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Kapitel 1


Es war noch dunkel draußen, als der Wecker klingelte und Holly aus einem tiefen Schlaf riss. Sie schaute auf die Uhr. Es war gerade mal halb sechs morgens. Sie streckte sich widerwillig und stand auf. Heute war ihr großer Tag - der erste Tag an der Uni. Ein bisschen aufgeregt war sie ja schon, sie hoffte, dass alles gut verlaufen würde. Keine zwanzig Minuten später hatte sie sich fertig geduscht und lief mit einem Handtuch auf dem Kopf durch die Wohnung. Was zog man an so einem wichtigen Tag an? Sexy oder eher dezent? Holly fiel nicht gern in der Menge auf, obwohl sie wirklich hübsch war. Sie hatte hellblaue Augen und blonde Haare, die ihr in sanften Locken fast bis auf die Schultern fielen. Aber im Moment musste sie sich noch ein passendes Outfit aussuchen. Es war schon Oktober und draußen hatten die Blätter angefangen, sich bunt zu färben und in kleinen Kreiseln auf den Boden zu segeln. Holly liebte diese Jahreszeit mehr als alle anderen, da man sich im Herbst einfach in eine Decke vor dem Kamin kuscheln und sich schöne Gedanken machen konnte.
Schließlich entschied sie sich für eine schwarze Röhrenjeans und ein grün blau kariertes Hemd, das sie ziemlich weit offen ließ. Wenn sie schon etwas hatte, dann konnte sie das auch zeigen - es würden sie sowieso nicht zu viele Leute beachten. Ehrlich gesagt wusste Holly nicht mit Sicherheit, ob sie in der Uni überhaupt Freunde finden würde. Allgemein galt sie schon immer als schüchtern und verschlossen. Nur selten hatte sie sich jemandem geöffnet und sich mit dieser Person angefreundet.
Erleichtert stellte Holly fest, dass sie schon eine halbe Stunde vor ihrem eigentlich errechneten Zeitpunkt fertig war. Am Vorabend hatte sie sich genau durch den Kopf gehen lassen, wann sie losfahren müsse, um noch rechtzeitig zu kommen. Sie hatte keine Lust, stundenlang alleine in der Gegend herumzustehen und ignoriert zu werden. Da kam sie lieber etwas später und setzte sich unauffällig irgendwo dazu.

Eine Viertelstunde vor Beginn des ersten Schultages setzte Holly sich in die dritte Reihe des riesigen Hörsaals. Schon um diese Zeit war er proppevoll und sie hatte gerade noch einen Sitzplatz ergattern können. Das laute Stimmengewirr erinnerte sie daran, wie allein sie sich fühlte. In dieser Stadt kannte sie niemanden, ihre Heimat war auf einem anderen Kontinent. Nachdem ihr mittlerweile Exfreund Alex sie mit ihrer besten Freundin betrogen hatte, musste Holly einfach aus aus New York und hatte sich ausgerechnet für Irland entschieden. Naja, das hatte sie nun davon, wenn sie ganz allein hier herumsaß und niemals Anschluss finden würde.
Von hinten drängelte sich ein Dozent nach vorne. Als er die Hand erhob, verstummte das Gemurmel nach einigen Sekunden. Erwartungsvolle Blicke lagen auf ihm und er begann, sich mit einem Mikrofon vorzustellen.
Insgesamt waren es 96 neue Schüler an der Uni - viel mehr Jungen als Mädchen. Doch das machte Holly nicht wirklich etwas aus, da sie schon immer viel mit Jungs am Hut hatte.

Schließlich wurde jeder einzeln aufgerufen. Mit ihrem Nachnamen Webster kam Holly ziemlich zum Schluss dran und trat nervös nach vorne. Der Dozent wies auch ihr einen Mentor zu - bzw. eine Mentorin. Die junge Frau strahlte Holly an und umarmte sie spontan. "Hallo, ich hoffe es gefällt dir hier", sprudelte sie los. Holly konnte sie auf Anhieb leiden. Die Schwarzhaarige stellte sich als Lilly vor und begann, Holly die riesigen Gebäude zu zeigen.
"Ich werde wohl noch lange brauchen, bis ich mich hier zurechtfinde", stöhnte Holly, als sie Lilly folgte. Langsam schmerzte ihre Umhängetasche mit den vielen Büchern auf ihrer Schulter und am liebsten hätte sie mal eine kleine Pause gemacht, doch Lilly duldete keinen Widerspruch, wenn es um ihre hervorragende Arbeit als Mentorin ging.
"Dafür bin ich ja da. Wenn du eine Frage hast, kannst du immer zu mir kommen", lautete Lillys Antwort und Holly nickte abwesend.

Lillys Miene hellte sich augenblicklich auf, als sie zwei junge Männer am Ende des unendlich lang wirkenden Ganges stehen sah. "Hey!", rief sie und die beiden drehten sich um. Sie sahen sich unglaublich ähnlich, bestimmt waren sie Geschwister.
"Holly, das sind meine beiden Zwillingsbrüder Christian und Patrick", stellte sie die beiden vor. "Und das ist mein Schützling für dieses Jahr - Holly". Da diese ein wenig abseits gestanden hatte, ging Lilly einen Schritt zurück und schob sie nach vorne, sodass sie die beiden jungen Männer unweigerlich ansehen musste.
Der eine hatte die gleiche Haarfarbe wie Lilly, mit dem anderen hatte sie nicht so viel gemeinsam. "Hi", murmelte Holly schüchtern. Die beiden sahen so gut aus, dass es ihr schwer fiel, ihnen überhaupt in die Augen zu sehen.
Lilly schien das aber wenig zu kümmern, denn sie zog Holly am Arm schon weiter. "Man sieht sich mal wieder!", rief sie fröhlich über ihre Schulter und war mit Holly schon verschwunden, bevor noch jemand etwas hätte erwidern können.

"So, das hier ist die Kantine". Lilly setzte sich an einen Tisch und warf ihre Steppweste über einen Stuhl. "Hast du Hunger? Ich werde mir auf jeden Fall jetzt was zu Essen kaufen". Sie hörte sich so entschlossen an, dass Holly ihr sogleich folgte. Wahrscheinlich war die Frage, ob sie Hunger hatte, eine Aufforderung, etwas mit Lilly zu essen. Die Auswahl hier war riesig, trotzdem entschied Holly sich für ein paar Pommes mit Ketchup und ein Brötchen mit Leberkäse.
Langsam füllte sich der große Tisch mit Leuten. Einige Freundinnen von Lilly waren auch Mentorinnen und sie stellte sie Holly sofort vor. Aber niemals würde sie sich die ganzen Namen merken können und dazu auch noch die Gesichter. Irgendwann schaltete sie einfach ab und aß monoton ihre Pommes, bis sich plötzlich jemand auf den freien Platz neben sie setzte.
Holly hob kurz ihren Kopf, um schnell errötend wieder wegzuschauen. Lillys Bruder Christian saß neben ihr und grinste sie an. Ihm war nicht entgangen, dass sie rot geworden war, aber er verlor kein Wort darüber, sondern beteiligte sich eifrig am Tischgespräch.
Er schien in Hollys Gegenwart gar nicht befangen zu sein. Wieso ging das immer nur ihr so, dass sie in der Gegenwart von ziemlich süßen Typen ständig rot wurde? Und wieso passierte das diesen Typen nie? Holly seufzte innerlich auf, bevor sie aufstand und ihr Tablett weg trug.
Als sie wieder zurück zum Tisch kam, spürte sie wieder Christians Blick auf sich. Wieso schaute er sie ständig an? Sie war davon überzeugt, keine Schönheit zu sein, obwohl ständig jeder versuchte, sie davon zu überzeugen, wie hübsch sie war. Anscheinend hatte sie ja Eindruck auf ihn gemacht, sonst würde er sie nicht die ganze Zeit so anstarren.
"Hab ich einen Fleck auf der Nase?", fragte sie ihn schließlich als er sie mal wieder anstarrte. Er lachte offen und blickte ihr in die Augen. Dieses Braun war wirklich unbeschreiblich. Holly merkte, wie ihr schon wieder die Schamesröte ins Gesicht stieg.
"Du bist echt hübsch, ich kann meinen Blick nicht wirklich von dir abwenden". Kurz wandte Christian sich von ihr ab, um sie das verdauen zu lassen.
Holly blickte ihn mit offenem Mund an, bevor sie peinlich berührt auf die Tischplatte starrte. Sie war sich sicher, dass ihr Gesicht mittlerweile die Farbe einer überreifen Tomate angenommen hatte. "Hey", murmelte Christian und legte seine Hand auf ihre, was Holly wieder zu ihm aufschauen ließ.
"Das muss dir nicht peinlich sein. Tut mir leid". Langsam nahm er seine Hand wieder weg und trank einen Schluck von seiner Cola. Am liebsten hätte er ihr gesagt, welche Wirkung sie schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf ihn gehabt hatte, aber so sehr wollte er sie nun doch nicht in Verlegenheit bringen.

Schließlich ertönte ein lauter Gong und einige Studenten setzten sich in Bewegung. Doch alle, die an Hollys Tisch saßen, schienen so in ihr Gespräch vertieft zu sein, dass sie den Gong einfach ausgeblendet hatten.
"Ich muss jetzt los". Lillys Worte rissen Holly aus ihrem kleinen Tagtraum darüber, wie ihr Tag jetzt weitergehen würde.
"Ich hab noch einen wichtigen Termin beim Direktor. Sorry, aber du musst den Rest des Tages ohne mich zurechtkommen". Lilly legte den Kopf schief und schaute sie mitleidig an. "Tut mir echt leid".
"Schon okay", murmelte Holly leise. Dann schien Lilly eine Idee zu kommen, denn sie schaute an Holly vorbei, dahin, wo doch Christian eben noch gesessen hatte.
"Würde es dir was ausmachen, wenn du Holly hilfst, sich zurecht zu finden?" Lillys Stimme hörte sich an wie Zucker. Holly hörte, wie er hinter ihr seufzte.
"Na gut". Er stand auf und hob seine Tasche vom Boden auf.
"Danke, du bist ein Schatz!", rief Lilly entzückt, schnappte sich eine ihrer Freundinnen und verschwand aus der Kafeteria.
"Wo musst du jetzt hin?" Christian nahm Hollys Tasche, worüber sie ziemlich dankbar war. Langsam waren ihr die ganzen Bücher doch zu schwer. "Ich glaube in U34", murmelte sie leise, bevor Christian ihr vorausging und sie ihm schweigend folgte.

Vor dem Raum blieb der junge Mann stehen und reichte ihr ihre Tasche. "Kommst du soweit klar?", fragte er sie mit hochgezogener Augenbraue und wühlte in seinem Geldbeutel. "Wenn du noch was willst oder Hilfe brauchst - da unten steht meine Nummer". Er drückte ihr eine schön bedruckte Visitenkarte in die Hand. Dankbar lächelte Holly. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Lilly erreichen konnte, falls sie ein Problem hatte.
"Danke", murmelte sie verlegen und steckte sich die Karte in die Hosentasche. Dann lächelte sie ihm noch mal zu und öffnete die Tür.


Kapitel 2


Die allererste Vorlesung in Hollys Leben verlief besser als gedacht. Schneller als sie erwartet hatte ertönte der erlösende Gong und sie setzte sich mit den anderen Studenten in Bewegung. Einige andere mussten zum selben Raum wie sie und somit schlossen sie sich zu einer kleinen Gemeinschaft zusammen. Die Gruppe von 4 Mädchen und 9 Jungs machte sich auf den Weg in den zweiten Stock, wo sie gar nicht lange suchen mussten, bis sie ihren Hörsaal gefunden hatten.
Angeregt unterhielten sich einige, doch Holly hielt sich weitgehends im Hintergrund. Sie wollte nicht zu sehr auffallen und richtig unterhalten hätte sie sich im Moment sowieso nicht können. So viele neue Eindrücke galt es jetzt zu verarbeiten.
Schließlich setzte sich die kleine Gruppe in eine der hinteren Reihen. Sie tauschten Informationen untereinander aus und schon bald wusste Holly einiges über die anderen. Außerdem war sie um fünf Handynummern reicher.

Der Großteil der Leute war wirklich nett, aber es gab auch einige Zicken, die so aussahen, als hätten sie in eine Zitrone gebissen. Diese setzten sich natürlich in die letzte Reihe und tuschelten dort lautstark über die neuesten Gerüchte. Holly war nie so ein Mädchen gewesen, das sich über andere den Mund zerriss und tratschte was das Zeug hielt. Sie konnte gar nicht negativ über andere reden, es fiel ihr schon schwer, überhaupt über andere Leute zu reden.

Auch die zweite Vorlesung endete im Nu und alle machten sich auf den Weg nach draußen. Jetzt war Hollys erster Tag an der Uni auch schon vorbei. Es war zwei Uhr Nachmittags. Die Herbstsonne schien mit ihren letzten Strahlen auf Holly hinab, als sie den großen Hof vor der Uni betrat. Sie schloss kurz die Augen und genoss es, in der Sonne zu stehen.
Von hinten hörte sie einige der Zicken herannahen. Die schienen sich schon wieder über jemanden zu unterhalten, denn die eine quietschte total verzückt auf, die andere zog sie am Ärmel, worauf ihr Quietschen verstummte und in ein hysterisches Kichern überging.
"Ich hab ihn vorhin genau gesehen", behauptete die eine und ließ ihren Blick prüfend über den großen Hof wandern. "Den mach ich mir klar. Das heißt für euch: Er gehört mir". Die anderen beiden schienen das zu akzeptieren. Anscheinend war diejenige, die lange platinblonde Haare und eine rosafarbene Handtasche hatte, so etwas wie die Anführerin der kleinen Zickengemeinschaft.
"Wie heißt er eigentlich?", fragte die eine und schaute die Oberzicke von der Seite aus an. "Christian. Christian Heathman".
Holly schluckte. Anscheinend war sie nicht die einzige, die bemerkt hatte, wie gut Christian aussah. Er würde sich wahrscheinlich sowieso für eine dieser Zicken entscheiden. So waren die Männer nun mal, sie standen eher auf platinblonde Püppchen als auf natürliche Mädchen.

Holly seufzte und lief langsam in Richtung Bushaltestelle. Am Morgen war sie mit dem Bus gekommen und musste auch damit wieder zurück. Leider fuhr der nächste erst in einer guten halben Stunde.
Resigniert setzte Holly sich auf eine Bank an der Bushaltestelle und holte eines ihrer Bücher heraus. Früher oder später würde sie sowieso alles lernen müssen, was darin stand. Also schlug sie es auf, aber weiter kam sie nicht, weil ein Auto vor ihr hupte. Sie hob irritiert den Blick und erkannte Christian, der ihr zuwinkte. Sollte sie etwa zu ihm einsteigen? Zögerlich stand sie auf, worauf er ihr eine Geste machte, dass sie doch herkommen sollte.
Mit zitternden Knien öffnete sie die Beifahrertür des BMW und stieg ein.
"Wohin solls denn gehen?", fragte Christian sie und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. "Ähm... Lincolnstreet 16". Holly wollte einfach nur noch nach Hause, um dort ihre Ruhe zu haben.
Die beiden schwiegen fast die ganze Zeit, bis Christian das Wort ergriff. "Du, heute Abend treffen wir uns mit einigen neuen Studenten, also mit Mentoren, die ihre Schützlinge mitbringen. In der Sunshine Bar, um Acht". Er hielt kurz inne und musterte sie. "Magst du vielleicht mitkommen? Lilly kommt auch".
Holly musste kurz nachdenken. "Ich... ähm", murmelte sie leise. "Ja?", fragte Christian amüsiert und bog in ihre Straße ein. Er schien sich hier ziemlich gut auszukennen.
"Ich komm gern mit. Nur weiß ich nicht, wie ich hinkommen soll", seufzte Holly, die ihre Sprache endlich wieder gefunden hatte.
"Kein Problem, ich hol dich um halb Acht ab, wenn das für dich okay ist". Christian hatte am Straßenrand angehalten und schaute sie aufmerksam an. "O... okay", stammelte Holly, bevor sie ihre Tasche aus dem Fußraum nahm und fluchtartig das Auto verließ. Sie murmelte noch ein leises "Bis später", schlug die Autotür zu und verschwand in der Haustür.
Christian musste ihr nachgrinsen. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie rot Holly geworden war, als er ihr anbot, sie abzuholen. Im Endeffekt war sie ja schon ziemlich süß. Er seufzte, fuhr los und wendete am Ende der Straße.

Kapitel 3


"Und, wie ist es gelaufen?" Lilly wuselte durch die Küche und schaute Christian schließlich fragend an, als er ihr nicht sofort eine Antwort gab. Er blickte verträumt gegen den Küchenschrank. "Oha", grinste Lilly und goss sich Brühkaffee in eine blaue Tasse. "Lass mich raten, sie hat es dir angetan". Christian seufzte auf und sah Lilly in die Augen.
"Ich kenn sie doch erst seit Heute. Natürlich ist sie total süß, aber..." Weiter sprach er nicht. Er musste seine Worte genau überdenken, sonst würde Lilly das wieder falsch interpretieren und Holly erzählen, er hätte sich in sie verliebt. Seine Zwillingsschwester konnte ihre vorlaute Klappe nämlich nur selten halten, und immer dann entschlüpften ihr Informationen, wenn sie am besten geheim gehalten werden sollten.
Christian nahm sich ebenfalls eine Tasse Kaffee. "Ich hab sie heute Abend übrigens in die Sunshine eigeladen". Ihm entging Lillys überraschter Blick nicht, aber sie sagte nichts weiter dazu, sondern nippte stattdessen an ihrem Kaffee. "Ich hole sie um halb Acht von zu Hause ab. Erinner mich dran, nicht, dass ich sie vergesse". Als Lilly immer noch sprachlos war, stieß Christian sie lachend von der Seite an. "Hast du die Sprache verloren?", grinste er. Lilly schüttelte langsam den Kopf. "Ich meine nur... ihr würdet gut zusammenpassen". Ohje, nicht das schon wieder.
"Lilly, wir warten erst mal den heutigen Abend ab, ja? Vielleicht hat sie ja auch einen Freund, und dann?" Daran hatten Lilly sowie Christian bisher noch gar nicht gedacht.
"Ich werde sie heute Abend auf jeden Fall fragen". Lilly hörte sich ziemlich entschlossen an und Christian schien diesen Kampf wohl zu verlieren. "Mach was du willst", brummte er und verzog sich in sein Arbeitszimmer, was sich im dritten Stock befand.

Seit er 17 war leitete er eine Securityfirma, die er selbst mit Lilly und Patrick aufgebaut hatte. Durch die Firma waren die drei ziemlich reich geworden, weshalb sie sich ein großes Haus am Rand von Galway gekauft hatten. Dort wohnten sie zu dritt - jeder hatte sein eigenes Stockwerk und somit genügend Privatsphäre. Christian bewohnte das Dachgeschoss, in dem er ein Büro eingerichtet hatte, damit er immer arbeiten konnte, auch wenn er nicht in der Firma war. Außerdem hatte er ein großes Badezimmer, in dem sogar ein Whirlpool stand, ein kleines Esszimmer sowie Wohnzimmer, ein großes Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank und einen großen Balkon, auf dem er sich im Sommer immer sonnen konnte, ohne gestört zu werden.
Viele Leute beneideten ihn um seine Wohnung im Dachgeschoss, doch ihm war das ziemlich egal, ob er nun einen begehbaren Kleiderschrank hatte, oder nicht. Aber natürlich war so ein Schrank der Traum aller Frauen und ziemlich oft blieben diese mit offenem Mund stehen, wenn sie in seinem Schlafzimmer standen und den Schrank sahen. Christian konnte dann nur noch grinsen und den Kopf schütteln.

Ohne dass er es bemerkt hätte, verstrich die Zeit wie im Flug. Gegen sieben Uhr schaute er zufällig auf seine Armbanduhr und bemerkte, wie spät es schon war. Er hatte gerade noch zehn Minuten um sich fertig zu machen, bevor er losfahren musste, um Holly abzuholen. Er wollte auf keinen Fall zu spät kommen und beeilte sich, damit er sich noch etwas anderes anziehen konnte.

Holly stand verzweifelt vor ihrem Kleiderschrank. Ein Kleid oder doch lieber Jeans und Top? Schließlich entschied sie sich für ein Kleid. Immerhin war es das erste Mal, dass sie in Galway ausging. Und Abends zog sich Frau sowieso meistens ein Kleid an. Holly entschied sich für ein blaues Bustierkleid und dazu weiße Chucks. Sie hasste hohe Absätze, da sie darin nicht laufen konnte und ständig umknickte. So hatte das Outfit etwas schickes, aber war trotzdem nicht zu aufdringlich.
Fünf Minuten vor halb Acht zog sie sich ihre schwarze Winterjacke an, da es draußen mittlerweile schon ziemlich kalt war. Sie wartete und wartete, aber Christian kam nicht. Gegen zehn nach halb Acht kam er schließlich wie ein Verrückter um die Ecke gerast. Langsam öffnete Holly die Haustür. Es sollte nicht so aussehen, als hätte sie die letzte Viertelstunde auf ihn gewartet. Sie nahm ihre Handtasche von der kleinen Kommode neben der Haustür und trat hinaus.
Die kühle Luft umfing sie und sie fröstelte schon auf dem kurzen Weg zu Christians Auto. Sie öffnete die Autotür und ließ sich auf den Sitz sinken. Bevor sie ihn überhaupt begrüßen konnte, ergriff er das Wort.
"T'schuldigung, ich hatte die Zeit total vergessen. Hast du schon lange gewartet?" Mit einem schlechten Gewissen schaute er auf die Uhr im Auto und blickte wieder zu Holly. "Nein... geht schon. Was sind schon zehn Minuten". Sie rang sich ein Lächeln ab und schaute in Christians Augen, die sie neugierig musterten. Sie hätte ihn lieber nicht anschauen sollen, weil sie das Gefühl hatte, im Braun seiner Augen zu versinken. Ihm ging es nicht anders. Er konnte sich nicht von Hollys strahlend blauen Augen losreißen. Nach einigen Sekunden der Stille räusperte er sich schließlich und fuhr los.
"Ist dir kalt?", fragte er, um die eigentümliche Stille im Auto zu überbrücken. Er drehte kurz seinen Kopf und musterte kritisch ihre nackten Beine. Das Kleid ging ihr nur bis zur Mitte der Oberschenkel.
Holly überlegte kurz. Zwar war ihr ziemlich kalt, aber von ihm ging so eine Wärme aus, die sie nicht deuten konnte. "Ein bisschen", antwortete sie schließlich wahrheitsgemäß und Christian drehte die Heizung ein wenig auf, woraufhin warme Luft aus der Lüftung kam und Holly wieder etwas aufwärmte.

Immer wieder spürte sie Christians neugierigen Blick auf sich, aber sie traute sich nicht, ihn anzusehen. Es war ihr schon peinlich genug, dass sie sich vorhin nicht von seinen Augen hatte lösen können. Und noch mehr blamieren konnte man sich am ersten Tag gar nicht.

Kapitel 4



Nach einer guten halben Stunde kamen die beiden an der Sunshine Bar an. Christian öffnete Holly die Autotür, bevor sie überhaupt realisieren konnte, dass sie schon da waren. Lächelnd hielt er ihr seine Hand hin und sie ergriff sie, um mehr oder weniger elegant aus dem Wagen zu steigen.
Drinnen war es nicht so voll, wie sie gedacht hatte. Nur einige Tische waren schon belegt und leises Stimmengewirr schlug ihnen entgegen, als Christian die Tür öffnete. In der hintersten Ecke standen ein paar Tische zusammengeschoben und Holly konnte Lilly erkennen, die ihnen aufgeregt winkte. Langsam setzte Holly sich in Bewegung und ließ sich auf einen Stuhl neben Lilly sinken.
"Und, wie war der erste Tag in der Uni?", fragte Lilly sie, ließ Holly aber gar nicht erst zu Wort kommen. "Ich hoffe doch sehr, dass Christian sich gut um dich gekümmert hat. Es tut mir ja so leid, dass ich dringend weg musste, aber es war wirklich dringend

!" Lilly machte eine theatralische Geste mit ihren Armen, die Holly zum schmunzeln brachte.
"Es war ein toller Tag, nur muss ich mich wohl erst an die vielen Menschen und alles gewöhnen. Es ist eben komplett neu für mich". Das stimmte. Holly war überrascht gewesen, wie viele Leute in so einen Hörsaal passten. Und dann war da noch Christian, aber sie wollte lieber kein Wort über ihn verlieren, wenn er direkt neben ihr saß. Er hatte sich nämlich auf Hollys anderer Seite niedergelassen und bestellte sich etwas zu trinken.
"Was möchtest du?", fragte er sie und hielt ihr die Getränkekarte hin. "Ein Guinness bitte", lächelte sie den Kellner an, der freundlich zurücklächelte und ihr zuzwinkerte. Hoppla, das hatte sie nicht gewollt. Christian zog seine Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts dazu, als hätte er nicht gesehen, wie der Kellner Holly angeschaut hatte.

Gut zehn Minuten später kam der junge Mann wieder mit einem Tablett voll gefüllter Gläser. Zwei Guinness stellte er vor Christian ab und eines vor Holly, bevor er den anderen Leuten am Tisch die Getränke servierte.
Das war das erste Mal, dass Holly ein irisches Bier probierte und sie war gespannt, wie es schmeckte. Lilly schaute sie immer wieder von der Seite an und grinste bis über beide Ohren. Holly lächelte freundlich zurück, aber sie fühlte sich in dieser großen Gesellschaft nicht gerade wohl. Lieber saß sie allein zu Hause und las ein Buch oder surfte im Internet.
Am Tisch wurden rege Gespräche geführt, an denen Holly sich meistens nicht beteiligen konnte. Ab und zu schaute Christian zu ihr hinüber, aber er tat es so unauffällig - glaubte er zumindest - dass sie es fast nicht bemerkte. Gelangweilt nippte sie an ihrem Bier. Die Zeit zog sich hin wie Kaugummi. Gegen Zehn wurde Musik gespielt und einige fingen an zu tanzen. Im hinteren Teil der Bar gab es eine kleine Tanzfläche, die sich langsam mit Leuten füllte.
Lilly hatte sich einen jungen Mann geschnappt und war mit ihm in Richtung Tanzfläche verschwunden. Nun hatte Holly nicht mal mehr Lilly, mit der sie sich unterhalten konnte.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Erschrocken sah sie auf.
"Magst du tanzen?" Christians braune Augen blickten sie amüsiert an. Sie war immer noch ein wenig geschockt, da er sie einfach so aus ihrer Trance gerissen hatte.
"Ich, ähm..." Christian musste lachen, stand auf und hielt ihr seine Hand hin. Ihre Antwort schien er gar nicht mehr abwarten zu wollen. Sie seufzte leise und stand schließlich auch auf, um sich von ihm zur Tanzfläche ziehen zu lassen.
Lilly grinste sie an, als sie Holly bemerkte. Wenigstens musste man nicht richtig tanzen, sondern konnte sich einfach ein bisschen zur Musik bewegen, was Holly lieber war. Die Musik war irgendein Discofox, zu dem sie sowieso nicht tanzen konnte.
Langsam merkte sie, wie das Bier, das sie schon fast ganz geleert hatte, bevor Christian sie mitgeschleift hatte, seine Wirkung zeigte. Mit einem Mal fing sich alles an zu drehen und sie spürte nur noch eine Hand an ihrem Arm, bevor es ihr schwarz vor Augen wurde.

Kapitel 5


Grelles Licht fiel in das Zimmer und Holly öffnete verschlafen die Augen. Das erste, was sie spürte, war ein leichter Kopfschmerz. Leise stöhnend rieb sie sich die Schläfen und schloss die Augen wieder für einen Moment, bevor sie sie erneut ein Stück öffnete. Wo war sie? Geblendet von dem hellen Licht schaute sie sich um. Sie lag in einem riesengroßen Schlafzimmer in einem Kingsize Bett. Langsam setzte sie sich auf, wobei ihr auffiel, dass sie nur ein Höschen und ein zu großes T-Shirt trug. Hatte Lilly sie mit nach Hause genommen? Sie hoffte es. Nicht, dass sie bei irgendeinem anderen, fremden Typen gelandet war.
Holly schwang die Beine aus dem Bett. Sie bemerkte eine Tür hinter dem Bett und öffnete sie, weil sie vermutete, dass sie nach draußen führte. Sie fand sich in einem Kleiderschrank wieder. Irritiert schloss sie die Tür und öffnete die Nächste. Als sie die Tür ein kleines Stückchen öffnete - bereit für die nächste Überraschung - bemerkte sie eine Dusche und ein Waschbecken. Erleichtert öffnete sie die Tür ganz und trat ein.
"Morgen", grinste Christian und musterte sie. Erschrocken wich Holly ein Stück zurück. Christian grinste noch breiter. "Komm ruhig rein", nuschelte er, weil er sich gerade die Zähne putzte. Als er sich den Mund ausspülte, warf Holly einen genaueren Blick auf ihn. Er war nur mit karierten Boxershorts bekleidet. Mensch, hatte der Muskeln! Sie konnte nicht mehr wegsehen. Schließlich schaute sie doch betreten zu Boden, als er seinen Kopf wieder hob.
"Wie geht es dir?", fragte er sie mitfühlend und beobachtete sie genauestens. Würde er endlich damit aufhören, bitte? Sie konnte nicht klar denken, wenn er sie ständig anschaute.
"Es geht schon. Mein Kopf brummt ein bisschen. Und ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierher gekommen bin".
Christian lächelte und setzte sich auf den Klodeckel, das eine Bein an den Körper gezogen. Er stützte seinen Kopf auf das Knie.
"Du bist gestern Abend einfach zusammengeklappt. Ich glaube, es war doch keine gute Idee, dich gleich am ersten Tag mit in die Bar zu nehmen". Jetzt hörte er sich fast schon ein wenig schuldbewusst an. "Das war glaub ich ein bisschen zu viel für dich und ja, dann bist du einfach umgekippt. Ich konnte dich gerade noch festhalten". Bei der Erinnerung daran hob er wieder seinen Kopf und schaute sie an.
Auf Hollys Gesicht erschien nun eine leichte Röte. Na super. Also hatte er sie wohl mit zu sich nach Hause genommen.
"Und dann?", fragte sie ihn leise.
"Dann haben mein Freund Phil und ich dich hierher gebracht. Und nein", zwinkerte er ihr zu "es ist nichts zwischen uns passiert".
Holly fiel ein Stein vom Herzen. Aber so hatte sie ihn ehrlich gesagt auch nicht eingeschätzt.

Christian stand auf und nahm sich sein T-Shirt, das vor der Dusche auf dem Boden lag. "Ich lass dich jetzt erst mal allein, wenn du was willst". Er nickte ihr noch zu, bevor er innehielt und sie erneut anschaute. "Lilly meinte, du kannst was von ihren Sachen haben, dann musst du nicht im Kleid rumlaufen". Er machte sich auf den Weg und kam kurz darauf mit Unterwäsche, einer Jeans und einem Strickpulli wieder.
"Wenn du duschen magst - bedien dich einfach. Ich bin unten". Mit diesen Worten verabschiedete er sich endgültig und war auch schon zur Tür hinaus, bevor Holly noch etwas hätte sagen können.

Nachdem Holly geduscht hatte, zog sie sich langsam an und stellte fest, dass Lillys Klamotten ihr wie angegossen passten. Dann föhnte sie ihre blonden Haare, bis sie wirr zu allen Seiten abstanden. "Scheiß Haare", murmelte sie und versuchte verzweifelt, irgendwie eine einigermaßen annehmbare Frisur zu zaubern, was ihr natürlich misslang. Wie sollte es auch sonst sein. Zu Hause hatte sie extra Shampoo und Sprays, die es ihr erleichterten, ihre Mähne zu bändigen. Aber sie war nun mal nicht zu Hause und hier schien es so etwas nicht zu geben.
Schweren Herzens gab sie den Kampf mit ihren Haaren auf und schlich wieder ins Schlafzimmer zurück. Jetzt gab es nur noch eine Tür, die sie noch nicht ausprobiert hatte. Diese schien wohl nach draußen zu führen und Holly sollte recht behalten - sie fand sich im Flur wieder. Eine Holztreppe führte nach unten und langsam tapste sie in den zweiten Stock.
Hier war alles ruhig und es sah so aus, als wäre sie noch nicht unten angekommen, da sie eine weitere Treppe erblickte. Nach zwei weiteren Treppen war sie schließlich im Eingangsbereich angekommen.
Hinter einer großen, zweiflügeligen Holztür hörte sie leise Stimmen. Sie öffnete die Tür und fand sich in einem Wohnzimmer wieder. Lilly saß auf der Couch und löffelte ein Müsli. Als Holly zur Tür hereinkam, schaute Lilly auf und schenkte ihr ein Strahlelächeln.
"Na, gut geschlafen?" Holly nickte nur. Dann ließ sie sich neben Lilly auf die Couch fallen.
"War ich sehr peinlich gestern?" Zerknirscht blickte Holly auf den Holztisch vor sich.
"Ach was, von dir hat man den ganzen Abend nichts gehört und nichts gesehen. Du solltest wirklich mal offener sein", nuschelte Lilly mit vollem Mund. "Da vorne im Esszimmer gibt es Frühstück. Bedien dich". Langsam stand Holly auf und lief ins Esszimmer.
Christian und Patrick saßen beide am Tisch, wobei Patrick Anstalten machte, aufzustehen und seinen leeren Teller wegzutragen.
Holly ließ sich auf einen der vielen Stühle sinken und griff nach einer Scheibe Brot, die sie sich mit Butter bestrich. Keiner sagte ein Wort, bis Lillys Handy klingelte und ihre Stimme leise aus dem Nebenzimmer erklang.
Schließlich stützte Christian seinen Kopf in die Hände und musterte Holly neugierig. "Was ist?", wagte sie sich, ihn zu fragen.
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Nichts. Nur... du bist wirklich hübsch, Holly". Er konnte nur hoffen, dass ihr das Kompliment nicht peinlich war. Ein leichtes Rot erschien auf ihren Wangen.
"Nein, wirklich. Das ist mein Ernst". Christian schaute sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an und trank einen Schluck von seinem Kaffee.
"Da... danke", stotterte Holly und wäre am liebsten im Erdboden versunken.
"Das muss dir nicht peinlich sein, wirklich. Das müsste eher mir peinlich sein, dass ich mich so von dir beeinflussen lasse. Du hast mich total in der Hand". Nach dem letzten Satz seufzte er, stand auf und verschwand mit seinem Teller in der Küche.
Was sollte das nun heißen, sie 'hatte ihn in der Hand'? Grübelnd und ein bisschen verwirrt aß Holly den Rest ihrer Brotscheibe auf und setzte sich wieder neben Lilly ins Wohnzimmer, die mittlerweile aufgehört hatte, zu telefonieren.

"Was ist?" Lilly musterte Holly aufmerksam. Mist, sie schien zu bemerken, wie verwirrt Holly war. "Nichts, es ist nur... was glaubst du, was Christian mir damit sagen will, wenn er mir sagt, ich hätte ihn in der Hand?" Holly drehte ihren Kopf zu Lilly und bemerkte ihr dickes Grinsen im Gesicht.
"Er steht auf dich, ganz einfach. Damit meint er, er könnte dir keinen Wunsch abschlagen. Er würde sozusagen alles für dich tun. Alles.

Wirklich alles.


Holly guckte Lilly mit großen Augen an. "Das glaub ich nicht. Ich meine... das kann echt nicht sein".
"Ich bin seine Schwester und ich kenne ihn. Und außerdem hat er gestern so eine Bemerkung gemacht..." Lilly grinste wieder. "Glaub mir, er steht auf dich. Wenn er merkt, dass du es auch willst, dann wird er sich früher oder später an dich ranmachen, glaub mir das mal. Er wird das tun, ich kenne ihn".
Holly starrte wieder den Holztisch an. Na das waren ja gute Aussichten. Nicht, dass sie Christian nicht mochte, aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart immer so befangen. Sie wurde ständig rot und stammelte wirres Zeug zusammen. Wie sollte er da auf sie stehen? Und noch besser: wie sollte sie ihm so zeigen, dass sie auch ein Bisschen mehr wollte? Aber nur ein Bisschen, dachte sie sich.
Obwohl - wollte sie nur ein Bisschen? Sie konnte sich nicht entscheiden und seufzte, was sie in die Realität zurück holte.
"Du, wir können heute Mittag shoppen gehen. Christian und Phil kommen auch mit - so hast du eine Chance, dich ihm ein bisschen zu nähern". Lilly grinste. "Deine erste Vorlesung beginnt übrigens in einer halben Stunde", bemerkte sie und schaute sicherheitshalber noch mal auf ihre Uhr.
Holly hatte Glück gehabt, dass sie erst gegen elf Uhr ihre erste Vorlesung hatte, sonst wäre sie direkt zu spät gekommen. Sie seufzte, als sie sich neben ein bekanntes Gesicht in die vorletzte Reihe setzte. Dort wurde sie auch schon freudig empfangen - die anderen vom Vortag schienen sie nicht vergessen zu haben.
Die Zeit wollte nicht vorbei gehen. Holly ertappte sich dabei, wie sie ständig an Christians braune Augen dachte. Fast kam es ihr so vor, als würde er vor ihr stehen und sie anschauen. Als der Gong ertönte, erhob sie sich wie in Trance und folgte den anderen in die Cafeteria.

Kapitel 6


"Sie steht auch auf dich. Hundert Pro". Lilly schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund und redete weiter. "Sie hat es mir heute morgen gesagt". Christian konnte kaum verstehen, was sie sagte.
"Kau doch erst mal", grummelte er und biss seinerseits in seinen Apfel. In diesem Moment kam Holly in die Cafeteria und Christian heftete seinen Blick an sie. Lilly drehte sich um und winkte ihr.
Holly war noch ganz in ihren Tagtraum versunken, als sie Lilly erblickte, die ihr wie eine Verrückte winkte. "Mensch, schäft die?", murmelte sie an Christian gewandt, bis Holly sie erkannte und langsam zu ihr hinüberschlenderte.

"Hey!" Lilly sprang auf und umarmte Holly, als hätte sie sie das letzte halbe Jahr nicht gesehen. Dabei hatten sie sich erst vor anderthalb Stunden getrennt. Holly war gerade noch rechtzeitig zu ihrer Vorlesung gekommen. Wenn sie mit dem Bus hätte fahren müssen, wäre sie auf jeden Fall zu spät gekommen.
Ohne den Blick zu heben ließ sie sich auf den Stuhl neben Lilly fallen. Diese schob ihr eine Currywurst hin. "Da, hab ich dir mitgebracht". Fast hörte sie sich schon ein bisschen stolz an.
"Danke". Holly wusste nicht, was sie sonst noch darauf sagen sollte. 'Bloß nicht hoch schauen', sagte sie sich in Gedanken immer wieder vor. Sie hatte Angst, Christians Blick zu begegnen. Der fragte sich sicher schon, wieso sie ihn nicht anschaute.
"Ich muss weiter!", rief Lilly und Holly zuckte zusammen. "Jetzt schon?", fragte sie leise und blickte sie ein wenig Hilfe suchend an. Aber Lilly zwinkerte ihr nur verschwörerisch zu. "Du packst das", murmelte sie, sodass Christian es nicht hören konnte, schnappte sich ihre Tasche und war schon verschwunden, bevor Holly noch tschüss sagen konnte.

Christian rutschte zwei Stühle weiter, sodass er neben Holly saß. Diese wurde schon wieder knallrot. Er stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und legte seinen Kopf in seine Hand. Keiner sagte ein Wort, aber er schien zu überlegen, was er als nächstes sagen wollte. Als Holly aufstehen wollte, hielt er sie am Handgelenk fest.
"Nicht so schnell mein Fräulein", sagte er leise, aber in einem bestimmten Ton, sodass es ihr eiskalt den Rücken hinunter lief. Betreten blickte sie auf die Tischplatte und schwieg beharrlich.
"Schau mich an". Das war eine Aufforderung seinerseits, aber Holly hob ihren Blick nicht. Mensch, war das schon wieder peinlich.
"Holly", seufzte er. "Bitte". Sie zögerte. Wenn er sie schon darum bat...
Langsam hob sie den Kopf und begegnete seinen braunen Augen. Sie musste sich dazu zwingen, ruhig weiter zu atmen. In ihrem Kopf herrschte vollkommene Leere und sie hörte nicht mal, was er sagte.
"Wie?", fragte sie ihn irritiert. "Ich hab dich gefragt, ob du mich nicht leiden kannst". Holly zuckte zusammen. "Nein, doch, also..." Verlegen blickte sie wieder auf die Tischplatte, um ihre Gedanken zu ordnen, was ihr ziemlich schwer fiel. "Doch, ich mag dich schon. Ich glaub, das ist das Problem". Sie hörte, wie er langsam ausatmete. "Wenn das so ist". Er lachte leise und legte ihr die Hand auf die Schulter.
"Dir muss nicht immer alles peinlich sein. Komm, ich bring dich zum nächsten Raum". Er stand auf und schob sie vor sich hin, aus der Kantine. Hollys knallrote Wangen brannten und es kam ihr vor, als würde jeder sie anstarren und sich insgeheim über sie totlachen.
Immer noch spürte sie Christians Hand in ihrem Rücken, als sie schließlich vor ihrem Hörsaal stehen blieben.
"Wir sehen uns ja nachher, nicht wahr?", fragte er sie. In seiner Stimme schwang so eine Hoffnung mit, dass sie einfach nicht nein sagen konnte. Und außerdem hatte sie Lilly im Auto auf dem Weg zur Uni hoch und heilig versprechen müssen, mit shoppen zu gehen, obwohl sie nicht mal genügend Geld hatte.
"Ja", flüsterte sie und plötzlich spürte Holly dieses Knistern zwischen sich und Christian. Langsam kam er ihr immer näher, bis er schließlich abrupt inne hielt und sie umarmte. Holly war sich sicher, dass er ursprünglich etwas völlig anderes vor gehabt hatte. Wollte er sie küssen? Hatte er das wirklich vor gehabt? Ihr Herz machte einen ausgelassenen Hüpfer und ein leises Kichern kam über ihre Lippen. Christian musterte sie und musste lächeln.
"Ich will gar nicht wissen, was Sie amüsiert, Miss Webster". Sie presste ihre Lippen zusammen, damit sie nicht anfing, laut loszulachen. Irgendwie war sie in diesem Moment gar nicht mehr so befangen wie sonst. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Christian einen Kuss auf die Wange, bevor sie grinsend die Hand hob und schnell in den Hörsaal flüchtete.
Als sie sich noch mal zu ihm umdrehte, merkte sie, dass er völlig verwirrt und unfähig sich zu bewegen im Gang stand. Er blickte ihr mit großen Augen nach. Na dem hatte sie gegeben. Freudestrahlend ließ sie sich neben ihre neuen Bekannten fallen und beteiligte sich offen an deren Gespräch.

Selbst als die Tür des Hörsaals ins Schloss gefallen war, hatte Christian sich nicht von der Stelle bewegen können. Hatte sie ihm gerade einen Kuss auf die Wange gegeben? Das hätte er sich niemals erträumt. Von nun an würde er ihr wohl immer ein bisschen näher kommen. Hatte er sich wirklich in sie verliebt? Alles sprach dafür. Er musste sich anstrengen, damit sie bald ihm gehörte. Er wollte nicht, dass sie sich am Schluss noch in einen Anderen verliebte.
Langsam machte er sich auf den Weg zu seinem Hörsaal. Die ganze Vorlesung über konnte er sich nicht konzentrieren und seine Gedanken schweiften immer wieder ab zu Holly. An was sie wohl gerade dachte? Wahrscheinlich hatte sie den Kuss schon längst vergessen und dachte nicht mehr an ihn. Er seufzte und versuchte, sich wieder auf die Vorlesung zu konzentrieren.

Kapitel 7


Es klingelte und somit waren auch die letzten beiden Vorlesungen geschafft. Holly hatte Mühe, ihre Gedanken zu ordnen. Wie war das noch gleich gewesen? Sie hatte keine Ahnung, über was der Professor in der letzten Stunde geredet hatte. Die ganzen Informationen musste sie erst mal verdauen. Und dann war da auch noch Christian, der ihr ununterbrochen im Kopf herumschwirrte. Was würde er gleich beim Shoppen gehen sagen? Würde er überhaupt etwas sagen oder hatte er sich mittlerweile wieder gefangen? Vorhin hatte er ja keine Gelegenheit mehr gehabt, etwas zu sagen. Er war regelrecht sprachlos gewesen. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht trat Holly auf den großen Hof hinaus und zog sich die Jacke enger um den Körper.
"Da ist sie ja". Lilly schaute in Hollys Richtung. Diese lief grinsend auf sie zu. "Na, wieso grinst du so?", neckte Lilly sie. "Nichts nichts". Holly schaute kurz zu Christian, der sie musterte. Als sie seinen Blick bemerkte, biss sie sich kurz auf die Unterlippe, woraufhin ihm fast der Kiefer herunterklappte. Anscheinend schien er das sexy zu finden.
"Also ich bin fertig, von mir aus können wir". Fröhlich lächelte sie Phil zu, dessen Augen nur an Lilly klebten. Ohje, zwischen den beiden schien auch irgendetwas zu laufen, was nur für Phil nicht so glücklich auszugehen schien.

Keine halbe Stunde später liefen die vier durchs Einkaufszentrum. Lilly zählte an den Fingern die Geschäfte auf, in denen sie einkaufen wollte und kam zu dem Schluss, dass ihre Finger nicht dafür ausreichten. Holly lief absichtlich neben Christian und stieß ab und zu wie zufällig ein bisschen gegen ihn.
"Aber zuerst gehen wir etwas essen". Lillys Stimme hörte sich an, als würde sie keine Widerrede dulden, also saßen die vier zwei Minuten später in einer Pizzeria. Holly saß im rechten Winkel zu Christian und musste ab und zu grinsen, wenn er sie mal wieder von der Seite anschaute.
Holly bestellte sich eine Cola und eine kleine Pizza Salami. Sie hatte nicht bemerkt, wie groß ihr Hunger war, bis sie die Pizza sah. Den anderen schien es auch nicht anders zu gehen. Als Holly fertig gegessen hatte, landete ihre Hand auf ihrem Oberschenkel. Wie zufällig berührten ihre Finger auch Christians Jeans, woraufhin er kurz zusammenzuckte. Seine Augen weiteten sich ein kleines Stück, während er weiterhin unbeirrt seine große Pizza fertig aß. Aber sie wusste, dass ihn das nicht kalt ließ. Lilly hatte ihr erst vorhin ausführlichst erklärt, wie sie ihn rumzukriegen hatte. Und das schien ausgesprochen gut zu funktionieren.
Langsam bewegte sie ihre Finger unter der Tischdecke über den Stoff seiner Jeans. Christian schluckte. Sie sah ihm an, wie sehr ihm ihre Aktion Kopfzerbrechen bereitete. Lilly und Phil waren in eine Diskussion vertieft. Anscheinend waren sie verschiedener Meinung, denn Phil schaute ziemlich betreten und Lilly blitzte ihn böse an.
"Du machst mich verrückt". Christians Stimme war leise und Holly war sich sicher, dass die anderen beiden nichts gehört hatten. "Das ist auch meine Absicht", flüsterte Holly in seine Richtung. Als ihm der Kiefer herunterklappte, zwinkerte sie ihm zu und legte ihre Hand vollkommen auf seinen Oberschenkel.
"Ich hoffe du weißt, dass du mich ziemlich heiß machst", murmelte Christian in ihre Richtung und rückte ein Stück weiter zu ihr, damit niemand anders ihrem Gespräch lauschen konnte. Holly grinste nur. "Und was ist, wenn ich das mit Absicht mache?" Christians Augen wurden wieder ein bisschen größer. Langsam hatte sie Angst, sie würden ihm gleich aus dem Kopf fallen.
"Ich bin gleich wieder da", sagte Christian an die anderen gewandt, sprang auf und lief schnellen Schrittes in Richtung Herrentoilette.
Lilly blickte Holly mit großen Augen fragend an. In diesem Moment wurde ihr erst so richtig bewusst, was sie eigentlich gerade getan hatte. Sie wurde rot wie eine überreife Tomate, was Lilly mehr als eine Antwort war. Betreten starrte Holly auf den Tisch mit der billigen Tischplatte aus Plastik und studierte genauestens ihre Serviette, bis Christian plötzlich wieder neben ihr saß. Er schien sich nicht wirklich Zeit gelassen zu haben, aber jetzt war er deutlich entspannter, was Holly nun doch ein wenig Angst machte. Er schien sich jetzt mehr unter Kontrolle zu haben und es würde kein leichtes Spiel mehr werden, ihn zu verwirren.
Er schaute sie pausenlos von der Seite an, aber Holly spielte Interesse für ihre Serviette vor. Sie konnte ihm jetzt nicht in die Augen sehen. Fast schon wusste sie, was er auf der Toilette gemacht hatte. Und sie war daran schuld gewesen. 'Er steht auf dich'. Lillys Stimme hallte in ihrem Kopf wider. Das konnte doch nicht sein. Nicht dieser perfekte Typ, dieser Frauenschwarm, der jede haben konnte.
"Wir wollten noch zu Hollister", rieß Lilly Holly aus ihren Gedanken. "Ja, stimmt", murmelte sie nur. Mit ihrem Kopf war sie ganz woanders und sie hatte Mühe, Lillys Ausführungen zu lauschen. Christian schien es nicht so zu gehen. Als sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel gelegt hatte, war sein Blick glasig geworden - jetzt war er wieder glasklar. Mit einem Grinsen zog er Holly an der Hand mit sich nach draußen, auf den überfüllten Gang des Einkaufszentrums.
"Es tut mir leid", flüsterte Holly und blickte ihm letztendlich doch in die Augen. Christians Blick war amüsiert, aber sie las noch etwas anderes darin, was sie erschaudern ließ. Er schien ziemlich unanständige Gedanken zu haben, worauf hin sie unwillkürlich einen Schritt zurück wich.
"Ich werde nichts tun, was du nicht magst", sagte er leise und nahm wieder ihre Hand. "Vertrau mir, ich möchte dir nicht wehtun. Du hast nur ein ziemliches Gefühlschaos in mir angerichtet. Eins muss ich dir lassen: im Verwirren bist du einsame Spitze".
Holly wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also hielt sie einfach ihre Klappe und folgte Lilly in Richtung Hollister.

Kapitel 8


Gute vier Stunden später hatte Lilly alles gekauft, was sie wollte. Obwohl Holly verzweifelt versucht hatte, es ihr auszureden, hatte Lilly ihr ziemlich viele Klamotten bezahlt. Langsam wurden Hollys Beine schwer und sie blieb kurz stehen, um ihre schweren Einkaufstüten auf dem Boden abzusetzen. Lilly schien das gewöhnt zu sein, denn sie drehte sich um und rief ein animierendes "Komm schon!" in Hollys Richtung.
Sie hatten sich mit den Jungs für sechs Uhr Abends im Parkhaus verabredet. Bis zum Treffpunkt waren es nur noch wenige Meter, doch Holly fühlte sich, als würde sie keinen Schritt mehr gehen können. Gerade als sie die Tüten wieder hochheben wollte, schnappte ihr sie jemand vor der Nase weg. Erstaunt blickte sie auf und schaute in Christians braune Augen. Seit dem Besuch in der Pizzeria hatten sie nicht mehr viele Worte gewechselt, doch spürte Holly jetzt die Spannung zwischen ihm und ihr immer intensiver. Fast schon wollte sie, dass sie den Rest des Tages allein mit ihm verbringen konnte. Aber im Endeffekt waren sie einander noch so gut wie fremd.
Langsam liefen die beiden in Richtung Fahrstuhl, wo auch schon Lilly und Phil warteten. Phils Blick klebte mal wieder an Lilly, aber sie schien ihm absichtlich aus dem Weg zu gehen. Gerade als die beiden sich zu Holly und Christian umdrehten, ertönte ein lautes 'Ping' und die Fahrstuhltüren glitten auf. Heraus traten - wie sollte es auch anders sein - die drei Oberzicken aus der Uni.
"Hi Christian", flötete die eine und warf sich ihre langen blondierten Haare über die Schulter. Er nickte ihr nur kurz zu, woraufhin sich ihr Blick verdüsterte und schließlich an Holly hängen blieb. Oh je. Sie konnte nur hoffen, dass die drei ihr das Leben in der Uni nicht zur Hölle machten. Leise seufzte Holly und lehnte sich mit geschlossenen Augen an die Fahrstuhlwand. Sie spürte, wie Christian einen Arm um ihre Schultern legte und sie sanft an sich drückte. Holly atmete tief ein, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und atmete wieder aus. Er schien genau zu wissen, wie es in ihrem Kopf aussah. Das machte ihr irgendwie ein bisschen Angst.
Als erneut ein 'Ping' ertönte, löste sie sich von ihm. Sie lief los, ohne auf ihn zu warten und stand mit Lilly als erstes am Auto, während die beiden Männer sich mit den Einkaufstüten abmühten.
"Na los Jungs, worauf wartet ihr?", grinste Lilly den beiden entgegen, die Mühe hatten, die Tüten nicht fallen zu lassen. "Ich dachte, ihr seid starke Kerle?" Phil seufzte und Christian musterte sie mit einem düsteren Blick. Holly lächelte über Lillys Worte und als Christian sie anschaute, musste er auch lächeln.
Holly löste in ihm eine Welle von Glücksgefühlen aus. Sie war so hübsch, dass es ihm ständig den Atem raubte, wenn er sie anschaute. Und wenn sie dazu noch lächelte, war er völlig in ihren Bann gezogen. Aber ihr schien das nicht anders zu gehen in seiner Gegenwart. Es freute ihn, dass er in Zukunft womöglich eine Beziehung mit ihr eingehen könnte. Es würde ihn zu sehr freuen. Vor allem nach der Situation in der Pizzeria hatte er bemerkt, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Bisher hatten seine Hormone in der Gegenwart einer Frau noch nie so verrückt gespielt, wie das bei Holly der Fall war. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was mit ihm los war. Verliebt sein schön und gut, aber was war das zwischen ihm und Holly? Es ging über alles hinaus, was er jemals für eine Frau empfunden hatte.
"Auf jetzt!" Lilly hörte sich ein wenig verärgert an. Christian blinzelte und blickte direkt in das zornige Braun ihrer Augen. "Wir warten seit ungefähr zwei Minuten auf dich. Schläfst du im Stehen?"
"Ich steig ja schon ein". Christian verdrehte genervt die Augen und ließ sich zu Holly auf die Rückbank fallen. Dann warf er ihr einen Blick zu. Sie musterte ihn und sogleich beschleunigte sich sein Herzschlag. Was stellte sie nur mit ihm an?
Beschämt errötete Holly und starrte die Kopfstütze des Beifahrersitzes an, als gäbe es da etwas ziemlich interessantes zu sehen. Phil und Christian begannen, sich über ihren Lieblingssport Fußball zu unterhalten, aber Holly hörte nur mit einem halben Ohr hin, bis Lilly sie aus ihren Gedanken riss.
"Magst du gleich beim Training mitmachen? Es ist immer so schrecklich, als einziges Mädchen zusammen mit einer Horde Jungs zu trainieren". Lilly verdrehte genervt die Augen und Phil lachte. "Das ist nicht lustig, ihr seid widerlich". Sie seufzte und drehte den Kopf, um Holly in die Augen zu schauen. Lilly schien ernsthaft auf eine Antwort zu warten.
"Nun..." Holly wusste nicht, was sie sagen sollte. "Ich hab noch nie so richtig Fußball gespielt. Und außerdem hab ich doch gar keine Sportklamotten dabei", versuchte sie sich herauszureden.
"Ach was, ich leih dir was von mir", ereiferte sich Lilly. "Also ist das ein Ja?", hoffte sie und durchbohrte Holly mit ihrem Blick.
"Na gut", seufzte Holly. Sie bemerkte Christians Blick, der schon die ganze Zeit auf ihr ruhte. Na das würde ja ein Spaß werden, zusammen mit ihm, Lilly und Phil Fußball zu spielen. Und sie hatte schon so eine komische Vorahnung, dass das nicht einfach nur Fußballspielen sein würde.

Nachdem die vier bei den Heathmans zu Hause angekommen waren, hatte Lilly Holly sofort eines ihrer unzähligen Fußballtrikots in die Hand gedrückt, damit sie sich umziehen konnte.
"Du siehst einfach umwerfend aus!", rief Lilly, als Holly fertig angezogen wieder aus dem Badezimmer kam. Ihre Worte hörten sich an, als ob Holly ein Date hätte und sich nicht gleich mit ein paar wilden Jungs im Schlamm wälzen würde.
"Hör zu, ich...", begann Holly, doch Lilly ließ sie nicht zu Ende reden. "Keine Ausreden, mein Fräulein. Du hast ja gesagt!" Und bevor Holly noch etwas sagen konnte, war Lilly schon ins Wohnzimmer verschwunden. Sie selbst hatte ihre Fußballkleidung auch schon an und so machten sie sich zusammen mit Patrick und den anderen beiden Jungs auf den Weg zum Auto.
Gezwungenermaßen musste Holly sich auf die Rückbank zwischen Patrick und Christian quetschen. Sie merkte, wie warm er war und spürte seine muskulösen Oberarme an ihren. Ein wenig lehnte sie sich an ihn, woraufhin er unmerklich ein Stückchen zu ihr rutschte. Das konnte ja nur ein vielversprechender Abend werden, dachte Holly sich, bevor sie auf dem Trainingsplatz angekommen waren.
Mittlerweile hatte es angefangen zu nieseln. "Wo ist denn die Halle?", fragte Holly verwirrt, als sie auf einem Parkplatz neben einem Fußballfeld anhielten. "Gibts nicht", brummte Phil, bevor er ausstieg.
"Nicht im... Ernst", seufzte Holly leise. Jetzt sollte sie auch noch im Regen durch die Gegend rennen? Das war nun wirklich zu viel.
Aufmunternd piekste Christian sie in die Seite, woraufhin sie zusammenzuckte. Sie drehte sich mit einem empörten Blick zu ihm um und schmolz fast dahin, als sie in seine braunen Augen schaute. Er piekste sie noch mal, wobei er fies grinste. Verzweifelt versuchte sie, vor ihm zu entkommen, aber sie war immer noch angeschnallt, was das alles ein wenig schwieriger gestaltete, als sie dachte.
Schließlich ließ er freundlicherweise von ihr ab und stieg ebenfalls aus, ohne ein Wort zu verlieren. Verwirrt schnallte Holly sich ab und betrat eine halbe Minute später den großen Rasenplatz.


Kapitel 9


Mittlerweile regnete es schon mehr. Der grasbewachsene Boden schien ein wenig aufgeweicht zu sein, als Holly langsam über den Platz zu Lilly lief. Wie so oft hatte sie Christians ungeteilte Aufmerksamkeit, was sie schon wieder knallrot werden ließ. Sie bemerkte noch viele andere junge Männer, fünfzehn vielleicht, die in Gruppen zusammen standen, sich unterhielten oder dehnten. Als sie Holly erblickten, stießen einige Pfiffe aus, oder gaben einen blöden Kommentar ab, woraufhin Lilly sich wütend umdrehte und die jungen Männer schlagartig verstummten.
"Spart euch eure Kommentare, sie ist verliebt und zwar in keinen von euch", spuckte Lilly und erdolchte die Männer mit ihrem Killerblick. Holly schaute verzweifelt auf den Boden. Noch peinlicher konnte es ja kaum werden. Und dann bemerkte sie Christians verletzten Blick. Er schien wohl jetzt zu denken, dass er keine Chance bei ihr hatte. Na super. Dabei stand sie doch irgendwie auf ihn

und niemanden sonst. Das sollte sie ihm schnellstmöglich erklären.
Als sie langsam auf ihn zuwanderte, wendete er sich ab und fing an, sich mit jemand anders zu unterhalten. Wenn schon, dann wollte sie das mit ihm alleine bereden. Sie atmete tief durch. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Dann schloss sie kurz die Augen und ging auf ihn zu. Er tat so, als würde er sie nicht bemerken, aber sie wusste, dass er sie genau im Auge hatte.
"Kann ich mal kurz mit dir reden?" Hollys Stimme war leise und brüchig, als sie Christian vor die Brust starrte. Sie traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen. "Komm mit", murmelte sie verlegen und zog ihn am Ärmel ein Stückchen weg.
"Was ist denn?", fragte er sie angesäuert, während er seine Augenbrauen zusammenzog.
"Ich wollte nur sagen, dass ich... das mit dem verliebt sein... ist nicht so wie du denkst". Scheiße, wie sollte sie ihm das erklären? Sie konnte doch nicht einfach sagen 'hey, ich steh auf dich'. Mit knallroten Wangen fixierte sie mit ihren Augen den Boden.
Christian seufzte tief. "Magst du vielleicht einen ganzen Satz bilden, damit ich dich verstehen kann?" Seine Stimme war gefährlich leise und sie war der festen Überzeugung, dass er sauer war. Bestimmt dachte er, sie hätte die ganze Zeit mit ihm gespielt.
"Du bist derjenige auf den ich ein bisschen stehe. Aber nur ein bisschen

". Holly wäre jetzt am liebsten im Erdboden versunken. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? "Oh Gott", stöhnte sie und hielt sich die Hände vors Gesicht, bevor sie sich umdrehte und schnellen Schrittes in Richtung Lilly lief. Doch eine warme Hand hielt sie an der Schulter zurück. "Warte mal". Christians Stimme war leise und sanft.
"Das muss dir nicht peinlich sein". Er merkte, dass Holly angefangen hatte, leise vor sich hin zu weinen. "Hey", flüsterte er, drückte sie an sich und strich mit seiner Hand durch ihr mittlerweile ziemlich feuchtes Haar. "Ich kann dich auch gut leiden. Mehr als gut sogar". Mit einem Mal schwang da etwas Dunkles in seiner Stimme mit. Aber Holly konnte sich immer noch nicht beruhigen. Hatte sie ihm etwa gerade gestanden, dass sie total in ihn verknallt war? Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass er nach ihrem überstürzten Geständnis sofort die Flucht ergreifen würde - aber das war nicht so. Er stand immer noch da und hielt sie fest in seinen überaus muskulösen Armen.
"Lass uns das ein andermal besprechen". Seine Stimme war leise, aber fest. Leicht nickte Holly an seiner Brust und er gab sie schweren Herzens frei. Plötzlich fühlte sie sich kalt und fing an, ein wenig zu zittern.
"Ich glaube, es wird Zeit, dass du dich ein bisschen bewegst". Christian grinste sie verschmitzt an, bevor er sie in sie Seite zwickte und sie erschrocken aufquietschte.
"Lass das!", rief sie kichernd und hüpfte einen Schritt zur Seite. Als er sie erneut zwickte, rannte sie los. Er war ihr dicht auf den Fersen und zwickte sie ab und zu mal. Sie war sich sicher, dass er sie längst hätte einholen können, wenn er nur gewollt hätte.
Völlig außer Atem blieb sie schließlich unter einem Baum im Schatten der Flutlichter stehen und lehnte sich an das eiskalte Geländer, das feucht schimmerte. Christian gesellte sich zu ihr und fasste sie an den Händen. "Du ergibst dich schon? Schade". Er grinste frech und piekste sie.
"Nein, bitte", keuchte Holly und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er ließ ihre Hände los und lehnte sich neben ihr an das Geländer. Von hier aus konnten sie die anderen sehen, wie sie von links nach rechts liefen und danach Liegestützte machten, immer und immer wieder. Plötzlich rückte er ein Stück näher zu ihr. "Ist dir kalt?" Seine Stimme war wie Butter.
"Ein bisschen", gab Holly wahrheitsgemäß zur Antwort. Christian schob sie ein Stück nach vorne, um sie von hinten zu umarmen. Sofort spürte sie, wie ihr knallheiß wurde. "Besser?" fragte er leise und legte seine Hände sanft auf ihren Bauch. Sie zuckte zusammen, legte aber schließlich ihre Hände obendrauf. Sie bog ihren Kopf nach hinten durch, um zu ihm nach oben sehen zu können. Er war fast eins neunzig groß, soweit sie das beurteilen konnte. Mit ihren 1,65 fühlte sie sich manchmal wirklich wie ein Zwerg.
Er schien zu ahnen, was in ihrem Kopf vorging, denn er fing an zu lächeln. Plötzlich drehte er sie zu sich um, nahm ihren Kopf in seine Hände und drückte ihr einen Kuss auf. Fordernd, verlangend und hart. Ihr blieb die Luft zum Atmen weg. Konnte dieser Mann küssen!
Plötzlich löste er sich wieder von ihr. Er strich sich keuchend die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Tut mir leid, ich glaube da ist gerade irgendeine Sicherung mit mir durchgebrannt". Es schien ihn zu wurmen, dass ihn seine Beherrschung verlassen hatte. Erneut fuhr er sich mit den Händen durch die Haare. Jetzt war es an Holly, ihn aus dieser peinlichen Situation zu befreien. "Also ich fand es süß", murmelte sie und lehnte sich wieder neben ihm an das Geländer. Sie war sich nicht sicher, ob er sie verstanden hatte, doch glaubte sie es zu wissen, als sie seinen ungläubigen Blick auf sich spürte.
"Wir sollten langsam mal anfangen, mit den anderen zu trainieren, sonst wird Lilly noch sauer", bemerkte er nebenbei und stieß sich vom Geländer ab. Dann betrachtete er Holly. "Kommst du?" Sie nickte, aber wusste, dass er sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte, also trat sie automatisch einen Schritt nach vorne und lief auf Lilly zu, ohne auf Christian zu warten. Diese schien sich schon gewundert zu haben, wo die beiden abgeblieben waren. Aber auf Hollys strahlendem Gesicht konnte sie die Antwort schon ablesen.
"Soso, dann hattet ihr also ein kleines Stelldichein in den Büschen da vorne?", grinste Lilly ihr entgegen. "Nicht so laut", flüsterte Holly peinlich berührt, nickte aber auf Lillys bohrenden Blick. Diese fing daraufhin an, laut zu lachen. "Du bist peinlich", schmollte Holly und setzte sich im Schneidersitz ins nasse Gras.
"Wieso setzt du dich? Auf gehts! Zehn Linienläufe, Sprint!", rief Lilly mit höchst motivierender Stimme. Sie hielt Holly die Hand hin, woraufhin sie sich aufrappelte und sich das Gras von der Hose klopfte, das mittlerweile nass und klebrig geworden war.

Schnell musste Holly feststellen, dass die ganzen Jungs gefühlte zehn Mal schneller rannten als sie. Aber das machte ihr nicht viel aus, weil sie in Gedanken immer noch bei Christian und seinem Kuss war. Es hatte sich irgendwie verboten angefühlt, ihn auf dem Fußballplatz im Schatten eines Baums zu küssen. Aber trotzdem hatte es die ganze Zeit so in ihr gekribbelt, worauf sie schließen konnte, dass es doch richtig gewesen war.

Nach guten anderthalb Stunden waren sie fertig und Holly glaubte, sie könne sich nicht mehr bewegen. Sie ließ sich schwer atmend und patschnass ins Gras fallen und schloss die Augen.
"Nicht schlafen", hörte sie eine amüsierte Stimme und öffnete ein Auge. Christian stand neben ihr und sah von unten furchterregend groß aus. "Na komm schon", lächelte er ihr entgegen. "Geh duschen bevor du dir noch eine Erkältung holst".
"Ich... kann mich nicht mehr... bewegen", keuchte Holly, noch immer außer Atem. Christian fackelte nicht lange und hob sie schließlich einfach hoch. So trug er sie zur Frauendusche, wo Lilly schon auf sie wartete.
"Na da bist du... seid ihr ja endlich", grinste sie den beiden entgegen. Christian stellte Holly vorsichtig ab, woraufhin sie sich am Türrahmen abstützte. "Geht's?", fragte er sie leise und ließ sie nun vollends los. Holly wurde sofort kalt, als er sich von ihr löste. Am liebsten wäre sie jetzt mit ihm duschen gegangen. Sie wollte Christians Wärme spüren und seine Arme, die sie fest hielten. Enttäuscht blickte sie zu ihm auf. Sie wollte jetzt nicht allein duschen gehen.
"Ich glaube das war ein bisschen zu viel für dich", seufzte Lilly, als sie mit Holly, die sie am Arm stützte, die Dusche betrat. Diese nickte nur erschöpft und entledigte sich ihrer Klamotten, die sie achtlos auf den Boden warf.
"Ich hab noch saubere Sachen mitgenommen", teilte Lilly ihr mit und war schon zur Tür hinaus verschwunden. Holly genoss das warme Wasser, das ihr über den Körper lief. Sie seifte sich ein und wusch sich die Haare, bevor sie sich in ein großes Handtuch wickelte und den Nebenraum betrat, der zu einer Frauenumkleide umfunktioniert wurde. Sie zog sich wieder an und stellte fest, dass sie immer noch ziemlich fror. Ihre Haut fühlte sich vom Regen, dem sie zwei Stunden lang ausgesetzt war, immer noch klamm an.

"Können wir?" Phil musterte die beiden jungen Frauen, die langsam auf das Auto zukamen. "Jup", strahlte Lilly ihn an, woraufhin er anfing, wie ein kleines Kind zu grinsen. Holly schaffte es gerade noch, sich auf den mittleren Sitz der Rückbank zu setzen, bevor ihr die Augen zufielen. Sie hatte Glück, dass der nächste Tag ein Feiertag war und sie somit nicht zur Uni musste. Holly kuschelte sich ein wenig an Christians Schulter, bevor sie endgültig wegdämmerte.

Kapitel 10


Christian hob Holly vorsichtig hoch und trug sie ins Haus. Lilly hatte darauf bestanden, sie schlafen zu lassen. "Sie braucht jetzt Ruhe und würde sich sicher freuen, beim Aufwachen dein Gesicht zu sehen". Na danke auch, hatte sich Christian gedacht, bevor er mit Holly auf den Armen in sein Schlafzimmer gelaufen war.

Es kam ihr vor als würde sie schweben. Im Halbschlaf gab sie ein leises Stöhnen von sich und kuschelte sich automatisch enger an denjenigen, dessen Hände sie auf ihrem Körper spürte. Sie merkte noch, wie sie auf etwas weiches gelegt und ihr plötzlich angenehm warm wurde. Dann war sie endgültig eingeschlafen.

Eine gute halbe Stunde später legte sich Christian - nur mit Boxershorts bekleidet - neben sie und kuschelte sich ein wenig an sie. Sofort drückte sich Holly im Schlaf ein bisschen näher an ihn. Bei ihr ging das wie auf Knopfdruck. Wenn sie die Wärme eines anderen Körpers spürte, kuschelte sie sich automatisch an denjenigen. Christian seufzte leise und zog die Decke ein Stück höher. Er betrachtete sie lange. Im Schlaf sah sie so entspannt aus und noch süßer, als sie es ohnehin schon war. Nach geraumer Zeit fiel aber auch er in einen tiefen Schlaf, aus dem er erst am nächsten Morgen wieder erwachte.

Holly öffnete die Augen. Grelles Licht durchflutete den Raum und sofort petzte sie ihre Augen wieder zusammen. Sie wollte ihre Arme bewegen, doch sie konnte nicht. Sie fühlte sich komisch eingeklemmt und versuchte abermals, sich zu bewegen. Sie hörte ein leises Grummeln und das, was sie bewegungsunfähig gemacht hatte, rollte sich von ihr und fiel neben ihr in die Matratze. Sie war ein wenig geschockt, bis sie feststellte, dass Christian neben ihr lag und tief und fest zu schlafen schien. Er hatte es sich wohl in der Nacht auf ihr bequem gemacht. Bei dem Gedanken musste sie unwillkürlich grinsen. Sie öffnete vorsichtig ihre Augen, damit sie sich an das helle Tageslicht gewöhnen konnten. Dann betrachtete sie ihn. Im Schlaf sah er viel jünger aus, als sonst. Seine Gesichtszüge waren entspannt und sie hätte ihm noch stundenlang beim Schlafen zusehen können.
Immer noch vollständig bekleidet tapste Holly keine fünf Minuten später in die Küche, wo Patrick sie schon empfing.
"Na, gut geschlafen mit Christian?", fragte er und konnte sein offensichtliches Grinsen nicht verbergen.
"Ja, ich habe sehr gut neben

ihm geschlafen", zischte Holly, die eigentlich nicht unfreundlich sein wollte.
Patrick zuckte entschuldigend mit den Schultern und stellte ihr daraufhin ein paar Brötchen auf den Tisch. Dankbar begann sie, sich eins zu schmieren. Sie fühlte sich komplett ausgelaugt, was auf jeden Fall dem vorigen Abend zu verdanken war. "Ich werde nie wieder Fußball spielen", grummelte sie, als der Muskelkater sie erneut durchzuckte. Patrick grinste nur.
In diesem Moment betrat Lilly die Küche. Sie hatte ein Top und karierte Boxershorts an und sah ziemlich verschlafen aus. Ihre schwarzen Haare standen zu allen Seiten ab. "Moin Holly", seufzte sie und ließ sich neben ihr auf einem Stuhl nieder. Plötzlich fingen ihre Augen an, neugierig zu funkeln. "Und, habt ihr es getan?", fragte sie offenkundig und schaute sie direkt an.
"Wie... bitte?" Holly war perplex. "Natürlich nicht! Ich meine... also... ich habe gar nichts mehr mitbekommen. Ich bin sofort eingeschlafen", gestand sie. Oder... hatten sie es vielleicht doch getan, aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern? Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Nein, so schätzte sie Christian nicht ein. Obwohl sie ihn kaum kannte, glaubte sie nicht, dass er einer von diesen Aufreißern war. Das würde einfach nicht zu ihm passen.
Lilly seufzte theatralisch und nahm sich einen Apfel aus der Schale, die in der Mitte des Holztisches stand. "Das müsst ihr unbedingt tun, ich hab gehört, er soll soooo

gut sein!" Das war nun wirklich zu viel. Patrick kicherte leise vor sich hin, während er sich mit seiner Kaffeetasse ins Wohnzimmer verzog. Holly warf Lilly einen mörderischen Blick zu, auf den diese nur mit einem überraschten "ist was?" antwortete. Holly verdrehte die Augen und schüttelte schließlich den Kopf. In diesem Moment hörte sie die Küchentür aufgehen und wusste, dass Christian unmittelbar hinter ihr stand. Sofort fing ihr Blut an, zu kochen. Ein leichtes Rot trat auf ihre Wangen, als sie an das dachte, was Lilly eben noch von sich gegeben hatte.

"Na?" Christian ließ sich neben Holly auf einen Stuhl fallen. "Ich geh duschen!", rief Lilly enthusiastisch und sprang auf. Holly warf ihr einen verzweifelten 'du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen'-Blick zu, woraufhin Lilly nur heftig mit dem Kopf nickte und schneller verschwunden war, als Holly schauen konnte.
"Ich hoffe du hast gut geschlafen". Christian werkelte an der Kaffeemaschine herum, bevor er sich zu Holly umdrehte. Er hatte ein Paar ausgewaschene Jeans an, über deren Bund ein Stück seiner schwarzen Boxershorts hervor lugte. Oben ohne sah er sowieso zum Anbeißen aus. Am Rande bemerkte sie, wie Patrick das Wohnzimmer verließ. Nun war sie alleine mit Christian. Dieser musterte Holly immer noch, bevor er sich Kaffee in eine große blaue Tasse einschenkte und sich wieder neben sie setzte.
Bisher war Holly unfähig gewesen, ihm zu antworten. Schließlich brachte sie trotzdem ein leises "Ja" heraus, woraufhin er sie anlächelte. Er hatte definitiv ein Zahnpasta Strahlelächeln, das er nur zu gern zeigte. Sein Oberkörper war gut bemuskelt, was wohl am regelmäßigen Fußballtraining lag. Bestimmt ging er noch zusätzlich ins Fitnessstudio.
"Ich schnarche doch nicht, oder?" Christian legte seine Stirn in Falten und der Blick seiner braunen Augen ruhte auf Holly. Schnell schüttelte sie den Kopf, was ihn wieder zum grinsen brachte. "So schüchtern heute?", fragte er leise und seine Stimme hatte auf ein Mal etwas Raues angenommen.
"Ich..." Er unterbrach sie, indem er sie zu sich drehte und ihr tief in die Augen schaute. Holly blieb die Luft weg. Sie wusste nicht mehr, was sie eben sagen wollte. Seine Augen verwirrten sie so sehr, dass sie nicht mal wegschauen konnte. Sie merkte, wie er ihr immer näher kam. Wollte sie das überhaupt? 'Ja!', schrie ihr Unterbewusstsein ihr entgegen. Sie schloss die Augen, als seine Lippen ihre fanden. Ganz sanft hatte er seine auf ihre gedrückt. Gestern war er viel härter und fordernder gewesen, fiel es Holly ein. Vielleicht war er morgens aber auch nur in Kuschelstimmung.
Nach geraumer Zeit löste er sich wieder von ihr und widmete sich seinem Brötchen, als wäre eben nicht zwischen den beiden passiert. Holly konnte sich nicht mehr konzentrieren. Sie war völlig durch den Wind. Was stellte er mit ihr an? Er sah so gut aus, dass es schon fast weh tat. Und er stand ganz offensichtlich auf sie. Nur auf sie. Am liebsten hätte sie laut kreischend einen Freudentanz aufgeführt, aber das ließ sie lieber sein, denn sie wollte nicht, dass Christian sie am Schluss noch für eine Verrückte hielt.

"Wir gehen einkaufen!", ertönte Lillys Stimme aus dem Flur und sie steckte kurz ihren Kopf durch die Küchentür. "Wir gehen einkaufen", wiederholte sie. Holly nickte ihr zu, während Christian ein "Bis später" heraus brachte und daraufhin wieder einen Schluck von seinem heißen Kaffee nahm.
Die Haustür fiel ins Schloss. Jetzt waren die beiden wohl alleine. Christian drehte sich wieder zu ihr um. "Du bist so schön. Was machst du nur mit mir..." Er schien in Gedanken versunken. "Keine Ahnung", flüsterte Holly. Sie konnte ihren Blick nicht von seinem muskulösen Oberkörper losreißen.
Christian nahm ihren Kopf in seine Hände und küsste sie. Anscheinend war er morgens doch nicht in Kuschelstimmung, denn jetzt war sein Kuss wieder so hart und sehnsüchtig wie am Vorabend. Holly ließ sich darauf ein. Nichts wünschte sie sich in diesem Moment mehr, als Christian zu spüren. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und er zog sie von ihrem Stuhl, näher zu sich heran.
"Ich will dich", stieß er außer Atem hervor und presste sie noch enger an seinen nackten Oberkörper. "Jetzt". Holly lief es eiskalt den Rücken herunter. Noch nie hatte sie das Bedürfnis gehabt, mit einem Mann zu schlafen. Bei Christian schien das aber etwas völlig anderes zu sein. Er weckte Gefühle in ihr, von denen sie nicht geglaubt hatte, dass sie tatsächlich existierten.
"Ich auch". Ihre Stimme war leise und ihr Atem ging stoßweise. Christian stand auf und drängte sie gegen die Küchentheke. Holly ging voll und ganz in diesem Kuss auf. Sie öffnete ihre Lippen, woraufhin Christians Zunge in ihren Mund drang und ihre zu einem Duell herausforderte.
Keuchend lösten die beiden sich voneinander. "Entschuldigung", murmelte Christian rau.
"Das muss dir nicht leid tun". Holly bemerkte die überaus große Beule in seinen Jeans, die sich deutlich unter dem hellen Stoff der Hose abzeichnete. "Ich glaube, du hast es dringend nötig". Sie versuchte sich in einem dreckigen Grinsen, woraufhin Christians Augen größer wurden. "Du anscheinend auch", bemerkte er leise und atmete tief durch, bevor er sie ohne Vorwarnung hochhob und sie in den dritten Stock trug, wo er sie sanft auf das Bett warf.
Er knurrte sie leise an, als er sich über sie kniete, die Unterarme links und rechts von ihrem Kopf aufgestützt. Lange schauten sich die beiden nur in die Augen, bevor er sie wieder küsste. Hier in seinem Bett fühlte sich das alles so richtig an. Holly legte ihre Hände auf den Bund seiner Hose, bevor sie sich an dem Knopf zu schaffen machte. Überrascht löste sich Christian von ihr. Holly merkte, wie ihr augenblicklich das Blut in die Wangen schoss. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er sie.
"Willst du das wirklich?", fragte er sie leise. "Ich... ich glaube schon". Hollys Stimme war fast nur ein Flüstern. Er musterte sie weiterhin ohne jede Regung. "Ich möchte nur, dass ich alles richtig mache. Nicht dass ich dich verliere wenn ich einen Fehler mache". Seine Stimme war tief und kehlig und mittlerweile schien er seine Erregung nicht mehr zurückzuhalten können.
"Tu das, wonach dir ist". Holly wusste nicht, wie sie in dieser Situation auch noch ein Lächeln zustande bringen konnte. Endlich hatte sie seine Hose offen und zog langsam den Reißverschluss hinunter, während sie sich mit der Zunge über ihre Lippen fuhr. Christians Blick klebte an ihren Lippen. In diesem Moment hätte er wohl alles für sie getan. Als sie ihm die Hose ein Stück ausgezogen hatte, half er ihr, indem er sie sich vollends abstreifte.
Christian beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie verlangend auf den Mund. Keuchend schnappte Holly nach Luft, als er mit seinen Lippen an ihrem Hals entlang wanderte und ihr schließlich den Pulli auszog. Sie hatte nicht mal einen BH darunter, da dieser am Vortag nass gewesen war und Lilly sich geweigert hatte, ihn Holly zurückzugeben. Nun lag sie oben ohne vor ihm. Sie spürte Christians Erektion an ihrem Oberschenkel. Das war alles zu schön um wahr zu sein. Holly merkte, wie er sie erregte und welche Gefühle er in ihr hervorrief. Er sollte es endlich mit ihr tun. Sie wollte, dass er derjenige war, der ihr ihre Unschuld raubte. Ob er wusste, dass sie noch Jungfrau war? Sicher war er der Meinung, dass Sex nichts neues für sie war.
Nachdem Christian ihren kompletten Oberkörper mit sanften Küssen bedeckt und sie somit in den Wahnsinn getrieben hatte, zog er ihr mit einer fließenden Bewegung die Jogginghose herunter. Nun lag sie nur mit einem Höschen bekleidet vor ihm. Ein laszives Grinsen legte sich auf seine Lippen und er fuhr sich kurz mit der Zunge darüber. Dieser Anblick ließ Holly erschaudern. Er sah so unwiderstehlich aus. Christian war komplett braun gebrannt, muskulös und einfach nur zum anbeißen.
Langsam zog er ihr das Höschen herunter, bedacht darauf, sofort aufzuhören, wenn sie das wollte. Keiner sagte ein Wort. Langsam wurde Christian mutiger und zog sich schließlich auch seine Boxershorts aus, woraufhin seine große Erektion nach vorne sprang und kerzengerade von ihm abstand.
Holly musste grinsen. Etwas besseres fiel ihr nicht ein. Mensch war sein Ding groß! Das passte doch niemals in sie rein. Nie! Etwas Angst hatte sie schon. Aber das konnte sie ihm auf keinen Fall zeigen.
"Nimmst du die Pille?" Seine Worte an ihrem Ohr rissen sie aus ihren Gedanken. "Ja", murmelte sie wahrheitsgemäß. Vor ein paar Jahren hatte sie wegen Regelschmerzen die Pille verschrieben bekommen.
"Ich werde vorsichtig sein, das verspreche ich dir". Christians Worte hörten sich schon fast liebevoll an. Holly nickte und vergaß daraufhin alles um sich herum.

Kapitel 11


Christians Brust hob und senkte sich in einem rasenden Tempo. Er war völlig außer Atem. Holly hatte ihren Kopf auf seine Brust gebettet, unfähig, sich zu rühren. Sie wollte den Moment danach nicht zerstören. Christian war so zärtlich gewesen, dass es ihr den Atem geraubt hatte. Bisher hatte Holly noch nie so viel für einen Mann empfunden.
Vorsichtig kuschelte sie sich enger an ihn, woraufhin er einen Arm um sie legte und sie fest an sich drückte. Langsam normalisierte sich sein Atem wieder und die beiden wurden ruhiger.
"Ich hoffe es hat dir gefallen", murmelte Christian, der mit seinen Gedanken noch ganz wo anders zu sein schien.
"Ja, sehr". Holly spürte, wie sein weiches Brusthaar ihre Wange kitzelte. "Noch nie war jemand so zärtlich zu mir". Sie hielt inne. "Es war ja auch das erste Mal, dass ich mit einem Mann geschlafen habe".
"WAS?!" Christian fuhr hoch. Ehe sie es sich versah, rutschte sie von ihm herunter und landete auf der weichen Matratze. "Sag das noch mal". Christians Stimme war gefährlich leise.
Betreten blickte Holly auf das weiße Kissen.
"Holly..." Christian raufte sich verzweifelt die Haare. "Du willst mir jetzt ernsthaft sagen, dass ich dich gerade entjungfert habe?" Seine braunen Augen waren stählern und irgendwie fürchtete sie sich ein bisschen vor ihm, wenn er sie so anschaute.
"Ja", flüsterte sie kaum hörbar. "Aber es war schön, ich wollte es so", verteidigte sich Holly und berührte sanft seinen muskulösen Oberarm.
Christian seufzte tief. "Du überraschst mich immer wieder, ehrlich". Er ließ sich wieder neben sie sinken und legte seine Arme um sie. "Wenn ich das gewusst hätte..." Er seufzte und schüttelte leicht den Kopf.
"Dann... was?", fragte Holly mit unverhohlener Neugier.
"Dann hätte ich nicht mit dir geschlafen". Christian versuchte, ihr in die Augen zu schauen, doch Holly drückte ihr Gesicht wieder an seine Brust. Er roch so gut, dass sie am liebsten den ganzen Tag lang mit ihm gekuschelt hätte.
Sie merkte, wie er aufseufzte. Er schien mit sich selbst zu kämpfen, bis er sie letztendlich fest an sich drückte. Ob er es wohl bereute? Holly wollte nicht daran denken. Zu schön war das Gefühl, das sich in ihrer Brust breit gemacht hatte. Verliebtheit mit einem Hauch Schwärmerei. Sie grinste in sich hinein, was Christian wohl nicht verborgen blieb.
"Na, was gibts da zu lachen?", fragte er sie leise und zog sie von sich weg, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. Holly biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht anfing zu lachen. "Nichts", kicherte sie und ließ sich auf den Rücken rollen. Christian lag neben ihr, den Ellenbogen auf ein Kissen gestützt, und musterte sie. Er schien nicht zu wissen, was er von der Situation halten sollte. Schließlich schüttelte er belustigt den Kopf und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter.
"Die beiden sind sicher gleich wieder da. Normalerweise brauchen sie nicht so lange. Wir sollten uns wieder anziehen". Er musterte sie. Gerade mal ihre Oberarme und Schultern schauten unter der Decke hervor, mit der er sie zugedeckt hatte. Er zog sich seine Boxershorts über und angelte schließlich nach seiner Hose. Dann warf er Holly ihre Unterwäsche zu und grinste lasziv, als er daran dachte, wie er sie ausgezogen hatte.
Holly zog sich ihrerseits auch wieder an und warf sich dann erneut aufs Bett. Ihre Haare mussten nach ihrem gemeinsamen Erlebnis ziemlich zerstrubbelt aussehen, das wusste sie. Denn wie langweilig wäre es ohne zerzauste Haare?

Eine gute Viertelstunde später saßen die beiden im Wohnzimmer und zappten durch die Fernsehprogramme. Keiner der beiden hatte das Geschehene bisher noch mal erwähnt und Holly wollte am liebsten gar nicht mehr daran denken. Es waren so viele neue Erfahrungen, die sie in den letzten Tagen gemacht hatte - und jetzt das.
Die Haustür fiel ins Schloss und Holly vernahm die fröhliche Stimme von Lilly, die ankündigte, dass Patrick und sie wieder zu Hause waren.
"Na, was unternehmen wir heute schönes?" Lilly steckte ihren Kopf zur Wohnzimmertür hinein und durchbohrte Holly mit ihrem Blick.
"Ich weiß nicht", murmelte sie. "Worauf hast du denn Lust?" Wenn sie schon den Tag mit Lilly verbringen musste, wollte sie nicht selbst entscheiden, was sie machen würden.
"Wir können shoppen gehen!", rief sie euphorisch.
"Wir waren doch erst..." Holly schaute sie verwirrt an und Christian rollte die Augen.
"Lass uns einfach ins Kino gehen. Ich hab gehört, es kommt ein guter Film". Darüber ließ sich reden. Dankbar lächelte Holly ihn an, woraufhin er ihr zuzwinkerte. Oha, er schien immer noch an das kleine Stelldichein zwischen den beiden zu denken. Hollys Wangen färbten sich tomatenrot.
Lilly blickte verwirrt zwischen den beiden hin und her. Ihr war die eigentümliche Atmosphäre im Raum nicht entgangen. Mit einem letzten misstrauischen Blick zu den beiden wendete sie sich wieder ab und lief in die Küche, wo sie die Einkäufe in den Kühlschrank räumte.

Eine gute Stunde später bummelten die drei durch die Stadt. Patrick hatte keine Lust gehabt, sie zu begleiten, also waren Holly, Christian und Lilly zu dritt gefahren. Wenn sie Christian zufällig berührte, spürte Holly ständig kleine Stromstöße, die durch ihren Körper fuhren. Jedes Mal breitete sich ein warmes Gefühl in ihrer Magengegend aus.
Es war kälter geworden und langsam fielen die Blätter von den Bäumen.
"Ist dir kalt?" Christian schaute Holly von der Seite aus an, als sie vor einem hübschen, kleinen italienischen Restaurant stehen blieben. "Ein bisschen", sagte Holly, während sie durch die Glasscheiben ins warme innere schaute.
"Komm, lass uns reingehen", erwiderte Christian und zog Holly an der Hand ins Restaurant. Lilly konnte darüber nur den Kopf schütteln. Sie hatte gleich gewusst, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnte.
"Na, seid ihr zwei Süßen jetzt eigentlich zusammen?", plapperte sie munter drauf los, als sie an einem Tisch in einer Nische saßen und auf den Kellner warteten. Holly lief puterrot an, während Christian ihr beruhigend die Hand auf den Oberschenkel legte.
"Das wissen wir wohl selbst noch nicht so genau", gab er seiner Zwillingsschwester zur Antwort und blickte gedankenverloren in die Speisekarte.
"Weißt du schon was du willst?", fragte er Holly und hielt ihr die Karte unter die Nase. Dankbar versteckte sie sich dahinter und nahm die Karte erst wieder weg, als der Kellner ihre Bestellung aufnehmen wollte.
Lilly sagte nichts mehr zu dem Thema. Anscheinend wollte sie die beiden nicht bedrängen - was für ein Wunder. Nach einer guten Dreiviertelstunde wurde das Essen gebracht. Lilly hatte sich für eine kleine Pizza Hawaii entschieden, während Holly eine Pizza Salami und Christian eine große Spezial aß.
Sie schwiegen sich die ganze Zeit an, während sie aßen. Holly wusste nicht, was sie hätte sagen sollen. Keiner schien das Bedürfnis zu haben, sich zu unterhalten, also stopften sie sich in angenehmem Schweigen ihre Pizzen in den Mund.

Eine Stunde später liefen die drei wieder durch die Fußgängerzone. Bis zum Kino war es nicht mehr weit, trotzdem fröstelte Holly, die nur eine Steppjacke anhatte. Christian legte seinen Arm um sie und zog sie im Laufen etwas näher zu sich heran. Sofort wurde ihr etwas wärmer. Dankbar drückte sie sich an ihn. Er war so etwas wie ihr Beschützer, der sie vor der eisigen Kälte verteidigte.
Das Kino war klein und gemütlich. Es schien in der Stadt noch andere Kinos zu geben, doch dieses war wohl irgendwie das Stammkino der Zwillinge, was Holly daran bemerkte, dass der Verkäufer der Eintrittskarten die beiden mit einem fröhlichen Handschlag begrüßte.
"Komm mit!" Lilly zog Holly an der Hand mit sich, bevor sie sich überhaupt richtig umsehen konnte. Die beiden stürmten die Treppen nach oben, bis sie an einem Schild ankamen, das den Kinosaal 1

ankündigte. Gespannt wartete Holly darauf, wie der Saal von innen aussah.
Die Türen wurden geöffnet und eine kleine Menschentraube bewegte sich träge zum Ausgang. Christian legte seine Hand an Hollys Rücken und schob sie ganz sanft vorwärts, als der Menschenstrom verebbt war. Der Anblick, der sich ihr bot, war atemberaubend.
Sie war schon oft im Kino gewesen, aber so etwas hatte sie noch nie gesehen. Im gesamten Raum waren gemütliche Sitzgelegenheiten verteilt. Keine normalen Sitze, wie es sie im Kino gab. Hier und da ein Sofa und ein paar Sessel, die zu Sitzgruppen zusammengestellt waren. Es gab kleine Holztische, auf denen leere Popcorntüten standen, die gerade von einer Reinigungskraft weggeräumt wurden.
"Wow", entfuhr es Holly. Es war einfach ein ungewohnter Anblick, so ein Kino zu sehen. "Ich wusste, es würde dir gefallen", erwiderte Lilly überheblich und ging voraus. Sie ließ sich in einen roten Sessel fallen, der neben einem Sofa ganz hinten stand. Hier schien man den besten Blick auf die überdimensional große Leinwand zu haben.
"Dieses Kino ist ein Geheimtipp", grinste Christian, flackte sich auf das Sofa und zog Holly am Arm zu sich. Diese kuschelte sich ein wenig an seine Schulter. Zu offensichtlich wollte sie es aber auch nicht machen, immerhin waren sie nicht alleine da.
Christian legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie besitzergreifend an sich. Lilly verdrehte grinsend die Augen, aber das hielt ihn nicht davon ab, Holly im Arm zu halten. Sie fühlte sich an seiner Brust seltsam geborgen und genoss dieses Gefühl.
Langsam füllte sich der Kinosaal und einige andere ließen sich auf den Sitzgelegenheiten nieder. Das Publikum war in Hollys Alter - es waren kaum Kinder vertreten.
Als es dunkel wurde, drückte sie sich noch etwas fester an Christian, der sie liebend gern noch stärker an sich drückte. Sie hoffte inständig, dieser Moment würde niemals enden.

Kapitel 12


Holly ließ sich von dem Menschenstrom mitreißen, der den Saal verließ. Sie spürte Christians Hand im Rücken, die sie sanft durch die Tür dirigierte.
Der Film war so romantisch gewesen, dass Holly fast dahin geschmolzen wäre. Sie hatte ihre Tränen am Ende gerade noch so zurück halten können. Christians Hand hatte während des ganzen Films ihren Oberschenkel gestreichelt. Es hatte sich einfach nur richtig angefühlt, mit ihm zu kuscheln.
Als Holly ins helle Licht der Nachmittagssonne trat, kniff sie die Augen zusammen. "Hell", stöhnte sie und hielt sich die Hände vors Gesicht, damit sie ihre Augen aufmachen konnte und nirgends gegen lief.
Christian grinste und legte seine Hände auf ihre Schultern, bevor die beiden auf Lilly warteten, die sich noch mit einer jungen Frau unterhielt. Die beiden lachten und schienen ziemlich gut befreundet zu sein, was Holly wieder daran erinnerte, dass sie hier fast noch niemanden wirklich kannte. Sie seufzte unwillkürlich auf und drückte sich an Christian, der sie daraufhin liebevoll in den Arm nahm und an sich drückte.
"Was ist los?", fragte er sie leise und schaute ihr in die Augen. Holly musste ihren Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu schauen. Er war ungefähr einen Kopf größer als sie - perfekt also.
"Ich hab mir nur Gedanken darüber gemacht, dass ich hier nicht besonders viele Bekannte habe". Holly seufzte erneut und betrachtete wieder Lilly und ihre Freundin. Diese schien sich jetzt von ihr zu verabschieden und kam kurz darauf zu Christian und Holly geschlendert.
"Heute Abend stell ich dir ein paar meiner Freunde vor, wenn du möchtest", flüsterte Christian ihr ins Ohr und löste sich von ihr, als Lilly die beiden erreichte.
"Na, was gibts da zu tuscheln?", flötete sie und nahm Holly an der Hand. "Wir haben uns darüber unterhalten, wie romantisch der Film war", gab Christian wie aus der Pistole geschossen zur Antwort. Gut, denn eine bessere Ausrede wäre Holly nämlich nicht eingefallen. Dankbar blinzelte sie zu ihm hoch und er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Lilly zog Holly von Christian weg und durch die Straßen Richtung Parkhaus, wo sie ihr Auto abgestellt hatten.
"Oh, der Film war so schön", schwärmte sie und hakte sich bei Holly unter. "Oder nicht?" Sie schien auf eine Antwort zu warten, woraufhin Holly bedächtig nickte. "Romantisch!", seufzte Lilly und hüpfte wie ein kleines Kind neben Holly her. Christian folgte den beiden mit Abstand, da sein Handy angefangen hatte, zu klingeln.
Holly hörte seine sanfte Stimme, die bedächtig in das iPhone redete. Ein paar Wortfetzen glaubte sie zu verstehen, aber sie war sich nicht sicher, über was er mit der Person redete, die ihn angerufen hatte.
"Ich dich auch", hörte Holly ihn sagen. Er lachte, bevor er auflegte und sein Handy in seine Jackentasche steckte. Holly hatte einen Kloß im Hals. Worauf hatte er mit 'ich dich auch' geantwortet? Hatte er vielleicht doch eine Freundin? Sie schluckte. Die ausgelassene Stimmung, die Lilly versprühte, war mit einem Mal verschwunden und Holly wollte nur noch nach Hause, weg von Christian.
Dieser trat neben sie und betrachtete sie schweigend, während sie die Straße hinunter liefen und Lilly immer noch vor sich hin plapperte. Aber Holly hörte ihr gar nicht zu. Ihre Gedanken kreisten um das, was Christian am Telefon gesagt hatte. Und wenn schon, dann hatte er eben eine Freundin. Eigentlich kannte sie ihn gar nicht. Trotzdem versetzte es ihr einen Stich, dass er mit einer anderen Frau so zärtlich umgehen konnte, wie mit ihr. Sie seufzte und hörte Lilly wieder mit einem halben Ohr zu, um sich abzulenken.

Die Fahrt verlief fast schweigend. Das Autoradio lief leise im Hintergrund und Holly schaute aus dem Fenster. Christian und sie hatten kein Wort mehr gewechselt und er schien sich zu fragen, was plötzlich mit ihr los war. Aber das konnte ihm doch egal sein.
"Wann soll ich dich heute Abend abholen?", fragte er Holly und drehte sich zu ihr um. Überrascht schaute sie ihn an. "Ich ähm..." Scheiße, sie hatte ganz vergessen, dass er ihr versprochen hatte, sie einigen seiner Freunde vorzustellen.
"Ich hol dich einfach um Acht ab, okay?" Christian blickte sie weiterhin an. "Ja... okay", murmelte sie, schnappte sich ihre Tasche und flüchtete mit einem leisen "bis später" aus dem Auto.
Es war erst halb fünf und somit hatte Holly noch gute drei Stunden zeit, bis Christian sie abholen würde. Verzweifelt kramte sie in ihrem Kleiderschrank. Sie musste irgendein Outfit finden, das ihn richtig anmachte. Sie wollte einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen und dieser Abend schien ihr die richtige Gelegenheit dazu.
Schließlich entschied Holly sich für ein schwarzes Bustierkleid, das knapp unter ihrem Hintern aufhörte. Somit zeigte sie ziemlich viel Haut, was sie aber nicht weiter störte. Normalerweise stand sie nicht gerne im Mittelpunkt, aber um Christians Blick zu sehen, wäre sie sogar im Bikini gekommen.
Zu dem Kleid zog sie ein paar schwarze High Heels aus ihrem Schuhschrank, die sie schon länger nicht mehr angehabt hatte. Probeweise stolzierte sie mit den Schuhen durchs Wohnzimmer.
Sie würde perfekt aussehen und Christian somit den Kopf verdrehen. Holly grinste in sich hinein, als sie zehn Minuten vor Acht ihre Handtasche packte und ihr Make Up im Spiegel checkte. Ihre Frisur saß perfekt. Als sie Christians Auto vorfahren sah, atmete sie noch mal tief durch, bevor sie die Haustür öffnete und langsam zu ihm lief.
Holly öffnete die Beifahrertür und ließ sich auf den Sitz sinken. "Na", lächelte sie und grinste Christian an. Er schien sprachlos zu sein, denn er starrte sie an, ohne etwas zu sagen. "Schläfst du?", neckte Holly ihn, woraufhin er schnell den Kopf schüttelte und peinlich berührt seinen Blick abwandte.
Holla, sie schien ihm wirklich zu gefallen. Holly lächelte in sich hinein, während sie durch die Nacht fuhren.
"Wohin geht es eigentlich?", fragte Holly ihn neugierig und musterte ihn von der Seite.
"Wir wollten uns in einer Bar treffen. Dann kannst du endlich mal meine Freunde kennen lernen. Du wirst sie mögen, wart ab". Christian schien seine Sprache wieder gefunden zu haben. Holly murmelte bloß ein leises "mh", bevor sie weiterhin aus dem Fenster schaute. Es war fast komplett dunkel draußen und die Straßenlaternen erhellten die kaum befahrenen Straßen.
Eine gute Viertelstunde später hielt das Auto vor einem Gebäude. Von innen drangen bunte Lichter nach draußen. Holly sah auf, als Christian ihr die Autotür öffnete und ihr - ganz der Gentlemen - eine Hand hinhielt. Schweigend ergriff sie seine dargebotene Hand. Deutlich spürte sie seinen Blick, der sie förmlich auszog. Christian schien ziemlich angetan von ihrer verführerischen Aufmachung, was Holly ein leises Lachen entlockte.
"Darf ich bitten?" Christian hakte sich bei ihr unter und gemeinsam betraten sie die Bar.

Mäßig laute Musik schlug Holly entgegen. Die bunten Lichter tanzten über die Wände und Möbel. Es waren einige Leute am tanzen, aber zu dieser frühen Stunde traute sich noch nicht jeder auf die Tanzfläche. Zielstrebig zog Christian sie zu einem großen Tisch in der hintersten Ecke, an dem ziemlich viele Leute saßen. Oh je - das sollten alles Christians Freunde sein? So viele? Holly klopfte das Herz bis zum Hals, als sie neben Christian an den Tisch trat.
"Leute, darf ich euch die bezaubernde Holly vorstellen?" Alle Augen waren jetzt auf sie gerichtet und Holly merkte, wie sie langsam rot wurde. Bezaubernd? Was sollte das nun bitte heißen? Sie starrte Christian fragend an, damit sie nicht die freundlichen Blicke der Anderen erwidern musste. Aber er schien nicht vor zu haben, ihr eine Erklärung abzuliefern. Christian drückte sie auf die große Eckbank und ließ sich neben sie fallen.
Sofort begannen die Fremden, sich ihr vorzustellen. Sie schienen alle nett zu sein - fast alle. Da gab es ein paar Mädchen, die sie ziemlich böse musterten. Weil Christian sie bezaubernd genannt hatte? Holly hoffte nicht, dass sie sie deshalb so böse musterten. Aber höchstwahrscheinlich war genau das der Grund.

Der Abend verging wie im Flug und schon war es kurz vor zwölf. Holly war schon ein wenig angeheitert und drückte sich gegen Christian, der liebend gern seine Besitzansprüche klärte. Wenn ein junger Mann versuchte, sich an Holly ranzumachen, erhielt er prompt einen eisigen Blick von Christian.
Als Holly ihren Blick durch die Bar schweifen ließ, blieben ihre Augen an einer hübschen Blondine hängen, die geradewegs auf ihren Tisch zu kam. Sie hatte nur ein knappes Kleid an und trug ihre Handtasche über der Schulter. Ihre Haare gingen ihr fast bis zum Bauch und ihre blauen Augen lagen auf Holly. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als die Blondine ihre Augenbrauen zu einem merkwürdigen Blick verzog.
Christian drehte sich um und blickte die Schönheit nun direkt an. "Da bist du ja, ich hab schon gedacht, du kommst gar nicht mehr". Er machte Platz und schob Holly somit ein Stück zur Seite, weg von ihm.
"Das ist übrigens meine beste Freundin Charly", stellte Christian die mysteriöse Frau endlich vor. Holly nickte ihr schüchtern zu, während Charly eine Reihe an makellosen, weißen Zähnen sehen ließ. Auf einen Mann musste sie wirklich wie zum Anbeißen wirken. Und Christian schien ganz hin und weg zu sein.
Den ganzen Abend lang waren die beiden in angeblich wichtige Gespräche vertieft und Holly hatte langsam keine Lust mehr, nutzlos in der Gegend herum zu sitzen.
"Macht es dir was aus, wenn ich jetzt gehe? Ich bin müde und will nichts anderes mehr als schlafen", schrie sie Christian ins Ohr. Mittlerweile war die Musik so laut, dass man sich nicht mehr normal unterhalten konnte, weshalb Christian und Charly enger zusammen gerückt waren.
Überrascht schaute er zu Holly auf. Er hielt sie am Handgelenk fest. "Warte!", rief er ihr über die Musik zu. Holly sah noch, wie Charly erneut ihre Augenbrauen zusammen zog und riss sich von Christian los. Sie merkte, dass er ihr folgte, aber das war Holly egal. Sie wollte nur noch weg, und das so schnell wie möglich.

Die kalte Nachtluft schlug Holly entgegen, als sie auf den Gehsteig trat. Keine zwei Sekunden später stand Christian hinter ihr und fasste sie erneut am Arm.
"Holly", keuchte er außer Atem. "Was ist los?" Seine Stimme war sanft und besorgt zugleich. Holly schüttelte den Kopf. Sie wollte jetzt nicht darüber reden, sonst hätte sie sich nicht mehr beherrschen können. Es wäre ziemlich unklug gewesen, Christian fiese Dinge an den Kopf zu werfen.
"Holly, rede mit mir", flüsterte er eindringlich und drehte sie zu sich um. Nun war Holly dazu gezwungen, ihm in die Augen zu sehen.
"Was soll schon sein?", fragte sie ihn schnippisch. Das Grün ihrer Augen blitzte mörderisch und Christian schaute sie verwirrt an.
"Du hast doch irgendetwas", seufzte er resigniert. "Ich bring dich nach Hause, wenn du schon gehen willst". Er hörte sich ziemlich entschlossen an, aber Holly wollte nur noch alleine sein.
"Danke, nicht nötig", sagte sie bestimmt und befreite sich aus seinem Griff. "Mein Fräulein, es kommt gar nicht in Frage, dass du um diese Uhrzeit noch alleine draußen herum läufst. Ich fahre dich". Nun hörte sich seine Stimme bedrohlich an. Unwillkürlich zuckte Holly zusammen.
"Ist dir kalt?", fragte Christian leise und legte ihr seine Jacke um die Schultern, die sie dankend annahm. Eigentlich war ihr gar nicht kalt gewesen, aber es war doch eine süße Geste von ihm, ihr seine Jacke anzubieten.
Langsam liefen die beiden zu Christians Wagen, der direkt um die Ecke stand. Am liebsten hätte Holly ihm so viele Dinge an den Kopf geworfen. Aber sie schwieg beharrlich. Ganz der Gentlemen hielt er ihr die Tür des Autos auf. Keiner sprach ein Wort. Es war auch irgendwie gar nichts zu sagen.
Eine gute halbe Stunde später fuhr der Wagen vor Hollys Wohnung vor. "Ich begleite dich noch zur Tür", sagte Christian bestimmt und öffnete ihr die Wagentür, bevor sie sich überhaupt abschnallen konnte. Immer noch schweigend standen die beiden vor der Haustür. Holly wusste nicht, was sie hätte sagen können. Zu tief saß die Verletzung, die sie an diesem Abend erlebt hatte.

Kapitel 13


"Holly..." Christians Stimme war leise, als er anfing, zu sprechen. "Ich weiß zwar nicht, was dir über die Leber gelaufen ist, aber ich hoffe doch, dass du mit mir darüber redest, wenn du das Bedürfnis danach hast. Bitte rede mit mir, wenn es dir nicht gut geht". Seine Stimme war schon fast ein Flehen. Eisig nickte Holly ihm zu und kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Haustürschlüssel.
"Na dann", murmelte sie und wollte die Tür aufschließen, als Christian plötzlich ihren Kopf in beide Hände nahm und sie verlangend küsste. Überrascht ließ Holly ihre Handtasche fallen. Es tat so gut, Christians Zuneigung zu erfahren, vor allem nach diesem Abend. Ihm war sicher nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sein Verhalten verletzt hatte. Vielleicht fand er aber auch gar nichts dabei.
Langsam löste Holly sich von ihm. "Christian... nicht jetzt. Bitte. Ich muss alleine sein und nachdenken". Der junge Mann zog eine Augenbraue nach oben. "Allein sein und nachdenken also", murmelte er. So ganz schien er ihr das nicht abzunehmen, aber das war ihr egal.
"Darf ich mit rein kommen?", fragte Christian unvermittelt und Holly seufzte theatralisch.
"Na gut, tu was du nicht lassen kannst", murrte sie und schloss die Haustür auf. Christian Heathman in ihrer Wohnung - wow.

Holly warf ihre Handtasche auf die Couch, während sie sich Christians Jacke von den Schultern nahm und ebenfalls auf die Couch legte. "Fühl dich wie zu Hause", sagte sie und verschwand in der Küche. Christian ließ sie im Wohnzimmer zurück. Er würde sich schon zurechtfinden, beschloss sie. Immerhin war er selbstständig und konnte ihr folgen, wenn er ein Problem hatte. Wie auf Kommando stand er in der Tür, als Holly sich umdrehte.
Christian hatte sich locker in den Türrahmen gelehnt, beide Hände in den Hosentaschen. Er hatte sich die Schuhe ausgezogen und stand nur in Socken vor ihr, was Holly irgendwie total irritierte. Und dieser Blick! Er stand dort und starrte sie an. Verwirrt schaute Holly zurück, aber Christian schien nichts sagen zu wollen.
Holly wandte sich ab und wühlte im Kühlschrank. Es ging nichts über einen Mitternachtssnack. "Soll ich dir etwas helfen?", durchbrach Christians tiefe Stimme das Schweigen.
"Wobei denn?", antwortete Holly und schaute ihn kurz an, bevor sie eine Schüssel voll Kartoffelsalat auf den Tisch stellte. "Willst du auch was?", fragte sie ihn und hob erneut den Blick. Christians braune Augen waren immer noch auf sie gerichtet und sein animalischer Blick begann, ihr Angst zu machen.
Langsam schlich er auf sie zu, wie eine Raubkatze, jederzeit zum Sprung bereit. "Ich habe durchaus Hunger, aber nicht auf so etwas Profanes". Holly zuckte zusammen und starrte die Schüssel an. Was hatte er da gerade gesagt? Dass er Lust auf sie hatte? Auf sie?

Das war unmöglich. Das konnte gar nicht sein.
Christian hatte den Tisch erreicht und legte sanft eine Hand auf Hollys Schulter. "Irgendetwas ist doch mit dir, das spüre ich ganz genau. Du kannst mir alles erzählen Holly. Bitte rede mit mir", sagte er butterweich, aber Holly spürte genau, wie Christian versuchte, den rauen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen. Doch es gelang ihm nicht und Holly hörte ihm die Erregung deutlich an.
Sie atmete tief durch, bevor sie ihren Blick hob und Christian böse anfunkelte. "Ganz ehrlich, du hast mich den ganzen Abend nicht mehr angeschaut, nachdem deine tolle Freundin aufgekreuzt ist. Ich war Luft für dich und hab nur noch herumgesessen. Und da soll ich fröhlich sein? Wirklich? Das war der beschissenste Abend, den ich seit langem hatte". Holly musste schlucken, um ihre Tränen zurückzuhalten, die unweigerlich in ihr aufstiegen. Christian sagte nichts dazu. Er schien zu überlegen, ob er Holly wirklich ignoriert hatte. Typisch Mann, natürlich fand er das nicht schlimm.
"Wenn das so ist, dann tut mir das aufrichtig leid", schnurrte er anzüglich und nahm ihre Hände in seine. "Aber lass uns nicht mehr darüber reden. Jeder Gedanke, den du daran verschwendest, ist unnötig". Sanft aber bestimmt drängte er sie gegen die weiße Küchenwand. Was hatte er jetzt vor? Doch nicht etwa... oh nein.
Holly legte ihre Hände an Christians Brust und er umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen. "Ich hab den ganzen Abend nur an dich gedacht, auch wenn ich nicht mit dir geredet habe. Zwischen Charly und mir ist überhaupt nichts - komm ja nicht auf die Idee, dass da etwas sein könnte. Und seit ich dich das erste Mal gesehen habe, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf Holly. Wie du mich schon wieder anschaust... ich könnte dich hier und jetzt einfach nehmen, so eine Wirkung hat dein Blick auf mich".
Nach diesem Geständnis war Holly erst einmal baff. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Vor allem der letzte Satz ließ sie erröten. Christian schien kein braver Junge zu sein, das hatte sie schon vorher erahnen können. Aber dass er doch so ein Typ von Mann war, daran hatte sie bisher nicht gedacht.
Holly schluckte und starrte ihre Hände an, die immer noch auf seiner Brust lagen. Kein Wort kam über ihre Lippen. Zu geschockt war sie über das, was er gesagt hatte. Christian hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an, sodass sie in seine braunen Augen schauen musste.
"Tut mir leid, wenn ich dich überrumpelt habe, aber in deiner Gegenwart fällt es mir sehr schwer, mich unter Kontrolle zu halten", murmelte er entschuldigend und ließ schließlich von ihr ab. "Wir können ja noch einen Film schauen, wenn du Lust hast. Ich wette, du hast ein paar gute Filme". Und schon war er wieder im Wohnzimmer verschwunden. Holly stand immer noch wie versteinert an der Küchenwand und starrte gegen den beigen Schrank. War das alles gerade wirklich passiert? Was, wenn sie mitgespielt hätte? Wäre sie dann mit Christian im Bett gelandet? Der Gedanke schmerzte. So gerne hätte sie ihn wieder gespürt, aber sie wusste nicht, ob es richtig war. Ob Christian überhaupt der Typ war, der zu ihr passte und derjenige, dem sie ihr Herz schenken wollte. Sie musste es wohl oder übel darauf ankommen lassen.

Langsam ließ Holly sich auf das dunkelblaue Ledersofa fallen und zog ihre Beine an den Bauch. Christian durchwühlte eifrig ihre DVD-Sammlung nach einem guten Film. Holly besaß hauptsächlich Liebesfilme und Romanzen, bei denen am Ende immer die Tränen in Strömen flossen. Umso länger Christian ihren Schrank durchsuchte, desto peinlicher wurde es ihr. Sicher hatte er keine Lust auf einen romantischen Film und schon gar nicht auf ein Liebesdrama.
"Was hältst du von dem?", fragte er Holly und hielt ihr den Film "Bad Teacher" vor die Nase. "Wieso nicht...", murmelte sie und starrte die DVD-Hülle an. Christian deutete das als Ja und legte die DVD in den Player ein. Der Vorspann war wie gewohnt ziemlich langweilig und dauerte fast ganze zehn Minuten. Holly hatte inzwischen eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank geholt, da Christian sie gefragt hatte, ob sie etwas Alkoholisches im Haus hätte.
Das Weinglas in der Hand, kuschelte sie sich ein bisschen an Christian. Männer waren beim Filme schauen doch sowieso immer die tollen Typen, die ihre Frauen vor den Monstern in den Filmen beschützten. Darüber musste Holly unwillkürlich lächeln. Christian schien genau so ein Mann zu sein, wie sie sich das gerade ausmalte.
"Was gibt es da zu grinsen?", flüsterte er und zog sie näher zu sich. Holly kicherte leise vor sich hin und drehte ihren Kopf so, dass sie Christian in die Augen schauen konnte. Der Wein machte sie lockerer, als sie eigentlich war. Sie heftete ihre grünen Augen an seine Braunen und stellte vergnügt fest, dass er seinen Blick nicht mehr von ihr lösen konnte. Bevor sie sich versah, drückte er sanft seine Lippen auf ihre.
Holly entfuhr ein erneutes Kichern, als Christian sie küsste. Er löste sich von ihr und musterte sie mit gerunzelter Stirn, während ebenfalls ein Grinsen auf sein Gesicht trat. "Was ist so amüsant?", fragte er sie mit hochgezogenen Augenbrauen, woraufhin Holly noch mehr lachen musste.
"Ich glaube ich hatte zu viel Wein", lallte sie und legte ihren Kopf an Christians muskulöse Brust. Der Film begann und die beiden wurden wieder ernst. Ab und zu mussten die beiden wirklich lachen - einige Szenen waren zu komisch. Holly fühlte sich in Christians Armen pudelwohl und legte irgendwann, ohne dass sie es bemerkte, ihre Hand auf die Innenseite seines Oberschenkels.
Christian hielt die Luft an, als Holly ihre Hand auf sein Bein legte. Sie rührte sich nicht mehr und beobachtete weiterhin den Fernseher. Langsam entspannte sich Christian wieder, aber er konnte sich nicht mehr auf die Handlung konzentrieren. Hollys Hand auf seinem Oberschenkel lenkte ihn viel zu sehr ab. Er merkte, wie ein warmes Gefühl von ihm Besitz ergriff. Unwillkürlich schauderte er. Was machte sie nur mit ihm? Noch nie hatte eine Frau solch eine Wirkung auf ihn gehabt. Es war wirklich verrückt.

Der Abspann lief und Holly hatte es sich mittlerweile so gemütlich gemacht, dass sie nur ungern von Christians Schoß rutschte. "Mag weiter kuscheln", murmelte sie verschlafen und legte ihre Arme um Christians Taille. "Du musst ins Bett", lächelte er und befreite sich aus ihrem Griff, bevor er sie an der Küche vorbei in Richtung Schlafzimmer trug. Holly wies ihm den Weg zu der weißen Tür, die sich ganz am Ende des Gangs neben dem Badezimmer befand.
Christian stieß die Tür auf und trat mit dem Fuß dagegen, damit sie wieder zu ging. Holly grinste ihn unentwegt an. Sie schien sich schon das folgende Szenario auszumalen. Sanft legte er sie auf dem Bett ab und deckte sie zu. Er wusste, dass Schlaf jetzt das beste für sie sein würde. Obwohl er ihr nicht widerstehen könnte, wenn sie ihn anmachen würde.
"Kuscheln", flüsterte Holly und streckte ihre Arme nach ihm aus. "Nein, schlafen", lächelte er liebevoll und nahm ihre Hände, deren Handrücken er zärtlich küsste. War Holly so etwas wie seine Freundin? Wollte sie das überhaupt? Unwillkürlich seufzte er auf. Seine gute Laune war mit einem Mal einer trübseligen Stimmung gewichen.
"Ich sollte nach Hause gehen, es ist schon halb vier", murmelte er und machte Anstalten, Hollys Hände los zu lassen. "Nein, nicht gehen!", rief sie schockiert, richtete sich auf und zog Christian an den Armen zu sich herunter. "Du kannst mich nicht alleine lassen". Schimmerten da etwa Tränen in ihren Augen? "Du hast zu viel getrunken", stellte er nüchtern fest und nahm ihren Kopf in seine Hände. Sofort entspannte sie sich ein wenig. Solange er bei ihr war, schien es ihr also gut zu gehen.
"Bitte bleib heute Nacht da", flehte Holly und schaute tief in seine braunen Augen. Christian musste wohl oder übel ihren Blick erwidern. Die großen, grünen Augen schienen ihn schon fast aufzufressen, so eindringlich war Hollys Blick.
"Na gut", seufzte er ergeben, zog seine Hose und sein Hemd aus und legte sich neben Holly ins Bett. Sofort kuschelte sie sich an ihn und drückte ihren Kopf an seine muskulöse Brust. So konnte sie am besten schlafen - beschützt von ihrem Helden - Christian.

Die hellen Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster, als Holly ihre Augen öffnete. Sie spürte Christians warmen Körper neben sich. Vorsichtig drehte sie sich zu ihm um, darauf bedacht, ihn nicht aufzuwecken.
Christian schien noch tief und fest zu schlafen. Seine schwarzen Haare waren zerzaust wie immer und auf seinem Gesicht lag ein entspannter Ausdruck, den sie bisher noch nie an ihm beobachtet hatte. Seine nackte Brust war gebräunt und muskulös. Erst jetzt konnte Holly ihn in aller Ruhe betrachten. Er war wirklich mehr als gut gebaut. Sicher ging er mehrmals die Woche ins Fitnessstudio.
Leise stand Holly auf und tapste auf Zehenspitzen aus dem Schlafzimmer. Christian schien den Schlaf dringend nötig zu haben, so tief und fest wie er schlummerte. Holly fröstelte, da sie nur in Unterwäsche war - das Kleid hatte Christian ihr am Vorabend ausgezogen, bevor sie an ihn gekuschelt eingeschlafen war.
Holly lief ins Bad, holte sich ihren Morgenmantel, damit ihr nicht mehr so kalt war, und tapste in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Wenn sie erst mal Koffein intus hatte, war mit ihr gleich viel mehr anzufangen. Sie lauschte dem leisen Rattern der Kaffeemaschine, bis das komplette Wasser durchgelaufen war. Dann holte sie sich eine Tasse aus dem Schrank und setzte sich mit ihrer Kaffeetasse auf einen Stuhl in der Küche.
Sie wollte Christian nicht aufwecken und blieb somit die nächste Viertelstunde in der Küche sitzen. Mittlerweile war es schon halb Elf, wie ihr ein Blick auf die Uhr verriet. Sollte sie ihn wecken? Sicher hatte er noch etwas anderes zu tun, als den ganzen Tag zu verschlafen.
Holly stellte ihre leere Tasse in die Spüle und ging zurück ins Schlafzimmer, um nach Christian zu sehen. Dieser schlummerte immer noch tief und fest. Die Bettdecke war so verrutscht, dass seine blau-grün karierten Boxershorts zu sehen waren. Außerdem konnte sie deutlich seine Morgenlatte erkennen, die sich unter dem Stoff abzeichnete. Grinsend setzte sie sich neben ihn und beobachtete ihn kurz.
Als sie ihm durch die pechschwarzen Haare strich, seufzte er leise und öffnete schließlich seine Augen.
"Wie spät ist es?", fragte er und drehte sich stöhnend auf den Rücken, während er sich streckte. Er sah ziemlich fertig aus - anscheinend war er ein Mensch, der mehr Schlaf brauchte, als Holly.
"Kurz vor elf", sagte sie und hielt ihm den Wecker unter die Nase. Er stöhnte erneut auf und drehte sich schließlich zu ihr um. "Wie lange bist du schon wach? Hast du mich etwa beobachtet?" Fast hörte er sich schon geschockt an, woraufhin Holly leise kichern musste. "Ich bin auch erst vor zwanzig Minuten aufgewacht. In der Zwischenzeit hab ich mir aber schon einen Kaffee gemacht. Keine Angst, alles ist noch dran...", grinste sie und blickte kurz zu seinen Boxershorts.
Christian musste ebenfalls grinsen. "Da bin ich aber froh, dass du mir nichts abgebissen hast", scherzte er, bevor er sie mit einem undurchdringlichen Blick musterte. Holly konnte ihren Blick nicht von ihm wenden. Seine braunen Augen strahlten so eine Wärme aus, dass sie sich automatisch geborgen fühlte. Sie legte sich neben ihn und er zog sie in seine Arme. Etwas hartes drückte gegen Hollys Oberschenkel, was sie zu ignorieren versuchte. Aber es wollte ihr nicht gelingen. Instinktiv hob sie ihr Knie und drückte sanft gegen Christians Boxershorts.
Überrascht zog dieser die Luft durch die Zähne. "Holly...", begann er leise, aber sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Pssst", flüsterte sie und schloss ihre Augen. Sie wollte einfach nur seine starken Arme um sich spüren. Holly drückte ihr Gesicht an seine Brust und merkte, wie er langsam begann, sich zu entspannen.
Holly drückte ihr Knie fester zwischen seine Beine. Leise stöhnte er auf. "Holly", sagte er nun etwas lauter. Aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen, indem sie ihm einen Kuss auf den Mund drückte. Als sie ihr Knie ruckartig nach oben bewegte, rollte sich Christian schlagartig auf sie und nagelte sie auf der Matratze fest, während er ihr in die Augen sah. Holly schloss ihre Augen, als sein Mund immer näher kam. Als seine Lippen ihre berührten, wusste sie, dass es um sie geschehen war.


Kapitel 14


"Kommst du?" Christian stand in der Wohnungstür und schien ziemlich ungeduldig zu sein. Vor einer knappen Stunde hatte Lilly angerufen, weil sie sich mit den beiden treffen wollte - es schien etwas Wichtiges zu sein.
Holly stand noch im Bad. "Komme gleich!", rief sie gestresst und versuchte vergeblich, sich die Wimpern zu tuschen, ohne sich dabei den Pinsel ins Auge zu stechen. "Mist", fluchte sie leise vor sich hin, bevor sie schnell Puder auflegte, ihre Tasche sowie Jacke schnappte und sich auf den Weg zu Christian machte.
Sein Gesichtsausdruck zeigte sich schon viel milder, als sie auf ihn zugeschlendert kam. "Wir müssen uns wirklich beeilen, Lilly wartet seit zehn Minuten. Und sie hasst

warten", seufzte er und schob sie aus der Tür, bevor er diese zuzog und Holly in Richtung Auto dirigierte.

Die Fahrt war ruhig verlaufen. Die beiden hatten nicht viele Worte gewechselt, aber trotzdem war die Stille keineswegs unangenehm gewesen. Als Christian den Wagen vorfuhr, stand Lilly schon in der Tür und hüpfte aufgeregt auf und ab.
"Was gibt es denn?", fragte Christian sie, als er neben Holly auf sie zuschlenderte.
"Du wirst es nicht glauben, aber Michelle wird uns besuchen kommen! Und das beste - sie möchte das nächste halbe Jahr an der HMW studieren! Ist das nicht unfassbar toll?" Lilly platzte fast vor Freude, während Christian sie mit einer Mischung aus Verachtung und Ungläubigkeit anglotzte.
"Du willst damit sagen, dass Michelle das nächste halbe Jahr bei uns wohnen und an die gleiche Uni gehen wird, wie wir? Wieso erfahre ich das erst jetzt?", wetterte er unvermittelt. Seine braunen Augen schienen aus Eis zu bestehen, so kühl musterte er Lilly.
"Freust du dich denn gar nicht?", hauchte sie ein wenig beschämt und schaute auf den Boden.
"Mich freuen? Dass meine Exfreundin ein halbes Jahr bei mir wohnen wird? Wirklich?" Holly schluckte. Da lag also das Problem - diese Michelle war seine Ex. Und sie würde mit ihm unter einem Dach wohnen. Ein halbes Jahr lang. Scheiße.
"Auf jeden Fall wollten wir eine Überraschungsparty für sie vorbereiten". Lilly schaute Christian unsicher an, dieser zog seine Augenbrauen nach oben.
"Sie kommt heute Abend", flüsterte Lilly, die ahnte, dass Christian gleich in die Luft gehen würde.
Dieser stieß aber nur ein wütendes Schnauben aus, bevor er die beiden Frauen stehen ließ und im Haus verschwand.
"Was hat es mit dieser Michelle auf sich?", fragte Holly leise und schaute Lilly mit einer Mischung aus Trauer und Eifersucht an. "Mach dir keine Sorgen um sie", versuchte Lilly ihre Freundin zu beruhigen. "Sie wollte mich einfach besuchen, das ist alles. Wir haben uns schon so ewig nicht mehr gesehen".

Die Vorbereitungen für die Party vergingen wie im Fluge. Lilly hängte Laternen im Wohnbereich auf, während Patrick und Christian losgefahren waren, um Süßigkeiten und Alkohol zu kaufen. Seit dem Vorfall an der Haustür hatte er kein Wort mehr mit Holly gewechselt. Aber sie versuchte, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
Es war schon kurz vor sechs, als Lilly lachend in die Hände klatschte. "Fertig Leute! Super, wir haben es geschafft".
Holly ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. Am liebsten würde sie jetzt schon nach Hause fahren schlafen gehen, aber sie wollte diese Michelle kennen lernen. Und sie vor allem von Christian fern halten, so gut wie es eben ging.
"Magst du mitkommen, wenn ich Michelle vom Flughafen abhole?" Lilly schaute Holly schon beinahe unschuldig an. "Nein, danke. Lass mal. Ich bleib lieber hier und ruh mich aus". Zugegeben, Holly war schon sehr geschafft, aber sie wollte die Möglichkeit nutzen, mit Christian zu reden. Vielleicht war das der letzte ungestörte Moment der beiden für die nächste Zeit.

Christian stand in der Küche und befüllte Glasschüsseln mit Süßigkeiten und Chips. Holly lehnte sich in die Küchentür und beobachtete ihn.
"Was willst du?", fragte er barsch, ohne sich umzudrehen. "Keine Ahnung", antwortete Holly wahrheitsgemäß. "Ich sehe schon, du willst nicht gestört werden". Sie drehte sich wieder um und wollte ins Wohnzimmer zurücklaufen, doch Christian hielt sie auf.
"Holly..." Er suchte fieberhaft nach einer Erklärung. "Im Moment ist das nicht gerade einfach für mich. Mit dem Gedanken klar zu kommen, dass die Frau, mit der ich drei Jahre lang zusammen war, plötzlich wieder mit mir unter einem Dach wohnt... am liebsten würde ich sie nie wiedersehen, glaub mir". Seine Stimme war leise und eindringlich. Er stand vor Holly und blickte ihr in die Augen. Keiner sagte ein Wort. Holly wusste nicht, was sie hätte erwidern sollen.
"Nun... okay", stammelte sie ein wenig verwirrt und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Christian seufzte, dann breitete sich ein scheues Lächeln auf seinem Gesicht aus. "Bitte lass dich von dem Gedanken, dass Mitch hier ist, nicht beeinflussen. Ich will, dass sie merkt, dass wir beide..." Er hielt inne. "Sind wir eigentlich... also... zusammen?", fragte er sie leise. Er wurde sogar ein bisschen rot. War ihm das etwa peinlich? 'Oh Gott, wie süß', schoss es Holly durch den Kopf, bevor sie anfing, zu kichern.
"Schön, dass ich dich amüsiere", grinste Christian kopfschüttelnd, hob sie unvermittelt hoch und hängte sie sich über die Schulter.
Christian trug die protestierende Holly ins Wohnzimmer, die immer wieder versuchte, seinem Griff irgendwie zu entkommen.
"Lass mich sofort runter!", kreischte sie lachend und haute ihm auf den Po, was aber nichts brachte. Christian ließ sie schließlich herunter, und zwar so, dass sie eine Art Handstand hinlegte. Er hielt sie fest, sodass sie nicht auf den Kopf fiel.
"Du sollst mich andersrum herunterlassen, du Dummkopf!", kicherte sie, woraufhin er sie so geschickt wieder hoch zog, dass sie erneut anfing, zu lachen. Schließlich stellte er sie wieder auf die Füße und grinste sie an.
"Auf dem Kopf gefällst du mir aber auch gut", murmelte er, bevor er ihr einen leidenschaftlichen Kuss aufdrückte.
In diesem Moment fiel die Wohnzimmertür ins Schloss. Erschrocken lösten sich die beiden voneinander. Lilly stand im Raum. Und neben ihr eine der hübschsten Frauen, die Holly jemals gesehen hatte.

"Darf ich dir Michelle vorstellen?", ergriff Lilly nach ein paar Sekunden des Schweigens die Initiative. "Michelle, das ist Holly". Michelle ging ganz wie von selbst auf Holly zu und bedachte diese mit einem herablassenden Blick.
"Michelle, schön, dich wiederzusehen". Er nickte in Richtung Holly, die neben ihm stand, während er Michelle unentwegt in die Augen schaute. "Meine Freundin, Holly".
Michelles Blick wurde eisig. Ohje, also schien ihr noch etwas an Christian zu liegen. Eilig schaute Holly weg, doch sie spürte immer noch Michelles brennenden Blick auf sich.
"Lilly, kann ich kurz mit dir reden?", fragte Christian mit samtweicher Stimme, bevor er seine Schwester in die Küche zog. Nun war Holly alleine mit dieser Frau. Der Abend konnte nicht mehr Schlimmer werden.
"Süße", fing Michelle an, während sie Holly betrachtete, als wäre diese ein kleines Kind, dem man alles zehn Mal erklären musste. "Hör mir ganz genau zu. Ich bin natürlich nicht ohne eine bestimmte Absicht hierher gekommen. Und diese Absicht lautet, Christian wieder für mich zu gewinnen. Du stehst mir dabei im Weg. Also schlage ich vor, du lässt deine dreckigen Pfötchen von ihm und machst dich aus dem Staub, bevor ich dir das Leben zur Hölle machen kann".
Etwas verdattert schaute Holly sie an. Hatte sie das wirklich gerade gesagt? Normalerweise hätte sie nachgegeben und an sich selbst gezweifelt, aber in diesem Moment fielen ihr Christians Sätze von vorhin wieder ein.
"Jetzt hörst du mir mal zu". Hollys Stimme war total ruhig, wie die Ruhe vor dem Sturm. "Christian und ich sind sehr glücklich zusammen. Aber wir lassen uns nicht von dir stören. Er kann dich gar nicht leiden und war überaus enttäuscht, als Lilly ihm erzählt hatte, was für eine Schlampe

zu Besuch kommt". Holly hatte das Wort Schlampe extra betont, um Michelle sprachlos zu machen, was ihr auch gelungen war.
Diese wollte gerade zum Gegenangriff ansetzen, doch in diesem Moment kamen Lilly und Christian wieder aus der Küche.
"Ich sehe, ihr beide habt euch gut unterhalten", flötete Lilly, während Michelle ihr Barbielächeln wieder aufsetzte und sie herzlich anstrahlte. "Natürlich, Holly und ich wir werden uns super verstehen", hauchte sie gekünstelt und positionierte sich so, dass Christians Blick direkt auf sie fiel.
"Das hat sich eben aber anders angehört". Holly stemmte die Hände in die Taille. "Eben meintest du noch, ich soll mich aus dem Staub machen, bevor du mir das Leben zur Hölle machst. Entweder du hast starke Stimmungsschwankungen, oder du bist eine echt gute Lügnerin", sagte Holly mit kühler Stimme. Normalerweise ging sie Konflikten immer aus dem Weg. Was war nur in sie gefahren?
Jetzt schaute Christian Michelle direkt an. "Du bist noch genauso lieb wie damals", lächelte er, doch sein Lächeln triefte vor Sarkasmus. "Deshalb werde ich das nächste halbe Jahr wohl bei Holly wohnen. Ich hatte sowieso vor, bei ihr einzuziehen".
Holly hätte am liebsten die Augen aufgerissen und laut "WAS?" geschrien, doch es sollte sich wie eine beschlossene Sache anhören, weshalb sie nur bedächtig mit dem Kopf nickte.
Christian setzte sein Siegerlächeln auf und schaute Michelle triumphierend an. "Du bist ja sowieso wegen Lilly gekommen und nicht wegen mir, von daher wird es dir ja bestimmt nichts ausmachen, wenn ihr beiden Mädels mehr Zeit füreinander habt".
Michelle kochte vor Wut. Vergeblich versuchte sie, ihren Ärger hinter einer Fassade von Professionalität zu verbergen, was ihr aber gründlich misslang.
Insgeheim musste Holly lächeln. Christian schien wirklich nichts mehr für sie zu empfinden. Er drehte sich zu ihr um und versuchte, etwas aus ihrer Miene zu lesen, doch Holly wandte den Blick ab und musterte Lilly, die abseits stand und das Szenario mit gerunzelter Stirn beobachtete.
"Lass uns gehen", riss Christians Stimme Holly aus ihren Gedanken. Er schob sie sanft, aber bestimmt Richtung Tür, die er nach sich laut ins Schloss fallen ließ.
"Der haben wir es aber gezeigt", grinste er fröhlich und zog seine Jacke an, bevor er zu seinen Schuhen griff und Holly ein schiefes Lächeln schenkte.

Kapitel 15


Holly war sich nicht sicher, ob Christian wirklich zu ihr ziehen wollte. Hatte er das einfach so gesagt oder war das sein Ernst? So gut kannten sie sich auch wieder nicht. Obwohl... immerhin waren sie schon miteinander im Bett gewesen. Unsicher folgte Holly ihm zu seinem Auto, dessen Tür er ihr aufhielt - ganz der Gentlemen.
Nach ein paar Momenten des Schweigens ergriff Christian schließlich das Wort. "Es macht dir doch nichts aus, wenn ich für ein paar Tage oder Wochen bei dir wohne, oder?" Holly schüttelte den Kopf. Sie war unfähig, etwas zu sagen. Natürlich würde es ihr nichts ausmachen - immerhin würde sie Christian kaum dieser Schlampe aussetzen wollen. Da war es ihr schon lieber, wenn er etwas mehr Zeit mit ihr verbrachte.

Impressum

Texte: Jane Doe
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2012

Alle Rechte vorbehalten

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