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Ein Frühlingsmorgen

Ein Frühlingsmorgen

 

„...Und nun kommen wir zum Wetter für Heute. Voraussichtlich wird die Sonne heute endlich einmal wieder hinter den Wolken hervorkommen und uns mit ihrer Wärme erfreuen. Wir können uns ebenso auf angenehme Temperaturen einstellen, sodass einem Besuch in der Eisdiele oder im örtlichen Freibad nichts mehr im Wege steht. Hoffen wir darauf, dass die nächsten Wochen auch so werden, denn wer wünscht sich nicht, dass endlich der Frühling in unsere Welt einzieht?

Aber soviel dazu und nun kommen wir zum Sport...“ Hier drehte ich die Lautstärke des Radios herunter, sodass während meines Frühstücks nur ein Hintergrundgeräusch bestehend aus dem Summen schwer zu verstehender Worte zu hören war. Sport war vielleicht auch nicht das Thema, mit dem ich an diesem Morgen bei einem üppigen Frühstück konfrontiert werden wollte. Ich biss kräftig in mein Käsebrot hinein und trank dazu einen Schluck Kaffee. Schwarz natürlich, so mochte ich ihn am liebsten. Verträumt blickte ich nun aus dem Fenster, welches mir einen strahlend blauen Himmel mit einer hell scheinenden Sonne als fertig zu fotografierendes Bild präsentierte. Ich schmunzelte. Der Radiomoderator hatte in einer Sache recht gehabt, nämlich in der, dass dieses Wetter heute dort draußen einen erfreuen würde. Aber bei mir war es mehr als das. Lange hatte ich mir schon die Wärme eines ersten, richtigen Frühlingstages herbeigesehnt, aber immer, als ich in den letzten Wochen mit einem Funken Hoffnung auf gutes Wetter aufgewacht war, war der sogleich wieder erloschen, denn entweder war der Himmel grau verhangen mit Wolken gewesen oder es hatte in Strömen geregnet, manchmal sogar hatte es geschneit.

Doch nun endlich war mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen. Die Sonne schien draußen warm und einladend, kitzelte meine Nasenspitze, wenn ich direkt in sie blickte, und keine einzige Wolke schwebte am Himmel dahin. Glücksgefühle erfüllten meinen Körper und es kribbelte auf recht angenehme Weise in meinen Armen und Beinen, ja sogar in meinen Fingerspitzen. Ich war in guter, nein, bester Stimmung und zu meinem Erstaunen pfiff ich nun eine soeben von mir erfundene Melodie vor mich hin. Mich konnte es auch auf einmal nicht mehr auf meinem Stuhl halten, so unruhig war es in mir. Ich verspürte das dringende Bedürfnis, die Sonne auf meiner Haut zu spüren, ihre Strahlen auf meiner Haut tanzen und mich in ihren Bann ziehen zu lassen, der Glück und Leben versprach. Seltsame und lange nicht empfundene Gefühle wirbelten in mir hin und her. Es gab keines, an das ich mich richtig halten oder wenden konnte. Ich musste hinaus. Aus diesem Raum, der mir plötzlich so beengt und kalt vor kam, der auf einmal weder Glück noch Freude zu versprechen schien.

Ich stand abrupt auf und verschüttete mit dieser Bewegung den Rest des Kaffees auf meinem weißen Küchentisch. Das Dunkelbraune auf dem Weißen ließ mich nur kurz inne halten und schon im nächsten Moment fand ich mich im Flur wieder. Dieser war nur schwach beleuchtet. Die morgendlichen Sonnenstrahlen traten einzig allein unter den Türschlitzen hervor. Doch selbst hier im fast dunklen Flur fand ich meine Schuhe und meine Jacke. Ungestüm und hektisch streifte ich mir diese über und sprintete zur Eingangstür hinaus ins Treppenhaus. Ich wollte keine weitere Sekunde auf die Sonnenstrahlen verzichten wollen, geschweige denn darauf warten wollen, dass ich mein Frühstück sittsam und ruhig beendete und mich danach erst langsam nach draußen begeben würde, um den ersten Frühlingsmorgen mit allen Sinnen zu erfassen. Unachtsam warf ich die Tür mit solcher Wucht zu, sodass sie im nächsten Augenblick gleich wieder aufsprang. Ich fluchte laut. Es kostete mich weitere Momente bis ich die Tür richtig geschlossen hatte, denn meine Hände zitterten und wollten nicht den angewiesen Bewegungen meines Gehirnes folgen. Wie stark doch der Drang in mir war, hinaus zu gelangen in den sonnigen Morgen. Nach einer gefühlten Ewigkeit bekam ich meinen Körper soweit unter Kontrolle, dass ich die Tür verschließen und die Treppen mit fast normaler Geschwindigkeit hinab steigen konnte. Mein Verstand brachte mich dazu und ermahnte mich auch zugleich, in dem er mir eintrichterte, dass ich ja nicht die unliebsame Aufmerksamkeit der schnatternden Nachbarn auf mich ziehen sollte, denn diese würden beim nächsten, gemeinsamen Kaffeeklatsch über nichts anderes als mein merkwürdiges, eiliges Verhalten an diesem Morgen sprechen wollen. Dieser Gedanke ließ mich ruhiger werden, aber meine Emotionen fuhren weiterhin Achterbahn. Ich war so glücklich. Wie schon lange nicht mehr. Dieses kalte und nasse Wetter der letzten Wochen hatte auf mein Gemüt geschlagen und meist hatte ich die regnerischen Tage in depressiver Stimmung allein zu Hause verbracht. Aber jetzt war das kaum mehr Erwartete geschehen. Von einem Tag auf den anderen hatte das Wetter umgeschlagen und ebenso auch meine eigene Laune. Ich wollte das warme Frühlingswetter draußen fühlen und spüren und genießen. Ich wollte wieder hinaus gehen und mich lebendig fühlen nach all der Trostlosigkeit der letzten Wochen. Mit anhaltenem Frohsinn ließ ich das einsame, leere und kahle Treppenhaus hinter mir und trat in den ersten Frühlingsmorgen dieses Jahres. Die Sonne begrüßte mich mit warmen Strahlen und ich musste stark blinzeln, als ich in sie blickte. Ein Juchzer entsprang meiner Euphorie und ich erschrak über meinen eigenen Laut. Doch nun lachte ich einfach der Sonne entgegen. Ich empfand Freude wie schon lange nicht mehr und für diesen einen Moment war alle Leere und Ödnis vergessen, denn ich gab mich meinen ersten, aufflammenden Frühlingsgefühlen hin.

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Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Bildmaterialien: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2013

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