immer, er wäre der einzige, der den Fluch überlebt hatte.
"Ja und?", fragte Emilia. "Ich weiß, dass Harry der Junge ist, der überlebt hat. Das wird auch so bleiben. Ich werde nämlich niemandem sagen, was in meiner Vergangenheit passiert ist."
Moody nickte. "Sehr gute Idee. Wenn es jemand erfährt, der es nicht erfahren sollte, könnte das unangenehme Folgen wie den Tod haben." Geschockt starrte Harry zwischen Emilia und Moody hin und her. Wie konnte er so leichtfertig über den Tod reden?
"Ich weiß, Professor", seufzte Emilia. Danach herrschte Stille, die Emilia nutzte, um in Moodys Gedanken einzudringen. Als sie jedoch auf eine Barriere stieß, zog sie sich sofort aus dem Kopf des Professors zurück und sah Harry an. "Professor, können wir gehen?" Abwesend nickte Moody, sodass die zwei Schüler machten, dass sie wegkamen.
"Ich versteh gar nichts mehr", murmelte Potter, als sie das Zimmer verlassen hatten.
"Musst du auch nicht", antwortete Emilia kühl.
"Du hast also auch den Todesfluch überlebt? Hast du auch diese Träume?"
"Ja. Du meinst mit Voldemort und Wurmschwanz und so? Aber den Traum hatte ich, bevor ich von dem Todesfluch getroffen wurde."
"Wir hatten den gleichen Traum. Voldemort kommt zurück", sagte Potter leise. Wenn er wüsste, dachte Emilia. Sie überlegte erst, ob sie ihm sagen sollte, dass sie Voldemort begegnet war, ließ es dann aber doch bleiben. Also schwieg sie den Rest des Weges.
"Na dann ... hast du schon was vor? Oder willst du vielleicht mit zum See runter?", fragte Potter sie und blieb stehen.
"Mit wem zum See?", fragte Emilia argwöhnisch. Auf Hermine hatte sie nun wirklich keine Lust.
"Nur mit ein paar Gryffindors. Ron, Neville und mir", grinste Harry sie an. "Keine Hermine."
"Gut, dann komme ich mit", lächelte Emilia Potter leicht an, wurde dann aber gleich wieder ernst. Also gingen die beiden zusammen zum See, wo Ron schon ungeduldig auf seinen besten Freund wartete. Als er sah, wer ihn begleitete, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. Nie hätte er gedacht, dass Harry sich mit dem Mädchen anfreunden würde. Sie war meist arrogant, zickig und nervig. Noch dazu wurde man aus ihr einfach nicht schlau. George hatte immer noch ein Trauma von der Situation in der Eulerei.
"Wieso starrt mich dein Freund so erschrocken an?", fragte Emilia Potter argwöhnisch.
"Er hat nicht damit gerechnet, dass du mitkommst, denke ich. Er sieht dich als nerviges, kleines Biest", meinte Potter, biss sich jedoch gleich danach auf die Zunge. Der letzte Teil war gemein gewesen. "Sorry, so war das nicht gemeint."
"Dann zeig ich ihm Mal, was ein nerviges, kleines Biest mit ihm machen kann", sagte Emilia angriffslustig. Sie würde ihn extra viel beleidigen, und dann einen auf nett machen.
"Ronny-klein, schön dich zu sehen", Emilia setzte ihr strahlendstes Lächeln auf und näherte sich Weasley, der sie argwöhnisch beobachtete. Er hatte es sich auf einer Decke bequem gemacht, genau wie Neville neben ihm. Emilia setzte sich zu Neville auf die Decke, während Potter sich zu seinem besten Freund wagte.
"Longbottom! Ich bin stolz auf dich! Heute in Zaubertränke hast du mal keinen Kessel explodieren lassen!", meinte Emilia. Sie meinte es wirklich so. Zum ersten Mal hatte Longbottom keinen Punktabzug von Snape bekommen. Neville wurde leicht rot und drehte sich weg, damit Emilia es nicht sehen konnte. Doch sie konnte es sich ja denken.
"Ach ja, Moody hat uns ja vorhin alle reingerufen und danach hab uch sie gefragt, ob sie nicht mit mir kommen wollte... Ich hoffe, das ist okay für euch", sagte Harry und brach die unangenehme Stille zwischen ihnen.
"Ich finds okay", murmelte Neville und wurde schon wieder rot. Emilia lachte sich innerlich schlapp über den Kerl, naxh außen hin tat sie cool. "Ich finds -", fing Weasley an.
"Ronny-klein wird es sicher auch okay finden, schließlich bin ich nur ein nettes kleines Slytherin-Mädchen", unterbrach Emilia den Gryffindor und lächelte dabei unschuldig.
"Nett! Klein! Pah! Und nenn mich nicht Ronny-klein", schimpfte Weasley.
"Reg dich nicht so auf, Kleiner. Ich geb jedem einen hübschen Namen, der ihn verdient." Darüber musste er nun erstmal nachdenken, um die Beleidigung dahinter zu verstehen.
Emilia amüsierte sich prächtig mit den Gryffindors, vor allem, weil Weasley sich immer aufregte, wenn sie das Wort an ihn richtete. Auch Harry musste mehrere Male das Lachen unterdrücken.
Abends saß Emilia dann mit ihrer Freundin zusammen im Gemeinschaftsraum an den vielen Stapeln Hausaufgaben, die sie bis morgen machen mussten. Emilia kritzelte überall ein paar Wörter hin; ihr war es egal, ob es nun richtig war oder nicht. Nur Zaubertränke machte sie gewissenhaft, da es noch immer ihr Lieblingsfach war.
Wieso hatte sie eigentlich Snapes Stimme in ihrem Kopf gehabt, als sie vom Imperius-Fluch betroffen war? Es kam ihr komisch vor, wo er doch eigentlich nur ein Lehrer wie jeder andere auch war. Emilia würde ihn in ihrer nächsten Nachhilfestunde, also in zwei Wochen, mal danach fragen. Sie hatte sich im Fach Zaubertränke enorm verbessert in den letzten Wochen, sodass Snape ihr angeboten hatte, nur noch alle zwei Wochen eine Stunde zu machen. Außerdem würden in einer Woche die anderen Zauberschulen in Hogwarts eintreffen und das Trimagische Turnier, auf das sich jeder freute, würde beginnen. Genauer gesagt würden die anderen Schulen diesen Freitag eintreffen, weswegen sie auch früher Unterrichtsende hätten. Emilia freute sich wahnsinnig darauf, mal ein paar andere Leute kennen zu lernen, die dann auch noch aus einem anderen Land kamen wie sie. Sie war neugierig auf die anderen Zauberer.
"Emi?" Emilia wurde von Daphne aus ihren Gedanken gerissen.
"Hm? Sorry, war grad in Gedanken", murmelte Emilia.
"Ich hab dich gefragt, was da zwischen dir und Blaise läuft."
"Wie kommst du darauf, dass zwischen uns überhaupt etwas läuft?"
"Sagen wir, seit ihr miteinander geschlafen habt, seid ihr Freunde, wenn ich das richtig sehe. Aber manchmal... benehmt ihr euch wie so ein altes Ehepaar", erklärte Daphne.
"Und du glaubst, das liegt daran, dass wir verknallt sind und nicht vielleicht daran, dass wir einfach nur Spaß dabei haben?", erwiderte Emilia und blätterte in ihrem Geschichtsbuch um, obwohl sie die Seite nicht einmal gelesen hatte.
"So in etwa", biss sich Daphne auf die Lippe. "Also, was empfindest du für ihn?"
"Ich weiß nicht. Ich mag ihn ... und es fühlt sich richtig an, seine Hand zu halten und ich habe es genossen, dass wir miteinander geschlafen haben..."
"Schwerer Fall von Verliebtheit", grinste Daphne verschwörerisch.
"Kann sein. Aber er steht auf Granger", murmelte Emilia abwehrend.
"Tut er nicht! Er sieht die ganze Zeit nur dich an ..."
"Sicher? Na ich weiß ja nicht. Aber gut, ich werde mit ihm reden", meinte Emilia, damit das Thema endlich beendet war. "Und wie läufts mit Draco?"
"Was soll schon mit ihm laufen?"
"Du wolltest mit ihm reden, du Nuss!"
"Oh ja.. stimmt. Vergessen", grinste Daphne schelmisch. Emilia war klar, dass ihre Freundin es nicht vergessen hatte sondern sich nicht getraut hatte.
"Das holst du dann jetzt doch gleich mal nach", sagte Emilia fies grinsend. "Draco!", rief sie Malfoy dann zu, der gerade den Gemeinschaftsraum betreten hatte. Verwirrt kam er zu ihnen. "Was ist?", fragte er gelangweilt.
"Daphne will mit dir reden", Emilia nickte in Richtung ihrer Freundin und sah noch, wie Malfoy die Augenbrauen nach oben zog, Daphne aber trotzdem in eine versteckte Ecke folgte. Emilia wandte ihren Blick grinsend wieder ihren Büchern zu, fand es aber schon nach wenigen Minuten total langweilig. Also machte sie sich daran, ihrem Vormund einen Brief zu schreiben.

Hey Isabelle,

es gibt schlechte Neuigkeiten. Nein, nicht für mich. Aber für dich! Wieso um alles in der Welt hast du Moody von meiner Vergangenheit erzählt!? Er macht alles dafür, dass auch wirklich jeder hier in Hogwarts von meiner Vergangenheit erzählt! Er wollte es im Unterricht erwähnen, und Potter weiß auch schon davon. Nun ja, ich denke, ich habe dir genug Vorwürfe gemacht. Denk drüber nach!

Diese Woche am Freitag kommen schon die Leute aus den anderen Zauberschulen hier an, wegen dem Trimagischen Turnier, wie du sicher weißt. Ich freu mich schon drauf, die kennen zu lernen. Apropos, kommst du auch? Wenn ja, wann?

Mittlerweile habe ich mich schon mit einigen Leuten angefreundet, wie Daphne Greengrass, Draco Malfoy und Blaise Zabini. Die Mädchen aus Slytherin sind (fast) alle ganz nett. Mit den anderen Häusern komme ich nicht so klar, aber ich habe mich ein paar Mal mit Potter und Wiesel-Junior getroffen. Auch die nervigen Zwillinge habe ich leider schon kennen lernen dürfen.

Na ja, dann machs gut. Deine Emi

"An wen ist der Brief?", fragte auf einmal eine Stimme hinter Emilia. Blaise stand hinter ihr und hatte wohl, wie es aussah, den ganzen Brief gelesen. 

"An Isabelle, meinen Vormund", meinte sie dann nur und verstaute den Brief in ihrer Tasche. Da sie sowieso nichts zu tun hatte, konnte sie den Brief auch genauso gut jetzt zu ihrer Eule bringen. "Ich geh kurz in die Eulerei, willst du mit? Mit Malfoy kannst du gerade sowieso nichts anfangen." 

"Was ist denn mit Draco?", fragte Blaise mit hochgezogenen Augenbrauen. "Und ja, ich begleite dich."

"Schön", grinste Emilia. "Dein bester Freund unterzieht sich gerade einem Gespräch mit meiner besten Freundin."

"Worum gehts denn?", fragte Blaise neugierig.

Emilia boxte ihm gespielt entrüstet gegen die Schultern. "Das geht uns beide nichts an, glaube ich."

"Na gut", murmelte Blaise. "Du triffst dich also öfters mal mit Potter, ja?" Emilia meinte, in seiner Stimme Enttäuschung zu hören, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.

"Eifersüchtig?", fragte sie grinsend.

"Träum weiter."

"Jetzt bin ich traurig", Emilia zog eine Grimasse.

"Ohh arme kleine Emilia."

"Ich bin nicht klein! Nimm das zurück!"

"Hättest du wohl gern", grinste Blaise.

"Ja hätte ich wirklich gerne! Also los!", Emilia baute sich drohend vor ihm auf und blieb dort stehen. Blaise grinste nur und sah sie belustigt an.

"Was wird das? Wollten wir nicht in die Eulerei?"

"Doch doch. Na gut, dann komm. Ärger gibts später", Emilia streckte ihm die Zunge raus und lief rückwärts weiter, um ihn im Auge zu behalten. "Also das mit Potter, ja, es stimmt. Ich hab mich zweimal oder so mit ihm getroffen, aber nur, weil es lustig ist, die Gryffindors zu ärgern."

"Du triffst dich mit ihm, um ihn zu ärgern? Das könntest du auch, ohne ihn zu treffen."

"Schon, aber das wäre nur halb so witzig. Das eine Mal hat Granger mich eingeladen, also hab ich mich im Grunde genommen nicht einmal mit Potter getroffen. Und das andere Mal kamen Potter und ich von Moody und er hat mich gefragt."

"Der Typ steht auf dich, genau wie dieser Weasley", meinte Blaise.

"Glaubst du?", fragte Emilia. Die ganze Zeit schon glaubte sie, ihr Herz würde zerspringen, so laut wie es pochte. Sie war total aufgeregt und wusste nicht einmal warum.

"Ja, allerdings. Andererseits ... würden demnach jede Menge Typen auf dich stehen", überlegte Blaise.

"Hah! Gut gut, also einigen wir uns darauf, dass niemand auf mich steht", grinste Emilia ihren Freund an.

"Ganz bestimmt nicht", grinste auch Blaise. Emilia schüttelte belustigt den Kopf. Mit ihm zu diskutieren brachte nichts, weil man selbst nur verlieren konnte. Mittlerweile waren sie in der Eulerei angekommen und Emilia rief gleich ihre Eule Fly zu sich. Sanft streichelte sie sie und gab ihr einige Eulenkekse, dann richtete sie sich wieder auf und trat zurück zu Blaise, während ihre Eule davonflog.
Langsam ging Emilia zur Brüstung der Eulerei und schaute auf die Ländereien von Hogwarts, die von oben gesehen riesig wirkten.

"Wow", hauchte Emilia nur. "Ich wusste gar nicht, dass die Aussicht hier oben so schön ist."

"Doch, das ist sie", lächelte Blaise. Sie setzten sich nebeneinander an den Rand der Eulerei und schwiegen einige Zeit lang, bis es ihnen zu kalt wurde.

"Willst du mir nicht jetzt sagen, warum Daphne unbedingt mit Draco reden musste?", fragte Blaise ungeduldig, während sie gemächlich zum Gemeinschaftsraum zurückgingen.

"Nein, ich denke nicht, dass ich das will", grinste Emilia. "Du wirst hoffentlich gleich sehen."

"Na, da bin ich aber gespannt", meinte Blaise. "Dracula Specialis", murmelte Emilia leise das Passwort und schon wurde der Gang zum Gemeinschaftsraum freigegeben.

Daphne saß mit dem Rücken zum Eingang auf dem Sofa und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Schnell begab sich Emilia zu ihr und setzte sich neben sie. Blaise ging seinen besten Freund suchen.

"Und, wie wars?", fragte Emilia gleich. Daphne sah auf und grinste breit, was Emilia als Zeichen nahm, dass sie endlich mit Malfoy zusammen war. "Du bist mit ihm zusammen?", quickte Emilia glücklich und konnte nicht vermeiden, dass ihre Stimme einige Oktaven höher war als sonst.

"Ja", rief Daphne glücklich und fiel ihrer besten Freundin in die Arme. "Danke."

"Nichts zu danken", meinte Emilia strahlend. "Wo ist er grad?"

"Im Jungenschlafsaal, komm mit", Daphne erhob sich und zog Emilia hinter sich her zu Blaise und Malfoy, die tatsächlich in ihrem Zimmer standen und wild diskutierten.

"Was ist denn hier los?", fragte Emilia alarmiert. Blaise sah sie an und zuckte mit den Schultern, machte dann Platz für Daphne und ging aus dem Raum. Verwirrt sah Emilia ihrem besten Freund hinterher, ehe sie sich zu dem neuen Paar umwandte und feststellen musste, dass sie lieber gehen sollte. Während sich Daphne und Malfoy stürmisch küssten, lief Emilia wieder zurück in ihren Schlafsaal, wo sich die anderen schon schlafen gelegt hatten.

Am Freitag war es dann endlich soweit. Die anderen Zauberschulen würden in Hogwarts ankommen. Aufgeregt versammelten sich alle Schüler, nachdem der Unterricht eine halbe Stunde früher geendet hatte, draußen vor dem Schloss. Es war bereits Abend, der Mond wirkte blass und durchsichtig und die Schüler sahen alle erwartungsvoll in den Himmel. Emilia stand mit Blaise zusammen bei einigen Ravenclaws, die wild darüber spekulierten, wie die Delegationen nun nach Hogwarts kommen würden. Emilias Freundin stand mit ihrem Freund etwas abseits bei den Slytherins, die eher gelangweilt als aufgeregt wirkten. Emilia war durchaus aufgeregt und vor allem gespannt auf die anderen Schüler. Um kurz vor sechs fingen dann auch die Slytherins so langsam an, wilde Theorien auszutauschen.

"Weißt du, wie die hier her kommen werden? Mit dem Zug?", fragte Emilia, ohne ihren Blick vom Himmel abzuwenden.

"Glaube ich kaum ... Das wäre viel zu aufwendig", antwortete Blaise. "Sieh mal, Snape beobachtet uns."

"Was!? Wieso beobachtet uns der Idiot?"

"Gute Frage. Ist dir schon mal aufgefallen, dass er dich eigentlich dauernd beobachtet? Und er lobt sich jedes Mal im Unterricht!"

"Und er steht immer hinter mir und verteidigt mich", murmelte Emilia. "Kannst du dich noch an Moodys Unterricht erinnern? Wo er uns mit dem Imperius-Fluch belegt hat? Ich ... in meinem Kopf habe ich so eine Stimme gehört - Snapes Stimme - und nur wegen der habe ich glaube ich dem Fluch widerstanden."

"Ist das normal, bei so einem Fluch die Stimme eines anderen Menschen zu hören?", fragte Blaise mit großen Augen und sah Emilia in die Augen. Diese schüttelte den Kopf, ohne ihren Blick von Blaise zu nehmen. In seinen Augen konnte sie sich immer so schnell verlieren. Er hatte so wunderschöne Augen. Blaise, dem es anscheinend ebenso ging, kam mit dem Gesicht immer näher. Emilias Herz raste und sie glaubte schon, er würde es hören.

Doch noch bevor Blaise sie küssen konnte, wurden sie durch den lauten Jubel der ganzen Schule unterbrochen. Verwirrt sahen die beiden dorthin, wo die anderen mit ihren Fingern zeigten. Eine riesige Kutsche näherte sich ihnen fliegend, die von etwa einem Dutzend Pferden gezogen wurde. Seufzend besah sich Emilia das Spektakel, konnte dem aber nicht viel abgewinnen. Die graublaue Kutsche, so groß wie ein Haus, näherte sich quälend langsam dem Hogwarts Gelände. Als sie zum Landen ansetzte, wichen die ersten drei Schülerreihen zurück, sodass jemand Emilia auf den Fuß trat und sie sauer zurückschlug. Ihren Vordermann schien das jedoch nicht zu interessieren, er war viel zu begeistert von der fliegenden Kutsche. Kopfschüttelnd beobachtete Emilia, wie eine ziemlich groß gewachsene Frau gerade über eine Treppe aus der Kutsche stieg. Zumindest war jetzt klar, wieso die Kutsche so riesig war, dachte Emilia. Die Frau hatte ein hübsches, olivfarbenes Gesicht, große, schwarze, feucht schimmernde Augen und eine schnabelähnliche Nase. Ihr Haar war im Nacken zu einem glänzenden Knoten zusammen gebunden. Sie war von Kopf bis Fuß in schwarzen Satin gekleidet und an Hals und Händen glitten viele prächtige Opale.

Als Dumbledore zu klatschen anfing, begann auch die Schule zu klatschen. Nur die Slytherins schienen nicht begeistert genug, um zu klatschen und auch Emilia hielt es für unnötig. Die Frau lächelte und streckte Dumbledore die Hand aus. Er selbst war auch nicht gerade klein, doch auch er musste sich ein wenig recken, um die Frau auf die Wange küssen zu können.

"Meine liebe Madame Maxime", sprach Dumbledore. "Willkommen in Hogwarts."

"Dumbledorrr", sagte Madame Maxime, die offensichtlich von Beauxbatons kam. "Isch 'offe, Sie befinden sisch wohl?"

"In exzellenter Verfassung, danke, Madame", meinte Dumbledore. Emilia sah, wie nach der Französin noch andere Leute, Jungs und Mädchen, aus der Kutsche kletterten - alle waren ältere Schüler - und sich nun hinter ihrer Schulleiterin aufstellten. Sie froren und bibberten, was angesichts ihrer feinseidenen Umhänge nicht überraschte. Einige wenige hatten sich Schals und Tücher um den Hals und den Kopf geschlungen, sodass ihnen nicht mehr ganz so kalt war. In Frankreich schien es um diese Jahreszeit also noch bedeutend wärmer zu sein als in Hogwarts.

"Ist Karkaroff schon angekommen?", fragte Madame Maxime, nachdem ihre Schüler sich alle hinter ihr versammelt hatten. Die meisten standen nun im Schatten ihrer Schulleiterin, sodass Emilia die Gesichter nicht erkennen konnte.

"Er sollte jeden Moment eintreffen", sagte Dumbledore. "Möchten Sie vielleicht hier warten und ihn begrüßen oder würden Sie lieber hineingehen und sich ein wenig aufwärmen?

"Aufwärmen, würde isch sagen", sagte Madame Maxime. "Aber die 'ferde-" Danach hörte Emilia den beiden nicht mehr zu, sie fand das Gespräch nicht ganz so interessant wie die Gespräche ihrer Mitschüler.

"Die ist riesig -"

"Ich wette, die ist 'nen Riese."

"Aber die Mädchen in ihren dünnen Sachen sind schon heiß -" Emilia schüttelte den Kopf, weil die Jungs immer solche primitiven Sachen dachten.

"Glaubst du, Durmstrang kommt genauso hier an, Emi?", fragte Blaise.

"Nein, ich denke, die werden anders kommen. Vielleicht mit einem richtigen Schiff oder so ...", murmelte Emilia. Vor ihnen lag schließlich ein großer See mit Verbindung zum Ozean. Emilia fror so langsam, auch wenn sie sich extra dick angezogen hatte. Und wie es schien, ging es nicht nur ihr so, denn auch einige andere, ältere Schüler traten schon wieder den Weg ins Schloss an. Auch sie wollte sich gerade umwenden, als sie plötzlich etwas aus dem Wasser kommen sah. Es sah aus wie ein riesiger Mast von einem Schiff, das nach und nach immer weiter aus dem See kam, bis es sich majestätisch auf dem See bewegte. Aus den vielen Bullaugen konnte man vages Licht erkennen. Einige Minuten später blieb das große Schiff am Ufer liegen und heraus kamen große Gestalten, die eine ähnliche Statur wie zwei Slytherins aus Emilias Jahrgang hatten. Alle sahen sie aus wie riesige Muskelpakete, doch bei näherem Betrachten fiel Emilia auf, dass sie lediglich alle dicke, pelzige Mäntel trugen. Der Mann, der ganz vorne lief, musste demnach dann wohl Karkaroff, der Schulleiter von Durmstrang sein.

"Dumbledore!", rief er mit Inbrunst, als er fast bei Dumbledore angekommen war. "wie gehts Ihnen, altes Haus, wie gehts?"

"Glänzend, danke, Professor Karkaroff", sagte Dumbledore höflich. Karkaroff hatte eine sonore, ölige Stimme; als er in das Licht trat, das aus dem Schlossportal fiel, sah man, dass er groß und schlank war wie Dumbledore, doch sein weißes Haar war kurz und sein Spitzbart (der in einem Gekräusel endete) konnte sein fliehendes Kinn nicht ganz verbergen. Er lief aufgeregt zu Dumbledore und gab ihm beide Hände.

"Das gute alte Hogwarts", sagte er und sah lächelnd hoch zum Schloss; seine Zähne waren ziemlich gelb. Seine Augen blieben - trotz des Lächelns - kalt und scharf. "Wie schön, wieder hier zu sein, wie schön ... Viktor, komm rein in die Wärme ... Sie haben nichts dagegen, Dumbledore? Viktor hat einen leichten Schnupfen ...."

"Das ist Krum!", rief Emilia laut, sodass es die halbe Schule hörte. Sofort begannen alle, wild darüber zu tuscheln und auf den jungen Mann zu zeigen, der tatsächlich wie Viktor Krum aussah. Wahrscheinlich wollte er nicht nur beim Quidditch Ruhm einheimsen, sondern auch beim Trimagischen Turnier.

Der Feuerkelch

"Glaubst du, der will wirklich nur all den Ruhm einheimsen?", fragte Emilia ihren besten Freund, als sie sich mit den anderen Hogwarts-Schülern hinter Durmstrang einreihten und ihnen dann nach oben ins Schloss folgten.

"Bestimmt", murmelte Blaise. "Wer sonst ist so verrückt, bei dem Turnier mitzumachen?"

"Gute Frage. Wüsste ich auch gern", sagte Emilia. "Daphne und Malfoy sind soo süß zusammen!"

"Oh bitte! Du nicht auch noch! Gibt es auch noch ein anderes Thema als die beiden? Reicht es nicht, wenn die ganze Schule drüber spricht?"

"Tschuldigung", kicherte Emilia. "Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern!"

Blaise schüttelte gespielt enttäuscht seinen Kopf und nahm Emilias Hand. Verunsichert starrte diese ihre beiden verschlungenen Hände an und grinste dann. "Du meinst es also wirklich ernst?", flüsterte sie ihm ins Ohr, während sie den anderen Hogwarts-Schülern etwas abseits folgten. Blaise schluckte leicht, nickte aber ergeben.

"Ist das Krum, der da wartet?", fragte Blaise dann auf einmal. Emilia wandte den Blick von ihrem besten Freund und sah nach vorne, wo Krum tatsächlich stehen blieb. Auf wen er wohl wartete? Die Frage beantwortete sich im nächsten Moment von selbst, denn Krum sprach sie beide an: "Emilia?", fragte er etwas schüchtern.

"Ja?", fragte die Angesprochene argwöhnisch.

"Du bist es!", lächelte Krum sie an. "Erinnerst du dich noch an dein Jahr in Durmstrang? Deine beste Freundin Marie war mal mit mir zusammen."

"Wirklich?", fragte Emilia. "Tut mir Leid, ich erinner mich nicht mehr ... man hat mir meine ganze Erinnerung an mein früheres Leben genommen ... Weißt du vielleicht, wie ich davor hieß?"

"Emilia Evans, glaube ich, ja, ich bin mir sicher", antwortete Viktor. "Aber Marie - sie ist auch hier - vielleicht kann sie dir mehr zu dir sagen, immerhin wart ihr beste Freunde."

"Danke, Viktor ... aber das muss ich erst einmal verdauen. Ich werde dich in den nächsten Tagen mal besuchen kommen - wenn das okay ist - dann kann ich auch gleich mit Marie reden", meinte Emilia geschockt. Sie wusste ihren Nachnamen! Und sie hatte endlich jemanden gefunden, der sie früher gekannt hatte. Also würde sie endlich einen Teil ihres Lebens, ihrer Persönlichkeit, zurück erlangen.

"Natürlich, ich werde ihr sagen, ich habe dich gefunden", sagte Viktor, dann verabschiedete er sich und ging zu seinen Leuten zurück. Emilia blieb geschockt  stehen und starrte auf den Boden, wo eben noch Krum gestanden hatte.

"Was war das denn gerade? Wieso hast du nie erzählt, dass du keine Erinnerung mehr hast?", fragte Blaise leise und strich ihr sanft über den Rücken.

"Ich wollte damit abschließen! Ich wollte mit allem Erlebten abschließen. Ich wolllte nicht dauernd daran erinnert werden, was man mit mir gemacht hat. Ich dachte, wenn jeder wüsste, was mit mir passiert ist, würden die Leute nur aus Mitleid mit mir befreundet sein", schluchzte Emilia, drehte sich ruckartig um und fiel ihrem besten Freund in die Arme. Dieser hatte seine Freundin noch sie so aufgelöst gesehen und vor allem war es neu für ihn, dass sie Schwäche zeigte.

"Es ist okay", beruhigte Blaise sie und strich ihr immer wieder beruhigend über den Rücken. Sie waren jetzt alleine draußen, vermutlich hatte das Fest in der Großen Halle schon angefangen. Langsam versiegten Emilias Tränen und sie wischte sich notdürftig das Gesicht ab. Dann straffte sie ihre Schultern und sah ihrem besten Freund in die Augen. Sie wollte ihn küssen, sagte sich aber, dass dies der falsche Augenblick war.

"Gehen wir zu den anderen", versuchte sie mit fester Stimme zu sagen, doch ihre Stimme war ungewohnt leise. Blaise nickte und nahm ihre Hand in seine, dann gingen die beiden Hand in Hand in die Große Halle, wo alle Köpfe ruckartig zu ihnen herumfuhren. Emilia, die noch immer etwas verweint aussah, versteckte sich hinter Blaise. Schnell nahmen sie ihren Platz am Slytherin-Tisch ein, wo auch Krum und seine Mitschüler saßen. Krum sah Emilia mit großen Augen an, sagte jedoch nichts zu ihrem Aussehen.

Dumbledore hatte offenbar noch nicht mit seiner Rede angefangen, denn er stand noch vor Madame Maxime und unterhielt sich mit ihr. Beauxbatons hatte es sich am Ravenclaw-Tisch gemütlich gemacht, wo sie Emilias Meinung nach auch am besten hinpassten. Einige von ihnen hatten noch immer Schals um den Kopf gewickelt, obwohl es doch in der Großen Halle gar nicht mehr so kalt war. Im Gegenteil: Dort erschien es eher wohlig warm. Malfoy unterhielt sich gerade mit Krum, während Blaise seine beste Freundin besorgt musterte.

Dann stellte sich Dumbledore vorne auf das Podest und bat um Ruhe. Dann, als es leise geworden war, fing er an zu reden: "Guten Abend, meine Damen und Herren, Geister und vor allem Gäste. Ich habe das große Vergnügen, Sie alle in Hogwarts willkommen zu heißen. Ich bin sicher, dass Sie eine angenehme und vergnügliche Zeit an unserer Schule verbringen werden."

Eines der Mädchen aus Beauxbatons, das immer noch einen Schal um den Kopf geschlungen hatte, lachte spöttisch.

Dumbledore überhörte dies geschwindt und redete einfach unbeirrt weiter: "Das Turnier wird nach dem Festessen offiziell eröffnet. Nun lade ich alle ein, zu essen, zu trinken und sich wie zu Hause zu fühlen!" Er setzte sich und wurde fast sogleich von Karkaroff in ein Gespräch verwickelt.

"Also, willst du über deine Vergangenheit reden?", fragte Blaise, nachdem er sich etwas zu essen auf den Teller gepackt hatte.

Emilia schüttelte den Kopf. "Nein. Aber ich werde es dir nachher erzählen, im Raum der Wünsche. Es darf niemand sonst erfahren!", sagte sie eindringlich.

"Natürlich", grinste Blaise. "Mein Mund ist fest versiegelt."

"Wirklich?", fragte Emilia lächelnd. "Kannst du also nicht mehr küssen?"

"Probiers doch aus." Gesagt, getan. Langsam beugte sich Emilia nach vorne und sah ihrem besten Freund in die Augen. Schon wieder verlor sie sich in ihnen und konnte ihren Blick nicht mehr abwenden. Dann endlich lagen ihre Lippen auf seinen und die Welt um sie herum verschwand. Es gab nur sie, Blaise und diesen Kuss. Alles andere war ihr in dem Moment völlig egal. Doch der Kuss dauerte ihrer Meinung nach viel zu kurz, ehe sich Blaise grinsend zurückzog.

"Du bist fies", maulte Emilia und schlug ihm gespielt wütend gegen die Schulter.

"Au!"

"Memme", grinste Emilia und tat sich etwas zu essen drauf. "Muss ich jetzt bis nach dem Fest warten, bis ich dich küssen darf?"

"Ja, immerhin sind hier Lehrer anwesend."

"Das ist mir ja eigentlich egal ...", sagte Emilia herausfordernd.

"Ja, du legst dich auch mit jedem Lehrer an", lachte Blaise.

"Pah! Gar nicht! Mit McGonagall hab ich mich noch nie angelegt!"

"Stimmt, eine Ausnahme", grinste Blaise. "Sieh mal, Crouch und Bagman, was die wohl hier wollen? Und wer ist die Frau?" Blaise zeigte zu Dumbledore, wo tatsächlich Bagman stand, zusammen mit Isabelle Callahan.
"Das ist Isabelle Callahan. Ich habe bei ihr für ein paar Tage gewohnt", erklärte Emilia ihrem Freund. "Und ich weiß nur, dass Crouch wohl das Ganze hier organisiert hat, also das Trimagische Turnier, und da kann ich verstehen, wenn er dann dabei sein möchte."
"Ich hab ihn mir immer anders vorgestellt, ehrlich gesagt. Irgendwie besser aussehend oder so ... Allerdings ist die Frau schon ziemlich heiß -" Emilia ließ ihren Freund nicht ausreden, sondern schlug ihm sanft auf den Arm.
"Au! Wofür war das denn?", fragte Blaise und rieb sich den Arm.
"Dafür, dass du Isabelle heiß findest", erklärte Emilia ihm.
"Darf ich das nicht?", fragte Blaise.
"Nein!"
"Wieso nicht?"
"Du sollst keine anderen Frauen ansehen, wenn du 'ne Freundin hast, du Nuss!", zischte Emilia leise.
"Wir sind zusammen?", fragte Blaise und in seinen Augen konnte sie ein Funkeln ausmachen.
"Ich denke schon", murmelte Emilia. Blaise grinste seine Freundin an und nahm ihre Hand.
"Natürlixh musst du jetzt deine Privilegien als mein Freund wieder ausnutzen", stellte Emilia belustigt fest.
"Oh ich hab Privilegien? Was denn zum Beispiel?"
"Finde es heraus", antwortete Emilia nur und grinste, als sie feststellte, dass ihr Freund sie traurig ansah.
Belustigt schüttelte sie den Kopf und wandte ihren Blick dann zum Lehrertisch nach oben. Snape starrte,  wie immer, zu ihr mit seinen undurchdringlichen Blick. Er musterte sie kalt, während er wiederrum von McGonagall und anderen umsitzenden Lehrern betrachtet wurde. Dumbledore beendete gerade das Gespräch mit Karkaroff und erhob sich.
Die drei Neuankömmlinge hatten derweil Platz genommen.

"Der Augenblick ist gekommen", rief Dumbledore. "Das Trimagische Turnier kann nun beginnen. Ich möchte einige erläuternde Worte sagen, bevor wir die Truhe hereinbringen -" Lautes Genuschel war von allen Seiten zu hören. "- nur um unser diesjähriges Verhalten zu erklären. Doch jenen, die sie noch nicht kennen, möchte ich zunächst Mr Bartemius Crouch vorstellen, Leiter der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit, und Ludo Bagman, den Leiter der Abteilung für Magische Spiele und Sportarten. Und hier noch - zu meiner Linken - Isabelle Callahan, die Sekretärin von Mr Crouch." Für Bagman und Callahan gab es deutlich mehr Beifall als für Crouch, vielleicht weil Bagman mal ein bekannter Qidditch-Treiber gewesen war, oder weil er einfach sympathischer wirkte als Crouch.

"Mr Bagman und Mr Crouch haben in den vergangenen Monaten unermüdlich für die Vorbereitung des Trimagischen Turniers gearbeitet", fuhr Dumbledore fort, "und sie werden neben mir, Professor Karkaroff und Madame Maxime die Jury bilden, die über die Leistungen der Champions befindet." Bei der Erwähnung der Champions schien das Publikum plötzlich aufzumerken. Dumbledore war das auch nicht entgangen, denn er redete mit einem Lächeln auf den Lippen weiter: "Wenn ich bitten darf, Mr Filch, die Truhe."

Filch, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, kam aus seiner dunklen Ecke und trat auf Dumbledore zu, in den Händen eine große, mit Juwelen besetzte Holztruhe. Emilias Nachbarn begannen aufgeregt und neugierig zu diskutieren, was jetzt wohl kommen würde.

"Mr Crouch und Mr Bagman haben die Aufgaben, die die Champions dieses Jahr lösen müssen, bereits geprüft", erklärte Dumbledore, während Filch die Truhe vorsichtig auf den Tisch stellte. "Und sie haben die notwendigen Vorbereitungen für diese Herausforderungen getroffen. Wir haben drei Aufgaben über das ganze Schuljahr verteilt, die das Können der Champions auf die Probe stellen ... ihr magisches Können - ihre Kühnheit - ihre Fähigkeit zum logischen Denken - und natürlich ihre Gewandtheit im Umgang mit Gefahren." Bei den Worten legte sich Stille über die Halle. Keiner wagte mehr, etwas zu sagen, sie hingen alle viel zu sehr an Dumbledores Worten. "Wie ihr wisst, kämpfen im Turnier drei Champions gegeneinander", fuhr Dumbledore fort, "von jeder teilnehmenden Schule einer. Wir werden benoten, wie gut sie die einzelnen Aufgaben lösen, und der Champion mit der höchsten Punktzahl nach drei Aufgaben gewinnt den Trimagischen Pokal. Ein unparteiischer Richter wird die Champions auswählen ... der Feuerkelch."
Dumbledore zog seinen Zauberstab aus einer von seinen vielen Taschen und schlug dreimal sachte auf den Deckel der Truhe. Langsam und knarrend öffnete er sich. Dumbledore steckte die Hand hinein und zog einen großen, grob geschnitzten Holzkelch heraus. Er selbst war nicht weiter bemerkenswert, doch er war bis an den Rand gefüllt mit tänzelnden blauweißen Flammen. Dumbledore schloss die Truhe und stellte den Kelch vorsichtig auf den Deckel, wo ihn alle sehen konnten.
"Jeder, der sich als Champion bewerben will, muss seinen Namen und seine Schule in klarer Schrift auf einen Pergamentzettel schreiben und ihn in den Kelch werfen", erklärte Dumbledore. "Wer mitmachen will, hat vierundzwanzig Stunden Zeit, um seinen Namen einzuwerfen. Morgen Nacht, an Halloween, wird der Kelch die Namen jener drei preisgeben, die nach seinem Urteil die würdigsten Vertreter ihrer Schulen sind. Der Kelch wird noch heute Abend in der Eingangshalle aufgestellt, wo er für alle, die teilnehmen wollen, frei zugänglich ist. Um sicherzustellen, dass keine minderjährigen Schüler der Versuchung unterliegen", ergänzte Dumbledore, "werde ich eine Alterslinie um den Feuerkelch ziehen, sobald er in der Eingangshalle aufgestellt ist. Niemand unter siebzehn wird diese Linie überschreiten können. Schließlich mòchte ich allen, die teilnehmen wollen, eindringlich nahe legen, mit ihrer Entscheidung nicht leichtfertig umzugehen. Sobald der Feuerkelch einen Champion bestimmt hat, wird er oder sie das Turnier bis zum Ende durchstehen müssen. Wenn ihr euren Namen in den Kelch werft, schließt ihr einen bindenden Vertrag. Wenn ihr einmal Champion seid, könnt ihr euch nicht plözlich anders entsinnen. Überlegt daher genau, ob ihr von ganzem Herzen zum Spiel bereit seid, bevor ihr euren Zettel in den Kelch werft. Nun, denke ich, ist es Zeit schlafen zu gehen. Gute Nacht euch allen!"
"Dumbledore glaubt doch nicht im Ernst, dass man eine Alterslinie nicht austricksen kann?", fragte Emilia geschockt.
"Er wird schon wissen, was er tut", meinte Blaise, der Dumbledore nicht sehr gut leiden konnte. Genau wie Draco hatte er Vorurteile.
"Emilia? Bist du es wirklich?", fragte ein blondes, großgewachsenes Mädchen hinter Emilia.
"Ja, kommt drauf an, wer ich wirklich sein sollte", erwiderte Emilia, erhob sich und musterte das Mädchen. Bilder blitzen vor ihrem inneren Auge auf. Sie, Emilia, in Durmstrang, zusammen mit ihrer besten Freundin, Marie, dem Mädchen, das vor ihr stand. Sie war die ExFreundin von Krum. Auf einem Bild  hielten die beiden Händchen, da waren sie noch ein Paar gewesen. Auf dem nächsten waren nur Emilia, Marie und ein anderes Mädchen, das genau wie Emilia aussah.
"Marie?", fragte Emilia leise. Ihr Gegenüber nickte und umarmte ihre wiedergefundene Freundin fest. Nach einiger Zeit ließ Marie von ihr ab und musterte sie.
"Deine Schwester hat sich furchtbare Sorgen um dich gemacht, als du weg warst! Wo warst du überhaupt? Und wieso wusste niemand, wo du bist? Ich hab mir solche Sorgen gemacht!", sprudelte Marie auch schon los.
Emilia schüttelte nur den Kopf. "Wollen wir noch kurz zum See und uns dort unterhalten?" Marie nickte. "Blaise, ist das okay für dich?", fragte sie ihren Freund.
"Natürlich, geh nur. Wir reden später", hauchte er und drückte Emilia noch einen kurzen Kuss auf die Lippen, ehe er sich Richtung Gemeinschaftsraum aufmachte.
"Dein Freund?", fragte Marie. Emilia nickte.
"Nicht sehr gesprächig heute, was? Du hast auch schon mal mehr geredet ..."
"Tut mir Leid. Es ist nur ... Ich bin vor ein paar Monaten aufgewacht und hatte keinerlei Erinnerung an irgendwas ... Heute taucht Krum auf, sagt mir, er kennt mich und dass du mich sprechen willst ... Das ist einfach ein bisschen viel", murmelte Emilia.
"Oh das wusste ich nicht. Du weißt wirklich gar nichts mehr aus deiner Vergangenheit?"
"Nein, alles weg. Immerhin kenn ich dich noch, obwohl ich zugeben muss, wäre Krum nicht dagewesen, hätte ich nicht mal deinen Namen gewusst", erklärte Emilia. "Setzen wir uns." Sie waren gerade am Ufer des Sees angekommen. Emilia setzte sich auf einen großen Stein, Marie neben ihr.
"Dein Leben ist echt eigenartig, weißt du das?", fragte Marie. "Im zweiten Jahr in Durmstrang kamst du zu uns an die Schule, mit keiner Erinnerung. Und am Anfang des vierten Jahres tauchst du einfach nicht mehr auf. Wir alle haben uns gefragt, ob du vielleicht die Schule gewechselt hast, aber die Lehrer sagten, nicht einmal sie wüssten etwas. Sie haben das dem Ministerium  auch gemeldet und die haben dann nach dir gesucht. Jetzt ist mir auch klar, wieso dich niemand gefunden hat."
"Mir auch. Eure Lehrer haben das wohl nicht dem britischen Ministerium gemeldet. Außerdem kannte ich ja nicht einmal meinen Nachnamen, also konnte mich niemand finden", murmelte Emilia. "Erzähl mal was zu meiner Familie. Hab ich Eltern, Geschwister?"
"Ja, du hast eine Zwillingsschwester", grinste Marie. "Emily heißt sie, ist auch hier, aber ich glaube, sie ist auf dem Schiff geblieben."
"Kannst du ihr ausrichten, dass ich sie sehen will?", fragte Emilia.
"Natürlich, mach ich. Also von deinen Eltern weiß ich nichts, aber ich glaube deine Mum hieß Scarlett Avens."
"Nicht Evans?"
"Nein, Avens. Ganz sicher. So ist nämlich auch dein Nachname."
"Okay. Wie war ich früher so? Nett? Oder fies? Und wie waren meine Noten?", fragte Emilia.
"Deine Noten waren immer sehr gut, also du hast immer ein Ohnegleichen gehabt, egal in welchem Fach. Und es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber du warst früher arrogant, sehr von dir selbst überzeugt, schlagfertig und ich denke, die halbe Schule konnte dich nicht leiden", sagte Marie. "Dafür hattest du aber auch viele sehr gute Freunde."
"Und ja, die Eigenschaften habe ich alle noxh nicht abgelegt. Ich denke, auch hier mag mich die Hälfte der Schule nicht", grinste Emilia. "Wann genau wurde ich das letzte Mal gesehen, bevor ich verschwand?"
"In der Kutsche nach Hause hab ich dich zuletzt gesehen. Also vor den Ferien."
"Gut ... moment. Also ich war auf der Quidditchweltmeisterschaft, davor lag ich einige Tage lang im Krankenhaus und davor war ich bei irgendjemandem. Gut, fehlen mir noch circa vier Wochen in meiner Erinnerung", überlegte Emilia laut.
"Die werden wir auch noch zurück bekommen", sagte Marie zuversichtlich. "Aber ehm ... ich habe dir öfters Eulen geschickt, wieso sind die nie angekommen?"
"Gute Frage ... Ich denke, in der Bibliothek könnten wir die Antwort finden."
"Dann suchen wir morgen?", fragte Marie.
Emilia schüttelte den Kopf. "Morgen muss ich erst mit meiner Schwester reden. Übermorgen?"
"Einverstanden", grinste Marie. "Ich muss zum Schiff zurück, sonst flippt Karkaroff noch aus."
"Okay, wir sehen uns übermorgen nach dem Unterricht in der Bibliothek", beschloss Emilia.
"Ich werde da sein", sagte Marie leise und erhob sich. Auch Emilia wollte zurück ins Schloss gehen und erhob sich ebenfalls. Marie umarmte ihre Freundin noch einmal, dann ging sie zum Schiff zurück.
Emilia stand noch einige Minuten dort herum, dann fiel ihr ein, dass sie ja noch mit Blaise reden wollte. Eilig lief sie zurück ins Schloss und suchte nach ihrem Freund, den sie im Gemeinschaftsraum bei seinen Freunden endlich fand.
"Blaise, wir müssen reden", hustete Emilia leise, da sie noch zu Atem kommen musste.
Blaise nickte und zog sie mit in sein Schlafsaal, der um diese Zeit leer war. Dann schloss er die Tür hinter sich ab und setzte sich neben Emilia aufs Bett.
"Was ist los?", fragte er unsicher.
"Du wolltest mehr zu meiner Vergangenheit wissen", sagte Emilia mit belegter Stimme. "Ich erzähls dir." Sie holte tief Luft und seufzte einmal kurz. "Kurz vor der Weltmeisterschaft bin ich aufgewacht, in einem Kerker. Jemand - oder vielmehr ETWAS - hat mich gefangen genommen. Es war Voldemort, aber er war kein Mensch mehr. Er war klein, sah eklig aus und überhaupt kein bisschen wie ein Mensch. Widerlich. Jedenfalls wollte er immer wieder wissen, wer ich bin und ich konnte es ihm nie sagen ... weil ich keine Erinnerungen hatte. Er hat mich gefoltert, und dann beinahe umgebracht", Emilias Stimme war immer leiser geworden, bis sie irgendwann die Tränen unterdrücken musste. Blaise nahm sie in den Arm.
"Du wurdest mit zwei Unverzeihlichen Flüchen belegt?", fragte er entsetzt.
Emilia nickte. "Nun, ich bin im Krankenhaus aufgewacht und musste feststellen, dass ich nicht einmal tot war. Dann wurde Isabelle Callahan mein Vormund und ich verdrängte alles, was passiert war. Bis heute."
Emilia holte noch einmal tief Luft. "Von Marie, meiner ehemaligen besten Freundin, hab ich erfahren, dass ich das zweite und dritte Jahr in Durmstrang gemacht habe, dann aber wie vom Erdboden verschwunden war. Niemand konnte mich finden. Und vor Durmstrang weiß ich immer noch nichts. Außerdem hab ixh eine Zwillingsschwester, auch sie ist hier in Hogwarts im Moment."
"Hast du sie schon kennen gelernt? Vielleicht kann sie dir sagen, was vor Durmstrang war", schlug Blaise vor.
"Ja, ich rede morgen mit ihr."

*Emilys Pov*
Emily ging in ihrer Kajüte auf dem Schiff nervös auf und ab. Ja, sie war die einzige, die noch auf dem Schiff war. Die einzige, die nicht mit nach oben durfte. Sie hatte die Regeln gebrochen und ihrem Feind, einer gewissen Rebecca, einen Streich gespielt. Wirklich harmlos. Waren nur Spinnen in ihrem Bett. Spinnen, weil Rebecca Angst vor kleinen, fiesen Spinnen hatte. Das sollte ihr mal eine Lektion sein. Niemand legte sich mit Emily an. Schon gar nicht Rebecca.
Nun ja, jedenfalls hatte Karkaroff beschlossen, Emily nun einzusperren, aber immerhin nur für einen Tag. Morgen dürfte sie wieder runter vom Schiff und dann würde sie sich im großartigen Hogwarts umsehen. Sie hatte viel von dieser Schule gehört - es sollte eine der besten sein. Wie gern Emily ebenfalls dorthin gehen würde, aber die Vormundschafts für sie trug nun mal  der Staat Bulgarien und da war nunmal Durmstrang die näheste Schule. Sie mochte Durmstrang und sie kam auch gut mit den Leuten aus - zwar nur, weil alle Respekt vor ihr hatten, aber immerhin. Das war, was sie ihr ganzes Leben lang haben wollte. Respektiert werden.
Unruhig lief sie in ihren Zimmer auf und ab. Sie hatte ein seltsames Gefühl, das früher dagewesen war, als sie bei ihrer Schwester war. War ihe Schwester hier? Konnte das sein? Hoffnungsvoll schlug Emily die Tür auf und trat auf den Gang. Niemand zu sehen. Also konnte sie noch beruhigt das Schiff verlassen. Aufgeregt rannte sie vom Schiff in Richtung Schloss, welches weit in den Himmel aufragte. So groß und si eindrucksvoll war Durmstrang nicht. Hogwarts schien um einiges  größer zu sein. Mit schnellen Schritten rannte sie, ohne aufzupassen wohin. Marie kam ihr auf dem Weg entgegen. Die frühere beste Freundun ihrer Schwester. Emily konnte noch immer nicht nachvollziehen, weshalb ihre Schwester sich mit so einer abgab. Aber in dieser Situation konnte sie vielleicht mal hilfreich sein. Emily stürmte auf Marie zu und baute sich vor ihr drohend auf. "Wo ist sie?", keifte Emily.
"Wer?", fragte Marie sichtlich verwirrt.
"Bist du so dumm oder tust du nur so? Ich rede von Emilia", zischte Emily.
"In Hogwarts. Mehr weiß ich auch nicht. Sie wird mittlerweile wieder im Schloss sein", sagte Marie leise. "Du solltest zurück aufs Schiff gehen. Heute wirst du deine Schwester eh nicht mehr finden, aber morgen beim Frühstück sitzt ihr am selben Tisch."
"Kümmer dich lieber um deine Angelegenheiten! Was ich mache, geht dich nichts an!"
"Du hast Recht. Mir egal, ob dus versuchst. Da hinten kommt Karkaroff", meinte Marie und machte sich schnell aus dem Staub. Unschlüssig stand Emily noch kurz wie angewurzelt da, bis sie einsah, dass Marie wohl Recht hatte und sich so schnell wie möglich wieder aufs Schiff machte.

Für Emily war die Nacht viel zu kurz. Sie war aufgeregt, ihre Schwester endlich wieder zu sehen. Am liebsten würde sie schon jetzt gehen, doch noch war es zu früh. Gerade einmal sieben uhr. Um halb acht fing sie dann an, sich fertig zu machen und zu schminken. Als sie fertig war, lugte sie vorsichtig aus der Tür und lief durch den Gang, nachdem sie sich sicher war, dass Karkaroff noch schlief. Leise schlich sich Emily vom Schiff. Als sie im Schloss ankam, atmete sie erleichtert aus. Krum war um diese Zeit auch schon wach und saß gähnend an einem der vier Tische in der Großen Halle. Emily wartete, bis Krum verschwand und setzte sich erst dann an den Tisch, wo er gerade gesessen hatte. Eigentlich wartete sie sonsz nicht, doch wo Krum war, war auch Karkaroff nicht weit weg. Und den konnte sie nun jetzt wirklich nicht brauchen. Zwar mochte er sie eigentlich und behandelte sie wie Krum ganz väterlich, aber trotzdem war er nach ihrer Streich-Aktion nicht gut auf sie zu sprechen.
Gähnend setzte sich Emily an den Tisch und griff nach einem Brötchen, als ein schwarz-haariges Mädchen die Halle betrat und auf sie zusteuerte.
"Emilia, schon wach? Heute ist Samstag, das ist dir bewusst?", fragte das Mädchen. Offenbar hielt sie Emily für ihren Zwilling.
"Natürlich. Aber ich denke, ich gehe jetzt mal zum Feuerkelch und sieh mir an, wer so alles seinen Namen reinwirft", sagte Emily und erhob sich. Schnell flüchtete sie aus der Großen Halle, als sie erneut von einem großen, muskulösen Jungen angesprochen wurde.
"Emilia?", fragte dieser. "Ich dachte, wir treffen uns im Gemeinschaftsraum?"
Shit, ihr Freund? Sie durfte auf keinen Fall jetzt etwas falsch machen! Immerhin war es das Leben ihrer Schwester.
"Ich hatte Hunger, tut mir Leid. Lass uns doch jetzt hochgehen", sagte Emily und hoffte, er würde darauf eingehen. Dann würde sie bestimmt auch ihre Schwester dort oben treffen. Ein Versuch war es wert.
"Okay", stimmte der Typ Emily zu. Zusammen liefen die beiden zum Slytheringemeinschaftsraum. Emily achtete immer darauf, nie vor ihm zu laufen, denn sie wusste nicht, wie der Weg war. Bei den vielen Ecken und Treppen hätte sie sich schnell verlaufen. Vor einem Bild murmelte der Junge dann ein unverständliches Wort, wohl das Passwort, und schon wurde ein schmaler Gang freigegeben. Emily huschte zuerst hinein und sah sich dann staunend um, bis ihr einfiel, dass sie wie Emilia sein musste. Um nicht allzu viel Zeit dort zu verbringen, lief Emily, die Rufe des Jungen ignorierend, eine Treppe hoch, die wohl zum Mädchentrakt führte. In welcher Klasse war sie nun? Fünfte oder vierte? Emily versuchte ihr Glück in der vierten Klasse und machte leise die Tür auf. Nur eine Person lag um diese Zeit noch im Bett und das sah aus wie - ihre Schwester. Schnell schloss Emily die Tür und rannte dann glücklich auf ihre Schwester zu.
"Emilia!", rief Emily glücklich und kuschelte sich in die Arme ihrer Schwester.
"Wer bei Merlins Bart ...? Emily?", fragte ihr Zwilling verschlafen.

"Genau Schwesterherz, ich hab dich soo vermisst", murmelte Emily.

"Ich dich auch, obwohl nein, eigentlich hab ich dich nicht vermisst, schließlich wusste ich nicht einmal von dir", Emilia kroch aus ihrem Bett und ging ins Badezimmer, um sich zu duschen. Emily folgte ihrer Schwester unaufgefordert und ließ sich auf dem Badewannenrand nieder.

"Du wusstest nicht von mir? Wie das?", fragte Emily neugierig.

"Jemand hat mir meine Erinnerung geklaut", kam es aus der Dusche. "Sag mal, wie bist du hier rein gekommen? Das Passwort kannst du doch nicht kennen?"

"Dein Freund hat mich gentlemanlike reingelassen", antwortete Emily. "Und nein, ich glaube, er dachte, ich bin du."

"Dann klären wir das doch gleich mal auf und sorgen für noch mehr Aufsehen, als ich eh schon hab", meinte Emilia. "Kannst du mir das grüne Handtuch reichen, das da irgendwie hängt?"

"Du meinst, wir gehen da gleich runter und spielen Zwillinge?", fragte Emily nochmal nach und reichte ihrer Schwester das verlangte Handtuch. "Genau das meine ich", bestätigte Emilia und kam mit dem Handtuch unwickelt aus der Dusche.

"Gut, das wird ein Spaß!", grinste Emily.

"Freu dich nicht zu früh."

"Schon zu spät", grinste Emily und sah sich im Kleiderschrank ihrer Schwester um. "Zieh das an", riet sie ihrem Zwilling und holte eine enge Jeans und ein weißes Tshirt heraus. Emily selbst trug ein blaues Kleid und eine schwarze Lederjacke.

"Darf ich dich schminken?", fragte Emily vorsichtig. Emilia nickte und ließ sich auf ihr Bett fallen, wo Emily auch gleich mit ihrer Arbeit begann.

Zehn Minuten später war Emilia perfekt geschminkt und die beiden verließen zusammen den Schlafsaal. Im Gemeinschaftsraum war nicht sehr viel los, nur hier und da sah man einige ältere Schüler, die auf ihre Prüfungen lernten. Als die Zwillinge die Treppe herunterkamen, wurden sie von allen verblüfft angeschaut. Emily grinste, während Emilia machte, dass sie so schnell wie möglich von jeglichen Leuten wegkam.

"Witzig, hab ich doch gesagt", lachte Emily, als sie den Gemeinschaftsraum verlassen hatten und nach oben zur Eingangshalle gingen.

"Ja, das finde ich nicht. So angestarrt zu werden ist nicht so meins", murmelte Emilia.

"Ach komm schon. Ein bisschen Spaß muss sein! Sei nicht so schüchtern!"

"Ich bin nicht schüchtern, da kannst du hier jeden fragen. Aber ich mag das einfach nicht."

"Dann bereite dich schon mal darauf vor, dass wir gleich von noch viel mehr Leuten angestarrt werden", meinte Emily.

"Ja, eine sehr gute Idee", stimmte Emilia zu. "He! Da ist Blaise!" Schnell lief Emilys Schwester zu ihrem Freund, den Emily vorhin erst getroffen hatte. Sie folgte ihr in einigem Abstand. Außer den dreien war noch niemand zu sehen, offenbar waren die meisten gerade beim Essen. Emilia küsste ihren Freund schnell und drehte sich dann zu ihrer Schwester um.

"Wir kennen uns ja schon. Ich bin Emily." Selbstbewusst stellte sie sich neben ihre Schwester und grinste deren Freund an.

"Du warst das vorhin? Und ich hab mich schon gefragt, wieso sie heute so komisch ist", lachte der Junge. "Ich bin Blaise."

"Schön, dich mal offiziell kennen zu lernen", meinte Emily. "Oh je, da vorne sind die Durmstrangschüler. Versteckt mich!"
Schützend stellte sich Emilia vor ihre kleine Schwester und verdeckte so die direkte Sicht auf die Durmstrangs.

"Sind die so schlimm?", fragte Blaise belustigt.

"Ja und nein. Die Schüler sind eigentlich ganz chillig, aber Karkaroff ist einfach nur bah! Wenn mal nicht etwas so läuft, wie er es gerne hätte, wird man gleich übelst bestraft", erzählte Emily. "Ich durfte zum Beispiel gestern nicht zum Abendessen, weil ich so 'ner Tusse Spinnen ins Bett gelegt hab. Und der konnte nicht mal beweisen, dass ichs war!" Emilia und Blaise sahen sich an und fingen dann an zu lachen. Emily stand nur verwirrt daneben. "Was lacht ihr so?", fauchte sie.

"Blaise, denkst du das, was ich denke?", fragte Emilia ihren Freund.

"Ja, ich denke schon", meinte dieser und sofort prusteten die beiden wieder los.

Emily zog nur eine Augenbraue hoch und sah die beiden kalt an. "Klärt mich auf! Redet mir mir!"

"Also in Gryffindor - einem von den vier Häusern hier in Hogwarts - gibts zwei Jungs, Zwillinge, die auch die ganze Zeit Streiche spielen", grinste Emilia.

"Und deswegen lacht ihr? Leute, ihr seid peinlich!", sagte Emily und gestikulierte wild.

"Schon klar", grinste Emilia und nahm die Hand ihres Freundes. "Gehen wir hoch in die Eingangshalle?"

"Das hatten wir doch sowieso vor. Ihr seid stehen geblieben", murmelte Emily. Emily lief auf der anderen Seite von Blaise als ihre Schwester und folgte den beiden langsam. Als sie in die Eingangshalle kamen, erstarben alle Gespräche, nur hier und da hörte man "Wer ist das denn?" und "Sind die Zwillinge?"

Emily folgte ihrer Schwester zu einer Couch und ließ sich dort neben ihr nieder. Noch immer wurden sie von allen angestarrt.

"Was glotzt ihr so?", fauchte Emily. "Passt auf, dass euch nicht die Augen ausfallen!" Nun wurde sie mehr oder weniger abfällig gemustert und rund herum wurde getuschelt, wer von den beiden nun Emilia war. Emily grinste ihre Schwester an.

"Ist doch gar nicht so schlimm", meinte sie zu ihrer Schwester aufmunternd, die nun ebenfalls breit grinste.

"Stimmt, du hast Recht. Es ist eigentlich toll, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen."

"He seht mal, da kommen die Weasley-Zwillinge", Blaise zeigte zur Treppe, wo wirklich die Wealsey-Zwillinge mit Wiesel-Junior und Potter herunterkamen.

"Was bei Merlins Bart ..."

"...ist denn hier los?", fingen die Weasley-Zwillinge auch schon an.

"Können wir das auch -", fing Emilia an, wurde jedoch von ihrer Schwester unterbrochen. "dass einer den Satz anfängt -"

"und der andere den Satz beendet", grinste Emilia. "Ja, wir könnens."

"Natürlich können wir das", grinste Emily verschwörerisch.

Die Weasley-Zwillinge kamen gerade auf die beiden Mädchen zu. "Callahan, gibts dich jetzt schon doppelt?" Wer genau das nun gesprochen hatte, konnten die beiden Mädchen nicht ausmachen, es war einer der Zwillinge.

"Na ja, wenns euch Nervensägen doppelt gibt, warum sollte es mich nicht doppelt geben?", fragte Emily grinsend.

"George, welche von beiden ist nun Callahan?", fragte Fred seinen Bruder. Emily fiel auf, dass Freds Haare etwas dunkler waren als die von seinem Bruder.

"Ich habe sowas von keine Ahnung, die sehen beide gleich aus", murmelte der Angesprochene.

"Macht euch nichts draus, Jungs, ihr habts einfach nicht drauf", lachte Emily.

"Als würdest du uns auseinander kennen", meinte Fred.
"Oh kann ich. Du bist Fred und der Typ neben dir ist George", zischte Emily.
Die beiden Zwillinge sahen sich an und drehten sich dann um, um zum Feuerkelch zu gehen. Emily setzte sich so, dass sie ihre Schwester ansehen konnte.
"Die sind doch dumm", sagte Emily zu ihrer Schwester und sah sich die anderen Schüler an. Jeder starrte die beiden Mädchen entweder verachtend oder verwirrt an.
"Emi!", rief ein schwarz-haariges Mädchen plötzlich und kam zur Tür herein. Emilia sprang auf und umarmte ihre Freundin, während Emily stirnrunzelnd sitzen blieb.
"Ihr seid ... Zwillinge?", fragte das Mädchen.
"Eineiige Zwillinge, genau", verbesserte Emily. "Ich bin Emily."
"Daphne", stellte sich das Mädchen vor. "Wieso hast du nie was erzählt, Emi?" Es klang stark nach einem Vorwurf, auch wenn Emily sich sicher war, dass Daphne es nicht so meinte.
"Sie wusste nichts von mir, weil sie ja keine Erinnerung mehr hatte. Aber das weißt du sicherlich schon", zischte Emily leise.
Daphne nickte. "Ich geh dann mal Draco suchen", meinte sie und verschwand wieder aus der Tür. Sie hatte sich nicht wirklich für ihre Schwester interessiert, fiel Emily auf. Ob die beiden beste Freunde waren? Oder nur Bekannte?
In diesem Moment kam Krum durch die Tür stolziert und ging zielstrebig auf den Feuerkelch zu. Emily sprang auf und verstellte ihm den Weg.
"Bist du sicher, dass du das machen willst?", fragte sie argwöhnisch. Einige umstehende Personen hielten den Atem an und musterten Emily geschockt, so nach dem Motto: Wie kann sie es wagen, sich Krum in den Weg zu stellen?
"Sonst wäre ich nicht hier, ja, das wird von mir erwartet", meinte Krum nur. "Du kannst aufhören, dich um mich zu sorgen, wir sind nicht mehr zusammen."
"Da hast du verdammt Recht!", zischte Emily. "Mir geht es auch nicht um dein Wohlergehen, sondern darum, dass Karkaroff mir das Leben zur Hölle machen würde, würdest du abkratzen." Nach hinten hinaus wurde ihre Stimme leiser, eindringlicher und bedrohlicher.
"Darum gehts dir also", murmelte Krum. "Du tust das nur für dich. Seit wann bist du herzlos geworden? Dass du keine Gefühle zeigst, wusste ich, aber seit wann hast du keine mehr?"
"Meine Gefühle gehen dich einen Scheißdreck an! Wag es noch einmal, mich als herzlos zu bezeichnen, dann kann ich dir versprexhen, dass die nächste Toilette dein Zuhause sein wird", zischte Emily. Krum, dem das Gespräch zu blöd wurde, drängelte sich an ihr vorbei und warf seinen Zettel in den Kelch, dann verschwand er schnell wieder ohne ein weiteres Wort.
"Dieses Arschloch!", fluchte Emily laut, während sie sich wieder zu ihrer Schwester setzte, die dem Treiben aufmerksam gefolgt war. Emilia grinste nur, sagte dazu aber erst einmal nichts mehr.

"Können wir Essen gehen? Ich hab Hunger!", beklagte sich Blaise und sah die beiden Mädchen bittend an. Emilia nickte und erhob sich, Emily folgte ihr gezwungenermaßen.

"Wir setzen uns ganz weit weg von den Durmstrangs, ja?", fragte Emily, als sie die Große Halle betraten.

"Also ich würde die schon gerne näher kennen lernen ...", meinte Blaise.

"Du kennst mich und meine Schwester! Das muss reichen!", zischte Emily und setzte sich an den Slytherin-tisch ganz nach außen. Blaise setzte sich ihr gegenüber und Emilia daneben.

"Also Schwesterherz, erzähl mal, was du an Erinnerungen noch hast", bat Emily.

"Ehm das erste, was ich weiß, ist, dass ich in einem kleinen Nebenzimmer eines großen Hauses aufgewacht bin. Davor ist alles weg ... ich habe keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen bin", erzählte Emilia. "Also Voldemort war dort - so ein ekliges kleines etwas, war einfach nur eklig - und ich glaube, er war es auch, der mich gefoltert hat und dann umbringen wollte, was ja nicht geklappt hat, wie wir sehen."

"Ich bin froh, dass du noch lebst. Was hätte ich nur ohne dich gemacht?", flüsterte Emily leise. "Du sagst also, Voldemort ist zurück?"

"Ja, ich bin mir sicher. Allerdings glaube ich nicht, dass er sich schon vollständig erholt hat."

"Karkaroff, er ist oder war mal ein Todesser, und ich habe den Verdacht, dass er immer noch Voldemort dient", murmelte Emily. "Das dürft ihr aber niemandem sagen, sonst killt der mich."

"Das wollen wir natürlich alle nicht", grinste Emilia verschmitzt.

"Nein, also ich will das jedenfalls nicht. Und wenn ich euch so nicht zum Schweigen bringe, dann schaff ich das anders", meinte Emily bissig. "Wer ist der Typ da vorne?" Emily meinte einen blonden Jungen, der gerade mit Daphne zur Tür herein kam. Als er sah, dass zwei Emilias am Tisch saßen, starrte er die beiden ungläubig an. Er wusste nicht, dass Emilia einen Zwilling hatte.

"Das ist Draco Malfoy, der Macho der Schule, allerdings wirst du bei ihm ganz schlechte Karten haben, weil er nämlich mit Daphne zusammen ist", meinte Emilia. Ihre Schwester zog nur die Augenbrauen hoch und widmete sich ihren Haaren, die sie neu zusammen band. Sie tat es mit so einer Leichtigkeit, dass Emilia dachte, sie machte das seit Ewigkeiten.

"Na ihr drei", grinste Daphne, als sie Händchen haltend mit Draco zum Tisch stolziert war.

"Hey Daphne", murmelte Emilia nur und schob sich einen weiteren Löffel in den Mund.

"Seid ihr ... Zwillinge oder so?", fragte Draco und setzte sich neben Emily, die ihn sogleich wütend anschaute.

"Sieht man das nicht?", fragte sie nur herablassend.

"Doch, deswegen frag ich ja, weißt du. Ich wollte nur sicher gehen", meinte Draco. "Du bist nicht Emilia, wie heißt du?"

"Emily, allerdings wüsste ich nicht, was dich das angeht!"

"Nicht sehr gut drauf, was?", fragte Draco.

"Oh doch, bis ich dich getroffen habe, war meine Laune bestens", erwiderte Emily trocken.

"Dann liegt es also an mir?"

"Möglich. Allerdings könnte es auch an der ach so tollen Freundin liegen."

"Leute!", zischte Emilia. "Emily, krieg dich wieder ein."

"Ich hab gar nichts gemacht!", zischte diese jedoch nur und verschwand aus der Großen Halle.

Emilias POV

"Was hatte die denn für ein Problem?", fragte Blaise verwirrt.

"Ich weiß es nicht, vorhin war sie jedenfalls nicht so", murmelte Emilia. "Zu mir ist sie immer nett gewesen, aber zu anderen Leuten ist sie ... etwas komisch."

"Mit komisch meinst du beleidigend?", fragte Blaise.

"So in etwa", murmelte Emilia und biss sich auf die Lippen.

"Eisprinzessin", grinste Draco.

"Was?", gaben Blaise und Emilia verwirrt zurück.

"Sie benimmt sich wie eine Prinzessin, ist aber kalt und unnahbar", erklärte Draco.

"Ja, du hast Recht", meinte Emilia.

"So warst du auch mal, am Anfang des Jahres", sagte Blaise.

"So schlimm? Hab ich echt jeden beleidigt, der mir zu nahe gekommen ist?"

"Nein, nur uns", grinsten Draco und Blaise.

"Ja, weil es Spaß gemacht hat", lächelte Emilia die beiden an. "Und es macht immer noch Spaß, allerdings würde ich jetzt für Beleidigungen ein blaues Auge kassieren, glaube ich", fügte sie hinzu und schielte in Richtung Daphne, die heute seltsam wenig geredet hatte.

"Aus welcher Schule kommt deine Schwester?", fragte Draco interessiert.

"Durmstrang. Ich war früher auch mal dort, im zweiten und dritten Jahr, allerdings kann ich mich nicht erinnern, deswegen wusste ich auch nichts von meiner Schwester", erklärte Emilia.

"Aber sie hat dich doch bestimmt gesucht, oder?", fragte Draco.

"Wie denn? Sie haben das Zaubereiministerium eingeschaltet, das Bulgarische, nehme ich an. Aber da ich nicht in Bulgarien war, konnten sie mich nicht finden. Ich war hier, in England. Und das Ministerium wusste nichts von mir", sagte Emilia. "Bis jetzt."

"Ist ja blöd. Weißt du, wie du hierher gekommen bist? Ist ja nicht der näheste Weg von Bulgarien", sagte Draco.

"Nein keine Ahnung. Ich bin aufgewacht und da war ich hier, mehr weiß ich nicht."

"Sollen wir nachher an See gehen?", fragte Blaise dazwischen, bevor Draco auch nur antworten konnte.

"Ich bin dabei!", rief Emilia grinsend. Sie plante schon ihre Rachepläne an Draco und Blaise.

"Ich ebenfalls", meinte Draco.

"Ich komm nicht mit", sagte Daphne. "Ich muss noch etwas machen. Wir sehen uns dann nachher. Viel Spaß." Damit stand sie auf und ging aus der Großen Halle, ohne den Grund zu sagen. Fassungslos sah Emilia ihr hinterher.

"Sie ist so komisch heute, Draco, was ist los?", fragte sie dann argwöhnisch.

"Also bis wir die Große Halle betreten haben, war sie noch super gelaunt ...", meinte Draco entschuldigend. "Aber wenn sie nicht mitkommen will, ist das ihre Sache, nicht unsere."

"Ich mache mir nur Sorgen um sie. Sie redet sonst auch viel mehr", sagte Emilia.

"Wenn irgendwas wäre, würde sie es dir bestimmt sagen", beruhigte Blaise seine Freundin. Diese nickte wenig überzeugt, beließ es aber dabei.

"Wir können ja deine Schwester auch fragen, ob sie mit will", schlug Draco vor.

"Stimmt, du hast Recht. Geht ihr schon mal vor, ich such sie und komm nach." Schnell erhob sie sich, bevor die Jungs überhaupt Einsprüche erheben konnten. Dann lief sie zielstrebig nach draußen, wo Emily ihr auch schon entgegen kam.

"Du glaubst nie, was ich gesehen hab! Ich war gerade auf dem Weg zum Schiff, als ich gemerkt habe, dass Daphne mir gefolgt ist. Also hab ich mich hinter einem Baum versteckt und kapiert, dass sie mir nicht folgt, sondern zu jemandem anders will. Dann bin ich ihr gefolgt und bin einigen anderen Schüler über den Weg gelaufen und die waren so heiß -"

"Emily! Komm auf den Punkt!"

"Na ja, jedenfalls bin ich ihr weiter gefolgt, bis in so ein kleines Dorf, wo sie sich mit so einem Jungen getroffen hat. Der Umhang war gelb, keine Ahnung was das heißt. Er war älter als sie, das ist klar. Vielleicht sechse, siebte Klasse. Jedenfalls wäre das ja nicht weiter schlimm gewesen, aber die beiden haben sich geküsst. GEKÜSST. Und ich dachte, die wäre mit dem blonden Jungen zusammen", erzählte Emily ihrer fassungslosen Schwester. Daphne hinterging ihren Freund?

"Ich rede mit ihr", beschloss Emilia. "Ist sie noch da?"

"Ich denke schon. Sie ist mal noch nicht hier vorbei gekommen", murmelte Emily.

"Ehm weshalb ich eigentlich hier bin - die Jungs haben gefragt, ob du mit uns nicht vielleicht zum See willst", meinte Emilia. "Dann könntest du schon mal vorgehen, ich würde nachkommen."

"Klingt super!", grinste Emily. "Viel Glück, Schwesterherz."

Emilia nickte und rannte in Richtung Hogsmeade. Dann drehte sie sich noch einmal zu ihrer Schwester um und stellte mich einem Seufzen fest, dass sie in eine falsche Richtung lief.

"Emily, da gehts lang", Emilia zeigte in die entgegengesetzte Richtung. Emily nahm das mit einem Nicken auf und ging in die Richtung weiter. Währenddessen drehte sich Emilia um und machte sich auf den Weg ins Zaubererdorf. Sie war noch nie da gewesen, deswegen wusste sie nicht einmal, ob der Weg richtig war. Aber sie musste es trotzdem versuchen. Daphne war immerhin ihre beste Freundin und wenn Emily meinte, sie würde Draco betrügen, dann ging das absolut gar nicht. Emilia hatte Daphne nie für so eine gehalten. Sonst war sie doch immer glücklich mit ihm gewesen, wieso auf einmal nicht mehr? Oder war das alles nur gespielt gewesen?

Doch schon nach der Hälfte des Weges kam ihr Daphne entgegen, die ihre Freundin geschockt anstarrte.

"Deinem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass du nicht geplant hast, dass dich jemand mit deinem heimlichen Freund erwischt?", zischte Emilia. Denn neben Daphne stand tatsächlich noch ein anderer Junge mit braunen Haaren und grauen Augen. Er sah gut aus, aber das gab Daphne noch nicht das Recht, Draco zu betrügen.

"Es tut mir Leid, ich hätte es dir sagen sollen", murmelte Daphne reumütig.

"Nein nicht mir. Sondern deinem Freund. Das ist feige, was du hier machst. Richtig feige. Ich hätte nie gedacht, dass du so bist", schrie Emilia ihre Freundin an. "Du sagst es Draco, noch heute! Und dann machst du mit ihm Schluss, wenn es sein muss! Andernfalls werde ich es ihm sagen! Er ist schließlich auch mein Freund."

"Ja ... ich werde es ihm sagen. Ganz bestimmt!", beteuerte Daphne.

"Das würde ich für dich hoffen", zischte Emilia und verschwand den Weg zurück zum Schloss. Sollte sie noch zum See gehen? Sie könnte ihrem besten Freund Draco nicht in die Augen schauen, ohne ihm den Vorfall zu berichten. Aber vielleicht kam Daphne ja wirklich und machte mit ihm Schluss. Das wäre das fairste. Auf jeden Fall würde sie mit Blaise darüber reden und ihn nach einem Rat fragen. Dazu musste sie allerdings zum See.

Langsam lief sie den Weg hinauf zum See, sich bewusst, dass Daphne und der fremde Junge nicht weit hinter ihr waren. Ob die beiden wohl dann offiziell zusammen waren, wenn Daphne mit Draco Schluss gemacht hatte? Am See konnte Emilia zuerst ihre Schwester sehen, die sich angeregt mit Draco unterhielt. Blaise schwamm einige Bahnen im See, bis er seine Freundin entdeckte und auf sie zukam.

"Hey Leute", sagte sie leicht lächelnd. Draco und Emily nahmen keine Notiz von ihr, also setzte sich Emilia mit ihrem Freund etwas abseits in den Schatten.

"Was ist los?", fragte Blaise sogleich. "Wieso bist du so spät?"

"Ich war bei Daphne", murmelte sie und erklärte ihrem Freund die Situation. Dieser hörte leise zu und unterbrach sie kein einziges Mal. Erst am Ende stellte er die entscheidende Frage: "Wieso tut sie Draco sowas an?"
"Gute Frage, ehrlich ... Das weiß leider nur sie selbst, wenn überhaupt", murmelte Emilia leise. "Und sie war meine beste Freundin, aber das hätte ich von ihr nicht erwartet. Vor allem, weol die beiden ja gerade einmal ein paar Wochen zusammen sind!"
"Erzählst du es ihm? Oder macht sie es?"
"Weiß nicht. Ich habe ihr die Wahl gelassen. Wenn sie es heute nicht tut, sag ich es ihm", meinte Emilia.
"Es ist nur fair ihm gegenüber ... ich frag mich, wie lange Daphne ihn schon hintergeht", murmelte Blaise.
"Wenn ich ehrlich bin, will ich das nicht wissen. Es geht uns ja auch irgendwie nichts an", widersprach Emilia.

"Du hast Recht", stimmte Blaise seiner Freundin zu. "Hast du schon mit Isabelle gesprochen?"

"Nein ... ich bin auch nicht scharf darauf. Sie hat Moody fast meine ganze Vergangenheit erzählt, ich habe keine große Lust, mit ihr zu reden", meinte Emilia und beobachtete ihren Zwilling, die mit Draco im See schwamm. Die beiden schienen sich, im Gegensatz zu heute morgen, ziemlich gut zu verstehen. Vielleicht mochte Emily auch einfach Daphne nicht. Apropos, wo die wohl war? Gerade auf dem Weg hierher?

"Sie hatte bestimmt einen guten Grund dafür", beruhigte Blaise Emilia.

"Ich hoffe es für sie. Jedenfalls habe ich nicht vor, mich bei ihr zu melden. Sie weiß, wo sie mich findet", beschloss Emilia, nachdem sie ausgiebig darüber nachgedacht hatte, welchen Grund Isabelle haben könnte. Ihr fiel kein einziger ein.

"Wie findest du meine Schwester?"

"Sie ist ... seltsam. Man merkt, dass ihr Zwillinge seid und das nicht nur am Aussehen. Ihr seid euch ziemlich ähnlich, wobei du dich ja schon verändert hast ... mir gegenüber zumindest", grinste Blaise. "Deine Schwester ist fies, ich würde sagen, eine geborene Slytherin."

"Na ja, ist ja nicht schlecht, wenn sie mir ähnlich ist. Also ich finde es gut. Auch wenn ich sie selbst nicht so ganz verstehe ... aber sie hat was gegen Daphne", meinte Emilia.

"Wie kommst du darauf?"

"Sie ist heute morgen abgehauen und hat Daphne beleidigt", erklärte Emilia.

"Echt?"

"Ja, du Dummkopf! Du sahst genau neben den beiden!"

"Da hab ich wohl noch halb geschlafen", meinte Blaise leichthin.

"Glaub ich auch", grinste Emilia.

"Seit wann nennst du mich eigentlich Dummkopf?", fragte Blaise seine Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Seit ... ich Lust dazu hab! Ist doch ein schöner Spitzname für dich, findest du nicht auch?"

"Bis auf die Tatsache, dass es kein Spitzname sein kann, weil er länger als mein richtiger Name ist -", fing Blaise an, wurde jedoch von Emilia unterbrochen.

"Die Tatsache kannst du ja einfach mal außer Acht lassen, hat ja nichts damit zu tun, ob du ihn schön findest", grinste Emilia.

"Natürlich hat es was damit zu tun! Aber gut, ansonsten ist der Name wunderschön, auch wenn er nicht gerade einfallsreich ist", meinte Blaise grinsend.

"Du willst mir also unterstellen, dass ich nicht kreativ bin?"

"So war das jetzt echt nicht gemeint -", setzte Blaise an.

"Ich geb dir Recht", sagte Emilia nur.

"Was?" Blaise sah seine Freundin verständnislos an.

"Ich gebe dir Recht, dass ich unkreativ bin!", sagte Emilia nun etwas lauter, beugte sich nach unten zu ihrem Freund und küsste ihn sanft.

"Nehmt euch nen Zimmer!", kam es laut aus dem See geschrien und als Emilia aufsah, blickte sie in das nasse Gesicht ihrer grinsenden Schwester. Sie war wohl fertig mit schwimmen, denn sie trocknete ihre Haare und ließ sich dann neben Emilia nieder. Draco setzte sich tropfend neben Blaise und machte ihn ein wenig nass, indem er immer den Kopf schüttelte.

"Eifersüchtig, Schwesterherz?", fragte Emilia grinsend.

Doch ihre Schwester schüttelte nur fies grinsend den Kopf. "Träum weiter", zischte sie. "Ich habe nur keine Lust, die ganze Zeit zu sehen, wie so nen seltsamer Typ meiner Schwester seine Zunge in den Hals schiebt."

"Ich bin also ein seltsamer Typ?", fragte Blaise geschockt.

"Du hast es erfasst", verkündete Emily hämisch grinsend.

"Wieso, wenn ich fragen darf?"

"Ich kenn dich nicht und ich bin immer ein bisschen argwöhnisch, was die Freunde meiner Schwester angeht, aber das sollte nicht dein Problem sein", lächelte Emily überheblich.

"Wer glaubt ihr, wird morgen Champion? Von den einzelnen Schulen?", fragte Emilia, um die Stimmung ein wenig zu lockern.

"Krum, dafür wird Karkaroff sorgen", meinte Emily ohne nachzudenken.

"Bei uns vielleicht Diggory, oder diese Gryffindor-Tusse", meinte Blaise.

"Stimmt, soweit ich weiß haben sich auch nicht viel mehr aus Hogwarts beworben, also wird die Entscheidung wohl nicht so schwer sein", erklärte Draco.

"Von Durmstrang haben sich eigentlich alle beworben, aber jeder weiß, dass es Krum wird", meinte Emily und besah sich ihre Fingernägel, die sehr viel interessanter waren als die drei Hogwartsschüler um sie herum.

Die Champions

"Wann fängt das Fest an?", fragte Emilia ihre Freunde, nachdem sie sich alle auf den Weg ins Schloss gemacht hatten. Die Sonne stand nur noch tief am Himmel, sodass es nicht mehr so angenehm warm war wie noch vor einer Stunde. Emily schloss sich den drei Slytherins an und irrte mit ihnen im Schloss herum.

"Gleich, eigentlich können wir schon mal hingehen", meinte Draco. Er wollte sich gerade umdrehen, als er seinen Namen durch die Eingangshalle hallen hörte. Daphne würde wohl jetzt mit ihm reden, dachte Emilia. 

"Draco! Ich hab dich überall gesucht. Können wir kurz reden?", fragte Daphne, die angehastet kam. Sie musste den ganzen Weg vom See hinauf ins Schloss gerannt sein. Was sie wohl noch so lange mit dem Jungen gemacht hatte? 

"Klar", murmelte Draco verwirrt, ging aber seiner Freundin hinterher. Emilia sah ihm mitleidig nach, denn sie wusste, was nun kommen würde. Während Daphne ihrem Freund die Wahrheit sagte, suchten sich die drei verbliebenen einen guten Platz in der Großen Halle, von dem aus man auch alles gut überblicken konnte. Die Haustische wurden beiseite geschoben, sodass noch mehr Platz in der Großen Halle war. Nun saßen einige Schüler kreuz und quer verteilt zwischen den Schülern anderer Häuser. Nur die Slytherins waren wie üblich unter sich geblieben. Sogar die Durmstrangs hatten sich in der Halle verteilt und redeten hier und da mit einigen Hogwartsschülern. Blaise ging zielstrebig auf die Ecke der Slytherins zu und setzte sich ganz an den Rand, neben Lilith. Emilia lehnte sich an ihn, während Emily sich auf die andere Seite von Emilia setzte und die Halle betrachtete. 

"Ach ja Leute ... das ist meine Schwester Emily", stellte Emilia ihre Zwillingsschwester vor. "Emily, das sind Lilith, Millicent und Pansy." Der Reihe nach zeigte sie auf die besagten Leute. 

Emily nickte bloß und widmete sich wieder dem Treiben der anderen Leute. 

"Wo wart ihr beim Essen?", fragte Millicent leise. 

"Unten am See. Wir hatten keine Lust zum Essen zu kommen", meinte Blaise. Natürlich gab es ein Halloweenfestessen nicht jeden Tag in Hogwarts, aber der Tag mit seinen Freunden war einfach viel toller gewesen als so ein langweiliges Essen. Außerdem hatte er noch gar keinen Hunger gehabt, genau wie die anderen, schließlich hatten sie gestern Abend erst so reingehauen, weil es so leckeres Essen gab. Die Spannung in der Großen Halle war spürbar. Alle Schüler waren gespannt darauf, zu erfahren, wer die diesjährigen Champions sein würden.

"Alle sind schon total ungeduldig", lachte Emilia. "Und schau dir mal Snape an!"

Blaise tat, was seine Freundin gesagt hatte und wandte seinen Blick zu dem überllaunigen Tränkemeister. Tatsächlich lag dessen Blick auf Emilia, oder zumindest in dieser Ecke. Zudem schien er noch mies gelaunter zu sein als sonst, vielleicht weil Halloween war.

"Nun, der Kelch ist bald bereit, seine Entscheidung zu fällen", rief Dumbledore durch die Halle. Sofort wurde es still. Keiner redete mehr, denn alle waren ungeduldig und wollten die Namen der Champions wissen. "Ich schätze, er braucht noch eine Minute. Wenn der Namen der Champions aufgerufen wurde, bitte ich sie, hier aufs Podium zu kommen und am Lehrertisch vorbei in diese Kammer dort zu gehen", er deutete auf die Tür hinter dem Lehrertisch, "wo sie dann ihre ersten Anweisungen erhalten." Er zückte den Zauberstab und schwang ihn ausladend durch die Luft, sofort erloschen alle Kerzen, nur in den geschnitzten Kürbisschen an den Wänden flackerten sie noch, so dass nun alles im Halbdunkel lag. Der Feuerkelch leuchtete jetzt heller als alles andere in der Halle, das gleißende, blauweiß funkelnde Licht der Flammen stach sogar ein wenig in die Augen. Alles starrten auf den Kelch und warteten ... hier und da blickte jemand auf die Uhr ...

Die Flammen im Kelch färbten sich plötzlich wieder rot. Funken sprühten aus der Glut. Im nächsten Augenblick schoss eine Flammenzunge in die Luft, ein verkohltes Stück Pergament flatterte heraus - und die ganze Halle hielt den Atem an.

Dumbledore fing das Pergament auf und hielt es mit gestrecktem Arm vor sich, damit er es im Licht des Feuers lesen konnte, das nun wieder blauweiß war.

"Der Champion für Durmstrang", las er mit klarer und kräftiger Stimme, "ist Viktor Krum."

Emilia suchte Krum in der Großen Halle und sah ihn nicht weit vor sich gerade aufstehen. Er lächelte einige seiner Mitschüler an und schlurfte dann vorbei an ihnen, hinauf zu Dumbledore und dem Lehrertisch. Kurz zwinkerte er Emilia noch zu, dann verschwand er durch die Tür hinter dem Lehrertisch.

"Bravo Viktor!", polterte Karkaroff so laut, dass er sogar den Beifall der Schüler übertönte. "Wusste doch, du hast es in den Knochen!"

"War ja klar", murmelte Emily neben ihrer Schwester leise. "Nur, weil der ganz passabel Quidditch spielen kann, wird er dauernd bevorzugt."

"Ganz passabel? Er ist der beste Sucher dieses Jahrhunderts!", meinte Blaise aufgeregt.

"Vielleicht offiziell", zischte Emily. "Es gibt viel bessere, mal ganz davon abgesehen, dass er viel zu jung ist, um in unserer Nationalmannschaft zu spielen!"

"Man ist nie zu jung für Quidditch", murmelte Blaise, seinen Blick immer starr auf den Kelch gerichtet.

Sofort trat wieder Stille ein. Emilias Augen richteten sich auf den Kelch, dessen Flammen sich sogleich wieder rot färbten. Ein zweites Pergament flog, hochgeschleudert von der Hitze, aus der Glut.

"Champion für Beauxbatons ist Fleur Delacour", rief Dumbledore. Sofort erhob sich ein Mädchen am Ravenclaw-Tisch, welches sich so anmutig wie eine Veela bewegte. Hoch erhobenen Hauptes spazierte sie durch die Reihen auf den Lehrertisch zu, wobei sie ihre silbrigen Haare einmal zurückwarf. Ihre Freunde aus Beauxbatons dagegen schienen aufrichtig enttäuscht, dass sie nicht Champion geworden waren. Zwei der Mädchen, die es nicht geschafft hatten, zerflossen sogar in Tränen und vergruben schluchzend ihre Köpfe in den Händen.

Nachdem auch Fleur durch die Tür in die Kammer verschwunden war, legte sich wieder Stille über die Große Halle. Diesmal konnte man die Anspannung förmlich spüren, denn nun kam der interessanteste Teil vom ganzen Fest. Nämlich die Auswahl des Hogwarts-Champions.

Und das Feuer des Kelches färbte sich widerrum rot; Funken sprühten aus der Glut; eine Flamme züngelte hoch und aus ihrer Spitze zog Dumbledore das dritte Stück Pergament.

"Der Hogwarts Champion", rief Dumbledore und sah sich suchend in der Großen Halle um, "ist Cedric Diggory!" Am Hufflepuff-Tisch brandete lauter Beifall auf, sodass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Alle dort waren aufgesprungen, schrien und stampften mit den Füßen, während Cedric mit breitem Grinsen an ihnen vorbei auf die Kammer hinter dem Lehrertisch zuging.

"Das ist er! Das ist der Typ, mit dem Daphne Draco betrogen hat!", rief Emilia etwas zu laut. Einige der Slytherins, von denen niemand auch nur klatschte, drehten sich neugierig um und musterten die Zwillinge.

"Apropos, hast du die beiden irgendwo hier gesehen?", fragte Blaise und sah sich suchend nach seinem besten Freund um.

"Nein, aber vielleicht stehen sie auch nur irgendwo anders. Oder sie reden immer noch, was ich mir allerdings nicht vorstellen kann. So viel redet Draco nämlich auch wieder nicht", überlegte Emilia laut.

"Stimmt, das kann ich mir auch nicht vorstellen. Vor allem, wenn er sauer ist, redet er nicht viel", meinte Blaise.

"Könntet ihr beide mal leise sein!? Andere Leute wollen zuhören!", giftete Emily, der das Gespräch der beiden gegen den Strich ging. Sofort waren die beiden still und wandten ihre Aufmerksamkeit Dumbledore zu.

"- euren Champion mit äußerster Kraft unterstützt. Indem ihr euren Champion anfeuert, könnt ihr durchaus dazu beitragen -" Plötzlich verstummte Dumbledore und es entging keinem, was ihn ablenkte.

Das Feuer des Kelches hatte sich abermals rot verfärbt. Eine lange Flamme schoss jäh in die Höhe und mit sich trug sie widerum zwei Pergamente. Wie in Trance, so schien es, streckte Dumbledore seinen langen Arm aus und griff nach dem einen Blatt, während die Stellvertretende Schulleiterin sich den anderen Zettel schnappte.  Dumbledore hielt es von sich und las stumm den Namen, der darauf geschrieben war. Eine lange Pause trat ein, während deren Dumbledore und McGonagall jeweils auf die Blätter in ihren Händen starrten. Dann warfen sich beide einen letzten Blick zu und sprachen laut die Namen.

"Harry Potter!", rief Dumbledore. "Emily Avens", sagte McGonagall mit fester Stimme. Emilia wandte ihren Blick wie in Zeitlupe zu ihrer Schwester und sah diese entsetzt an. Wie konnte sie ein Champion sein? Sie war minderjährig! Und noch dazu wusste Emilia nicht einmal, wie ihre Schwester ihren Namen in den Kelch geworfen haben sollte. Doch Emily grinste und erhob sich siegessicher.

"Du wolltest das?", flüsterte Emilia geschockt.

"Ich wurde mein Leben lang darauf vorbereitet", antwortete diese lächelnd und bahnte sich ihren Weg durch die entsetzte Menge. Sie ging vorbei an McGonagall, die Dumbledore leise etwas zuflüsterte, und verschwand dann lautlos durch die Tür in die Kammer. Emilia saß erstarrt auf ihrem Platz und sah hinüber zu Potter, den es wohl ebenso unerwartet getroffen haben musste. Mehrmals musste er aufgerufen werden, bis er sich erhob und durch die Hintertür verschwand.

"Nun ... im Moment kann ich nicht viel mehr sagen, als dass das ganze ein großen Missverständnis sein muss ... Bitte entschuldigt mich ... Gute Nacht zusammen!", sprach Dumbledore, dann rauschte er zusammen mit einigen anderen Lehrern in die Kammer zu den fünf Champions.

"Wie hat sie ihren Namen in den Kelch bekommen?", murmelte Emilia verzweifelt.

"Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher, Dumbledore wird es rausfinden", versuchte ihr Freund sie aufzumuntern.

"Vielleicht. Wie konnte sie das nur machen? Und wieso wollte sie es? Das konnte sie doch nie gewollt haben! Das ist gefährlich, lebensgefährlich!", schluchzte Emilia. "Und sie hat sich gefreut. GEFREUT!"

"Ich kann es genauso wenig fassen wie du, warum sie das wollte. Aber ich bin mir sicher, sie wird es dir erklären", meinte Blaise und zog seine Freundin näher zu sich. Emilia vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und bemerkte gar nicht, dass die anderen Schüler wild diskutierend die Halle verließen. Daphne und Draco, die beide in der Nähe der Tür gestanden hatten, kamen zu den zwei Slytherins und versuchten, Emilia zu trösten.
"Ich muss allein sein", murmelte Emilia leise und sprang auf. Schnell verschwand sie aus der Großen Halle. Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie verzog ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Auf dem Weg in den Astronomieturm lief sie zu allem Übel auch noch Granger über den Weg.
"Verpiss dich", zischte Emilia, als Hermine ihr den Weg versperrte.
"Geht es dir gut?"
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Granger", spukte Emilia den Namen ihrer ehemaligen Freundin aus. 
"Na dann", meinte Hermine nur und machte Platz, damit Emilia gehen konnte. Diese drückte sich wütend an ihr vorbei, wobei sie es sich nicht nehmen ließ, der Gryffindor noch einmal ihren Arm ins Becken zu schlagen. Schluchzend brach Emilia auf dem Astronomieturm zusammen. Sie lag zusammengesunken an der Wand und ließ ihren Tränen ausnahmsweise mal freien Lauf.
Wie konnte Emily ein Champion sein? Wie war das möglich? Es sollte doch nur drei geben! Hatte sie womöglich von Anfang an vorgehabt, ihren Namen in den Kelch zu werfen? Wie konnte der Kelch zwei Leute von jeweils einer gleichen Schule auswählen?
Deprimiert ließ sie ihren brummenden Schädel auf ihre Hände sinken. Was wollte Emily nur bezwecken? WIESO hatte sie das getan? Nichts ergab Sinn. Was hatte Krum noch gemeint? Emily sollte ihre Gefühle verloren haben. Ob da wohl etwas dran war? Im moment war sich Emilia nicht so sicher, was sie von ihrer Schwester halten sollte.
"Hier bist du", hörte Emilia plötzlich eine Stimmte hinter sich, drehte sich aber nicht um, um nachzusehen, wer da war.
"Wie lange bist du schon hier oben?"
"Eine Weile", antwortete Emilia nur monoton. Daphne setzte sich unaufgefordert neben ihre Freundin und sah diese skeptisch an.
"Es tut mir Leid, dass ich in letzter Zeit kaum für dich da war -", fing Daphne an.
"Spar dir das. Ich verstehe, wenn du dich lieber mit Cedric getroffen hast."
"So ist das nicht ... Es ist nur, dass ich Draco aus dem Weg gehen wollte. Und du warst so gut wie immer bei ihm, also ging es nicht anders. Das soll keine Ausrede sein, mein Verhalten war scheiße, ich gebe es zu. Aber ich kann es nicht rückgängig machen", erklärte Daphne leise und fixierte einen Punkt in weiter Ferne.
"Du hast Recht, du kannst es nicht rückgängig machen. Aber ist ja schon mal ein Anfang, dass du einsiehst, ein Fehler gemacht zu haben", sprach Emilia. "Hast du das mit Draco geklärt?"
"Er hat Schluss gemacht. Meinte, er hätte sowieso schon länger den Verdacht gehabt ... "
"Dein Verhalten ihm gegenüber war richtig scheiße", platzte Emilia raus. "Das hätte ich echt nicht von dir erwartet."
"Ich weiß. Kommt nicht wieder vor, versprochen", meinte Daphne und hielt ihrer Freundin die Hand hin. Diese nahm sie nickend und umklammerte sie.
"Darf ich dich mal was fragen?", fragte Daphne nach einer Weile.
"Nur zu."
"Was hat das Tattoo auf deinem Arm zu bedeuten?", fragte sie neugierig und zeigte auf Emilias Oberarm.
Emilia wusste, dass sie dort eine Art Tattoo hatte, aber sie hatte es nie richtig zur Kenntnis genommen. Deshalb wusste sie auch nicht, was es bedeutete.
Emilia zuckte die Schultern. "Hab ich mir vielleicht irgendwann mal machen lassen, jedenfalls habe ich keine Ahnung, was das nun bedeutet."
"Hm", machte Daphne nur. "Sieht aber schön aus."
"Danke", lächelte Emilia ihre Freundin an.
"Du hast mir noch gar nichts von deiner Schwester erzählt", stellte Daphne fest.
"Frag sie selbst, ich kann dir zu ihr nicht wirklich viel sagen", meinte Emilia. "Morgen treff ich mich mit einer scheinbar alten Freundin von mir in der Bibliothek."
"Wozu?"
"Wir wollen etwas recherchieren. Und zwar hat Marie mir Briefe geschickt, die bei mir jedoch nie angekommen sind", erzählte Emilia. "Wie spät ist es?"

"Wir haben noch eine Stunde bis zur Sperrstunde", murmelte Daphne. "Wieso fragst du?"

"Glaubst du, die Champions durften schon gehen? Ich würde mich gerne noch mit meiner Schwester unterhalten", sagte Emilia aus zusammen gebissenen Zähnen.

"Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, aber ich denke schon, dass sie mittlerweile fertig sein dürften", murmelte Daphne. "Kommst du? Ich helfe dir suchen."

Emilia nickte leicht und erhob sich. Einen letzten Blick warf sie noch über ihre Schulter auf die herrliche Aussicht, die man auf dem Astronomieturm hatte, dann stieg sie leise die Treppe hinunter. Daphne folgte ihr auf Schritt und Tritt. Schweigend liefen die beiden neben einander her, bis Emilia das Schweigen durchbrach.

"Glaubst du wirklich, Emily hat ihren Zettel in den Kelch geworfen?"

"Ich weiß es nicht. Ich würde dir ja gerne etwas aufmunterndes dazu sagen, aber das kann ich nicht. Ich würde es ihr zutrauen, aber ich kenne sie gar nicht richtig ..." Zum Ende hin wurde Daphnes Stimme immer leise, bis Emilia sich wirklich anstrengen musste, um zu verstehen, was ihre beste Freundin sagte.

"Das ist auch mein Problem. Ich kenne sie genau so wenig", meinte Emilia. "Ich kann sie absolut nicht einschätzen. Aber sie ist auf jeden Fall vom Charakter ganz anders als ich. Schon allein, dass sie sich gefreut hatte, beim Turnier dabei zu sein, beweist das."

"Warte es ab, sie wird es dir erklären", beruhigte Daphne ihre Freundin. "Mach dich nicht verrückt deswegen, das bringt gar nichts."

"Da sind die Champions!", rief Emilia, als sie sah, wie Potter und Krum aus der Großen Halle traten. Hinter ihnen liefen die beiden Mädchen, Emily noch immer ein breites Grinsen auf den Lippen.

"Das schaffst du allein", sagte Daphne leise. "Ich warte im Gemeinschaftsraum." Emilia nickte nur und ging mit langsamen Schritten auf ihre Schwester zu, die wie angewurzelt in der Tür stehen geblieben war und Emilia nun mit unergründlichem Blick anstarrte.

"Was haben sie gesagt?", fragte Emilia, der nichts besseres einfiel, um das Gespräch zu beginnen. Sie wollte schließlich auch nicht mit der Tür ins Haus fallen, wie man bei den Muggel so schön sagte.

"Nichts besonderes. Haben uns nur ein paar Anweisungen gegeben für die nächsten Wochen. Erst haben sich alle gestritten, ob Potter und ich nun wirklich im Turnier sind, aber Crouch und Bagman meinten, dass es für uns kein Zurück gäbe. Du schaust doch bei den Aufgaben zu, oder?", fragte Emily ihre Schwester, doch ihre Augen wirkten immer noch so eisig. Es war nichts mehr von der sanften Art bei ihr zu spüren. 

"Natürlich schau ich zu ... Hast du deinen Namen in den Kelch geworfen?", fragte Emilia unvermittelt. 

"Willst du mich jetzt auch so ausfragen wie euer Schulleiter? Das kannst du dir sparen. Ich werde weder ihm noch dir verraten, wie ich meinen Namen in den Kelch bekommen habe", meinte Emily nur knapp und wandte sich zum Gehen um. 

"Was ist los mit dir? Heute morgen warst du mir gegenüber noch viel aufgeschlossener, hättest mir alles erzählt! Und jetzt? Bei Merlins Bart, ich bin deine Schwester!", zischte Emilia. 

"Ach ja? Was bitte hab ich dir denn heute morgen von mir erzählt? Du weißt gar nichts über mich!" Emily trat näher an ihre Schwester und baute sich drohend vor ihr auf. "Nur, weil du meine Schwester bist, muss ich dir nicht vertrauen." 

"Gerade weil ich deine Schwester bin, solltest du mir vertrauen! Wenn du nicht einmal mir vertraust, wem dann? Wer kommt an dein gefühlloses Herz ran?", fragte Emilia bissig. Obwohl ihr klar war, dass sie sich jetzt gerade auf das Niveau ihrer Schwester begab und beleidigend wurde, machte sie weiter. 

"Du sicher nicht! Ich konnte dich noch nie so wirklich leiden. Ich hab nie verstanden, wie du dich mit Blutsverrätern anfreunden und unseren Namen in den Dreck ziehen konntest. Du hast doch wirklich null Ahnung von unserer Familie!", zischte Emily leise.

"Wie soll ich auch irgendwas von unserer Familie wissen, wenn mein Gedächtnis gelöscht wurde und du mir nichts verrätst!?", fragte Emilia aufgebracht.

"Bist du so dumm oder stellst du dich nur so? Komm schon, als wärst du noch nie auf die Idee gekommen, deinen Namen in der Bibliothek zu recherchieren! Du bist ja noch erbärmlicher als ich dachte." Emilys Stimme war nun kaum noch hörbar, doch Emilia verstand sie auch so. Emily wirkte bedrohlich, einschüchternd und ihre Schwester fragte sich, ob ihre Eltern wohl genauso gewesen waren.

"Bis du aufgetaucht bist, wusste ich nicht einmal meinen Nachnamen!"

"Wird ja immer schlimmer hier", murmelte Emily. "Ganz ehrlich, Mutter wäre von dir mehr als enttäuscht gewesen." Damit drehte sich Emily endgültig um und verschwand durch die große Eingangshalle nach draußen in die herbstliche Kälte. Emilia stand erstarrt da, obgleich sie wusste, dass es schon weit nach Sperrstunde war. Eigentlich durfte sie sich nicht mehr auf den Gängen aufhalten. Kopfschüttelnd machte sie sich auf in den Gemeinschaftsraum, wo sie erwartete, dass Daphne auf sie wartete. Doch statt Daphne fand Emilia nur Blaise, der sich zu ihr umwandte, als er sie sah. Mit einem Lächeln kam er auf sie zu und schloss sie in seine Arme.

Emilia jedoch ließ keine Gefühlsregung zu und setzte ihre altbekannte Miene auf. Blaise, der davon sichtlich verwirrt war, zog seine Freundin auf einen der Sessel, wo sie sich fallen ließ. Er selbst setzte sich zwischen ihre Knie auf den Boden und nahm ihre Hände. Schweigend saßen sie einige Zeit allein in dem Raum, bis Emilia die Stille brach.

"Ich sollte ins Bett gehen", meinte sie nur emotionslos und erhob sich. Schnell hauchte sie Blaise noch einen Kuss auf die Wange, dann verschwand sie im Schlafsaal, wo sie sich seufzend auf ihr Bett schmiss. Sie machte sich gar nicht mehr die Mühe, sich ihre Kleidung auszuziehen, denn sie war so müde, dass sie gleich darauf einschlief.

 

***

"Ah, Miss Callahan, ich habe Sie schon erwartet", sprach ein alter Mann mit weißen Bart, der geschäftig auf seinem Schreibtischstuhl saß und die Frau durch seine Halbmondbrille musterte. Ein warmes Lächeln zierte das alte, faltige Gesicht des Mannes, welches die Frau dazu veranlasste, ebenfalls kurz zu lächeln.

"Sie wollten mich sprechen, Sir", fing die junge Frau an. Anstatt zu erklären, warum er sie herbestellt hatte, wies Dumbledore sie nur an, sich vor ihn zu setzen.

"Zitronenbonbons?", fragte er belustigt. Callahan schüttelte den Kopf, woraufhin Dumbledore endlich mit der Sprache rausrückte.

"Ich wollte mit Ihnen über Ihr Pflegekind reden", meinte dieser und beobachtete sein Gegenüber genau. Jede Reaktion der Frau prägte er sich gut ein. "Wie Sie mittlerweile ja gesehen haben sollten, läuft Emilia zurzeit mit einem Mädchen durch Hogwarts, welches ihr ähnelt. Es besteht kein Zweifel, dass die beiden Geschwister sind."

"Nun, tatsächlich hat mich das etwas verwundert", bemerkte die Frau langsam, nachdem sie über Dumbledores Wort nachgedacht hatte. "Was hat das nun mit mir zu tun?"

"Da wir nun den Nachnamen Ihres Pflegekinds haben, habe ich mir mal einige Gedanken darüber gemacht und ein wenig recherchiert", erklärte Dumbledore. "Wir haben den Vater der beiden ausfindig gemacht, jedoch weiß keine der beiden Geschwister davon. Den Vater habe ich selbstverständlich in Kenntnis gesetzt."

"Was ist mit der Mutter?", fragte Callahan interessiert.

"Sie lebt seit geraumer Zeit in Askaban."

Erschrocken sah Isabelle ihr Gegenüber an. War die Mutter von Emilia also ein Straftäter? Was hatte sie schlimmes verbrochen, dass sie in Askaban saß? "Was ist passiert?", fragte sie deshalb leise.

"Ende Juli des Jahres 1979 wurden die beiden geboren. Ihr Vater hatte Scarlett Avens schon vor einiger Zeit verlassen. Nun musste Scarlett ihre beiden Töchter also alleine aufziehen, was auch ganz gut funktionierte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Voldemort von den beiden erfuhr. Scarlett wurde bedroht, schloss sich ihm dann aber verängstigt an, damit er ihre Kinder nicht umbrachte. Sie hat sich nach seinem Sturz gut versteckt, deswegen wurde sie erst letztes Jahr vom Ministerium gefangen."

"Das ist ja schrecklich! Haben Sie denn schon genaueres von Emilia erfahren? Wie sie ihre Erinnerungen verloren hat, zum Beispiel", fragte Isabelle.

"Nun, ich habe da so eine Vermutung. Womöglich wurde sie von Todessern entführt und um das zu verschleiern, wurde sie ihr Gedächtnis beraubt."

"Das dachte ich anfangs auch. Doch sie ist der festen Überzeugung, dass sie zweimal ihr Gedächtnis verloren hat."

"Zweimal? Dann bleibt nur eine Möglichkeit, wenn ich mich recht entsinne", murmelte Dumbledore. Das Grinsen auf seinem Gesicht war nun verschwunden.

"Welche?", hauchte Isabelle.

"Sie dürfen es ihr nicht sagen", sagte Dumbledore eindringlich. Isabelle nickte.

 

***

Als Emilia nächsten Morgen aufwachte, hatte sie üble Kopfschmerzen. Müde rieb sie sich die Schläfen und ließ sich dann zurück in ihr Kissen fallen. Es war noch viel zu früh, um aufzustehen. Alle anderen aus ihrem Schlafsaal schliefen noch tief und fest, also machte sich Emilia mürrend daran, ihre Sachen zusammen zu sammeln und dann im Bad zu verschwinden. Als sie eine halbe Stunde später fertig umgezogen wieder aus dem Bad kam, war nur Liliths Bett schon leer. Zwar hatte Emilia nicht mitbekommen, dass ihre Freundin aufgestanden war, doch wahrscheinlich saß Lilith nun unten in der Großen Halle mit ihrem Freund. Da Emilia weder Hausaufgaben hatte noch zu lernen, ging das Mädchen nach unten zum Frühstück. So früh am morgen waren nur wenige dort, am ganzen Slytherintisch nur noch 6 weitere Personen. Unter ihnen war auch Emily, ihre Zwillingsschwester, die ihr seit gestern gehörig auf die Nerven ging.
Emily hatte sie angeschrien und ihr klargemacht, dass sie eigentlich nichts mit ihr anfangen kann und will. Emily wollte nichts mit ihr zu tun haben, das war mehr als offensichtlich. Trotzdem hatte Emilia den Drang, sich jetzt zu ihr zu setzen, einfach, damit es nicht so aussah, als hätte sie keine Freunde. Kopfschüttelnd setzte sie sich ans Ende des Tisches und nahm sich einen Apfel, auf dem sie lustlos herumkaute.
Sie spürte die Blicke Emilys auf sich, die zusammen mit Krum etwas weiter weg von ihr saß. Leise konnte man die beiden reden hören, doch Emilia verstand nicht, was sie sagten. Sie versuchte, möglichst überall hinzuschauen, nur nicht zu ihrer Schwester Emily.
"Willst du mich den ganzen Tagen beobachten!? Hast du nichts zu tun?", fragte Emilia nach einigen Minuten kühl nach.
"Nein, tut mir Leid, Schwesterherz, ich habe Ferien", lächelte diese distanziert. Ihr Lächeln war kalt und berechnend und nicht annähernd freundlich.
"Das glaubst auch nur du", meinte Emilia daraufhin nur, denn ihr fiel keine schlagfertige Antwort ein.
"Nein, das glauben viele. Und auch du weißt, dass ich Recht habe", meinte Emily abschätzend. "Läufst du immer in solchen Klamotten rum?"
Emilia sah an sich herunter. Was war daran falsch, so liefen alle rum. Sie trug einen schwarzen Minirock, dazu ein passendes grünes Shirt und ihr Slytherinumhang.
"Im Gegensatz zu dir laufe ich hier nicht wie 'ne Schlampe rum", lächelte Emilia ihre Schwester herzlich an. Dessen Gesicht lief gerade von einer matten hautfarbe rot an.
Dann stand sie mit zusammengebissenen Zähnen auf und lehnte sich über den Tisch zu ihrer Schwester, bis ihre Nasen sich fast berührten. "Jetzt hör mir mal zu. Ich lasse mich von dir ganz bestimmt nicht runter machen. Wenn du mich also noch einmal ansprichst, wird dir das passieren, wovor du dich am meisten fürchtest."
Dann setzte Emily wieder ihr strahlendes Lächeln auf und folgte Krum, der soeben schlecht gelaunt an den beiden Mädchen vorbei gelaufen war.

***

Ziellos wanderte Emilia durch die Gänge. Sie war abgehauen, nachdem sie sich mit ihrer Schwester gestritten hatte. Denn auch wenn sie sich noch nicht sehr lange kannten, so tat es weh.
Ihre Kopfschmerzen hatten nicht nachgelassen, im Gegenteil, sie waren eher noch schlimmer geworden. Emilia wusste nicht, woher die kamen, aber sie war sich sicher, dass diese schon wieder weggehen würden.
Mittlerweile war sie mal wieder im Gang zum Astronomieturm angekommen, allerdings wollte sie dort eigentlich gar nicht hin. Trotzdem ging sie weiter die Treppen hoch und machte es sich oben in der Kälte wenigstens einigermaßen bequem. Zitternd schlang sie ihre Arme um die angezogenen Beine und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Tränen rannen ihr aus den Augen, während sie stumm weinte.
Musste eigentlich alles in ihrem Leben so enden? Wieso musste ihre Schwester sie so behandeln, wo sie doch beide keine Familie mehr hatten. Interessierte es Emily überhaupt? Wenn man von ihren Taten Emilia gegenüber ausging, nicht. Wieso mussten solche Sachen immer ihr passieren? Wieso wurde ausgerechnet sie gefoltert?
"Oh mist", meinte Emilia ängstlich und biss sich auf die Zunge. Kaum hatte sie das Wort 'foltern' auch nur gedacht, schon zuckten unerwünschte Erinnerungen vor ihr inneres Auge.
Emilia lag zusammengekauert und blutüberströmt vor dem jungen Zauberer Lucius Malfoy. Sie war nicht bei Bewusstsein, weshalb sie auch nichts von den Taten Lucius mitbekam. Moment, Lucius war es, der sie gefoltert hatte? Wie konnte er nur! Der Vater ihres besten Freundes tat ihr sowas an?
"Es tut mir Leid, Kleine", flüsterte er und kniete sich vor sie hin. Dann strich er sanft über ihren Arm, nein, nicht über ihren Arm, sondern über ihr  Tattoo. Bewundernd fuhr er die Linien nach. "Du bist es also wirklich", murmelte Lucius weiter fassungslos. "Die Prophezeihung wird in Erfüllung gehen, du musst es einfach schaffen." Nun sah es ganz danach aus, als wenn Lucius sie nicht einmal freiwillig folterte. Bedrohte Voldemort ihn womöglich mit seinem Leben?  Langsam erhob sich Lucius Malfoy und lief den Gang entlang durch eine Tür.
Was bei Merlins Bart war das gewesen? War tatsächlich Lucius Malfoy dafür verantwortlich, dass sie so schlimm verletzt im Krankenhaus landete? Emilia konnte und wollte dies nicht glauben. Sie würde Draco fragen.
Blieb noch eine andere Frage: Von welcher Prophezeihung sprach der Mann? Betraf die Prophezeihung etwa sie selbst? Was musste sie tun?

Deprimiert schlug sie mit ihrer Hand auf den Boden, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Auf wen genau sie wütend war, wusste sie gar nicht. Vielleicht auf Voldemort, oder auf Lucius Malfoy, oder, viel wahrscheinlicher, auf sich selbst. Doch das war es nicht, was sie bedrückte. Nein, sie war traurig und verspürte mit einem Mal eine seltsame Leere in sich, wie sie sie noch nie gespürt hatte. Erneut bahnten sich ihre Tränen den Weg aus ihrem Auge, diesmal schluchzte sie jedoch laut. Völlig fertig lag sie am Boden, weinte, und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Wofür lohnte es sich überhaupt noch zu leben? Sie hatte niemanden mehr. Gut, Blaise und Daphne, aber die beiden würden ohne sie auch besser dran sein. Sie liebte Blaise ... wenn das überhaupt möglich war, denn im moment fühlte sie einfach gar nichts. Eine innere Leere hatte sich in ihr ausgebreitet.

'Tief durchatmen, Emilia. Du willst dich nachher doch nicht vor den anderen blamieren.' Die Vernunft in ihr meldete sich zu Wort. Sie durfte nicht weinen, denn dann würden es die anderen ihr nachher bestimmt ansehen. Das würde ihrem Ruf und dem ihres Vormunds schaden, sagte sie sich immer wieder, doch die Tränen wollten einfach nicht zurück bleiben. Langsam liefen sie an ihren Backen hinab und tropften auf den Boden vor ihr.

Kopfschüttelnd, um den Kopf wieder frei zu bekommen, erhob sie sich und schritt zum Rand des Astronomieturms, von wo man eine atemberaubende Sicht auf die Ländereien Hogwarts' hatte. Diese konnte Emilia jedoch nicht wirklich genießen, denn noch immer bahnten sich mehr und mehr Tränen den Weg an ihrem Gesicht herunter. Schnell kniff sie die Augen zusammen, um die Tränen zurück zu halten, und drehte sich um, wobei ihr mit einem Mal ein greller Schmerz durch den Kopf ging. Diesen Schmerz jedoch fand Emilia keinesfalls unangenehm, sondern er half ihr, den Kopf wieder klar zu kriegen und die Tränen zu unterdrücken.

Schnell sah sie sich nach der Ursache des Schmerzes um und musste feststellen, dass sich auf ihrem linken Arm ein ziemlich großer Schnitt von der Hand bis zum Ellenbogen zog, aus dem das Blut nur so hinauslief. Ägnstlich drückte die Slytherin ihre Hand auf die Wunde und setzte sich wieder an den Platz. Dort saß sie eine Weile, bis ihre Wunde aufgehört hatte zu bluten und sie sich beruhigt hatte, dann erhob sie sich und setzte ihre gleichgültige, kalte Miene auf ihr Gesicht. Niemand durfte sehen, was sie gerade erlebt hatte.

Gefasst lief sie schnell die Stufen hinunter, wobei sie der ein oder andere Schüler zwar komisch anschaute, aber niemand sagte etwas. In weniger als zehn Minuten hatte sie den Gemeinschaftsraum erreicht, doch zu ihrem Entsetzen wartete ihr Freund schon auf sie.

"Emilia! Was ist los? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, weil du nicht beim Unterricht warst. Wo warst du?", fragte Blaise sogleich und kam auf sie zugerannt.

"Sorry, Blaise, aber ich muss mich erst mal umziehen. Wir sehen uns später", murmelte die junge Slytherin und lief schnell hinauf in ihren Schlafsaal, bevor Blaise ihr auch nur widersprechen konnte. Erleichtert erkannte sie, dass sich außer ihr niemand im Schlafsaal befand, also kniete sie sich vor ihren Koffer und zog einen Verbandskasten heraus, den sie für Notfälle eingepackt hatte. Dieses hier war ein Unfall. Der Schnitt tat noch immer weh, aber das fand Emilia nur beruhigend. Zu Madame Pomfrey konnte sie also nicht gehen, denn dann wäre ihre Wunde innerhalb weniger Minuten nicht mehr zu sehen.

Schnell umwickelte sie ihre Wunde leicht, sodass sie nicht gleich wieder anfing zu bluten, dann schritt sie ins Badezimmer und zog sich wärmere Kleidung an. Dass sie gefroren hatte, war ihr auf dem Astronomieturm gar nicht aufgefallen, doch jetzt zitterte sie am ganzen Leib unkontrolliert. Sollte sie Blaise wirklich so unter die Augen treten? Er würde sie ja doch nur ausquetschen. Aber vielleicht hatte sie Glück und er würde gleich zum Mittagsessen gehen, wie er es immer tat. Emilia jedenfalls hatte keinen Hunger, auch wenn sie morgens auch nur einen Apfel gegessen hatte.

Langsam ging Emilia zur Treppe und schaute sich vorsichtshalber im Gemeinschaftsraum nach Blaise um, ging dann, als sie ihn nirgends sah, nach unten und schnurstracks zur Bibliothek, wo sie sich ja mit ihrer ehemaligen Freundin treffen sollte. Ihre Miene war die gleiche wie immer, schließlich hatte die junge Slytherin darin schon jede Menge Übung. Niemand, der sie nicht kannte, würde wissen, wie es ihr wirklich ging.

"Da bist du ja", lächelte Marie ihre ehemalige Freundin schüchtern an. Diese nickte nur und folgte Marie zu einem der Tische, auf denen schon eine Vielzahl an Büchern lagen. Marie hatte die doch nicht etwa alle schon durchsucht ...?

"Diese hier habe ich alle überflogen, da steht nichts wichtiges oder auch nur annähernd interessantes drin. Aber ich denke, in dieser Abteilung der Bibliothek sind wir doch richtig, immerhin stehen hier lauter Bücher über solche Sachen wie Tiere und Eulen und so ...", erklärte Marie. Emilia nickte wieder nur und machte sich daran, einige Bücher aus dem Bücherregal zu nehmen und zu überfliegen. Besonders hervor stach ihr dabei ein Buch über Animagi, welches sie sehr interessant fand. Kurzerhand lieh sie es aus und beschloss, es nachher anzufangen zu lesen, da sie ohnehin nichts besseres zu tun hatte. Doch auch drei Stunden später fanden sie nichts über Eulen heraus, was sie nicht vorher schon gewusst hatten. Anscheinend gab es solche Fälle kaum, dass Briefe nicht ankamen.

"Es gibt zwei Möglichkeiten, warum ich deine Briefe nicht bekommen habe: Einmal, dass deine Eule zu schwach war, um so weit zu fliegen. Fraglich ist dann aber wieder, wieso sie zurück kam. Zweite Möglichkeit wäre, dass jemand die Eule abgefangen hat, ich persönlich finde es wahrscheinlicher, allerdings wüsste ich nicht, wer das gewesen sein sollte", erklärte Emilia, als die beiden die Bibliothek verließen, Emilia mit ihrem ausgeliehenen Buch unter dem Arm.

"Das finden wir heraus, glaub mir", grinste Marie leicht. "Ich gebe nicht auf."

"Danke", murmelte Emilia und nickte Marie zu. Doch sie lächelte nicht. Ihre Miene war komplett ausdruckslos.

"Was ist los? Willst du reden?", fragte Marie vorsichtig.

"Na ja ... ja, will ich. Komm mit", flüsterte Emilia und zog Marie mit in ein leeres Klassenzimmer, welches sie auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum fand.

"Es geht um Emily", meinte Emilia leise und setzte sich auf einen der Tisch am Fenster, sodass sie hinaus schauen konnte.

"Was hat sie angestellt?"

"Sie ... ach, ich weiß auch nicht. Den einen Tag war sie total nett zu mir, war wirklich wie eine Schwester. Und dann, als sie Champion wurde, hat sie mich nur dumm angemacht. Seit dem ignoriert sie mich, oder macht mich fertig." Noch immer war Emilias Stimme ausdruckslos, doch Marie erkannte trotzdem, wie sehr es ihre alte Freundin mitnahm. "Als ich sie gefragt habe, wieso sie unbedingt teilnehmen wollte an diesem beschissenen Turnier, meinte sie, sie hätte nur darauf trainiert."

"Ja, ich denke, sie hat dir einiges von sich nicht erzählt", murmelte Marie leise. "Soll ich versuchen, dir die Situation zu erklären?" Emilia nickte nur und starrte weiterhin gebannt durch das Fenster, als wenn das wirklich interessant wäre, was dort draußen passierte: nämlich nichts. Kein Schüler hatte sich bei dem Wetter nach draußen verirrt, was sollte man auch im Herbst, bei solch einer Kälte, machen?

"Nun, Emily geht nicht nach Durmstrang auf die Schule. Und sie ist auch nicht 'normal'. Sie wuchs zusammen mit dir bei eurer Mum auf, doch diese sorgte sich kaum um euch, keine Ahnung, was vorgefallen war. Na ja, als sie dann nach Durmstrang kam, erkannte man ihr Quidditch-Talent und auch sonst war sie praktisch in allem besser als wir anderen. Sie wurde ein Quidditch-Star, spielte in einer der besten Mannschaften Bulgariens. In der zweiten Klasse kamst dann du und ihr dachtet euch wegen eures Aussehens, dass ihr Zwillinge seid. NIEMAND konnte es je beweisen. Na ja, am Ende des dritten Schuljahrs habt ihr dann beschlossen, zusammen eure Ferien zu verbringen. Doch als sie aus dem Schiff stieg, warst du bereits weg, sie konnte dich nicht finden. Ich vermute, jemand hat dich entführt, aber das ist Nebensache. Sie hat dich tagelang gesucht, war völlig fertig, hat Krum mir geschrieben. Jedenfalls kam auch sie zum vierten Jahr nicht wieder, denn wie wir erfuhren, wurde sie von der Schule geschmissen. Keine Ahnung, wo sie in der Zeit war. Erst, als unsere Schule erfuhr, dass wir zum Trimagischen Turnier nach Hogwarts reisen würden, kam sie zu einem Fest. Allerdings hat sie die ganze Zeit mit den Älteren rumgehangen und war anscheinend auch nur da, weil sie singen musste mit einer Band zusammen. Na ja, bis heute weiß ich nicht, welche Schule sie besucht, doch Durmstrang jedenfalls nicht. Ich weiß nicht einmal, wieso sie hier ist. Auf dem Schiff wird sich das Maul über sie zerrissen", erklärte Marie ohne Pause.

"Warum lässt Karkaroff sie mit nach Hogwarts kommen, obwohl sie nicht einmal auf seine Schule geht?", überlegte Emilia laut. "Vielleicht, weil er Mitleid mit ihr hat und sie deshalb dort nach mir suchen lässt."

"Oder deine Schwester wurde wieder aufgenommen, was allerdings unwahrscheinlich ist. Ich hab sie nie im Unterricht gesehen."

"Sie könnte auch als Unterstützung für irgendjemanden mitgekommen sein", meinte Emilia.

"Oder ... sie dient Du-weißt-schon-wem. Dass Karkoroff ihm dient, weiß die ganze Schule. Und auch viele Schüler haben Dreck am Stecken."

Auseinandersetzung

"Was macht ihr zwei gerade?", fragte Emilia leise. Sie hatte sich von hinten über das Sofa gebeugt und lehnte ihren Kopf gegen Blaise Schulter.

"Reden, nichts wichtiges", murmelte Blaise.

"Das sah aber alles andere als unwichtig aus", grinste Emilia, ließ die beiden aber dann mit dem Thema in Ruhe. "Was wollen wir denn jetzt machen? Ich hätte Zeit."

Draco zuckte die Schulter und erhob sich. Dann drehte er sich zu dem Paar um und grinste: "Ich weiß ja nicht, was ihr macht, aber ich gehe Hausaufgaben machen." Damit verschwand er aus dem Gemeinschaftsraum.

"Der macht doch nicht im Ernst Hausaufgaben", murmelte Emilia.

"Glaub ich auch nicht so wirklich. Wollen wir nach oben?", fragte Blaise leise und nahm Emilias Hand in seine. Diese nickte und so zog er seine Freundin in den Jungenschlafsaal, wo sie sich auf sein Bett fallen ließen.

Eng aneinander gekuschelt lagen die beiden auf dem Bett, doch Emilia ahnte, dass das nicht lange so bleiben würde.

Blaise würde gleich bestimmt seine Finger nicht mehr von ihr lassen können, doch heute hatte Emilia absolut keine Lust auf Sex. Vor allem, weil dann ihre Verletzung sichtbar werden würde. Und dann würde Blaise sie zu Madame Pomfrey ziehen.

"Wo warst du heute eigentlich im Unterricht?", fragte Blaise und drehte sich so, dass er seiner Freundin in die Augen schauen konnte.

"Mir ging es nicht so gut -"

"Warst du bei Madame Pomfrey?", unterbrach Blaise sie.

"Nein, warum auch? Mir gehts wieder gut, wirklich."

Misstrauisch beäugte Blaise die junge Slytherin, welche genervt die Augen zusammen zog und aus dem Fenster starrte.

"Du wirkst heute so ... bedrückt. Was ist los?", fragte Blaise.

"Nichts ist los, ich bin heute nur einfach nicht gut drauf", murmelte Emilia abwehrend.

"Du weißt genauso gut wie ich dass das nicht stimmt", meinte der junge Slytherin. "Du kannst mit mir über alles reden."

"Ich will aber nicht über alles reden!", fauchte Emilia.

"Nur mit mir nicht oder allgemein?"

Daraufhin schwieg Emilia beharrlich, was Blaise annehmen ließ, dass sie nur mit ihm nicht reden wollte.

"Wieso willst du nicht mit mir reden?", fragte er und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme leicht vorwurfsvoll klang.

"Es ist nicht so, dass ich gar nicht mit dir reden will. Ich will nur einfach darüber nicht reden", zischte Emilia leise.

"Vertraust du mir nicht?", flüsterte Blaise und strich ihr eine Strähle aus dem Gesicht.

"Natürlich vertrau ich dir", widersprach Emilia. "Blaise, lass das!"

"Was mache ich denn?", fragte er unschuldig.

"Wir haben hier gerade ein ernstes Gespräch, aber du musst natürlich wieder versuchen, mich rumzukriegen."

"Ist das denn schlimm?"

"Mädchen wollen nicht immer nur Sex, sondern einfach mal ein bisschen kuscheln und reden, das solltest du dir für die Zukunft merken", meinte Emilia, wobei sie ihn immer noch nicht ansah.

"Für die Zukunft? Also für andere Mädchen?", fragte er.

Emilia sah ihn scharf an. "Du Arschloch!", zischte sie und sprang aus dem Bett, ehe er überhaupt wusste, wie ihm geschah. So schnell wie möglich rannte sie aus seinem Zimmer, direkt durch den Gemeinschaftsraum in ihr eigenes Bett, wo sie sich schluchzend unter ihrer Decke vergrub.

Wie konnte Blaise ihr nur sowas antun? Wieso redete er schon von anderen Mädchen, wo sie doch noch zusammen waren? Und das schlimmste: Sie waren noch nicht einmal lange zusammen! Wollte er sie wirklich schon wieder ersetzen?

Emilia konnte und wollte es nicht glauben, doch es war offensichtlich.

***

"Was ist denn mit dir los?", fragte Draco seinen besten Freund, als dieser sich neben ihn an den Schwarzen See setzte und schwieg. Wie in Trance blickte der junge Slytherin in den Himmel, in der Hoffnung, dort etwas aufschlussreiches zu finden.

"Ich war ein Arschloch, oder bin es noch immer", murmelte Blaise, zur Überraschung Dracos.

"Wie meinst du das denn jetzt?", fragte dieser nur irritiert, da er sich keinen Reim auf die Worte seines besten Freundes machen konnte.

"Emilia ist sauer auf mich, weil ich eine falsche Bemerkung gemacht habe", sagte Blaise deprimiert. Bisher hatte ihn das nie wirklich interessiert, wenn er falsche Bemerkungen gemacht hatte, doch diesmal war es anders. Nie hatte er ein Mädchen so aufrichtig geliebt wie seine derzeitige Freundin, doch trotzdem fiel er immer wieder zurück in sein altes Muster mit seinen Bemerkungen.

"Was ist daran bitte jetzt so schlimm? Du gehst zu ihr hin, entschuldigst dich und fertig."

"Sie ist kein Mädchen, mit dem man einfach umgehen kann, wie es einem gefällt. Sie ist anders ..."

"Oh man, dich hats ja echt schwer erwischt, mein Beileid", murmelte Draco, erhob sich und marschierte zurück zum Schloss, ohne noch einen Blick auf seinen besten Freund zu werfen. Blaise blieb sitzen und machte sich weiterhin Gedanken darüber, wie er sich bei seiner Freundin entschuldigen könnte.

***

 Nachdem Emilia sich beruhigt hatte, beschloss sie, den Rat ihrer ach so tollen Schwester zu befolgen und einfach mal in der Bibliothek über ihren Familiennamen zu recherchieren. Wie immer setzte sie ihre kalte, undurchdringliche Miene auf und marschierte los, ohne darauf zu achten, wer alles im Gemeinschaftsraum saß. Zum Glück lief ihr Blaise auch kein einziges Mal über den Weg, was sie ungemein erleichterte. Sie hatte noch keine Lust, sich ihm zu stellen. Und sowieso sollte er den ersten Schritt machen.

Zu ihrer Freude traf Emilia auch ihre neue-alte Freundin Marie in der Bibliothek an, die wohl nach etwas ganz bestimmten suchte.

"Hey, was suchst du?", fragte Emilia und beobachtete, wie Marie erschrocken zurück fuhr und zu ihr umdrehte.

"Emilia!", rief sie und umarmte ihre Freundin. "Ich suche ein paar Bücher über die Aufgaben im Trimagischen Turnier, wegen Krum weißt du."

Emilia nickte und versuchte, nicht gleich wieder an ihre Schwester zu denken. "Ich wollte ein wenig über meinen Nachnamen recherchieren."

"Ich bin mir nicht sicher, ob in diesen Büchern hier irgendwas über dich und deine Schwester drin steht."

"Wieso sollte ich über mich und meine Schwester etwas wissen wollen?", fragte nun Emilia irritiert.

"Äh ... ", sagte Marie, doch sie zögerte. "Was suchst du denn dann?"

"Ein paar Infos über meine Eltern, falls das in einem Buch überhaupt drin steht ... ich glaube nicht, dass sie solch interessante Persönlichkeiten waren."

Schweigend gingen sie beide ihren eigenen Recherchen nach, doch auch nach zwei Stunden hatte keiner von beiden etwas brauchbares gefunden. Emilia wurde klar, dass sie in solchen Büchern wohl auch gar nicht weitersuchen brauchte, da ihre Eltern bestimmt nicht so bekannt waren, in einem dieser Bücher aufzutauchen. Das hätte ihr eigentlich auch vorher schon klar gewesen sein müssen, doch sie hatte sich an ein letztes kleines bisschen Hoffnung geklammert. Die Hoffnung, die sie soeben aufgegeben hatte.

"Ich geh Hausaufgaben machen, du kommst allein zurecht?", fragte Emilia mehr der Höflichkeit halber als echter Besorgnis. Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie aus der Bibliothek zurück in den Gemeinschaftsraum, der um diese Uhrzeit seltsam leer war. Ein paar Siebtklässler, die für ihre UTZ lernten, saßen auf der Couch und diskutierten wild. Auch Blaise saß mit einem unbekannten Mädchen beim Kamin und flirtete augenscheinlich mit ihr. Doch als er seine Freundin sah, sprang er auf: "Emilia! Warte!"

"Lasst euch bloß nicht von mir stören", sagte diese jedoch nur kalt und ignorierte die Blicke der anderen, die sie im Rücken spürte. Zu gern hätte sie jetzt Blaises Gesicht gesehen, doch dem Drang widerstehend lief sie ohne sich umzusehen in ihren Schlafsaal, wo sie sich auf ihr Bett legte und tief ein- und ausatmete. Kurz schloss sie die Augen, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, dann war ihre Miene wieder kalt und emotionslos wie immer. Nun fiel ihr wieder das Buch ein, welches sie sich vor einigen Tagen ausgeliehen hatte. Neugierig zog sie es unter ihrem Bett hervor und begann darin zu lesen.

Darin wurde beschrieben, dass es ein langer Vorgang sei und dass es womöglich mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern könnte, bis man sich wirklich verwandeln kann. Ja, verwandeln. Sehr komplizierter Vorgang, wenn man dem Buch glauben sollte. Zunächst sollte man einige grundlegende Verwandlungen beherrschen, natürlich auch das Zaubern ohne Stab.

Vorerst versuchte sich Emilia daran, einfache Zauber ohne Zauberstab auszuführen, doch da sie daran schon scheiterte, sank ihr Optimismus, vielleicht irgendwann Animagus zu sein, erheblich. Trotzdem probierte sie Stunden lang verschiedene Zauber aus, bis sie, nachdem sie es das erste mal geschafft hatte, erschöpft auf ihr Bett sank. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass es wirklich so anstrengend war.

Müde und völlig k.o. legte sie ihr Buch wieder unter das Bett und kuschelte sich in ihr warmes, gemütliches Bett ein, welches heute noch verlockender zu sein scheint wie sonst. Schon nach wenigen Minuten schlief Emilia tief und fest und verschwendete keinerlei Gedanken mehr an die Hausaufgaben, die sie bis morgen hätte machen sollen.

***

Die Tage zogen sich dahin, denn Emilia hoffte jeden verdammten Tag darauf, dass Blaise sich entschuldigte, was er aber keineswegs tat. Stattdessen hing er lieber mit Daphne und den anderen Mädchen rum, weshalb Emilia nicht viel anderes übrig blieb als ihr Buch weiter zu lesen und Zauber zu üben, oder sie traf sich mit Draco und Marie, die ihr beide sehr ans Herz gewachsen waren. Emily hatte sie seit der Auseinandersetzung ebenfalls nicht mehr gesehen, doch das störte sie kaum. Ihre Schwester war ziemlich gemein zu ihr gewesen, deswegen wollte Emilia sich mit ihr nicht mehr abgeben.

"Kommst du? Oder willst du wieder zu spät zum Unterricht kommen?", fragte Draco durch die geschlossene Tür hindurch. Er stand seit geschlagenen zehn Minuten vor der Tür und wartete darauf, dass sie endlich fertig gemacht aus ihrem Zimmer kam.

"Hetz mich doch nicht so! Dann dauert es nur umso länger!", kam jedoch nur von drinnen, denn Emilia war noch keineswegs fertig. Sie war gerade dabei, ihre Haare zu machen - und das mit aller Ruhe - obwohl in knapp zehn Minuten der Unterricht beginnen würde. Doch Emilia waren ihre Haare eindeutig wichtiger als der Unterricht, und bei Snape drohte ihnen sowieso nicht viel mehr als eine Strafarbeit.

"Komm schon!", rief Draco ungeduldig. "Oder ich geh allein!"

"Nein!", schrie Emilia nur und nahm ihre fertig gepackte Tasche vom Bett, dann sprang sie aus dem Zimmer und grinste ihren besten Freund an. "Ich bin doch schon da."

"Schon!? Wir kommen wegen dir zu spät!"

"Wir kommen immer zu spät, komm schon Draco, die Lehrer sind das mittlerweile von uns gewohnt", versuchte Emilia Draco zu beruhigen.

"Wenn mein Vater erfährt, dass ich dauernd zu spät komme, reißt der mir den Kopf ab."

"Was wäre daran schlimm?", fragte Emilia mit gespielt ernstem Gesicht.

Draco verdrehte nur die Augen. "Komm jetzt!", meinte er nur und zog sie am Arm hinter sich her.

Fürs zu spät kommen bekamen sie beide von Snape einmal Nachsitzen, wobei das wohl bei ihm nicht so schlimm sein sollte, wie sie von Draco erfuhr. Dieser hatte schon öfter Nachsitzen müssen und wusste, was auf ihn zukam.

"Nächstes Mal warte ich nicht mehr, Callahan!", schnauzte Draco, als die beiden das Klassenzimmer für Verwandlung verließen und sich in die Große Halle aufmachten.

"Sind wir wieder beim Nachnamen angekommen, Malfoy?", fragte diese jedoch ungerührt grinsend.

"Du bist echt nervig, weißt du das?", fragte Draco seufzend und zog sie auf ihren gewohnten Platz.

"Meine Hauptaufgabe hier besteht eigentlich eh nur darin, dich zu nerven", meinte Emilia gespielt ernst und nahm sich ein paar Kartoffeln und Broccoli.

"Und ich dachte schon, du wärst hier, weil du etwas lernen willst", gab Draco zurück.

"Lernen! Ich!? Bah, nein, als wär ich nicht eh schon schlau genug", tat Emilia gespielt beleidigt.

"Du und schlau? Ich denke, dir ist sogar ein Knuddelmuff überlegen."

"Na danke für Ihre Meinung über meine Weisheit, Mr. Malfoy! Nach Ihrer brauch ich gar nicht zu fragen, nicht wahr? Ein Gehirn besitzen Sie schließlich nicht", grinste Emilia schadenfroh.

"Nervensäge", meinte Draco nur kopfschüttelnd und widmete sich seinem Essen.

"Arschloch", gab sie zufrieden zurück.

"Du kannst es einfach nicht lassen", murmelte Draco vergnügt.

"Nein, kann ich nicht. Es ist lustig, dich zu ärgern", meinte Emilia.

"Geb ich gern zurück", grinste Malfoy.

"Ihh wieso muss sich Mopsgesicht ausgerechnet neben mich setzen!?", zischte Emilia leise, bevor sich Pansy neben sie hinsetzte, zusammen mit Millicent, die ihr gegenüber Platz nahm. Angewidert rümpfte Emilia die Nase und rückte näher zu Draco, der schadenfroh grinste.

Fluchend, dass sie nicht weiter rutschen konnte, erhob sie sich und setzte sich auf Dracos Schoß, der unter ihrem Gewicht kurz fluchte und sie dann wütend ansah.

"Danke, dass ich hier sitzen darf", grinste Emilia zuckersüß ihren besten Freund an, der noch immer nicht begeistert schien.

Pansy neben ihnen sah aus, als würde sie Emilia am liebsten auf der Stelle umbringen, was Emilia nur noch mehr grinsen ließ. Auch Draco schien das zu bemerken und entspannte sich merklich, auch wenn er unter Emilias Gewicht noch immer Schmerzen hatte.

Nach einigen Minuten, in denen Draco schweigend gegessen hatte, erhoben sich die beiden und gingen aus der Großen Halle.

***

"Was ist das hier für ein Raum?", fragte Emilia erstaunt, als sie mit Draco durch eine große Tür ging, direkt in ein großes helles Zimmer mit Bett.

"Der Raum der Wünsche", erklärte Draco. "Er wird immer zu dem, was man gerade braucht."

Emilia überlegte. "Also wenn ich was zu essen suche, wird das 'ne Küche?"

"Das ist das Prinzip, ja", grinste Draco und ließ sich auf das große Bett fallen. Emilia kam zu ihm, nach dem sie den Raum ausgiebig betrachtet hatte.

Sie machte es sich auf dem Bett bequem, indem sie ihren Kopf auf Dracos Brust legte und sich im ganzen Bett ausstreckte. Draco legte einen Arm um seine beste Freundin, auch wenn er sehr gerne noch etwas anderes gemacht hätte, wusste er, dass es nicht richtig wäre.

"Es ist echt schön, sich mal richtig zu entspannen", seufzte Emilia.

"Hast du so viel zu tun, dass du so selten entspannen kannst?"

"Nein ... das ist es nicht", murmelte Emilia.

"Was denn dann?", fragte Draco verwundert.

"Ich denke zu viel über belanglose Dinge nach", meinte sie nur abwehrend.

"Die wären?"

"Ich will nicht darüber reden", sagte Emilia und starrte Löcher in die Luft. Auf keinen Fall wollte sie Draco ansehen, denn sie war sich sicher, dass er ihre Schwäche erkennen würde.

"Emi, lass das!", zischte Draco. "Du musst mit jemandem über deine Probleme reden."

"Ich komm auch allein sehr gut zurecht", fauchte Emilia und sprang auf.

"Ich mach mir Sorgen um dich", sagte Draco leise und kam auf sie zu. Sie drehte ihm den Rücken zu.

"Unnötig." Ihre Stimme war kalt, emotionslos, doch sie musste versuchen, ihre Tränen zurück zu halten.

"Das glaub ich nicht. Du musst mit jemandem reden", Draco fasste ihre Schultern, doch Emilia schlug sie weg.

"Ich muss gar nichts", zischte sie und rauschte davon.

Erstarrt blieb Draco stehen. Er hatte keinen Streit mit ihr anfangen wollen, nicht jetzt, wo sie mit Blaise ebenfalls Ärger hatte. Aber es stimmte. Er machte sich wahnsinnige Sorgen um sie. In den Wochen, wo er sie kannte, war sie ihm ans Herz gewachsen, und nicht nur das, nein, er hatte auch den schlimmen Verdachte, sich in sie verliebt zu haben. Er fühlte sich wohl in ihrer Nähe, wohler als bei jedem anderen Mädchen. Er konnte mit ihr über belanglose Dinge reden, rumalbern, sie nahm es nicht ernst. Sie war einfach perfekt, zu perfekt für Draco, außerdem hatte sie einen Freund.

***

Emilia saß alleine in ihrem Schlafsaal und las in ihrem Buch.

Sie war mit ihren Übungen erstaunlich weit gekommen. In wenigen Tagen hatte sie 20 verschiedene Lektionen gelernt, was schon eine beachtliche Leistung war. Und das, obwohl im Buch geschrieben stand, dass man möglicherweise mehrere Wochen oder gar Monate brauchte, um das zu lernen.

Doch heute konnte sie sich einfach nicht konzentrieren, so sehr sie sich auch anstrengte. Immer wieder schwirrten ihr die Jungs im Kopf herum, auch wenn sie sie aus ihrem Kopf verbannen wollte.

Blaise. Ihr Freund. Er hatte ihr wehgetan, indem er einfach nebenbei mal erwähnt hat, dass er sie austauschen wollte. Obwohl er doch so lieb und nett zu ihr gewesen war. Sie wusste nicht, ob er seine Bemerkung ernst gemeint hatte oder nicht. Aber sie vermisste ihn. Es zerriss ihr das Herz, ihn dauernd zu sehen, ihn aber nicht ansprechen zu können. Doch auch wenn sie ihn vermisste, war ihr noch vorhandener Stolz einfach noch zu groß, als dass sie zu ihm kam. Nein, er sollte den anfang machen. Er hatte schließlich Mist gebaut.

Doch nun schwirrte ihr auch noch Draco im Gehirn rum. Ihr bester Freund. Eigentlich hatte er ihr nichts getan und vielleicht hatte sie auch ein wenig überreagiert. Er hatte sie nur nach ihren Problemen gefragt - an sich ja nichts falsches ... oder? Doch es war einfach nicht ihre Art, anderen Leuten ihre wahren Gefühle zu offenbaren. Und sie wollte ihre Art nicht ändern. Sie kam allein zurecht. Und wenn nicht, konnte sie sich immer noch einen von ihren Freunden anvertrauen. Vermutlich würde sie dann aber eher zu Daphne gehen, auch wenn diese sich immer mehr von ihrer Freundin entfernte.

Sie war ja, nachdem sie mit Draco Schluss gemacht hatte, nun mit Cedric Diggory zusammen, einem Hufflepuff, den Emilia so gar nicht ausstehen konnte. Noch dazu hatte Emilia Streit mit Blaise, der allerdings nur noch mit den Mädchen rumhing, sodass Emilia ihre beste Freundin selten mal alleine zu Gesicht bekam. Und wenn, waren es meist nur wenige Minuten.

Unglücklich legte sie ihr Buch weg, machte sich auf ihrem Bett breit und schloss die Augen.

***

"Blaise, du musst so langsam mal mit Emilia reden, sie sieht jeden Abend noch verzweifelter aus!", meinte Daphne zu ihrem mittlerweile guten Freund, als sie zusammen zurück zum Gemeinschaftsraum gingen.

"Sie... sie ist verzweifelt?", fragte Blaise erschrocken.

"Ja und wie! Sie vermisst dich, auch wenn sie es nie zugeben würde."

"Aber sie sieht mit Malfoy immer so glücklich aus", zischte Blaise.

"Stimmt, da hast du Recht. Aber sie zeigt ihre Gefühle nur Abends im Schlafsaal! Da ... na ja gestern hat sie geweint, jedenfalls sah es so aus ... Bitte, Blaise! Du musst mir ihr reden! Du liebst sie doch auch?", fragte Daphne. Sie war vor dem Gemeinschaftsraum stehen geblieben, damit sie ihr Gespräch zu Ende führen konnten, ohne gestört zu werden.

"Natürlich liebe ich sie noch ... Na gut, ich rede mit ihr!", meinte Blaise wütend, sagte das Passwort und verschwand im Gemeinschaftsraum.
Daphne blieb perplex stehen. Sie wollte eigentlich nun in den Schlafsaal gehen, doch wenn Emilia und Blaise nun dort redeten, wäre dies vermutlich keine so gute Idee. Also beschloss sie, zum Hufflepuff-Gemeinschaftsraum zu wandern, um dort ihren Freund zu klauen.
"Na Schönheit?", hauchte ihr plötzlich jemand ins Ohr, als sie die Treppen erreicht hatte. Das Kribbeln, welches sich nun vom Ohr in den ganzen Körper ausbreitete, war angenehm.
Schüchtern lächelnd drehte sie sich um und umarmte ihren Freund glücklich. Dann küsste sie ihn sanft.
"Was für ein Zufall", murmelte Daphne. "Ich war gerade auf dem Weg zu dir."
Grinsend sah Cedric ihr in die Augen. "Das musst du nicht mehr, du hast mich ja schon gefunden."
"Nein, du hast wohl eher mich gefunden", hauchte sie und nahm seine Hand. "Ich kenn einen Ort, wo wir ganz ungestört reden können."
"Nur reden?", fragte Cedric fordernd.
"Alles, was du willst", grinste Daphne.
"Raum der Wünsche?", meinte Cedric und lief los.
"Genau, das war meine Idee", grinste Daphne. Auf dem Weg dorthin sprachen sie über belanglose Dinge wie Quidditch, welches in diesem Jahr ja nicht stattfinden würde. Es gab nicht einmal Hausmannschaften, wegen dem Trimagischen Turnier. Cedric erzählte gerade, dass er sich nächstes Jahr wieder als Quidditchkapitän bewerben wollte, als die beiden in den Raum der Wünsche traten.
Dessen Wände waren weiß gehalten, während die Möbel blau waren. Denn Daphne liebte diese Farbe besonders.
"Schön, nicht wahr?", fragte Daphne erstaunt.
Cedric nickte. "Deine Lieblingsfarbe, blau?"
"Ja, ich liebe alles, was blau ist. Also das Meer, wenn es rauscht, oder den Himmel, wenn er durchgängig blau ist", erzählte Daphne.
"Warst du schon mal im Meer baden?", fragte Cedric leise und zog seine Freundin zu sich aufs Bett, jedoch so, dass sie seine Erektion nicht bemerkte.
"Einmal, da war ich klein", seufzte Daphne, "Ich bin mit meiner Mum in Urlaub nach Frankreich gefahren, an den Strand. Jeden Tag waren wir baden, zumindest erzählt sie immer, dass sie mich gar nicht mehr vom Meer wegkriegen konnte." Leicht lächelte sie bei dem Gedanken an ihre Mutter, wurde jedoch gleich darauf wieder ernst, weil sie an ihre beste Freundin denken musste.
"Was betrübt dich?", fragte Cedric besorgt und strich seiner Freundin eine Strähne aus dem Gesicht. Diese lächelte ihn kurz an, wandte ihren Blick jedoch gleich wieder ab, weil sie nie klar denken konnte, wenn sie in seine schönen Augen sah.
"Du kennst Emilia, nicht wahr?", fragte Daphne.
"Die Neue?"
"Ja genau. Nun ja, es ist etwas kompliziert ... Am Anfang des Jahres hatte sie keinerlei Erinnerung mehr an ihr vergangenes Leben. Bis auf die Tage bei ihrem Vormund und die im Krankenhaus. Jedenfalls kam dann mit den beiden anderen Schulen ein Mädchen an die Schule - sie sieht genauso aus wie Emilia, kommt aus Durmstrang und heißt Emily. Kennst du auch; ist schließlich einer der Champions. Nun ja, Emily behauptet, die beiden wären Zwillinge, und dementsprechend gut verstanden sie sich die ersten paar Stunden. Nachdem Emily dann Champion geworden war ... hat sie Emilia nur noch beleidigt. Seitdem reden die beiden nicht mehr miteinander", erklärte Daphne.
"Was, wenn die beiden in Wahrheit keine Zwillinge sind? Und wieso hat Emilia ihre Erinnerung verloren?", fragte Cedric misstrauisch, bevor ihm klar wurde, dass es nur eine Möglichkeit gab. "Sie wurde verflucht?"
"Dass sie keine Zwillinge sind, auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen ... nur wieso sollte Emily lügen?"
"Wenn nicht mal Emily die Wahrheit kennt ...?", fragte Cedric.
"Stimmt ... von Emily haben wir erfahren, dass Emilia das zweite und dritte Schuljahr in Durmstrang gemacht hat", meinte Daphne.
"Und das erste?", fragte Cedric.
"Weiß keiner. Emilia kam in der zweiten Klasse ohne Erinnerung nach Durmstrang."
"Woher wollen die beiden dann wissen, dass sie Zwillinge sind? Oder sind sie zusammen aufgewachsen?", fragte Cedric nachdenklich.
"Ich weiß es nicht ... vielleicht sollte ich mal mit Emily reden, wobei sie mich noch weniger leiden kann als Emilia."
"Was ist mit Zabini? Kann der das nicht mal versuchen ...?", schlug der junge Hufflepuff vor.
"Zu offensichtlich ...", überlegte Daphne. "Aber ich kann meine Schwester fragen!"

Notwendiges Gespräch... oder?

Emilia saß seit langem mal wieder mit ihrer besten Freundin zusammen im Gemeinschaftsraum. Natürlich konnten sie sich in der Öffentlichkeit nicht über das unterhalten, was sie beschäftigte, doch allein mit ihr zu reden, brachte Emilia auf andere Gedanken. Emilia wusste ja nicht, dass Daphne ihren Freund überredet hatte, sich zu entschuldigen, deswegen war sie noch immer schlecht drauf. Daphne hingegen störte es, dass Blaise noch immer nichts auf die Reihe gebracht hatte, und so langsam fingen auch die anderen Häuser an, darüber zu spekulieren, ob die beiden wohl noch ein Paar wären. Doch noch wagte sich niemand, die beiden persönlich darauf anzusprechen.

"Hast du Zaubertränke schon gemacht?", fragte Daphne. Sie hatte es noch nicht für nötig gehalten, sich die Hausaufgabe auch nur anzusehen, doch so langsam wurde es Zeit, denn am Nachmittag, also in weniger als einer Stunde, würden sie eine Doppelstunde haben. Emilia liebte dieses Fach, deswegen machte sie fleißig alle Hausaufgaben. Andererseits bekam sie meist auch von Snape in ihren Nachhilfestunden die Aufgabe, entweder die eigentliche Hausaufgabe zu bearbeiten, oder aber einen Trank zu brauen. Deswegen machte sie die Hausaufgaben meist schon in den Nachhilfestunden.

"Hier, du kannst abschreiben", murmelte Emilia und warf ihrer Freundin das Geschriebene rüber. "Aber nicht alles, du musst ein paar Sachen ändern, sonst heißt es nachher, wir haben abgeschrieben."

"Danke, du bist meine Rettung", meinte Daphne grinsend. "Ich geh dann mal nach oben, Draco kommt eh grade, ist doch ok, oder?"

"Klar, geh nur", sagte Emilia und drehte sich zum Eingang, wo tatsächlich Draco grinsend auf sie zukam.

"Naa was machst du gerade?", fragte er höflich. Emilia hatte sich auf einer der Couch ausgestreckt, sodass Draco keinen Platz mehr hatte. Draco jedoch war es egal, was sie wollte, also nahm er ihre Beine hoch, setzte sich an den Platz und legte ihre Beine dann sanft auf seine Knie.

"Ich hab mich extra lang gemacht, damit du dich nicht dorthin setzen kannst, und dann machst du sowas?", fragte Emilia genervt und setzte sich auf das Sofa.

"Meinst du etwa, ich hör darauf, was du willst?", fragte Draco neckisch.

"Das solltest du tun, sonst landest du noch irgendwann in der nächsten Toilette -"

"Wieso das? Muss ich Angst haben?", fragte Draco mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Vor mir doch immer", meinte Emilia nur. "Also, was willst du?"

"Wie kommst du darauf, ich könnte ausgerechnet von dir etwas wollen?", fragte Draco provozierend.

"Du bist zu nett, das ist nicht deine Art. Also, spucks aus."

"So gut kennst du mich also schon?", fragte Draco bewundernd.

"Glaub mir, ich hätte darauf verzichten können, dich so gut kennen zu lernen", murmelte Emilia kalt.

"Magst du Potter?"

"Ich? Wie kommst du darauf, ich könnte diesen kleinen Nichtsnutz mögen?", fragte diesmal Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Du hast mal an seinem Tisch gesessen, schon vergessen?"

"Achso, ja, das war wegen Granger", sagte sie emotionslos. Ja, sie hatte an ihre ehemalige Freundin kaum noch einen Gedanken verschwendet. "Anfangs war sie nett, bis ich gemerkt hab, dass sie total nervig und anstrengend ist."

"Also magst du ihn nicht?", fragte Draco, um Klarheit zu bekommen. Über Granger wollte er nun wirklich nicht reden, das war unter seinem Niveau. Draco kannte diesen Bücherwurm mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass Granger fast so schlimm war wie Potter. Zudem gehörte sie in seinen engsten Freundeskreis, wenn man es denn so nennen konnte.

"Nein, verdammt! Der kleine Wicht spielt sich doch nur auf! Der will Aufmerksamkeit und jedes mal bekommt er sie! Außerdem lügt er doch eh den ganzen Tag nur! Er ist genauso nervig wie Granger!", fauchte Emilia. "Bei Merlin, was soll die Fragerei?"

"Ich hab Anhänger kreirrt -"

"Zeig!"

Draco holte seinen eigenen Anstecker aus seinem Umhang, drehte es einmal auf die richtige Seite und reichte diesen dann seiner besten Freundin. Neugierig riss Emilia ihm den Anstecker aus der Hand und betrachtete ihn. Mit leuchtend roter Schrift stand auf dem Anstecker:

Ich bin für CEDRIC DIGGORY-

den WAHREN Hogwarts-Champion!

"Hast du selbst gemacht?", fragte Emilia bewundernd.

"Natürlich, mit ein bisschen Hilfe von Crabbe und Goyle, aber die kann man eigentlich nicht wirklich mitzählen ...", meinte Draco.

"Wer bei Merlins Bart sind Crabbe und Goyle?", fragte Emilia abgelenkt. Noch immer starrte sie auf den Anstecker in ihrer Hand.

"Die zwei unwichtigsten Schüler des Hauses Slytherin", murmelte Draco.

"Muss ich also nicht kennen", stimmte Emilia Draco indirekt zu.

"Wenn du auf den Anstecker drauf drückst, kommt was anderes", erklärte Draco ihr. Sie sah ihn kurz abschätzend an, dann zuckte sie die Schultern und drückte einmal auf die Aufschrift des Steckers. Sofort verschwand die alte Schrift, dafür kam aber nach wenigen Sekunden andere Letter drauf:

POTTER STINKT

Emilia musste sich wirklich das Lachen verkneifen. Niemals hätte sie für möglich gehalten, dass Malfoy so kreativ war. Aber dieser Junge überraschte sie ja sowieso immer wieder. Außerdem hatte sie schon mehrmals bemerkt, wie eifersüchtig Draco auf Potter war und verstand dann seine Handlungen etwas. Zwar war sie sonst nie so fies zu anderen Leuten - höchstens zu Muggeln - doch diesmal hielt auch sie es für richtig, so einen Anstecker zu tragen.

"Krieg ich auch einen?", fragte sie deshalb lächelnd. Draco nickte leicht, suchte in seinem Umhang nach einem anderen Stecker und gab ihn seiner besten Freundin. Diese steckte ihn sogleich lächelnd an ihren eigenen Umhang.

"Sag mal ... wieso bist du so eifersüchtig auf Potter?", fragte Emilia nach kurzer Zeit des Schweigens.

"Was!? Ich bin doch nicht eifersüchtig auf DEN! Der Trottel ist doch sowas von unter meinem Niveau, auf den ist ganz bestimmt niemand eifersüchtig!" Dracos Stimme wurde immer lauter, sodass sich bald der ganze Gemeinschaftsraum zu ihnen umgedreht hatte.

"Dass du so schreien musst, erklärt schon alles", meinte Emilia lächelnd. "Aber bitte, mir wärs lieber, wenn nicht der ganze Gemeinschaftsraum weiß, worüber wir reden."

Draco sah sich verwirrt um und musste feststellen, dass jeder sie anstarrte. Offenbar fanden es die meisten interessant, was der berühmte Eisprinz mit seiner besten Freundin zu bereden hatte. Emilia sah ihren besten Freund belustigt an, dann wurde sie wieder ernst.

"Draco ... ich muss noch mit dir reden", sagte sie kalt und nickte in Richtung Schlafsaal. Er verstand und begleitete sie in den Mädchenschlafsaal, der um diese Zeit leer war, und verschloss die Tür, sodass sie niemand stören konnte.

"Glaubst du, Voldemort ist zurück?", kam sie gleich zum Thema.

"Was soll die Frage?", erwiderte Draco nur verwirrt.

"Ich hatte einen Traum. Also?"

"Er ist zurück; aber du musst mir versprechen, es niemandem zu sagen", bat Draco sie, er flehte sie beinahe an. Emilia nickte nur.

"Ich ... ich will dir etwas erzählen", murmelte Emilia.

"Seit wann bist du so unsicher?", fragte Draco.

"Ich bin mir nicht sicher, wie du reagieren wirst, aber ich will es dir erzählen", erklärte Emilia. "Du bist mein bester Freund!" Draco spürte einen kleinen Stich; er wollte nicht nur ihr bester Freund sein!

"Dann erzähl", forderte Draco sie leise auf und setzte sich auf Daphnes Bett. Emilia machte es sich auf ihrem eigenen Bett gemütlich und starrte Löcher in die Decke.

"Bevor ich hier her kam - vor einigen Monaten - hab ich bei Isabelle gelebt, meinem Vormund, wie du ja weißt. Und davor lag ich im Krankenhaus, weil ich schwere Verletzungen davon getragen hatte ... Verletzungen von IHM, Voldemort, da bin ich mir sicher. Ich wurde gefoltert, mehrere Male, aber ich seh nur verschwommen den Mann, der mich gefoltert hat." Emilia sah zu Boden, Tränen sammelten sich in ihren Augen bei der Erinnerung. Sie atmete noch einmal tief durch, dann erzählte sie weiter: "Neulich war ich total aufgelöst, ich glaube wegen dem Streit mit Blaise und meiner Schwester ... jedenfalls hatte ich da eine Vision von ...", Emilia schluchzte heftig und hielt sich die Arme vor die Augen, weil sie nicht wollte, dass Draco sie so schwach sah.

"Von ...?", fragte Draco unsicher, was er nun tun sollte.

"Meiner Folterung", brachte sie nur heraus.

"Wer?", fragte Draco und zog scharf die Luft ein. "Ich werde denjenigen umbringen."

Was war nur so neustem mit ihr los? Sie brach doch sonst nicht in Tränen aus! Schon gar nicht vor anderen Leuten. Und wieso würde Draco jemanden für sie umbringen? War sie ihm so wichtig?

"Nein! Du kannst ihn nicht umbringen!", sagte sie eindringlich. "Ich habe deinen Vater gesehen."

"Meinen Vater ...", wiederholte Draco geschockt. Dann verzog sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse. "Das wird er büßen", sagte Draco. Seine Stimme klang hart und emotionslos.

Emilia wusste, dass es nichts bringen würde, ihn davon abzuhalten, deswegen hielt sie lieber den Mund und beobachtete ihren besten Freund von der Seite. Er war gut gebaut und sah mit seinen blauen Augen und den blonden Haaren einfach gut aus.

"Das passt! Ich hab auch einen Filmriss und dieser liegt genau in der Zeit! Das war vor ein paar Monaten kurz vor der Quidditchmeisterschaft in den Ferien!"

"Das bedeutet ... du wusstest, dass ich gefoltert wurde, aber Voldemort oder dein Vater wollten nicht, dass du es weißt ...", überlegte Emilia laut.

"Es tut mir Leid", murmelte Draco und sah sie einfach nur an. Emilia nickte abwesend.

"Du konntest nichts dafür", meinte sie nur. Draco schüttelte den Kopf und erhob sich. Dann kam er auf Emilia zu und umarmte sie leicht von hinten. Wohlige Wärme breiteten sich in Emilias Körper aus und es fühlte sich an, als würden Schmetterlinge in ihrem Bauch rumfliegen. Leicht lächelnd kuschelte sie sich an Draco, der sich hinter sie gesetzt hatte, und nun ihren Kopf auf seinen Beinen spürte. Seine Finger spielten abwesend mit ihren Haaren.

Plötzlich klopfte es an der Tür und Emilia erhob sich widerstrebend. Auch Draco ging nun zur Tür, schloss sie auf und ging dann mit einem letzten Zwinkern aus dem Zimmer. Vor Emilia stand Blaise und musterte sie. Emilia wandte sich von der Tür ab und legte sich wieder auf ihr Bett, Blaise jedoch blieb stehen, unschlüssig, ob er nun reingehen durfte oder nicht.

"Willst du da draußen Wurzeln schlagen oder was?", fauchte Emilia. "Und mach gefälligst diese verdammte Tür zu!" Eingeschüchtert kam Blaise unsicher hinein und schloss die Tür, dann ließ er sich auf Daphnes Bett nieder. Blaise hatte sich in den letzten paar Tagen sehr viele Sätze überlegt, wie er ein Gespräch anfangen sollte, doch keiner schien zu dieser Situation zu passen.

"Was willst du?", fragte Emilia eisig, als Blaise nichts sagte. Gelangweilt holte sie ihren Lieblingsnagellack in grün unter ihrem Bett hervor und fing an, sich ihre Fußnägel zu lackieren.

"Mit dir reden", meinte Blaise, nachdem er einige Minuten nachgedacht hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass ihm nichts besseres einfiel.

"Worüber?", fragte Emilia kalt. "Über deine beschissene Bemerkung? Oder darüber, dass du lieber mit dieser Schlampe zusammen sein willst?"

"Ich will mit dir zusammen sein, nicht mit jemandem anders!", sagte Blaise eindringlich. "Die Bemerkung war scheiße von mir, du hast Recht. Es tut mir Leid."

"Das sah aber ganz anders aus, immerhin flirtet man nicht einfach mal so mit anderen Mädchen, wenn man eine Freundin hat!", zischte Emilia.

"Und du? Was machst du die ganze Zeit mit Malfoy?", konterte Blaise.

"DRACO ist mein bester Freund! Er ist wenigstens da, wenn ich ihn brauche!"

"Dasselbe ist Astoria für mich!", behauptete Blaise.

"Das glaubst du doch wohl selber nicht", lachte Emilia hämisch.

"Oh doch, und wie ich das glaube!" Blaise ließ sich von der Abneigung seiner Freundin gegenüber diesem Gespräch nicht beirren, sondern ging auf sie zu und hob ihren Kopf so, dass sie ihm einfach in die Augen schauen musste.

"Ich lüge nicht, Emilia. Ich liebe dich, nur dich!", hauchte Blaise und küsste seine Freundin dann sanft und fordernd. Emilia erwiderte den Kuss erst nicht, aber dann wurde auch sie verlangender.

Blaise's Küsse waren wild, verlangend und leidenschaftlich. Emilia konnte sich ein Stöhnen nicht verkneifen, welches Blaise dazu veranlasste, ihre Brüste zu verwöhnen. Voller Lust riss er ihr das T-Shirt und den Bh vom Leib, während sie sich noch immer küssten. Sie tat dasselbe mit seiner Hose und seinem Shirt und schmiss es achtlos neben sich auf den Boden.

***

"Wieso genau gehen wir heute früher zu Zaubertränke?", fragte Emilia, als sie mit Draco zusammen zum Kerker gingen. Sie hatte heute kaum etwas zum Mittag gegessen und das nur, weil Draco meinte, sie müssten früher in die Kerker gehen, obwohl das Klassenzimmer nicht einmal offen war! Was also sollten sie so früh dort!?

"Wir wollen Potter ärgern", grinste Draco. "Hast du deinen Anstecker dabei?"

"Natürlich, den hat mir heute morgen noch Mr. 'Ich-bin-so-cool' in die Hand gedrückt!"

"Stimmt, Miss Oberschlau", grinste Draco und stellte sich zu den anderen Slytherins an die Tür. Emilia stellte sich zu Draco, Blaise, Theodore und zwei unbekannten Jungs. Das waren dann wohl Crabbe und Goyle ...

"Wir machen uns die Mühe, uns hier eine halbe Stunde vorm Unterricht hinzustellen, nur, weil du Potter ärgern willst?", fragte Emilia und zog ihre Augenbrauen hoch. "In dieser Zeit hätte ich locker noch mehr essen können! Wegen dir muss ich jetzt hungern!"

"Sei nicht so pessimistisch, das wird lustig, glaub mir", meinte Draco aufmunternd.

"Na, da bin ich aber mal gespannt", brummte Emilia.

"Außerdem kommen die Gryffindors doch immer schon so früh!", erklärte Draco. "Wir müssen also nicht lange warten."

"Und das weißt du so genau, weil du ihnen dauernd hinterher läufst?", fragte Emilia skeptisch. Draco sah sie warnend an.

"Seit wann läufst du denn Schlammblütern und Blutsverrätern freiwillig hinterher?", fragte Blaise belustigt. Man merkte die Spannung zwischen den beiden deutlich.

"Da kommt er doch", meinte Draco siegessicher. Tatsächlich stellte sich Potter einen Moment später vor die Slytherins, zusammen mit Granger. Sein Gesicht vor Wut verzerrt, trat er einen Schritt näher zu Emilias bestem Freund.

"Gefällt's dir, Potter?", fragte Draco laut. "Und das ist nicht alles - sieh mal." Draco drückte auf seinen Anstecker, auf dem POTTER STINKT in leuchtend grüner Schrift erschien. Emilia grinste und versuchte, nicht mit den anderen Slytherins laut los zu lachen. Doch da Potter ein so wutverzerrtes Gesicht hatte, konnte Emilia sich nicht mehr halten und lachte, wie alle anderen Slytherins, laut los. Auch Draco grinste hämisch. Emilia drückte ebenfalls auf ihren Stecker, sodass bei ihr nun dasselbe stand wie bei ihrem besten Freund. Die anderen taten es ihr gleich.

Potter wurde in Hals und Gesicht so rot, dass Emilia die Befürchtung hatte, er würde vielleicht bald platzen.

"Wenn du platzt, geh weg von mir, ich habe keine Lust, dich Blutsverräter an mir kleben zu haben", sagte Emilia kalt und grinste dreckig. Die anderen Slytherins rollten vor Lachen beinahe am Boden.

"Unglaublich witzig", meinte Granger dann und strafte die Mädchen aus Slytherin mit ihrem Todesblick, mit dem sie nochmal unterstrich, dass sie keiner Fliege was zuleide tun würde. "wirklich sehr einfallsreich."

"Willst du einen, Granger?", fragte Draco belustigt und hielt ihr einen Stecker unter die Nase. "Ich hab sie kistenweise. Aber berühr bloß nicht meine Hand. Ich hab sie gerade gewaschen und ich will nicht, dass eine Schlammblüterin sie einschleimt."

Einen Moment später hatte Potter seinen Zauberstab gezogen, doch Draco hatte dies offenbar vorrausgesehen, denn er hatte seinen ohnehin schon in der Hand.

"Harry!", schrie Granger, die offenbar wieder die Streberin spielen wollte. Emilia hatte sich neben Draco aufgebaut und sah die beiden selbstsicher an.

"Jetzt mach schon, Potter", meinte Draco leise. Seine Stimme kalt wie immer. "Moody ist nicht hier, um dich auf den Schoß zu nehmen - tu's doch, wenn du den Mumm dazu hast -"

Den Bruchteil einer Sekunde lang sahen sie sich in die Augen, und dann, in genau demselben Moment, griffen sie an.

"Furnunculus!", rief Potter.

"Densaugeo!", rief Emilias bester Freund.

Lichtblitze schossen aus beiden Zauberstäben, trafen sich in der Luft und schleuderten sich aus der Bahn - Potters Blitzstrahl traf Emilia im Gesicht, der Dracos traf Granger.

Emilia jaulte auf und schlug die Hände auf ihre Nase, wo große, hässliche Blasen aufquollen. Entsetzt versuchte sie, diese zu verbergen, doch es wuchsen immer mehr, sodass zwei Hände irgendwann nicht mehr ausreichten. Die Zähne hatte sie fest zusammen gepresst, um die Schmerzen wenigstens ein wenig zu unterdrücken. Das Brennen der Furunkel in ihrem Gesicht wurde schlimmer, sodass sie sich an die Wand lehnte, um nicht umzukippen.

Draco, der noch nicht gemerkt hatte, was mit seiner besten -Freundin war, starrte Granger hämisch an.

"Emi!", rief Blaise entsetzt, als er seine Freundin sah. Die Augen vor Schreck weit aufgerissen stürmte er zu ihr und hielt sie fest. Emilia klammerte sich an ihren Freund und hoffte, dass der Zauber bald nachlassen würde, oder dass zumindest nicht immer noch mehr Furunkel kamen, doch ihre Hoffnung starb mit jeder Minute. Nun starrten auch die Slytherins entsetzt zu ihrer Mitschülerin, keiner riss einen Witz, alle waren zu geschockt, dass es auch einen von ihnen getroffen hatte.

Nun hatte auch Draco gemerkt, dass etwas nicht stimmte und stürmte zu Emilia, die sich noch immer an ihren Freund klammerte. Sanft streichelte er über den Rücken, um sie zu beruhigen, doch das war nicht einfach.

"Was soll dieser Krach hier?", fragte auf einmal eine leise, eiskalte Stimme. Professor Snape war gekommen. Blaise, Daphne und Lilith fingen sogleich an, ihre Sicht der Dinge zu schildern, doch Snape deutete auf Draco, der noch immer bei Emilia stand, und sagte: "Erkläre."

"Potter hat mich angegriffen, Sir -"

"Wir haben uns gleichzeitig angegriffen!", schrie Potter dazwischen.

"und er hat Emilia getroffen - sehen Sie -"

Snape sah zu Emilia und musterte die junge Slytherin, die verzweifelt versuchte, die Furunkel zu verdecken. Seine Tochter so zu sehen, versetzte ihm schon ein Stich, doch das ließ er sich nicht anmerken. Durfte er auch gar nicht. Trotzdem konnte er nicht abstreiten, dass er sich Sorgen um sie machte.

"Krankenflügel, Callahan", sagte Snape so ruhig, wie es ging.

"Malfoy hat Hermine getroffen", rief ein Rotschopf, vermutlich ein Weasley. "Sehen Sie!"

Er zwang Granger, Snape ihre Zähne zu zeigen - sie tat ihr bestes, um sie mit den Händen zu verbergen, was jedoch schwierig war, denn jetzt waren sie schon an ihrem Kragen angekommen. Pansy und einige andere Slytherin, teilweise auch Emilias Freunde, gingen hinter Snapes Rücken in die Hocke, kicherten verdruckst und deuteten mit den Fingern auf Granger.

Snape sah Granger kalt an, dann sagte er: "Ich sehe keinen Unterschied."

"Komm, ich bring dich in den Krankenflügel", murmelte Draco, nachdem Granger schluchzend das Weite gesucht hatte, und sah Blaise wütend an. Emilia nickte und ließ sich von ihrem besten Freund stützen und führen. Blaise stand wütend daneben, unfähig, irgendwas zu tun. Draco wollte ihm seine Freundin ausspannen, das war offensichtlich!

Eine halbe Stunde später saßen Emilia und Draco im Krankenflügel. Emilia ging es wieder weitaus besser und auch ihr Gesicht war wieder halbwegs normal. Ein wenig sah man noch von der Auseinandersetzung, doch das würde spätestens morgen auch nicht mehr zu sehen sein, hatte Madame Pomfrey gesagt.

"So viel dann zu dem Thema, es würde witzig werden", meinte Emilia und sah ihren besten Freund vorwurfsvoll an. Nur wegen ihm lag sie ja hier.

"Ich wollte nicht, dass es soweit kommt", murmelte Draco schuldbewusst. Wenn es jemand anders von den Slytherins getroffen hätte, wäre es ihm egal gewesen, doch wieso ausgerechnet seine beste Freundin? Seine beste Freundin, in die er womöglich auch noch verliebt war?

"Ist schon okay, aber versprich mir, dass sowas nicht nochmal vorkommt", bat Emilia. Sie hatte keine Lust, noch einmal im Krankenflügel zu landen. Vor allem nicht wegen so einer Streitigkeit.

"Versprochen", grinste Draco.

"Gut, denn beim nächsten Mal verzeih ich dir nicht so schnell!", drohte Emilia grinsend.

"Ich werde mich anstrengen, dass es kein nächstes Mal gibt", meinte Draco wahrheitsgemäß. "Darf ich?", fragte Draco und zeigte auf Emilias Hand.

"Meine Hand nehmen? Klar, warum nicht", sagte Emilia irritiert und legte sich auf das Bett. Es war einfach gemütlicher. Draco nahm ihre Hand und streichelte diese sanft. Angenehme Schauer jagten Emilia über den Rücken und die Schmetterlinge in ihrem Bauch fühlten sich toll an. Lächelnd sah sie ihrem besten Freund in die Augen. Dieser erwiderte den Blick und eine angenehme Spannung entstand zwischen ihnen. Emilia spürte, wie ihre Wangen rot wurden und brach den Blickkontakt ab. Es ist nur Draco, mein bester Freund, sagte sie sich immer wieder.

"Willst du nicht zum Abendessen gehen?", fragte Emilia ihn nach einer unangenehmen Stille.

"Nein, ich glaube, ich bekomme sowieso nicht viel runter heute", murmelte Draco, sah dann aber seine beste Freundin wissend an. "Ok, aber ich komm nochmal vorbei nachher."

Emilia nickte nur abwesend und starrte aus dem großen Fenster. Erst als Draco die Tür schon erreicht hatte, reagierte sie.

"Danke, Draco", lächelte sie. Er nickte und verschwand dann durch die Tür.

Eine Weile sah sie noch aus dem Fenster. Es war draußen merklich dunkler geworden, aber immerhin war es auch schon abend geworden. Morgen dürfte sie dann endlich den Krankenflügel verlassen, das hatte Madame Pomfrey gesagt.

Wieso fühlte sie sich nur bei Draco so wohl? Bei Blaise fühlte sie seit einiger Zeit nicht mehr so ... Aber sie durfte sich in Dracos Nähe nicht wohl fühlen! Natürlich war er ihr bester Freund, aber bei ihm fühlte sie sich so wie bei Blaise am Anfang. Nur durfte sie so nicht fühlen! Sie hatte immerhin einen Freund!

"Na wie gehts?", fragte ein ihr unbekannter Junge. Er war kräftig gebaut und trug das Slytherin-Abzeichen auf seiner Brust. Außerdem war er zweifellos älter als sie.

"Wieder super, nachdem Madame Pomfrey mich geheilt hat", beantwortete sie seine Frage. "Flint, nicht wahr?"

"Wie ich sehe hast du von mir gehört, Callahan", spottete er.

"Wieso bist du hier, Flint?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, da sie keine Verletzungen an ihm erkennen konnte. "Und woher kennst du meinen Namen?"

"Jeder kennt deinen Namen, Callahan", meinte er nur. "Ich bin verletzt, sonst wäre ich nicht hier. Glaub mir, ich will dich nicht freiwillig sehen."

"So schlimm kann deine Verletzung ja nicht sein, nerven kannst du noch gut", lächelte Emilia zuckersüß.

Flint wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Madame Pomfrey den Raum betrat und ihn sofort verhätschelte. Flint meinte, er hätte starke Kopfschmerzen, was Emilia ihm aber nicht wirklich abkaufte. Madame Pomfrey gab ihm einen Trank und wies ihn an, sich bis morgen früh noch im Krankenflügel aufzuhalten.

"Na toll", zischte Emilia, als die Ärztin außer Hörweite war. "Jetzt muss ich dich also bis morgen ertragen."

Flint grinste sie nur hämisch an und legte sich auf ein Bett neben ihrem. Sie verdrehte die Augen.

"Kannst du dich nicht dahinten hinlegen? Dann müsste ich dich nicht mehr sehen."

"Keine Sorge, Schätzchen, ich beiße nicht", grinste Flint. "Oder doch?"

"Du bist so ein Arsch, Flint. Nur weil du älter bist, musst du dich hier nicht so aufspielen", zischte Emilia.

"Ich bin Quidditchkapitän", grinste er weiter. "Du bist ein Niemand."

"Falsch! Du bist der Kapitän einer Mannschaft, die es nicht gibt", lachte Emilia.

"Noch so ein Wort und ich -", fing Flint an.

"Flint", schrie Draco plötzlich. Ihn hatte die junge Slytherin völlig vergessen. "Lass meine Freundin in Ruhe."

"Was, wenn nicht?", fragte Flint fies grinsend. "Süß! Malfoy hat 'ne Freundin."

"Dann polier ich dir die Fresse, Flint", grunzte Draco und setzte sich neben mein Bett auf einen Stuhl. Er funkelte weiterhin Flint böse an.

"Das glaub ich kaum", stichelte Flint. "Wette, du kriegst Angst, immerhin bin ich der Stärkere."

"Jungs! Sowas kann man auch ohne Gewalt regeln!"

"Emi, halt die Klappe" - "Callahan, halt du dich da raus"

Typisch Jungs! Wieso sollte sich Emilia raushalten, immerhin ging es um sie!? Sogar Draco hatte sie nicht zu Wort kommen lassen, denn auch er war nur darauf aus, sich mit Flint zu schlagen. Doch Emilia war sich sicher, dass er nicht gewinnen konnte. Nicht gegen so einen Muskelprotz wie Flint.

"Ich werde mich nicht raushalten! Hier gehts doch um mich!", maulte Emilia. Doch die zwei Jungen schenkten ihr keine Beachtung. Sie war Luft für beide. Draco hatte beide Fäuste zusammengeballt und starrte Flint wütend an. Flint hingegen sah streitlustig zu Draco und grinste hämisch.

"Du würdest mich doch eh nie angreifen", lachte Flint. Draco wurde rot und erhob sich von seinem Stuhl.

Emilia griff schnell nach seiner Hand und versuchte ihn zurück zu ziehen, doch mehr als einen Blick schenkte ihr Draco noch immer nicht.

"Jungs! Lasst den scheiß!", schrie Emilia aufgebracht. Doch Draco ließ sich nicht beirren und zog blitzschnell seinen Zauberstab.

Auch Flint hatte seinen bereits in der Hand und zielte auf Draco.

Beide fingen gleichzeitig an, sich mit Flüchen zu bombardieren. Einige landeten daneben, andere konnte der Gegner abwehren und einige trafen.

Draco hatte bereits eine blutende Hand, einige Furunkel im Gesicht und seine Beine taten nicht mehr, was sie sollten.

Flint dagegen war besser dran - er hatte nur eine kleine Schramme an Arm.

Emilia sah panisch zwischen den beiden hin und her. Keiner der beiden würde aufhören, solange der andere noch stand. Aber ewig konnten sie auch nicht so weiter machen.

"Draco! Lass das!", schrie Emilia immer wieder. Doch Draco war viel zu fokussiert auf seinen Gegner, als dass er sie hörte. "Flint! Draco! Hört auf!"

Panisch sah sie zu dem Raum, in dem Madame Pomfrey saß. Offenbar hatte sie den Streit noch nicht bemerkt. Ob Emilia sie wohl holen sollte? Aber das dauerte zu lang. Bis dahin würden die beiden sich selbst umbringen! Aus einer Idee heraus zog sie ihren eigenen Zauberstab, hielt ihn auf die beiden gerichtet und sagte: "Finite Incantatem!"

Sofort wurden alle Zauber abgebrochen und die Jungs sahen die junge Slytherin fassungslos an.

"Wieso!?", fragten beide fast gleichzeitig.

"Wenn ein Lehrer herausfindet, was ihr gemacht habt, ziehen sie unserem Haus nur Punkte ab! Und ich lass nicht zu, dass ihr zwei Idioten die Chance auf den Hauspokal zerstört!", zischte Emilia. Flint zuckte die Schultern und steckte seinen Zauberstab mit einem verdächtigen Blick auf Draco wieder ein. Dann verschwand er durch die Tür. Draco stand unschlüssig da und starrte seine beste Freundin entschuldigend an. Diese schüttelte nur den Kopf und nickte in Richtung Tür. Draco verstand und ging mit den Worten "Wir sehen uns morgen" durch die Tür.

Wieso mussten Jungs nur immer so dumm sein? Und wieso mussten sie immer alles mit Gewalt regeln? Das war doch keine Lösung! Draco sagte einige Stunden vorher sogar noch, er würde aufpassen, um nicht in eine solche Situation zu kommen ... und nun? Er hatte ihr ja nicht einmal zugehört!

"Kind, wo ist denn der junge Schüler hin?", fragte Madame Pomfrey und gab ihr etwas Essen, welches Emilia aber nicht anrührte. Sie hatte absolut keinen Hunger und noch dazu plagte sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen, schon allein beim Gedanken an Essen.

"Dem ging es wohl schon besser", meinte Emilia nur.

"Aber er sollte doch noch bis morgen -"

"Ihm ging es wieder gut", fuhr Emilia dazwischen. Sie wollte nicht unhöflich sein, doch diese Frau trieb sie zur Weißglut.

"Nun gut, mein Kind, wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Fehlt dir irgendetwas?", fragte Madame Pomfrey besorgt und sah ihre Patientin an.

"Mir ist nur ein wenig übel, ansonsten gehts mir gut", erklärte Emilia leise.

"Die Übelkeit könnte vom Trank kommen, morgen ist das wieder weg", versuchte die Ärztin die junge Slytherin aufzumuntern.

"Madame Pomfrey!?", schrie eine hysterische Stimme von der Tür aus. Herein gewankt kam eine humpelde Granger, zusammen mit ihren ach so tollen Freund Weaselby. Fehlt nur noch Potter, dann würde die Nacht für Emilia endgültig zum Horror werden.

"Ach du liebe Güte! Kindchen, leg dich dort hin - gleich geht es dir besser - warte kurz - ich hol einen Trank", und schon verschwand die Ärztin in ihrem Arbeitszimmer.

"Sieht toll aus", spottete Emilia. "Schade, dass ich diesen Anblick nicht festhalten kann."

"Sehr witzig, Callahan", sagte Weaselby zu Grangers Verteidigung.

"Ist das alles, was dir einfällt?", fragte Emilia spöttisch.

"Halt die Klappe!", meinte Ronald nur und hievte seine Freundin auf das Bett Emilia gegenüber. Nun musste sie Granger wohl die ganze Nacht aushalten. Konnte es noch schlimmer werden?

"Trink das, Kind", Madame Pomfrey kam mit einem Trank wieder in den Raum und gab Granger den Trank in die hand. Dann stellte sie sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor sie und beobachtete sie.

Granger hatte Schwierigkeiten, die Flüssigkeit überhaupt zu trinken, denn ihre Zähne gingen ihr bis nach unten zur Hüfte. Doch nach mehreren Versuchen schaffte sie es leider doch. Emilia hatte den Anblick durchaus genossen. Als Granger den Trank leer hatte, gab sie ihn Madame Pomfrey zurück, welche eilig verschwand. Spöttisch grinsend beobachtete Emilia, wie Grangers Zähne kleiner wurden, bis sie plötzlich aufhörten zu schrumpfen, direkt beim Kinn.

"Granger, zum Hasen mutiert oder was?", fragte Blaise grinsend, der gerade seelenruhig durch die Tür schritt und auf Emilia zu kam. Fuck! Wieso musster er ausgerechnet um diese Zeit kommen? Jetzt, wo noch andere da sind! Emilia konnte ihm nicht in die Augen schauen, als er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen hauchte.

"Wie gehts dir?", fragte Blaise leise. Granger, die nun zumindest wieder reden konnte, unterhielt sich mit ihrem besten Freund und warf Blaise manchmal seltsame Blicke zu.

"Soweit gut, ein paar Nebenwirkungen des Tranks, mehr nicht", antwortete Emilia kurz angebunden und schaute aus dem Fenster. Sie wollte ihm auf keinen Fall in die Augen schauen mit der Befürchtung im Hinterkopf, in Draco verliebt zu sein ...

"Dann kannst du morgen wieder raus?", fragte Blaise vorsichtig. Emilia nickte nur. "Ok, was ist los? Sonst redest du viel mehr!", meinte Blaise sichtlich beunruhigt.

"Nichts ist los! Ich bin nur etwas angepisst, mehr nicht", meinte Emilia zwischen zusammen gebissenen Zähnen. Sie hasste es, ihren Freund zu belügen, aber es gab keine andere Möglichkeit. Die Wahrheit konnte sie ihm einfach nicht sagen.

"Du bist schon länger so komisch -"

"Blaise! Lass es! Ich bin schon immer anders gewesen als alle anderen und das wusstest du von Anfang an! Jeder weiß es! Also beschwer dich nicht, dass ich komisch bin", zischte Emilia.

Blaise, dem es sowieso schon schwer fiel, über so etwas zu reden, wich etwas zurück. Vielleicht sollte er seine Freundin für den Tag in Ruhe lassen. Sie war schlecht drauf, kein guter Zeitpunkt, um so etwas zu besprechen. "Wir reden morgen weiter, ruh dich aus", meinte er nach längerem Überlegen, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand dann. Emilia lag perplex in ihrem Bett und starrte ihm hinterher.

Achtung... Drachen!!!

Einige Wochen später fand endlich der von Emilia lang ersehnte Hogsmeade-Besuch an. Sie hatte beschlossen, zusammen mit Marie zu gehen, denn alle anderen waren schon verplant. Daphne ging mit ihrem Freund und Emilia wollte sich auf keinen Fall wie das fünfte Rad am Wagen fühlen ... Draco ging mit Blaise und einigen anderen Jungs aus ihrem Haus.

"Geht das so?", fragte Lilith zum gefühlten tausendsten Mal. Seit einer Stunde versuchte sie, sich zu schminken und immer, wenn es fast perfekt aussah, fing sie von vorne an. Emilia war mittlerweile genervt, vor allem, weil sie sich in einer halben Stunde mit Marie treffen wollte.

"Sieht toll aus, wirklich", murmelte Emilia. "Genau so gut wie die letzten zwanzig Versuche!"

"So oft hab ichs doch noch gar nicht versucht -", sagte Lilith deprimiert. "Sieht das wirklich gut aus?"

"Bei Merlins Bart! Du gehst doch nur mit deinem Freund dahin und der mag dich ja wohl so, wie du immer bist! Das sieht toll aus! Und jetzt wag es ja nicht, nochmal anzufangen -", zischte Emilia leise.

"Du kannst ruhig gehen -", murmelte Lilith, die noch immer nicht wirklich zufrieden mit ihrem Aussehen war. Sie wollte es unbedingt nochmal versuchen. Doch sie sah ein, dass sie ihre Freundin nicht hierbehalten konnte, schließlich war auch diese verabredet.

"Ich gehe hier nicht weg, ehe du fertig bist!", fauchte Emilia. "Du hast noch zehn Minuten."

"Was!? Zehn Minuten!? Wie soll ich denn so schnell fertig werden?", schrie Lilith panisch.

"Lil, du BIST fertig", stöhnte Emilia.

"Aber -", setzte die Slytherin an, doch sie wurde unterbrochen.

"Nichts aber! Und jetzt komm!" Emilia nahm ihre Freundin am Arm und zog sie so schnell wie möglich aus dem Zimmer. Sie waren die einzigen, die sich noch im Gemeinschaftsraum befanden, denn sie waren ja auch mehr als spät dran. Schnell liefen sie durch die dunklen Gänge von Hogwarts die Treppen hoch zur Haupthalle, wo sie sich mit ihren Freunden treffen wollten. Noch kamen sie wenigstens einigermaßen pünktlich. Wäre es anders gewesen, hätte Emilia Lilith auch verflucht.

"Viel Spaß", lächelte Emilia ihre Freundin an. Diese nickte und wünschte ihr ebenfalls viel Spaß, dann ging sie aus dem Schloss zu ihrem Freund. Emilia hingegen ging in die Große Halle. Sie war heute gar nicht dazu gekommen, zum Essen zu gehen, deswegen nahm sie sich noch schnell einen Apfel mit, bevor sie ebenfalls aus dem Schloss ging. Marie wartete schon ungeduldig auf sie und umarmte sie gleich lächelnd, als sie Emilia sah.

"Alles gut?", fragte Marie, als sie sich gelöst hatten. Emilia nickte und ging voran den langen Weg nach Hogsmeade.

"Warst du schon mal in Hogsmeade?", fragte Marie.

"Wann denn? Das ist das erste Mal, dass wir dorthin dürfen", grinste Emilia. Sie fühlte sich frei, wenn sie bei ihrer alten Freundin war. Vor allem, wenn sie niemand beobachtete.

"Dann kennt sich ja keiner von uns beiden dort aus", stellte Marie schockiert fest. "Das kann ja was werden."

"Aach das Dorf ist gar nicht so groß! Hat nur ein paar Läden ... okay, ein paar mehr, wenn man Dracos Erzählungen glauben schenken will ... aber Draco meinte auf jeden Fall, sich in Hogsmeade zurecht zu finden sei nicht schwer. Außerdem laufen dort überall Schüler rum, die man fragen kann, wann man nicht weiter weiß", erklärte Emilia grinsend.

"Wenn wir uns verirren, geb ich dir die Schuld dafür", meinte Marie. "Wer ist denn dieser Draco?"

"Mein bester Freund", sagte Emilia leise.

"Wirklich nur dein bester Freund?"

"Na ja ... nein, also doch, eigentlich schon ... ach ich bin mir nicht sicher. Weißt du, wenn ich Blaise küsse, fühl ich gar nichts mehr. Klar, es fühlt sich vertraut an, aber dieses Kribbeln im Bauch ist weg. Und bei Draco ist es anders ... schon allein, wenn er mich berührt, reagiert mein Körper darauf ... es ist komisch", erklärte Emilia deprimiert. "Aber ich darf nicht in ihn verliebt sein, immerhin hab ich einen Freund!"

"So wie sich das anhört, bist du aber verliebt -", fing Marie an.

"Das darf ich aber nicht!", fluchte Emilia. "Ich mein, ich will niemandem wehtun..."

"Was denkt Draco darüber? Sieht er dich auch nur als beste Freundin? Oder ist da mehr?", wollte Marie neugierig wissen.

"In letzter Zeit benimmt er sich manchmal seltsam. Er fragt immer erst, ob er mich berühren darf... zum Beispiel wenn er meine Hand halten will oder so ... Anfangs hat er das nicht gemacht", nervös kaute Emilia auf ihrer Unterlippe herum.

"Dann ist die Sache ziemlich klar. Und meiner Meinung nach kommst du auch gar nicht drum herum, einen von den beiden Jungs zu verletzen", erklärte Marie. "Bleibst du mit Blaise zusammen, wirst du Draco wehtun. Machst du mit Blaise Schluss, wirst du ihm wehtun."

"Genau das will ich eigentlich vermeiden", seufzte Emilia. "Ich hätte nie jemanden so nah an mich ranlassen sollen."

"Doch. Das macht dich menschlich. Kopf hoch, du willst doch nicht wie Emily sein, oder?"

"Bloß nicht! Das wäre ja grauenvoll -"

"Na also!", lachte Marie. "Sieh mal!" Marie zeigte mit dem Finger auf einige kleine Häuser, die immer näher kamen. Schwarze Punkte, die sich als Schüler herausstellten, wanderten zwischen den Läden hin und her. Auch die Geräusche wurden lauter. Stimmen konnte man aus der Ferne ausmachen.

"Gehen wir in die Drei Besen!", rief Emilia aufgeregt und ging auf ein kleines Gebäude zu. Von innen sah es eher dämmerig aus, Emilias Augen mussten sich erst einmal an das flimmernde Licht gewöhnen, bevor sie sich umsehen konnte. In einer Ecke erkannte sie Draco, zusammen mit Crabbe und Goyle und Theodore. Blaise war nicht dabei. Auf der anderen Seite konnte sie Flint und ... ihre Schwester sehen. Moment, ihre Schwester!? Was machte die denn hier?

*Emilys Pov*

Heute war sie mit Flint verabredet. Sie hatte ihn einige Male auf dem Quidditchfeld spielen sehen und wollte nun mit ihm reden. Natürlich wusste er nicht, was sie wollte ... Er dachte noch immer, sie wollte mit ihm ausgehen. Was nicht der Fall war! Flint war ganz und gar nicht Emilys Typ. Klar, er war groß, durchtrainiert und war doch sehr attraktiv, aber sein Charakter gefiel ihr absolut nicht. Obwohl sie, wenn sie darüber nachdachte, sehr ähnlich war. Der gleiche Charakter.

Flint erwartete sie früh morgens am Stadion, denn dies war der einzige Ort, wo Emily mit Sicherheit hinfand. Ansonsten verlief sie sich in Hogwarts ja dauernd ... Ein Glück, dass sie, wenn sie überhaupt ins Schloss ging, entweder von Flint oder von Durmstrangs begleitet wurde.

"Flint", begrüßte Emily ihre Verabredung kalt. Er lief schnellen Schrittes über den Quidditch-Platz und lächelte sie dabei charmant an. Emily, wie sie nunmal war, kommentierte dies, indem sie spöttisch die Augenbrauen hochzog.

"Avens", murmelte der Slytherin, als er vor Emily stehen blieb. Lange sahen sie sich einfach nur an, unschlüssig, was sie nun sagen sollten. "Wollen wir?", fragte Flint dann und durchbrach die unangenehme Stille. Emily nickte und folgte Flint, da sie den Weg nicht kannte. Wieso hatte sie sich nur auf das alles eingelassen? Diese Aufgabe ... war Mission Impossible! Sie würde sie nie rechtzeitig meistern. Vor allem, wenn ihr niemand auf die Schliche kommen sollte. Aber ihr Meister verlangte es ... Dumm gelaufen!

Flint sah Emily den ganzen Weg lang von der Seite an, bis Emily ihn anfauchte, dass sie es hasste, so angestarrt zu werden. Danach richtete er seinen Blick stur gerade aus. Wenigstens konnte Emily so nachdenken ... wenn da nicht Flint wäre, der sich an Smalltalk versuchte.

"Du kommst von Durmstrang?", fragte er, um wenigstens etwas interessiert zu klingen. Normal interessierte es ihn wenig, was die Mädchen in ihrer Freizeit taten, aber dieses Mal war es doch anders. Avens war anders. Sie war eigensinnig, etwas besonderes.

"Ja, meine Eltern hielten es für die beste Schule", murmelte Emily ausweichend. Ihre Vergangenheit ging ihn ja wohl nichts an! Doch sie wollte nicht gleich unhöflich werden, schließlich könnte Flint ihr später noch von Nutzen sein.

"Dann wohnst du auch dort? Wo auch immer die Schule liegt?", fragte Flint weiter.

"Nicht direkt, aber ja, ich wohne ziemlich im Osten", antwortete Emily. Diese Lüge kam ihr leicht über die Lippen, schließlich musste sie diese Fragen schon mehrmals über sich ergehen lassen.

"Und wieso genau bist du in Hogwarts? Ich meine, hat es was damit zu tun, dass du Champion werden wolltest?"

"Gut kombiniert", spottete Emily. "Und wie du siehst, bin ich Champion."

"Wie hast du deinen Namen in den Kelch geworfen?", fragte Flint, nachdem er mehrere Minuten lang darüber gegrübelt hatte, ob das nicht vielleicht unhöflich wäre, so etwas zu fragen. Sie waren mittlerweile in Hogsmeade angekommen. Nicht viele Schüler liefen so früh dort herum, einer der Gründe, wieso Flint so früh gehen wollte.

Emily blieb vor den 'Drei Besen' stehen und sah Flint schief an. Versuchte abzuschätzen, ob die Frage der Grund war, wieso er mit ihr ausgehen wollte. Dann lächelte sie ihn verführerisch an und beugte sich zu ihm. "Das wüsstest du wohl gerne", hauchte sie ihm ins Ohr. Dann drehte sie sich um und ging in den Pub. Wie erwartet, roch es innen modrig und irgendwie eklig. Es war stickig und wenn Emily nun den Besitzer des Ladens gefunden hätte, würde sie ihm sagen, er sollte mal die Fenster aufmachen. Doch in dem flimmernden Kerzenlicht konnte Emily nicht wirklich viel erkennen, deswegen setzte sie sich an den Tisch direkt neben der Tür. Der einzige Ort, an den wenigstens frische Luft kam, wenn man die Tür aufmachte.

"Du bist komisch, weißt du das? Und du hast wirklich Ähnlichkeit mit Callahan", schmunzelte Flint, der hinter Emily in den Laden kam. Er setzte sich ihr gegenüber und starrte sie belustigt an.

"Emilia und ich sind zwei verschiedene Menschen, ich habe nichts mit ihr gemeinsam! Und ich würde es vorziehen, wenn du mich nicht immer mit ihr vergleichen würdest", fauchte Emily.

"Ich vergleiche dich nicht immer mit ihr -"

"Denk mal darüber nach, was du gerade sagst", unterbrach Emily den Slytherin. Kurz überlegte sie noch, dann beugte sie sich erneut zu ihm hinüber und flüsterte: "Ich kann deine Gedanken ganz deutlich sehen, weißt du? Lügen bringt nichts." Flint riss die Augen auf und starrte sie erschrocken an.

"Du kannst was!?", fragte er entsetzt und schob sie sanft auf ihren Stuhl zurück. "Bei jedem?"

"Nein, nur bei dir", spottete Emily. "Ich muss mit dir reden, Flint. Ich bin nicht aus Spaß hier."

"Worüber?", fragte Flint und sah sich dann um.

"Nicht hier", meinte Emily ruhig und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Als sie Emilias entsetztes Gesicht entdeckte, lächelte sie spöttisch und zog Flint zur Tür. "Komm mit."

*Emilias Pov*

Missmutig beobachte Emilia, wie ihre Schwester mit dem größten Arschloch der Schule aus dem Pub ging. Sie verspürte den leichten Drang, ihnen einfach hinterher zu gehen, sagte sich dann aber, dass sie das vielleicht gar nicht sehen wollte. Wer wusste schon, was die beiden vorhatten. Und Emilia wollte ihrer Schwester bestimmt nicht beim Sex zuschauen ... und Flint schon dreimal nicht! Schlecht gelaunt ging Emilia zu einem der freien Tische und setzte sich. Marie folgte ihr unsicher und bestellte zwei Butterbier, um ihre Freundin auf andere Gedanken zu bringen.

Zwei Stunden später verließen die beiden Mädchen den Pub etwas betrunken, doch immerhin begegneten ihnen nicht Draco und die anderen. Das hätte Ärger gegeben.

"Dasch war luschtig", nuschelte Marie und kicherte albern. Auch Emilia mussten lachen.

"Kannscht du laut sagen", meinte Emilia lachend.

"Dasch war luschtig!", schrie Marie lautstark, sodass es vermutlich das ganze Dorf hörte. Einigen Schüler drehten sich zu ihnen um, schüttelten ungläubig den Kopf und gingen hämisch lachend weiter. Die beiden Mädchen störte das nicht, sie waren viel zu gut gelaunt.

"Luscht auf Quidditch?", fragte Emilia, als sie am Stadion vorbeikamen. Sie hatten beschlossen, lieber zurück zu gehen, immerhin waren sie beide ziemlich betrunken. Marie nickte wild und schon liefen die beiden los, um sich je einen Schulbesen zu holen.

Zwar hatte Emilia bisher panische Angst vorm Fliegen gehabt, sie wusste nicht wieso, doch heute war sie einfach zu betrunken, um über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Also sprang sie leichtfüßig auf ihren Besen und erhob sich weit in die Höhe, von wo aus sie sogar über das Stadion hinweg schauen konnte. Hin und weg von der Aussicht merkte sie nicht, wie Marie ebenfalls zu ihr stieß. Gemeinsam flogen sie einige Runden, um warm zu werden. Lachend umrundeten sie das Stadion und begutachteten die schöne Aussicht, die sich ihnen bot.

"Rennen maschen?", fragte Marie und kicherte dabei.

"Wer zuerscht an dem anderen Tor ischt", murmelte Emilia und machte sich startklar. Als Marie pfiff, flog sie so schnell wie der Blitz los und überholte Marie, die etwas besser weggekommen war. Es war ein hartes Rennen, doch Emilia gewann mit knappen Vorsprung.

*Dracos Pov*

Shit! Wieso hatte er Emilia nicht bei sich gehalten!? Er hätte wissen müssen, dass es nur Ärger gab, wenn man sie allein ließ.

"Zabini, komm, wir müssen los", zischte Draco seinen Bekannten an. Crabbe und Goyle sahen Draco neugierig an, doch dieser kam nicht einmal auf die Idee, den beiden zu sagen, was los war. Um das zu verstehen, waren die beiden vermutlich eh nicht helle genug.

Verwirrt zog Blaise eine Augenbraue hoch, erhob sich aber und folgte Draco aus dem Pub, in den sie gerade vor einigen Minuten gegangen waren. "Was ist los!? Wir sind doch gerade erst in den Pub gegangen, wieso gehen wir!?", fauchte Blaise.

"Deine Freundin! Wir hätten sie mitnehmen sollen -", fing Draco an.

"Seit wann interessiert es dich, was mit Emi ist?", fragte Blaise zickig.

"Seit sie meine Freundin geworden ist!", fuhr Draco ihn an. "Hör zu, sie ist mit Marie unterwegs, die beiden sind betrunken!"

"Sie ist mit Marie unterwegs? Wieso ist sie betrunken?", fragte Blaise, denn seine Freundin hatte ihm nichts erzählt. Ein kleiner Stich ging durch seinen Körper. Wieso hatte Emi Draco alles erzählt und ihm nicht!?

"Erzähl ich dir später! Komm! Die beiden sollen wohl im Stadion sein!"

"Woher weißt du das?"

"Astoria hat die beiden gesehen, als sie gekommen ist. Sie hat es mir erzählt", meinte Draco und rannte in Richtung Schloss. Wenn die beiden tatsächlich Quidditch spielten konnte das nicht gutgehen. Sie waren betrunken! Da würde sich nicht mal mehr Draco auf seinen Besen wagen!

Draco und Blaise beeilten sich, so schnell wie möglich zum Quidditchfeld zu rennen und schon von weitem konnten sie sehen, wie zwei schwarze Punkte auf Besen durch die Luft flogen. Deshalb legten sie noch an Tempo zu, denn keiner von beiden wollte, dass den Mädchen etwas passierte.

"Emilia!", rief Draco laut. "Marie!"

 

*Emilias Pov*

Plötzlich hörte Emilia, wie jemand ihren Namen rief. Erstaunt drehte sie sich um und sah ihren Freund und Draco dort unten stehen. Sehr weit unten, wie sie mit Entsetzen feststellen musste. Ihr wurde leicht schwindelig wegen der Höhe. Ihre Höhenangst meldete sich zu Wort. Langsam ließ sie sich sinken, ohne einen weiteren Blick auf den Boden zu riskieren. Nach quälend langen Minuten berührten ihre Füße endlich wieder den Boden und sie stieg erleichtert von ihrem Besen ab. Blaise kam auf sie zugerannt und umarmte Emilia, als hätte er sich große Sorgen gemacht ... Draco schenkte ihr ein kurzes Lächeln, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie es sich nicht doch nur eingebildet hatte, so schnell wie es wieder verschwand.

"Was isch denn losch?", murmelte Marie, die neben ihrer Freundin gelandet war.

"Ihr seid betrunken, das ist los! Wieso!?", fragte Blaise seine Freundin vorwurfsvoll.

Diese sah ihn nur kalt an. "Mir war gerade danach. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest -", meinte Emilia emotionslos. Durch ihre Höhenangst hatte sie den Alkohol weitesgehend unter Kontrolle, sodass Außenstehende niemals auf die Idee kommen würden, dass sie betrunken war. Emilia nahm ihren Besen und brachte ihn zurück in den Schuppen, bevor sie sich zum Essen in die Große Halle begab. Marie würde vermutlich zurück zum Schiff gehen. Emilia tat sich ein kleines bisschen auf den Teller, doch ihr Appetit hielt sich in Grenzen. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum, als sie eine vertraute Stimme hinter sich hörte: "Nicht viel Hunger, was?" Daphne.

"Nein ... irgendwie nicht so", murmelte Emilia und schob ihren Teller von sich. Sie würde eh kein Bissen mehr runterkriegen. "Was machst du schon so früh hier?", fragte Emilia.

"Cedric hatte keine Lust mehr, nachdem er von einigen Slytherins attackiert wurde", erzählte Daphne.

"Oh, Flint?", fragte Emilia nach. "Oder Pucey und seine Gang?"

"Eh ich glaub das war Pucey, Flint war nicht da."

"Ja Flint hat sich meine Schwester gekrallt", merkte Emilia an.

"Waaaaaaaas!?", schrie Daphne so laut, dass sich einige Hufflepuffs zu ihnen umdrehten.

"Genau so ein Gesicht hab ich auch gemacht, als ich den beiden heute im 'Drei Besen' begegnet bin."

"Das ist ... krass", murmelte Daphne verstört. "Richtig krass."

"Sagtest du schon", lächelte Emilia. "Ich muss los. Sag deinem Freund viel Glück für morgen, ja?"

"Mach ich", strahlte Daphne ihre Freundin an. "Wir sehen uns." Emilia umarmte die Freundin noch einmal, dann verschwand sie aus der Großen Halle. Sie wollte zurück in den Schlafsaal, damit sie an ihrer Verwandlung üben konnte. Zum Glück traf sie weder Draco noch Blaise an, sodass sie unbemerkt im Schlafsaal verschwinden konnte. Eine Stunde lang übte sie, versuchte sich an mehreren unterschiedlichen Übungen, die ihr fast alle auf Anhieb gelangen. Wenn es so weiterging, würde sie sich vielleicht sogar schon in ein paar Tagen verwandeln können. Sie war gespannt, welches Tier sie werden würde.

Vermutlich ein gefährliches Tier, das hoffte sie zumindest. Oder einfach ganz Slytherin-like eine Schlange. Erschöpft ließ sie sich ins Bett fallen. Diese Übungen waren wirklich anstrengend. Und es wurde nicht leichter. Schnell verstaute sie ihr Buch unter dem Bett, dann sah sie aus dem Fenster. Was sollte sie nur mit Blaise machen? Sie hatte Angst davor, sich ihm zu stellen, denn ihr war klar, dass sie ihr Verhalten erklären musste. Und das konnte sie nur, indem sie mit ihm Schluss machte. Dann würde sie jedoch vollkommen allein dastehen ... Blaise würde sie hassen, Daphne hatte besseres zu tun, Lilith hatte ebenfalls oft keine Zeit, Draco hing meistens mit den Jungs rum. Wieso war ihr Leben nur so geworden!? Bisher hatte es sie nicht gestört, dass sie viele hassten, aber nun wurde es ihr klar. Viele Leute hassten sie, weshalb sie auf ihre Freunde angewiesen war. Vielleicht konnte sie ja dann mit Marie reden. Vielleicht wäre wenigstens diese für Emilia da. Eine kleine Hoffnung, an die sich Emilia klammerte. Doch ganz sicher war sie sich trotzdem nicht. Sollte sie wirklich mit ihm Schluss machen? Emilia verschob den Gedanken nach hinten und versuchte angestrengt, an nichts zu denken. Bald schon fielen ihr die Augen zu.

Nächsten Morgen erwachte sie bereits ziemlich früh. Sie war aufgeregt, denn heute war die erste Aufgabe des Trimagischen Turniers. Heute würde sich zeigen, ob ihre Schwester wirklich so gut war wie sie sagte. Murrend stand Emilia auf und ging ins Bad, um sich fertig zu machen. Eine halbe Stunde später verließ sie den Gemeinschaftsraum und ging in die Große Halle. Viele waren noch nicht da. Am Slytherintisch saß noch niemand und auch an den anderen Tischen waren nur vereinzelt Schüler zu sehen. Cedric saß ganz allein am Ravenclawtisch, deshalb beschloss Emilia, ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten.

"Na, Sportskanone? Fit für die Aufgabe?", fragte sie leicht grinsend und setzte sich neben Cedric.

Dieser sah sie verwirrt an, fasste sich aber schnell wieder. "Ja, ich bin bereit. Allerdings bin ich ein wenig nervös", er lächelte entschuldigend.

"Du schaffst das schon! Ich jedenfalls glaube an dich und das solltest du auch tun", meinte Emilia und nahm sich einen Apfel, um wenigstens irgendwas zu essen. Schon beim Anblick des Müslis wurde ihr schlecht.

"Eine Slytherin, die für einen Ravenclaw ist? Das ist mir neu."

"Nicht alle Slytherins sind so Vollpfosten wie Flint und seine Gang", erklärte Emilia. "Die meisten denken sich jetzt, dass Hogwarts gewinnen soll. Da aber niemand aus Slytherin will, dass Potter gewinnt, stimmen aus Prinzip alle für dich", grinste Emilia.

"Und du? Gehörst du dazu?"

"Nein. Ich habe gesehen, was du kannst. Noch dazu bist du der Freund meiner besten Freundin. Klar bin ich für dich", schloss Emilia.

"Danke, das hilft mir wirklich viel, das zu wissen", lächelte Cedric aufrichtig.

"Wenn alle an mich glauben, dann sollte ich das wohl auch tun."

"Du bist ein toller Zauberer! Nicht umsonst bist du Klassenbester und Quidditchkapitän."

"Das stimmt", murmelte Cedric. "Woher weißt du, dass ich Klassenbester bin?"

"Ich hab so meine Quellen", grinste Emilia. "Also jedenfalls, warum ich eigentlich hier bin, ist weil ich dir Glück wünschen will ... oder viel Erfolg trifft es besser! Ich feuer dich an", lachte Emilia.

"Danke", lächelte Cedric. "Weißt du was? Ich dachte immer, du wärst total eingebildet und arrogant, aber eigentlich bist du ja ganz nett."

"Tja, wie gesagt. Nicht alle Slytherins sind gleich. Draco hat unseren Ruf ganz schön runtergezogen.."

"Aber eines stimmt dennoch", warf Cedric dazwischen.

"Was denn?", fragte Emilia neugierig.

"Ihr seid immer kalt, emotionslos, lasst euch keine Gefühle anmerken", murmelte Diggory. "Daphne ist irgendwie anders. Aber bei dir hab ich das die ganze Zeit beobachtet!"

"Ja, das ist halt so. Sonst wäre ich wohl auch nicht in Slytherin. Gefühle zeigen macht schwach."

"Aber wir sind Menschen! Da ist es normal, dass man anderen die Gefühle zeigt."

"Ich will dir ja nicht nahe treten oder so, aber ich denke, ich habe genug erlebt, um behaupten zu können, dass Gefühle zeigen keine gute Idee ist", sagte Emilia kalt.

"Du meinst, du hast schlimmere Sachen erlebt wie ich? Was denn bitte schön?"

"Wenn du das wüsstest, würdest du schreiend wegrennen", zischte Emilia und erhob sich. "Viel Erfolg nachher, du schaffst das!"

Damit ging sie aus der Großen Halle nach draußen zu den Ländereien von Hogwarts. Zuerst lief sie langsam, vor sich hinpfeiffend, zum See hinunter und legte sich dort in die Sonne. Dann schloss sie ihre Augen, um nicht in die Sonne schauen zu müssen. Alle wollten ihre Vergangenheit wissen, wieso nur? Was war so interessant daran? Sie wollte es niemandem erzählen, nur Draco wusste es. Und diesem konnte sie vertrauen. Warum konnten ihr die Leute nixht einfach mal glauben, dass sie schreckliches erlebt hatte? Nein, sie mussten ja immer genauere Infos und wenn möglich sogar noch Beweise haben! Beweise hatte sie genug. Auf ihrem Rücken waren noch immer einige feine Narben zu sehen, die bisher nur Blaise gesehen hatte. Doch dieser hatte wohl nicht darauf geachtet. Damals, als sie noch nicht zusammen waren. Gut so. Antworten hätte er eh nicht bekommen. "Emi", hörte Emilia eine Stimme hinter sich. Schnell setzte sie sich gerade hin. Blaise kam auf sie zu. Oh nein! Bitte nicht! Innerlich stöhnte sie. Doch sie ließ sich nichts anmerken, sondern behielt ihre perfekte Maske, die keine Gefühle zeigte.

"Was ist?", fragte sie kalt und drehte sich wieder zum See. Blaise blieb neben ihr stehen und sah zu ihr herab.

"Was ist los? Du bist so komisch in letzter Zeit!"

"Ich bin nicht komisch", fauchte Emilia. "Und wenn schon, was geht dich das an?"

"Ne Menge! Ich bin dein Freund!"

"Falsch! Ich kann das nicht mehr. Das mit uns ist aus. Es passt einfach nicht mehr", zischte Emilia und stellte sich hin, sodass sie Blaise in die Augen schauen konnte. Dieser wirkte geschockt und wütend.

"Du machst mit mir Schluss!? Was hab ich dir getan!?"

"Komm damit klar, es passt einfach nicht mehr! Ich liebe dich nicht mehr!"

"Gibs zu, du hast mich nie geliebt", sagte er wütend.

"Verdreh mir nicht die Wörter", zischte Emilia. "Natürlich war ich früher in dich verliebt, nur das war einmal!" Emilia sah Blaise kalt an.

"Wenn ich jetzt bitte allein sein dürfte."

"Das wird ein Nachspiel haben", sagte Blaise. Seine Stimme klang gepresst, sauer. Er hatte sich nicht unter Kontrolle.

"Was? Was willst du schon tun?", fragte Emilia belustigt. Blaise sah ihr in die Augen. Emilia konnte Wut erkennen, aber auch noch viel schlimmere Gefühle. Langsam kam er auf sie zu. Emilia wollte zurückweichen, doch hinter ihr war nur der See. Daher baute sie sich drohend vor ihm auf.

"Lass mich vorbei", sagte sie kalt. Innerlich war sie recht panisch. Blaise sah bedrohlich aus, die Mordlust stand ihm ins Gesicht geschrieben. In dem Zustand, glaubte Emilia, wäre er zu allem fähig. Blaise dachte jedoch nicht einmal daran, Emilia gehen zu lassen. Er kam weiterhin drohend auf sie zu und blieb keine zehn Zentimeter vor ihr stehen. Schwer atmend stand Blaise ihr nun gegenüber. Dann geschah das, wovor sie Angst hatte. Ganz langsam hob er beide Hände und legte sie um ihren Hals. Panisch schubste Emilia ihn weg, doch er war stark und durchtrainiert und nahm davon gar keine Notiz. Als Blaises Griff um ihren Hals stärker wurde, nahm sie allen Mut zusammen und gab ihm eine Ohrfeige, während sie mit dem Fuß ausholte und ihm gegen die Eier trat. Nun krümmte er sich am Boden, doch noch immer hielt er Emilias Handgelenk fest. Sie kam nicht von ihm los. Sein Griff war wirklich fest.

"Lass mich los", zischte Emilia. "Oder willst du nochmal einen Tritt in die Eier?"

"Träum weiter", kam es von Blaise. Im nächsten Moment spürte Emilia einen stechenden Schmerz in ihrem linken Bein, welches augenblicklich einknickte. Nun lag auch Emilia auf dem Boden, mit verkrümmtem Bein, welches sie nicht mehr bewegen konnte.

"Du Arschloch", brachte sie heraus. Ihr Bein schmerzte so stark, dass sogar ihr Sichtfeld leicht verschwamm. Emilia musste sich anstrengen, nicht bewusstlos zu werden. Blaise hatte sich indes von seinem Schmerz erholt und erhob sich nun. Emilia blickte zu ihm hoch. Was würde er mit ihr machen, nun, wo sie nicht einmal mehr weglaufen konnte? Sie wollte es sich gar nicht ausmalen.

"Was willst du mit mir machen? Mich umbringen? Tolle Idee! Dir ist klar, dass dich jeder verdächtigen würde?", fragte Emilia. Ihre Stimme war kalt und verriet nichts von den Schmerzen.

"Niemand würde mich verdächtigen. Und niemand würde dich vermissen", lachte Blaise. Er freute sich wirklixh, Emilia in dieser Lage zu sehen.

"Wow, wie erwachsen von dir", spottete Emilia. Sie musste fliehen! Nur wie? Laufen konnte sie nicht! Oder doch? Versuchen musste sie es allemal. Unter Schmerzen gelang es ihr, wieder aufzustehen, wobei sie immer möglichst wenig Belastung auf den linken Fuß gab. Blaise sah ihr spöttisch lächelnd dabei zu. "Du bist ein richtiges Arschloch, weißt du das?", fragte Emilia zur Ablenkung. Dann presste sie ihre Lippen zusammen und trat mit dem rechten Fuß so fest wie möglich noch eimmal in Blaises Eier. Wie erwartet sackte er in sich zusammen. Zwar war auch Emilia wegen ihrem Fuß auf den Boden gefallen, doch sie hatte sich wesentlich schneller wieder hochgerappelt. Schnell humpelte sie an dem Stöhnenden Blaise vorbei in Richtung Schule, wo sie hoffentlich sicher sein würde. Schwer atmend suchte sie die Gegend immer wieder mit den Augen nach Menschen ab, doch noch war es einfach zu früh. Hinter sich hörte sie Blaise, der sich nun erholt hatte und hinter ihr her rannte. Er war um einiges schneller wie Emilia.

"Stupor!", rief Emilia und schaffte es tatsächlich, Blaise zurückzuwerfen. Er lag nun auf dem Boden, sammelte schnell seinen Zauberstab ein und rannte dann hinter Emilia her. Panisch humpelte Emilia auf die Tür zu, die nur wenige Meter von ihr entfernt war.

Sie war fast da, als sie hörte, wie Blaise einen Zauber sprach: "Cruciatus." Sofort durchzuckte sie ein greller Schmerz, wie in den Ferien im Kerker. Sie kniff die Augen zusammen, weil Tränen aufstiegen, doch sie humpelte weiter auf die Tür zu. Als sie die Tür gerade öffnen wollte, lachte Blaise hämisch.

"Expelliarmus!", rief Emilia. Sie musste ihm den Zauberstab abnehmen, sonst konnte er sie wirklixh umbringen. Mittlerweile war sie sich sicher, dass er auch einen Todesfluch anwenden würde, wenn es nötig wäre.

"Protego!"

"Stupor!", rief Emilia. Auch diesen wehrte Blaise leicht ab. Hilflos suchte Emilia noch einmal die Gegend ab, dann sah sie zu Blaise. "Nur zu, töte mich. Es hat beim ersten Mal nicht funktioniert, also wird es diesmal auch nicht funktionieren", sagte Emilia kalt. Ihre Stimme klang fester als sie sich fühlte.

"Beim ersten Mal? Du wurdest bereits einmal getötet?", fragte Blaise belustigt.

"Natürlich", sagte sie kalt. Dann bewegte sie ihren Zauberstab ein klein wenig und murmelte leise eine Formel, sodass Blaise es nicht merkte. Sie hatte einen Lehrer gerufen und musste nun hoffen, dass jemand sie fand.

"Dabei habe ich mein Gedächtnis verloren", erklärte Emilia.

"Ach? Das sagst du mir jetzt? Du hast mir nicht vertraut, stimmts?"

"Ich habe dir vertraut. Aber jetzt werde ich ohnehin sterben, also kann ich es dir ja jetzt sagen", murmelte Emilia.

"Glaubst du? Ich werde jedem erzählen, wie du mich um Gnade angefleht hast!", lachte Blaise. "Also was solls, ich muss dich leider umbringen." In dem Moment ging die große Eingangstür auf und Snape trat vor. Erstarrt blickte Blaise von mir zu Snape und wieder zurück. Er schien kombiniert zu haben.

"Ich denke, du musst dir einen anderen Plan ausdenken, um mich umzubringen", sagte Emilia kalt und stellte sich hinter ihren Hauslehrer.

Dieser beobachtete Blaise genau, dann sagte er: "Im St. Mungos werden Sie sicher gut aufgehoben sein." Einen Moment später erschien McGonagall hinter Blaise und hielt ihn fest. Snape drehte sich zu Emilia, die kurz davor war, die Fassung zu verlieren. Sie musste sich wirklich zusammen reißen, um nicht gleich vor Snape zu heulen. Unsicher sah sie zu ihm hinauf, versuchte seine Gedanken zu erraten. Doch Snapes Blick war ausdruckslos wie immer.

"Krankenflügel, Miss Callahan", meinte Snape kalt und ließ Emilia schwebend vor sich her fliegen, da diese auf keinen Fall noch laufen konnte. Ihr Bein war mittlerweile dick angeschwollen, richtig blau geworden und sie konnte es nicht mehr bewegen. Nach nicht einmal fünf Minuten hatte Snape Emilia auf eines der Betten im Krankenflügel gelegt, mit Madame Pomfrey gesprochen und war dann verschwunden. Emilia schloss die Augen, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Ihre Schmerzen hatte sie längst vergessen.

"Wie geht es dir?", fragte Madame Pomfrey und gab Emilia einen Trank, welchen sie trinken sollte.

"Ging schon mal besser", murmelte Emilia.

"Möchtest du darüber reden?" Emilia schüttelte nur den Kopf. "Dann ruh dich etwas aus. Wenn es dir morgen besser geht, darfst du gehen", sagte Madame Pomfrey. Emilia nickte ergeben, woraufhin die Ärztin in ihrem Zimmer verschwand. Kurz darauf fielen Emilia die Augen zu, ohne noch einmal an das Geschehene zu denken.

Langsam öffnete Emilia die Augen. Verschwommen konnte sie eine Person neben sich erkennen, die sie erst nach mehrmaligen Blinzeln identifizieren konnte. Isabelle.

"Was machst du hier?", flüsterte Emilia.

"Ich hab mir Sorgen gemacht", meinte Isabelle schwach lächelnd.

"Um mich? Wieso?"

"Du liegst im Krankenflügel, Grund genug sich Sorgen zu machen", sagte Isabelle.

"Wie spät ist es?"

"Die erste Aufgabe fängt in zwei Stunden an", erklärte Isabelle. "Was ist denn eigentlich passiert?"

"Ich ... Ich will nicht darüber reden, okay?", murmelte Emilia. "Darf ich zur ersten Aufgabe?"

"Bist du sicher, dass du das durch hälst?"

"Wieso nicht? Meinem Bein gehts schon viel besser."

"Nun gut, Vorraussetzung ist aber, dass du bei mir sitzt, klar?"

"Wieso?", stöhnte Emilia. "Ich will bei meinen Freunden sitzen!"

"Keine Widerrede! Es ist das Beste."

"Na gut", stimmte Emilia leicht beleidigt zu. Immerhin durfte sie dabei sein.

"Vorher war ein Malfoy hier, er wollte dich besuchen", erzählte Isabelle.

"Ich geh ihn nachher aufsuchen, falls ich darf", meinte Emilia. Draco machte sich bestimmt auch Sorgen. Und Marie und Daphne.

"Natürlich", lächelte Isabelle. "Er wollte auch nochmal vorbeischauen, wenn ich ihn richtig verstanden habe."

"Ah okay, dann warte ich einfach."

"Mal was anderes ... dieses Mädchen aus Durmstrang, das dir so ähnlich sieht, ist sie deine Schwester?"

"Möglich. Sie behauptet, meine Schwester zu sein, allerdings sagt Marie, dass es nicht sicher ist. Es gibt keine Beweise", erklärte Emilia leise.

"Ich werde nachforschen, wir finden deine Familie, Emilia", versuchte Isabelle die Slytherin aufzuheitern.

"Danke", sagte Emilia schlicht und nickte. Dann ging auf einmal die Tür auf und herein trat niemand Geringeres als Draco Malfoy, dem die Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Als er Emilia sah, sah man ihm die Erleichterung an. Schnellen schrittes kam er auf sie zu und setzte sich neben sie, ohne Isabelle zu beachten. "Ich komm vorm Turnier, um dich zu holen", meinte Isabelle lächelnd. Dann drehte sie sich um und verschwand aus dem Raum. Perplex sah Emilia ihr nach und wandte sich dann an Draco.

"Snape hat mir erzählt, was passiert ist -", murmelte Draco. "Es tut mir Leid, dass ich nicht da war."

"Du kannst nichts dafür, Draco", sagte Emilia sanft. "Das konnte niemand wissen."

"Nein, Blaise war die letzten Tage schon so komisch, ich hätte es wissen müssen. Ich hätte dich beschützen müssen."

"Draco, hör auf dir Vorwürfe zu machen! Dich trifft keine Schuld!"

"Aber -"

"Nichts aber! Niemand hätte voraussehen können, was passiert ist. Außerdem bringt es nichts, wenn du dir Vorwürfe machst", erklärte Emilia.

"Du hast Recht, tut mir Leid", murmelte Draco.

"Entschuldige dich doch nicht immer...", flüsterte Emilia.

"Ich mache so viele Fehler, dass ich mich am besten immer entschuldigen sollte", sagte Draco.

"Niemand ist perfekt, jeder macht Fehler."

"Danke."

"Wo ist der eiskalte Slytherin-Prinz geblieben? Bist du jetzt zu den Weicheiern rübergelaufen?", fragte Emilia belustigt, um die Stimmung aufzuheitern. Sie wollte ihren alten Draco zurück, nicht die Memme, die gerade vor ihr saß. Er wirkte so verletzlich.

"Slytherin-Prinz?", fragte Draco belustigt. "Wer weiß, vielleicht will ich zu manchen Leuten ja nicht mehr so emotionslos sein."

"Das ist gut, wenn du dich ändern willst. Aber bitte, mutiere nicht zu so einem Weichei wie Weaselbee oder so ...", bat sie ihren besten Freund.

"Keine Sorge", grinste Draco. "Auf so ein Niveau kann man nicht so schnell sinken!"

"Da bin ich erleichtert", grinste nun auch Emilia. Draco nahm schweigend ihre Hand und spielte mit ihren Fingern, während sie ihn dabei lächelnd beobachtete. Es fühlte sich gut an, mit Draco allein zu sein.

"Weißt du, was?", fragte Emilia nach einer Weile. "Du hilfst mir wirklich, indem du einfach nur bei mir bist ..." Draco sah auf und lächelte sie zurückhaltend an. Zurückhaltend? Wollte er doch noch zu den Weicheinern übergehen?

"Also danke", murmelte Emilia leise. Draco nickte und sah ihr in die Augen. Einen kurzen Moment waren sie beide so gefesselt und es knisterte zwischen den beiden, bis Draco den Blick abwandte.

"Ich muss gleich in die Arena", flüsterte Draco und sah sie wieder an. Emilia nickte nur und musterte ihn weiterhin. Seine Gesichtszüge waren sanft, nicht eiskalt und emotionslos wie immer. Emilia hatte das Gefühl, nun endlich den richtigen Draco kennen gelernt zu haben. Auch wenn ihr der alte besser gefiel, so fand sie es gut, dass er sich ihr offenbart hatte. Vermutlich kannten ihn nicht viele Leute so.

Draco erhob sich und streichelte noch einmal über ihre Hand, die er dann lächelnd losließ. Dann kam er um das Bett herum gelaufen und hauchte der perplexen Emilia einen Kuss auf die Wange, ehe er sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg zur ersten Aufgabe des Trimagischen Turniers machte.

Emilia blieb liegen, sie musste schließlich auf Isabelle warten. Ohne ihre Genehmigung durfte sie nirgendwo hin, so hatte es jedenfalls die Ärztin ausgedrückt. Aufgeregt war sie mittlerweile auch schon, immerhin würde heute ihre Schwester teilnehmen.

"Bereit?", fragte die Ärztin auf einmal und Emilia schreckte aus ihren Gedanken auf.

"Ich dachte, ich muss auf Isabelle warten -", setzte sie an.

Madame Pomfrey schüttelte den Kopf. "Sie wird unten auf dich warten, wurde mir eben gesagt. Sie erwartet dich in der Arena." Damit drehte die Ärztin sich um und verschwand aus dem Krankenflügel. Emilia schüttelte den Kopf und erhob sich langsam, da ihr sämtliche Muskeln noch immer wehtaten. Sie hatte sich heute wohl doch ziemlich anstrengen müssen, jedenfalls waren ihre Muskeln verspannt. Schnell rannte sie durch das Gebäude, ihr Fuß tat nicht mehr weh, nach unten in die Eingangshalle. Einige Schüler schauten sie erschrocken an und Emilia wusste genau warum. Sie bedachte alle Schüler mit einem feindseligen Blick, die es wagten, sie anzusprechen oder hinter ihrem Rücken zu tuscheln.

Als sie aus der Halle ins Freie trat, kam ihr strahlender Sonnenschein entgegen. Kurz genoss sie das Gefühl, welches die Sonne auf ihrer Haut hinterließ, dann erinnerte sie sich an Isabelle und lief schleunigst weiter. Sie war schon einige Minuten zu spät und wollte unbedingt noch sehen, wie ihre Schwester die erste Aufgabe meisterte. Schon von weitem konnte sie die Arena sehen und besonders hören, denn laute Jubelrufe brandeten auf, als sie am Eingang stand. Zielstrebig lief sie durch die gaffende Menge zu Isabelle, die sie bereits ungeduldig erwartet hatte. Fleur Delacour hatte ihre Aufgabe bereits gemeistert und als Emilia die Arena genauer betrachtete, konnte sie einen großen Drachen erkennen, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Neben dem Drachen lag ein goldenes Ei, welches die Champions wohl holen mussten. In dem Moment bekam sie richtige Angst um Emily, doch sie schluckte es runter und setzte sich stattdessen mit eiskaltem Blick neben Isabelle, um sich das Schauspiel anzusehen. Nun war Viktor Krum an der Reihe.

Er war gut - sehr geschickt, wenn es darum ging, dem Drachen auszuweichen. Oft versteckte er sich hinter einem Stein und griff den Drachen dann, wenn dieser gerade kein Feuer spie, mit den verschiedensten Zaubern an. Emilia hätte bestimmt die Hälfte der Zauber nicht einmal gekannt, die verwendet wurden. Krum brauchte einige Zeit, bis er den Drachen ziemlich erschöpft hatte. Doch genau dann benutzte er die Ganzkörperklammer und schnappte sich das Ei, bevor der Drache sich wieder bewegen konnte. Während Krum das Ei stolz hochhielt und aus der Arena schritt, berieten sich die Richter, also Isabelle, der Zaubereiminister und Isabelles Chef plus die drei Schulleiter miteinander, wie viele Punkte Krum verdient hatte.

Emilia war nervös. Als nächstes müsste ihre Schwester kommen und Emilia traute es ihr nicht wirklich zu, gegen diesen Drachen zu bestehen. Was, wenn sie es nicht schaffte? Wurde dann abgebrochen oder musste sie kämpfen, bis sie nicht mehr konnte? Unsicher knabberte Emilia auf ihrer Lippe herum, die nach einiger Zeit aufplatzte und blutete. Emilia fluchte, war dann aber schnell leise, als sie hörte, wie ihre Schwester aufgerufen wurde.

Emily trat in die Arena, ein siegessicheres Lächeln auf dem Gesicht. Auch als sie den Drachen entdeckte, wirkte sie noch selbstsicher und ließ sich ihre wahren Gefühle nicht anmerken. Der große rote Drache fauchte wütend und spie Feuer in Emilys Richtung, doch diese ging geschickt hinter einem Stein in Deckung. Als das Feuer erlosch, kam sie wieder hinter ihrem Stein hervor und zielte mit einem schadenfrohen Lächeln mit dem Zauberstab auf den Drachen. Dann murmelte sie leise einige Worte und senkte ihren Zauberstab wieder. Noch war nichts geschehen. Emily rannte.

Was machte sie da!? Wieso holte sie sich das Ei nicht? Da erkannte Emilia es. Ihre Schwester versteckte sich erneut hinter einem Stein, als plötzlich eine laute Explosion ertönte. Emilia biss die Zähne zusammen und drückte ihre Hände auf die Ohren, als sie sah, dass der Drache nicht mehr lebte. Wahrscheinlich war der Stein unter ihm explodiert, was ihm nicht gut bekommen war. Emily schritt währenddessen hoch erhobenen Hauptes zu dem Ei und krallte es sich, als hätte sie Angst, es würde weglaufen. Dann hielt sie es in die Höhe und verbeugte sich vor den Richtern.

Emilia staunte. Sowas hatte sie nicht erwartet. Ohne überhaupt großartig nachzudenken, erhob sich Emilia und rannte zum Ausgang. Die anderen Teilnehmer waren sowieso nicht so interessant, besonders Potter wollte sich nicht beim Untergehen zusehen. Erst als sie schon auf der großen Wiese vor der Arena stand, wurde ihr klar, wo sie war. Links neben ihr waren die Mädchen-Umkleiden, in denen ihre Schwester vermutlich war. Kopf schüttelnd ging sie mit gesenktem Kopf an den Umkleiden vorbei, direkt ins Schloss zurück. Ihre Schwester wollte sowieso nicht mit ihr reden, also was solls? Sie war diejenige, die Scheiße gebaut hatte, also sollte sie den ersten Schritt machen.

Langsam wanderte Emilia gedankenverloren in ihren Schlafsaal, da der Gemeinschaftsraum wegen des Trimagischen Turniers wie leergefegt war. Nicht einmal fünf-und Siebtklässler lernten heute für ihre ZAGs oder UTZs, was ein Wunder war, denn eigentlich lernte immer irgendjemand von denen. Wieder einmal holte Emilia ihr Buch über Animagi heraus und begann, die dort beschriebenen Übungen zu versuchen. Sie war gerade bei der vorletzten Übung, als es in ihrem Körper anfing, seltsam zu kribbeln. Zuerst kitzelte es nur leicht und Emilia versuchte, dieses Gefühl irgendwie loszuwerden, doch es funktionierte nicht. Nervös las sie noch einmal den Absatz über die Übung, doch dort stand nichts von möglichen Beschwerden. Leicht panisch legte sie das Buch weg und ging hinaus in den Gemeinschaftsraum, der sich mittlerweile wieder gefüllt hatte. Auch Draco konnte sie in einer dunklen Ecke erkennen, also gesellte sie sich trotz ihres komischen Gefühls zu ihm.

"Na, wie wars?", fragte Emilia.

"Ganz okay, deine Schwester war ja echt gut", erklärte Draco. "Sie ist momentan auf Platz eins, auch wenn man den Drachen eigentlich nicht hätte umbringen sollen. Aber es stand nirgendwo, dass man es nicht darf, also kann es dafür keinen Punktabzug geben."

"Meine Schwester hab ich auch gesehen, bei Diggory bin ich gegangen. Klar ... eigentlich wollte ich bleiben, aber es gibt wichtigeres", murmelte Emilia. Fuck! Wieso musste sie sich selbst immer mehr reinreden? Sie redete immer, wenn sie nervös war, solchen Mist! Außerdem war da dieses Kribbeln, was noch immer nicht aufhören wollte. Und das lag nicht an Draco.

"Was war denn wichtiger?", fragte Draco neugierig. Emilia verfluchte sich selbst!

"Ehm ... nichts besonderes", wich Emilia ungeschickt aus.

"Du weißt, du kannst mit mir über alles reden?", versicherte Draco, der das Gefühl hatte, dies sagen zu müssen.

Emilia nickte. "Ich ... Ich bin zu den Umkleiden gerannt und kurz bevor ich hinein gehen konnte, zur Besinnung gekommen."

"Du wolltest zu deiner Schwester", meinte Draco. Emilia nickte zur Bestätigung und kratzte sich an den Armen.

"Sag mal, was ist denn los mit dir? Du siehst nervös aus", fragte Draco beunruhigt und musterte sie besorgt.

"Ich hab was ausprobiert, nachdem ich vorhin allein war. Einen Zauber. Und der ist wohl nach hinten losgegangen", log Emilia.

"Dann geh zu Snape", schlug Draco vor. "Komm!" Er erhob sich und hielt Emilia den Arm hin, an dem sie sich widerwillig hochzog. Snape musste sie die Wahrheit sagen, schließlich konnte er ihre Gedanken lesen, auch wenn er dies nicht durfte. Seufzend folgte sie Draco zu Snapes Büro, wo dieser ungeduldig anklopfte.

"Du willst doch aber nicht mit rein, oder? Ich mein, ich kann das selbst", versuchte Emilia, Draco davon zu überzeugen, dort zu warten.

"Okay, ich warte hier", meinte dieser verwirrt und stellte sich an die gegenüberliegende Wand.

"Herein!", kam es dumpf von innen. Emilia erschrak und öffnete schnell die Tür. Snape saß an seinem Schreibtisch und sah sie schlecht gelaunt an. Dann zog er spöttisch eine Augenbraue hoch und knallte die Tür mit einem Wink seines Zauberstabs zu. Ooookay, mit dem ist nicht zu spaßen!

Brav setzte sie sich in den Stuhl, der vor Snape stand und sah ihn an. "Professor ... ich habe da so ein Problem", murmelte Emilia kleinlaut, die sich unwohl in ihrer Haut fühlte. Das passierte ihr nicht sehr oft. Aber dieser Mann war ihr so vertraut und gleichzeitig fremd.

"Womit kann ich helfen?", fragte Snape mit seiner typisch öligen, leisen Stimme.

"Es war so. Seit einigen Monaten habe ich ein Buch über Animagi ausgeliehen und die Übungen mache ich nun seit ein paar Wochen. Jedenfalls war ich heute bei der vorletzten Übung angekommen, als ich plötzlich so ein Kribbeln im ganzen Körper gespürt habe ... und es geht nicht weg", erklärte Emilia leise.

"Beschreiben Sie das Kribbeln", kam jedoch nur als Antwort. 

"Es fühlt sich an, als würden all meine Organe jucken und ich kann nicht kratzen. Das macht mich echt verrückt. Und es wird statt besser nur schlimmer." 

"Um wirklich sicher sein zu können, was Ihnen fehlt, müsste ich einige Übungen mit Ihnen durchführen, in Ordnung?" Emilia nickte nur. Was jetzt wohl kam?

Tatsächlich musste Emilia wirklich komische Aufgaben machen. Zuerst sollte sie meditieren, was allein ja noch nicht schlimm ist, aber wenn der eigene Zaubertranklehrer einem dabei in den Gedanken rumpfuscht ... Bestimmt hatte er die unangenehmen Situationen mit Draco auch gesehen, obwohl er eigentlich etwas anderes suchte. Erzählt hatte er jedoch nicht, was genau er eigentlich suchte, dann hätte Emilia es ihm ja verraten können. Zumindest hatte er es nach mehreren Minuten gefunden, sodass er sich aus ihrem Kopf zurückzog. Das war schon echt lästig, denn dauernd hatte Emilia im Hinterkopf gehabt, dass sie ja an nichts denken sollte ... und das allein war ja auch schon ein Gedanke, nicht wahr? Komplizierte Sache ...

Danach sollte sie zeigen, was für eine Übung sie als letztes gemacht hatte. Das war nicht wirklich schwer, aber es sorgte dafür, dass es bei ihr noch mehr kribbelte als vorher eh schon. Super, ja! Da war sie zu Snape gekommen, um Hilfe GEGEN dieses Kribbeln zu bekommen, da machte er es nur noch schlimmer ... Tolle Hilfe!

Nun ja, letzte Aufgabe war, dass sie versuchen sollte, in ihren eigenen Kopf einzudringen. Wie das funktionieren sollte? Emilia hatte keine Ahnung. Snape erklärte, dass sie sich mal darauf fixieren sollte, ihre Augenfarbe zu ändern ... Natürlich sagte sie ihm, dass sie dafür einen Zauberstab brauche, doch er verneinte, also versuchte Emilia aus ihren grünen Augen rote zu machen. Sie konzentrierte sich wirklich nur auf ihre Pupillen, alles andere blendete sie aus. Dann stellte sie sich ihre Augen in rot vor.

"Ich habe die Lösung Ihres Problems", murmelte Snape und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch.

"Und die wäre ...?", fragte Emilia. Durch diese Spielchen hatte sie auch noch Kopfschmerzen bekommen und nun war es endgültig um ihren Verstand geschehen. Sie mit Kopfschmerzen waren keine gute Mischung.

"Sie sind ein Metamorphmagus. Äußerst selten. Sie können Ihre Gestalt ändern ohne einen Zauberspruch oder Zauberstab. Das kann sehr nützlich sein, wenn Sie mich fragen. Allerdings bringt dies auch Schwierigkeiten mit sich, denn Sie müssen beim Ministerium anmelden, dass Sie ein Metamorphmagus sind. Außerdem müssen Sie lernen, diese Gabe zu kontrollieren", erklärte Snape mit öliger Stimme, doch er klang nicht so wütend wie sonst immer.

"Und wie soll ich das lernen?", fragte sie leicht verwirrt.

"Ich werde mich darum kümmern, einen Lehrer für Sie zu finden", murmelte Snape und nickte Emilia zu. "Soll ich Ihren ... Vormund informieren?" Das Wort 'Vormund' sprach er verächtlich aus. Es schien so, als würde es ihm gegen den Strich gehen.

"Nein. Das mache ich selbst, denke ich. Ich wollte sie sowieso nochmal besuchen", sprach Emilia leise. Eigentlich wollte sie Isabelle nicht besuchen gehen, aber noch weniger wollte sie, dass Snape mit ihr über sie sprach. Das würde nicht gut enden. Snape als Lehrer würde Isabelle bestimmt auch erzählen, wie oft sie schon den Unterricht geschwänzt hatte ...

"Nun gut ... Dumbledore werde ich Bescheid geben. Er wird sich mit Ihnen unverzüglich unterhalten wollen, um das weitere Vorgehen zu besprechen." Das klang verdächtig danach, als hätte sie etwas angestellt. Zumindest redete man sonst nur so mit ihr, wenn sie etwas falsch gemacht hatte.

"Danke, Professor", murmelte Emilia leise. "Sie haben mir wirklich geholfen."

"Dazu bin ich da", täuschte sich Emilia nun oder erschien auf Snapes Gesicht ein Anzeichen eines Lächelns? Nein, es war wirklich dort. Snape zog seine Lippen nach oben und lächelte ein wenig, was Emilia noch nie bei ihm gesehen hatte. "Gegen die Kopfschmerzen -", fing Snape an und eilte zu einem großen Schrank, indem lauter kleine Phiolen aufbewahrt wurden.

"Woher wissen Sie, dass ich Kopfschmerzen habe?", fragte Emilia stirnrunzelnd.

"Ich bin Lehrer", erklärte dieser, als wäre es vollkommen logisch. Emilia hatte noch nie gehört, dass Lehrer Gedanken lesen können, ohne dass der Schüler dies merkte ... Sie hielt es für relativ unwahrscheinlich.

"Das ist keine Erklärung", gab sie zurück. Sie fürchtete, den Tränkemeister nun verärgert zu haben, doch dieser drehte sich nur mit einem Nicken und einer kleinen Phiole in der Hand zu ihr um.

"Ich habe schon einige Erfahrungen mit Metamorphmagi machen dürfen", meinte Snape und gab ihr die Phiole in die Hand.

"Danke, Sir", murmelte Emilia.

"Sie können immer zu mir kommen, wenn Sie Hilfe brauchen", sagte Snape.

Emilia nickte nur langsam und schritt zur Tür. "Vielen Dank, Professor. Gute Nacht!", wünschte sie ihm noch, dann trat sie durch die Tür auf den Gang, wo Draco an die Wand gelehnt am Boden saß.

Er sah sie mit großen Augen an und erhob sich. "Du bist noch da", stellte Emilia leise fest.

"Natürlich ... Ich sagte doch, ich warte", lächelte Draco und sah sie abwartend an.

"Aber das hat Stunden gedauert -"

"Aber es hat sich gelohnt", meinte Draco. Wieso hatte es sich gelohnt? Verheimlichte er ihr irgendwas? Emilia schüttelte ungläubig den Kopf und lief in Richtung Gemeinschaftsraum. Draco folgte ihr.

Als Emilia Dracos neugierigen Blick sah, lächelte sie: "Ich erzähl dir alles im Schlafsaal." Draco nickte ergeben. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Hin und wieder kamen ihnen einige ältere Schüler entgegen, ausschließlich Slytherins, doch ansonsten war nichts mehr los. Es war ja auch schon ziemlich spät. 

Im Gemeinschaftsraum saßen Daphne und Lilith auf dem Sofa, die sich aufregt miteinander unterhielten. Emilia nickte ihnen kurz zu, ging aber zielstrebig auf Dracos Schlafsaal zu.

Bei ihm schlief niemand mehr. Blaise war ja nun ... weg. Und kam hoffentlich nie wieder. Die anderen Jungs hatten einen eigenen Schlafsaal, da die Slytherins einen ziemlich großen Gemeinschaftsraum besaßen. Größer als jeder andere in Hogwarts. Das erzählte man sich.

Schnell schloss Emilia die Tür hinter sich und setzte sich neben Draco auf das Bett. Er sah sie abwartend an, denn er wusste, sie würde erst reden, wenn sie bereit war.

Emilia holte tief Luft. "Du musst mir versprechen, dass niemand erfährt, was ich dir erzähle!"

"Natürlich. Von mir wird es niemand erfahren", versicherte Draco schnell.

"Ich ... Snape hat mich ein paar Übungen machen lassen. Und er meinte, ich sei ein Metamorphmagus."

"Ein Metamorphmagus!? Das ist ja super! Das ist echt selten, dass jemand die Gabe hat!", rief Draco.

"Ist ja schön und gut, aber ich soll Training bekommen. Damit ich das kontrollieren kann oder so ähnlich. Echt dumm. Aber na ja. Ich werde es überleben", nickte Emilia.

"Wie kommt Snape darauf, dass du ein Metamorphmagus bist?", fragte Draco verwirrt.

"Ich musste so eine Übung machen, wo ich mich verwandeln musste oder so... Aber er hat es vorher schon gewusst, glaube ich. Außerdem hat er in meinen Gedanken etwas gesucht."

"Bei Merlins Bart ... das kann nicht sein", murmelte Draco erschrocken.

"Was denn?", fragte Emilia ungeduldig.

"Woher wusste Snape schon am Anfang, dass du ein Metamorphmagus bist? Dieses Kribbeln im Körper könnten auch Anzeichen für eine Animagi-Verwandlung sein. Oder für etwas ganz anderes."

"Du meinst, er wusste es schon, bevor ich zu ihm gekommen bin?"

Draco nickte langsam. "Also hör zu: Die Fähigkeit wird weiter vererbt. Natürlich kann jemand auch durch Zufall die Gabe haben, aber das ist wirklich selten bis noch nie passiert. Jedenfalls, das müsste bedeuten, dass einer deiner Eltern die Gabe ebenfalls besaß ..."

"...Und Snape vermutlich davon wusste, was wiederrum bedeuten könnte, dass er meine Eltern gekannt hat", schloss Emilia.

"Ganz genau", nickte Draco.

"Und wie bekomme ich raus, wer alles die Gabe hat?", fragte Emilia.

"Das Zaubereiministerium hat alle registriert", murmelte Draco. "Der Zaubereiminister! Noch ist er hier!"

"Du meinst, ich soll ihn fragen?", fragte Emilia vorsichtig noch einmal nach. Draco nickte. "Ich geh Dumbledore suchen!"

Schnell rannte sie aus dem Gemeinschaftsraum und versuchte sich krampfhaft, an den Weg zu Dumbledores Büro zu erinnern. Schwierig. Vor allem, wenn die Gänge fast alle gleich aussehen. Emilia verlief sich noch immer ziemlich oft, obwohl sie bereits einige Wochen in Hogwarts war.

"Emilia? Was machst du denn hier?", fragte auf einmal eine weibliche Stimme hinter ihr. Schnell fuhr Emilia rum und seufzte erleichtert, als sie erkannte, dass es nur ihr Vormund war. Doch als sie sich weiter umsah, entdeckt sie auch den Zaubereiminister und Isabelles Chef.

"Äh Ich wollte zu Ihnen, Mr. Fudge", murmelte Emilia.

"Was ist denn los?", fragte Isabelle alarmiert.

"Nichts", antworte Emilia, dann wandte sie sich wieder Fudge zu.

"Kommen Sie mit", sagte Fudge nach längerem Überlegen. Isabelle grunzte als Zeichen, dass sie dies nicht guthieß, doch dann lief sie mit ihrem Chef vorbei den Gang entlang. Fudge jedoch ging in ein leeres Klassenzimmer und sprach, nachdem Emilia eingetreten war, einen Zauber. Wohl damit niemand belauschen konnte.

"Was gibt es?", fragte er sanft und setzte sich auf einen Stuhl. Emilia zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich.

"Es geht um mich und meine Vergangenheit", fing Emilia an. "Wie Sie wissen, kann ich mich nicht erinnern."

"Ah ich erinnere mich", nickte Fudge. "Du wurdest entführt und gefoltert, ja ich habe davon gehört."

"Ich möchte meine Familie finden, aber dazu brauche ich Ihre Hilfe", murmelte Emilia leise.

"Was kann ich tun?"

"Ich muss wissen, wer alles ein Metamorphmagus ist", meinte Emilia. "Einer meiner Eltern war vermutlich einer."

"Wie kommen Sie denn darauf, Miss Callahan?"

"Nun ... Professor Snape hat mir vor wenigen Minuten eröffnet, dass ich ein Metamorphmagus bin. Demnach könnten meine Eltern ja auch einer gewesen sein -", vermutete Emilia. "Es würde mich zumindest ein Stück weiter bringen."

"Da gebe ich Ihnen Recht. Ich werde veranlassen, dass man Ihnen alle Namen zusendet. Natürlich streng vertraulich -"

"Natürlich, Mister Fudge. Ich werde die Namen niemandem zeigen", versprach Emilia. Fudge nickte.

"Haben sie denn schon Informationen...?", fragte Emilia. "Sie lassen doch nach meinen Eltern suchen?"

"Das ist das Problem. Wir haben von einer gewissen Emily Avens erfahren, die Ihnen ähnlich sieht. Dieser Name taucht jedoch in mehr als hundert solcher Akten auf, sodass wir alle durcharbeiten müssen, bis wir zu Ihrer kommen. Falls Emily Avens überhaupt mit Ihnen verwandt ist, das wissen wir ja nicht."

"Zu mir meinte sie, ich wäre ihre Zwillingsschwester, doch meine Freunde, unter anderem auch eine alte Freundin von Durmstrang, die mich vor der Folterung gekannt hatte, glauben nicht daran ..."

"Sie haben jemanden gefunden, der Sie gekannt hat? Der Ihren Namen kennt? Wieso wissen wir nichts davon?", fragte der Zaubereiminister sauer.

"Marie und ich waren in Durmstrang befreundet, in der zweiten und dritten Klasse. Laut ihrer Aussage bin ich jedoch vor meinem zweiten Schuljahr ebenso ohne Erinnerung aufgetaucht -", versuchte Emilia zu erklären. "Das heißt, auch sie kennt meine wahre Identität nicht. Aber seit ich in der zweiten in Durmstrang aufgekreuzt bin, meinte Emily, wir seien Zwillinge."

"Also bringt uns auch das nicht sehr viel. Sie haben also zweimal bei Null angefangen - Respekt! Aber woher wissen Sie denn dann Ihren Vornamen?"

"Mein Vorname und mein Alter waren immer das einzige, an das ich mich erinnern konnte. Und ich hab das hier -", murmelte sie und griff an ihren Rücken. Langsam zog sie ihren Pullover hoch und offenbarte ein leicht verblichenes Tattoo, welches sie bisher noch niemandem offenbar hatte. Sie hatte es selbst erst vor wenigen Wochen entdeckt, denn sonst achtet man ja auch nicht unbedingt auf den Rücken ... Kurz sah sie dem Zaubereiminister, welcher sie irritiert beobachtete, in die Augen, dann drehte sie sich seufzend um. Sofort fiel Fudge das Tattoo auf, auf dem in großen, geschwungenen Buchstaben stand:

Solve Você, Emilia!

Nach einigen Minuten des Schweigens drehte sich Emilia um und ließ ihr Pullover wieder über das Tattoo fallen, um es zu verdecken.

"Das ist Portugiesisch", stotterte Fudge perplex. "Seit wann haben Sie dieses Tattoo?"

"Ich weiß es nicht. Es muss passiert sein, bevor ich meine Erinnerung verloren habe", murmelte Emilia. "Wissen Sie, was es übersetzt heißt?"

"Heil dir, Emilia. Ich weiß nicht, wieso jemand einem Kind so etwas auf den Rücken tattoowieren sollte ...", Fudge wirkte ehrlich fassungslos. "Sie haben mehr Geheimnisse als jeder andere, den ich kannte."

"Es ist nicht toll, Geheimnisse zu haben. Schon gar nicht, wenn man sie selbst nicht kennt", erklärte Emilia sachlich. "Würde ich alle kennen, wüsste ich zumindest, wer meine Familie ist und ob sie noch lebt."

"Da haben Sie Recht." Emilia nickte langsam. "Meine Zeit drängt. Ich muss zurück ins Ministerium. Vielen Dank, dass Sie sich mir anvertraut haben, Miss Callahan. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen die Namen zukommen lassen."

"Danke, Sir, wirklich", lächelte Emilia. "Auf Wiedersehen." Fudge nickte noch ein letztes Mal, dann verschwand er aus dem Raum und ließ Emilia allein zurück. Sie hatte noch keine Lust, sich zu den anderen zu gesellen, also blieb sie noch eine Weile dort sitzen und starrte gedankenverloren aus dem Fenster.

Es war dringend notwendig, dass Emilia ihr Leben ordnete. Sie wusste ja selbst schon nicht mehr, was vor Hogwarts geschehen war. Wie sollte sie auch, wenn sie alles immer nur von Leuten hörte und sich nicht erinnern konnte? Wenn sie wenigstens ihre Eltern kennen würde... Dann wäre zumindest ein Teil ihrer Probleme gelöst. Aber das würde bestimmt noch dauern. Bisher hatte sie ja noch nicht wirklich viel über ihr altes Leben herausgefunden. Ob Emily wohl etwas wusste? Wenn ja, was? Und was verheimlichte sie? Wieso hatte Emily ihre angebliche Schwester so abserviert?

Fragen über Fragen. Und keine Antworten. Dauernd kreisten Emilia irgendwelche möglichen Zusammenhänge im Kopf herum, die zu absurd waren um sie überhaupt auszusprechen.

Nach einer Stunde, die sie aus dem Fenster geschaut hatte, ging Emilia zurück in den Gemeinschaftsraum. Zumindest wollte sie das, als sie plötzlich Stimmen vernahm. Und das nach Ausgangssperre. Emilia huschte näher zu den Stimmen, um vielleicht einen Blick auf die Personen zu erhaschen, doch sie durfte nicht zu laut sein. Wenn es nur ein Lehrer war, müsste sie aufpassen. Langsam schlich sie an der Wand entlang, immer dort, wo es etwas dunkler war. Vor der Ecke blieb sie stehen und lauschte.

"...sie wird es sowieso irgendwann herausfinden", sagte da eine männliche Stimme. Sie klang melanchonisch und geheimnisvoll, sanft und engelsgleich. Klischeehafte Beschreibung, aber genau so hörte sich die Stimme des Jungen an.

"Aber nicht jetzt", zischte eine leise, durchdringende Stimme. Emily. Was machte sie hier? Und wer würde was herausfinden?

"Ob jetzt oder später ist doch egal", murmelte der Junge. "Sie wird sich dir anschließen, ganz bestimmt."

"Das sagst du so. Du kennst sie nicht."

"Du auch nicht", stellte der Junge klar. Emilia zog die Luft scharf ein. Bei so einer Bemerkung hätte Emily bei jedem anderen einen Fluch benutzt. Umso erstaunter war Emilia, als sie die Reaktion sah.

Emily nickte leicht und senkte den Kopf. "Du hast Recht. Aber ich weiß genug über sie, dass ich sagen kann, dass sie sich mir niemals anschließen würde."

"Es geht um ihr Leben, das wird sie beschützen wollen", warf der Junge ein.

"Aber nicht, wenn dafür ihre Freunde draufgehen, Dus", widersprach Emily. Redeten die beiden gerade von ihr!? Oder von wem sonst? Emilia machte sich ernsthafte Sorgen, dass es um sie gehen könnte ... Und was war Dus für ein Name? Abkürzung? Oder hieß er wirklich so? 

"Welche Freunde denn? Voldemorts Anhänger? Kann man das wirklich Freunde nennen?", fragte Dus spöttisch. 

"Malfoy ist wirklich okay, und aus sichereren Quellen weiß ich, dass der Typ in sie verschossen ist", konterte Emily. "Außerdem wären da noch Greengrass und diese bescheuerte Marie ..." 

"Ach ja, na dann werden die halt sterben. Ich würde eher mein Leben als das meiner Freunde retten." 

"Schön zu wissen, dass ich dich auch nicht retten muss", fauchte Emily. 

"Bleib ruhig, wir müssen leise sein", sagte Dus. 

"Du hast Recht. Hör zu, wir müssen noch warten. Sie wird sich uns anschließen, aber ihr Dad ist wirklich mächtig. Und damit meine ich ihren nicht sterblichen Dad", erklärte Emily. Nicht sterblichen Vater? Wie kann jemand denn nicht sterblich sein? Voldemort? Oh nein! 

"Stimmt, dieser Zaubertrankdödel hat doch eh nichts drauf", meinte Dus herablassend. Snape? Was hatte Snape denn nun damit zu tun? Wenn die beiden wirklich über Emilia redeten, würde das bedeuten, dass Snape ihr Vater war…

"Weiß sie es?", fragte Dus. 

"Sie erinnert sich von Tag zu Tag immer mehr. Ich spüre es. Aber das ist ja auch der Sinn des Zaubers gewesen. Wir wollten sie ja nur ein wenig durcheinander bringen." 

"Das haben wir geschafft", murmelte Dus. "Du könntest den Zauber nun auflösen, dann würde unser Plan schneller aufgehen." 

"Aber das wäre ja nicht halb so spaßig!", maulte Emily. 

"Das ist mir eigentlich echt egal", fauchte Dus. 

"Idiot", murmelte Emily. "Machs doch selbst." Emilia versuchte, ein wenig um die Ecke zu schauen. Sie war neugierig auf den fremden Jungen. Sie war sich sicher, ihm noch nie begegnet zu sein. Außerdem wollte sie mehr über die geheimnisvollen Sachen der beiden erfahren. Kaum, hatte sie sich bewegt, stieß sie mit ihrem Fuß gegen die Wand, was ein unpassendes Geräusch erklingen ließ. Nun wussten die beiden, dass sie belauscht wurden. Emilia drückte sich näher an die Wand, in der Hoffnung, niemand hätte sie gehört. 

"Psst", machte Dus. "Hast du das gehört?" 

"Jemand belauscht uns", stellte Emily fest. "Emilia." 

"Bist du sicher?" 

"Ja, sieh mal dort hinter der Ecke nach", Emily zeigte auf die Ecke, hinter der sich Emilia versteckte. Emilia hörte leise Schritte, die immer näher kamen. Gleichmäßig. Immer im gleichen Takt. Dann schloss sie die Augen und wartete, bis der Junge sie entdecken würde. Plötzlich blieben die Schritte stehen und Emilia linste um die Ecke. Erschrocken fuhr sie zusammen, denn vor ihr, direkt in ihre Augen starrend, stand der Junge mit einem unergründlichen Blick. Auch er wirkte leicht erschrocken, doch er erholte sich schnell wieder und musterte die an die Wand gedrückte Emilia. 

"Und?", erklang Emilys Stimme von weither. 

"Nichts. Hier ist niemand", antwortete der Junge. Kurz nickte er Emilia zu, dann verschwand er wieder. Diesmal ganz. Auch Emily stand nicht mehr auf dem Gang, als Emilia sich umblickte. Wieso hatte der Junge sie nicht verraten? Und weshalb hatte er so erschrocken ausgesehen? Kannte er sie? Vielleicht waren sie sich früher einmal begegnet. Möglich wäre es. Aber Emilia kam er nicht bekannt vor. Einmal tief durchatmen, sagte sie sich, und dann auf dem schnellsten Weg zurück in den Gemeinschaftsraum, bevor man sie noch erwischte. Leise murmelte sie „Lumos“, woraufhin ihr Zauberstab hell aufleuchtete. Ohne Licht würde sie den Weg zurück niemals finden, allerdings war mit Licht die Gefahr, von einem Professor erwischt zu werden, größer. Aber wenn sie sich recht erinnerte, war ihr Gemeinschaftsraum nicht sehr weit. Langsam setzte sie sich in Bewegung und leuchtete mit ihrem Zauberstab vor sich den Weg. Der Gang sah aus, wie jeder andere. Daher konnte sie nur ungefähr sagen, in welchem Stock sie sich befand.

Über wen hatten sich Emily und Dus bloß unterhalten? Über Emilia? Wenn ja, würde das bedeuten, dass Draco in sie verliebt war – und dass sie sich ihrer ‚Schwester‘ anschließen soll, bei was auch immer. Und es ging um ihr Leben und das ihrer Freunde, welches sie auf keinen Fall riskieren wollte. Und bedeutete dies nicht auch, dass Snape ihr Vater war …? Und wer war ihr ‚unsterblicher Vater‘?

Emilia hoffte, bald einige Antworten darauf zu bekommen. Sie hielt es nicht mehr aus, nicht zu wissen, ob sie mit Emily verwandt war. Und vor allem hielt sie es nicht mehr aus, nicht zu wissen, was das Ganze sollte. Bei einem war sie sich sicher: Es war kein Zufall, dass sie zweimal ihr Gedächtnis verloren hatte. Es musste einen Grund dafür geben. Nur welchen? Und wer könnte ihr das antun?

Und was meinte Emily damit, dass sie ‚sich langsam erinnert‘? Offenbar muss ja Emily diejenige gewesen sein, die ihr Gedächtnis kurzzeitig gelöscht hatte. Nur hatte Emily ihr Gedächtnis womöglich zweimal geklaut? Und warum?

Für Emilia gab nichts einen Sinn. Sie hoffte, jemand würde ihr bald die Wahrheit sagen. Zumindest einen Teil davon. Sie wäre schön glücklich, wenn sie wüsste, was es mit Snape auf sich hat. Schließlich könnte sie gerade jetzt, wo alles zusammen auf sie hereinbricht, jemanden gebrauchen, der ihr half. Eine Vertrauensperson. Klar, Snape würde sie sich nicht unbedingt gerne anvertrauen … aber wenn er tatsächlich ihr Vater war, dann würde sie sich eben dazu überwinden. Sie brauchte einfach jemanden – und zu Isabell hatte Emilia auch nicht so ein gutes Verhältnis, dass sie sich ihr anvertrauen würde. Immerhin kannten sie sich eigentlich kaum, Emilia trug lediglich ihren Nachnamen. Das war’s. Sie hatten nicht viel miteinander zu tun, gingen beide eher ihre eigenen Wege.

Emilia lief gedankenverloren durch die Gänge, bis sie plötzlich Schritte hörte. Oh fuck! Schnell machte sie ihr Zauberstablicht aus und drückte sich an die Wand. Die Schritte kamen näher. Zeit zum Abhauen blieb nicht, und wenn, würde man ihre Schritte hören. Also lieber ruhig bleiben. In der Ferne konnte sie sehen, wie ein Licht um die Ecke kam. Eine schwarze Gestalt lief auf sie zu. Doch bei genauerem Hinsehen war sie zu klein für einen Lehrer – Emilia hatte auf Snape getippt, der um diese Zeit ja immer Rundgänge machte – also musste es vermutlich ein anderer Schüler sein, der sich um diese Zeit in die entlegensten Gänge verirrt hatte. Ohne zu atmen und sonst ein Geräusch zu machen, beobachtete sie, wie die Gestalt, ohne sie zu sehen, näher kam. Die Person war männlich, hatte dunkle Haare, mehr konnte Emilia noch nicht erkennen. Doch als die Gestalt näher kam, sah Emilia, dass der Umhang rot war – also Gryffindor. Und dort gab es nur einen, der nachts nicht in seinem Bett lag. Potter!

„Potter!“, zischte Emilia leise, als der Junge direkt vor ihr an der gegenüberliegenden Wand lief. Erschrocken drehte er sich in die Richtung um, aus der das Geräusch kam. Entsetzen spiegelte sich in seinem Gesicht. Dann löste sich Emilia von der Wand und ging auf ihn zu. Erleichtert atmete Potter tief aus.

„Ich dachte, du wärst Snape“, stellte Potter glücklich fest.

„Ach was? Das Gleiche dachte ich von dir“, grinste Emilia. „Was machst du so spät noch auf den Gängen?“

„Ich konnte nicht schlafen“, murmelte Potter.

„Ausrede! Also raus damit, was wolltest du wirklich hier?“

„Zum Raum der Wünsche. Ich nehm mal an, du kennst ihn auch -…“

„Natürlich, wer kennt den nicht?“, unterbrach Emilia den Gryffindor. „Also ich bin ja rein aus Spaß hier.“

Potter prustete los. „Aus Spaß? Hast du dich etwa mit jemandem getroffen?“

„Nein! Potter, du zerstörst immer gleich mein tolles Image…“, meinte Emilia leicht beleidigt. „Ich meinte, dass ich mich verlaufen hab. Beziehungsweise hatte, jetzt hab ich ja dich als Wegweiser.“

„Und du glaubst, ich führ dich dahin, wo du hinmusst?“

„Natürlich. Das wäre ja sonst nicht sehr gentlemen-like“, grinste Emilia.

„Apropos Gentlemen, schon einen Plan, mit wem du zum Weihnachtsball gehst?“, fragte Potter interessiert.

„Darüber hab ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht… War zu sehr mit Emily und Blaise und dem ganzen Kram beschäftigt. Aber ich denke, ich werde Draco fragen“, erklärte Emilia. „Und du?“

„Ich wollte Choe mal fragen…“

„Diese kleine, zickige Ravenclaw? Die mit den schwarzen Haaren?“, fragte Emilia.

„Genau. Du kennst sie?“

„Wer kennt die denn nicht? Bei uns im Gemeinschaftsraum ist die eines der interessanteren Gesprächsthemen. Bei uns mag sie niemand. Ich finde sie eingebildet, zickig und rücksichtslos, aber ich hab mich auch nur einmal mit ihr unterhalten“, erzählte Emilia.

„Ich finde sie nett“, hielt Potter dagegen.

„Du bist ja auch naiv, Potter. Sie ist kein kleines Unschuldslamm, wie sie aussieht. Aber deine Sache“, meinte Emilia. „Du wirst es noch früh genug einsehen.“

„Draco ist kein bisschen besser“, murmelte der Gryffindor.

„Oh doch. Draco ist mein bester Freund. Es gibt keinen besseren Freund als ihn. Er ist treu, hilfsbereit, sorgt sich immer um mich…“

„Du bist verknallt“, stellte Potter grinsend fest. Emilia schüttelte heftig den Kopf. Draco war nur ihr bester Freund, zumindest versuchte sie sich das immer einzureden. Die Wahrheit war nämlich, dass sie sich nicht sicher war, was sie für ihn empfand. Und was würde es ändern, wenn sie es wüsste? Er empfand sicher nicht dasselbe wie sie, da war sie sich ziemlich sicher. Und nach der Sache mit Blaise konnte Emilia auch gern auf eine neue Beziehung pfeifen, sowas brauchte sie zumindest nicht so schnell wieder. Natürlich wusste sie, dass Blaise ein Ausnahmefall gewesen war, und sie wusste auch, dass Draco auf keinen Fall so war, aber trotzdem wollte sie es langsam angehen lassen. Sie brauchte im Moment Freunde, keine Beziehung. Ein Glück, dass sie relativ gute Freunde hatte. Nun ja, Daphne vielleicht eher nicht so … Aber Lilith und die restlichen Slytherin-Mädchen aus ihrer Stufe, ausgenommen Parkinson, waren ja alle nett. Und nicht zu vergessen, Marie. Sie half ihr in letzter Zeit ja auch ziemlich viel. Marie war eine gute Freundin, dessen war sich Emilia sicher.

„Träum weiter“, fauchte Emilia. „Nur weil du in eine Schlampe verknallt bist, muss ich nicht in Draco verliebt sein.“

„Natürlich nicht. Aber es ist doch offensichtlich“, meinte der Gryffindor.

„So offensichtlich sicher nicht, denn dann wärst du wohl nicht der einzige, der das denken würde“, zischte Emilia.

„Jaah, rede dir nur weiter solchen Scheiß ein“, sagte er gleichgültig. „Irgendwann wirst auch du die Wahrheit erkennen.“

„Das könnte ich dir mit deiner Angebeteten ja auch sagen“, fauchte Emilia. „Sie will nämlich nichts von dir, Potter, sieh es ein!“

„Du wirst schon sehen“, schloss der Gryffindor. „Ich bin dann weg, dort vorne ist mein Gemeinschaftsraum. Tut mir Leid, aber man sieht sich ja bestimmt. Bis dann.“ Und schon war der junge Gryffindor verschwunden. Emilia konnte nicht einmal mehr widersprechen, so schnell war er weg. Wütend lief Emilia weiter in irgendeine Richtung, da sie keine Ahnung hatte, wie sie wieder vom Gryffindor-Gemeinschaftsraum wegkam. Und um diese Zeit musste sie schon extrem viel Glück haben, dass sich hier ein Schüler rumtrieb. 

Der Tränkemeister

 

Emilia lief gerade durch einen Gang, als hinter ihr ein kaltes „Miss Callahan, würden Sie bitte mit mir mitkommen?“ ertönte. Die Stimme kannte sie nur zu gut. Snape stand vermutlich hinter ihr und musterte sie mit seiner wie gewöhnlich gleichgültigen Miene. Schwer schluckend drehte sie sich zu ihrem Hauslehrer um und folgte diesem leise bis in sein Büro im Kerker. Den Weg hätte sie vermutlich allein nie gefunden. Ein Gutes hatte das Ganze: Sie war wieder dort, wo sie sich auskannte. Snape wies sie an, sich vor seinem Pult auf einen der Stühle zu setzen. Selbst setzte er sich ihr gegenüber und musterte sie kalt. Als er keine Anstalten machte, das Gespräch zu beginnen, fing Emilia an: „Es tut mir Leid, Professor, dass ich um diese Uhrzeit noch auf dem Gang war. Ich habe noch mit dem Zaubereiminister geredet und als ich gehen wollte, war es schon spät. Ich fand den Weg allein nicht, bis ich auf Potter gestoßen bin, der mich dann zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum geführt hat. Dann kamen Sie.“

„Was wollte Potter auf dem Gang?“, fragte Snape, wobei er Potters Namen abfällig betonte.

„Seine Ausrede war, dass er nicht schlafen konnte, Professor“, meinte Emilia wahrheitsgemäß. Natürlich war es nicht gerade nett von ihr, dass sie Potter verriet … Aber welcher Slytherin war schon zu einem Gryffindor nett? Keiner, also warum sollte sie eine Ausnahme bilden?

„Ihnen ist klar, dass ich Sie eigentlich nicht davon kommen lassen kann?“, fragte Snape kalt.

„Natürlich“, erwiderte Emilia eisig. „Mal ehrlich, geben Sie mir doch irgendeine Strafe, ich werde sie absitzen und gut ist!“ Snape nickte nur leicht, sagte aber nichts mehr.

„Ich habe eine persönliche Frage, Professor“, fing Emilia leise an. Sie wollte ihn nach einem möglichen Kind fragen. Sie wollte Klarheit. Denn seit Emily damit angefangen hatte, ging ihr diese Frage nicht mehr aus dem Kopf.

„Nur zu, Miss Callahan“, ermutigte Snape sie sanft. Sanft!? Seit wann war Snape sanft und nicht kaltherzig? Konnte es doch sein, dass sie seine Tochter war …?

„Haben Sie Kinder?“, fragte Emilia und musterte Snape. Dieser erschrak sichtlich bei ihrer Frage, fing sich aber schnell wieder, sodass Emilia dachte, sie hätte es sich eingebildet.

„Ja“, murmelte Snape kalt. „Wieso interessiert Sie das?“

„Ich weiß, wer Ihre Tochter ist“, sprach Emilia ihren Gedanken aus. Sie hatte etwas Angst vor seiner Reaktion und vor allem stellte sie sich die Frage, wie sie sich verhalten sollte, wenn er wirklich ihr Vater war. Sie konnte sich nicht daran erinnern, einen Vater gehabt zu haben, vielleicht hatte sie mal einen, aber sie konnte sich nicht erinnern. Sie kannte das Gefühl nicht.

„Woher?“

Emilia erhob sich langsam und ging langsam um den Schreibtisch herum. Dann setzte sie sich auf die Ecke des Schreibtischs, ganz nah zu ihrem Lehrer, der sich zurücklehnte, um möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen.

„Weil ich es bin“, murmelte Emilia. „Stimmt’s?“ Emilia war sich noch nie im Leben so sicher, ins Schwarze getroffen zu haben. Er nickte leicht, kaum merklich.

„Ja“, sagte er und betrachtete sie. Nun mit einem sanfteren Blick, wenn auch noch nicht unbedingt väterlich.

„Seit wann weißt du es?“, fragte Emilia scharf mit zusammen gezogenen Augenbrauen. „Und wieso hast du nie etwas gesagt?“, warf sie ihm vor.

„Dumbledore sagte es mir kurz bevor dein Zug hier in Hogwarts ankam. Deshalb war ich an der Eröffnungsfeier in deinen Gedanken. Verzeih mir. Du hattest genug Stress, denke ich. Ich wollte dich nicht noch mehr durcheinander bringen“, erklärte Snape. In Gedanken fügte er noch hinzu, dass er Angst gehabt hatte vor der Vaterrolle. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte ihr gegenüber. Und er wusste auch nicht, ob sie es öffentlich machen wollte. Er wollte es nämlich nicht, denn das würde seinen gefürchteten Ruf ziemlich ins Wanken bringen. Außerdem würde ihm dann vorgeworfen werden, er würde sie bevorteilen. Was er keineswegs vorhatte.

„Wie selbstlos von dir“, fauchte Emilia. „Ich hätte jemanden gebraucht, mit dem ich reden konnte! Nachdem mich ja alle verarscht hatten!“

„Das konnte ich nicht wissen“, gab er zurück. „Ich war dein Hauslehrer, du hättest jederzeit zu mir kommen können.“

„Denkst du ernsthaft, man rennt wegen privaten Problemen zu seinem Hauslehrer? Komm mal auf dem Boden der Tatsachen an!“, zischte Emilia.

„Du hattest Freunde, die sich um dich kümmerten“, murmelte Emilias Vater.

„Welche Freunde!? Daphne, die meinen besten Freund hintergangen hat? Oder Blaise, der mich umbringen wollte? Oder Granger, die total unfair war!?“

„Es ist gut, dass du nicht mehr mit Granger befreundet bist“, meinte Snape. „Slytherin ist eher was für dich.“

„Ja, in dem Bereich komm ich ganz nach dir“, murmelte Emilia. „Viele haben mich schon mit dir verglichen.“

"Die Fähigkeit des Metamorphmagus hast du nicht von mir", meinte Snape.

„Sondern? Von meiner Mutter?“, fragte Emilia leise. Vielleicht würde sie ja nun endlich erfahren, wer ihre Mutter war. Und vor allem, wie ihr Leben verlaufen war. Sie wollte wissen, was vor Voldemort mit ihr war, vor ihrem Krankenhausaufenthalt. Ob Snape wohl von Emily wusste? Und war er womöglich auch ihr Vater? Wusste sie es?

„Wer war meine Mutter?“

„Sie hieß Scarlett. Wir gingen damals in dieselbe Klasse, nur war sie in Ravenclaw und ich in Slytherin. Wir liebten uns, doch wir verloren uns, nachdem sie die Schule gewechselt hatte, aus den Augen. Ich wusste nicht, dass sie schwanger ist, sonst hätte ich versucht, dich ausfindig zu machen“, antwortete Snape. Und Emilia konnte ihm ansehen, dass es die Wahrheit war. Ihm fiel es schwer, über seine Gefühle zu reden. Vor allem mit seiner Schülerin.

„Und Emily?“, fragte Emilia. „Ist sie meine Schwester?“

„Nein. Jedenfalls ist sie nicht meine Tochter. Ihr könntet aber ja dieselbe Mutter haben …“, schlug Snape vor.

„Du kennst dich doch bestimmt gut aus – gibt es unsterbliche Zauberer?“, wollte Emilia wissen. Vielleicht konnte sie so erfahren, was ihre Schwester mit ‚nicht sterblicher Vater‘ gemeint hat.

„Natürlich. Sehr selten, aber ja. Sie sind dann ziemlich mächtig.“

„Kann man zwei Väter haben? So rein biologisch gesehen?“

„In der Zauberei ist so ziemlich alles möglich. Wieso fragst du?“, wollte Snape wissen.

„Bevor ich auf Potter gestoßen bin, hab ich Emily gesehen, zusammen mit einem Jungen. Sie haben über mich geredet. Meinten, ich müsste mich für sie entscheiden, aber dann würden meine Freunde sterben. Wenn ich mich gegen sie entscheide, sterbe ich. Außerdem meinten sie, mein nicht sterblicher Dad wäre mächtig. Dich haben sie auch erwähnt, deswegen bin ich darauf gekommen“, erzählte Emilia. Dann sah sie Snape an, welcher sich in seinem Stuhl zurück gelehnt hatte und überlegte. „So langsam reicht es mir echt mit diesen Geheimnissen. Ich will endlich mal alles wissen und nicht immer nur Fetzen, die sowieso keinen Sinn ergeben.“

„Vielleicht hat Dumbledore Neuigkeiten. Du könntest ihn mal fragen, auch wenn ich nicht sicher bin, dass er dir alles erzählen wird. Er ist immer gerne schweigsam.“

„Werde ich machen. Gleich morgen früh“, murmelte Emilia. „Apropos, wie spät ist es?“

„Kurz vor sechs.“

„So spät? Einen Vorteil hat es ja: Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, wie ich einschlafen werde. Heute ist Samstag, oder?“, fragte Emilia.

„Ja, heute ist Samstag.“

„Dann kann ich mich nach dem Frühstück ja vielleicht eine Runde hinlegen.“

„Vergiss die Hausaufgaben und das Lernen nicht“, warnte Snape sie.

„Keine Sorge. Kann ich dann gehen?“, fragte Emilia.

„Kannst du. Aber sag niemandem ein Wort, dass ich dich erwischt habe“, riet Snape ihr. „Dann bekommen wir beide Ärger.“

„Danke“, nickte Emilia ihrem Vater zu. „Wir sehen uns später im Unterricht.“ Dann verschwand Emilia schnell aus der Tür, bevor er es sich doch noch einmal anders überlegen konnte. Sie war froh, keine Strafe zu bekommen, das wollte sie nicht riskieren. Mittlerweile war es kurz nach sechs. Sie konnte also ohne Bedenken schon in die Große Halle essen gehen. Vielleicht würde sie ja dort sogar Draco oder jemand anderen aus ihrem Haus treffen. Sie wollte nicht schon wieder so allein dasitzen. Doch zu ihrem Pech sah sie nur Flint am Slytherin-Tisch sitzen, außerdem Daphne bei den Ravenclaws am Tisch, was Emilia sehr irritierte. Normal war Daphne strikt dagegen, an irgendeinem anderen Tisch zu sitzen als dem von Slytherin. Nach kurzer Überlegung beschloss sie, dass Daphne und die Ravenclaws wohl das kleinere Übel wären als Flint.

„Na ihr?“, rief Emilia schon von weitem. „Darf ich?“, fragte sie dann, als sie neben Daphne stand, und zeigte auf einen freien Platz neben ihr.

„Na klar, setz dich“, grinste Daphne. „Angst vor Flint?“

„Träum weiter. Ich hab nur so absolut keine Lust auf ihn, nachdem ich ihn mit Emily zusammen gesehen hab“, erklärte Emilia.

„Verständlich“, murmelte Daphne.

„Diggory, kann ich Daphne später kurz entführen? Ich muss ihr etwas sagen“, fragte Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Solange du sie mir zurückbringst, darfst du eigentlich fast alles“, meinte der Angesprochene und nahm sich ein Stück Brot. Emilia, die noch vor wenigen Minuten großen Hunger hatte, nahm sich einen Apfel, da ihr schon beim Anblick von Essen schlecht wurde.

„Daphne, du bist doch fertig mit Essen, oder? Wollen wir?“

Daphne schaute sie kurz verwirrt an, dann nickte sie und erhob sich. Emilia lief neben ihrer Freundin her bis sie an einem freien Klassenzimmer angekommen waren.

„Also, was gibt’s?“, fragte Daphne sogleich neugierig und setzte sich auf das Pult.

„Ich muss dir jede Menge erzählen. Ich bin ein Metamorphmagus, kann mich also in jede beliebige Art Tier verwandeln. Dies bedeutet, dass mindestens eine meiner Eltern es ebenfalls gewesen sein muss. Gestern bin ich außerdem auf Emily gestoßen, im Gang, sie hat mit einem mir unbekannten Jungen geredet. Über MICH!“, betonte Emilia. „Sie sagte, Snape ist mein Vater, aber dass ich noch einen unsterblichen Vater hätte. Und ich muss mich entscheiden. Wenn ich mich für sie entscheide, sterben meine Freunde. Entscheide ich mich gegen sie, sterbe ich. Snape hat mich außerdem erwischt, als ich nach Ausgangssperre noch auf dem Gang war. Er ist mein Vater, ich hab ihn gefragt“, erklärte Emilia.

Daphne klappt der Mund auf. Sprachlos sah sie Emilia an, dann brach sie in Tränen aus. „Es tut mir Leid, dass ich so wenig für dich da war. Ich hab von alldem nicht einmal was mitbekommen … Aber das ändert sich jetzt! Ich werde mir mehr Zeit für dich nehmen, versprochen.“

„Es ist okay, wenn du möglichst viel Zeit mit deinem Freund verbringen willst, ehrlich“, beruhigte Emilia ihre Freundin und nahm diese in den Arm.

„Aber nicht, wenn ich dadurch meine Freunde vernachlässige“, schluchzte Daphne.

„Du bist eine tolle Freundin, Daphne. Die beste, die ich hab“, hauchte Emilia. „Und jetzt zieh nicht so ein Gesicht, ich will dich lächeln sehen.“

„Okay, also was war jetzt mit Snape?“, fragte Daphne einige Minuten später, als sie sich wieder beruhigt hatte.

„Er ist mein Vater, allerdings darfst du das niemandem sagen“, murmelte Emilia. „Ich weiß es erst seit heute.“

„Dein Ernst!? Snape hat eine Tochter!? Bei Merlins Bart!“, kreischte Daphne hysterisch. „Das hätte ich echt nie gedacht.“

„Ja, aber er war zu feige, mich darauf anzusprechen. Er wusste es, seit er mich gesehen hat. Schon leicht unfair, findest du nicht? Ich meine, ich suche die ganze Zeit nach meiner Familie, dabei ist mein Vater vor meiner Nase, nur ich weiß es nicht“, fing Emilia an. „Meine Mutter hieß Scarlett, soviel weiß ich jetzt auch schon. Und Emily ist nicht die Tochter von Snape, dadurch kann es nur noch sein, dass sie meine Halbschwester ist.“

„Hey, wir können mal nach deiner Mutter suchen. Wir haben doch ihren Namen, dann finden wir doch bestimmt etwas in der Bibliothek, oder?“, schlug Daphne vor.

„Du hast Recht. Heute Nachmittag?“

„Klar, wir haben ja heute eh nur bis Mittags Unterricht. Ich kann doch Cedric mitbringen, dann sind wir vielleicht schneller.“

„Mach das“, murmelte Emilia. „Also Treffen wir uns nach McGonagalls Stunde vor der Bibliothek?“

Daphne nickte. „Wir werden da sein.“

„Danke“, lächelte Emilia. „Du hast Draco heute noch nicht zufällig gesehen, oder?“

„Malfoy? Doch, vorhin, er ist mit Parkinson soweit ich weiß Händchen haltend durch das Schloss gelaufen…“

„Er ist was!?“, unterbrach Emilia ihre beste Freundin und verengte die Augen. Eifersucht machte sich in ihr breit. Sie konnte es nicht ertragen, ihren Draco mit jemand anderem zu sehen. Das würde sie ihm auch gleich sagen, da war sie sich sicher. „Ich geh ihn suchen!“, fauchte Emilia wütend und stapfte in Richtung Gemeinschaftsraum. Sie hoffte, dass sie keinem der beiden über den Weg laufen würde. Doch schon nach der ersten Ecke lief Emilia beinahe in das Pärchen hinein.

„Pass doch mal auf, wo du hinläufst, Callahan“, fauchte Parkinson gleich. Draco starrte seine beste Freundin nur erschrocken an, denn geplant gewesen war nicht, dass sie ihn sehen würde. Es versetzte ihm einen Stich, ihr Gesicht zu sehen. Sie schien verletzt.

„Emi…“, fing Draco hilflos an.

„Spar dir das, Malfoy. Viel Spaß noch, euch Turteltäubchen. Wir sehen uns“, meinte sie kalt und atmete einmal tief durch. Ihre Miene, so hoffte sie, war unergründlich. Sie hoffte, dass keiner der beiden bemerkt hatte, wie nah ihr das ging.

Mit kaltem Blick rammte Emilia Parkinson noch ihren Ellenbogen in die Seite und ging dann an den beiden vorbei in Richtung Gemeinschaftsraum. Der Unterricht fing erst in einer guten Stunde an. Was sie bis dahin machen sollte, wusste sie nicht. Sie könnte schon einmal mit Hausaufgaben anfangen, die sie auf den nächsten Tag machen musste. Das würde sie wenigstens etwas ablenken. Schnell ging sie zu ihrem Bett und holte ihre Schulsachen heraus.

Wieso musste Draco ihr das antun? Und seit wann wollte er etwas von Parkinson? Bisher hatte er sie verabscheut, wieso also auf einmal nicht mehr? Was war nur passiert? Und Emilia hatte vor einem Tag noch gedacht, er wäre in sie verliebt. Jetzt ging ihr auf, dass er nur immer nachgefragt hatte, ob er ihre Hand nehmen dürfe, weil er selbst mit Parkinson ging. Wie blöd war sie nur wieder gewesen! Wieso verliebte sie sich auch immer in die falschen Typen? Das war wie ein Fluch. Vielleicht sollte sie die Jungs einfach nicht mehr so nah an sich ranlassen, dann könnte sie immerhin auch keiner mehr verletzen. Zumindest von Malfoy sollte sie sich in der nächsten Zeit fernhalten. Etwas Gutes hatte es ja: Nun wusste sie endgültig, dass Malfoy für sie mehr als nur ihr bester Freund war. Und sie wusste, dass sie ihm sozusagen am Arsch vorbeiging.

„Emilia? Was ist denn los?“, fragte auf einmal jemand hinter ihr. Erschrocken zuckte sie zusammen und drehte sich zur Tür um.

Ein blondes Mädchen stand in der Tür und blickte Emilia aufmerksam an. Sie war groß, vermutlich ein Jahr älter als sie selbst, und hatte hübsche blaue, herausstechende Augen. Ihr Gesicht war rund und ihre Züge sehr weiblich. Ihre blonden Locken fielen ihr über ihre schmalen Schultern. Sie war einfach das krasse Gegenteil von Emilia, denn sie selbst war immer schwarz angezogen. Dieses Mädchen hatte nur helle Sachen an.

„Wer bist du?“, fauchte Emilia.

„Oh sorry, ich bin Keira“, stellte das Mädchen sich vor. „Ich bin grade zufällig hier vorbeigekommen und habe dein Schluchzen gehört …“

„Ich habe …?“, fragte Emilia leicht irritiert. „Na egal, kommt nicht wieder vor.“

„Nein nein, so war das jetzt nicht gemeint. Ich dachte nur, es würde helfen, mit jemandem zu reden, anstatt zu weinen“, versuchte Keira sich zu erklären.

„Ich habe aber nicht wirklich Lust, darüber auch noch zu reden. Mir reichen schon die Gedanken immer“, wehrte Emilia ab. Sie wollte, dass dieses Mädchen ging, wollte aber auch nicht unhöflich sein.

„Wie du meinst“, lächelte Keira. „Hast du dann vielleicht Lust, mit mir nach unten zu kommen? Ich meine, in den Gemeinschaftsraum. Würde dir ja vielleicht guttun.“

Emilia überlegte. Warum nicht? Hausaufgaben konnte sie nachher immer noch machen. Und sie hatte sowieso bald Unterricht. „Klar, warum nicht?“, antwortete Emilia und erhob sich. „Woher kanntest du meinen Namen?“, fragte Emilia, als sie an Keira vorbeiging.

„Wer kennt den nicht? Es wird viel über dich geredet“, grinste Keira und lief neben Emilia her. „Außerdem warst du am Anfang des Jahres ziemlich auffällig, findest du nicht?“

„Ja, du hast Recht“, stimmte Emilia zu. „Trotzdem würde ich mir nicht den Namen merken, wenn ein Mädchen neu an die Schule kommt.“

„Na ja, sonst bekommen wir immer nur Erstklässler neu. Es ist noch nie vorgekommen, dass jemand so spät dazugekommen ist“, meinte Keira. „Wollen wir uns dort hinten in die Ecke setzen?“

Emilia nickte und steuerte auf die gezeigte Ecke zu. „Was wird denn so über mich geredet?“

„Jede Menge. Gerüchte über Gerüchte“ meinte Keira. „Zabini soll dich wohl fast umgebracht haben, so hieß es mal. Würde zumindest erklären, wieso er plötzlich verschwand. Außerdem sollst du zickig, vorlaut, nervig und schlagfertig sein. Dazu sollst du wohl die meisten Leute beleidigen, wenn sie dir zu nah treten. Und … du bist Malfoy sehr ähnlich, weißt du das? Die arrogante Art, die kalte Miene. Bloß keine Gefühle zeigen.“

„Na ja, ich habe gelernt, dass es besser ist, keine Gefühle zu zeigen. Gefühle machen schwach. Den Rest … na ja, ich bin wie ich bin. Wer mich nicht mag, nimmt Abstand. Fertig, Aus“, murmelte Emilia.

„Gute Einstellung“, sagte Keira. „Das können nicht viele. Und ich muss ehrlich sagen, ich könnte das auch nicht. Mir sind die Meinungen meiner Mitmenschen über mich viel zu wichtig.“

„Mir sind nur die Meinungen meiner Freunde wichtig“, meinte Emilia. „Solange ich sie habe, sind mir alle anderen egal.“

„Darf ich dich was fragen? Ich will dir aber nicht zu nahe treten …“, fragte Keira.

„Nur zu.“

„Einige Gerüchte … nun ja, es hieß mal, du seist verflucht worden. Also sozusagen umgebracht. Stimmt das?“

„Nein, ich wurde nie umgebracht. Würde ich sonst hier sitzen und mit dir reden? Wohl kaum“, meinte Emilia kalt und sah sich im Gemeinschaftsraum um. Die meisten Schüler waren gerade beim Frühstück, daher war eher wenig los. Einige Sechstklässler wie Flint und Montague waren da.

„Oh okay, ich fände es nämlich mal toll, wenn Potter nicht immer so angeben könnte, dass er der ist, der überlebt hat“, meinte die Blondhaarige.

„Fände ich auch. Aber das muss ihm erst einmal jemand nachmachen“, log Emilia, die ihm ja eigentlich schon genau das nachgemacht hatte. Dennoch wollte sie nicht, dass es jeder wusste. Sie wollte nicht wie ein zweiter Freak dastehen. Das tat sie in gewissem Sinn ja sowieso schon. Immerhin hatte sie ihr Gedächtnis verloren und eine unbekannte Schwester, die vermutlich nicht einmal ihre Schwester war. Die Frage war nur, wie Emily ihr dann so ähnlich sehen konnte.

„Ich mach mich dann mal auf den Weg zum Unterricht. War cool, dich kennen gelernt zu haben, Emilia“, meinte Keira lächelnd und erhob sich.

„Flint, Montague, ab zum Unterricht, Jungs!“, rief sie den Jungs noch zu und winkte Emilia. Zu ihrem Erstaunen schienen die Jungs ihr sogar zu gehorchen und folgten ihr laut diskutierend. Da nun niemand mehr im Gemeinschaftsraum war, machte sich Emilia auch auf den Weg zu ihrem Unterricht. Zaubertränke mit den Gryffindors. Dann würde ihre Laune endgültig ins bodenlose sinken. Sie würde Granger und Potter wieder über den Weg laufen. Und zu ihrem Entsetzen auch Parkinson und Malfoy. Sie hatte mit ziemlich vielen Leuten Probleme. Am besten, sie würde sich einfach zu Daphne oder zu Nott gesellen. Vielleicht auch zu Lilith. Sie musste schauen, bei wem noch ein Platz frei war.

Sie war die erste, die vor dem Klassenzimmer ankam. Noch nicht einmal ihr Vater war da, so früh war sie. Wie der Unterricht wohl jetzt mit ihm werden würde? Würde er sie bevorzugen? Wohl kaum. Hatte er bisher ja auch nicht, und er wusste es schon um einiges länger. Vermutlich würde alles beim Alten bleiben. Vielleicht auch besser so. Emilia wollte auch nicht, dass jeder erfuhr, dass Snape ihr Vater war. Aber es war gut zu wissen, einen Vater zu haben. Besonders wenn es ein Lehrer war. Vielleicht hatte man dadurch ja einige Vorteile. Möglich wäre es ja.

„Hey“, murmelte Nott, als dieser um die Ecke kam. Auch er war zehn Minuten zu früh erschienen.

„Nott“, lächelte Emilia. „Ist neben dir noch ein Platz frei im Unterricht?“

„Natürlich, wieso fragst du?“, wollte Nott irritiert wissen.

„Was dagegen, wenn ich mich neben dich setze?“, fragte Emilia. „Malfoy will doch bestimmt Parkinson neben sich haben…“

„Nein, im Gegenteil. Ist cool, wenn du mir Gesellschaft leisten möchtest.“

„Sehr gut“, grinste Emilia.

„Gehst du am Samstag auch nach Hogsmeade?“, fragte Nott.

„Vielleicht, ich brauche ja noch ein Kleid für den Ball“, meinte Emilia. „Und jede Menge Geschenke für meine Freunde.“

„Sollen wir zusammen gehen?“, schlug Nott vor. „Wir können deine Sachen erledigen und danach noch was trinken gehen.“

„Klingt gut“, meinte Emilia und nickte. „Können wir dann Daphne und Diggory mitnehmen? Ohne meine beste Freundin bin ich beim Kleider kaufen aufgeschmissen.“

„Aber nur zum Kleider kaufen, oder? Danach alleine was trinken?“, fragte Nott vorsichtig.

„Wenn du willst, ja“, meinte Emilia. „Wieso denn unbedingt allein?“

„Ich mag Diggory nicht. Und mit ihm an einem Tisch zu sitzen erst Recht nicht.“

„Keine Sorge, ich mag ihn auch nicht wirklich. Ich nehm ihn auch nur Daphne zu Liebe mit.“

„Da kommt Snape“, meinte Nott. „Er sieht heute ja noch miesgelaunter aus als sonst.“

Nott hatte Recht. Snape wirkte abwesend und beachtete die beiden Schüler nicht einmal, als er die Tür mit einem Schlenker seines Zauberstabs öffnete. Emilia sah Nott an und zuckte die Schulter, bevor sie mit ihm ins Klassenzimmer ging und sich ganz nach hinten setzte. Angespannte Stille lag in der Luft.

Ob er wohl wegen ihr so schlechte Laune hatte? Oder wusste auch er nicht, wie er im Unterricht mit ihr umgehen sollte? 

Möglich wäre es ja, von ihm wusste schließlich die ganze Schule, dass er kein Familienmensch war. Und Emilia glaubte, dass Snape die Neuigkeit wohl auch nicht an die große Glocke hängen würde. Sie aber auch nicht. Sie wollte nicht als „die Tochter vom mies gelaunten Tränkemeister“ gelten. Sie würde vor allen, außer ihren besten Freunden, weiterhin so tun, als kannte sie ihre Familie nicht. Was auch immer noch der Fall war. Sie kannte Snape, ja, aber laut Emily war dies ja nicht ihr einziger Vater. Wie auch immer das sein konnte. Auch über ihre Mutter wusste sie nicht viel mehr als einen Namen. Snape war ja nicht gerade sehr auskunftfreudig gewesen. Aber das war er ja bekanntlich nie. Er wurde ja nicht umsonst von vielen Schülern gefürchtet. Außer die Slytherins, und auch dort gab es nicht viele, die Snape wirklich mochten, konnte ihn niemand leiden. Alle respektierten ihn, hatten insgeheim ein wenig Angst vor ihm. Emilia fand Snape nicht so schlimm. Das konnte natürlich daran liegen, dass sie seine Tochter war, oder eben daran, dass sie sich sehr ähnlich waren.

„Emilia?“, jemand schnipste mit einem Finger vor ihrem Gesicht herum.

„Nott, was ist los?“, seufzte sie. Sie war eben so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, dass Nott sie angesprochen hatte.

„Der Unterricht fängt an, ich wollte dich nur warnen“, grinste Nott. „Wo warst du eben in Gedanken?“

„Bei allem möglichem. Es gibt viel, worüber ich nachdenken muss“, meinte sie kurz angebunden und hoffte, Nott würde es darauf beruhen lassen.

„Weil du deine Familie nicht kennst?“, fragte er. Auf Emilias erschrockenen Blick hin fügte er noch hastig hinzu: „Ich habe gehört, du hast dein Gedächtnis verloren.“

„Von wem hast du das?“, zischte Emilia leise.

„Das weiß mittlerweile fast die ganze Schule. Soweit ich weiß hat Blaise es Flint gesagt, der seinen Freunden und die habens dann öffentlich an alle möglichen Personen weiter gegeben“, hauchte Nott leise.

„So ein Arschloch“, grunzte Emilia.

„Ja, das war er schon immer“, murmelte Nott und sah Emilia an. Die beiden achteten gar nicht auf Snape, der vorne etwas erklärte. „Er hat die Mädchen immer nur ausgenutzt, genau wie Draco, Flint und Montague. Ich gebe selbst zu, ich hab es auch einige Male gemacht, aber das beruhte dann auf Gegenseitigkeit.“

„Ja, Draco kommt auf der Liste der Arschlöcher an zweiter Stelle, direkt hinter Blaise“, zischte die junge Slytherin und sah sich zu Malfoy um. Dieser saß zusammen mit Parkinson in der ersten Reihe. Sie hielten Händchen, während Parkinson die ganze Zeit kicherte. Angewidert verzog Emilia den Mund. Wie widerlich! Malfoys Miene konnte sie nicht erkennen, aber er schien durchaus zufrieden mit der Situation.

„Da ist wohl jemand verliebt“, grinsend zog Nott die Augenbrauen zusammen.

„Halt die Klappe“, meinte Emilia nur. Sie versuchte es nicht, es noch abzustreiten. Ihr war es egal, ob es irgendjemand mitbekam. Nur Witze wollte sie deswegen nicht hören.

„Dir ist aber schon klar, dass er das mit Parkinson vermutlich nur abzieht, weil er dich eifersüchtig machen will?“, fragte Nott vorsichtig seine neu gewonnene Freundin.

„Wenn das der Fall ist, wandert er doch glatt von Platz zwei meiner Liste der größten Arschlöcher auf Platz eins“, meinte Emilia emotionslos. „Wieso sollte er das auch tun?“

„Ich finde es ja wirklich beeindruckend, wie kalt und emotionslos du sein kannst …“, stellte Nott fest. „Er will wissen, ob du für ihn dasselbe fühlst. Würdest du nichts empfinden, würde dich das mit Parkinson nicht stören …“

„Parkinson stört immer“, maulte Emilia.

„Ich weiß, niemand kann sie leiden“, stimmte Nott zu.

„Doch. Malfoy.“

„Wir sollten mal unseren Trank brauen, reden können wir später noch“, grinste Theodore.

„Stimmt, du hast Recht. Den hab ich völlig vergessen“, meinte Emilia. „Blöder Unterricht!“

Am späten Nachmittag, als der Unterricht endlich vorbei war, gingen Nott und Emilia hoch in den Gemeinschaftsraum. Obwohl sich die beiden erst seit morgens richtig unterhielten, waren sie sich richtig nahe gekommen. Sie benahmen sich wie langjährige beste Freunde, auch wenn sie das nicht waren.

„Darf ich dich was fragen, Theo? Oh, und ich darf dich doch Theo nennen, oder?“, grinste Emilia.

„Natürlich Schatzi, was willst du denn fragen?“, grinste Theodore genauso zurück.

„Gibt’s bei dir auch eine Hexe, in die du verliebt bist?“, wollte Emilia neugierig wissen.

„Nein, wie gesagt, ich hatte noch nicht so viele ‚ernste‘ Beziehungen. Aber es gibt immer jemanden, den man näher kennen lernen möchte, dazu muss man nicht verliebt sein“, behauptete Theo. „An Jungs mangelt es dir bestimmt nicht, richtig?“, grinste er wieder.

„Wie meinst du das?“

„Na, die Jungs müssen bei dir doch Schlange stehen. Dauernd hör ich jemanden über dich reden, meist positives. Und eigentlich geht’s immer nur um dein Aussehen, die wenigsten kennen deinen Charakter.“

„Davon hab ich noch nichts mitbekommen“, meinte Emilia.

 

„Außerdem will ich nur einen Jungen, und den kann ich nicht haben.“

„Das ist Quatsch. Malfoy will dich eifersüchtig machen, was ja ganz gut geklappt hat, da bin ich mir sicher. Früher oder später wird er selbst merken, dass er damit nicht sehr weit kommt, gibt ihm Zeit, Emi“, versuchte Theo die Situation zu beschönigen. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht wollte Malfoy sie nur eifersüchtig machen. Aber vielleicht auch nicht. Sie wusste es nicht. Und Malfoy würde es ihr ganz bestimmt auch nicht sagen, da war sie sich sicher. Außerdem wollte sie nicht unbedingt mit ihm reden. Ihm aus dem Weg zu gehen war eine sehr gute Taktik, fand Emilia. Vor allem bekam sie ihn so nur selten zu Gesicht. Ansonsten würde sie schier verrückt werden, weil es jedes mal schmerzte, ihn mit Parkinson zusammen zu sehen.

 

Die Wochen bis zum Weihnachtsball vergingen wie im Flug. Emilia hatte beschlossen, mit ihrem derzeitigen besten Freund hinzugehen, da sie beide niemanden gefunden hatten. Malfoy hatte kein Wort mehr mit ihr gewechselt, und sie hatte auch keine Hoffnung mehr, dass sie ihn noch einmal als besten Freund zurückbekam. Bald waren Ferien, dann würde sie vermutlich eh nicht mehr in Hogwarts sein. Ihr Vater hatte ihr angeboten, dass sie mit ihm kommen konnte. Theo hatte ihr ebenfalls angeboten, sie zu besuchen. Er wollte in den Ferien nicht die ganze Zeit bei seinen Eltern sitzen, daher wollte er für einige Tage kommen. Es waren ohnehin nur eine Woche Ferien, aber diese brauchte Emilia, um sich von dem ganzen Geschehen des letzten Schuljahres zu erholen. Sie hoffte, dass sie nach den Ferien wenigstens wieder Ehrgeiz für den Unterricht entwickelte. In letzter Zeit war sie sehr oft abgelenkt, oder gar nicht erst anwesend. Natürlich fand ihr Vater das Schwänzen nicht unbedingt toll – aber was sollte er tun? Bestrafen konnte er sie nicht, das wäre zu auffällig. Schließlich achtete Emilia peinlich genau darauf, in den Unterrichtsstunden ihres Vaters immer anwesend zu sein, um genau diese Bestrafungen zu vermeiden. Auch Theo war nicht einverstanden mit der Entwicklung, jeden Morgen versuchte er sie zu motivieren und immer scheiterte er. Nicht einmal Daphne konnte helfen. Emilia schien es, als hätte nichts mehr einen Sinn. Sie war in ein tiefes, schwarzes Loch aus Depressionen gefallen. Sie fühlte sich leer, fühlte nur noch Hass und Trauer. Am liebsten wollte sie allen Leuten aus dem Weg gehen, doch das ging nicht. Theo nervte sie, damit sie wenigstens etwas unter Menschen kam und scheuchte sie jeden Tag mindestens einmal zum Essen. Ja, sie aß am Tag auch nicht viel mehr als einen Apfel. Aber sie hatte auch keinen Hunger mehr. Emilia hatte jegliche Hoffnung verloren, sie liebte Malfoy, wusste aber, dass sie nie wieder befreundet sein würden. Er hatte es deutlich gemacht.

„Emi?“, rief Theo von außen. Emilia hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Seufzend erhob sie sich langsam von ihrem Bett und öffnete die Türen. Nichts ließ darauf schließen, wieso sie ungestört hatte sein wollen, und das war gut so.

„Danke“, er umarmte sie kurz. „Wie geht es dir?“

„Gut, könnte eigentlich nicht besser sein. Und dir?“, sagte sie monoton.

„Lüg nicht. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht“, behauptete Theo.

„Woher willst du das denn wissen?“, fauchte Emilia.

 

*Theos Sicht*

 

Schon als Theo an Emilias Zimmer ankam, wusste er, dass er nicht sehen sollte, was sie dort drin trieb. Sie hatte die Tür abgeschlossen, wie sie es schon öfter gemacht hatte. Und als er sie gesehen hatte, so gefühlskalt, eine eisige Aura umgab sie, wusste Theo, dass dies nichts gutes bedeuten konnte. Seit einigen Wochen sah sie Malfoy immer öfter, schwänzte deshalb den Unterricht, aß nichts mehr, und auch sonst sah sie momentan alles andere als gesund aus. Auch Malfoy war dies aufgefallen, das wusste Theo. Immer wieder blickte Malfoy sorgenvoll zu Emilia, wenn diese sich mal beim Essen blicken ließ, doch das bemerkte sie gar nicht. Theo vermutete, dass ihr im Moment kaum jemand helfen konnte. Höchstens Malfoy, oder ein Arzt. Aber Malfoy war zu stolz, um den ersten Schritt zu machen. Noch immer lungerte er immer mit Parkinson zusammen herum, was Theo erheblich störte. So ging niemand mit seiner besten Freundin um. Auch ein Malfoy nicht.

Zur Begrüßung umarmte Theo Emilia und fragte, wie es ihr ginge, obwohl er die Antwort bereits kannte. Er wusste, ihr ging es nicht gut, auch wenn sie ihm etwas vorspielte.

„Gut, könnte nicht besser sein. Und dir?“, fragte Emi ihn kalt. Ihre Stimme war beherrscht und ließ keine Gefühlsregung durchblicken, genau wie ihr Gesicht. Sie sah einfach nur ausdruckslos zu ihm auf.

„Lüg nicht. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht“, behauptete Theo. Auch wenn er dafür riskierte, dass sie auch noch auf ihn sauer war.

„Woher willst du das denn wissen?“, fauchte Emilia.

„Sieh dich doch mal an!“, schrie Theo. „Du siehst scheiße aus! Total abgemagert, kaum was auf den Rippen, dein Gesicht ist blass, deine Augen funkeln nicht mehr wie früher!“

„So schlimm?“, flüsterte Emilia.

„Du musst aus deinem Selbstmitleid rauskommen, das bringt dich nicht weiter“, murmelte Theo.

„Es tut mir Leid. Es ist nur … wieso kann ich nicht mal Glück haben?“, flüsterte sie heiser, den Tränen nahe. Theo hatte sie noch nie weinen sehen, er kannte sie nur als die Starke. „Erst werde ich gefoltert, getötet, mein Gedächtnis ausgelöscht. Dann Zabini und Malfoy. Es gibt keinen Grund, positiv in die Zukunft zu sehen. Es wird sicher nicht besser.“

„Es kann nur noch besser werden, Emi“, widersprach Theo. „Ich meine, was kann denn schlimmeres noch passieren?“

„Was Schlimmeres passieren kann!?“, schrie Emilia auf einmal aufgebracht. Theo wich erschrocken zurück. „Voldemort ist aufgestanden und du fragst, was Schlimmeres hätte passieren können?“

„Er ist zurück?“, flüsterte Theo heiser.

„Du wusstest es nicht?“

„Nein, woher auch? Meine Eltern sind keine Todesser“, stellte Theodore fest. „Emi, was meinst du damit, dass du gefoltert und getötet wurdest? Ich meine, du lebst doch noch!“

„Voldemort hat mich mit dem Todesfluch umbringen wollen, er hat es nur nicht geschafft. Ich kam ins St. Mungus Hospital, wo man mich am Leben erhielt. Ich wurde zu Isabelle geschickt, da ich mein Gedächtnis größtenteils verloren hatte.“

„Woher weißt du dann, dass du gefoltert und getötet wurdest?“

„Narben, Schätzchen. Und Prellungen und Brüche. Mein ganzer Körper war dermaßen kaputt, aber die im Hospital haben das schnell wieder hinbekommen“, meinte Emilia eisig.

„Sowas zu erleben muss schrecklich sein“, murmelte Theo und nahm seine beste Freundin in den Arm.

„Ich akzeptiere meine Vergangenheit. Es hat Positives wie auch Negatives. Dadurch weiß ich, dass Voldemort zurück ist“, meinte Emilia und Theo spürte, wie sie ihr Gesicht an seiner Schulter vergrub. Er selbst streichelte sie sanft über den Rücken, um sie zu beruhigen.

„Ich bin für dich da, vergiss das nicht“, hauchte Theo.

Emilia nickte. „Danke, Theo.“

„Lust auf Hausaufgaben?“, fragte Theo lächelnd.

„Nein, eigentlich nicht“, sagte Emilia ernst. „Ich muss mich noch fertig machen, für den Ball später.“

„Ist natürlich wichtiger als Hausaufgaben“, lachte Theo.

„Oh ja, um Längen“, grinste Emilia. „Und definitiv sinnvoller. Und spaßiger.“

„Das glaub ich. Kommt Daphne und hilft dir?“, fragte Theo.

„Wir helfen uns gegenseitig. Sie müsste bald kommen, dann muss ich dich leider rausschmeißen.“

„Oh nein, wie schlimm“, lachte Theo. „Spaß. Ich geh dann schon freiwillig glaub ich.“

„Gut, dann verpiss dich“, rief Daphne lachend und kam zur Tür herein. Sie umarmte Emilia und setzte sich dann aufs Bett.

„Ist ja gut“, abwehrend hob Theo die Hände. „Viel Spaß euch zwei. Wir sehen uns später, Emi.“ Damit verschwand er aus dem Raum und ging in sein Zimmer, wo er sich an die Hausaufgaben machte.

 

Emilias POV

„Läuft da eigentlich was?“, fragte Daphne, nachdem Theo den Raum verlassen hatte.

„Mit Theo? Spinnst du?“, erwiderte Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ihr seid in letzter Zeit so oft zusammen unterwegs“, stellte Daphne fest.

„Er ist mein bester Freund und versucht alles mögliche, um mich zu nerven“, seufzte Emilia.

„Du meinst, um dich von Draco weg zu bekommen“, berichtigte Daphne. „Ihr habt seit Monaten kein Wort mehr miteinander gewechselt, wieso hängst du noch so an ihm?“

Emilia sah ihrer besten Freundin tief in die Augen. „Ich liebe ihn.“

„Aber du kannst über ihn hinwegkommen, das kann jeder. Ich verstehe nur nicht, wieso das bei dir so lange dauert …“

„Daphne, mein Gefühl sagt mir, dass es niemand anders mehr geben wird, bei dem ich das Gleiche fühlen werde. Bisher hat mich mein Gefühl noch nie getäuscht“, murmelte Emilia.

„Wieso sollte es bei dir anders sein als bei uns?“, fragte Daphne mit großen Augen.

„Ich weiß nicht. Aber überleg doch mal. Ich BIN schon anders. Was ich erlebt habe, könnt ihr euch nicht einmal vorstellen“, erklärte Emilia ihrer Freundin.

„Da hast du Recht. Aber trotzdem bist du nicht anders. Du hast was anderes erlebt wie wir, aber du bist sonst genau wie wir.“

„Nein, Daphne. Das habe ich mir lange genug eingeredet. Warum überlebe ich den Todesfluch? Warum hat mir meine Schwester die Erinnerung geraubt? Ich kann sowohl meinen Geist verschließen, wie auch in andere eindringen. Ich kann manchmal zaubern ohne Zauberstab, das ist nicht normal!“, schrie Emilia aufgebracht.

„Du kannst ohne Zauberstab zaubern? Das ist doch rein technisch nicht möglich, es sei denn du bist so mächtig, dass du sogar Voldemort überlegen bist.“

„Ich weiß es nicht. Das ist ja das Problem! Ich weiß nicht einmal, wer ich bin!“

„Ich aber. Du bist Emilia Avens, meine beste Freundin“, meinte Daphne. „Ich bin mir sicher, du wirst dich irgendwann erinnern. Gib dir Zeit, Emi.“

„Ich hoffe, du hast Recht“, murmelte Emilia. „Wir sollten uns mal fertig machen, in vier Stunden beginnt der Ball.“

Daphne nickte und ging zu ihrem Bett, um darunter ihr Kleid herauszuziehen. Es war blau und hatte einige Strasssteinchen aufgestickt. Es passte perfekt zu Daphne, das wusste Emilia jetzt schon.

„Dein Kleid ist total schön“, hauchte Emilia lächelnd. Dann holte sie ihr eigenes aus ihrem Schrank und legte es auf ihr Bett. Es war ganz schwarz und würde ihr nur bis zum Knie reichen, aber es passte perfekt und saß auch gut. Emilia wollte keine andere Farbe, sie wollte nicht auffallen später. Außerdem trug sie ausnahmslos schwarze Kleidung, sie hasste alle anderen Farben an ihr.

„Deins aber auch“, grinste Daphne. Schnell zogen die beiden ihre Kleider über und besahen sich im Spiegel.

„Wir werden heute sowas von die Bühne rocken“, grinste Daphne breit.

„Du besonders“, meinte Emilia. „Hier, wir haben doch noch ein bisschen Schmuck.“ Emilia drehte sich vom Spiegel weg und ging zu ihrem Bett, wo sie eine Schatulle hervorholte und öffnete. Dann nahm sie eine blaue Kette und legte sie ihrer besten Freundin um.

„Perfekt“, grinste Daphne und betrachtete sich ausgiebig im Spiegel. Das blau stand ihr wirklich gut. Emilia grinste ebenfalls und legte sich selbst die gleiche Kette in schwarz um, da eine blaue nicht gepasst hätte. „Wow“, hauchte Daphne und betrachtete Emilia. „Das sieht wunderschön aus.“

 

Um kurz nach halb Acht machten sich die beiden Mädchen fertig geschminkt auf den Weg zur Eingangshalle. Dort würde Emilia sich mit Theo treffen und Daphne sich mit ihrem Freund Cedric. Auf dem Weg unterhielten sie sich noch über den Abend.

„Glaubst du, es wird gute Musik geben?“, fragte Emilia.

„Ganz ehrlich? Nein, die Musik der Zaubererwelt ist halb so toll wie die der Muggel“, meinte Daphne. „Vielleicht darf ich ja meinen Ipod anschließen! Geh du schon mal vor, ich hol den noch kurz!“ Ohne dass Emilia etwas erwidern konnte, rannte Daphne nochmal einmal den Weg zurück. Kopfschüttelnd ging Emilia weiter. War ja klar, dass sie irgendwas vergessen musste! So war Daphne nunmal. Sie hatte ihre Sachen nie ganz beeinander.

„Emi!“, hörte sie eine Stimme hinter sich. Neugierig drehte sie sich um und sah … „Malfoy“, meinte sie mit kalter Stimme. „Was willst du?“

„Mich entschuldigen. Das mit Parkinson war Mist, das weiß ich auch! Das wusste ich von Anfang an. Aber ich musste es tun. Bitte, glaub mir, Emilia, ich hätte dich nie verletzt, wenn es nicht absolut notwendig wäre“, erklärte Malfoy leise. Normal gab er immer den Eisprinzen, nun redete er über seine Gefühle, ohne gefragt zu werden. Ein Fortschritt.

„Notwendig? Und jetzt auf einmal ist es nicht mehr notwendig oder wie? Verarschen kann ich mich selbst, Malfoy“, zischte sie.

„Ich konnte mich nicht länger von dir fernhalten“, murmelte Malfoy. „Ich musste dich einfach sehen. Die letzten Wochen waren schlimm, es gab keinen Tag, an dem ich dich nicht vermisst hatte.“

„Das soll ich dir glauben? Nachdem du mich einfach links liegen gelassen hast?“, fauchte Emilia.

Malfoy schüttelte den Kopf und sah seine ehemalige beste Freundin reumütig an. „Ich musste das tun“, meinte er nur und kam Emilia immer näher. Dann streckte er die Hand nach ihr aus und strich über ihre Wange. Emilia schloss die Augen, einerseits wollte sie sauer sein, andererseits sehnte sie sich nach nichts anderem als seinen Berührungen. „Hör auf, bitte“, murmelte sie beinahe niedergeschlagen. „Du bringst mich ganz durcheinander. So kann ich nicht sauer auf dich sein, obwohl ich das sein müsste.“

„Ich habe scheiße gebaut, das weiß ich. Verzeih mir, Emilia“, entschuldigte sich Malfoy, strich aber weiterhin mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange.

„Ich muss jetzt los, ich bin sowieso schon zu spät“, meinte Emilia, ohne auf seine Bitte einzugehen und drehte sich um. Sie war mehr als durcheinander, und sie wollte nicht riskieren, etwas falsches zu tun, nur weil sie nicht darüber nachgedacht hatte. Außerdem war sie mit Theo verabredet, schon seit zehn Minuten. Er würde sich bestimmt schon fragen, wo sie ab blieb. Sie würde sich von ihm gleich erst einmal Rat holen, sofern sie dazu heute noch kamen. Und dann würde sie Daphne bei Gelegenheit noch alles erzählen. Emilia hoffte, dass die beiden ihr sagen könnten, was sie tun sollte. Oder zumindest was die beiden in dem Fall tun würden.

Sie bog um die letzte Ecke und verschaffte sich schnell einen Überblick über die Leute. Theo stand direkt an der Tür zur Großen Halle und winkte sie eifrig zu sich. „Hey“, lächelte sie tapfer. Theo wusste, dass etwas passiert sein musste, fragte aber noch nicht, sondern umarmte sie lediglich zur Begrüßung. 

„Die anderen Slytherins treffen sich später hier, sollen wir warten?“, fragte Theo.

Emilia nickte. „Ja, ich will nicht so auffallend in die Halle maschieren.“

„Werden wir sowieso. Mit Malfoy fällt man überall auf. Und du in deinem Kleid kannst auch nicht behaupten, dass das nicht auffallen wird …“, lachte Theo.

„Wieso sollte das auffallen?“, fragte Emilia irritiert. „Das Kleid ist schwarz, ebenso meine Haare -“

„Du siehst aus wie die Prinzessin von Slytherin, mega heiß“, fuhr Theo dazwischen. „Schau dich mal um, die Jungs starren dir die ganze Zeit schon auf den Arsch.“

Emilia sah sich um und bemerkte, dass ihr bester Freund gar nicht mal so falsch lag. Viele Blicke waren auf sie gerichtet, nicht nur die der Jungs. Die Mädchen um Emilia herum waren alle viel geschminkter, sodass man bei ihnen sehen konnte, dass die Makellosigkeit nicht echt war.

„Lass mal in eine Ecke verschwinden, ja?“, fragte Emilia.

„Nichts da, wir bleiben hier. Sieh mal, da kommt Malfoy mit Bande“, murmelte Theo. „Er fühlt sich wie der Prinz persönlich. Mit seinen zwei fetten Leibwächtern.“

Emilia zuckte nur mit den Schultern. „Du wolltest mit ihnen gehen, also komm.“ Schnell zog sie noch einmal ihr Kleid zurecht, dann ging sie hinüber zu Malfoy und den, ihrer Meinung nach, zwei dümmsten Schülern der Schule. Malfoy grinste spöttisch, während die beiden anderen einfach nur teilnahmslos umher schauten. Emilia straffte ihre Schultern und ging erhobenen Hauptes zu ihrem ehemaligen besten Freund. „Was dagegen, wenn Theo und ich uns euch anschließen?“, fragte Emilia zuckersüß lächelnd.

„Natürlich nicht“, meinte Malfoy eisig und blickte Emilia sichtlich verwirrt an. Allerdings nur für einen kleinen Augenblick, dann wurde seine Miene wieder kalt.

Auch Theo kam langsam zu der kleinen Gruppe hinüber, noch immer perplex von der Tatsache, dass Emilia mit Malfoy geredet hatte. Freiwillig! Irgendetwas musste da passiert sein. Theo stellte sich hinter Malfoy neben seine beste Freundin und sah sie an, doch sie bemerkte es nicht. Sie war wunderschön, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte.

Malfoy trug einen Festumhang aus schwarzem Satin mit einem Stehkragen, welcher seine muskulöse Figur stark betonte. Emilia fand, dass er darin sogar noch besser aussah als sonst und wünschte sich nichts mehr, als ihm endlich zeigen zu können, was sie für ihn empfand. Emilia war gerade so in Gedanken, dass sie gar nicht bemerkte, wie Parkinson sich zu ihnen gesellte und sich sogleich an Malfoys Arm krallte. Fast nicht sichtbar schüttelte er den Kopf und presste seine Lippen zusammen. Ob die beiden wohl noch ein Paar waren? Vor einigen Wochen sah es ganz danach aus. Jetzt sah es eher danach aus, als hätte Malfoy die Schnauze voll. Emilia grinste in sich hinein.

„Wollen wir hier Wurzelschlagen? Oder worauf wartet ihr Turteltäubchen dort vorne noch?“, fragte Emilia gelangweilt. Malfoy nickte unauffällig und setzte sich mit Parkinson im Schlepptau in Bewegung Richtung Große Halle. Malfoy ging ganz vorne, da jeder wusste, dass er in ihrem Haus mehr oder weniger das Sagen hatte. Als sie die Treppe hinunterstiegen, sahen alle, die es sich schon der Großen Halle gemütlich gemacht hatten, zu ihnen hinauf. Einige zeigten sogar auf sie, auch wenn Emilia nicht verstehen konnte, wieso. Die Wände waren mit funkelnden Eiskristallen geschmückt und Hunderte von Girlanden aus Mistelzweigen und Efeu überwucherten die gestirnte schwarze Decke. Die Haustische waren verschwunden; an ihrer Stelle fanden sich gut hundert kleinere Tische mit Lampen, an denen jeweils ein Dutzend Schüler saßen. Emilia setzte sich zu Daphne und deren Freund an den Tisch, Theo folgte ihr erstaunt.

„Emi!“, rief Daphne schon von weitem, als sie ihre Freundin auf sich zukommen sah. „Ich muss gleich raus tanzen! Ist das nicht cool!?“

„Bei Merlins Bart, dein Ernst?“, kreischte Emilia.

„Ja, krass oder?“, freute sich Daphne.

„Und ob!“, grinste Emilia und setzte sich an den Tisch. Theo ließ sich neben ihr nieder.

Daphne verließ einige Minuten später mit den anderen Champions und deren Partnern den Saal.

Der Weihnachtsball

Als alle Schüler einen Platz gefunden hatten (Draco hatte sich natürlich an den Tisch direkt nebenan gesetzt), kamen auch schon McGonagall und die fünf Champions in die Große Halle. Als Emilia sah, wie Granger in Begleitung von Viktor Krum in die Halle marschierte, konnte sie nicht anders, als erstaunt und überrascht dabei zuzusehen, wie die Champions auf das Podium geführt wurden. Dumbledore lächelte glücklich in die Runde. Karkaroff hingegen schien eher nicht so begeistert. Ludo Bagman, heute Abend in hellpurpurnem Umhang mit großen gelben Sternen, klatschte nicht weniger begeistert als die Schüler unten; auch Madame Maxime, die ihre übliche Uniform aus schwarzem Satin gegen ein fließendes Gewand aus lavendelfarbener Seide eingetauscht hatte, klatschte ihnen höflich zu. Nur Mr. Crouch fehlte, fiel Emilia auf. Dafür saß ein anderer junger Mann an dem Tisch und winkte Potter zu sich. Dieser setzte sich sogleich neben den Unbekannten.

Vor Emilia und den anderen stand ein goldener Teller, außerdem mehrere Speisekarten. Doch da sie alle mehr oder weniger ratlos waren, da es dennoch keine Bedienungen gab, sahen sie zum Podium hinauf. Dumbledore sprach etwas und kurz darauf erschien auf seinem Teller Essen.

„Schweinekoteletts!“, sprach Emilia frei hinaus. Nur wenige Sekunden später erschien ihr gewünschtes Essen auf ihrem Teller.

„Woher wusstest du das?“, fragte Theo erstaunt.

„Dumbledore hat es vorgemacht, ich hab einfach nur kombiniert“, meinte Emilia und zuckte die Schultern. „Glaub mir, so intelligent bin ich nun auch wieder nicht.“

„Intelligenter als die meisten hier, würde ich behaupten“, widersprach Theo.

„Als ob. Granger und die Ravenclaws sind um Längen intelligenter“, meinte Emilia und nahm sich eine Gabel voll von ihrem Essen.

„Die Ravenclaws vielleicht ja, aber Granger nicht. Die lernt einfach nur, wette, die kann sonst nichts“, überlegte Theo. „Außerdem finde ich Slytherin eh viel besser wie Ravenclaw … ich meine, willst du etwa zu denen gehören?“

„Bloß nicht! Lauter Super-Streber. Da würde ich mir total dumm vorkommen. Außerdem kann man mit denen bestimmt nicht so viel Spaß haben“, zwinkerte Emilia.

„Da hast du Recht. Das sind bekanntlich ja die Spielverderber“, feixte Theo. „Weißt du, was Krum an Granger findet?“

„Nein, keine Ahnung. Da bin ich überfragt“, sagte Emilia. „Vielleicht hat er einfach niemand besseren gefunden … na ja, auch eher unwahrscheinlich, aber könnte ja sein.“

„Ich würde nie mit so einem Streber zusammen sein wollen“, stellte Theo klar.

Plötzlich erhob sich Dumbledore von seinem Platz und bat die Schüler ebenfalls aufzustehen. Dann bewegten sich durch einen Schlenker seines Zauberstabs alle Tische fort und reihten sich an den Wänden so auf, dass in der Mitte viel Platz war. Dann beschwor er an der rechten Wand eine Bühne herauf. Er stattete sie mit einem Schlagzeug, mehreren Gitarren, einer Laute, einem Cello und einigen Dudelsäcken aus. Unter wild begeistertem Klatschen stürmten die Schwestern des Schicksals, eine sehr gute Band, die Bühne; alle hatten sie besonders wilde Mähnen und waren in schwarze Umhänge gekleidet, die kunstvoll zerrissen und aufgeschlitzt waren. Sie nahmen ihre Instrumente auf und gleichzeitig gingen alle Lampen an den Tischen aus. Emilia sah, wie sich die Champions mit ihren Partnern und Partnerinnen aufmachten, um zur hell erleuchteten Tanzfläche zu gehen. Alle waren still, nur die langsame, traurige Musik der Schwestern des Schicksals war zu hören. Die Champions tanzten wirklich gut, ausgenommen Potter, der sich lieber von seiner Partnerin führen ließ als es selbst zu tun.

„Was war denn vorhin zwischen dir und Malfoy los?“, fragte Theo und lenkte Emilias Aufmerksamkeit von den Champions zu ihm.

„Erzähl ich dir später, Theo, ok?“, fragte Emilia. „Ich möchte gerade einfach nur diesen Abend genießen.“

„Ich werde dich daran erinnern“, meinte Theo. „Soll ich uns was zu trinken holen?“

„Ja, aber bitte mit viel Alkohol“, antwortete Emilia schief lächelnd.

„Wie die Dame wünscht“, meinte Theo und verbeugte sich vor seiner besten Freundin. Diese fing an zu lachen.

„Geh schon. Und beeil dich. Sonst muss ich dich vermissen“, grinste Emilia.

„Für dich beeil ich mich immer, meine Kleine“, lachte nun auch Theo. Dann verschwand er in der Menge der tanzenden Paare. Emilia schaute sich um, den Tisch neben sich ließ sie dabei allerdings aus, da sie wusste, aus einem unbestimmten Grund, dass Malfoy sie beobachtete.

„Dein Freund?“, fragte jemand neben ihr. Sie drehte sich zu der Stimme. Malfoy sah sie misstrauisch an.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Malfoy“, zischte Emilia.

„Es interessiert mich einfach“, meinte Malfoy.

„Nein, er ist nicht mein Freund. Aber wer weiß? Vielleicht wird es ja noch was“, behauptete Emilia. Sie wollte sehen, ob sie ihn damit vielleicht eifersüchtig machen konnte. Oder generell wollte sie seine Reaktion wissen. Doch Malfoy ließ sich nichts anmerken – oder ihm war es tatsächlich egal. Emilia drehte sich von ihm weg und sah, dass Theo sich gerade mit zwei Gläsern in der Hand einen Weg durch die tanzenden Paare bahnte. Er grinste schief und musste immer mal wieder ausweichen, da ihm einige Paare den Weg versperrten.

„Mit ganz viel Alkohol“, hauchte er Emilia ins Ohr und stellte ihr ein Glas hin. Dann setzte er sich ihr gegenüber. Mittlerweile waren sie allein am Tisch, alle anderen waren auf der Tanzfläche. Später würde Emilia sich vielleicht dazugesellen, wenn sie erstmal genug Alkohol intus hatte, doch im Moment traute sie sich mit ihren Tanzkünsten wirklich nicht.

„Sehr gut, danke, Theo“, lächelte Emilia.

„Ich geh mal davon aus, du willst noch nicht tanzen?“, fragte Theo.

„Noch nicht, ich brauch noch ein wenig Alkohol, damit ich mir das antue“, erwiderte Emilia. „Und bessere Musik wäre auch nicht schlecht.“

„Was gefällt dir daran nicht?“

„Ich weiß nicht. Ich steh einfach nicht so auf das“, murmelte Emilia und erhob sich. „Ich werde dagegen jetzt mal was machen.“

„Was hast du vor?“, fragte Theo besorgt.

„Komm mit“, hauchte sie an seinem Ohr, nahm seine Hand und zog ihn mit zur Bühne. Gekonnt sprang sie dort hinauf und wartete darauf, dass ihr Theo folgte, doch dieser blieb regungslos unten stehen.

„Ich bleibe lieber hier … Sicherer Boden und so …“, meinte er und wurde leicht rot.

„Gut, dann mach ich es eben allein“, zuckte Emilia mit den Schultern. Dann drehte sie sich um und ging zu einer der Schwestern des Schicksals, zu einer Gitarristin, die gerade nichts zu tun hatte.

„Kann ich mal?“, fragte sie schief grinsend und zeigte auf das Mikrofon.

„Bist du sicher, dass du das willst?“, fragte diese leicht skeptisch.

„Und ob“, meinte Emilia sicher. Dann wurde sie leicht in die Ecke gescheucht, wo sie wartete, dass die Schwestern des Schicksals eine kurze Pause machten.

„Myron, die Kleine hier will singen“, meinte dann die Gitarristin zu der Sängerin, als diese gerade den Applaus genoss. Ruckartig drehte sich die Sängerin um und sah ihre Schwester neugierig an. Dann blickte sie zu Emilia und winkte diese zu sich.

„Welches Lied?“

„Frozen – Let it go“, sagte Emilia nun doch leicht verunsichert. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Myron nickte, flüsterte den anderen dann leise jeweils etwas ins Ohr, dann verschwand sie, wohin wusste Emilia nicht. Die restlichen Schwestern fingen nun an, das Lied anzustimmen. Nervös kaute Emilia auf ihrer Unterlippe herum. Wieso machte sie das hier? Um sich selbst zu beweisen, dass sie es konnte? Nun ja, das konnte auch Ärger geben. Zumindest wenn sie nicht singen konnte, würde das peinlich werden. Vorhin war sie sich noch sicher gewesen, richtig gut singen zu können, nun war sie nicht mehr ganz so überzeugt. Doch es gab kein Zurück mehr.

Das Lied kannte sie auswendig. Woher, wusste sie nicht. Aber sie kannte sowohl den Text wie auch die Melodie. Um mehr nachzudenken, blieb keine Zeit mehr, denn sie war dran zu singen.

The snow glows white on the mountain tonight
Not a footprint to be seen
A kingdom of isolation, and it looks like I'm the Queen
The wind is howling like this swirling storm inside
Couldn't keep it in; heaven knows I tried

Don't let them in
Don't let them see
Be the good girl you always have to be
Conceal
Don't feel
Don't let them know
Well, now they know 

Let it go, let it go
Can't hold it back anymore
Let it go, let it go
Turn away and slam the door
I don't care what they're going to say
Let the storm rage on
The cold never bothered me anyway

It's funny how some distance makes everything seem small
And the fears that once controlled me can't get to me at all
It's time to see what I can do
To test the limits and break through
No right, no wrong
No rules for me...I'm free

Let it go, let it go
I am one with the wind and sky
Let it go, let it go
You'll never see me cry
Here I stand and here I'll stay
Let the storm rage on

My power flurries through the air into the ground
My soul is spiraling in frozen fractals all around
And one thought crystallizes like an icy blast
I'm never going back
The past is in the past

Let it go, let it go
And I'll rise like the break of dawn
Let it go, let it go
That perfect girl is gone
Here I stand in the light of day
Let the storm rage on
The cold never bothered me anyway“, sang Emilia.

Sie hatte ihre Augen die ganze Zeit geschlossen gehabt, um die Reaktion der Schüler nicht mit ansehen zu müssen. Die Musik klang aus und zunächst war es ganz ruhig in der Halle. Dann brandete lauter Beifall auf und alle schrien wild durcheinander Emilias Namen. Erleichtert öffnete sie die Augen und grinste. Dann stellte sie das Mikrofon wieder an den richtigen Platz und verschwand von der Bühne. Theo stand unten und wartete ungeduldig auf seine beste Freundin.

„Das war mega krass! Du warst einfach klasse!“, stürmte Theo gleich auf sie ein.

„Danke“, meinte Emilia lächelnd.

„Hast du noch mehr solcher verborgenen Talente?“, fragte Theo.

„Oh ja, noch so einige“, seufzte Emilia. „Wollen wir kurz rausgehen? Mir ist so heiß.“

„Ja klar“, stimmte Theo zu. „Komm!“ Theo hielt ihr seine Hand hin, sie ergriff sie lächelnd und ließ sich von ihm ziehen. Während sie sich einen Weg nach draußen bahnten, sah Emilia sich um. Daphne tanzte noch immer mit ihrem Freund und winkte Emilia glücklich zu. Diese lächelte zurück und hielt Ausschau nach Malfoy, den sie aber nirgends entdecken konnte. Bestimmt war es ihm schon zu langweilig geworden. Theo führte sie nach draußen auf den schön geschmückten Hof, wo sie sich in das kühle Gras fallen ließen. Außer ihnen waren noch einige wenige Paare dort, um sich unter dem Blick des Mondes zu unterhalten … oder mehr.

„Du sagtest, du hättest viele solcher Talente, welche denn zum Beispiel?“, fragte Theo neugierig.

„Sie sind verborgen, Theo, ich kenne sie nicht“, grinste Emilia.

„Woher wusstest du dann, dass du singen kannst?“

„Das wusste ich nicht. Aber ich hatte das Gefühl. Ich wusste selbst nicht, was ich da eigentlich mache …“, meinte Emilia und verschränkte ihre Hände ineinander. „Das ist immer so. Ich weiß nicht einmal, was mit mir los ist …“

„Wie meinst du das? Du bist doch wie wir!“

„Nein, Theo, bin ich nicht. Schon allein die Tatsache, dass ich keine Erinnerungen habe, beweist das.“

„Nein. Du warst wie wir, bevor du die Erinnerungen verloren hast. Und du bist immer noch wie wir. Nur, dass du keine Erinnerungen hast. Es gibt auch Muggel, die darunter leiden, und trotzdem sind sie wie alle anderen auch!“

„Hör zu. Mein Leben ist ein einziges Chaos. Ich wurde zweimal fast umgebracht, einmal gefoltert und mehrmals gedemütigt. Zumindest kann ich mich an soviel erinnern. Dazu kommt, dass ich laut meiner lieben Schwester gleich ZWEI Väter habe, nämlich einen sterblichen und einen unsterblichen. Außerdem bin ich Metamorphmagus und kann manchmal sogar ohne Zauberstab zaubern!“

„Wie kann man denn zwei Väter haben?“, fragte Theo.

„KEINE AHNUNG!“, schrie Emilia beinahe hysterisch.

„Das finden wir noch raus, wir müssen nur gründlicher recherchieren. Ich helfe dir, Emi“, versuchte Theo sie zu beruhigen.

„Es suchen so viele Leute nach einer Lösung … bisher ist es noch keinem gelungen, eine zu finden. Wieso sollten ausgerechnet zwei kleine Kinder die Antwort finden?“

„Wir haben dich“, murmelte Theo. „Und wir haben deine Schwester.“

„Und? Was soll uns das bringen?“

„Informationen. Überleg doch mal, alle Welt sucht nach deiner Familie, richtig? Was ist, wenn wir das anders angehen, und nach Emilys Familie suchen?“

„Stimmt, du hast Recht. Das könnte vielleicht funktionieren …“, überlegte Emilia. „Du bist intelligenter als ich dachte.“

„Ich nehme das jetzt mal als Kompliment“, meinte Theo grinsend.

„So war es auch gemeint“, bestätigte Emilia. Einige Minuten lang sahen die beiden einfach dem Mond zu und genossen den Moment. „Malfoy war bei mir“, fing Emilia dann an. „Als ich vom Schlafsaal zu dir gehen wollte.“

„Was wollte er?“

„Er sagte, er musste das tun, also mich hängen lassen. Er musste sich von mir fernhalten, konnte es aber heute nicht mehr. Warum er sich von mir fernhalten musste, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich ihm das alles so glauben soll“, erklärte Emilia.

„Denk doch erst einmal darüber nach, ob du ihm glaubst. Wenn ja, dann kannst du nach den Ferien doch mal nachfragen, wieso er sich fernhalten musste. Ich meine, wir fahren morgen ja sowieso mit deinem Dad weg“, riet Theo.

„Du hast Recht“, stimmte Emilia zu. „Ich sollte noch ein wenig darüber nachdenken, bevor ich mit ihm spreche.“ Sie atmete einmal tief durch. „Wie steht es denn um dein Liebesleben?“

„Oh … Äh … Da gibt’s nicht viel zu wissen“, meinte Theo schnell. Das Thema war ihm mehr als peinlich.

Emilia sah ihn neugierig an. „Du verheimlichst mir das was. Wer ist die Glückliche?“

„Die Glü-ückliche?“, stotterte Theo.

„Das Mädchen, in das du verliebt bist, wie heißt sie?“, fragte Emilia, ohne zu ahnen, dass sie selbst die Glückliche war. Theo drehte seinen Kopf von seiner besten Freundin weg und schüttelte den Kopf.

„Lass uns über etwas anderes reden, ja?“, fragte er leise. „Ich möchte darüber nicht reden.“

„Emilia?“, rief plötzlich eine fremde Stimme durch die Nacht.

„Wer ist das? Kennst du ihn?“, flüsterte Emilia. Dieser schüttelte bloß den Kopf. Die schwarze Gestalt, die Emilia gerufen hatte, kam näher zu ihnen. Abhauen war unmöglich, die Gestalt hatte sie schon gesehen. Theo erhob sich und stellte sich beschützend vor Emilia. Je näher die Gestalt kam, desto deutlicher wurde, dass der Junge jünger war als sie. Er hatte schwarze, etwas längere Haare und trug ausschließlich schwarze Kleidung. Seine Hose war an einigen Stellen zerrissen, ob das nun gewollt war oder nicht, war schwer zu sagen. Er blieb vor Emilia stehen und musterte sie. „Emilia, richtig?“

„Wer will das wissen?“, fragte Emilia zurück, ohne auf die Frage einzugehen.

„Ich bin Fayn. Und ich denke, wir sollten uns mal unterhalten“, meinte der Junge und sah dabei Theo abwartend an. „Darf ich?“

„Ich werde in der Nähe bleiben, Emilia“, murmelte Theo und lief den Hügel hinauf zur geschmückten Eingangshalle.

„Worum geht’s?“, fragte Emilia und setzte sich wieder ins Gras.

„Gewissermaßen um dich. Erstmal. Und um deine Schwester“, erklärte Fayn. „Ich denke, du kennst meinen Bruder.“

„Wer soll das sein?“, wollte Emilia wissen. Woher sollte sie sonst wissen, ob sie ihn kannte?

„Dustin. Dus. Er meinte, er hätte dich beim Lauschen erwischt“, grinste Fayn.

„Ach der“, murmelte Emilia. „Ja, den kenne ich.“ Einen Moment überlegte Emilia, was sie nun sagen sollte. „Moment! Steckst du etwa mit denen unter einer Decke?“

„Nein. Ich stehe auf deiner Seite. Ich will dir helfen, dies alles zu verstehen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann“, sagte Fayn.

„Du weißt also alles über mich?“

„Mehr als du, ja. Wobei das nun wirklich nicht allzu schwer ist“, meinte Fayn leise.

„Wieso hab ich so komische Fähigkeiten? Und dieses Tattoo?“, wollte Emilia wissen.

„Das Tattoo ist von deinem Dad. Die Fähigkeiten ebenfalls. Wer dein Dad ist, musst du dennoch selbst herausfinden … Da darf ich nicht helfen.“

„Wieso nicht?“

„Regeln des Clans. Wer sich nicht daran hält, wird verbannt“, meinte Fayn leise.

„Was für ein Clan?“

„Der Toa-Clan. Oder Zirkel, Verschwörung, wie auch immer du es bezeichnen möchtest. Ich nehme mal an, du kennst den Orden des Phönix?“ Emilia nickte. „Der Toa-Clan ist dasselbe, nur in einem anderen Land. Wir verfolgen die gleichen Ziele.“

„Und du bist Mitglied?“, fragte Emilia.

„Ja. Mein Bruder, Dus, auch.“

„Aber wieso steckt er dann mit meiner Schwester unter einer Decke?“, fragte Emilia.

„Sie ist nicht deine Schwester, nur deine Halbschwester. Dus ist unser Spion. Er tut so, als ob er Emily helfen würde. Aber er hat dich gerettet“, erklärte Fayn und sah Emilia neugierig an. „Emily und du … ihr habt die gleiche Mutter, aber nicht denselben Vater.“

„Weil ich zwei Väter habe, richtig?“

„Nein. Snape ist nicht ihr Vater. Das einzige, was euch verbindet, ist eure Mutter.“

„Wer war meine Mutter? Wo ist sie jetzt?“

Fayn nahm Emilias Hand und knetete auf ihr herum. Da sie das als relativ angenehm empfand, ließ sie es geschehen. „Sie hieß Scarlett. Sie ist auch im Clan, allerdings sitzt sie in Askaban.“

„Was hat sie verbrochen?“

„Nichts. Eigentlich. Das sieht zumindest der Clan so. Sie hat sich Voldemort angeschlossen, um ihre Kinder zu retten. Das war ihr Verbrechen.“

„Aber … was hat das mit mir zu tun? Wieso nimmt meine Schwester mir meine Erinnerung? W-was ist bitte an mir besonders?“, fragte Emilia beinahe verzweifelt.

„Emily ist Teil von Voldemort … Unser Clan glaubt, sie ist seine Tochter, aber bewiesen ist das nicht. Möglich und durchaus sinnvoll wäre es. Bevor du deine Erinnerung verloren hast – in der ersten Klasse – hast du deinen Vater gefunden, nicht Snape, sondern den anderen. Das hätte Voldemort vernichten können, wenn dieser nicht gehandelt hätte. Dein Vater war besonders, er hat lange gelebt und viel verändert. Und vermutet wird, dass du sein Nachfolger werden sollst. Darum die Fähigkeiten, das Zeichen auf deinem Rücken und die Tatsache, dass du zwei Väter haben kannst.“

„Wer ist mein Vater?“, fragte Emilia verunsichert. „Ich kann doch nichts! Ich kann mit diesen ganzen Fähigkeiten nicht einmal umgehen, wie soll ich denn da ein Nachfolger irgendeines großen Stars werden?“

„Das ist das Problem. Keiner weiß, wer oder wo dein Vater ist. Nur du kannst das rausfinden – oder deine Erinnerung wieder finden. Natürlich können wir dir helfen, mit deinen Fähigkeiten umzugehen, einiges jedoch musst du einfach selbst hinbekommen.“

„Wer ist 'wir'? Sind hier noch mehr von deinem Clan?“

„Nein, nur ich. Wegen dir. Ich beobachte dich seit Anfang des Jahres und ich werde dir so gut es eben geht auch helfen.“

„Gehst du auch nach Hogwarts auf die Schule?“

„Ja, wegen dir. Allerdings bin ich in einem anderen Haus und eine Klasse über dir“, erklärte Fayn.

„Welches Haus denn?“, fragte Emilia neugierig.

„Ravenclaw“, lächelte Fayn schief.

„Geht ja noch“, grinste Emilia. „Gryffindor wäre viel schlimmer gewesen, ich hab was gegen die.“

„Und wir haben etwas gegen euer Haus, also mach dir nichts daraus“, konterte Fayn. „Aber du bist nicht ganz so schlimm wie die anderen Slytherins, denen ich schon begegnet bin.“

„Ich bin sicher, die anderen Slytherins, denen du über den Weg gelaufen bist, waren nüchtern“, stellte Emilia fest.

„Da … hast du auch wieder Recht. Aber ich denke, auch wenn du nicht gerade betrunken bist, bist du ganz erträglich“, meinte Fayn. „Nicht nur für Slytherins.“

„Also bisher haben nur meine Freundschaften zu Slytherins gehalten. Mit anderen Häusern komme ich einfach nicht klar“, erklärte Emilia.

„Vergessen wir einfach unsere Häuser, die sind nicht wichtig, wir verstehen uns doch eigentlich ganz gut, oder nicht?“

Emilia nickte nur. Danach schwiegen sie einige Minuten lang, doch es war angenehmes Schweigen. Sie wollten die Ruhe genießen.

„Ich sollte mal Theo suchen, der macht sich sicher schon Sorgen“, fiel Emilia dann ein. Und trinken wollte sie auch noch ein bisschen was, und dazu hatte sie nur noch eine knappe Stunde Zeit.

„Ich begleite dich“, sagte Fayn und half Emilia beim Aufstehen. Zusammen gingen die beiden nach oben zur Eingangstür, wo Theo schon mehr oder weniger ungeduldig wartete. 

„Wir sehen uns, Emilia“, meinte Fayn dann, nickte Theo einmal kurz zu und ging dann an beiden vorbei zurück ins Schloss. Theo sah Emilia neugierig an, doch diese zuckte nur mit den Schultern.

„Lass uns reingehen, mir wird kalt“, murmelte Emilia und lief voraus zum Eingang des Schlosses.

„Willst du mir nicht erzählen, was der Typ von dir wollte?“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, wich Emilia aus, erzählte ihm dann aber doch alles, was Fayn ihr erklärt hatte. Vielleicht konnte ihr bester Freund ja mehr damit anfangen als sie selbst. Denn sie wusste nicht, was sie mit den neuen Informationen nun anfangen sollte.

„Ich denk noch einmal in Ruhe darüber nach, wir reden morgen noch einmal darüber, okay?“, fragte Theo leise. Emilia nickte. „Wollen wir wieder reingehen und tanzen?“

„Gern“, lächelte Emilia ihren besten Freund an. „Ich bin gespannt, wie die Ferien werden. Vor allem mit Snape. Das kann ich mir so gar nicht vorstellen, ehrlich gesagt.“

„Ich mir auch nicht. Aber er ist dein Vater. So schlimm kann es also gar nicht werden, schätze ich mal“, überlegte Theo. „Apropos Snape, welche Rolle spielt er in dem Ganzen eigentlich? Weiß er von deinem zweiten Vater?“

„Nicht, dass ich wüsste“, murmelte Emilia. „Also ich habe es ihm jedenfalls nicht erzählt.“

„Komisch, aber na ja“, sagte Theo. „Jetzt bringen wir dich erst einmal auf andere Gedanken.“

Emilia grinste ihren besten Freund dankbar an. Sie war verdammt froh, ihn zu haben. Und vor allem, dass er ihr so sehr beistand in all ihrem Chaos. Sie wusste, dass sie ihre Entwicklung, all das mit den angeblichen verborgenen Fähigkeiten, alleine durchstehen musste. Dass ihr dabei nicht einmal Theo helfen konnte. Aber er konnte zumindest versuchen, sie aufzuheitern. Denn das machte er ausgezeichnet.

Als Emilia und Theo im Ballsall ankamen, war nicht mehr viel los. Daphne und ihr Freund waren schon nicht mehr zu sehen. Auch die Ravenclaws hatten sich vermehrt aus dem Staub gemacht. Die Professoren und die meisten Slytherins sowie Gryffindors waren noch anwesend und tanzten fleißig. Emilia bewegte sich zielstrebig auf die Tische zu, sie wollte noch nicht tanzen. Immer noch nicht. Theo folgte ihr bereitwillig und setzte sich neben sie an den Tisch.

„Noch einmal zurück zum Thema Mädchen, wer ist denn nun die Glückliche? Vorhin wurden wir ja unterbrochen“, grinste Emilia schelmisch.

„Das musst du nicht wissen. Es ist niemand.“

„Oh doch, ich geb nicht auf, bevor ich das nicht weiß, du kennst mich doch“, hauchte Emilia.

„Stimmt, ich kenne dich. Auch wenn du mich noch lange nervst, ich werde es dir trotzdem nicht sagen, Kleine“, widersprach Theo leise.

„Na dann überleg ich eben selbst. Ich finde es schon noch heraus.“

 

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Tag der Veröffentlichung: 09.06.2016

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