Ich hege keinen Zweifel an Wunder in der Liebe,
ich töte keine Träume mit der Vernunft
ich glaube an das verträumte Glück
in den Sonnenblumen,
in den Wolken
im Meer
im Berg, wenn er den Himmel am Bauch kitzelt.
Ich glaube an das kleine verträumte Glück
in den Augen
auf den Lippen
in den Händen.
Ich weiß nicht wohin der Weg uns führt,
ich weiß nicht wohin mein Herz mich trägt.
Fern von Wissen,
mit Gewissheit um das Werden.
Doch in kleinen Schritten gehe ich von Herausforderung zu Herausforderung,
herzweise mit dem Herwissen voran,
dass Liebe mein Sein und Werden trägt.
Hannah
Hannah war eine uralte Frau. Sie wurde am Ende des ersten Viertels des zwanzigsten Jahrhunderts, “an einem eiskalten Wintertag”, wie sie immer mit leuchtenden Augen und einem tiefen Virbrieren in der Stimme erzählte, geboren.
Die letzte Zeit ihres erfahrungsreichen Lebens, saß in ihrem alten Schaukelstuhl aus dunklem Nussbaumholz, der bei jeder kleinsten Bewegung knarrte und ächzte, vor dem Fenster ihres Häuschens.
Ihr Körper war schon verzwergt, - die Witterungen des Lebens haben ihre Knochen verbogen und gekrümmt - aber ihre dunklen Augen strahlten wie die eines wilden Kindes.
Tiefe Lachfalten durchzogen ihr von der Zeit gegerbtes Gesicht, das wie abgegriffenes Leder glänzte.
In der Hand hielt sie ein geblümtes Taschentuch, das sie ab und zu unruhig knetete, mit ihren knorrigen, dünnen Finger wieder glatt zu streichen versuchte, faltete und wieder aufgeregt zerknitterte.
Das Fenster war ihr Fernseher. Die Welt draußen war für sie Fernsehbilder.
Sie murmelte ein “Guten Morgen”, “Guten Tag”, “Guten Abend,” lächelte und winkte mit ihrem zerknitterten Taschentuch vorbeigehenden Menschen zu.
Sie lauschte den allmorgendlichen Vogelgesang, verfolgte mit den Augen die Regentropfen, als würde sie diese zählen.
Viele hatten sich an ihr Gesicht gewöhnt, es gehörte einfach zu ihrem Alltag, und klopften ans Fenster, andere nahmen sie in der Routine ihres Alltags gar nicht mehr wahr.
Ab und zu erhob sie sich, stellte sich auf ihre schwachen, zitternden Beine und schaute den Kindern beim Spielen zu.
“ Ich kann heutzutage Vieles nicht verstehen, irgendwann bin ich einfach stehen geblieben, weil ich nicht mehr mit der Zeit mithalten konnte,” seufzte sie.
Es gab Tage da verschlief sie die ganze Zeit. Die Nebeltage im Spätherbst verschlief sie erst recht, weil sie glaubte: “meine Augen werden immer trüber.”
Nachts lag sie wach in ihrem alten Bett. Ihr Körper hat sie Sommer wie Winter bis zum Hals unter einer dicken Federdecke versteckt.
“Es wird immer kälter, ” seufzte sie. Oft tippelte sie mit unsicheren, winzigen Schritten ans Fenster, setzte sich in ihren Schaukelstuhl und sah die beleuchteten Fenster der Nachbarhäuser. “Die Kerzen leuchteten auch schon schöner,” seufzte sie.
Vor ihren Augen tanzte das Kerzenlicht, wie winzige leuchtende Sternchen bis sie ihre schweren Lider senkte und einschlief.
Der Schaukelstuhl ächzte und knarrte synchron mit ihrem letzten Atemzug.
Hannah schlief ……tief ……sehr tief. Die Menschen huschten eilig vorbei, sahen die schlafende alte Frau und einige von ihnen winkten ihr zu. Sie wussten nicht, …… dass sie tiefer denn je schlief.
Hannah wurde an einem Freitag Vormittag beerdigt. Als alle gegangen waren, starrte Émilia auf den Hügel mit Kränzen und frischen Blumen, der ihre Omá Hannah bedeckte.
Anaëlle schrieb am selben Abend einen Abschiedsbrief an Hannah in ihr Tagebuch:
Liebe Hannah,
am 10. Dezember, an einem eiskalten Wintertag, fand ich dich in deinem Schaukelstuhl tiefer den je schlafend vor dem winzigen Fenster. Von draußen sahst du aus wie eine verstaubte Schaufensterpuppe. Innerlich lehnte ich mich gegen das Leben, gegen den Tod und gegen das Altern auf.
Ich war wütend auf dich, weil du tiefer denn je eingeschlafen bist.
„Das kannst du mir doch nicht antun!“ schrie ich dich an. “ Danke Hannah! Danke für deine Rücksicht auf mich, auf meine Liebe zu dir! Du hättest doch damit noch warten können.“
Ich wehrte mich mit Worten, mit Weinen, mit jeder Faser meines Herzens und meiner Vernunft gegen diese Kälte die schneidende Kälte die von dir kam. Ich dachte ich erfriere neben dir.
„Ich überlebe diese Kälte des Todes nicht,“ dachte ich. "Wieso habe ich dich in letzter Zeit so wenig besucht?", fargte ich mich immer wieder. Ich fühlte mich schuldig, weil ich dich immer wieder vergessen habe.
Eine Welle der Traurigkeit überschwemmte mich. Ich wollte nur noch weg. Ich wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr fühlen. Ich wollte auch tot zu sein.
Ich paddelte mit Armen und Füßen, wehrte mich gegen dieses Gefühl, gegen die Tatsache, dass du nicht mehr bei mir bist.
Plötzlich kamen mir Lebensfragmente und Wortfetzen in den Sinn.
Hier, in diesem Zimmer hatte ich mit dir einmal gespielt, gelacht, geweint. Auf diesem Bett lagen vor einiger Zeit meine Puppen, meine Kuscheltiere, meine Märchenbücher, mein erster Liebesroman. Hier in diesem Bett durfte ich neben dir schlafen, wenn ich Halsschmerzen oder Fieber hatte.
Ich verstand nicht wieso so viel Leben, so viel Wärme von einer Minute zur anderen so eisig kalt werden, so regungslos absterben kann. Diese Endlichkeit ist so schwer zu begreifen.
Jetzt habe ich mich wieder erholt. Ich habe dir verziehen, dass du eingeschlafen bist, dass du eisig geworden bist. Ich kann erst jetzt deine Briefe lesen. Zuerst die nie versendeten, dann die anderen.
Ich habe eine Kerze angezündet. Für dich, für mich, für deine Liebe und für meine Liebe, für das Leben und auch für den Tod.
Während meine Augen über die Zeilen wandern, wandern meine Gefühle zwischen den Zeilen, zwischen den einzelnen Worten und ich fühle wie sie mich innerlich wärmen. Ich bin lebendig und mit Liebe voll. Ich fühle mich stark wie ein Baum mit vielen Ästen. Ich fühle mich Kind und Frau zugleich.
“Wann bin ich eigentlich erwachsen?”, fragte Anaëlle Hannah neugierig.
“Ach Wirbelwind, die Kindheit ist die schönste Zeit des Lebens!” Vorwurfsvoll blickte sie Anaëlle mit ihren noch immer strahlenden Schokoladeaugen an. “Hast du es so eilig erwachsen zu werden mein Kind?”
“Ich will es nur wissen”, antwortete Anaëlle trotzig.
“Schon in frühster Kindheit wird uns das Leben langweilig. Wir beeilen uns erwachsen zu werden, sehnen uns nach Kindern, verlieren unsere Gesundheit um viel Geld zu verdienen, geben unser Geld für die Gesundheit wieder aus. Aus Angst vor der Zukunft, vergessen wir die Gegenwart zu leben. Wir leben weder die Gegenwart, noch die Zukunft. Wir leben so, als würden wir nie sterben und sterben so, als hätten wir nie gelebt. Willst du so leben?”
“Was meinst du damit?” fragte Anaëlle etwas verwundert.
“So sehe ich mit meinen alten Augen die Welt,” sagte sie. “Im Alter wird man weitsichtig. Ich brauche eine Brille um Zeitung zu lesen. Aber die Zeitungen sind kurzsichtiger als ich.”
“Wie lebt man schöner und besser? ” fragte Anaëlle. “Man weiß es nicht, man lebt einfach von einem Augenblick zum anderen gehend. Man ist stets im Begriff, sich das Leben angenehm zu gestalten, das zu genießen, was man hat und sich ab und zu Extrawünsche erfüllen. Was kann man denn mehr daraus machen?”
“Mein Kind, nennst du das effektives Leben? Reicht dir das? Was hast du denn davon, wenn du Geld ansammelst, um es dann für deine Krankheiten auszugeben? Gebe es für das Erhalten deiner Gesundheit aus.”
“Was gibt es denn sonst noch?” Anaëlle wurde neugierig.
“Lieben sollst du mein Kind. Lieben, erleben, leben. Wann hast du das letzte Mal "Ich liebe mich” gesagt? “Ich liebe dich” bestimmt öfters. Wann hast du jemandem gesagt: “ich mag dich,” oder jemandem ohne genauen Grund umarmt?“ Sie schüttelte energisch ihren Kopf, so dass ihre mit Silberfäden durchzogenen Löckchen wie Lametta um ihr faltiges Gesicht tanzten . ” Ja, mein Kind, was wartest du noch? “
"Woran mag es liegen, dass das Leben nicht so verläuft wie man es sich wünscht, dass es nicht so leicht getan ist wie gesagt?” fragte Anaëlle weiter.
“Kind, wir sind Menschen und keine Engel. Menschen müssen ihre Fehler machen, um daraus zu lernen, dass das Leben zwischen Gut und Böse mehrere Facetten verbirgt.
Genieße jetzt deine Kindheit Annaig. Vergiss nicht, wenn du Erwachsen bist, tief in dir ein bisschen wildes Kind zu bleiben.”
“Wildes Kind….ich bin ein wildes Kind hier drinnen!” lachte Anaëlle.
Hannah saß am Fenster und sah den sintflutartigen Regen draußen an der Scheibe in Bächlein hinunterlaufen. Es regnete seit drei Tagen torrential. Sie sah ihr Spiegelbild im Fenster. Eitel wie sie war, prüfte sie ihre Frisur und lächelte verträumt.
“Nie im Leben habe ich mir etwas aus tiefster Seele gewünscht, nie im Leben habe ich für etwas was mir am wichtigsten war gekämpft.
Ich war dankbar für das, was ich von den Menschen bekam und über das was ich nicht bekam, dachte ich ich hätte es nicht verdient. Nichts im Leben ist selbstverständlich, man muss dafür hart arbeiten.
Wenn Menschen die mir nahe standen mich verletzten, konnte ich zwar mit der Zeit verzeihen, aber vergessen konnte ich nicht.
Ich konnte nicht die Augen davor verschließen und es als "so ist es nun mal im Leben” abtun.
Es gab Zeiten, da fühlte ich mich von Gott und der Welt im Stich gelassen.
Zwei wichtige Dinge blieben aber in mir - das Vertrauen in mich selbst und die Liebe.
Ich nahm das Leben so wie es sich mir zeigte und lebte es,“ erzählte sie ihr Leben ihrem Spiegelbild im Fenster.
"Vernünftiges Herz und herzliche Vernunft. Wieso hat die Schöpfung diese Eigenschaften in der menschlichen DNA weggelassen?” murmelte Hannah.
“Träumst du,” fragte Anaëlle verwundert. “Kann man mit offenen Augen träumen?”
Hannah fühlte sich bei etwas Verbotenem ertappt. Verlegenheitsröte färbte ihre runzeligen Wangen. In den Falten sammelte sich der Überschuss an Röte, als hätte sie eine rotes Netz über ihr kleines Gesicht gezogen.
“Musst du dich so anschleichen, mein Wirbelwind?” stammelte sie.
“Was hast du geträumt?” Anaëlle war wie immer neugierig. Sie konnte so schöne Geschichten über das Leben und die Liebe erzählen. Sie wünschte sich, sie wären endlos.
“Mein Kindchen! Ja man kann mit offenen Augen träumen. Es ist kein wirklicher Traum, sondern ein Revue passé, eine Zeitreise durch die verschiedenen Etappen meines Lebens, durch mein ganzes Ich.”
Hannah konnte das Leben, die Liebe und alles andere um sich herum so gut erklären wie kein Lehrer es je erklären kann.
“Die Zeitreise ist ein Wandern durch das Leben. Ich versetze mich mit offenen Augen träumend, an einen bestimmten Zeitpunkt aus der Vergangenheit, träume die Gegenwart so wie diese sich mir zeigt und träume mich sehnsüchtig und mit vielen Herzenswünschen in die Zukunft.”
“Schön! Will ich auch können!” rief Anaëlle voller Begeisterung.
“Mein Kindchen, ich habe meine Träume mit offenen Augen, meine innere Zeitreise aufgeschrieben. Ich habe mein Leben, meine Sehnsüchte, meine Gefühle in Tagebücher festgehalten. Vieles wirst du erst später verstehen und begreifen können. Alles im Leben hat seine Zeit. Auch das Verstehen und Begreifen.” Ihre Augen verdunkelten sich augenblicklich und sie wurde plötzlich sehr ernst.
“Wenn du sie liest, kannst hoffentlich erraten, an welchen Punkt meines Lebens ich mich befand. Und die Briefe, mein Kind…..,” sie schaute verträumt und traurig zugleich an Annaig vorbei und lächelte verlegen.
“Die Briefe liest du zuerst, damit du mich besser verstehen kannst.”
“Danke, ja..natürlich… danke!”, sagte Anaëlle verlegen. Sie streichelte ihre mageren Hände, berührte mit ihren Lippen Hannah`s vom Leben gezeichneten Wangen und drückte einen knallend schmatzenden Kuss darauf.
“Du bist mein kleines liebes Teufelchen.” Wie immer lachte Hannah’s wieder über Annaig bedingungslosen kindlichen Liebesbeweise.
Gemeinsam betrachteten sie noch zufrieden den Sonnenuntergang, bevor Hannah sich für die Nacht zurechtmachte.
Sie wünschten sich gegenseitig eine gute Nacht und Anaëlle ging aus dem Zimmer.
“Aber erst darin lesen, wenn ich eingeschlafen bin. Du weisst schon …..so tief und fest eingeschlafen, so dass ich keinen Morgen mehr erlebe!” rief Hannah Anaëlle hinterher.
Annaig saß eines Abends mit einer Tasse honiggesüßtem Lindenblütentee an ihrem Schreibtisch aus Kirschholz. Vor ihr lag ein mit kirschrotem Schleifenband umwickelten Stapel mit Tagegüchern, Briefe, Postkarten.
Ein unbeschreiblich schönes Gefühl habe ich im Bauch und Herzklopfen, deine leeren blütenweissen Blätter zu beschreiben. Ich habe keine schönen Schriftzüge, aber ich bemühe mich so zu schreiben, dass du mich lesen kannst.
Der 27.November.....
1. Eintrag
Liebes Schreibbuch,
Heute bin ich zweiundzwanzig Jahre alt. Genauer gesagt, heute vor zweiundzwanzig Jahren um eine halbe Stunde nach Mitternacht wurde ich geboren.
Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich meinen Geburtstag nicht feiern.
Warum feiert man eigentlich Geburtstag? Um seine Lebenszyklen zu dokumentieren. Muss man sich denn ständig daran erinnern, dass die Zeit eine vergängliche Einheit ist?
Feiern ist Herzabenteuer für mich. Ich zelebriere die besonderen Momente, die ich als Freude, Glück, Liebe empfinde. Momente in denen ich mich innerlich wie neu geboren fühle.
Manche Leute werden es nicht verstehen und werden sehr skeptisch reagieren. Aber nicht die Leute leben mein Leben, sondern ich.
Also, liebes Tagebuch,
ich bin Hannah. Eine schöne Wortkreation. Ein Palindrom wie “die Liebe ist Sieger; stets rege ist sie bei Leid”, also rückwärts gelesen dasselbe ergibt.
Ich bin aber ein Wirbelwind, ein launisches Naturkind geworden.
Ganz gleich ob das Leben mir Sonnenschein oder Regen beschert, ich wachse und gedeihe. Ich gehe achtsam und aufnahmebereit durch die Tage, die mir das Leben schenkt.
Ich entdecke im Dunkeln immer irgendwo eine Kerze, erkenne immer einen kleinen Pfad der aus der Sackgasse führt, Irrungen und Umwege sind doch menschlich, schmecke Glück in dem was andere Pech nennen.
Und heute bin ich zweiundzwanzig.
Mit vierzehn fühlte ich mich wie zehn. Verspielt und mit dem Kopf in den Wolken.
Meine Freundinnen hatten schon “Riesenbrüste”, nur ich hatte Knospen. Alle hatten schön frisierte kurze Haare, ich aber hatte lange dunkelbraune Ringellöckchen die viel zu schwer über meinen Kopf rankten, und mein Gesicht einrahmten wie wilder Wein die Fenster unseres Hauses.
Mit sechzehn liebte ich meinen Wildwuchs auf dem Kopf, - weil man mich dafür beneidete - , bemalte meine Lippen abwechselnd mit einem rosafarbenen Lippenstift und Akazienhonig.
Letzteres sollte die Lippen weich und zart machen. “Gut zum Küssen,” schwor ich.
Neugierig “wie es sich anfühlt” machte ich meine ersten Kussversuche. Ich träumte vom Herzprinzen - ein liebevoller, zärtlicher, einfühlsamer und leidenschaftlicher Mann - da aber Traum und Realität von einander stark abwichen, glaubte ich dass nur zauberimmune Frösche unterwegs wären.
Innerlich war ich aber noch ein wildes schlacksiges Mädchen.
Ich sehnte mich zwar nach dem ersten Kuss und wenn mich ein Junge berührte, wich ich schüchtern ein paar Schritte zurück. Die Liebe wollte nicht keimen.
Mit achtzehn bekam ich den auch. Von einem Jugendfreund. Bis dahin teilten Elias und ich und ich miteinander unsere Freizeit, unsere Geheimnisse, Bücher und alles was man alles Freunde teilen kann. Nur keine verliebten Küsse.
Ich habe mir den Kuss viel schöner vorgestellt. Ich hatte nur bisschen Herzklopfen, meine Wangen glühten, als hätte ich Fieber.
Es dauerte alles nur eine Kusslänge, dann war alles so, als hätte ich den Kuss nur geträumt. Der Honig hatte seine Zauberkraft nicht entfaltet.
Ich wollte endlich eine Frau sein. Neugierig “wie es sich anfühlt zu lieben” ließ ich mich auf das Vorspiel des Erwachsenseins ein. Das Erste Mal, der stechende körperliche Schmerz verdrängte den Traum von Liebe und Romantik.Ich liebte ihn nicht wie Julia Romeo liebte, oder Ophelia Hamlet. “Er ist es nicht” fühlte ich im Herzen und in den Sinnen. Die Traum-Entdeckungsreise der Liebe setzte ich nicht fort, sondern tritt die Rückreise ins Wirbelwindsein wieder an. War es die Sehnsucht nach der Erfüllung des Traumes, oder Flucht vor dem Frauwerden….ich weiß es nicht…..die Liebe war es nicht.Wir blieben weiterhin enge Freunde und teilten weiterhin alles miteinander außer verliebte Küsse.
Heute mit zweiundzwanzig, bin ich um Jahre gewachsen. Meine Knospen sind halb aufgeblüht und ich fühle mich zum ersten mal als Frau. Meine Haare sind weich wie Seide und kringeln sich entlang meiner Wangen über die Schultern, mein Gesicht wie ein walnussfarben einrahmend.
Ich bin schön.
Meine dunkelbraunen Augen sprühen goldfarbene Funken, wenn ich mich freue oder wenn ich glücklich bin. Oder ist es so, weil ich mich endlich als Frau fühle?
Ich bin endlich eine Frau und zum ersten Mal fühle ich mich mit jeder Herzfaser, eigentlich in jeder Faser meines Ichs als Frau.
Mein Liebster!
Ich liege noch lange wach. Die Nacht ist mild und befangen. Noch voll von dir, noch voll von deinem Duft, von deinen Küssen, von deinen Blicken, denke ich dich bei mir, in meinen Armen und Sinnen. ich weine still vor Freude und lache alles Tränen zu dir. Du und ich versunken in dieser Tiefe, verlieren uns, um uns neu zu finden.
Ich habe keine Stimme, um dich zu beschreiben, ich kann nur fühlen.
Ich weiß nicht ob du schon schläfst. Ich denke dich schlafend.
Mein Atem fügt sich leise in deine Stille. Wir komponieren eine neue Melodie des Seins und eine neue Weise, - eine stille Harmonie.
Wir schreiben den Text mit unsichtbaren Lettern dazu, zwischen zwei Versen umarmen wir uns, vier Arme und zwei Körper, einen Atem, einen Kuss.
Sanft soll mich diese Melodie am Morgen wecken.
In Liebe dich
Seit du weg bist, gehe ich durch die Flure des Hauses, wo ich die Kindheit mit dir verbrachte.
Ich renne heute noch die Treppen hoch und runter wie damals, als du mich am Treppenabsatz auffingst. Ich rannte dir in die Arme und lachte.
Du sagtest mit zärtlicher Stimme: “Ach Kindchen, renne doch nicht immer so schnell, willst du hinfallen und dir die Knochen brechen?” Ich befreite mich lachend aus deinen Armen und rannte wieder die Treppen hoch und runter.
Heute sehe ich noch deinen Schatten unten an der Treppe.
Ich betrete heute die leeren Zimmern, die leere Küche und sehe deinen Schatten am Herd. Es duftet nach Apfelkuchen und Vanille. Der Duft hat sich für Ewigkeiten in meine Nase geschlichen.
Heute bleibe ich in der Tür deines Wohnzimmers stehen und entdecke deinen Schatten am Fenster. Dein Stuhl steht immer noch am Fenster. Es ist das Zimmer mit dem Sonnenaufgang.
Wann wird der Klang deiner Stimme verblassen? Wann werde ich mich weniger an dich erinnern?
Ich lege mich im Schlafzimmer auf dein Bett, schließe die Augen und sehe und höre alles. Die untergehende Sonne, der rote Himmel, bevor die Nacht ihn dunkelgrau übermalt.
Nach einer Zeitreise öffne die Augen wieder und bin nicht mehr traurig. Ich denke dich in einem Himmel, auf einer Wolke wie du sagst: “Kindchen, denke du an die dich lieben werden und nicht an mich. Das Leben ist endlich, verschwende deine Zeit nicht, was gegenwärtig ist, ist die Liebe. Auch diese kommt und geht. Nichts bleibt unendlich”
Liebe Hannah,
ich fühle mich als Diebin, als Seelendiebin.
Hannah, ich habe einen deiner Briefe gelesen. Ich bin in dein Seelenhaus eingetreten, habe mich noch noch nicht darin umgesehen, aber ich rannte neugierig in dein Schlafzimmer, in das intimste Zimmer überhaupt und habe deinen Traum gelesen.
Ich habe dich in deinem Traum lesend, sehend und fühlend begleitet. Wollte wissen wohin er dich, wohin er mich führt.
Ich habe mir heute ein seidenes, cremefarbenes Laken gekauft.
Ich möchte wissen wie sich die Liebe darauf anfühlt.
Jetzt kannst du mich hoffentlich verstehen und begreifen, wieso Weihnachten für mich immer noch eine Qual ist. Weil man sich an Weihnachten an alles erinnert. Weihnachten ist ein Wiederkäuer.
Der 01.Dezember......
Der 2. Eintrag
Liebes Schreibbuch,
nun haben wir schon wieder Advent. Ungläubig schaue ich auf den Wandkalender. Meine Vorfreude auf Weihnachten hält sich dieses Jahr in Grenzen. Ich kann mich nicht freuen. Die kindliche Vorfreude, das sehnsüchtige, erwartungsvolle Kribbeln auf Weihnachten ist mir abhanden gekommen.
Der Krieg hat viel zerstört. Der Hass und Freude am Töten, die Zerstörungswut des Krieges hat viele Opfer gefordert. Viele haben ihr Leben verloren.
Die Angst sitzt bei mir immer noch tief im Knochenmark.
Der Krieg hat mir viel weggenommen. Er nahm mir den Verlobten, den Vater, zwei Brüder, einen wichtigen Teil meine Jugend.
Die erste Weihnachten ohne unsere Lieben, ohne die komplette Familie war unbeschreiblich schmerzhaft. Mama und ich haben und gegenseitig umarmt und festgehalten.
Da wurde mir bewusst, was Liebe und Glück ist - ein tiefes, seliges inneres Fühlen.
Die Traurigkeit, der Verlust der Trennung, das Wissen über die Endlichkeit des Lebens, hat meine kindliche Vorfreude in eine besondere Vorfreude verwandelt - die Vorfreude auf das Fest der Liebe.
Am Ende eines Traumes
warte auf mich,
ich umarme dich in Gedanken.
Am Endes eines Gedankens
warte auf mich,
ich küsse dir alle Worte weg.
Warte auf mich am Ende der Nacht
morgenrotfarben lache ich dich an.
Warte auf mich am Ende
unseres Liedes,
da wo deine Finger die Saiten sanft liebkosen,
die Akkorde verwirrend,
da wo die Noten sich leidenschaftlich lieben.
Ich bin dann bei dir
küsse deine zitternden Lider,
deine warmen Lippen,
zeichne mit den Fingerspitzen
Kreise auf deine Haut
verwandele sie in Perlen.
Am Ende eines Traumes
schleiche ich mich in deine Sinne.
Dann bin ich ganz bei dir
Du solltest wissen, Liebe ist immer nur das was man daraus macht.
Der 3. März.....
Der 3. Eintrag
Liebes Schreibbuch
Es ist schon Ende März und es ist Frühling. Leben erwacht aus dem Winterschlaf. Dieser Morgen ist mild und voller Sonnenschein. Die Strahlen der Sonne wärmen die Erde auf. Die Bäume zeigen sich schon in ihrem zartgrünen Blätterkleid und die ersten Kirschblüten malen ihre ersten Blüten auf das noch neue Kleid der Baumkrone.
Die Zugvögel sind schon zurückgekehrt und sind mit ihrem Nestbau beschäftigt. Ihr altes Nest, es besteht aus Lehm und Strohhalmen, ist noch da unter dem Hausdach. Geschützt von Witterungen müssen die Schwalben nur wenig daran basteln.
Ich habe zwei Kletterrosenstöcke, der eine trägt weiße und der andere trägt rote Rosen, am Gartentor rechts und links des Torbaus gepflanzt.
Ihren botanischen Namen habe ich vergessen, weil er nicht nicht so wichtig ist. Ich nenne sie Liebe und Vernunft. Damit sie einen Namen haben. Rot wie die Liebe, weiß wie die Vernunft.
Der Volksmund sagt sinngemäß, dass der Torbogen der Eingang zum Herzen ist und der Garten das Herz. Tief im Inneren des Herzens wurzelt die Liebe und die Tiefe der Wurzeln lässt die Vernunft an der Kraft der Liebe nicht zweifeln.
Ich hoffe es....und bin bereit für die Liebe.
Wer liebt ist geduldig. Wer sehr liebt träumt die Zukunft.
Der 4. April.......
Der 4. Eintrag
Liebes Schreibbuch
der Mond erhellte mein Zimmer. Als hätte er das Tageslicht für eine Nacht gepachtet, beleuchtete er jede Ecke meines Zimmers.
Ich nahm mein Lieblingsbuch vom Nachttischschränkchen und begann darin zu lesen. Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht und seine leuchtenden Augen erhellten jede einzelne Zeile des Buches.
Das leise monotone Ticken der Wanduhr untermalte die nächtliche Stille. Bevor ich einschlief, lauschte ich in die Nacht, monoton tickende Geräusche der Uhr, fast nur angedeutete Klänge, durchbrachen die Stille und ich hörte mich mit ihnen um die Wette atmen.
Ich weiß nicht wie spät, oder wie früh es schon war, als meine Lider endlich schwer wurden und ich mich in die starken Arme der Nacht legte und einschlief und wunderschön träumte.
Ich spürte ein sanftes Streicheln in meinem Gesicht. Hände die sehr zärtlich die Konturen meines Gesichts nachmalten. Ein Hauch von Wärme und Zärtlichkeit streiften liebkosend meine Wangen und fäbten sie zartrosa. Zärtliche Finger malten meine Lippen kussrot an. Ich fühle Hände die meine Schläfen liebkosen, Lippen die meine Augenlider mit sanften Küssen bedecken. Ich atme den Duft der Haut. Sie riecht frisch nach Meer und Salz. Ich sehe mich im Traum mit den Fingern auf dieser Welle surfen........Ich fühle wie sich sie Poren der Haut zusammenziehen und die Härchen aufrichten. Ich berühre mit zärtlichen Küsschen die Haut, schmecke das Salz auf meinen Lippen. Ich fühle in mir die Sehnsucht nach Meer, nach einer Liebe die ebenso tief, ebenso weit wie das Meer ist.
Ich weiß nicht mehr wie der Traum weiterging. Irgendwann merkte ich wie die Nacht blasser wurde und dem Tag weicht. Und wach war ich. Ich stieg aus dem Bett und öffnete das Fenster weit um den Tag hereinzulassen.
Die Morgensonne erhellte mein Zimmer und ich schlug die Augen auf. Ich schaute in meinem Zimmer umher, meine Augen suchten nach Spuren der vergangenen Nacht. Das Klingeln des Telefons unterbrach mich beim Suchen. Ich nahm den Hörer ab und hörte am anderen Ende mit sanfter, aber überzeugenden Stimme sagen: "Ich liebe Dich!" Und ich sagte "Sie haben sich verwählt!"
Ja, ich weiß, es gibt immer Zeichen, die auf etwas Neues, auf Veränderungen hinweisen. Die meisten übersehe ich, aus unscheinbaren Gründen, einige aber machen sich auf einer Art bemerkbar, die man einfach nicht übersehen, auch nicht ignorieren kann, die man sehen und verstehen und begreifen wird. Und ich dachte den ganzen Tag daran.
Ich sah dich leuchten in meiner Nacht
Du warst in meinem Lidschlag
in meinen Träumen.
Dich sah ich hinter dem Apfelbaum
Jetzt sehe ich dich hell und gänzend im Raum.
Ich vermisse dein Licht und meinen Traum
Du bist nur ein verkörperter Mond
und ich nur eine Frau.
die dich liebt
und von dir träumt
Liebe ist traurigschön. Wie ein Lieblingslied.
Der 5. Mai.....
Der 5. Eintrag
Liebes Schreibbuch,
die Liebe und die Vernunft, meine beiden Kletterrosen, sind Dank meiner guten Pflege gewachsen. Irgenwann haben Wurzeln geschlagen. Zuerst waren die Wurzeln winzige kleine Knoten, dann rollten sie sich ab in winzige fragile Fäden die sich ihren Weg durch die Erde bahnen.
Werde ich den Zeitpunkt fühlen, wenn die Liebe in mir Wurzeln schlägt, wenn winzige fragile Wurzelfäden mein Herz berühren, es kitzeln um sich dann den Weg durch meine Herzkammern zu bahnen?
Ich sehe wie unzählige kurze und lange Arme und Finger die sich dem Himmel entgegenstreckten, so erstreckten sich auch die Ranken und umklammerten den Torbogen.
An der roten Kletterrose entdeckte ich heute auf den Fingerkuppen der Ranken die ersten zarten Knospen , die aussehen wie winzige zartgrüne Knöpfe.
Das Leben geht weiter, zurück bleiben Erinnerungen.
Und viel Liebe.....
Der Garten und der Himmel über mir
es gibt Tage
da tragen sie Namen
Glaube
Hoffnung
Liebe
und die Sehnsucht dazwischen
Ich habe geträumt.
Ich erzähle dir, dass mein Frühling mit dir erwacht. Verträumt streicheln meine Hände deine Haut. Mein lauwarmer Atem streift schüchtern deine rechte Wange, deine Schläfen, dein Ohrläppchen.
In deinen Augen erwacht die Sehnsucht und auf deinen Lippen gebärt mein Kuss ein Wunder.
Mein Frühling hat deine Seele erreicht.
Mit den Zungen erkunden wir die Tiefen und die Geheimnisse unserer Seelen. Wir vergessen die Uhr auf dem Nachttisch, die untergehende Sonne und uns selbst. Um Mitternacht versprüht die Liebe ihr Parfüm, die Zeit hält inne und verstömt kleine Ewigkeiten. Wir taumeln liebestrunken in die Endlosigkeit.
Irgendwann erwache ich am Ende eines Gedankens.
Schweigend tastest mit beiden Händen nach mir und lehrst mich an Liebe zu glauben.
Du zeigst mir ihren Sinn bis ich mich in deinem Traum verliere. Wir verlieren uns in unseren Tiefen und glauben an das Wunder der Liebe.
Ich nenne es unser erstes Weltwunder. Und ich lächele im Traum ein Liebesgebet.
Um Mitternacht, das solltest du mir erzählen, riecht deine Haut salzig nach Meer?
In meinen Augen blüht der Frühling und ein Kuss wird zum Ewigkeitswunder.
Ich umarme dich sanft, um dich nicht zu wecken und hauche dir einen zärtlichen "ich liebe dich" Kuss auf deinen lächelnden Mund.
P.S. Ich frage dich: "bist du bereit für weitere Weltwunder?"
Ich sage "Ja" und weitere tausende Echos.
Ich fragte mich, was ich tun würde wenn das Gewünschte, das Erhoffte wahr werden würde. So dass ich es mit dem Herzen, ohne Augen, ohne Ohren und ohne Hände fühlen könnte.
Der 6. Juni.....
Der 6. Eintrag
Liebes Schreibbuch,
ich staune.
Gestern ist die erste Knospe der Liebe aufgeblüht. Ein dunkles Rot färbt die zarten Blütenblätter der Blüte und ein samtig-seidigen Schimmer unterstreicht ihre Schönheit. Stolz zeigt sie sich dem Himmel.
Wieder ein neuer Tag mit unzähligen Augenblicken.
Ich schlich mich fast lautlos die Treppe hinunter, als würde ich fliehen wollen.
Die Vögel durchbrachen mit ihrem Gezwitscher die frühmorgendliche Stille. Die Sonne erhob sich langsam und tastete den Himmel ab, der sich innerhalb kürzester Zeit fast purpurrot färbte.
Barfuß lief ich durch das taufrische Gras und sah wie der Morgenrothimmel in seiner Farbenpracht zerbarst.
Über Nacht blühten unzählige Knospen der weißen Rose auf. Ihre Blütenblätter waren von einem reinen zarten Weiß und wunderschön groß waren die Blüten. Doch wenn man ganz genau hinsah durchzogen haarfeine rote Fädchen das schöne klare Weiß jeder einzelnen Blütenblätter.
Heute am frühen Morgen entdeckte neue Blüte der Liebe. Etwas größer und von einem intensiveren Rot als die erste. Die Strahlen der aufgehenden Sonne spielten mit den Tautropfen, die wie winzige Perlen auf den Petalen und Blättern liegen und den Himmel darin spiegeln.
Die Sonne stieg höher und trocknete sanft die Blüten ab.
Und wieder einmal erzählt meine Stille von dir und setzt mich Stürmen aus.
Du lachst
gehst in den Wellen unter
tauchst auf
schüttelst das Wasser aus den Haaren
du lachst
Wolkenschwimmerin.
Omi wenn ich dich vermisse, denke ich dich so:
"Tief im Herzen findest du den besten Teil von dir. Solltest öfter auf dein Herz hören!", sagtest du einmal.
Auf welcher Wolke du auch bist, aus welcher Ecke des Himmels du mir zusiehst, wie ich lebe, wie ich liebe, denke mich schön, auch wenn ich Fehler mache.
Du hast für mich deine Herztür geöffnet. Ich lese dich, deine Erinnerungen, deine Gedanken, deine Erfahrungen. Ich lese das was dich mit Liebe verbindet, Augenblicke die du mit Liebe fülltest und alles was dich mit einer Enttäuschung verbindet. Ich lese Hoffnung und jedes noch so kleine Ärgernis von einst.
Alles gehört zu dir, zu deinem Leben dazu. Du bist angekommen. Ich schließe die Tür und du bist immer bei mir, als Knospe, als Blüte, als buntes Herbstblatt und als Schneeflocke.
Das Leben ist voller Überraschungen
die wie kleine Seifenblasen
die Augenblicke durchstreifen.
Als gäbe es eine Unendlichkeit
vor dem eigentlichen Leben
aus der sie heraus fliegen
kaum hörbar zerbarsen
um sich dir zu öffnen
als Entscheidungen.
Nicht zu entscheiden wäre die falsche Entscheidung.
Im Leben gibt es eher selten einen eindeutigen Anfang. Augenblicke von denen wir rückblicken sagen können, dass mit ihnen alles begonnen hat.
Es gibt aber Augenblicke in denen einen ganzen Strom neuer Ereignisse unser Alltag kreuzt und in unser Leben einfließt.
Der 6. Juli
Der 7. Eintrag
Liebes Schreibbuch
in letzter Zeit muss ich an meinen Verlobten denken. Er sitzt bestimmt da oben auf einer Wolke und seht mir zu wie ich ihn vermisse, wie ich um ihn weine, wie ich mich an ihn erinnere. Das Wissen, dass das Leben endlich ist, macht mich sehr traurig. Ich wünsche mir einen Gott der diese Endlichkeit aufhebt, damit ich ihm zeigen kann, dass Liebe keine Endlichkeit hat, wenn man ihre Endlichkeit nicht fühlt.
Ich gehöre nicht zu den Menschen die an eine Art Seelenverwandschaft glaubt. Für mich ist es eine tiefe Liebe. Mit dem Menschen den ich liebe fühle ich mich verbunden. Weder fühlt, denkt und handelt man synchron noch hat man die gleiche Weltanschauung. Man ergänzt sich gegenseitig.
Ich bin nichts Besonderes. Gewiss nicht. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch.
Liebe ist nicht gewöhnlich. Sie ist immer wieder neu und anders.
Raum und Zeit bedingen sich
Die Zeit vergeht,
Leben und Liebe stehen still
wie die Zeiger der alten Uhr an der Wand
aufgehört haben im Kreis zu wandern.
Feiner Zeitstaub legt sich über die Dinge
über das aufgeschlagene Buch auf deinem Nachttischchen
Seite 24
Mit dem Finger male ich
behutsam
Buchstabe für Buchstabe
deinen Namen
Mein kleiner Wirbelwind
du bist verträumt und unvernünftig, bereit blind mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, du träumst davon mit einem Lächeln verschlossene Türen aus den Angeln heben zu können. Du wirst dich verrennen. Dich darf man nicht aus den Augen lassen, sonst brichst du aus.
Du wirst Fehler begehen und lernen, dass das Glück harte Schmiedearbeit ist und nicht nur Empfinden. Auch Vertrauen.
Ich kann dich nicht vor allem bewahren, nicht vor den unberechenbaren Tiefen und nicht vor den Ünglücken.
Ich gebe dir Liebe auf den Weg und irgendwo im Himmel gibt es einen Schutzengel. Irgendjemand ist immer da für dich, auch wenn du nicht daran glaubst, dass es Schutzengel gibt. Was glaubst du was machen wir denn da mit unsere Seele auf diesen Wolken? Wehe du denkst jetzt: schlafen! Denen die wir lieben unsichtbar zur Seite stehen.
Nur eines sage ich dir: bei Allem was du tust, sei mit Herz und und Seele dabei. Und mit viel Liebe. Wie du auch sein wirst - sei es ganz.
In den frühmorgendlichen Stunden unter dem Morgenstern, der über der Landschaft wie ein Heiligenschein schwebte, in der Stille meiner Unbezähmbarkeit, in den Morgenstunden wo man träumen kann, über sich selbst nachdenken kann, erhob ich meine Liebe und mein Leben, in diese seltsamen Tagebücher.
Ich beobachtete die Seele aller Blumen, um die Schönheit meiner Liebe zu beschreiben, und um kurzlebige Momente webte ein Netz von Stagnation und Ewigkeit.
Wie ein Weber, saß ich am Fenster und webte warm und keusch meine Leinentücher, meine Lebens- und Liebestücher für die Beerdigung, die über die Altäre meines enlosen Schweigens gelegt werden. Und damit man nicht so schnell vergessen sollte, dass es mich gab, dass ich gelebt habe.
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Und ich biete dir diese Tagebücher an, denn ich weiß sie sind so schön wie nutzlos, Sie lehren nichts, glauben an nichts, spüren nichts. Sie sind nur Zeichen eines Lebens. Ich weiß du wirst sie lesen und du wirst sie verstehen.
Die Erde wird mich in ihrem aschigen Abgrund aufnehmen, der weder fruchtbar noch schädlich ist.
Ich will nicht nur ein Schatten sein vor einer verschlossenen Haustür und einer Lindenbaumallee auf dem Weg zu einem Friedhof. Ich will Erinnerung sein. Nicht nur eine schöne Erinnerung, sondern auch eine hässliche, wenn du wütend sein wirst auf mich. So wie ich dir Leben war und Liebe. So wie ich dir Enttäuschung und Wut war.
In Liebe Hannah
Texte: ©Francine Émilia Rennart
Bildmaterialien: ©Francine Émilia Rennart
Tag der Veröffentlichung: 14.08.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ein neuer Morgen und du denkst,
es gibt etwas zu entdecken.
Siehst du in alle Himmelsrichtungen. Du beobachtest neugierig den Sonnenaufgang und lächelst.
Dann begegnest einem Menschen, und du entdeckst das Besondere in ihm, was kein anderer in ihm sehen kann.
©Émilia Rennart