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All in one

Kinsale wie sich das schon anhörte. Wieso mussten wir auch unbedingt

diesen Bekannten meiner Mutter besuchen. Ich hatte sie zwar schon

mehrmals danach gefragt, aber sie hatte mich immer wieder mit einem

später, wenn die Zeit gekommen ist wirst du es schon erfahren

abgespeist.Nun saßen wir mit meinem Kindermädchen im Zug nach

Kinsale und ich fragte mich immer mehr was wohl der Grund dafür

sein könnte. Sonst verheimlichte sie doch auch nichts vor mir. Wir

saßen in einem Abteil der ersten Klasse, eines Schnellzuges und

meine Mutter unterhielt sich auf Französisch mit meinem

Kindermädchen. Dabei wusste sie ganz genau, dass französisch die

einzige Sprache war, die ich nie gelernt hatte, da ich mich einfach

nicht mit ihr anfreunden konnte. Mein Kindermädchen Louise hatte

zwar hartnäckig versucht, sie mir bei zu bringen doch selbst sie

musste es nach einem ganzen Jahr unnötiger Quälerei endlich

einsehen, dass ich diese Sprache wohl nie lernen würde. So hatten

es sich die beiden angewöhnt immer wenn sie über etwas reden

mussten, wenn ich dabei war, es aber nicht hören sollte dies auf

Französisch auszudiskutieren. Deswegen ging ich davon aus, dass sie

über den Grund unserer Reise sprachen, wobei ich immer mit

seltsamen Seitenblicken bedacht wurde. Seit Louise mir sagte, dass

ich doch mein bestes Kleid mitnehmen sollte und sie darauf bestanden

hatte, meine genauen Maße zu nehmen fand ich das alles nur noch

seltsam und ich hatte ein sehr ungutes Gefühl bei dieser Sache.

Natürlich sagte ich das nicht laut, da meine Mutter sonst wieder

denken könnte, dass ich nicht ganz normal und zu naiv und kindlich -

wie sie es gerne ausdrückte – war. Dennoch konnte ich meinem

Gefühl vertrauen. Irgendetwas war hier nicht ganz geheuer.

Mittlerweile hatten wir nun schon 6 Stunden Zugfahrt hinter uns und

es schien noch kein Ende in Sicht zu sein. Draußen war es bereits

dunkel geworden, weswegen ich mich nicht einmal mit der Landschaft

ablenken konnte. Zug fahren konnte ja sooo langweilig sein! Eine

halbe Stunde später waren Louise und meine Mutter endlich

eingeschlafen. Nur ich war in unserem Abteil noch wach und konnte

einfach keine Ruhe finden. Mir war inzwischen so langweilig, dass

ich mit so gut wie jedem geredet hätte. Doch leider schliefen sie ja

alle. Zumindest dachte ich das, als ich plötzlich vom Gang her eine

Bewegung wahrnahm. Ich drehte mich in die Richtung und sah einen

Jungen der ungefähr in meinem Alter sein musste, gerade noch an

unserem Abteil vorbei gehen. Da ich nicht wollte, dass er weiter

geht und mich wieder hier allein zurück ließ, beeilte ich mich ihm

zu folgen. Als ich die Tür zum Durchgang aufschob rief ich ihm zu,

da er gerade im Begriff war durch die nächste Tür zu verschwinden:"

Entschuldigen sie bitte!" zuerst reagierte er gar nicht auf meinen

Ruf, doch als ich ihn wiederholte drehte er sich sichtlich

überrascht zu mir um, wie um sich zu vergewissern, dass ich auch

wirklich ihn meinte. Als ich seine nicht ausgesprochene Frage mit

einem Nicken und einer Geste, dass er doch wieder zurück kommen

sollte beantwortete, folgte er meiner Aufforderung. Als er noch ein

Abteil von mir entfernt war blieb er stehen und sah mich einfach nur

an. „Entschuldigen sie bitte. Aber würde es ihnen etwas ausmachen

mir etwas Gesellschaft zu leisten? Meine Mutter und mein

Kindermädchen schlafen beide und ich langweile mich so schrecklich.

Es ist mir durchaus klar, dass sich so etwas eigentlich nicht

gehört, aber wenn sie damit einverstanden sind wäre es sicherlich in

Ordnung. Also was sagen sie?" ich sah ihn erwartungsvoll an und

wartete auf seine Antwort. „ Sie... sie meinen wirklich mich? Ich

meine sie können mich... sehen?" er deutete mit dem Finger auf sich

und sah mich fragend an. „Ja, natürlich. Wen sollte ich denn sonst

meinen? Außer uns beiden schlafen doch alle. Und wieso fragen sie

mich, ob ich sie sehen kann. Sollte ich etwa nicht? Sie stehen doch

direkt vor mir?" fragte ich ihn nun selbst etwas irritiert. „Außer

ihnen konnte mich noch keiner sehen. Ich weiß selbst nicht genau

wieso. Aber seit ich letzte Woche unter einem Hauseingang, einer

Ruine aufgewacht bin, sind sie die erste, die mich wahrnimmt." „Und

was war vor dieser Woche?" fragte ich ihn ehrlich interessiert. „Sie

werden mich sicher für bekloppt halten aber ich kann mich an nichts

davor mehr erinnern. Nicht mal mehr an meinen Namen. Ich... ich weiß

nicht wer ich bin! Sie können sich nicht vorstellen, wie schrecklich

das ist." „Das tut mir sehr leid für sie. Aber wieso kann ich sie

dann sehen, wenn alle anderen es nicht können?" „Keine Ahnung. Aber

es muss einen Grund dafür geben. Einen den ich nur zu gern

herausfinden würde." „Wenn das so ist, dann können sie mir ja etwas

Gesellschaft leisten. Wir müssen nicht einmal auf meine Mutter und

Louise aufpassen, wenn sie sie ja nicht sehen können. Aber eine

Frage hätte ich noch..." „Was denn für eine?" „Na ja, wenn sie

niemand sehen kann, kann sie dann auch niemand berühren? So wie bei

einem Geist?" verdutzt sah er mich an und musste dann schmunzeln:

„Ich hab es um ehrlich zu sein noch nicht ausprobiert. Wieso

interessiert sie das denn?" ich bemerkte wie ich leicht errötete und

antwortete deshalb schnell: „Nur so. Ich bin eben neugierig." „Na

dann" sagte er und sah mich mit einem unergründlichen Blick an. „Na

dann was?" „Na dann versuchen sie' s doch mal." das klang für mich

wie eine Herausforderung, weshalb ich dieser auch nachkam. Langsam

ging ich auf ihn zu, bis uns nur noch wenige Zentimeter trennten.

Schüchtern, was sonst gar nicht meine Art war, hob ich ganz langsam

die Hand und berührte vorsichtig seine Wange. Überrascht zog ich

sie wieder zurück, nur um ihn wenig später erneut zu berühren. Es

fühlte sich eigenartig an. Aber nicht unangenehm, so ähnlich, wie

ein elektrischer Impuls. So etwas oder etwas Vergleichbares hatte

ich noch nie gespürt. Im ersten Moment hatte ich wirklich damit

gerechnet, dass meine Hand einfach durch ihn hindurch gehen würde,

doch das tat sie nicht. Er hatte nicht wirklich eine feste Substanz,

dennoch lag zwischen meiner Hand und seinem Gesicht eine hauchdünne

blaue Schicht, dort wo meine Hand ihn berührte. Fasziniert konnte

ich meine Augen gar nicht mehr abwenden und erstarrte einfach in

dieser Haltung. „Scheint so, als wäre ich doch kein Geist. Obwohl

sie mich so entgeistert anschauen, dass man das durchaus annehmen

könnte. Spüren sie auch diese elektrische Spannung?" verwirrt sah

ich ihn an. Ich hatte ganz vergessen, wo wir waren. „Ja. Das ist

wirklich erstaunlich." hauchte ich wie in Trance. „Vielleicht

sollten wir dieses Gespräch besser in ihrem Abteil weiterführen.

Wenn jemand wach wird und sieht, wie eine junge Frau Selbstgespräche

auf dem Gang führt könnte er sie für verrückt halten und das

wollen sie doch sicher nicht, nicht wahr?!" „Ja natürlich.

Entschuldigen sie bitte. Das ist nur alles so verwirrend. Mein...

ich meine unser Abteil ist gleich dort. Bitte kommen sie..." ich

ging voraus und er folgte mir mit einem kleinen Abstand. In Gedanken

verfluchte ich mich. Ich war wirklich nicht auf den Mund gefallen

und jetzt musste ich ausgerechnet dann, wenn endlich mal etwas

aufregendes passierte mich so dämlich dran stellen und was musste er

erst von mir denken. Kopfschüttelnd sah ich zu, wie er erst meine

Mutter und dann Louise musterte und dann, nachdem er mich noch

einmal angesehen hatte, sich auf den Platz am Fenster setzte. Ich

meiner seits nahm also auf dem Sitz neben ihm an der Tür Platz. Um

es mir etwas bequemer zu machen schlug ich die Beine übereinander

und zog, nachdem ich seinen Blick bemerkte schnell meinen Rock

zurecht. Wieso um Himmelswillen musste ich jetzt schon wieder

erröten? Was war nur los mit mir? „Okay. Also worüber möchten sie

denn mit mir reden?" erwartungsvoll drehte er sich in meine Richtung

und lächelte mich aufmunternd an. „Wie kommen sie darauf, dass ich

über irgendetwas mit ihnen reden wollen würde? Außerdem..."

„Außerdem was?" „Nichts.. nur ich ehm ich mag es eigentlich nicht...

wenn man mich siezt. Ich weiß natürlich, dass es die Anstandsregeln

so verlangen, aber ich komme mir dann immer so schrecklich alt vor.

Und da sie ja kein Mensch im eigentlichen Sinne sind, dachte ich

mir, dass wir uns doch auch nicht unbedingt siezen müssten oder?"

verlegen senkte ich den Blick. Wie konnte ich nur eine solch

dämliche Frage stellen. Ich musste wirklich verrückt sein. „ Gerne

ich komme mir auch immer ziemlich alt vor. Aber dann müsstest du

mir schon deinen Namen verraten. Ich habe ja keinen." er sah mich

etwas traurig an. „Mein Name ist Sheska Mc Kensey. Aber wir brauchen

auch einen Namen für dich. Wie wäre es mit... Justus?" ich konnte

es mir nicht genau erklären, aber ich wusste einfach, dass der Name

perfekt zu ihm passte. „Der gefällt mir! Und als Nachnamen?"

erwartungsvoll und mit einem schelmischen Lächeln sah er mir in die

Augen. „Hmm... Abelton?" „Justus Abelton... das klingt wirklich gut.

Den nehm ich." Zum ersten Mal sah ich ihn nun wirklich an. Er konnte

höchstens zwei Jahre älter sein als ich, hatte hellbraune strubblige

Haare, grüne Augen die richtig leuchteten und war ca. 1.80 groß.

Seine Kleidung wirkte recht alt wie aus einer anderen Zeit. Er sah

wirklich gut aus, etwas verwegen aber gerade das gefiel mir an ihm.

Bisher hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie ich wohl auf

andere wirkte. Doch jetzt fragte ich mich, ob er mich wohl hübsch

fand. Ich hatte gewellte rote Haare, die mir bis knapp über die

Schulter gingen, blaue Augen mit einer grauen Schattierung und

Sommersprossen. Meine Mutter hasste diese, aber ich liebte sie

einfach. Ich war nicht groß und eher zierlich gebaut, hatte

allerdings die Kurven an den richtigen Stellen. Mit meinen 1.65m

konnte ich wirklich gut hohe Absätze tragen, wenn ich auch am Anfang

gar nicht darin laufen konnte, so hatte ich es mit der Zeit gelernt.

Meine Kleidung war nicht immer angemessen für den Status meiner

Familie und meine Mutter sowie Louise regten sich regelmäßig

darüber auf. Dennoch veränderte ich immer etwas an dem, was sie mir

morgens immer bereit legten und sei es nur eine kleine Schleife. So

drückte ich nun mal meine Eigenständigkeit und meine

Einzigartigkeit aus. Zudem hatte ich eine besondere Begabung, die

ich manchmal einfach nur hasste. Ich konnte immer beide Seiten

verstehen. Wenn meine Mutter zum Beispiel früher mit meinem Vater

stritt und es einfach nicht verstand was er von ihr wollte oder

umgekehrt so hatte ich immer zwischen den Beiden vermittelt.

Leider konnte ich deswegen auch niemandem wirklich böse sein, da ich

ja verstand wieso derjenige das tat oder sagte. Manchmal war diese

Gabe wirklich ein Fluch. Aber heute schien sie ausnahmsweise einmal

nützlich zu sein. „Bist du dir sicher, dass du über nichts reden

willst?" mit seiner Frage riss er mich aus meinen Gedanken. Sollte

ich ihm von meinem unguten Gefühl erzählen, ihn bitten mit uns zu

kommen? Ich kannte ihn gerade mal eine halbe Stunde, konnte ich ihm

denn vertrauen? „Eigentlich ist es nichts wichtiges. Es ist nur...

ich hab keine Ahnung wo wir hin fahren. Meine Mutter meinte, dass

wir einen alten Bekannten von ihr besuchen. Dennoch hab ich ein

ungutes Gefühl dabei ich weiß auch nicht wieso. Aber auf mein

Gefühl konnte ich mich bis jetzt immer verlassen." „ Hm...

verstehe. Und was sagt dir dein Gefühl im Bezug auf mich?"

neugierig sah er mich an. Ich musste lächeln: „ Das ich dir

vertrauen kann...und dass es da ein Geheimnis gibt..." schüchtern

sah ich ihm in die Augen, doch er hatte ein schiefes Lächeln

aufgesetzt und erwiderte meinen Blick. Eine Zeit lang sahen wir uns

einfach nur an. Es wäre wohl ewig so weiter gegangen - da ich mich

völlig in seinen Augen verloren hatte – doch dann ließ Louise ein

lautes Schnarchen hören, was uns beide zusammenzucken ließ. Es

gelang uns nur mit Mühe nicht laut los zu lachen. „Ein Geheimnis

also... das kann ja interessant werden!" „Ja das denke ich auch.

Aber was willst du nun tun?" „Wie meinst du das?" verständnislos sah

er mich an. „Na ja... in eineinhalb Stunden sind wir am Zielort

angekommen.

Dann reise ich mit meiner Mutter und Louise weiter zu diesem

Bekannten." „Ja und? Ich verstehe nicht ganz, was du meinst..."

verständnislos sah er mich an. „Na, ja ich... ich habe mich

gefragt... ob du uns womöglich begleiten willst." Schon wieder

musste ich erröten, was hatte das nur zu bedeuten? „ Ach das meinst

du! Natürlich möchte ich euch begleiten. Um ehrlich zu sein hätte

ich das sowieso, wenn du mich nicht gefragt hättest wäre ich euch

eben heimlich gefolgt." „Bitte?! Das würde jetzt von jedem anderen

sehr seltsam klingen. Und wieso willst du uns begleiten?" „Das liegt

doch auf der Hand, oder nicht. Du bist die einzige Person die mich

wahrnimmt und sehen kann. Diese Tatsache kann ich doch nicht einfach

ignorieren." „Da hast du wohl recht." aus irgendeinem Grund

versetzten mir seine Worte einen Stich, aber das hatte bestimmt

nichts zu sagen. „Aber ich werde mich nicht oft mit dir unterhalten

können, da die beiden – ich nickte mit dem Kopf in Richtung meiner

Mutter und Louise - es ja nicht merken dürfen." „Das ist schon

okay. Ich kann mich ganz gut selbst beschäftigen." sagte er mit

seinem schiefen Lächeln, das mich ganz aus der Fassung brachte.

Die restliche Zeit unterhielten wir uns fast ausschließlich nur

über mich, da er sich ja an nichts aus seinem Leben erinnern

konnte. Viel zu früh, meiner Meinung nach, ertönte aus der

Lautsprecheranlage die Durchsage, dass wir nun in wenigen Minuten

Kinnsale erreicht hätten. Leider weckte diese Durchsage meine Mutter

und Louise auf, was es mir unmöglich machte weiter mit Justus zu

reden. Seufzend fügte ich mich also meinem Schicksal und verließ

das Abteil mit zwei sich wieder auf Französisch unterhaltenden

Frauen und einem grinsenden Justus. Ich fragte mich ob wenigstens

er, die beiden verstehen konnte und beschloss ihn bei der nächsten

Gelegenheit danach zu fragen.

Eine weitere halbe Stunde später fuhren wir die Auffahrt zu einem

erstaunlich großen Haus hinauf. Es sah aus wie eines dieser alten

Herrenhäuser, von denen meine Mutter mir immer vorschwärmte. Ich

hatte bisher immer gedacht, dass es so etwas nicht mehr gab, weshalb

ich nun mit großen Augen Justus ansah um heraus zu finden, ob er so

etwas ebenfalls so ungewöhnlich wie ich fand. Bei dem Anblick, der

sich mir bot konnte ich mein Lachen nicht zurück halten und

versteckte es schnell in einem vorgetäuschten Hustenanfall, was mir

einen tadelnden Blick von Louise einhandelte.

Doch es sah einfach zu komisch aus, wie er da so saß, mit weit

offenem Mund und das Haus und mich abwechselnd mit einem ungläubigen

Blick bedachte. „Sag mal was will deine Mutter denn in so einem

Haus?" „Das wüsste ich auch gern..." flüsterte ich zurück und da

mich meine Mutter fragend ansah setzte ich noch laut an sie gewandt

hinzu: „Was wollen wir denn jetzt hier? Wohnt hier dein Bekannter?"

„Ja das tut er. Er ist ein alter Freund deines verstorbenen Vaters.

Sie waren übrigens auch Geschäftspartner. Er rief mich vor einiger

Zeit an und als ich ihm von dir erzählte, meinte er, dass er dich

sehr gern kennen lernen würde." „Und deshalb sind wir extra

hierhergekommen?" fragte ich sie ungläubig. Sonst hielt sie nie

etwas von den Geschäftspartnern meines Vaters. Sie redete nicht

einmal über seine „Geschäfte", wobei ich nicht die leiseste Ahnung

hatte worum es sich bei diesen handelte. Da ich im Moment sowieso

nichts an der Situation ändern konnte beugte ich mich

schulterzuckend meinem Schicksal. Ich stieg die Treppen zum Haus

hoch, dicht gefolgt von Justus, der die Situation anscheinend immer

noch aus einem mir unerfindlichen Grund komisch fand. Um nicht aus

Versehen über den zu langen – zumindest für mich – Saum des

Kleides, das mir Louise aufgezwungen hatte zu stolpern sah ich beim

Treppensteigen auf meine Füße. Was ich augenblicklich bereute, als

ich meinen Blick wieder hob konnte ich gerade noch rechtzeitig

anhalten. Fast wäre ich mit einem jungen Mann zusammen gestoßen, der

gerade meine Mutter begrüßte. Mit einem fragenden Blick sah ich zu

Louise. Das konnte wohl kaum der Bekannte meiner Mutter sein. Dafür

war er eindeutig zu jung. Da er sich mit meiner Mutter unterhielt

konnte ich ihn mir ja mal genauer ansehen. Er hatte dunkle Haare,

fast schwarz, war sehr groß, aber nicht schlaksig und hatte

eindeutig etwas Britisches an sich. Obwohl er noch jung war trug er

einen ähnlichen Anzug, wie den, den mein Vater immer getragen hatte

und einen Hut, ebenfalls englisch. Irgendwie war er mir nicht ganz

geheuer. Schon wieder etwas, was mir mein Gefühl sagte. Plötzlich

sah er mich an doch ich wich seinem Blick aus und schaute ertappt zu

Boden. Da hörte ich wie meine Mutter sagte: „Und das ist meine

Tochter Sheska. Sie konnte es gar nicht erwarten Sie kennen zu

lernen, Derrel. Leider ist sie von der langen Reise etwas

erschöpft." entgeistert sah ich sie an. Was erzählte sie denn da

für einen Quatsch, das stimmte doch gar nicht. Doch ich wurde

abgelenkt als jemand meine Hand ergriff. Verwundert drehte ich

demjenigen meinen Kopf zu und sah gerade rechtzeitig hin, als mir

Derrel doch tatsächlich einen Handkuss gab. „Es ist mir eine

außerordentliche Ehre endlich ihre Bekanntschaft zu machen Miss

McKensey. Ich verstehe es natürlich, dass sie sich erst einmal von

der langen Reise erholen müssen. Doch ich würde mich sehr freuen,

wenn sie mir morgen beim Lunch Gesellschaft leisten würden." er sah

mich an. Ich bemerkte, dass Justus hinter mir unruhig wurde.

Gerade als ich höflich das Angebot ablehnen wollte entgegnete meine

Mutter schon: „Natürlich. Es wird ihr eine Ehre sein." entsetzt

schaute ich zu ihr. Wie konnte sie so etwas einfach über meinen

Kopf hinweg bestimmen? Doch ich sollte keine Zeit mehr für

irgendwelche Wiederworte haben, da mich Louise schon mit dem Gepäck

zu meinem Zimmer geleitete. Als wir dort ankamen musste ich gegen

meinen Willen staunen. Das Zimmer sah einfach himmlisch aus. Es war

in einem dunklen rosé gestrichen, mit langen Spitzenvorhängen, die

mit zwei großen dunkel Roten Schleifen an der Wand gehalten wurden.

Der Boden war aus dunklem Paket und in der Mitte des Zimmers stand

ein riesiges hölzernes Himmelbett. Es gab sogar eine Schminkkomode

und einen Tisch mit vier Stühlen, kurz es sah aus wie im Märchen.

Als ich mich so im Zimmer umsah bemerkte ich, dass Justus uns gar

nicht gefolgt war, was mich irritierte. Wahrscheinlich hatte er

einfach keine Lust in unseren Streit hinein zu geraten, dachte ich

mir. Kaum hatte ich das gedacht klopfte es auch schon an der Tür

und meine Mutter stand im Zimmer. „ Was ist der wirkliche Grund für

diesen Besuch bei deinem Bekannten, der mir übrigens doch recht

jung erscheint?" fragte ich sie aufgebracht. „Sei nicht albern! Das

war natürlich nicht mein Bekannter, sondern sein Sohn. Du solltest

wirklich etwas charmanter zu ihm sein. Er ist eine ausgezeichnete

Partie!" „Wie soll ich das verstehen? Eine ausgezeichnete Partie?

Für wen denn?" eigentlich wollte ich ihre Antwort lieber nicht

hören, was sie mir jedoch nicht ersparte. „ Für dich natürlich.

Wie schon gesagt, er war ein Arbeitskollege deines verstorbenen

Vaters. Sie haben sich vor deiner Geburt darauf geeignet, dass wenn

du ein Mädchen wirst, du den Sohn - also Derrel - von Mr. Vendon

heiraten wirst. Das heißt, dass ihr jetzt bereits verlobt seid."

„ Was?! Das ist ein sehr geschmackloser Witz. Findest du nicht?

Das... das kann einfach nicht dein Ernst sein. Ich werde diesen

aufgeblasenen Schnösel niemals heiraten. Niemals! Ich heirate nur

jemanden, den ich liebe." doch wenn sich meine Mutter erst einmal

etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte sie nichts und niemand

mehr davon abbringen. Was sollte ich nur tun? Wenn ich schon

heiraten musste, dann wollte ich doch viel lieber Justus als diesen

Schnösel. Aber wahrscheinlich ging es meiner Mutter wohl am

allermeisten darum, dass die Vendon' s eben sehr vermögend waren.

Meiner Mutter war Geld schon immer wichtiger als sonst was. Manchmal

fragte ich mich, wie es sein konnte, das ich ihre Tochter war, da

ich sehr romantisch veranlagt bin. Von meinem Vater konnte ich es

laut meiner Mutter ja nicht haben. Schade eigentlich, dass ich so

wenig über ihn wusste. Aber meine Mutter verbot mir jegliche

Nachforschungen.

Während ich noch darüber nachdachte hatte meine Mutter bereits den

Raum verlassen. Da ich nicht wusste, was ich jetzt machen sollte,

beschloss ich erst einmal Justus suchen zu gehen und ihn auf den

neusten Stand der Ereignisse zu bringen. Ich traf ihn im Flur an,

nicht weit von der Treppe entfernt. Als ich mich ihm näherte

schreckte er herum und sah mich überrascht an. „Sheska! Ach du bist

es nur. Erschreck mich doch nicht so!" „ Wieso erschrecken? Außer

mir kann dich doch eh sonst niemand sehen. Wieso also so

schreckhaft?" „Ach nur so ich bin es eben nicht gewohnt, dass sich

jemand von hinten an mich ran schleicht. Das ist alles." sagte er

lächelnd zu mir. Skeptisch sah ich ihn an. Irgendetwas verheimlichte

er doch vor mir und ich würde schon noch herausfinden was es war.

 

Justus

Hatte ich richtig gelächelt? Sheska sah mich so skeptisch an. Ob sie

etwas ahnte? Sie hatte ja gesagt, dass sie sich immer auf ihr

Gefühl verlassen konnte. Ich war scheinbar ein miserabler Lügner.

Dennoch ließ sie es zum Glück auf sich beruhen. Aber wie hätte ich

ihr auch die Wahrheit sagen können, nach dem was ich soeben erfahren

hatte? Sie durfte es auf keinen Fall erfahren, sonst würde sie mich

bestimmt nicht länger in ihrer Nähe dulden. Erzählen konnte ich es

ihr einfach nicht. Das Ganze war so schon zu absurd, als dass es

jemand, der es nicht mit eigenen Ohren mitbekommen hatte, dies

glauben könnte. Deshalb konnte ich es nicht riskieren, nicht mehr in

ihrer Nähe bleiben zu können. Ich konnte es mir selbst nicht

erklären, aber aus irgendeinem Grund wollte ich sie beschützen.

Doch wie sollte ich das tun, denn ich hatte ja keinen Körper!

Bevor ich mich weiter in meinen Gedanken verlieren konnte fragte

mich Sheska, ob ich nun käme oder nicht. „Was? Entschuldige bitte

ich war in Gedanken. Wohin soll ich mitkommen?" „Ich hab gefragt ob

du vielleicht unser Zimmer sehen willst." Bei „unser Zimmer" wurde

sie rot, was ihr scheinbar oft passierte. „Natürlich will ich. Geh

du vor." Nun lächelte sie mich an, offenbar zufrieden mit sich

selbst und meiner Reaktion. Also folgte ich ihr die Treppe hoch. Ich

staunte nicht schlecht, als sie die Tür zu unserem Zimmer öffnete.

Zugegeben, es war nicht so ganz mein Geschmack, eben ein echtes

Mädchenzimmer. Aber ich war mir sicher, dass es perfekt zu ihr

passte. Wieso wusste ich auch nicht. Es war eben so ein Gefühl.

„Ziemlich kitschig nicht?" fragte sie mich und lächelte leicht. „Ja

schon. Aber ich finde es passt zu dir." jetzt wurde ich auch schon

rot. Ob das ansteckend war? Schnell drehte ich mich um und fand

plötzlich ungemeinen Gefallen an der Maserung des Parketts. „Sieht

so aus als müssten wir uns ein Bett teilen..." „Was?! Wie meinst du

das?" Sie sah mir direkt in die Augen und ich konnte mich ihrem

Blick einfach nicht entziehen, aber ich wollte es auch im Grunde gar

nicht. „Es gibt nur ein Bett, das meine ich damit. Und ich werde dich

ganz bestimmt nicht auf dem Boden schlafen lassen!" sie deutete mit

ihrem Finger in Richtung des Bettes um mir ihre Worte zu

verdeutlichen. „Aber... aber das geht doch nicht!" wie stellte sie

sich das denn nur vor. Allein der Gedanke machte mich nervös. Ein

vertrautes Gefühl. Moment mal wieso vertraut? Ich konnte mich doch

an nichts erinnern... oder etwa doch. Wie um mir eine Bestätigung zu

holen berührte ich sie leicht am Arm, doch - wie könnte es auch

anders sein – mein Arm ging einfach durch sie hindurch.

 

Rückblende

Und dann war ich plötzlich nicht mehr im selben Raum. Jetzt stand

ich in einem kleinen etwas schäbig aussehenden Zimmer und

beobachtete ein Mädchen mit roten gewellten Haaren dabei, wie sie

sich auf ein Bett setzte und sich nervös im Zimmer umsah. Kurz

darauf betrat ein Junge den Raum, der mein Zwilling hätte sein

können. Er trug sogar dieselben Kleider wie ich. Das Mädchen blickte

auf und als sie ihn bemerkte fing sie an zu lächeln. Sie klopfte

neben sich aufs Bett und der Junge folgte ihrer Aufforderung und

setzte sich neben sie. „Das war also dein Ernst, dass wir uns ein

Bett teilen sollen?" fragte er sie sichtlich nervös. „Natürlich! Es

sei denn es wäre dir unangenehm, wovon ich nicht ausgehe. Und wie du

weist habe ich immer recht. Jetzt stell dich nicht so an, ich werde

schon nicht beißen!" mittlerweile hatte sie sich bereits hingelegt

und hielt die Decke hoch, so dass sich der Junge zu ihr legen

konnte.

Als dieser jedoch weiterhin zögerte, setzte sie ein schmollendes

Gesicht auf und meinte spielerisch vorwurfsvoll: „ Justus Abelton du

kommst jetzt sofort hierher oder ich wende Gewalt an." Das konnte

doch nicht sein. Das war doch der Name, den Sheska ihm gegeben

hatte. Oder war dies etwa seine Vergangenheit? Dann war das Mädchen

mit den roten Haaren also Sheska? Aber was hatte sie mit seiner

Vergangenheit zu schaffen. Sie kannte ihn doch erst seit der

Zugfahrt, da war er sich sicher. Außerdem unterschied sich diese

Sheska etwas von seiner Sheska. Seiner.. was dachte er denn nur da. „

Du willst tatsächlich gegen einen Alchemisten Gewalt anwenden? Das

ich nicht lache. Du hast keine Chance." er klatschte in die Hände

und legte sie auf den Boden.

Plötzlich leuchtete ein blaues Licht auf und Sheska wurde von dem

Bettlaken umwickelt und fiel aus dem Bett. „Hey! Das ist unfair. Was

fällt dir ein. Du weißt doch genau, dass ich keine Alchemie anwenden

kann." „Deswegen macht es ja solchen Spaß dich zu ärgern." Sie

kämpfte um sich von dem Laken zu befreien und stürzte sich dann auf

den immer noch lachenden Justus. Das kriegst du zurück.

Und schon hatte sie angefangen ihn zu kitzeln. Sie hörte erst auf,

als er am Boden liegend um Gnade bettelte. Sie richtete sich leicht

auf und sah direkt in seine Augen. Beide verharrten einige Minuten

in dieser Position, bis Justus sich plötzlich herum rollte, eine

quietschende Sheska mit sich ziehend. Nun war er über ihr und sie

sah ihn erschrocken an. „Was..." wollte sie protestieren doch Justus

kam ihr mit seinem Gesicht immer näher und hielt erst an, als sich

ihre Nasenspitzen fast berührten. Sheska schien das jedoch nicht zu

reichen und so überwand sie die letzten Zentimeter, die sie noch

von einander trennten und küsste ihn.

Als sie sich von einander lösten sagte er „Ich... ich li...liebe

dich." Sie lächelte ihn überglücklich an und erwiderte ebenfalls „

Ich liebe dich auch. Mehr als mein Leben." Wenig später lagen nun

beide eng umschlungen im Bett und schliefen. Justus beobachtete sie

noch eine Weile fassungslos über das, was er soeben gesehen hatte.

Doch auch wusste er, dass wenn sein anderes Ich am nächsten Morgen

aufwachen würde er Sheska halb auf ihm schlafend vorfinden würde

und ihn das zum glücklichsten Alchemisten der ganzen Welt machen

würde. Er drehte sich weg und sah eine Zeitung ausgebreitet auf dem

Tisch liegen. Er bewegte sich darauf zu und erstarrte schlagartig,

als er das Datum sah. Die Zeitung war eindeutig neu und trug das

Datum: 03.10.1811. Gerade als er sie berühren wollte, fand er sich

wieder in 2 blaue Augen mit einem grauen Schimmer starrend

gegenüber von der Sheska aus der heutigen Zeit wieder.

 

Sheska

Was war geschehen? Hatte er versucht mich zu berühren? Wieder

spürte ich diesen elektrischen Impuls doch anstatt, dass er seinen

Arm zurückzog erstarrte er einfach mitten in der Bewegung. Er sah

mir zwar immer noch in die Augen doch jetzt wirkten sie wie hinter

einem Schleier. So als würde er durch mich hindurch sehen. Er

verharrte eine ganze Weile so und obwohl ich mehrfach seinen Namen

nannte, regte er sich nicht. Dann kam das Leben in seine Augen

zurück und sie leuchteten wieder.

Mir kamen die Tränen, als er seinen Arm ruckartig zurück zog und

einen Schritt zurück machte. Entsetzt sah er mich an. „Hey. Nicht

doch. Nicht weinen. Alles ist gut. Es tut mir leid, wenn ich dich

erschreckt habe." „Nein.. nein, du hast mich nicht erschreckt. Aber

dein Blick war so... ich hab mir Sorgen gemacht. Ich dachte du

würdest verschwinden!" ich sah mit Tränen in den Augen zu ihm hoch.

„Ich werde dich nicht verlassen. Das verspreche ich dir. Weißt du

ich.. ich habe mich nur gerade an etwas erinnert." „Was?! Wirklich?

An was? Nun sag schon!" Ich wischte mir die Tränen weg und sah ihn

erwartungsvoll an. „ Weißt du ich... bin ein Alchemist." „Ein was?

„ fragte ich irritiert, da ich nicht wusste was das war. „Ein

Alchemist.

Alchemie könnte man ungefähr so erklären: Alchemie bedeutet das

Wissen um die Strömungen und Gesetzmäßigkeiten in der Materie und

die Fähigkeit zur Analyse und Synthese von Stoffen." er grinste mich

an als er mein fragendes Gesicht sah. „Oder einfach ausgedrückt:

Man kann aus einem Gegenstand oder Material etwas Neues herstellen,

das aus dem gleichen Material besteht. Man ändert nur die

Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile." „Ach so! Und wieso

sagst du das nicht gleich sondern redest erst so geschwollen daher?"

„Weil es Spaß macht dich zu ärgern." „Seit wann das denn?"frage ich

ihn überrascht, so kannte ich ihn gar nicht, aber es gefiel mir.

Und schon wieder wurde ich rot, was ihm leider nicht entging und ihn

aus einem mir unerfindlichen Grund zum schmunzeln brachte. „Schon

immer. Seit ich dich kenne!" „Aha" es war wohl besser das auf sich

beruhen zu lassen, bis ich mehr wusste. Immerhin musste ich ja noch

herausfinden, was er vor mir verheimlichte. „Wir sollten schlafen

gehen. Morgen muss ich ja mit diesem Schnösel Derrel zum Lunch

gehen. Ach das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt." „Was denn?"

bildete ich mir das nur ein oder hatte sich seine Mine bei Derrels

Namen verfinstert? „Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich mit ihm

verlobt bin und ihn heiraten soll. Was ich aber nicht will. Auf

keinen Fall. Lieber würde ich dich heiraten." Entsetzt und

überrumpelt sah er mich an.

Erst jetzt wurde ich mir meiner Worte bewusst und lief purpurrot an.

Doch als ich mich abwenden wollte, sagte er meinen Namen. „Sheska."

seine Stimme klang so zärtlich. „Bitte heirate ihn nicht. Du

solltest dich besser von ihm fernhalten. Er ist nicht der der er zu

sein vorgibt." „Woher willst du das wissen?" „Das kann ich dir nicht

sagen. Aber bitte vertrau mir." „Natürlich vertraue ich dir. Auch

wenn ich nicht weiß wieso." ich lächelte ihn zögernd an. „Wenn ich

könnte, würde ich dich jetzt in den Arm nehmen." gestand er und sah

ich das wirklich richtig? Wurde er etwa rot? „Danke. Es ist der

Gedanke der zählt." strahlte ich. Dann verschwand ich im Bad um mich

Bett fertig zu machen.

Ich duschte und putzte mir die Zähne. Meine Haare kämmte ich auch

noch kurz durch. Danach zog ich mir mein Nachthemd an. Es war rosa,

mit Rüschen und Puffärmeln und es hatte eine große Schleife auf dem

Rücken.

Als ich das Bad wieder verließ staunte Justus Bauklötze. Er starrte

mich mit offenem Mund an. Als er das merkte schloss er ihn wieder

und wandte schnell den Blick ab. „Du.. du siehst sss... süß aus."

„Danke!" ich wurde zwar mal wieder rot aber diesmal beruhte es

wenigstens auf Gegenseitigkeit. Er legte sich ins Bett und hielt die

Decke hoch, so dass ich auch darunter schlüpfen konnte.

Als mir auffiel, dass diese gar nicht durch ihn durch ging, sondern

über ihm liegen blieb stutzte ich. „Ich kann es mir auch nicht

erklären. Was ist, kommst du jetzt?" „Klar." und so legte ich mich

zu ihm. Ein wirklich merkwürdiges Gefühl. Unwillkürlich musste

ich daran denken, was meine Mutter wohl dazu sagen würde, wenn sie

mich und Justus in diesem Moment sehen würde. Ganz zu schweigen von

Louise. Als ich mir ihr Gesicht vorstellte, musste ich einfach

lachen. „ Was ist denn so lustig?" „Wie? Ach nichts weiter. Das ist

nur das erste Mal, dass ich mit einem Mann im selben Bett schlafe

und es macht mir eigentlich nichts aus." „Das ist schön." Er sagte

noch etwas aber ich konnte es nicht mehr hören da ich bereits

eingeschlafen war. Der Tag war wirklich sehr seltsam, aber auch

schön.

Am nächsten Morgen wachte ich verschlafen auf und fühlte mich pudel

wohl. Erst wusste ich gar nicht wieso, doch als ich mich dann

umgedreht hatte, die Augen aufschlug und gleich nachdem ich den

jungen Mann in meinem Bett entdeckt hatte einen kurzen überraschten

Schrei von mir gegeben hatte, fiel es mir wieder ein. Erschrocken

schlug ich mir die Hand vor den Mund. Hoffentlich hatte meine Mutter

oder Louise diesen Schrei nicht gehört. Anscheinend hatte ich aber

nicht einmal Justus aufgeweckt. Erleichtert ließ ich mich wieder in

die Kissen sinken. Die Decke war zwar etwas verrutscht aber sie lag

trotzdem noch über uns beiden. Immer noch konnte ich mir dieses

Mysterium nicht erklären. Wieso ging diese Decke nicht einfach durch

ihn hindurch. So zart wie möglich versuchte ich ihn nur mit meiner

Fingerspitze zu berühren. Wieder spürte ich diese elektrische

Spannung zwischen uns und wieder sah ich diese schwache Schicht aus

blauem Licht.

Doch diesmal spürte ich auch einen kleinen Widerstand. Wenn auch

nur ganz schwach. Konnte es sein, dass er materieller wurde. Aber

wieso? Weil er sich an etwas aus seiner Vergangenheit erinnert

hatte. Daran das er Alchemist war. Vielleicht konnten wir diese

Tatsache ja dazu nutzen, ihn zu materialisieren. Ich musste gähnen.

Gestern wurde ich in der Nacht wach und konnte lange nicht mehr

einschlafen. Wie denn auch, wenn neben mir Justus lag, der wenn er

schlief einfach verboten gut aussah. Was dachte ich denn da schon

wieder? Aber es war wahr, das musste ich mir eingestehen. Ich mochte

ihn und zwar mehr als mir lieb sein konnte. Anscheinend hasste er

mich auch nicht gerade. Aber was konnte daraus werden? Immerhin

musste ich diesen Kotzbrocken Derrel heiraten ob ich wollte oder

nicht. Wahrscheinlich wäre es klug gewesen, wenn ich mich einfach

meinem Schicksal gebeugt hätte, doch das konnte ich nicht. Wer

konnte schon sagen, ob Justus nicht gerade deswegen in meinem Leben

aufgetaucht war, ich meine nur ich konnte ihn sehen. Das musste doch

etwas zu bedeuten haben.

Als ich einen flüchtigen Blick auf die Uhr warf erschrak ich. Sie

zeigte bereits 11.38Uhr an. In zwanzig Minuten musste ich mit

Derrel, Mutter und Louise und wohl auch dem Bekannten von meinem

Vater zum Lunch. Doch gerade als ich mich aufrichten wollte, drehte

sich Justus plötzlich um und rollte halb auf mich drauf. Anstatt

durch mich durch zu fallen, blieb er jedoch wie bei der Decke

einfach auf mir liegen. Noch bevor ich Zeit hatte dies merkwürdig

zu finden lief ich purpurrot an und mein Herz begann wie wild zu

pochen. Da musste man ja Angst haben, dass er es hören könnte. Egal

wie sehr ich mich dagegen auch zu wehren versuchte, die

Anziehungskraft zwischen uns war einfach zu stark. Ich konnte dem

Drang ihn zu berühren einfach nicht widerstehen. Deswegen kuschelte

ich mich kurzerhand einfach in seine Umarmung und genoss die Zeit in

der er mich berühren konnte. Wer wusste schon, wie lange diese

Situation anhielt. Viel zu schnell merkte ich, wie er wach wurde,

doch da mir diese Situation gerade sehr peinlich war, tat ich

einfach so, als würde ich schlafen.

 

 

Justus

Müde öffnete ich kurz die Augen. Es war ja schon hell. Ich fragte

mich wie spät es wohl war. Am liebsten würde ich noch etwas weiter

träumen. Es war ein so schöner Traum. Ein Traum von ihr, von meiner

Sheska. Doch wirklich erinnern konnte ich mich nicht daran, doch da

war so ein wohliges Gefühl von Geborgenheit und Liebe und

Vertrauen. Außerdem waren die Kissen hier wohl besonders weich.

Moment mal. Hatte ich nicht Sheska gestern das Kissen überlassen,

auch wenn sie anfangs dagegen protestiert hatte? Aber ... langsam

öffnete ich erneut die Augen um zu sehen worauf ich denn da lag. Und

kaum, dass ich dieses Es erblickte, fing mein Herz an in einen

unregelmäßigen Rhythmus zu verfallen.

Ich lag doch tatsächlich auf Sheska und nicht genug damit, sie

kuschelte sich auch noch an mich! Moment mal wie konnte das denn

sein? Ich hatte doch gar keinen Körper. Aber es war nun mal

eindeutig so. Sie würde sich bestimmt erschrecken, wenn sie

aufwachen würde und uns in so einer Pose sehen würde. Vorsichtig,

um sie ja nicht zu wecken hob ich den Arm an und wollte mich gerade

von ihr runter rollen, als mich eine Hand zurück hielt. Ich blickte

in die Richtung, aus der diese kam und sah geradewegs in die Augen

von Sheska, die mich zwar noch etwas verschlafen aber aus einem mir

unerfindlichen Grund erbost anstarrte. „Nicht doch! Es war gerade so

schön. Kannst du nicht noch etwas so bleiben...bitte?" Ich konnte

meinen Ohren kaum trauen. Sie fand es schön und sie will, dass ich

noch länger so nah bei ihr bleibe? Mit großen Augen sah ich sie an.

Sheska hatte wohl gerade erst realisiert, was sie da gesagt hatte,

denn nun weiteten sich auch ihre Augen und sie lief dunkelrot an.

Sie war ja so süß, wenn sie rot wurde. bevor sie jedoch Zeit hatte

etwas zu sagen legte ich meinen Arm wieder über sie und zog sie

erneut in eine Umarmung. „Besser so?" fragte ich sie mit einem

verschmitzten Lächeln. Zu meiner Überraschung reagierte sie jedoch

nicht sauer, wie ich es erwartet hätte sondern seufzte: „Ja, könnten

wir doch nur den ganzen Tag so liegen bleiben..." völlig entgeistert

sah ich sie an. Was war nur los mit ihr? Nicht das ich mich nicht

über ihre Reaktion gefreut hätte, doch es war wirklich nicht gut

für mein Herz, dass jedes Mal einen Sprung machte, wenn sie mich so

ansah. „Und wieso können wir das nicht?" fragte ich sie obwohl es

natürlich nur eine rhetorische Frage war. Sie seufzte und sah mich

mit einem so traurigen Blick an, dass ich sie noch fester an mich

drückte und ihr einen Kuss auf ihr Haar gab. Verwundert sah sie

mich an. Wieso konnte ich nicht mal einen coolen Eindruck bei ihr

machen. Nein, ich musste natürlich sofort rot werden. „Wir können

nicht, weil ich in 10 Minuten mit meiner Mutter, Louise und diesem

Kotzbrocken zum Brunch muss." „Oh... stimmt ja." obwohl ich mir

nichts anmerken lassen wollte, konnte ich es nicht verhindern, dass

sich meine Miene verfinsterte, als sie diesen .. erwähnte. „Dann

solltest du dich besser fertig machen." „Du hast recht." mit diesen

Worten erhob sie sich, ich konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen

um sie frei zu geben, was ich augenblicklich bereute, da mir ihre

Nähe fehlte.

Sie war schon auf dem Weg ins Bad, als sie sich plötzlich umdrehte

zurück gerannt kam und abrupt vor mir stehen blieb, mir tief in die

Augen sah , mir ein „Danke" zu lächelte und mir zu meiner

Überraschung einen Kuss auf die Wange gab. Dann war sie auch schon

im Bad verschwunden. Die Stelle, wo sie mich küsste fühlte sich

heiß an. Was sollte ich nur tun? Ich war hoffnungslos in sie

verliebt. Doch wieso sollte sie schon jemanden wollen, der nicht mal

einen Körper hatte, obwohl ich sie ja jetzt scheinbar berühren

konnte. Wo dran das wohl lag? Vielleicht an meinen alchemistischen

Fähigkeiten. Ich hatte mal in meinem früheren Leben etwas von einem

Ritual gehört, das die Seele wieder zurückholen und ihr einen

menschlichen Körper geben konnte. Doch ich konnte mich nicht mehr

genau daran erinnern. Aber ich wusste, dass man einen hohen Preis

dafür bezahlen musste. Man kann nichts gewinnen, wenn man nicht

auch bereit ist Opfer zu bringen. Wenn man etwas Neues erhalten

will, muss man etwas von gleichem Wert hergeben. So lautet das

alchemistische Prinzip des äquivalenten Tausches.

Soweit ich mich erinnern konnte, brauchte man nur jemanden, der

einen wirklich liebte, seine gesamten Erinnerungen und dann musste

man nur noch die richtigen Worte , zur richtigen Zeit am richtigen

Ort sagen. Doch sie mussten auch mit etwas besiegelt werden. An

diesen Teil konnte ich mich leider nicht mehr erinnern. Doch erst

einmal musste ich meine gesamten Erinnerungen zurück erhalten. Bis

zu meinem Tod. Dann war da noch die Sache mit der wahren Liebe. Ich

wünschte mir wirklich, dass es Sheska war, doch was wenn es nicht

so war.

Ich konnte ihr nicht die Wahrheit über Derrel erzählen und ich

würde wohl niemals den Mut haben, ihr meine Liebe zu gestehen. Als

ich so in meine Gedanken vertieft war, öffnete sich die Tür zum Bad

und Sheska kam heraus. Ihr Anblick verschlug mir glatt den Atem. Sie

sah einfach hinreißend aus. „Du ...du siehst einfach... umwerfend

aus." Ich musste schlucken, doch ich hatte einen Kloß im Hals. Sie

schenkte mir ein bezauberndes Lächeln. „Sag mal... würdest du mich

vielleicht begleiten? Als meine Begleitung?" sie sah mich nicht an

sondern musterte die Maserung des Parketts. „Aber außer dir kann

mich doch niemand sehen... auch wenn wir das jetzt nicht mehr so

genau sagen können." „Das ist mir egal. Hauptsache ich kann dich

sehen."

In diesem Moment klopfte es an die Tür und ihre Mutter trat ein.

Ich hielt den Atem an und sah, wie Sheska erschrocken erst zu mir

und dann zu ihrer Mutter sah. Doch diese meinte nur: „Schön das du

fertig bist. Wir warten unten auf dich. Beeil dich es ist unhöflich

andere warten zu lassen und sei nett zu Derrel." mit diesen Worten

ging sie wieder hinaus und Sheska und ich atmeten erleichtert aus.

Das hieß dann wohl, dass i8ch ihr Angebot annehmen konnte. „Ich

würde dich sehr gerne begleiten." ich schenkte ihr mein schönstes

schiefes Lachen das ich hatte. „Danke"

 

Sheska

Er war einfach zu süß, vor allem, wenn er mich so schief

anlächelte. Welche Frau könnte da schon widerstehen? Zum Glück

konnte ihn außer mir niemand sehen. So hatte ich ihn noch eine Weile

ganz für mich allein. Und wenn es etwas gab, worin ich meinem Vater

ähnlich war, dann darin, dass ich genauso wenig davon hielt das was

mir etwas bedeutete mit jemandem teilen zu müssen. Und das ich

Justus mochte war mir schon vom ersten Tag an klar gewesen.

Gestern hatte ich einen sehr seltsamen Traum. Ich selbst kam darin

vor, nur in einer älteren, leicht abgewandelten Variante. Justus kam

auch darin vor. Es schien mir so real und ich konnte es mir nicht

erklären, doch es kam mir auch sehr vertraut vor. War das wirklich

nur ein Traum? Oder hatte es eine tiefere Bedeutung? Die Sheska in

dem Traum wirkte so glücklich und frei, sie war scheinbar mit

Justus zusammen und die beiden liebten sich. Doch die ganze Zeit

hatte ich trotzdem ein ungutes Gefühl. Doch es war doch bestimmt

nur ein Traum? Ich musste meine Gedanken unterbrechen, da ich unten

an der Treppe angekommen war, wo Derrel und meine Mutter auf mich

warteten. „Guten Morgen, Miss McKensey. Ich hoffe sehr, dass sie

eine angenehme Nacht hatten. Haben sie etwas Schönes geträumt. Sie

wissen ja, wie man sagt? Das der erste Traum in einem neuen Bett

immer wahr wird?" Nett sein ich muss nett sein zu diesem Kotzbrocken

ermahnte ich mich selbst. Justus hatte sich direkt hinter ihm

postiert und ahmte ihn nach. Deshalb richtete ich meinen Blick nun

auf Justus und mir war es egal. Sollte er doch meinetwegen denken,

dass ich schielte. „Ich wünsche ihnen auch einen wunderschönen

guten Morgen. Danke der Nachfrage. Ich habe tatsächlich etwas

Schönes geträumt und es wäre wundervoll, wenn es in Erfüllung gehen

würde." entgegnete ich mit meinem schönsten Lächeln, allerdings

nicht an Derrel sondern an Justus gewandt, was Derrel allerdings

nicht mitbekam.

Wir machten uns auf den Weg zu einem, laut Derrel , ausgezeichneten

Restaurant. Man musste wohl schon einige Zeit vorher einen Platz

reservieren, was mich darauf schließen ließ, dass meine Mutter und

er ein abgekartetes Spiel mit mir spielten und meine Mutter

garantiert nicht erst seit ein paar Wochen davon wusste, dass ich

diesen Mensch gewordenen Shinigami heiraten sollte. Irgendetwas in

seinem Blick verursachte mir eine Gänsehaut. Aber eine wie wenn es

einem kalt den Rücken runter läuft und keine angenehme, so wie es

bei Justus der Fall war. Obwohl es bei ihm immer noch eher ein

elektrischer Impuls war.

Es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, als er so nah an

mir vorbei ins Innere des Restaurants ging ihn nicht an der Hand zu

nehmen. Doch irgendwie schaffte ich es doch. Das Restaurant war

wirklich beeindruckend. Es hatte ein asiatisches Flair und sah

wirklich gemütlich aus.

Derrel redete gerade mit seinem Butler und mit der Platzanweiserin

zu meinem Entsetzen auf Französisch. Nicht der auch noch. Ich

seufzte auf, was Justus natürlich nicht entging. „Was hast du?

Sieht doch ganz okay aus?" flüsterte er so nahe an meinem Ohr, das

sein Atem mich kitzelte. „Ich hasse französisch. Da verstehe ich

doch nichts." flüsterte ich zurück, wobei ich mit meiner Lippe

ganz leicht sein Ohr streifte, was dazu führte, dass er sich

schütteln musste. Ich musste lächeln. Ein bisschen Spaß musste er

mir schon lassen und wenn er so dreist war mich so aus dem Konzept

bringen zu wollen, dann war es doch nur fair, wenn ich es ihm mit

gleicher Münze zurückzahlte. Das Essen hier war überaus delikat,

wenn ich auch nicht die Preisliste sehen wollte.

Da war es einmal ausnahmsweise gut, dass Derrel so ein Kotzbrocken

von einem Gentleman war. Er würde es niemals zulassen, dass eine

Frau in seiner Gegenwart die Rechnung bezahlte. Alles in allem war

es gar nicht so schlimm, bis Justus plötzlich ohne ersichtlichen

Grund an mir vorbei aus dem Restaurant stürmte und mich völlig

perplex zurück ließ. Derel musste bemerkt haben, dass mit mir etwas

nicht stimmte. „Stimmt etwas nicht Miss Mc Kensey? Hat ihnen das

Essen nicht geschmeckt?" „Was? Nein, nein. Alles war in bester

Ordnung. Ich muss nur schnell etwas frische Luft schnappen, das ist

alles." ich musste doch nach Justus sehen.

Ich betete, dass er mich gehen ließ und nicht darauf bestand, mich

zu begleiten. „Das trifft sich gut Sheska. Ich wollte mich sowieso

zurückziehen. Du kannst mich zum Auto begleiten ich fahre nach

Hause und du und Derrel ihr kommt dann einfach nach wenn euch danach

ist." meinte meine Mutter. Obwohl es mir Unbehagen bereitete mit

Derrel allein zu sein nickte ich schnell, da mir Justus im Moment am

wichtigsten war.

Also begleitete ich sie hinaus und hielt Ausschau nach Justus. Als

meine Mutter endlich mit dem Auto davon gefahren war entdeckte ich

ihn auch schon. Er stand an eine der Säulen vor dem Eingang des

Restaurants gelehnt. „Justus. Was hast du denn? Geht es dir nicht

gut? Bist du sauer auf mich? Ich meine es... es tut mir leid, dass

ich nett zu diesem Kotzbrocken war. Bitte verzeih." Er hob den Blick

und sah mich verständnislos an. „Was meinst du? Wieso sollte ich

sauer auf dich sein?" „Na weil du einfach so raus gerannt bist ohne

auch nur ein Wort zu sagen..." „Ach das meinst du. Nein, das hatte

nichts mit dir zu tun. Jedenfalls nicht direkt. Ich.. es ist nur

so... also... ich erinnere mich jetzt wieder an alles." „Was aber

das ist doch toll" Ja nicht wahr? Nur an dieses Ende von dem Ritual

erinnere ich mich noch nicht...." „Was denn für ein Ritual?" fragte

ich nun interessiert. „Mit diesem Ritual wäre es mir möglich, wieder

ein Mensch zu werden." „Was? Ist...ist das dein Ernst? Was brauchst

du denn alles für dieses Ritual? Können das nur Alchemisten?" „Ja

genau. Das können nur Alchemisten. Und ich brauche eigentlich nur

noch einen großen Platz und jemanden, der mich... der mich..." „Der

dich was?" er schaute betreten zu Boden. „Jetzt sag schon. Du weißt

doch, dass du mir alles sagen kannst? Ich werde dir helfen. Ich

verspreche es." „Jemanden der mich wirklich liebt." er sah mich

immer noch nicht an, denn sonst hätte er meinen überraschten Blick

und meine bestimmt Feuerroten Wangen sehen können. „Aber... aber

dann hast du doch schon alles." Zuerst schien er mich nicht gehört

zu haben doch dann hob er ruckartig den Kopf und sah mich an. „Wie

meinst du das?" „So wie ich es sage." „Und wer sollte sich in

jemanden wie mich verlieben?" „Jetzt beleidigst du mich aber." als

er mir keine Antwort gab zwang ich ihn mich anzusehen, indem ich

meine Hand wieder an seine Wange legte.

Die dünne blaue Schicht war nun kaum noch zu sehen. Bevor mich der

Mut verließ sollte ich wohl besser handeln, dachte ich mir. Ich sah

ihm in die Augen in denen immer noch Unglaubwürdigkeit stand. Ich

kam ihm zuvor, da er gerade etwas sagen wollte, ich streckte mich

und presste meine Lippen auf seine. Zuerst war er wie erstarrt doch

als ich meine Arme um ihn schlang, zog er mich näher zu sich und

erwiderte den Kuss. Nein er erwiderte ihn nicht nur, er vertiefte

ihn und drückte mich beschützerisch an sich. Ich wollte, dass

dieser Kuss ewig andauern würde, als uns ein lautes Räuspern hinter

uns auseinander fahren ließ. Erschreckt drehten wir uns um, uns

immer noch im Arm haltend. Was auch gut war, denn als ich sah, wer

uns da so plötzlich unterbrochen hatte, wurden meine Knie ganz

weich. Es war niemand anders als Derrel und zu unser beider

Entsetzen starrte er geradewegs Justus mit hasserfüllten Augen an.

Das konnte doch nicht sein. Er sollte ihn doch gar nicht sehen

können!

 

Justus

Ich konnte es gar nicht fassen. Sheska küsste mich und sie wollte

mich an ihrer Seite haben. Ich war wirklich der glücklichste

Alchemist auf der ganzen Welt. Doch plötzlich tauchte dieser

verdammte Derrel auf. Der Typ hatte wirklich kein gutes Timing. Doch

was mich im Moment mehr als alles andere interessierte war, dass er

mich direkt anstarrte. Er sollte mich doch gar nicht sehen können!

Verdammt was hatte das zu bedeuten. „Denkst du er kann mich sehen?"

fragte ich an Sheska gewandt, die jedoch nur weiter Derrel

anstarrte. „Am besten du tust so, als wäre nichts passiert." wieder

keine Reaktion ihrerseits.

Ich wandte meinen Blick wieder Derrel zu. „Tut mir leid Derrel, aber

ich kann sie nicht heiraten. Ich liebe sie nicht. Aber es gibt

jemanden den ich mehr liebe als mein Leben und er ist der Einzige,

den ich jemals zu heiraten gedenke. Jedoch hoffe ich für sie, dass

sie auch recht bald die Richtige für sich finden." sagte Sheska

plötzlich aus heiterem Himmel zu diesem Kotzbrocken.

Oh nein, das war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Sie wusste ja gar

nicht was sie da getan hatte. „Sheska pssst, sei ruhig. Bitte, sonst

machst du ihn nur noch wütender. Sheska..." „Halt endlich die

Klappe! Denkst du wirklich, dass ich nicht mitbekommen hätte, dass

du sie mir weggenommen hast. Dass ich es nicht gesehen habe, wie ihr

euch ... geküsst habt? Oh doch das hab ich und ich muss sagen, dass

das gar nicht mit meinen Plänen übereinstimmt." fauchte er mich

plötzlich an. Erschrocken machte ich einen halben Schritt zurück.

Dann stellte ich mich schützend vor Sheska. „Wenn du ihr auch nur

ein Haar krümmen willst, dann musst du zuerst an mir vorbei! Ich

werde es nicht zulassen, dass du sie umbringst. Du wirst ihr nie

wieder zu nahe kommen. Erst musst du mich umbringen!" ich spürte,

wie Sheska sich ängstlich an mich klammerte und verständnislos von

mir zu Derrel sah. „Was ... was meinst du damit? Umbringen? Wieso

sollte er so etwas tun? Er wollte mich doch heiraten..." „Das schon,

aber er wollte nicht dich, sondern nur dein Geld. Er hätte dich nach

der Hochzeit wohl durch einen „Unfall" umgebracht." sagte ich traurig

zu ihr ich hätte ihr die Wahrheit gerne erspart. „Sehr richtig

erkannt Sherlock. Aber ich hätte erst noch etwas Spaß mit ihr

gehabt." antwortete er mit einem lüsternen Blick in Sheskas

Richtung. „ Du .. verfluchter Mistkerl!" ich ballte meine Hände zu

Fäusten um meiner Wut Herr zu werden. „Ich wusste es ..." flüsterte

Sheska hinter mir leise.

Als plötzlich hinter Derrel sein Butler erschien, der auch noch zu

allem Übel eine Pistole mit sich trug zuckte sie zusammen und

klammerte sich fester an mir fest. „Nein! Nein bitte. Bitte nicht!"

zuerst dachte ich, sie würde um ihr Leben fürchten, was ja auch

logisch gewesen wäre, da er ja wirklich vorhatte sie zu töten, doch

dann sagte sie etwas was ich im ersten Moment gar nicht fassen

konnte. „Bitte... bitte tun sie ihm nichts. Bitte! Ich... ich mach

auch alles was sie wollen. Ich heirate sie Derrel. Nur bitte lassen

sie Justus gehen." Sie bettelte doch tatsächlich um mein Leben.

 

 

Sheska

Das konnte doch alles einfach nicht wahr sein! Wieso musste mir das

passieren und wieso um alles in der Welt musste Derrel mich

umbringen wollen. Mir war klar, dass er es ernst meinte und das ich

nicht die geringste Chance hatte da wieder lebend raus zu kommen.

Doch wenigstens Justus wollte ich beschützen.

Gerade als ich mich geschlagen geben wollte wurde ich an der Hand

gepackt und weg gezerrt. „Sheska! Lauf wir müssen hier weg" Justus

hatte mich aus der Schusslinie gezogen und rannte mit mir weg.

Wir liefen so schnell wir konnten. Er schien den Weg genau zu kennen

und das obwohl es dunkel war. Da ich ihm vertraute ließ ich mich

einfach von ihm ziehen egal wohin. Ich durfte nur nicht stolpern,

was ich jedoch tat. Ich übersah eine Wurzel auf der Wiese die wir

gerade erreicht hatten und fiel der Länge nach hin, wobei ich Justus

mitriss. „Autsch. Oh nein. Justus ist alles okay bei dir? Haben wir

sie abgehängt?" besorgt sah ich ihn an. „Ich weiß es nicht, aber mir

geht es gut. Und dir?" „Ja mir geht es auch gut. Wir sollten das

Ritual jetzt durchführen, bevor sie uns noch einholen." „Was aber

wieso gerade jetzt?" „Weil wir so schnell keine Gelegenheit mehr

kriegen.

Außerdem ist heute Vollmond. Ich weiß, dass ich mich nicht besonders

gut mit Magie oder Alchemie auskenne. Aber meine innere Stimme sagt

mir, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt ist." „Na gut. Aber ich

kann mich immer noch nicht an das Ende erinnern..." „Ach das kommt

dir schon noch." „N gut also dann." antwortete er. Doch anstatt

anzufangen kam er auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Ich liebe

dich Sheska. Egal was passiert."

Dann ließ er mich los jedoch nur um mein Gesicht in seine Hände zu

nehmen und mich zu küssen. Es war ein wirklich süßer Kuss, der mir

ganz heiß werden ließ. Als ich ihn erwiderte wurde er

leidenschaftlicher und ich drängte mich näher an ihn. Ich brauchte

ihn, ich wollte ihn so sehr wie ich die Luft zum atmen brauchte. Als

wir uns endlich keuchend von einender lösten hauchte ich ein „Ich

liebe dich auch. Mehr als mein Leben" in den Kuss hinein. Ich saß im

Gras und beobachtete ihn dabei, wie er einen wie er es nannte

Transmutationskreis für das Ritual in die Wiese zeichnete.

Dann stellte er sich mit mir zusammen in die Mitte des Kreises und

sagte: „Mein Name ist Justus Abelton und ich wurde 1793 in Kansas

geboren und starb, als ich versuchte meine Geliebte zu retten." „Was

du bist .. wer war denn deine Geliebte?" ich hätte mir am liebsten

auf die Zunge gebissen, was musste ich auch schon wieder so eine

blöde Frage stellen. „Dumme Frage Sheska. Du natürlich. Also dein

ich von 1800." „Du hast dich geopfert um mich zu retten?" „Ja und ich

würde es jederzeit wieder tun" dann fuhr er mit dem Ritual fort.

„Ich habe meinen Körper verloren doch meine Seele und meine

Erinnerungen sind noch immer hier." er lächelte mir aufmunternd

zu."Und nun noch den Spruch." erwartungsvoll sah ich ihn an. „Ihr

uralten Mächte ich rufe euch an. Dort wo einst waren Fleisch und

Blut ist nun nur noch Licht und Mut. Ihr Kraft der Zeit und der

Ewigkeit gewährt mir, wonach sich meine Seele so lange verzehrte und

bringt meinen Körper durch die Zeit zurück. Das jetzt gelingt, was

einst missglückt." der Kreis begann blau aufzuleuchten. Doch dann

sah ich sie.

Derrel und sein Butler hatten uns eingeholt. Oh nein. Das war doch

viel zu früh. Wir waren noch nicht fertig mit dem Ritual. Derrel

riss dem Butler die Pistole aus der Hand und richtete sie auf

Justus. Dieser bekam nichts von all dem mit, da er mit dem Rücken

zu ihnen stand und in die Alchemie vertieft war. Ich konnte nicht

zulassen, dass sie ihm etwas antaten. Deshalb warf ich mich einfach

ohne nachzudenken, als Derrel abdrückte schützend vor Justus, der

sich ruckartig umdrehte, als er den Schuss hörte. Derrel war

wirklich ein guter Schütze. Er traf mich mitten in die Brust. Meine

Augen weiteten sich und ich fiel zu Boden. „Nein! Sheska!" Alles um

mich herum wurde langsam grau und dann fing es an sich an den

Rändern schwarz zu färben. Ich sah noch, wie Derrel und der Butler

wegrannten, doch dann hatte mich die Dunkelheit verschluckt. „...ka!

Sheska! Bitte sag doch was! Bleib bei mir ...bitte. Mach die Augen

auf!" Justus... wieso war er nur so aufgeregt. Was meinte er mit

bitte bleib bei mir? Oh nein! Ich war ja angeschossen worden. Was

war mit dem Ritual. Hilfe! Ich konnte nicht klar denken.

Doch plötzlich tropfte etwas nasses auf mein Gesicht und ich

schaffte es endlich die Augen zu öffnen. Justus hatte mich in den

Arm genommen und stützte mich.

Als ich ihm in die Augen sah bemerkte ich, dass er weinte. Er

weinte? Etwa meinetwegen? „Ju..stus. Wieso weinst du denn? Es ist

doch alles in Ordnung. Mir geht es gut. Es war nur ein

Streifschuss." versuchte ich ihn zu beruhigen. Natürlich wussten

wir beide, dass das gelogen war. Es war ein glatter Durchschuss und

mir war auch klar, dass ich ihn nicht überleben würde. „Scht.

Nicht sprechen Sheska. Alles wird gut. Ich bringe dich in ein

Krankenhaus. Alles wird gut nur bitte schlaf nicht ein." „Aber was

ist mit dem Ritual?" „Das ist doch jetzt vollkommen unwichtig!

Wichtig bist nur du." ich hob den Kopf an und sah die Umrisse des

Kreises noch ganz schwach leuchten. Jetzt oder nie dachte ich mir.

Alles was noch fehlte war jemand, der ihn wirklich liebte. Und ich

wollte, dass er sein Leben zurück bekam. Das hatte er verdient.

„Justus ich liebe dich und das wird sich niemals ändern. Egal was

passiert. Du bist meine wahre Liebe, bitte küss mich." Aber das

würde dich zu sehr anstrengen." Dann musste ich ihn eben küssen.

Unter größten Anstrengungen schaffte ich es mich aufzurichten aber

ich war dennoch einige Zentimeter von seinen Lippen entfernt. Mit

letzter Kraft schaffte ich es dann auch noch diese zu überwinden

und ihn mit allem was ich hatte zu küssen. Was gleichzeitig auch

die Besiegelung des Rituals war. „Bitte bring mich nicht in ein

Krankenhaus. Bleib einfach bei mir. Bitte." Dann leuchtete auch

schon der Kreis auf und tauchte uns in ein wunderschönes Licht.

Entsetzt sah mich Justus an. „Was ...was hast du getan? Man braucht

doch ein Opfer. Ich meine man muss etwas hergeben um etwas neues zu

erhalten." „Ich weiß. Doch es ist in Ordnung." „Aber ...du" „Justus,

du bist letztes Mal gestorben um mich zu retten, da ist es doch nur

fair, dass ich nun meinen Körper für deinen gebe." „Aber ich will

nicht, dass du stirbst und verschwindest. Niemand wird sich an dich

erinnern." „Das ist schon okay. Solange ich mich an uns erinnere ist

es für mich okay. Um ehrlich zu sein bin ich sogar froh, dass du

dich nicht mehr an mich erinnern wirst. So kannst du glücklich

werden und dein Leben genießen." „Das stimmt doch gar nicht. Red‘

nicht so einen Unsinn. Du bist doch mein Leben." ich berührte mit

meiner Hand seine Wange und lächelte ihn an. „Das ist das schönste,

was du je zu mir gesagt hast." ich spürte, wie ich langsam anfing

zu verblassen. „ Ich werde mich für immer an uns erinnern."

Warum musste ich auch unbedingt jetzt anfangen zu weinen. Dumme

tränen ich wollte das nicht. So konnte ich doch Justus gar nicht

mehr sehen. Doch ich war tapfer. Ich lächelte ihn weiter durch meine

Tränen hinweg an. „Auch er lächelte mich jetzt traurig an ebenfalls

mit Tränen in den Augen." Ich werde dich immer lieben. Auch wenn ich

mich nicht mehr an dich erinnern kann." meine Zeit war gekommen ich

strahlte noch einmal auf und zerstob dann in tausende von

Lichtpunkten. Das letzte was er von mir hörte war mein geflüstertes

„Ich liebe dich".

 

Justus

Wieso war ich in diesen Zug gestiegen? Der Schaffner sagte, dass er

nach Kinsale fuhr... aber was um Himmels willen wollte ich dort.

Wieso nur konnte ich mich nicht daran erinnern. Mir war als hätte

ich etwas sehr wichtiges vergessen. Als ich so durch den Flur ging

blickte ich in ein Abteil in dem nur eine ältere Frau saß und sehr

verloren wirkte. Ich entschied mich, mich zu ihr zu setzen. Als ich

die Abteiltür öffnete und auf den Platz gegenüber dem Fenster sah

war mir, als müsste dort jemand sitzen. „Sheska" flüsterte ich. Wer

war diese Sheska. Ich schüttelte den Kopf vielleicht würde ich in

Kinsale die Antworten finden die ich suchte.

 

11) Watch the world

Wo war ich denn hier gelandet? Alles um mich herum war dunkel und

ich konnte nicht mal die Hand vor Augen sehen. Das war nicht mehr

dunkel, das war schwarz, fast so als könnte man diese Schwärze

greifen, als hätte sie Substanz... Wie lange war ich nun schon hier?

Ich konnte es wirklich nicht sagen, vielleicht erst seit ein paar

Stunden oder schon seit ein paar Jahren. Es kam mir jedenfalls vor

wie eine Ewigkeit. Am Anfang hatte ich versucht nach Hilfe zu

schreien, aber selbst das kleinste Flüstern ging in dieser endlosen

Stille unter. Dabei musste ich doch zurück zu ihm. Selbst wenn ich

mich weder an seinen Namen noch an sein Gesicht erinnern konnte. Ich

hatte versucht es mir wieder in Erinnerung zu rufen, doch alles –

selbst wenn ich meine Augen schloss – was ich sah war schwarz.

Nicht mal Träume hatten hier eine Chance. Es war einfach

unerträglich und alles was mich daran hinderte den Verstand zu

verlieren, war die Gewissheit, dass es ihm durch meine Entscheidung

gut ging. Wobei ich mir selbst da nicht mehr ganz sicher war. Aber

ich durfte es mir nicht erlauben an dem einzigen zu zweifeln, dass

mich beisammen hielt. Weswegen ich mich an dieses immer kleiner

werdende Stückchen Hoffnung klammerte und es zum Mittelpunkt meines

Daseins werden ließ. Jedoch konnte ein winzig kleines Fünkchen

Licht nicht dieser unendlich großen Dunkelheit standhalten. Nach

einer weiteren gefühlten Ewigkeit wollte ich es schon loslassen, da

es einfach zu schmerzhaft war und mich der Dunkelheit ergeben.

Gerade als ich meine Gedanken abstellen wollte, hörte ich jedoch

etwas von weit weg. Es war so leise, ich würde es nicht einmal als

ein Flüstern bezeichnen, aber in dieser endlosen Stille kam es mir

vor wie ein Schrei: „Sheska.“

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.04.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
allen die gerne lesen und sich an der Geschichte erfreuen können.

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