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Engel Fridolin im Land der Wunder

Der kleine Engel Fridolin saß auf einer Schaukel und schaukelte gelangweilt im Garten eines kleinen Hauses. Gerne hätte er ein wenig beschleunigt und wäre hoch hinaus mit der klapprigen Holzschaukel. Er stellte sich vor, ob er wohl bis zum Wipfel des Apfelbaumes schaukeln könnte. Hoffnungsvoll schaute er in die Umgebung. Wenn kein Mensch in der Nähe wäre, dann würde er es mal versuchen…Schon hörte er ein strenges Räuspern neben sich: „Hmmh, hmmh, denk nicht mal dran!“

Neben ihm stand sein Vater, der Chef der Engelkinderbrigade. Warum nur konnte er nicht endlich mal das tun, was Engelkindern richtig Spaß macht? Trotzig sah er seinen Vater an: „Was meinst du?“

Sein Vater lächelte wohlwollend. „Ich meine, dass du die Vereinbarungen genau kennst: Nicht höher schaukeln als der Wind weht. Das weißt du. Was meinst du, wie die Menschen sich erschrecken, wenn sie eine Schaukel sehen, die von alleine bis zum Baumwipfel schwingt? Die erschrecken sich zu Tode!“

Fridolin sprang von der Schaukel, trat mit Schwung gegen eine Holzlatte, die krachend umfiel.

Wieder hörte er das „hmmh, hmmh!“ hinter sich.

Er ließ sich auf den Rasen fallen, der weder besonders gepflegt war noch besonders ungepflegt. Aus Menschensicht war er bestimmt ungepflegt. Dort lag er nun auf dem Rücken und schaute mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. Gedanken schossen ihm wie Blitze durch den Kopf. Nichts darf er! Ständig beobachtete ihn jemand! Meistens war es sogar sein Vater! Mist! Wann wäre er endlich so groß, dass er alles alleine machen könnte? Er wünschte, er könnte diesen Zustand schneller herbeiführen.

Eine Glocke ertönte. Erst leise, dann lauter. Er wusste, was dieser feine Glockengesang zu bedeuten hatte. Leise kicherte er in sich hinein.

Sein Vater musste sich jetzt, wenn die Glocke erklang, auf den Weg machen zu einem Menschen, der Hilfe von den Engeln benötigte. Fridolins Laune besserte sich schlagartig. Er beschloss, noch auf der Wiese liegen zu bleiben bis sein Vater außer Sichtweite war. Möglichst unauffällig und nicht besonders interessiert dreinblicken, das war die beste Art, um nicht auf den letzten Drücker mitgenommen zu werden, weil ein kleiner Engel ja bei solch einem Menscheneinsatz sicherlich auch was lernen könnte.

Nein, nein, heute nicht! Fridolin verlängerte seine vermeintliche Auszeit um weitere Minuten, nur so konnte er sicher sein, dass sein Vater weit weg war.

Dann sprang er mit einem Satz auf die Füße und auf seinem Gesicht machte sich ein zufriedenes Grinsen breit! Dass Wünschen so schnell geht, hatte noch nicht mal er als Engel geglaubt!

Eine Woge der Freude machte sich breit über seinen kleinen Körper. Von den Füßen bis in die Haarspitzen und in die Enden seiner Flügel. Es fühlte sich an, als ob er vollkommen unter Strom stünde. Fridolin kicherte! Zum Glück hatte er schon gelocktes Haar, sonst hätte sich sicher sein Haar durch diesen Energieschub spätestens jetzt gelockt!

„Das kann ja jetzt doch noch ein schöner Tag werden!“, murmelte er leise vor sich hin. Er schaute hoffnungsvoll zur Schaukel hinüber und überlegte, ob er damit beginnen sollte, seine Freiheit zu genießen. Endlich mal Schaukeln bis zum Himmel oder wenigstens mit Überschlag!

Doch die Schaukel war schon belegt. Drei Feen saßen schon lachend auf dem alten Holzsitz und wiegten sich im leichten Wind.

Fridolins Gesicht verfinsterte sich. „Was wollen die jetzt hier?“, fragte er leise. Seine Gedanken hatten sich plötzlich an dieser Schaukel festgebissen und zu gern hätte er jetzt geschaukelt. Aber die Schaukel schien auch anderen Wesen zu gefallen, und genau diese Wesen, nämlich Feen, saßen jetzt darauf. Kurz hatte er den Gedanken, dass der Tag doch nichts werden würde. Dann besann er sich, dass es doch wider allen Erwartungen sein freier Tag war. Seinen Tag würde er sich nicht von drei Feen trüben lassen! Weder von Feen noch von sonst irgendeinem Wesen! Ein wenig neidisch schaute er zu den Feen hinüber, die jetzt immer lauter lachten.

„Was ist denn da so witzig?“, fragte er sich in einer Lautstärke, die so leise war, dass die Feen ihn auf keinen Fall hören konnten. Er setzte einen gelangweilten Blick auf und schaute hinüber zur Schaukel. Die Feen hatten ihn offenbar noch nicht entdeckt, so konnte er sie gut beobachten. Was er auch tat.

Sie saßen nebeneinander. Links außen saß eine blonde Fee mit langen Haaren. Ihr Haar glitzerte in der Sonne und sie hatte sich einen Haarkranz aus Moosfäden gebunden. Das dunkle Grün passte wunderbar zu ihren grünen Augen. Ihr Kleid schien aus roten Tulpenblättern genäht und sie trug gelbe Schuhe, die Fridolin an die Blüteninnenteile einer Tulpe erinnerten. Leider konnte er auf die Entfernung nicht sagen, ob sie auch so staubig waren wie die Tulpenstempel, aber zumindest die Form passte.

Neben der blonden Fee saß eine Fee, die etwas kleiner war als die anderen beiden. Auch sie hatte langes Haar, ihres jedoch war rot und sehr gelockt. Sie trug ein Kleid aus Veilchenblättern und keine Schuhe. Fridolin hatte den Eindruck, dass er den Duft des Kleides riechen konnte. Die Veilchenblätter schienen wie Samt in der Sonne.

„Warum hat sie keine Schuhe?“, überlegte Fridolin. Er zuckte mit den Schultern und sein Blick wanderte weiter zu der Fee rechts.

Diese schien etwas älter zu sein als die beiden anderen Feen, zumindest machte sie auf ihn diesen Eindruck. Sie hatte kurze dunkle Haare, ihr Kleid war aus Hibiskusblättern, was sehr gut zu ihrer Haarfarbe passte, und sie trug kurze Stiefelchen aus Löwenmäulchen. So saßen die Feen nebeneinander und schienen unglaublich viel Spaß zu haben.

„Die sitzen auf meiner Schaukel“, brummte Fridolin. Just in diesem Moment entdeckten ihn die Feen.

„Huhuuu!“, winkte die blonde Fee und lächelte freundlich. „Was machst du denn hier?“ Die beiden anderen wandten auch die Köpfe zu ihm und schauten ihn neugierig an.

„Ich?“, fragte Fridolin und blickte sich nach hinten um, um sicher zu gehen, dass nicht jemand, der hinter ihm stand, gemeint war. Eine völlig unnötige Frage, er hätte sofort die Anwesenheit eines anderen Wesens hinter sich gespürt, da brauchte er sich nicht umzuwenden.

„Ja, du!“, antwortete die Fee. Diesmal winkte sie und deutete ihm, näher zu kommen.

Fridolin überlegte kurz, ob er sich von Feen etwas sagen lassen sollte. Aber was hatte er zu verlieren? Er ging betont langsam auf die schaukelnde Feengruppe zu. Alle drei Feen schauten ihn sehr freundlich, ja nahezu freudig, an.

„Hallo“, sagte Fridolin zögerlich. Das Zögern legte er aber dann bewusst und schnell ab und stellte sich betont lässig vor die Schaukel.

Die Feen kicherten wieder.

„Hallo“, riefen sie wie aus einem Munde. Etwas verunsichert über das Kichern verlor er für einen Moment seine Lässigkeit, um sich im nächsten Moment etwas zu steif hinzustellen.

Er beschloss, dass er die Lässigkeit nur dadurch betonen konnte, dass er gleich mal das Gespräch eröffnete: „Was macht ihr hier?“

So! Der erste Schritt war getan. Jetzt waren diese Feen an der Reihe sich zu äußern.

Was sie aber nicht taten. Sie zogen es vor, mit derselben Frage zu antworten: „Was machst du denn hier?“

Damit hatte Fridolin nicht gerechnet und er fiel auch sofort darauf herein.

„Ich habe hier vor euch geschaukelt und habe mich dann ins Gras gelegt und die Sonne betrachtet. Jetzt überlege ich, wie ich meinen weiteren Tag gestalten werde.“ Er bemerkte, wie er beim Sprechen angefangen hatte, die Hände hinter dem Rücken zu verschränken und den Körper leicht hin und her zu wiegen. Das ärgerte ihn. Wie sah denn das aus? Als ob sie ihn bei etwas erwischt hätten. Leicht verstimmt presste er die Lippen aufeinander.

„So, so“, hörte er die blonde Fee sagen. „Du bist hier ganz alleine?“, schob sie hinterher.

„Wieso nicht?“, zischte Fridolin durch die immer noch gepressten Lippen. „Ihr seid doch auch alleine hier!“, setzte er hinterher.

Die rothaarige Fee gluckste. Während sich die anderen beiden mit einem Blick, den Fridolin kannte und überhaupt nicht leiden konnte, ansahen. Er beschloss, es zu ignorieren und begann in seiner Verlegenheit gesprächig zu werden. Die Worte sprudelten fast ungeordnet aus ihm heraus: „Klar bin ich alleine hier! Bin doch schon…wieso fragt ihr überhaupt, ob ich alleine hier bin? Ihr sitzt hier auf meiner Schaukel! Ich habe diese Schaukel als erster gefunden und damit gehört sie ja wohl am ehesten mir. Und ihr sitzt hier einfach drauf und habt Spaß!“

Fridolin sah von einer Fee zur anderen. Alle drei schauten erst verdutzt, dann aber belustigt, drein. Die blonde Fee räusperte sich. „Hmhm, warum setzt du dich nicht einfach zu uns und wir plaudern zu viert?“ Sie lächelte ihn mit ihren dunkelgrünen Augen freundlich an.

Fridolin bemerkte, wie die Anspannung von ihm wich.

Die Feen machten auf den zweiten Blick einen richtig netten Eindruck und da er ja ohnehin nichts vorhatte, konnte er doch noch ein wenig Zeit mit ihnen verbringen.

Fridolin beschloss, dieses anstrengende, coole Getue weg zu lassen und setzte sich mit Schwung vor die Schaukel. Innerlich war er sehr froh über die nette Einladung der Feen.

„Ich bleibe gern!“, antwortete er.

„Was hat euch denn hierher gebracht?“, erkundigte er sich interessiert. Freudig wartete er auf eine ausführliche Antwort der Feen. Deren Gesichter verfinsterten sich. Alle drei blickten ernst drein und Fridolin hatte Sorge, dass er in ein Fettnäpfchen getreten sei. Die Feen blickten wieder einander an. Fridolin tat es ihnen nach. Er blickte von einer Fee zur anderen, dann wagte er zu fragen: „Ist es was Schlimmes? Wollt ihr nicht darüber reden?“

Die dunkelhaarige Fee schüttelte den Kopf. Zu den anderen beiden Feen sagte sie: „Wir können es ihm auch erzählen, es geht uns genau genommen alle etwas an.“ Die anderen nickten zustimmend. Mit ernstem Gesicht wandte sie sich Fridolin zu.

„ Es ist Hexenalarm!“, sagte sie mit Nachdruck.

Fridolin zuckte mit den Schultern. „Und?“, fragte er. Er fing den entsetzten Blick der drei Feen auf und beeilte sich zu sagen: „Das gab es doch immer wieder. Was ist daran so bemerkenswert? Sind nicht einige das ganze Jahr unterwegs?“

Schnell stellte er fest, dass es die Feen weder getröstet noch beruhigt hatte. Sie blickten nach wie vor sehr finster drein.

Die blonde Fee unterbrach das Schweigen und fragte: „Wie heißt du eigentlich? Ich heiße Tulipa.“

„Ich heiße Fridolin“, antwortete Fridolin. Tief innen hoffte er, das Gespräch würde sich jetzt zu lustigen Geschichten hinwenden. Immerhin hatten die Feen vorhin doch auch gelacht und Spaß gehabt. Und zusätzlich war doch heute sein freier Tag, im wahrsten Sinne des Wortes. Da hatte er sich doch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sonja Tolevski
Bildmaterialien: Sonja Tolevski
Lektorat: M. del Carmen
Tag der Veröffentlichung: 07.09.2015
ISBN: 978-3-7396-1261-4

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die kleine Seele

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