Cover

Geschichte übers Schreiben

Mich juckte es heftig in den Fingern. Selbst während des Mittagsessens konnte ich nicht still sitzen. Alles in mir brannte, die Worte doch endlich aufs Papier zu bringen. Die Zeit verging nicht in Minuten oder Sekunden, nein, es zog sich Stunde um Stunde hin. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich endlich, endlich meinen Platz vor meinem Schreibtisch einnehmen. Papier und Stift hervorgeholt – doch der Drang zum Schreiben, meine vorhin noch so grandiose Idee zu Papier zu bringen, war verschwunden.

 

Das weiße Blatt Papier vor mir blieb leer. Leer, wie es auch in meinem Kopf blieb. Ich raufte mir die Haare, schüttelte meinen ganzen Körper, aber der Geistesblitz blieb verschwunden. So schnell war er gekommen, hatte mich in seinen Bann gezogen, aber genauso schnell war er mir auch wieder entglitten. Meine Fäuste trafen auf die hölzerne Schreibtischplatte. Dumpfer Schmerz durchzuckte mich. Ich hätte schreien können, um meinem Ärger Luft zu machen. Worte, die mir in meinem Kopf die schönsten Melodien und die süßesten Versprechen vermittelt hatten, die mir in dem einem Moment alles auf der Welt bedeutet hatten, waren entschwunden, als wären sie nie wirklich da gewesen. Wenn es doch nur einen Weg gegeben hätte, wenn es doch nur eine Möglichkeit gegeben hätte, ja dann hätte ich sie fassen und verewigen können auf einem oder gerade diesem weißen Blatt Papier. Aber das Papier blieb weiß nach wie vor, auch wenn ich selbst in diesem Moment rot sah. Rot, wie vergossenes Blut, und weiß, wie kindliche Unschuld.

 

Zu ändern war nichts in diesem Augenblick, aber ich würde mich hüten müssen, diesen Fehler noch einmal zu begehen. Denn der Ärger war nur das geringste Übel. Das wirkliche, echte Übel war, dass diese unfehlbaren Worte für immer ungelesen, ungefasst bleiben würden. Ich seufzte und erhob aus meinem Stuhl. Ich würde wieder den rechten Moment abpassen müssen, diesen Moment, in dem einem auf einmal alles so klar und deutlich erschien und in welchem man mit einem offenen Geist Worte fassen würde können, wie es zu keinem anderen möglich war. Das Licht, welches den Raum erfüllte, erlosch zu dem Zeitpunkt, als ich den Raum verließ. Wartend auf mich würde es sich wieder zeigen, wenn ich erneut zurückkehrte an meinen Platz vor dem Schreibtisch.

 

 

 

 

Impressum

Texte: Alle Rechte, was die Texte anbelangt, liegen bei mir.
Bildmaterialien: Alle Rechte, was die Bilder anbelangt, liegen bei woxikon.de.
Tag der Veröffentlichung: 27.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /