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„Na, nur Elefanten tragen länger was?“ kichernd zog ein ehemaliger Kunde von mir davon. Ich, Caro, im achten Monat schwanger, dick wie ein Nilpferd. Im dritten Monat hatte mich mein Frauenarzt schon Krank geschrieben und seitdem bestand mein Tag aus Fernsehen, Fruchtsäften und Essen. Es war Sommer, Glück für mich, denn meine Füße passten vor lauter Wassereinlagerungen in keinen festen Schuh mehr. Die Knöpfe meines immer gern getragenen Kleides(das einzige was noch etwas passte), nähte ich in regelmäßigen Abständen wieder an. Eine falsche Bewegung und sie schossen wie Pfeile durch die Gegend. Zu Lachen gab es über mich immer etwas. Nun denn, hatten die Anderen ihren Spaß, so zog es mich emotional immer mehr hinab.27 Kilo hatte ich schon zugenommen, würde das Kind nicht bald kommen, würde es mit einem Knallgeräusch bei meiner Explosion auf die Welt fliegen, hörte ich Freunde sagen. Wieder Gelächter,… wieder ein Schritt für mich weiter runter in den Wahnsinn.
Mitten in der Nacht setzten mit zweiwöchiger Verspätung dann endlich die Wehen ein. Mein Ehemann fuhr mich schlaftrunken, mit noch riechender Bierfahne ins nahegelegene Krankenhaus. Nach 12 Stunden Quälerei hatte ich nach einem Kaiserschnitt dann endlich meinen Sohn Mirko zur Welt gebracht. 4570 Gramm brachte er auf die Waage, stolzes Gewicht, doch müssten es nicht viel viel mehr sein, damit ich wenigstens dick aussah und nicht fett? Mit gebeugtem Körper schlich ich durch die Säuglingsstation, meine Narbe zwickte noch sehr. „Na Frau Schmitt, nun haben sie es ja auch bald geschafft!“ hörte ich einen Arzt hinter mir sagen. Ich drehte mich zu ihm um, streckte mich so gut es ging in die Länge, schaute ihm tief in die Augen und fragte ihn ob er mich verarschen wollte. Mein Kind war immerhin schon drei Tage auf der Welt….! Mit rotem Kopf schlich er sich davon.
Ich stand vor dem Badezimmerspiegel und heulte. Dicken Tropfen kullerten über meine strammen Wangen nahm einen Sprung übers Doppelkinn und ertranken im Handwaschbecken. Ich war fett!!!
„Mit dem Stillen, purzeln auch die Pfunde“, hörte ich so manch einen sagen. Das mit der Brust, dem Anlegen, all das hatte nicht geklappt und nun bekam mein geliebtes Kind die Flasche und ich würde niemals mehr schlank werden? Ein Heulflash nach dem Anderen durchzog mich.
Zuhause angekommen, sattelte ich die Pferde, schnallte mein Kind in seinem Wagen fest und ging spazieren, das wäre doch gelacht, dachte ich mir. Also zog ich los, 2 Kilometer in die eine Richtung, mit dem Bus dann die Selben 2 wieder zurück. „Der Mirko weinte so fürchterlich, da musste ich schnell zurück“ belog ich die Anderen und vor allem mich selbst.
Das Kind gedeihte prächtig, meine Pfunde verließen mich wenn überhaupt nur in Dreimonats Rhythmen. Nach einem –Ich –hab-Blähungen-Marathon-Geschrei, saß ich abends auf der Couch und stopfte mir ne Tüte Chips rein und spülte sie mit Cola runter. Meine Augen rot vom Weinen, meine Gedanken tötend, jedem der mir zu Nahe kam. Nach der zweiten Tüte wurde mir so schlecht, dass ich zur Toilette musste um mich zu übergeben. Sowie es rein ging, so kam es nun auch fast vollständig wieder heraus. Wow, dachte ich, das war ja gar nicht schwer! Von diesem Abend an, wurde das zu einer Art Dauereinrichtung. Essen, kotzen, Essen, kotzen….. Niemand bekam davon etwas mit doch dass etwas nicht stimmte sah man mir nach einigen Wochen an. „ Mensch, wie viel hast du denn schon abgenommen?“ wurde ich gefragt und innerlich blühte mein Herz auf. Auf die Frage wie ich das denn schaffte, antwortete ich immer wieder….“So ein Baby lässt einem ja kaum Zeit zum Essen“…
Einige Wochen wiederholte ich diese Prozedur bis ich schlanker war als vor der Schwangerschaft. Ich kaufte mir tolle Röhrenjeans, trug zum ersten Mal in meinem Leben Stiefel und fühlte mich rundum wohl. Als ich mein Traumgewicht erreicht hatte aß ich wieder ganz normal, mein Leben fühlte sich so neu an, ich wurde mir anderen Augen gesehen, es wurde nicht mehr hinter meinem Rücken getuschelt und auch wurde ich nicht mehr verachtend angesehen.
So Traurig es auch Klingen mag, aber wir sind von einem Teil der Gesellschaft umzingelt die dicke Menschen nur nach ihrem Aussehen und nicht nach ihren inneren Werten beurteilen.

ENDE

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Tag der Veröffentlichung: 15.12.2010

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