Cover

Prolog



Ein Vampir. Er war doch tatsächlich ein Vampir. Und ich war in riesiger Gefahr. Und das nur, weil ich mich stur auf einen Deal eingelassen hatte. Doch warum hatte ich das getan? Um Brendan zu beeindrucken? Ich konnte mir nichts vormachen, ich hegte seit dem ersten Moment, als ich ihn sah, Gefühle für ihn. Das gab es öfter in der Welt. Viele Teenager konnten sich einfach nicht entscheiden, ob sie Gefühle haben oder nicht. So sagen sie es zumindest. Aber kann man sich wirklich entscheiden, welche Gefühle man möchte? Oder ist es so, dass es jemanden unvorbereitet trifft. Bei mir war es so. Doch es war kein kleines Teenagererlebnis, sondern ein gefährliches und atemberaubendes Abenteuer.
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Es war ein sehr gewöhnlicher Abend. Ein Samstag mit meinem festen Freund im Kino. Was hätte da denn schief gehen können? Wir waren bereits zwei Wochen zusammen und es verlitt mir immer noch eine Gänsehaut, wenn ich ihm in die Augen sah. Seine Augen waren anders. Sehr schmalgeformt und äußerst dunkel. Es war fast unheimlich, doch ich wusste natürlich, dass ich mich nicht fürchten musste. Er liebte mich schließlich und wenn er wissen würde, dass ich Angst vor ihm hatte, würde er mich so dolle auslachen, bis ich mich endgültig und wahrhaftig in Grund und Boden geschämt hatte. Seine schwarzen Haare waren wie immer hochgestylt und seine Röhrenjeans saß wie immer zu eng an seinen Hüften. Ich mochte seinen Modestil nicht sehr gern. Diese hautengen Hosen und diese T-Shirts mit dem Aufdruck „Hausaufgaben gefährden meine Gesundheit“ fand ich kindisch und irgendwie nicht anziehend. Diese engen Sachen machten aus ihn ein halbes Mädchen. Aber das alles würde ich ihn natürlich niemals sagen, schließlich war er mein Freund und wollte mit Sicherheit nicht wissen, dass ich ihn nicht begehrte.
Als wir nach Hause fuhren, schaute ich still aus dem Autofenster hinaus und das Schweigen umhüllte die Dunkelheit. Ich schaute nicht nach draußen um irgendetwas zu beobachten, nein, ich schaute nach draußen, um nicht vollkommen bescheuert dazusitzen und zu grübeln, was ich mit ihm bereden sollte. Er war unnatürlich still- für ihn unnatürlich. Er war eigentlich eine richtige Labertasche. Das er jetzt nicht sprach, verwirrte mich und ich durchforstete mein Gehirn um den Grund zu finden, was ich getan hatte. Ich hatte allen Anschein nach die Stimmung verdorben. Doch ich fand einfach nichts, was ich getan hatte und so schaute ich ihn schließlich ins Gesicht. Er schaute mich nicht an, sondern schaute weiterhin durch die Windschutzscheibe. Klar- er wollte schließlich kein Unfall bauen, denn er fuhr.
„Was ist los?“, platzte es mir heraus.
„Was soll los sein?“, fragte er mit heiserer Stimme.
„Ähm.. du bist so Schweigsam...“, erklärte ich und kam mir vollkommen bescheuert vor.
Plötzlich fuhr er rechts ran und ich schaute mich verwirrt um. Wir waren an einem Waldrand und ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus.
„Wir sollten weiterfahren, ehe meine Mutter..“ Ich ließ meinen Satz unbeendet, als ich sah, dass Josh sich abschnallte und sich zu mir beugte. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und seine Lippen pressten sich an meine. Verdammt, was hatte er bloß vor?! Noch bevor ich diesen Gedanken in meinem Kopf abgespielt hatte, wusste ich was er vorhatte, denn er knöpfte bereits meine Bluse auf. Ich wehrte ihn sanft ab und glaubte, dass er sich sofort zurückzog. Doch dem war nicht so, er wurde nun grober und riss an den Knöpfen herum.
„Nein!“, schrie ich, als ich merkte, dass jeder Widerstand zwecklos war, denn er war einfach zu stark. „Lass das!“ Ich versuchte es immer wieder, doch er hörte nicht auf. Dann riss er meine Hose auf und seine gleich danach ebenfalls. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, versuchte ihn zu schlagen und zu treten, damit er endlich von mir abließ. Doch er hielt mühelos meine Handgelenke fest und drückte gewaltsam meine Schenkel auseinander. Es war so widerlich, als ich ein Stöhnen seinerseits hörte und ich musste mein Popcorn wieder herunterschlucken, was mir drohte hochzukommen. Ich bewegte mich nicht mehr, ich hatte keine Kraft, um mich weder verbal noch körperlich zu wehren. Ich ließ es einfach über mich ergehen. Als er von mir abließ und ich hörte wie meine Beifahrertür aufging, dachte ich die Polizei hatte mitbekommen, dass ich vergewaltigt werde, doch es war immer noch Josh der mich aus den Auto hob und mich auf das Gras legte. Ohne ein weiteres Wort stieg er in den Wagen ein und brauste mit quietschenden Reifen davon. Er hatte mich vergewaltigt, Josh hatte mich vergewaltigt. Nur daran dachte ich die ganze Zeit, bis sich meine Augenlider senkten und ich den Schmerz den ich empfand, in einem bösen Alptraum wiederspiegeln sah.
Plötzlich spürte ich kein Gras mehr unter meinem nackten Körper und meine Augen flogen auf. Ich schaute hinunter, ich schwebte über den Boden. Natürlich war dem nicht so und so schaute ich schnell zur Seite. Ich blickte in das Gesicht eines völlig fremden Mannes. Er schaute mich nicht an, er ging einfach schnurstracks weiter ohne mich eines Blickes zu würdigen. Als würde er nicht merken, dass ich wach war. Er sah sehr gut aus. Braune Haare, die ihm leicht über seine unverkennbaren blauen Augen fielen. Seine Lippen waren wohlgeformt und seine Nase war ebenfalls makellos. Kein einziges Härchen konnte ich erkennen, seine bleiche Haut schien glatt und ebenmäßig. Ich spürte den drang sein Gesicht zu ertasten, um mich zu vergewissern, dass meine Spekulationen tatsächlich wahr waren. Doch natürlich ließ ich meine Hände dort wo sie waren- bei mir. Dann plötzlich realisierte ich, dass ich vollkommen nackt in den Armen eines wildfremden Mannes lag.
„Lass mich runter“, bettelte ich heiser und zitternd. Da erst merkte ich, dass mit eiskalt war. Wie lange hatte ich schon in der Kälter gelegen?
„Psscht“, machte er beruhigend. „Hab keine Angst. Ich tue dir nichts. Ich bringe dich in Sicherheit.“
Seine stimme war nicht milde schön, aber das lenkte mich nicht von meiner Furcht ab, dass mich ein Mann berührte.
„Nein, ich traue dir nicht. Lass mich runter!“, rief ich und hatte bereits Tränen in den Augen. Aufgeschreckt von meiner übertriebenen Angst schaute er mir in die Augen.
„Hey, ganz ruhig. Ich schwöre dir, dass ich dir nichts tue. Ich helfe dir“, sagte er nochmals und dann hörte ich auch schon eine Autotür aufschlagen. Ich zuckte bei diesem Geräusch zusammen.
Behutsam legte er mich auf den Rücksitz und ging dann zum Kofferraum. Kurze Zeit bekam ich wieder Panik, dann war er wieder bei der Tür und legte mir sanft eine Wolldecke über den Körper. Dann schlug er die Tür zu und nahm vor dem Steuer seinen Platz ein. Ich hörte nur das beruhigende Surren des Wagens, dann schlief ich auch schon wieder ein. Er würde mich ins Krankenhaus oder zur Polizei bringen, dann war ich sicher, dachte ich. Doch dieser Gedanke war vollkommen falsch.
Denn als ich aufwachte, war ich ganz und gar nicht im Krankenhaus und schon gar nicht bei der Polizei. Ich spürte das weiche Bett auf dem ich lag, nirgends eine Unebenheit auf dem Bettlaken. Die Decke war leicht und weich, sodass ich am liebsten wieder eingeschlafen wäre. Doch Furcht drängte sich in mein Bewusstsein und ich riss die Augen auf. Sofort setzte ich wie von der Tarantel gestochen auf und schaute in das Gesicht des jungen Mannes von der schlimmsten Nacht meines Lebens. Nicht dieser Mann war daran Schuld, sondern der andere Mann, Josh. Doch DIESER sah mich liebevoll und mitfühlend an und setzte sich langsam auf die Bettkante.
„Wo..wo bin ich? Ich muss nach Hause!“, rief ich hysterisch.
„Alles ist gut. Du bist in Sicherheit“, sagte er in beruhigendem Tonfall.
„Ja, ja schön. Aber ich will nach Hause“, beharrte ich.
„Das geht aber nicht. Ich muss etwas mit dir besprechen“, erwiderte er.
„Was?! Nein, lass mich gehen!“, ich bekam immer mehr Angst, obwohl es eigentlich gar kein Grund dafür gab.
Er kam auf mich zu nahm eine meiner Hände in seine und strich ganz zärtlich über meinen Handrücken. Verwirrt schaute ich ihn an. Seine Haut war wahrhaftig glatt und auf einer gewissen Art weich. Als ich plötzlich die Bilder vor meinen inneren Auge sah, als Josh meine Hände nahm, damit ich mich nicht mehr wehren konnte, entriss ich ihm mit einen Aufschrei meine Hand.
„Fass mich nicht an!“, brüllte ich.
„Es tut mir leid, das wollte ich nicht“, sagte er schuldbewusst. „Ich wollte dich nur beruhigen. Du musst wirklich keine Angst haben.“
„Verschwinde!“, schrie ich ihn an. Kurz ballte er seine Hände zu Fäusten, doch ohne ein weiteres Wort, ging er aus dem hellen Zimmer. Schlechtes Gewissen. Das war mein erster Impuls. Er hatte mich scheinbar das Leben gerettet, sonst wäre ich erfroren in dieser Eiseskälte. Er war sehr liebevoll mit mir umgegangen und ich schrie ihn hier so an. Sehr ungehobelt und unverschämt von mir musste ich mir selbst zugestehen. Doch was erlaubte er sich, meine Hand zu berühren? Warum brachte er mich denn nicht nach Hause oder ins Krankenhaus oder zur Polizei? Ich wurde einfach nicht schlau aus diesen fremden, sonderbaren, wunderschönen jungen Mann, der mir mein Leben gerettet hatte.
Ich schaute an mir herab. Er hatte mich angezogen. Ich lag in Jogginghose und Top im Bett. Noch mehr schlechtes Gewissen überflutete mich und ich wollte mich auf der Stelle entschuldigen. Also stand ich auf und wollte gerade zur Tür, da stand er auch schon wieder vor mir und musterte mich argwöhnisch.
„Hinsetzen“, wies er mich an.
Seine Stimme klang auf einmal nicht mehr freundlich, sondern eiskalt und fordernd. Ich tat was er verlangte und krümelte mich halb auf dem Bett zusammen.
„Also du willst es nicht auf die sanfte Tour, dann werde ich eben strenger“, sagte er dann.
„Strenger? Weißt du eigentlich hab ich nicht die leiseste Ahnung wovon du-“
Er unterbrach mich. „Mund halten. Ich möchte, dass du jetzt das tust, was ich dir sage, egal um was es geht. Keine Widerrede, kein Betteln und keine Heulaktionen, klar?“
Was ist bloß aus dem netten Mann von eben geworden?
„W-w-was?“, stotterte ich und kam mir dabei vollkommen bescheuert vor, doch ich hatte plötzlich Angst vor diesen Mann.
Er ging nicht darauf ein. „Wie heißt du?“
„Hope“, antwortete ich mit fester Stimme und schaute ihn finster an. Wen er das konnte, konnte ich es schon lange. Meine Furcht war tief vergraben.
„Hoffnung? Warum haben dir deine Eltern solch einen Namen gegeben?“, fragte er. Es hörte sich an, als interessiere es ihn wirklich.
„Man dachte, dass ich meine Geburt nicht überleben konnte und es war wirklich knapp, aber meine Mutter hatte nie die Hoffnung aufgeben und deswegen hat sie mich Hope genannt“, antwortete ich schlicht.
„Hm, der Name gefällt mir. Ich heiße Brendan“, erwiderte er. Seine Stimme ist schon sanfter geworden, als sie zuvor war.
„Wie hast du mich gefunden?“, flüsterte ich.
„Ich war gerade ein bisschen spazieren und da habe ich dich entdeckt.“
„Spazieren? Es war doch nachts?“, fragte ich verwirrt.
„Ja, spazieren und jetzt hör auf Fragen zu stellen. Ich bin dran. Wie bist du dahin gekommen?“
„Mein.... Freund und ich waren auf den Weg nach Hause, da...“, fing ich an zu erklären, musste dann aber schweigen, um nicht weinen zu müssen.
„Ich weiß, was er mit dir gemacht hat“, sagte er nun sehr sanft und setzte sich zögernd neben mich, um einen Arm um meine Schulter zu legen. Ich zuckte bei dieser Berührung kurz zusammen, dann hatte ich mich im Griff.
„Woher weißt du das denn?“, fragte ich dann mit brüchiger Stimme. Vielleicht kannte er Josh und dieser prahlte schon damit herum, mich vergewaltigt zu haben.
„Naja, hübsche Mädchen legen sich ja für gewöhnlich nicht nackt in de Nacht auf den eiskalten Waldboden. Außerdem haben sie keine...“, er kämpfte gegen den unerklärlichen Zorn an, den er nun verspürte. Warum machte IHN das so sauer? Er kannte mich doch nicht. „..Verletzungen wie du sie hast.“
Ich wusste was er meinte. Ich hatte gespürt, dass ich Blutergüsse an Händen und Schenkeln bekommen würde, so sehr hatte Josh Gewalt angewendet. Unverzüglich wurde mir so schlecht, dass ich meinen Kopf schütteln musste und somit die bösen Erinnerungen verscheuchen konnte, um mich nicht übergeben zu müssen.
„Es tut mir sehr leid“, flüsterte er ernst und irgendwie hörte ich heraus, dass er nicht nur die Vergewaltigung meinte.. da war noch irgendetwas anderes, wofür er sich entschuldigte, ich hatte jedoch keinerlei Ahnung wofür.
„Danke das du mich gerettet hast. Ohne dich würde ich da draußen immer noch liegen“, sagte ich und schaute ihm in seine Augen.
„Kein Problem“, sagte er leicht abwesend, dann schüttelte er den Kopf und stand auf.
„Also du ziehst jetzt etwas Schickes an und dann gehen wir beide Essen“, sagte er und wollte gerade gehen.
Wie bitte?! Ich wurde gerade vergewaltigt und er wollte mit mir Essen gehen?! Und dann auch noch obwohl er fremd war und mich noch nicht mal gefragt hatte. Doch dann fiel mir nur ein Einwand ein, was ich ihn an den Kopf warf. „Ich habe keine Kleidung hier.“
„Alles im Schrank“, sagte Brendan grinsend und zeigte auf den großen Schrank. Was sollte das denn? Er hatte extra für mich Kleider gekauft oder war er so ein Perverser der andere Mädchen gerne einschloss und sonst was mit ihnen anstellte. Letzteres verbannte ich sofort aus meinen Kopf. Obwohl ich ihn nicht lange kannte, konnte ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.
Nachdem ich mir eines der wunderschönen Kleider angezogen hatte, mich ein wenig geschminkt und die Haare gemacht hatte, stand ich startbereit im Raum und wartete auf Brendan. Ich wusste nicht, ob ich aus den Zimmer heraustreten durfte. Dann mit einem Klopfen kam er hereinspaziert und auch er sah sehr hübsch aus. Er trug einen Smoking, doch bei ihm sah es lässig und kein bisschen versteift aus. Es sah atemberaubend gut aus. Er lächelte mich an und schaute kurz auf meinen Körper.
„Du siehst wunderschön aus, Kitty“, sagte er.
„Du siehst auch sehr.... Kitty?“, fragte ich nach. Kitty hieß Kätzchen, das wusste ich, doch warum nannte er mich so?
„Ja, Kitty. Heute als du aufgewacht warst, warst du echt wie ein kleines Kätzchen. Wolltest unbedingt nach Hause und warst echt niedlich dabei. Deswegen nenne ich dich Kitty“, erklärte er lächelnd.
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Du machst dich doch nicht etwa über mich lustig?“
„Keines Falls. Wollen wir nun? Ich habe reserviert“, sagte er und reichte mir eine Hand. Ich zögerte, dann nahm ich doch seine Hand und er führte mich aus den geräumigen Haus hinaus.
Ich fühlte mich eigentlich ziemlich wohl so eng neben ihn. Aber das dürfte niemals so sein. Verdammt Hope, der Kerl ist vielleicht ein Perverser! Damit würdest du schon zwei dieser Sorte kennen!, versuchte mir mein Verstand einzuflößen, doch ich mochte keine Angst verspüren. Er hatte mir das Leben gerettet, also würde er es nicht zerstören. Langsam steuerten wir zum gutbesuchten Restaurant und ich sah schon von außen, dass das ganz sicher keine kleine Kneipe war, indem es ein paar fettige Pommes gab. Aber das hatte ich natürlich auch erwartet, schließlich hatte ich ein Kleid an, womit man sich mit Sicherheit eine Kneipe kaufen könnte. Er führte mich durch die Tür und sofort kam die Empfangsdame auf uns zu geschlendert. Natürlich fand sie ihn wahnsinnig gutaussehend. Ihr Lächeln war so grotesk breit, sodass ich ihr am liebsten Wasser ins Gesicht geschüttet hätte, um sie wieder in die Realität zurückversetzen zu können. Sie war mit Sicherheit gerade in ihrer persönlichen Traumwelt.
„Ich hatte reserviert. Zwei Personen. Unter den Namen Stanfour“, sagte Brendan höflich.
„Äh ja, ja folgen sie mir“, antwortete die Empfangsdame leicht benebelt und brachte uns zu einen sehr hübschen Tisch in einer Ecke des riesigen Restaurants. Als ich mich hinsetzten wollte, zog Brendan den Stuhl zurück und als ich saß, zog er ihn wieder ran. Er war ein wirklicher Gentleman.
„Du wirst wohl nicht oft ausgeführt“, stellte Brendan als auch er saß fest.
„Doch. Ab und zu schon. Aber bestimmt nicht, in solch ein Nobelrestaurant. Wie viele Sterne hat das?“, fragte ich entrüstet und schaute mich noch einmal um.
„Fünf. Aber lass uns nicht über das Restaurant sprechen, Kitty. Erzähl mir etwas von dir.“
„Was soll ich dir denn von mir erzählen?“ Ich wusste wirklich nichts, was ihn hätte interessieren können.
„Na, zum Beispiel wie alt du bist“, antwortete er lächelnd.
„17. Und du?“
„Rate mal“, sagte er schmunzelnd.
„19?“
Er lachte auf. „18. Aber nah dran.. eigentlich.“
„Eigentlich?“, hakte ich nach. Er sprach so geheimnisvoll, sodass ich diese kleine Wort einfach hinterfragen musste.
„Egal. Das wirst du schon früh genug erfahren. Also Hope, hast du Geschwister?“, fragte er weiter.
„Ja, wenn du einen Drogenjunkie als Bruder bezeichnest“, sagte ich bitter.
„Oh, Drogenjunkie? Und er ist dein großer oder kleiner Bruder?“
„Mein großer“, antwortete ich mechanisch. Ich wollte wirklich nicht über Mike reden.
„Und dann kann er nicht auf dich aufpassen?! Dann hält er es nicht für nötig dir diesen beschissenen Vergewaltiger vom Hals zu halten?! Stattdessen pumpt er sich lieber mit Drogen voll, stimmts?!“, sagte Brendan wutentbrannt. Ich lehnte mich auf den Stuhl zurück und war vollkommen geschockt über seinen Ausraster. Ich musste mich nicht umschauen, um zu wissen, dass uns jeder einzelne der um uns herumsitzt, anstarrt. Aber ich konnte mich darauf auch nicht konzentrieren. Ich schaute in seine Augen und lehnte mich noch weiter zurück. Aus den strahlend blauen Augen, waren doch wirklich funkelnd orangefarbene Katzenaugen geworden, die mich fesselten. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und davon gelaufen, doch aus irgendeinen Grund konnte ich nicht. Wie gebannt schaute ich auf seine Augen und ich wusste nicht wie das sein konnte.
Er sah wie ich mich zurücklehnte, schüttelt kurz den Kopf und seine Augen waren wieder blau.
„Verzeihung“, er räusperte sich. „Aber eigentlich bin ich gar nicht besser, als dein jämmerlicher Bruder. So wie du da gestern lagst, so hatte ich meine Schwester vor vielen Jahren auch aufgefunden. Nur das es bei ihr zu spät war. Es war im Winter und sie ist erfroren.“ Er ging sich mit der Hand durch das Haar. Was war er bloß? Und was wollte er denn von mir? Diese Fragen brannten in meinem Kopf, als ich immer noch die orangefarbenen Augen aus der nahen Vergangenheit vor mir sah. Doch dann tauchten auch noch andere Fragen in mein Gedächtnis auf, die mich selbst schockten. Was könnte ich tun, damit es ihm besser ging? Wie konnte ich ihm sagen, dass es nicht seine Schuld war?
Er sah mich an und ich schaute zurück. „Du bist wunderschön, Kitty“, sagte er plötzlich und mein Herz fing auf merkwürdige Art schneller an zuschlagen.
„Ähm, danke“, konnte ich nur antworten und schaute dann verschämt zu Boden.
Als ich wieder aufschaute, war die Kellnerin vor uns und betrachtete Brendan mit verführerischen Lächeln. Er grinste höflich zurück.
„Was darf es denn sein, mein Herr?“, fragte sie. MEIN Herr? Hat die was nicht mitbekommen oder bin ich auf einmal unsichtbar? Aus irgendeinen Grund, und ich hatte keinerlei Ahnung was er war, war ich plötzlich wütend auf die durchschnittliche Kellnerin. Was glaubte sie wer sie ist?!
„Für mich nichts, danke. Aber die hübsche Dame hier hätte einen Wunsch“, sagte Brendan unbeirrt und lächelte mich an. Seine blauen Augen strahlten und seine weißen Zähne blitzten. Ja, ich hatte einen Wunsch. Ihm näher zuko-. Moment, was dachte ich denn da gerade?! Schnell schüttelte ich den Kopf und richtete meinen Blick wieder auf die Kellnerin, die sind nun widerwillig zu mir gewand hatte.
„Was darf es denn sein?“, fragte sie desinteressiert und starrte auf ihren Block.
„Was haben Sie denn zur Auswahl?“, fragte ich.
„Vieles. Suppe, Fisch, Fleisch-“
Ich unterbrach sie als sie ihre auswendig gelernten Liste runterratterte. „Eine Suppe, bitte. Haben Sie Gemüsesuppe?“
„Ja, natürlich. Kommt sofort. Und etwas zu trinken?“, fragte sie gespielt höflich, doch ich sah ihr an, dass sie mich als Rivalin betrachtete.
„Eine Sprite. Danke“, sagte ich schaute sie finster an. Sollte sie nur merken, dass mir nichts entging. Brendan kicherte so leise, dass man es fast nicht hörte.
„Und Sie?“, fragte sie verführerisch zu Brendan gewannt.
„Nein, danke“, antwortete und schaute mich an. Als sie fort war, verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Du machst den Eindruck, als ob das oft vorkommt, dass eine Frau bei dir landen will. Bist schon ziemlich gut, wenn’s ums Abwimmeln geht.“
„Hast du ein Problem damit, Kitty?“, flüsterte er mir sanft zu und lächelte mich wieder an.
„Womit soll ich ein Problem haben?“, stellte ich eine Gegenfrage. Ich war total verwirrt, so fesselte mich sein Blick.
„Na, dass mich so viele Frauen anhimmeln“, antwortete er kichernd.
„Warum sollte ich ein Problem damit haben?“, fragte ich und schaute ihn mit hochgezogenen Brauen an.
„Hätte ja sein können..“, nuschelte er.
Ich räusperte und suchte nach einen anderen Thema. Ich konnte mich jedoch kaum konzentrieren, denn ich spürte den Blick von Brendan.
„Wann darf ich nach Hause? Oder eher was willst du noch von mir?“, fragte ich offen. Ich wollte keine Spielchen. Ich wollte Fakten auch wenn diese vielleicht sehr angstvoll ausfallen würden.
„Ich werde dir einen Deal vorschlagen. Du hast Zeit dich zu entscheiden, ob du das machen möchtest oder eben nicht. Es bleibt dir überlassen, aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir helfen würdest“, antwortete er und schaute mich prüfend an. „Also.. ein alter... Bekannter schuldet mir noch Geld, aber natürlich versucht er sich zu verstecken. Und na ja, du könntest mir dabei helfen, dass er aus seinem Versteck auftaucht.“
„Aha. Und wie?“, hakte ich nach.
„Du bist sozusagen der Köder. Ich meine kein Mann kann dir widerstehen“, antwortete er lächelnd.
Ich hielt bei diesen Anblick den Atem an. „Ich soll dem Mann schöne Augen machen und ihn somit ins offene Messer laufen lassen?!“
Ich glaubte gehört zu haben „Wortwörtlich...“ , aber ich war mir nicht sicher, denn das war wirklich leise.
„Und alles nur wegen Geld?“, fragte ich misstrauisch.
„Du bist sehr schwer zu belügen, Kitty. Ich hätte gedacht, es ginge einfacher“, sagte er lächelnd und schaute mich liebevoll an.
„Kannst du mir endlich die Wahrheit sagen?“, fragte ich.
„Später. Aber du solltest auch nicht jetzt auf der Stelle entscheiden. Das ist ein Tipp.“
Es wurde immer geheimnisvoller und es nervte schon, denn ich war ein ausgesprochen neugieriger Mensch.
ch verdrehte die Augen und starrte auf meine Hände. Wie viel wusste ich überhaupt über diesen Kerl? Wohl nicht genug, um ihn mein Vertrauen schenken zu können. Ich wusste, ich musste vorsichtig sein, denn wer weiß, was das für ein Typ ist. Er könnte schließlich total gestört sein.
„Worüber denkst du nach?“, fragte er mich auf einmal und ich schreckte aus meinen Gedanken heraus.
„Ich frage mich, ob ich dir vertrauen kann“, sagte ich wahrheitsgemäß.
Er schaute traurig nach unten. „Naja, also vertrauen solltest du mir nicht, aber ich verspreche dir, dass ich dir nicht wehtun werde.“
„Das reicht mir nicht“, flüsterte ich.
„Dann tut es mir leid“, antwortete er und schaute mir in die Augen.
Die Kellnerin kam herangeeilt und stellte meine Suppe und mein Getränk schnell auf den Tisch ab. Dann wandte sie sich ungeduldig an Brendan. „Kann ich ihnen wirklich nichts bringen?“ Sie hoffte anscheinend, dass er nach ihrer Handynummer verlangte, dem war aber natürlich nicht so.
„Nein, danke“, antwortete er höflich, würdigte sie jedoch keines Blickes.
Beleidigt zog sie von dannen und ich musste mir ein Lächeln verkneifen. Ich nahm den Löffel in die Hand und begann meine Suppe zu schlürfen. Eine ganz kurze Zeit lang hatte ich Angst, dass sie vergiftet sein könnte, doch das war selbstverständlich eine vollkommen absurde Vorstellung auch wenn man merkte, dass mich die Kellnerin verachtete. Merkte sie nicht, dass wir überhaupt nicht vertraut miteinander umgingen, Brendan und ich? Sie war anscheinend so neidisch, dass sie das gar nicht realisierte.
Nachdem ich meine Suppe aufgegessen hatte, Brendan diese bezahlt hatte und der Kellnerin einen bösen Blick zuwarf, als sie ein Bein ausstrecken wollte, damit ich stolperte, führte er mich nach draußen. Sie hatte das Bein sofort zurückgezogen, als sie dem äußerst wilden Blick von Brendan sah. Wie konnte man nur so furchterregend aussehen?!
„Hattest du keinen Hunger?“, fragte ich nach einer Weile.
„Ich hab schon gegessen“, erwiderte er.
„Und was?“ Verdammt ich musste meine Neugier endlich in Griff bekommen.
„Tomatensuppe“, sagte er und lachte unerwartet. Lachte er wegen meiner Frage oder war dies ein Insider, den ich niemals verstehen würde? Als ich in sein strahlendes Gesicht schaute, tippte ich auf Letzteres. Es lag nichts spöttisches in seinen Zügen. Ich meinte sogar Abscheu in seinen Blick zu sehen.
„Kann ich jetzt nach Hause? Meine Mutter macht sich bestimmt richtige Sorgen“, sagte ich und musste an meine Eltern denken, die sich wahrscheinlich mittlerweile halb wahnsinnig gemacht hatten.
„Okay, komm“, erwiderte er und hielt mir die Beifahrertür seines Autos auf. Schnell stieg ich ein und auch er nahm ein paar Minuten später seinen Platz ein.
Er war ein ausgesprochen guter Fahrer, obwohl er viel zu schnell fuhr. Er fragte mich komischerweise gar nicht, wo ich wohnte und fuhr ohne ein Wort zu meinem Haus. Verdammt, war er wirklich ein Stalker?! Ich schaute in sein Gesicht und er musterte mich ebenfalls fragend.
„Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte ich dann.
Seine Hände verkrampften sich am Lenkrad und sein Blick huschte zur Seite, damit ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich machte die Tür auf ohne auf eine Antwort zu warten, doch dann hielt mich eine kalte Hand am Arm fest. Ich blickte zu Brendan und schaute in seine blauen Augen.
„Erzähl deinen Eltern bitte nichts von mir, okay?“, forderte er sanft.
Verwirrt nickte ich und ohne nachzufragen, stieg ich aus und ging zur Tür. Sofort hörte, wie das Auto um die Kurve verschwand. Ich klingelte an der Haustür und machte mich auf den Ausbruch der elterlichen Gefühle gefasst.
Ich stand ein paar Minuten vor der geschlossenen Tür und es war immer verwirrender. Warum machte keiner auf? Waren sie womöglich bereits bei der Polizei, um mich für vermisst zu erklären? Ich stand dort und hatte keine Ahnung, was ich nun tun sollte. Ich setzte mich vor die Tür und beschloss auf meine Eltern zu warten. Es wurde langsam dunkel und ich bekam komischerweise immer mehr Angst. Seitdem ich in der Dunkelheit in dem Wald lag, hatte ich heftige Angst davor. Dann hörte ich eine vertraute Stimme und ich schaute auf. Dort stand meine beste Freundin Inka und starrte mich verblüfft an.
„Hope? Ich dachte du und deine Familie.. ich dachte ihr seid in Spanien?“
„Was?“, fragte ich verwirrt. Urlaub war nie ein Thema gewesen. Wir hatten eher wenig Geld. Und vor allem hätte ich es meiner besten Freundin persönlich gesagt.
Sie kam näher. „Na, deine Eltern haben mir gesagt, dass ihr gestern nach Spanien geflogen seid. Ich hab mich echt gewundert, dass du mir nicht selbst bescheid gegeben hast.. Warum bist du hier?“
„Äh.. ich weiß nicht wo meine Eltern sind. Ich war gestern nicht zu Hause.. meinst du sie sind ohne mich weggeflogen?“, fragte ich nachdenklich. Ich konnte mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Meine Eltern waren übertrieben ängstlich wenn es um mich ging, doch ich was sollte ein anderer Grund sein. Ich ließ es darauf beruhen.
„Wohin willst du?“, fragte ich sie und ließ mein Blick über ihre Partyklamotten schweifen. High Heels, langes Top mit schwarzen Gürtel um die Taille. Das Gesicht auffällig geschminkt. Sie wollte also nicht ihre Oma besuchen..
„Ich wollte in die Disko.. sag mal, du siehst echt umwerfend aus, möchtest du mitkommen?“, erwiderte sie lächelnd und ließ ihren Blick über mein modisches Kleid schweifen. Was hatte ich anderes zu tun?
„Klar, warum nicht?“ ich hakte mich bei ihr unter und zusammen gingen wir schlendernd zu der Disko, zu der man zu Fuß gehen konnte. Wir hatten hier echt gute Verbindungen.
Schon waren wir in der gutbesuchten Tanzmeile, wo es nur von Machos wimmelt. Na toll, dachte ich ironisch. Aber nun gut, ich musste ein bisschen Spaß haben und Inka wollte ich den Abend auch nicht verderben, wo sie mich doch schon eingeladen hatte.
Sie zog mich sofort zur Bar und setzte sich auf den Hocker. Ohne Diskussion schmiss ich mich mehr oder weniger neben sie.
„Hey Justus!“, rief sie dem Barkeeper zu. Sie war offensichtlich öfter hier, als ich erwartet hatte. Sofort schaute er zu uns und kam lächelnd auf uns zu. Über den Tresen beugte er sich vor, um Inka Küsschen auf die Wangen zu drücken. Sie war WIRKLICH öfter hier, als erwartet, so vertraut wie sie miteinander umgingen. Dann schaute er mit einem Lächeln zu mir. „Und wie heißt du?“
Ich reichte ihm die Hand und er nahm sie strahlend entgegen.
„Hope.“
Er küsste meine Hand, was mich wirklich überraschte. „Freut mich. Was kann ich euch bringen?“
„Ein Whiskey“, sagte Inka sofort.
„Eine Sprite“, bestellte ich. Justus nickte und verschwand, um uns unsere Getränke zu besorgen.
„Eine Sprite?“, fragte Inka stirnrunzelnd und zog es in die Länge.
Sie war anscheinend lange nicht mehr mit mir unterwegs gewesen, denn ich hatte mich wirklich verändert. Und schon alleine wegen Josh, wollte ich keinem Mann berühren müssen und schon gar nicht, wenn ich angetrunken war. Sofort bekam ich einen Kloß im Hals. Ich hatte die Sache mit Josh verdrängt, doch diesmal kam es wieder in mein Bewusstsein und ich musste meine Tränen verdrängen. Sollte ich meiner besten Freundin von der Vergewaltigung erzählen? Sie schaute mich fragend an. Nein, ich konnte das nicht.
„Ich hab einfach keine Lust auf Alkohol“, antwortete ich schlicht und zuckte mit den Schultern.
Sie wollte gerade auf eine Erwiderung ansetzen, da legten sich plötzlich Arme um meine Schultern und die meiner besten Freundin. Ich zuckte bei dieser Berührung zusammen und wich zurück. Ein gutgebauter, junger Mann stand da und lächelte uns an.
„Hallo Ladys.“
Inka schien ziemlich angetan von ihm zu sein und ich beschloss ihren Flirt alleine weiterzuführen. Also winkte ich kurz ab und ging dann zur Tanzfläche. Vielleicht waren hier weitere Freundinnen von mir. Doch Fehlanzeige. Mehr als die Hälfte waren Kerle. Und dann wurde ich auch schon gepackt. Von hinten machte er sich unsanft an mich heran.
. Ich schlug seine Arme weg, doch er ließ nicht von mir ab. Diese Berührung löste Panik in mir aus. Diese zwanghafte Umklammerung erinnerte mich zu sehr an die letzte Nacht.
„Lass mich los!“, schrie ich. Mehrere Leute schauten zu uns und er löste seinen Griff. Ich musste daraus. So etwas hatte ich nie empfunden. Diese Angst wenn mich ein Mann berührte. Schnell stieß ich mich durch das Menschengetümmel und bekam noch Anmachsprüche und Motzattacken hinterhergeworfen. Endlich war ich draußen und es war eine wirkliche Erleichterung. Ich konnte so viel Körperkontakt nicht ertragen. Langsam schlenderte ich die finstere Straße entlang. In diesem Fall zog ich die Dunkelheit vor. Besser als in diesen Club zu bleiben, wo es nur von potenziellen Vergewaltigern wimmelte. Vielleicht war ich aber auch nur paranoid geworden. Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und ich hielt den Atem an. Verdammt, verfolgte mich jemand? Nein, ich war wirklich paranoid. Doch dies war wohl doch nicht wahr. Ich wurde am Arm gerissen und in die nächste Gasse gedrängt. Ich wusste es natürlich nicht, aber ich war mir fast sicher, dass das der Kerl war, der mich von hinten angetanzt hatte. Kreischend versuchte ich ihn von mir weg zu schubsen, doch er ließ nicht locker. Er drängte mich gegen die Mauer und zog mein Kleid hoch. Verdammt, noch mal überlebte ich eine Vergewaltigung nicht. Noch einmal konnte ich diesen Schmerz nicht ertragen, dessen war ich mir bewusst. Er lachte, als er mir an die Brüste fasste und ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu würgen. Plötzlich hörte ich einen rauen Atem und danach ein wildes Fauchen. Erschrocken schaute ich zur Seite in die Dunkelheit. Ich erschreckte fast zu Tode als ich orangefarbene Augen leuchten sah, wie die einer Katze, wenn man sie reflektiert. Doch was mich noch mehr erschreckte, war die Tatsache, dass ich diese Augen bereits an diesen Abend gesehen hatte. Auch der Kerl vor mir schien ziemlich erschrocken zu sein, denn er ließ von mir ab und atmete schwer. Ich konnte nichts sehen, doch ich hörte Schreie und Risse neben mir hören und dann waren die Augen auf einmal auf mich gerichtet und der Mann schien nicht mehr da zu sein. Ich sah etwas rotschimmerndes auf dem Boden schwimmen und ich traute meinen Augen nicht. Das war doch nicht etwa..?! Ich drückte mich panisch an die Wand, dann spürte ich einen Arm um meine Taille und er zog mich aus der Gasse und anschließend in sein Auto. Kurze Zeit später stieg auch er ein und hatte eine mörderische Wut auf seinem Gesicht, das mich sofort zusammenfahren ließ. Das Licht im Auto war eingeschaltet und ich konnte jeden einzelnen Gesichtszug erkennen. Seine Augen waren wieder strahlend blau.
Er sah mich wartend an.
„Alles in Ordnung?“, fragte Brendan schließlich und schaute mich besorgt an.
Das konnte nicht sein ernst sein?
„Nein, nichts ist in Ordnung“, sagte ich hysterisch.
„Ich verstehe. Du hättest beinahe dasselbe erleiden müssen wie-“
Ich unterbrach ihn. „Nein, Brendan, das meine ich nicht. Ich meine.. du hast... hast du..?.. Verdammt, hast du diesen Kerl etwa umgebracht?!“
„Er hat es verdient“, antwortete hasserfüllt und startete den Motor.
Ich bekam Panik. Also war er doch ein Verrückter? Ein Stalker?
„Woher wusstest du, wo ich war?“, fragte ich sofort die zweitwichtigste Frage, die ich an ihn hatte.
„Ich hab dich nicht aus den Augen gelassen. Ich fand es ziemlich mies von deinen Eltern, dass sie einfach ohne dich nach Spanien geflogen sind.. Aber was hast du dir dabei gedacht, in einen Club zugehen ohne meine Begleitung und ohne das du es mir erzählt hast?!“, fuhr er mich an.
„Ach, brauche ich jetzt schon dein Erlaubnis, wenn ich irgendwohin gehe? Und du hast mich belauscht?!“ Wut durchströmte mich.
„Ja habe ich, aber dafür entschuldige ich mich sicherlich nicht. Kitty, ich hab dir dein Leben gerettet!“, sagte er nun sanfter.
„Ich weiß..danke“, sagte ich von ganzem Herzen. Meine Wut war verflossen und an diese ersetzte nun Dankbarkeit, obwohl ich mich vor ihn gefürchtet hatte.
Ohne ein weiteres Wort fuhr er zu seinem Haus und führte mich hinein. Dort ging ich sofort in mein Zimmer, indem ich geschlafen hatte. Ich wollte allein sein und über alles nachdenken. Wie zum Teufel hatte er mich belauscht? Inka und ich redeten sehr leise miteinander, wie also konnte er sich unbemerkt so nah an uns heranschleichen?! Und wieso war seine Haut so eiskalt und bleich wie die eines Gespenstes? Doch die wirklich wichtigste Frage war: Was war verdammt noch mal mit seinen Augen los?! Das war wirklich vollkommen unnormal. Sie wechselten so plötzlich und leuchteten so stark und dann nur, wenn er sauer war. Wie konnte er so schnell den Kerl umbringen, sodass ich nicht wirklich etwas davon mitbekam, obwohl ich nah bei ihnen stand? Das waren zu viele Fragen und ich wusste schon jetzt, dass Brendan ein Geheimnis hatte welches alles andere als so etwas wie „Ich habe meine Frau betrogen“ oder „Ich bin ein Mörder“ war. Es war schlimmer.
Leise öffnete ich die Tür und blickte mich in den hellerleuchteten Flur um. Keine Menschenseele. Langsam ging ich ihn entlang, um mich dann von einer Stimme aufgeschreckt umzudrehen.
„Suchst du mich?“, fragte Brendan amüsiert.
„Allerdings“, erwiderte ich und verschränkte entschieden die Arme.
Er kam auf mich zu und wickelte eine meiner Strähnen um seinen Finger. Ich empfand keine Angst, denn ich wusste, er würde mir nie wehtun.
„Na da hast du mich ja jetzt gefunden. Was ist los?“
„Ich habe Fragen an dich“, sagte ich.
Genervt ließ er die Hand sinken und stöhnte genervt auf. „Fragen? Ach, die hast du doch immer.“
„Bitte. Ich habe solche Angst“, sagte ich zitternd.
Er schaute in meine Augen und nahm dann mein Gesicht in seine Hände. „Du brauchst vor mir keine Angst haben. Ich tue dir nichts.“
„Ich weiß. Ich habe auch keine Angst, dass du mir etwas antust, sondern dass du dir Ärger einhandelst mit dem was du meinetwegen verschuldest“, sagte ich. Es war nicht einmal gelogen.
Er schnaubte. „Kitty, darum musst du dir wirklich keine Sorgen machen. Der Kerl hat es verdient und die Polizei findet mich nicht, versprochen.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?!“, fragte ich hysterisch. Er war zu locker in seiner Haltung. Es machte mich wahnsinnig.
Er wandte sich von mir ab. „Ach Hope, ich weiß mir schon zu helfen.“
„Okay, dann sag mir jetzt die Wahrheit. Was ist mit dir los? Wieso wechselst du deine Augenfarbe, wie kannst du so gut hören, wieso hast du so eiskalte Haut und wie kannst du dich so schnell bewegen?“, fragte ich.
Er blickte sich zu mir um und schaute mich verdutzt an. „Wir kennen uns noch nicht lange und schon bemerkst du das alles? Beeindruckend.“
„Antworte“, forderte ich.
„Kitty, das eben war Spaß. Da gibt es nichts was du bemerken kannst. Deine Augen täuschen dich, du musst zum Augenarzt.. und was meine Körpertemperatur betrifft, nun ja ich bin eben ein eiskalter Mensch.“ Er lachte. „Und mein Gehör ist gut, nur weil du durch die Welt schreist, wenn du dich mit deiner Freundin unterhältst, muss ich noch lange kein übernatürlich gutes Gehör haben.“
Ich schaute ihn zornig an. „Du weißt schon, dass ich dir das niemals abkaufen werde?“
„Musst du ja auch nicht. Deine Sache“, erwiderte er achselzuckend und wollte gerade den Flur verlassen.
„Verdammt, jetzt sag mir endlich die Wahrheit! Und sag nicht, dass ich schlechte Augen habe oder sonst so was. Ich.weiß.was.ich.gesehen.habe“, ich betonte jedes einzelne Wort als ich schrie.
Er schaute mich grimmig an und kam langsam auf mich zu. Ich rührte mich nicht vom Fleck und schaute ihn ebenfalls wütend an. Er strich mir das Haar aus dem Gesicht. Bei dieser Berührung wäre ich vielleicht bei anderen Umständen zusammengezuckt. Doch ich war so sauer, dass mir das nichts ausmachte.
„Hast du denn gar keine Angst?“, fragte er mich flüsternd. Er war verblüfft.
„Nein. Brendan, sag mir bitte die Wahrheit.“ Ich ließ mich nicht abbringen.
Er holte tief Luft, dann schaute er mir wieder in die Augen. „Glaubst du an Geister, an Trollen, an Kobolden, an Werwölfen, an.....an Vampire?“
„Nein..?“, sagte ich und schaute ihn an, als wäre er nun völlig durchgeknallt.
Doch er ließ sich von meinen Blick nicht beirren. „Hättest du Angst, wenn es eins dieser Wesen wirklich gäbe?“
Meine Verwirrung war kaum in Zaun zu halten. „Ja, natürlich, aber was soll das denn-“
Er unterbrach mich. „Vor welchen Wesen hättest du die meiste Angst?“
Ich dachte nach. „Naja, womöglich vor Vampiren. Die ernähren sich schließlich von Menschen oder mehr von deren Blut.“
Er seufzte tief. „Hast du Angst vor mir?“
„Warum sollte ich?“, fragte ich.
„Weil ich eines der gefürchteten Wesen bin. Und zwar das Wesen, wovor du am meisten Angst hättest. Hope, ich bin ein Vampir“, sagte er ernsthaft.
Ich lachte hysterisch auf und ließ mich an der Wand zu Boden sinken.
Er hockte sich hin und schaute mir ernst in die Augen.
„Aber ich würde dich niemals verletzen, Hope“, sagte er und wollte mein Gesicht berühren, doch ich schlug seine Hand weg.
„Fass mich nicht an!“, schrie ich ihn hysterisch an. Verdammt, ich hätte nie an Vampire geglaubt, doch er war kein Mensch, das konnte man sehen, also musste ich wohl oder übel glauben, dass er eines der gefährlichen Wesen war. Er seufzte traurig und richtete sich dann wieder auf.
„Du musst mir versprechen, dass du niemanden erzählst, was ich bin“, sagte er schließlich.
Ich schaute in sein Gesicht. Er sah nicht flehend aus. Es war eine Forderung gewesen.
„Warum sollte ich das für einen Vampir tun?!“, fragte ich.
„Weil ich es auch ganz anders machen kann. Ich kann dich auch kontrollieren.“
„Kontrollieren?“, fragte ich nach.
„Ich zeig es dir“, sagte er und rief dann sein Hausmädchen, die er zu meinem erschrecken auch noch hatte. Er musste echt reich sein. Sie stellte sich vor ihn.
„Ja, Sir?“
Auf einmal wurden seine Augen wieder orangefarben und er schaute sie mit starrem Blick an.
„Du wirst dich jetzt auf den Boden legen und künstlich lachen“, forderte er. Sie nickte mit glasigen Blick. Ich schaute verblüfft zu, wie die Frau wirklich das tat, was Brendan verlangte. Ich schaute ihn panisch an. Er konnte den Menschen ihren Willen nehmen?!
„Was bist du für ein Monster?!“, rief ich. Er beförderte das immer noch lachende Dienstmädchen nach draußen und kam dann zu mir.
Dann setzte er sich neben mich. „Ich weiß, dass das echt grauenvoll ist, seinen Willen weggenommen zu bekommen. Deswegen würde ich es am liebsten niemals bei dir machen. Aber Hope, du musst mir schwören, dass du wirklich niemanden von mir erzählst. Ich nickte stumm.
„Also nehme ich an, dass ich keinen Menschen heiß machen soll, damit du dein Geld bekommst? Ich meine, du brauchst ja auch keins, wenn ich mir das hier alles so ansehe..“, stellte ich fest.
„Nein, ich suche einen Vampir. Der hat schon lange verdient zu sterben“, sagte er hasserfüllt.
„Wieso?“
Er schaute mir in meine Augen. „Weil er schon mehrere Mädchen vergewaltigt und umgebracht hat.“
Ich schluckte. Er hatte aber echt nur Augen für Vergewaltiger und anschließende Mörder. Der Tod seiner Schwester musste ihn ziemlich mitgenommen haben. Er wollte nicht, dass anderen Mädchen dasselbe blüht und er setzte sich dafür ein. Ich schaute in seine strahlend blauen Augen und wusste, was ich nun sagen musste. Was meine Pflicht war. Wenn ich diese nicht eingehen würde, würde ich mir für immer Vorwürfe machen.
„Ich mach es. Der Deal gilt.“
Er schaute mich entgeistert an. „Bist du sicher?! Ich meine es ist ein Vampir.. Natürlich wirst du nicht in Gefahr geraten, dafür werde ich sorgen, aber..-“
Ich unterbrach ihn genervt. „Ich bin sicher und jetzt schlag ein.“
Ich reichte ihn meine Hand. Er schaute noch einmal nachdenklich zur Seite, ehe sein Blick wieder auf mir ruhte. Er schaute mir in die Augen und schlug ein. Seine weiche, kalte Haut kribbelte in meiner Handfläche.
„Abgemacht.“
Er befreite seine Hand von meiner und strich mir sanft über die Wangenknochen. Ich zuckte bei dieser Berührung zusammen, doch er tat so als hätte er diese Tatsache nicht bemerkt. Er schaute mir tief in die Augen und beugte sich dann vor, um mich auf die Wange zu küssen. Seine Lippen lagen sanft und weich auf meiner Haut und ich merkte ein Kribbeln. Er ließ von mir ab, stand auf und ging ohne ein weiteres Wort durch die Tür, um in das Wohnzimmer zu gelangen. Ich war völlig verwirrt. Er war ein Vampir, er hatte anscheinend Beschützerinstinkte für mich entwickelt, er hatte einen Mann umgebracht und mich auf die Wange geküsst. Ich wollte es nicht wahrhaben, doch dieser Kuss löste in mir Gefühle aus, die ich zu unterdrücken versuchte. Es war so schön, seine Lippen an meiner Wange zu spüren. Ich schüttelte den Kopf. Was war in mich gefahren?! Das war ein Vampir! Brendan war ein verdammter Blutsauger! Mit diesen Gedanken ging ich wieder in das Schlafzimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Er ist ein Blutsauger, aber ich konnte ihm vertrauen. Ich fiel in einen tiefen Schlaf und träumte von den Vampir, der mir diese Nacht abermals das Leben rettete.

Ich spürte eine kalte Hand auf meinen Gesicht ruhen und ich öffnete die Augen. Brendan saß neben mir auf den Bett und musterte mich lächelnd.
„Was ist?“, flüsterte ich.
„Es ist echt wundervoll, dich beim Schlafen zu beobachten“, sagte er zärtlich und strich mir meinen Pony aus dem Gesicht. Wir waren uns viel zu vertraut. Ich kannte ihn nicht gut genug, um ihn so nah an mich heranzulassen. Und das weitaus wichtigere: Er war ein Vampir und ihn so nah an meine Kehle zu lassen, war wirklich nicht gerade clever.
Ich setzte mich auf und rückte ein wenig von ihm weg.
„Du hast mir beim Schlafen zugesehen?“, fragte ich unschuldig, als ich sah, dass er meinen Bewegungen mit den Augen folgte.
„Ja, ich hab ja sonst nichts zu tun. Wir Vampire schlafen nur zwei Stunden“, erklärte er schmunzelnd.
„Ah“, erwiderte ich bloß. Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Es war einfach nur echt peinlich, dass er mich die ganze Zeit angesehen hatte, während ich schlief. Moment! Hatte er mich vielleicht nicht nur angesehen? Konnte er seinen Durst nicht widerstehen? Unauffällig legte ich meine Hand auf meine Kehle, um eine mögliche Bisswunde zu ertasten. Fehlanzeige.
„Ich habe dich nicht gebissen, Kitty. Eigentlich müsstest du mir mindestens so sehr vertrauen, dass du weißt, dass ich dir niemals wehtun würde“, sagte er missbilligend.
Peinlich berührt ließ ich die Hand sinken. Die Aktion war wohl nicht unauffällig genug.
„Tut mir leid“, sagte ich schüchtern.
„Kein Problem. Ich werde mir schon noch dein Vertrauen gewinnen. So, nun komm, du hast bestimmt Hunger.“
Ich nickte bloß und ließ mich von ihm in die Küche ziehen.
Ich setzte mich auf einen der noblen Stühle und sofort brachte mir das Dienstmädchen einen Teller voll mit Pfannkuchen. Sie schien wieder ganz normal zu sein. Ich bedankte mich und fing an, die Pfannkuchen zu verschlingen. Brendan setzte sich neben mich.
„Weiß sie was du bist?“, fragte ich ihn nachdem sie die Küche verlassen hatte.
„Ja“, antwortete er schlicht.
„Und ist sie freiwillig hier?“
„Ja und doch wieder nein. Also ich habe ihr einen Vorschlag gemacht, als sie herausgefunden hatte, was ich war. Entweder sie bleibt bei mir und dient mir als Hausmädchen oder ich müsste sie umbringen. Und sie hat sich entschieden“, sagte er gleichgültig.
Ich runzelte die Stirn. „Du hast sie erpresst.“
„Wenn du es so nennen magst.“
Ich hielt inne, aß dann weiter meine Pfannkuchen. „Sag mal, hast du keinen Hunger?“
Er lachte. „Nein, ich habe gestern Nacht schon etwas gegessen. Wir brauchen nicht allzu oft etwas.“
Ich schluckte geräuschvoll. Der Schock musste mir wie ins Gesicht geschrieben sein. Er hatte eine weitere Person ermordet..?
Er seufzte genervt. „Wenn du jetzt glaubst, ich hätte einen Menschen getötet, so sei gewiss, dass dies nicht der Fall ist. Ich bediene mich aus Krankenhäusern. Die haben genug Bluttransfusionen übrig.“
Ich staunte nicht schlecht über diese Aussage. „Machen das alle Vampire so? Ich meine töten sie alle keine Menschen, um ihren Durst zu stillen?“
„Nein, es gibt wenige Vampire, die so leben wie ich. Die meisten von uns sind kaltblütige Monster, muss ich zu geben. Nur wenige ernähren sich so wie ich es tue“, sagte er. Ich sah ihn an und musste lächeln. Nicht das hysterische Lächeln, was öfter zum Vorschein kam, nein, ein echtes Lächeln, was ihm zeigen sollte, dass ich echt beeindruckt war.
„Und warum lebst du so?“, fragte ich.
„Weil ich kein kaltblütiges Monster sein will. Wenn ich schon ein Monster bin, will ich wenigstens ein nettes sein.“
„Du bist kein Monster“, sagte ich. Und das war wirklich mein Ernst.
Er lächelte mich an. „Danke. Aber ich bin anderer Ansicht.“
„Du beschützt die Mädchen vor Vergewaltigern und Mördern, natürlich bist du kein Monster, sondern die, die du tötest. Die, die es verdient haben getötet zu werden, sind die Monster. Und ohne dich, wäre ich auch längst ein Eisblock. Dann wäre ich so geendet, wie Leonardo DiCaprio in Titanic, nur das ich nicht im Wasser erfroren wäre, sondern auf einem Waldboden.“
Er zuckte zusammen. Diese Vorstellung gefiel ihm offensichtlich überhaupt nicht.
„Also wann killen wir den Blutsauger?“, fragte ich nach einer Weile. Ich wunderte mich selbst, über meine Frage. Ich war eigentlich weder eine Mörderin noch war ich gewalttätig.
Er schaute auch überrascht auf. „Ich denke, wir müssen dich erst einmal trainieren.“
„Trainieren?“, wiederholte ich ungläubig?
„Ja, trainieren. Wir können uns nicht erlauben, dass du wegen jeder Berührung zusammen zuckt. Das zerstört den Plan, ihn um den Finger zu wickeln. Und glaub mir, ein Vampir, merkt schneller, dass alles nur gespielt ist, als ein Mensch.“

Mir gefiel das alles ganz und gar nicht. Brendan sagte mir, dass er mich leicht berühren wird und er es solange macht, bis ich nicht mehr zusammenzuckte. Das war nicht gut. Ich wollte nicht von einem Vampir berührt werden. Nein, eigentlich war dies nebensächlich. Ich wollte nicht von Brendan berührt werden. Nicht weil es mir nicht gefiel. Das war ja das Problem. Ich liebte es, wenn er mir über die Wange strich. Diese Tatsache durfte ich mir unter keinen Umständen anmerken lassen.
„Okay, nicht schlecht, Kitty. Versuchen wir es etwas schwerer“, sagte er und kam abermals auf mich zu. Ich stellte mich ganz aufrecht hin und machte mich auf alles gefasst. Er lächelte mich an und streichelte über mein Gesicht. Ich zuckte nicht zusammen. Das hatte er schon vor zehn Minuten bei mir gemacht. Doch dann wurden seine Augen plötzlich orangefarben. Sofort schrak ich zurück und er sah mich genervt an. Seine Augen färbten sich wieder blau.
„Brendan, verdammt. Du hast mir gesagt, dass du dieses Kontrollenzeug nicht bei mir anwendest!“, sagte ich beleidigt und geschockt.
„Kitty, ich wollte dich gar nicht kontrollieren. Du darfst davor keine Angst haben. Du musst über der Sache stehen. Du musst so tun, als sei es dir völlig gleichgültig was mit dir passiert. Okay?“
Ich nickte und stellte mich wieder vor ihn. Brendan vertraute ich, doch einem anderen Vampir.. nein, dass war definitiv unmöglich, dessen war ich mir bewusst, doch ich tat was Brendan mir aufgetragen hatte.
Wieder färbten sich seine Augen orange und sahen mich mit starrem Blick an. Nicht zusammenzucken, es ist nur Brendan. Brendan tut dir nichts, redete ich mir immer wieder ein. Es half, ich blieb dort wo ich war, wandte nicht einmal den Blick ab. Lächelnd schaute er mich an und seine Augen wurde wieder blau.
„Du machst das toll, Kitty“, lobte er mich.
„Was als nächstes?“, fragte ich eifrig. Ich mochte es, dass er mich bewunderte und die Tatsache, dass ich so empfand, gefiel mir gar nicht.
Er dachte nach. Ich sah sogar einen Konflikt in seinen Augen widerspiegeln.
Er war sich nicht sicher, ob er das, was ihm gerade durch den Kopf jagte, wirklich machen sollte.
„Brendan, denk nicht so viel nach, mach einfach.“
Er schaute mir tief in die Augen und nahm mein Gesicht in seine Hände, immer noch tobte der Konflikt in seinen blauen Augen. Er beugte sich zu mir und ich hielt den Atem an. DAS war mehr als nur streicheln. Er wollte doch nicht..?
Langsam senkten sich seine Lippen auf meine und meine Frage hatte sich damit erledigt. Sie war wie weggeblasen, wie auch die anderen ganzen Gedanken, die mir zuvor im Kopf herumschwirrten. Ich konnte an nichts anderes denken, nur daran, dass er mich drängend und doch sanft küsste. Seine Lippen waren weich und kalt und ich hatte nie etwas schöneres gespürt. Mein Herz machte Luftsprünge und ich schloss die Augen. Ich gab mich ihm hin. Plötzlich hielt er inne und löste die Lippen von meinen, um mich anzusehen. Doch ich war noch völlig benommen, dass ich meine Arme um seinen Hals schlang und seine Lippen auf meine presste. Ich wollte nicht aufhören, so wundervoll waren seine Küsse. Er erwiderte meinen Kuss und wühlte seine Hände in mein Haar. Nie hatte ich etwas vergleichbares gespürt. Nie hatte eine Berührung so viele Gefühle in mir ausgelöst. Verdammt, konnten alle Vampire so gut küssen oder lag es nur an Brendan an sich? Scheiße! Vampir? Ich küsste einen Vampir!! Die Alarmglocken schrillten in meinen Kopf und ich löste mich abrupt von ihn und torkelte einen Stück von ihm zurück, noch ganz erschrocken von meiner eigenen Tat. Was hatte ich getan?! Ich hatte einen Blutsauer geküsst. Und ich fand es auch noch wunderschön. Nein, das konnte nicht wahr sein. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und rannte durch die Tür. Brendan starrte mir nur mit leerem Blick hinterher.
Ich knallte die Schlafzimmertür hinter mir zu und schmiss mich auf das Bett. Verdammt, was hatte ich mir nur dabei gedacht?! Ich hätte ihn wegstoßen sollen, ihn fragen sollen, was das sollte, doch ich mochte es, von Brendan geküsst zu werden und das konnte ich wirklich nicht leugnen. Aber es war falsch so zu denken. VÖLLIG falsch. Ich nahm das Daunenkissen und drückte es an meine Ohren. Ich wusste nicht was ich da tat, ich wusste nur, dass ich nichts mehr hören wollte. Doch mein Wunsch wurde nicht erhört, denn ich hörte die Tür sacht aufgehen und dann genauso leise wieder zufallen. Dann sackte die Matratze unter Brendans Gewicht leicht ein. Er nahm mir sanft aber bestimmt das Kissen vom Kopf. Ich schaute ihn traurig an. Wie konnte ich mich nur so vergessen, wo wir doch nur trainiert hatten?!
„Es tut mir leid, Hope. Das war nicht richtig. Ich wollte dich nur...“ er hielt inne und atmete tief durch. „Ich wollte dich nur darauf vorbereiten, dass er dich eventuell auch küssen könnte.“
Ich nickte stumm. Und er schaute kurz zur Decke, dann wieder zu mir. Sein Blick wirkte nun undurchdringlich. „Und es hatte nichts zu bedeuten.“
„Für mich auch nicht“, sagte ich schnell. Eine glatte Lüge, wie ich mir selbst eingestehen musste.
Er nickte bloß, stand auf und verließ das Zimmer. Klasse du hohle Nuss, wie kommst du auch auf so eine dumme Idee einen Blutsauer zurück zu küssen?!
Ich mochte Brendan nicht als Blutsauger bezeichnen, doch das war er nun mal und ich war gefährlich nah an seinen Fangzähnen. Meine Gefühle spielten Karussell.

In den nächsten Tagen war Brendan so abwesend, sodass ich es fast nicht aushalten konnte. Er war eiskalt zu mir und auch seine Stimmung ließ zu wünschen übrig. Die ganze Zeit sagte er mir nur, was ich zu beachten hatte, wenn er mich berührte, doch er selbst hielt sich strikt von mir fern. Es war auch besser so. Je weiter er von mir weg war, desto klarer konnte ich denken. Wenn ich ihn dann auch nicht ansah, so war meine Gedankensicht vollkommen frei, jedoch leider nicht weniger verwirrend. Es kam mir so vor, als wolle er eigentlich gar nicht mit mir reden, denn er sprach förmlich, angespannt und gelangweilt. Ich wurde immer wütender. Ich musste diesen Job schließlich ausführen, nicht er, also konnte er mit ein bisschen mehr Motivation an die Sache heran gehen. Die Stimmung hatte nach einen paar Tagen den Tiefpunkt erreicht und ich fragte mich, wie seine Stimmung Tag für Tag düsterer werden konnte. Nachdem unser tägliches Training vorüber war, beschloss ich nicht wie üblich sofort in mein Zimmer zu verschwinden, sondern ihn zu Rede zu stellen. Ich ging selbstbewusst auf ihn zu und starrte ihn an. Seine Augenbrauen zogen sich fragend nach oben.
„Was ist los mit dir?“, fragte ich schließlich. „Seit...seit dem ..Kuss.. da verhältst du dich so abweisend gegenüber mir. Ich verstehe nicht warum.“
„Es hat nichts mit diesem Fehler zu tun, Hope. Ich will einfach nur unseren Deal zu ende bringen ohne diesen Mist, den ich selbst angezapft habe.“
Ich starrte ihn verletzt an. Fehler? Es war ein Fehler, dass er mich küsste? Na, das war mal ein Schlag unter die Gürtellinie, sodass ich dachte mein Oberkörper wurde von dem Rest meines Körpers geteilt. Was war das bloß für ein Schmerz? Warum empfand ich so? Ich konnte es mir nicht erklären, aber es tat verdammt weh, es aus seinem Mund zu hören.
„Na dann“, flüsterte ich nur und verließ den Raum. Ich konnte seinen Blick spüren, der auf mir ruhte. Er wollte nicht mehr zu mir freundlich sein?! Na, dann, Mr. Brendan Stanfour, werde ich ebenfalls den bösen Buben spielen. Mal sehen wie es dir gefällt.
Es erwies sich als erstaunlich schwer, eiskalt zu Brendan zu sein und ich musste mich bemühen die Fassade aufrecht zu erhalten. Doch ich schaffte es und auch er bemerkte, dass ich wütend war. Doch das ließ ihn kalt, es interessierte ihn gar nicht. Einen morgen hatte meine Stimmung den Tiefpunkt erreicht und ich war mir sicher, dass ich sein kühles und abweisendes Gesicht nicht noch einmal ertragen konnte, um WIRKLICH wütend zu sein. Ich schlenderte den Weg zum Keller entlang, wo wir nun schon verschiedene Kampftechniken übten, damit ich mich einigermaßen verteidigen konnte. Langsam machte ich die Eisentür auf und wusste, dass er bereits auf mich wartete. Er war immer früher da als ich. Genervt schloss ich die Tür wieder und wandte mich nun widerwillig zu Brendan. Ja, da war er wieder. Dieser abweisende, unfreundliche Blick seinerseits, der mich vor Wut schütteln ließ.
„Was muss ich heute wieder Unwichtiges machen?!“, fragte ich sauer.
Überrascht von meiner Stimmung zog er seine Augenbrauen hoch. „Alles was wir hier machen, ist nicht unwichtig. Also nehme das alles nicht zu locker, sonder bemühe dich so gut du es eben kannst.“
Ich verdrehte die Augen. „Reine Zeitverschwendung“, murmelte ich so leise, dass ich hoffte, er hatte es nicht gehört. Aber seinem Gehör entging nichts. Er knallte seine Faust auf den kleinen Abstelltisch und sah mich zornig an. Ohne meine Angst zeigen zu wollen, wich ich erschrocken von dem Wutanfall zurück. Der harte Marmortisch hatte heftige Risse, die sich bis auf den Boden ausdehnten. Verdammt, das ist ein Moment, da sollte man sich lieber verstecken. Doch ich war kein Angsthase und blieb stehen, schaute in sein vor Zorn entstelltes Gesicht.
„Na schön, Hope, wenn du dazu keine Lust hast oder es nicht ernst nimmst, dann ist der Deal Gesichte! Ich kann es mir nicht leisten eine unkonzentrierte und gelangweilte Komplizin zu haben. Und DU kannst es dir auch nicht leisten, so zu sein. Du könntest drauf gehen!“, schrie er mich an.
Ich blickte ihn eiskalt in die Augen. „Du hast selbst gesagt, dass ich so tun soll, als wäre es mir völlig gleichgültig was mit mir passiert!“ Ich versuchte seine Stimme nachzuahmen, schaffte es zu meiner Frustration aber überhaupt nicht.
Er schaute mich an, als hätte ich nichts gesagt. „So tun! Das heißt nicht, dass es dir WIRKLICH völlig egal ist was mit dir passiert, Hope.“
„Ach hör doch auf. Dir ist es doch auch egal, ob ich sterbe. Deinem Blick nach zu urteilen, würdest du mich am liebsten selbst umbringen. Ich bin nur deine kleine Puppe, die du auf irgendeinen Killervampir ansetzt.“
Er schaute mich erst wahnsinnig wütend an, dann entspannten sich seine Gesichtszüge und er kam auf mich zu. Langsam und misstrauisch ging ich rückwärts. „Bleib wo du bist!“ Wollte er mich nun wirklich töten? Waren das meine letzten Sekunden? Er hörte nicht auf mich, kam immer näher. Ein paar Zentimeter von mir entfernt, blieb er dann stehen. Ich war gegen die Eisentür gedrängt.
„Hope, wie kannst du nur denken, dass ich dich töten will, weil ich so abweisend gegenüber dir bin?!“, fragte er sanft.
„Geh weg!“, sagte ich bloß zornig.
Zu meiner Empörung lachte er leise. „Das ist meine Kitty. Ein kleines aufmüpfiges Mädchen.“
Ich schaute ihn grimmig an und schubste ihn so gut es ging weg.
Nach dieser Geste, wurde er wieder ernst. „Hope, ich war abweisend zu dir, weil ich es für das Beste hielt. Ich will nicht, dass du wegen mir Schwierigkeiten bekommst. Ich will nicht, dass du wegen uns.. ich meine wegen der Sache zwischen uns...“ Er wusste sich nicht auszudrücken.
„Hör auf! Du bist genauso wie die anderen! Du bist genauso wie Josh, mein Vergewaltiger! Ihr seid alle gleich! Wollt immer nur das eine, nehmt es auch, obwohl niemand euch eingewilligt hat! Du hast dir einfach einen Kuss genommen, der dir nicht zustand!“, rief ich.
Er schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Es sah arrogant aus. Diese Seite kannte ich nicht von ihm. Doch die zornige Seite, die nun aufbrodelte, war mir langsam vertraut. „ Vergleich mich niemals, wirklich NIEMALS mit diesen Bastard! Niemals! Außerdem hast du nicht den Eindruck gemacht, als hätte es dich gestört, von mir geküsst zu werden, als du dich an mich gepresst hast. Du bist eine verdammte Heuchlerin, Hope. Du ziehst alle Dinge so, wie du sie haben willst. Aber ich sag dir was: Du bist nicht die einzige die auf der Welt vergewaltigt wurde, also hör auf mit diesen Getue. Vielleicht wolltest du ja auch mit ihm schlafen, aber dann hast du dir überlegt, ach ne, doch nicht und hast alles wie eine Vergewaltigung aussehen lassen, genauso wie du es eben mit meinem Kuss getan hast.“
Ich konnte nicht atmen, so sehr schnürte es mir die Kehle zu, als ich vergeblich versuchte, meine Tränen zu bändigen. Wie konnte er nur so etwas sagen?! Klar, mir hatte der Kuss gefallen, doch die Vergewaltigung.. das war mein schlimmstes Erlebnis. Wie konnte er mir nur so etwas unterstellen? Mir fehlten die Worte.
Dann sah ich Verzweiflung und Reue in seinem Blick. Er schaute in meine Augen. „Oh Gott, Hope, das wollte ich nicht. Entschuldige, das war mir rausgerutscht. Tut mir furchtbar leid.“
Er streckte die Arme aus, doch ich schlug sie weg. Dann machte ich die schwere Eisentür auf und rannte in mein Schlafzimmer. Als diese verschlossen und verriegelt war, rutschte ich an der Tür hinunter und hörte dann erst auf meine Tränen zu unterdrücken.
Ich schlug meine Hände vor das Gesicht, um das Schluchzen zu dämpfen. Brendan musste es ja nicht mitbekommen, dass ich weinte, obwohl er ein schlechtes Gewissen echt verdient hatte, meiner Meinung nach. Wie konnte er mir das ohne Scham an den Kopf werfen, ohne seine Gehirnzellen anzustrengen. Das war wie ein Schlag ins Gesicht und ich dachte ich musste daran krepieren. Sicherlich war das ziemlich melodramatisch, aber irgendwie wurde ich an die Vergewaltigung erinnert und die Vorwürfe von Brendan machten diese Erinnerungen auch nicht wett. Es war einfach nur unfair und herzlos von ihm, mir so etwas zu sagen, obwohl er genau wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Es klopfte an der Tür, ich hielt den Atem an und stoppte mein Schluchzen. Kurz nach dem Klopfen, wurde die Klinke herunter gedrückt und jemand versuchte hinein zu kommen, doch ich hatte ja abgeschlossen.
„Hope? Kannst du mich rein lassen? Ich möchte gerne mit dir reden“, sagte Brendan sanft.
„Was willst du?!“, rief ich mit verheulter Stimme. Die Aggressivität, die ich eigentlich rüberbringen wollte, war damit wohl zunichte gemacht worden.
„Wie gesagt, mit dir reden und das möchte ich tun, während ich dich ansehe.“
„Ich will aber nicht mit dir reden!“, rief ich.
„Bitte. Öffne die Tür.“ Er wurde immer ungeduldiger. Wollte er mich nun doch töten?! Panik stieg in mir auf. Du wirst mich nicht töten! Eher werde ich mich selbst töten. Ich sprang auf die Füße und wühlte in den Schränken herum. Ich wusste nicht was mich dazu geritten hatte, aber ich fand, was ich suchte. Ein Taschenmesser. Ich war wie in Trance. Angst, Panik, Schmerz und Verzweiflung überfluteten mich, wie nie zuvor. Ich wollte das alles nicht mehr spüren. Ich legte mir das Messer ans Handgelenk und fügte mir tiefe Schnittwunden zu. Das letzte was ich hörte, waren Schläge an der Tür und Brendans wütende Stimme: „Hope!! Mach die Tür auf! Warum riecht es auf einmal nach Blut?!“ Dann entglitt mir mein Bewusstsein.
Ich wachte in kalten Armen auf und fühlte mich augenblicklich in Sicherheit. Ich blickte zu meinem Arm. Ein Verband drückte sich an die Wunden. Ich schaute nach oben und blickte in das besorgte Gesicht von Brendan. Eigentlich musste ich sauer auf ihn sein, aber ich war einfach nur froh, dass er da war. Auch wenn mich die Berührung in seinen Armen ängstlich erscheinen ließ.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Habe ich dich so sehr gekränkt? Bin ich etwa daran Schuld?“, flüsterte er schmerzverzerrt.
Obwohl ich ihm ein schlechtes Gewissen gewünscht hatte, nun wollte ich, dass er es nicht hatte.
„Nein,nein. Ich weiß auch nicht. Ich war vollkommen in Trance. Ich wollte meine Gefühle einfach loswerden. Und dann hatte ich auch noch paranoide Gedanken. Ich dachte du würdest mich töten wollen.“
Er sah mich schockiert an. „Wir müssen dich zum Psychologen bringen. Die Vergewaltigung ist schlimmer als es zu sein schien.“
„Ach quatsch. Die Gefühle haben mich nur kurz unterdrückt.“
„Ich werde dich auf jeden Fall nicht mehr in solch eine Lage bringen. Bitte sei vorsichtig. Ich will dich wirklich nicht verlieren.“
Ich blickte in seine blauen Augen. Er schien es ernst zu meinen und mein Herz schwoll an.
Als ich dann bemerkte, wie er mich schräg ansah, ging mir ein Licht auf. Er spielte das alles nur. Er tat so als wenn er mich so sehr mochte, dass er mich gar nicht verlieren wollte, doch der einzige Grund war, dass er dann keinen Köder mehr hatte. Und er wollte doch so unbedingt seinen Vergewaltiger schnappen. Ich befreite mich aus seiner Umklammerung und stand noch leicht wacklig auf den Beinen auf. Er musterte mich misstrauisch.
„Also. Ich helfe dir diesen Blutsauger zu bekommen.. aber.. wir werden es heute Abend erledigen, damit ich dich endlich los bin“, sagte ich. Ich wollte ihn nicht loswerden, doch wenn ich damit weniger verletzt wurde, dann würde ich mich von ihm schnellstmöglich lösen.
„Es gibt aber noch einige Taktiken, die du noch nicht gelernt hast, Hope“, widersprach er.
„Na dann bring sie mir eben jetzt bei. Aber heute Abend werden wir loslegen.“
Er schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an, nickte dann aber ergeben.
Ich konzentrierte mich auf alles, was er mir beibrachte. Und verdrängte die Zuneigung die ich verspürte, wenn ich ihn ansah.
„Okay“, sagte er dann. „Lass uns sehen, wie du dich anstellst. Ich werde dich jetzt angreifen und du versuchst auszuweichen und einfach alles zu tun, was ich dir gesagt habe.“
Ich nickte stumm und fixierte meinen Augen auf ihn, realisierte jede seiner Bewegungen. Und dann kam er auf mich zu, wollte mich schlagen, doch ich bückte mich rechtzeitig. Dann nahm er mich am Kragen und wollte mich hochziehen, ich tritt ihn in seine steinharte Brust. Doch nur leicht, um ihn nicht wehzutun. Er ließ los, obwohl der Tritt ihn niemals dazu hätte bewegen können. Ich drehte mich um und versuchte wegzurennen. Er packte meine Taille von hinten und zog mich an sich. Ich zitterte. Die Nähe war so gruselig für mich.
„Kehre deinem Feind niemals den Rücken“, flüsterte er in mein Ohr. Ich spürte seinen kühlen Atem an meiner Haut, sodass ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam.
Ich riss mich los. Einer solchen Nähe war ich nicht gewachsen. Er ließ mich sofort los.
„Können wir?“, fragte ich.
„Ja, lass uns gehen. Er wird bald in der Bar auftauchen.“
Ich ging in das Schlafzimmer und zog mir extra aufreizende Sachen an, um mein Opfer zu beeindrucken. Es kostete eine verdammte Überwindung, so herumzulaufen, wo ich doch wusste, dass ich perverse Typen wie ein Magnet anzog. Nun würde es bestimmt schlimmer werden und dann hasste ich auch noch Berührungen. Es war wie gesagt, eine echte Überwindung diesen kurzen Rock und dazu ein enges Top mit heftigen Ausschnitt anzuziehen. Aber Deal ist Deal. Und diesen kann ich nicht brechen, nur weil ich Angst habe, dass mich irgendwelche Kerle angrabschten. Außerdem hatte mir Brendan versichert, dass ich vollkommen in Sicherheit war, er war schließlich in der Nähe und würde eingreifen, wenn die Sache zu heikel werden würde. Also hatte ich keinen Grund zur Sorge.
Brendan kam nach einem Klopfen herein und betrachtete mein Outfit von unten bis oben. Dann lächelte er mich an. „Der Kerl wird gar nicht wegsehen können, Kitty. Sehr gut.“
Ob das „sehr GUT“ war, bezweifelte ich für mich. Klar, es war sehr gut, weil wir ihn dann schnappen würden, doch es war ein echtes Risiko, so aufgedonnert in die Arme eines Vergewaltigers zu fallen. Aber nun gut, ich wollte schließlich, dass er niemanden mehr so etwas antat. Und dafür musste ich wohl oder übel mein Leben aufs Spiel setzen. Damit meinte ich nicht nur, weil er mich danach tötete. Auch wenn er mich „nur“ vergewaltigte, ich könnte nicht mehr weiterleben. Dieses Mal bei meinem Freund, war es schon eine echte Qual, aber dann auch noch ein weiteres Mal und dann auch noch einen fremden, dreckigen Kerl über mir zu haben, würde ich beim besten Willen nicht aushalten können, dessen war ich mir bewusst. Und trotzdem wollte ich es riskieren.
Ich stieg in sein Auto ein und dachte noch einmal über die verschiedenen Taktiken nach, die mir Brendan beigebracht hatte. Es durfte mir keine Fehler leisten. Brendan stieg ebenfalls ein und startete stumm den Motor.
„Hast du Angst?“, fragte er mich nach ein paar Minuten stille.
„Warum sollte ich?“, stellte ich eine Gegenfrage.
„Du brauchst keine zu haben, Kitty. Ich werde immer da sein.“
„Ich habe auch keine, Brendan. Ich vertraue dir.“
Er blickte überrascht zu mir, was mir dann Angst machte, denn er fuhr sehr schnell dicht an Bäumen entlang und schaute nicht einmal auf die Straße.
„Du vertraust mir?“, flüsterte er ungläubig. „Seit wann das denn?“
„Was hab ich denn für eine andere Wahl?“
„Stell nicht immer Gegenfragen, Hope. Beantworte meine Frage.“
„Seitdem du mich vom Tod gerettet hast, ich meine das letzte Mal. Obwohl ich geblutet hatte, hast du mich nicht ausgesaugt, sondern dich liebevoll um mich gekümmert. Ich glaube, ich kann dir vertrauen“, erklärte ich ergeben. Ich wollte ihm keinen Sieg verschaffen, doch ich musste die Wahrheit einfach aussprechen. Obwohl er wie jeder andere Mann auch war, konnte ich ihm in Gegensatz zu den anderen, vertrauen.
Er lächelte. „Na also, geht doch. Ich werde dich nicht enttäuschen.“ Dann schaute er wieder auf die Straße, was mir sehr gelegen kam, denn ich bekam schon Schweißausbrüche, weil er solange nicht auf die vorbeisausenden Bäume geblickt hatte. Und dann wäre das alles für die Katz, denn Vampire riechen bestimmt, wenn Menschen schwitzen. Schließlich konnte es ja sogar Menschen sehr gut. Und sein wir mal ehrlich, das riecht wirklich eklig.
„Okay, also wie sieht unser Opfer aus?“, fragte ich dann.
„Er hat schwarzes Haar, bernsteinfarbene Augen, die sich wie du dir bestimmt denkst, orange färben, sobald er Leidenschaft oder Zorn empfindet. Oder eben bei Gedankenkontrolle.“
Leidenschaft färbt die Augen also auch? Na dann..
„Ich bin mir sicher, du wirst ihn erkennen“, fügte er schmunzelnd hinzu.
Ich nickte bloß. Ja, ich würde ihn erkennen und er würde mich erblicken. Perfekt, dachte ich sarkastisch. Na dann kann die blutige Party ja losgehen.

Vor dem Club Music, Drinks and more

blieb der Wagen stehen und Brendan schaute mir tief in die Augen.
„Denk an den Plan, Kitty. Du machst ihm schöne Augen, lockst ihn in eine Gasse und dort werde ich sein, um ihn umzubringen, okay?“
Ich verdrehte die Augen. Er hatte mir den Plan schon so oft erklärt und tat so, als wäre ich gestört und verstand es immer noch nicht.
„Brendan, wie oft noch. Ich hab es verstanden!“
„Doppelt hält besser“, sagte er achselzuckend.
„Du müsstest „zehnfach hält besser“ sagen. Denn diesen LEICHTEN Plan, hast du mir schon so oft erklärt.“ Wieder verdrehte ich die Augen, stieg aus dem Auto und ging in den Club hinein.
Dort angekommen setzte ich mich auf einen Hocker vor dem Tresen. Tja, da es der gleiche Club war, in dem ich den einen Abend mit meiner besten Freundin Inka war, sah ich natürlich auch den Kellner Justus. Und er mich ebenfalls. Er kam zu mir und musterte mein Outfit.
„Wow. Krasse Wandlung zum letzten Mal, als ich dich sah. Wie geht es dir?“, sagte er.
„Hey, ja ich hab mal was anderes ausprobiert“, log ich. „Gut und dir? Viel los heute, stimmt’s?“
Und das war eine Tatsache, der Club war überfüllt und ich fragte mich, wie ich den gesuchten Vampir jemals finden konnte.
„Ja, ziemlich. Was kann ich dir bringen?“, fragte Justus.
„Eine Sprite.“
„Na, von deiner braven Art hast du nichts aufgegeben“, lachte er.
Brav? Nein, ich musste heute alles andere als brav sein.
Er wollte gerade weggehen, da hielt ich ihn auf. „Vergiss die Sprite. Gib mir Wodka.“
Er runzelte die Stirn. „Wie alt bist du denn, Hope?“
„17. Aber spielt das eine Rolle. Wir sind doch Freunde, außerdem werde ich doch bald 18. Erst sagst du, ich bin zu brav, wenn ich etwas daran ändern will, dann stellst du dich dagegen.“
„Okay, okay. Aber ich sag dir gleich, viel bekommst du von mir nicht“, sagte er streng.
Ich lachte, dann registrierte ich, wie sich jemand neben mir auf den Hocker setzte. Mein Blick glitt über seine schwarzen Haare bis hin zu seinen bernsteinfarbenen Augen. Seine Haut war bleich und sein Körper strahlte pure Kälte aus, sodass ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam. Vampir. Und zwar genau der Vampir, den ich heute verführen musste. Volltreffer.
„Hallo, hübsche Frau. Ich wusste gar nicht, dass es hier solch eine Schönheit gibt“, schleimte er.
„Hey. Vielen Dank. Ich bin Hope und du?“, fragte ich. Ich versuchte verführerisch zu klingen, was mir relativ gut gelang.
„Mein Name ist Gosek. Freut mich sehr.“
Gott, wie der schleimte. Das ekelte mich schon an, doch ich durfte mir unter keinen Umständen etwas anmerken lassen. Das würde die Illusion vernichten.
Er schaute mir in die Augen und lächelte abgöttisch. Dann ließ er seinen Blick über meinen Ausschnitt schweifen, verharrte bei meinen Beinen. Es war mir sichtlich unangenehm so offensichtlich begafft zu werden, doch ihn schien das gar nicht zu stören. Er tat so, als sei es etwas ganz normales, wenn er mich so ansah. Oh mein Lieber, du wirst bald merken, dass das nicht okay war.
Wir unterhielten uns wirklich sehr lange, er machte mir wahnsinnig viele Komplimente, die ich charmant entgegen nahm, obwohl sie mich anwiderten.
„Sag mal, hast du Lust auf einen Spaziergang?“, fragte er mich.
Oh, das ist dein Ziel, mich in eine dunkle Gasse zu verfrachten, um über mich herzufallen. Tja, mein Lieber, tut mir leid, aber DU wirst in eine Gasse gelockt, um umgebracht zu werden.
„Sehr gerne.“
Er führte mich hinaus. Justus warf mir noch einen besorgten Blick zu, doch ich achtete gar nicht auf ihn. Von nun an wurde es gefährlich, denn sobald wir beide alleine waren, könnte er alles mit mir anstellen. Langsam schlenderten wir die dunklen Straßen entlang. Keine Menschenseele. Brendan, wo bist du, dachte ich panisch. Plötzlich blieb Gosek stehen und schaute mir in die Augen.
Zu meinem erschrecken färbten sich seine Augen orange. Gedankenkontrolle, schoss es in mein Bewusstsein, doch ich konnte nicht wegsehen, so starr vor Angst war ich.
„Du willst mich. Du willst mit mir alles machen, was es gibt“, murmelte er.
Ich machte mich darauf gefasst, dass ich meinen Willen verlor, doch ich tat es nicht. Ich fühlte mich genauso wie vorher. Und ich wollte ihn immer noch ganz sicher nicht. Hatte Brendan damit irgendetwas zu tun?! Er blickte mir noch immer in die Augen und ich beschloss, ein Spielchen zuspielen.
„Hast du verstanden?“, fragte er mich, noch immer mit orangefarbenen Augen.
„Ich habe verstanden“, erwiderte ich und versuchte dabei, eine Roboterartige Stimme zu haben. Er lächelte und drängte mich in die nächste Gasse. Noch ehe er mich an die Wand drücken konnte, war auch schon Brendan hinter ihm und nahm ihn in den Schwitzkasten.
„Das was du gerade getan hast mit ihr.. dafür würde ich dich so gerne quälen und nicht nur umbringen. Aber leider haben wir keine Zeit. Du widerliche Ratte!“, brüllte Brendan voller Zorn, seine Augen färbten sich orange.
Er zückte einen Holzpflock und rammte diesen in Goseks Herz. Ich schaute gebannt auf das blaue Blut, was aus dem Körper des leblosen Vampirs floss. BLAUES Blut?! Brendan schmiss die Leiche auf den Boden und kam auf mich zu. Er lächelte. „Du hast mir vorgeworfen, dass ich mir einen Kuss gestohlen habe. Das will ich nicht noch einmal hören. Darf ich dich küssen?“
Mir stockte der Atem. Er wollte mich küssen? Verdammt. Natürlich wollte ich es, das konnte ich nicht leugnen, doch ich wusste nicht, ob es das richtige war.
Doch ohne darüber nachzudenken, nickte ich.
Wieder lächelte er und beugte sich zu mir. Seine Lippen senkten sich auf meine und er küsste mich mit leichtem Druck. Dieser Kuss übertraf den ersten, den er mir gegeben hatte. Ich erwiderte seinen Kuss und alles wurde intensiver. Er zog mich an seine Brust und wühlte mir in den Haaren. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen. Ich schlang meine Arme um seine Hals und presste mich enger an ihn. Es war ein Gefühl, als würde ich schweben. Doch dieses Gefühl wurde von einem Geräusch neben uns gestört.
Der Mann war definitiv ein Mensch, seine Augen waren geweitet und waren auf den Lichtkegel seiner Taschenlampe gerichtet, der die Leiche von Gosek umfing. Verdammt! Schnell löste sich Brendan aus unserer Umarmung und trat dem Mann gegenüber. Dieser nahm strenge Gesichtszüge an und leuchtete Brendan ins Gesicht.
„Polizei. Wenn sie bitte mitkommen würden!“ Oh mein Gott, auch noch Polizei. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich stellte mich hinter Brendan und lugte hinter ihm hervor zum Polizisten.
Brendan stand bedrohlich da und selbst ich hatte Angst vor ihm, obwohl ich natürlich wusste, dass er mir nie etwas antun würde.
Er schaute dem Polizisten in die Augen und flüsterte: „Du hast nichts gesehen. Du wirst jetzt einfach weitergehen, als wäre nichts passiert.“
Ich seufzte erleichtert, als dieser tat was Brendan ihm sagte. Diese Gedankenkontrolle war wohl doch zu was gut. Brendan wandte sich wieder zu mir. Dann blickte er zu der Leiche. „Die sollten wir besser entsorgen, ehe ich noch jemanden den Willen nehmen muss.“
Ich nickte und wollte mich gerade zu der Leiche begeben, da hielt er mich auf.
„Geh du lieber schon zum Auto. Ich mach das schon. Du hast deinen Part erfüllt“, sagte er.
Wieder nickte ich und ging aus der Gasse. Hatte ich meine Sprache verloren?! Ich ging schnell an der schlechtbeleuchteten Straße entlang. Die Dunkelheit war an diesen Abend noch furchterregender, als sonst. Lag wohl daran, dass ich heute an einen geplanten Mord beteiligt war. Meine Güte, so etwas hätte ich niemals von mir gedacht. Naja, er hatte es verdient und die Polizei hätte auch nichts gegen ihn tun können, doch irgendwie war es echt heftig ihn zu töten.
Ich hörte ein Geräusch neben mir und blieb abrupt stehen. Ich konnte nichts sehen und das ließ meinen Herzrhythmus erstaunlich schneller werden. Ich atmete unregelmäßig, so ausgeliefert fühlte ich mich.
„Wer ist das?“, fragte ich mit brüchiger Stimme.
Dann endlich sah ich die Gestalt vor mir. Der schwache Lichtkegel der Straßenlaterne umfing ihn. Doch ich erkannte ihn nicht. Ich hatte ihn niemals zuvor gesehen.
„Hallo Hope“, murmelte die Gestalt und ich war mir sicher, dass diese perfekte Stimme nicht zu einem Menschen gehörte.
„Wer bist du?!“, fragte ich und stellte mich in Pose, um ihn abzuwehren, wie es mir Brendan gezeigt hatte.
„Oh entschuldige, wie unhöflich von mir. Ich bin Dean.“ Wieder dieses samtene Flüstern.
„Was willst du?“ Meine Stimme wurde mit jedem Satz fester. Außerdem wurde mir bewusst, dass Brendan irgendwo in der Nähe sein musste.
„Mit dir reden.“
„Ich aber nicht mit dir, Blutsauger!“, rief ich, als ich mir nun sicher war, dass er ein Vampir war.
„Oh, das glaube ich ehrlich gesagt schon. Schließlich geht es um deine Eltern..“, summte er.
„Was? Was ist mit meinen Eltern?“, fragte ich panisch, die feste Stimme war wie weggeblasen. An meine Eltern hatte ich gar nicht mehr gedacht. Nach Inkas Schilderung waren sie im Urlaub, doch das war für mich unglaubwürdig, schließlich war ich nicht da und dann wären sie nicht einfach so weggeflogen.
„Nicht jetzt, nicht hier. Wir treffen uns morgen im Wald. 15 Uhr. Und denk daran, dass ich weiß, wenn du jemanden mitbringst, ich bin ja schließlich ein Blutsauger“, er kicherte gruselig. „und du willst doch bestimmt nicht, dass deinen Eltern etwas passiert, oder irre ich mich da? Komm allein.“
Mit diesen Worten war er verschwunden.
Völlig perplex stand ich da, bewegungsunfähig. Ein Vampir hatte meine Eltern gefangen? Verdammt!
„Hope?“, fragte Brendan hinter mir unsicher. „Was ist los?“
Sofort versuchte ich mich zu entspannen und mir nichts anmerken zu lassen. Ich konnte mir nicht erlauben, dass meine Eltern in Schwierigkeiten geraten würden.
Ich drehte mich zu ihm um. „Ja, was soll los sein?“
„Du solltest ins Auto gehen und nicht hier umherirren. Es ist gefährlich für dich hier alleine in der Dunkelheit.“ Oh ja, und du weißt gar nicht wie gefährlich es war, dachte ich.
„Ja, ich weiß. Musste mich nur an der frischen Luft beruhigen. Einen Blutsauger tötet man nicht jeden Tag“, sagte ich leichthin und ging schnurstracks zu seinem Auto.
Auch er stieg ein und schaute mich verwirrt an. „Du scheinst irgendwie ängstlich zu sein“, stellte er fest.
„Quatsch. Nur aufgeregt von eben. Das mit dem Polizisten war echt unglaublich gewesen.“
Er beließ es dabei, fing jedoch ein anderes Thema an, was mich noch nervöser machte. auf eine andere Art und Weise jedoch.
„Weißt du, ich hab dich ja nicht nur so aus einer Laune heraus geküsst, Hope.. Ich hatte nie so etwas auch nur ansatzweise für jemanden empfunden. Aber du bist so anders, so mutig, so lieb und so wahnsinnig verletzlich. Dazu bist du auch noch wunderschön.. was ich damit sagen möchte.. Hope, ich liebe dich.“
Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke. Verdammte.. ! Das war nun wirklich nicht das, was ich erwartet hatte. Als ich daran dachte, wie Josh damals zu mir sagte, dass er mich liebte, er mich aber gnadenlos vergewaltigt hatte, stieg Hass in mir auf.
„Du willst mich doch nur in die Kiste kriegen und mich dann im wahrsten Sinne des Wortes liegen lassen! Vergiss es, noch einmal falle ich nicht darauf rein!“, schrie ich.
„Das ist ganz sicher nicht der Grund! Nur weil dein verdreckter Ex so mies mit dir umgegangen ist, heißt es nicht, dass ich genauso bin, nur weil ich dir sage, dass ich dich liebe!“
„Ach hör auf, ich will es nicht hören, verstanden!“, rief ich.
„Na schön, wie du willst“, sagte er zornig. Seine Augen waren orange.
Ich schaute in die Finsternis hinaus, ich hatte Angst in seine Augen zu sehen. Doch da fiel mir etwas ein, was ich unbedingt wissen wollte.
„Gosek hat versucht mich zu kontrollieren. Warum hat es nicht funktioniert?“
„Denkst du ich bin bescheuert? Natürlich wusste ich, dass er das machen wollte. Und egal, was du von mir denkst, ich würde niemals wollen, dass er das bei dir macht. Außerdem hätte unser Plan nicht richtig funktioniert, wenn du deinen Willen verloren hättest. Als du unmächtig warst, habe ich dir einen Ohrring angesteckt, hast du wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt. Jedenfalls ist dort eine Substanz eingebaut, was einem Vampir unmöglich macht, dich zu kontrollieren. Solange du ihn trägst, allerdings nur“, erklärte er immer noch zornig.
„Was ist das für eine Substanz?“
„Es wird aus Holzsplittern und Sekt gemacht. Das mit dem Holz weißt du ja jetzt.. ein Holzpflock ins Herz, schon ist der Vampir tot. Allerdings kann man ihn nur so umbringen. Mit Sekt ist es dasselbe. Man lähmt einen Vampir damit für ein paar Minuten. Und die Mischung zwischen Sekt und Holz kann bewirken, dass dich niemand kontrollieren kann. Und das habe dir in den kleinen Ohrring hineingemacht“, sagte er und war nicht mehr ganz so wütend. Doch seine Stimme klang immer noch schneidend. Eben mochte ich ihn noch lieber, aber er sollte die Wahrheit sagen und mir nicht ins Gesicht lügen. Also entschied ich mich, dass es so doch besser war.
„Danke“, flüsterte ich. Ohne ihn würden wir hier bestimmt nicht so sitzen.
„Kein Problem“, erwiderte er kalt.
Damit war die Konservation beendet.
Als ich dann später im Bett lag, musste ich die ganze Zeit an seine Worte denken. Hope, ich liebe dich..du bist so anders...mutig,.. lieb,.. wahnsinnig zerbrechlich... dazu auch noch wunderschön..

War das wirklich alles nur gelogen? Oder war es doch die Wahrheit und ich hatte mich völlig mies verhalten, was meine Antwort anging?! Quatsch, er wollte mich einfach nur ins Bett bekommen, wie all die anderen Kerle auch. Er war da keine Ausnahme. Mit diesen Gedanken schlief ich ein und träumte von einer Welt, die vor meinen Augen unterging. Meine Welt.
Am nächsten morgen, weckte mich überraschend das Dienstmädchen auf. Ich zuckte bei ihrer Berührung zusammen. Empfand ich diese Abneigung nun auch schon bei Frauen? Obwohl spürte ich das überhaupt noch oder war es nur Einbildung, schließlich hatte ich dieses Gefühl bei Brendan vollkommen vergessen.. zumindest gestern. Ich hatte mich so dumm benommen. Warum hatte ich ihn bloß geküsst?!
„Guten morgen, Miss. Mr. Stanfour sagte mir, ich solle Sie wecken. Er ist nicht im Haus, ich soll ausrichten, dass Sie gehen können, Ihr Deal sei erledigt. Er wünscht Ihnen ein schönes Leben“, sagte sie förmlich.
Wie bitte?! Er wollte mich also nie wiedersehen. Hatte ich doch recht gehabt! Er wollte mich nur in die Kiste bekommen. Doch ich hatte ihn durchschaut und sein Plan ist geplatzt. Wütend stieg ich aus dem Bett, zog mir etwas frisches an und ging aus der Tür. Na wie er will. Desto besser, ich musste schließlich einen Blutsauger treffen, der meine Eltern in seiner Gewalt hatte.
Draußen war es schon sehr hell, jedoch nebelig, sodass mir ein wenig mulmig zu mute war. Doch ich ging einfach die Straße entlang und achtete auf die vielen Passanten, die meinen Weg kreuzten. Ich suchte nach diesen Dean. Doch er war nirgends zu sehen. Ich schaute auf die große Kirchenuhr. 14.30 Uhr. Wow, da hatte ich echt lange geschlafen. Naja, wir waren gestern auch sehr lange auf den Beinen, somit war der Schlaf berechtigt. Wie dem auch sei, eine halbe Stunde hatte ich noch Zeit, um zum Wald zu gelangen. Ich musste mich ranhalten, zum Wald war es nicht gerade ein Katzensprung. Mit schnellen Schritten ging ich weiter an den Gassen vorbei und freute mich darüber, dass sich der Nebel langsam aber sicher entfernte.
Dann endlich sah ich den Waldrand und überlegte kurz, ob ich weiter hinein gehen sollte. Ich entschied mich dafür, denn ein Blutsauger würde es bestimmt nicht toll finden, wenn er Zuschauer hatte. Ich stolperte buchstäblich in den Wald hinein. Erstens, weil ich vor Angst zitterte. Nicht nur wegen meiner Sicherheit auch wegen der meiner Eltern. Und zweitens, weil die Wurzeln der Bäume herausragten und ich jedes Mal hängen blieb, da ich nicht auf den Boden achtete. Ich suchte den Wald nach meinem Feind ab. Er war nirgends zu sehen. Klar, die Vampire kamen immer gerne erschreckend und unerwartet aus ihren Versteck. Klasse.
Langsam drehte ich mich um meine eigene Achse. Und als ich mich um 360 Grad gedreht hatte, stand plötzlich Dean vor mir. Ich schrak zurück. Ja, meine Theorie über das Verschwinden und Kommen der Vampire stimme.
Er legte den Kopf schief. „Hallo Hope. Ich hätte nicht erwartet, dass du auf meine Forderung eingehst. Du scheinst deine Familie sehr zu mögen.“
„Wo sind sie?“, fragte ich wütend. Ich hasste diese Spielchen.
„Na, na, na. Nicht so unhöflich. Sie sind wohlauf. Noch. Aber du solltest besser das machen, was ich dir sage, Schätzchen. Sonst könnte es alles ganz anders laufen.“
„Was willst du?“, fragte ich.
„Ich habe dich mit diesen „lieben“ Vampir gesehen. Brendan heißt er glaube ich. Da als du von deinem Freund vergewaltigt wurdest. Er war gerade hinter mir her im Wald. Ich hatte dich dann gewittert. Und wenn ich ehrlich bin, ich wollte dich töten. Brendan hat mich dann von dir verscheucht und sich um dich gekümmert, dieser armselige... Ich meine, er ist eine Schande für unsere Art“, sagte er.
„Nein, er zeigt mir, dass es auch Blutsauger gibt, die Verstand und Skrupel haben. Aber du ziehst das alles wieder in den Dreck!“, maulte ich.
„Naja, wie dem auch sei. Auf jeden Fall, habe ich mir gedacht, dass ich dem kleinen Brendan eins auswischen werde, dafür, dass er mir mein Essen gestohlen hat. Ich habe also deine Eltern entführt. Ich hatte vor, sie zu verspeisen, doch dann sah ich dich heute und wie du es geschafft hast, diesen Vampir zu verführen. Ich weiß zwar nicht, warum ihr ihn getötet habt, jedenfalls habt ihr es geschafft. Und weil ich selbst auch solch eine Hilfe brauche, wie dich, habe ich mir gedacht, ich erpresse dich mit deinen Eltern“, erklärte er freundlich.
„Ich soll Vampire mit dir töten?!“, fragte ich ungläubig.
„Nein, nicht mit mir. Ich habe meine Handlanger. Du sollst sie nur verführen. Allerdings musst du auch ein bisschen mit ihnen rummachen. Diese Vampire, die ich töten will, die kann man nicht in irgendeiner Gasse töten. So naiv sind wir nicht. Also.. bist du dabei? Entweder du machst es oder deine Eltern sind tot.“
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. Brendan bekam sowieso nichts davon mit. Ich war für ihn theoretisch gestorben. Und meine Eltern würde ich nicht einfach sterben lassen. Ich hatte keine andere Wahl.
„Okay, ich bin dabei“, sagte ich und Dean lächelte.
Er kam auf mich zu und ich zuckte zurück.
„Wo sind jetzt meine Eltern? Jetzt kannst du sie ja freilassen!“, sagte ich mit fester Stimme.
„Och Schätzchen, ich bin wirklich enttäuscht. Für wie blöd hältst du mich? Ich nehme sie selbstverständlich als Druckmittel. Sonst würdest du mir alles kaputt machen.“
Ich sah ihn finster an, doch er zuckte nicht mal mit einer Wimper. Klar, als Vampir würde ich auch keine Angst vor einem Menschen haben. Schon gar nicht wenn ich denjenigen erpresse. Super, dachte ich sarkastisch.
„Na schön, Schätzchen. Wir treffen uns zur ersten „Mission“ heute Abend um 21 Uhr beim Club Music, Drinks and more. Den kennst du ja schon, warst gestern ja dort. Alles weitere erkläre ich dir vor Ort. Aber denk daran: Deine Eltern wären ein leckerer Snack. Sei allein und pünktlich.“
Mit diesen Worten verschwand er hinter den Bäumen. Oh mein Gott, wie kam ich da wohl wieder heraus? Ein Vampir der mich mit meinen Eltern erpresste. Das konnte nur in einer Tragödie enden. Plötzlich klingelte mein Handy und von dem Geräusch entfuhr mir ein erschrockener Schrei. Ich war doch sonst nicht so ängstlich tagsüber. Ich schaute auf das Display. Die Nummer kannte ich nicht und ich vermutete, dass Dean am anderen Hörer war.
„Ja?“, fragte ich als ich den Anruf entgegen nahm.
„Hope? Ist alles in Ordnung?“, erwiderte die samtene Stimme.
„Brendan? Ja, was soll los sein“, log ich.
„Okay..“, setzte er an, doch ich unterbrach ihn.
„Was willst du denn, Brendan?“
„Wo wohnst du jetzt?“
„Ich wüsste nicht, dass dich das was angeht“, motzte ich ihn an. Diese Frage konnte ich ja selbst nicht beantworten. Aber das musste ich ihm ja nicht unter die Nase binden.
„Hör mal, Kitty. Ich hab dich nur gedacht, dass du gehen möchtest, weil du gestern-“
Wieder unterbrach ich ihn. „Spar dir den Atem, falls du überhaupt Luft holst. Ich will das nicht hören. Schönes... Dasein noch.“ Nach diesen Worten, legte ich auf. Der hatte mir gerade noch gefehlt, mit seinen Beschützerinstinkten. Er wollte sowieso nur ein Macho sein. Aber einen solchen wollte ich nicht an meiner Seite haben. Wäre ja noch schöner!
Was sollte ich denn nun machen? Sachen hatte ich nicht, Geld hatte ich nicht, nur ein Handy und die Kleidung die ich am Körper trug. Duschen wollte ich mich auch. Na da blieb mir nur eins übrig. Zu meiner besten Freundin marschieren.
Und das tat ich dann auch. Nach längerem Fußmarsch hatte ich endlich ihr Haus erreicht. Sie hatte eine eigene kleine Wohnung, weil sie es mit ihren Eltern nicht mehr ausgehalten hatte. Ständig gab es Streit, was selbst ich immer miterleben musste. Und irgendwann war sie und ihre Eltern seelisch so am Ende, dass sie beschloss auszuziehen. Und das war definitiv keine schlechte Idee. Die drei verstanden sich nun viel besser, es lag wohl daran, dass sie sich viel zu oft sahen und auf so engen Raum war das nun wirklich nicht fördernd. Ich wünschte nur, meine Eltern wären nun ganz nah bei mir.
Ich klopfte an der Tür und Inka ließ mich auch nicht lange warten. Mit Jogginghose bekleidet, öffnete sie mir die Tür.
„Hope?“, fragte sie, als hätten wir uns seit Jahren nicht gesehen.
„Hey Inka“, begrüßte ich sie lächelnd.
„Komm rein.“ Sie winkte mich ins Haus und ich schloss die Tür hinter mir zu.
„Sorry, ist etwas chaotisch. Hab nicht mit Besuch gerechnet“, sagte sie während sie über einen Klumpen Kleidung stieg. Das konnte man nicht mehr als Chaos bezeichnen. Das war eine verdammte Müllhalde. Und ehrlich gesagt, stank es auch ziemlich da nach. Ich stolperte versehentlich über alte Pizzakartons, als ich mich umsah und ich ekelte mich davor, als die Fliegen bei dieser Bewegung hinaus flogen. Widerlich. Als ich mich dann endlich durch den Schrottplatz gekämpft hatte, denn ich sah auch, dass hier Möbel ziemlich demoliert waren, setzte ich mich auf den Platz, den mir Inka schnell sauber gemacht hatte.
„Sieht es hier immer so aus?“, fragte ich missbilligend und ließ meinen Blick abermals durch den Raum schweifen. Ich war zwar kein Sauberkeitsfreak, aber das war wirklich zu viel für meine Nerven. Verdammt, war sie zum Messi geworden?!
„Nein, nein. Nur manchmal, wenn ich keine Lust zum aufräumen habe. Was führt dich hierher?“, fragte sie abweichend.
„Ach, meine Eltern sind ja jetzt im Urlaub und da weiß ich nicht wohin.. Sag mal, könnte ich wohl eine Weile bei dir...?“ Es war mir sichtlich peinlich, sie zu fragen, ob ich bei ihr wohnen könnte. Aber ich hatte keine andere Wahl.
„Ach klar, Süße. Hat sich das jetzt geklärt? Sind deine Eltern wirklich im Urlaub?“
„Danke. Ja, sie haben mich angerufen. Sie wollten mal einen Urlaub zu zweit machen.. Sie haben mir vergessen, den Schlüssel zu geben“, log ich munter drauf los.
„Okay.. so kenne ich deine Eltern gar nicht..“, erwiderte Inka.
Mist. Warum auch gerade meine beste Freundin, die früher jeden Tag bei mir war?! Klar, wusste sie, wie besorgt meine Eltern um mich waren. Das sie mich nun einfach hier alleine lassen, sah ihnen natürlich gar nicht ähnlich.
„Tja, Zeiten ändern sich. Sie geben mir mehr Freiraum. Ich glaube sie wollten mir auch einen auswischen, weil ich ihnen immer vorwerfe, dass sie ständig an meinem Arsch kleben und ich auf mich selbst aufpassen kann.. na ja, vielleicht nahmen sie das als Herausforderung an“, log ich weiter. Ich musste irgendeine simple erklären abgeben. Diese Notlüge war die beste, die mir einfiel. Und es klappte, sie ließ das Thema fallen.
„Und wie steht es mit den Kerlen?“, fragte sie mich grinsend.
Oh, wie ich das Thema hasste. Na gut, sollte sie ruhig wissen, dass ich Josh nie wieder sehen wollte.
„Josh ist Geschichte. So ein Idiot.“
„Echt? Ich wusste, dass es nicht lange hält.. aber na ja.. er war eben nicht dein Typ, ganz offensichtlich. Hast du einen anderen an der Leine?“, fragte sie.
„Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Obwohl ich mich anscheinend aus unerklärlichen Gründen zu Brendan hingezogen fühlte, würde mich nicht von ihm verarschen lassen.
„Okay, klingt als sei das nicht ganz die Wahrheit?“, hakte sie nach.
Auch das merkte meine beste Freundin. Sie kannte mein Leben zu gut.
Ich fuchtelte mit den Fingern herum, sodass ich mir total bekloppt vorkam und ich zitterte sogar, so unangenehm war es mir, über meine Gefühle zu sprechen und nicht vollkommen in Rage zu gelangen.
„Ach, ich hab da einen Mann getroffen.. ich dachte er sei ganz nett, aber er ist genauso wie all die anderen Typen auch.“
„Und wie sind all die anderen Typen?“, fragte sie stirnrunzelnd.
„Na sie alle wollen nur das eine. Sie betrachten Frauen nur als Gegenstand. Die Gefühle sind ihnen egal!“, sagte ich wütend.
„Seit wann denkst du so?“, fragte sie mich.
„Seit ich es endlich mit eigenen Augen gesehen und durchlebt habe.“
Inka stutzte und schaute mir eine Zeit lang forschend ins Gesicht. Vergeblich versuchte ich ihrem Blick auszuweichen.
„Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?“, fragte sie dann misstrauisch. Wie gesagt, sie kannte mich einfach zu gut.
„Nein.“ Außer, dass ich von Josh vergewaltigt wurde, Gefühle für einen Vampir hegte, der mich nur verarscht, dass meine Eltern von einem anderen Blutsauger entführt wurden und ich nun erpresst werde. Ach ja, ich muss dann noch Blutsauger killen, nachdem ich sie scharf gemacht habe,

fügte ich in Gedanken hinzu.
„Na schön“, sagte sie nach einer Weile und stand auf.
„Ich geh erst mal duschen. Fühl dich wie Zuhause.“ Mit diesen Worten ging sie ins Bad. Ich schaute mich um. Wie sollte ich mich auf einer Müllhalde wie Zuhause fühlen? Hätte ich mich auch gleich in eine Mülltonne an den Straßen geschmissen, wäre dasselbe Gefühl. Positiv denken! Es war wirklich nett von meiner besten Freundin, mich ohne weiteres bei sich aufzunehmen. Ich war ihr wirklich dankbar.
Nach ein paar Minuten hörte ich Schritte und Inka stand mit nassen Haaren und mit einer Jogginghose sowie einem Top bekleidet vor mir.
Ich lächelte sie nur an und hoffte, dass sie nicht wieder irgendein Thema ansprach, wobei ich sie anlügen musste.
„Möchtest du auch duschen?“, fragte sie munter.
„Klar, gerne.“
Sie zeigte mit der Hand auf die Badezimmertür und ich tapste stumm an ihr vorbei.
Als ich unter der Dusch stand, fiel die ganze Angst für ein Bruchteil einer Sekunde von mir ab. Es war zwar ein kurzer Moment, jedoch genau das, was ich brauchte. Ich ließ mir das warme Wasser ins Gesicht laufen und konnte nicht glauben, wie weich das Wasser auf meine Haut prasselte. Ich schloss die Augen und öffnete sie sofort wieder, als ich Brendan vor meinem inneren Auge sah. Was war bloß los mit mir?! Schnell drehte ich das Wasser auf kalt, damit ich auf andere Gedanken kam. Aber es wurde nur noch schlimmer. Diese kalte, weiche Wasser, was mich umfing, fühlte sich wie eine Umarmung von Brendan an und ich musste mich sofort an das Gefühl erinnern, als er mich in den Armen gehalten hatte. Als ich dann auch noch merkte, wie mir das kalte Wasser über die Lippen lief, musste ich unwillkürlich an die Situation denken, wo ich ihn küsste. Ich stellte das Wasser aus, nahm mir ein Handtuch und stieg aus der Dusche. Verdammt! Was war denn bloß los mit mir?! Diese Frage wurde schon zum Standard. Denn ich wusste wirklich nicht, was in mir vorging. Es war mir fremd. Sonst war ich mir immer bewusst, was ich fühlte, doch diesmal hatte ich keinerlei Ahnung.
Ich ging aus dem Bad, nur mit Handtuch bekleidet. Inka sortierte offensichtlich ihre Kleidung, was wirklich mal nötig war. Als ich vor ihr stand, schaute sie auf.
„Sag mal, kannst du mir ein paar Sachen von dir Leihen? Ich hab ja keine..“, fragte ich verschämt.
Sie wollte gerade antworten, als ihr Gesichtsausdruck plötzlich entsetzt wurde, als sie meine Arme betrachtete.
Schnell schaute folgte ich ihren Blick. Verdammt! Dort waren noch deutlich Blutergüsse zusehen. Von der Vergewaltigung. Ich schluckte schwer, als mich die Erinnerungen überfluteten. Als ich Joshs Hand auf mein Arm spürte, als würde es gerade wirklich tun.
„Was ist passiert?“, fragte Inka immer noch entsetzt.
„Ach, ich hab mich nur mit so einer Tussi geschlagen“, log ich.
„Warum?“
„Weil... also sie war betrunken und hat mich angepöbelt und mir eine gepfeffert. Naja, da habe ich zurück geschlagen. Daraus ist eine kleine Schlägerei entstanden“, redete ich mich hysterisch heraus.
Sie runzelte die Stirn. „Dir ist aber schon bewusst, dass ich dir kein Wort glaube? Ich bin ziemlich enttäuscht, dass du deiner besten Freundin nicht vertraust“, sagte sie.
„Inka, ich..“, setzte ich an, stoppte dann wieder. Ich konnte es ihr einfach nicht sagen, besser die Klappe halten, als sie noch mehr anzulügen.
„Schon okay. Meine Klamotten, sind auch deine. Nimm dir, was du brauchst. Wenn du mich suchst, ich bin in der Küche.“ Mit diesen Worten ging sie aus der Tür.
Schlechtes Gewissen. Wie ich dieses Gefühl hasste. Doch nun war es da und das nicht unberechtigt. Ich hatte Inka wirklich gekränkt. Um mich abzulenken, ging ich zu ihren verstreuten Klamotten und suchte nach ein paar kurzen Sachen. Schließlich durfte ich nicht vergessen, dass ich heute einen Vampir verführen musste. Da konnte ich nicht in Rollkragenpulli und Hosen bis in den Schuhen ankommen. Ich fand auch schnell, wonach ich suchte. Einen relativ kurzen Jeansrock und ein rotes Top mit tiefem Ausschnitt. Vampire standen doch auf rot. Darunter einen BH, was meinen Busen riesig wirken ließ. Ich durchsuchte schnell ihren Kleiderschrank und fand dann auch noch passende Pumps. Mein Outfit war somit perfekt- zumindest für diesen Abend, an dem ich einen Vampir verführen musste. Ich fühlte mich verdammt schlampig, als ich mich im Spiegel betrachtete. Ich hatte meine Augen schwarz geschminkt. Meine Wimpern waren so lang, dass sie fast bis an meine Augenbrauen reichten. Dazu trug ich knallroten Lippenstift. Ich ging aus dem Zimmer und Richtung Küche, wo Inka stand und gerade etwas zubereitete. Ich konnte nicht sehen, was es war, denn sie stand vor dem Gericht, doch ich tippte dem Geruch nach auf Spaghetti Bolognese. Ich wusste, dass Inka eine wirklich gute Köchin war und ich hatte echt Hunger, doch als ich auf die Uhr an der Wand sah, verging mir der Appetit. 19.15 Uhr. Um 21 Uhr traf ich mich mit Dean oder eher mit seinen Handlangern und deshalb wurde mir mulmig zumute. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, nicht daran denkend, dass mein Lippenstift dadurch verschmiert.
Inka drehte sich um und machte große Augen.
„Möchtest du heute noch irgendwohin?“, fragte sie und zog missbilligend die Augenbraue hoch. „Du weißt schon, dass dein Outfit ziemlich.. billig aussieht?“
„Ja, möchte ich. Ich geh auch gleich. Und übrigens, Süße, das sind deine Klamotten“, erwiderte ich und streckte ihr lächelnd die Zunge heraus.
Sie lachte. „Aber von dir zusammengestellt. Okay, das Zeug bekomme ich auch alleine herunter. Tut mir leid, ich bin erschöpft, um heute noch Party zu machen.“
„Kein Problem“, meinte ich achselzuckend. Ich war sogar richtig froh, dass ich ihr nicht irgendeine Ausrede auftischen musste, um sie davon abzuhalten, mit mir zukommen.
„Okay, pass auf dich auf“, erwiderte sie und nahm mich kurz in den Arm.
Wenn das so einfach wäre. Mir wurde ja gar keine Chance geboten, ein normales Leben zu führen.
„Ja. Schlaf gut, ich nehme den Schlüssel, ja? Ich will dich nicht durch mein Klingeln, wecken.“
„Geht klar. Ich bau dir ein Bett im Wohnzimmer auf. Bis dann“, sagte sie, als ich den Hausschlüssel nahm und die Tür öffnete.
„Okay, tschüss.“
Ich zog die Tür hinter mir zu. Na schön. Dann wollen wir mal.
Da ich noch Zeit hatte, beschloss ich noch ein wenig spazieren zu gehen. Obwohl ich mich überhaupt nicht wohlfühlte in meiner Kleidung und mir dazu auch noch Typen hinterher pfiffen und mir Frauen einen entsetzten Blick schenkten, schlenderte ich selbstbewusst an dem Straßenrand entlang. Was anderes blieb mir nicht übrig. Als ich an der alten Brücke vorbeikam, blieb ich wie angewurzelt stehen und seufzte. Mein Bruder saß mal wieder mit seinen Kumpels unter der Brücke und pöbelten herum. Rauften sich und tranken Alkohol. Mein Bruder hatte sehr wohl eine eigene Wohnung, in der ich auch schon ein paar Mal war, doch er bevorzugte es offensichtlich unter einer alten, verschmutzten Brücke zu leben. Ich stiefelte zu ihm und als ich sah, dass er Koks in den Händen hielt, wurden meine Schritte schneller. Ich riss dem verdutzten Mike, die kleine Tüte Koks aus der Hand. Als er mich endlich erkannte, schaute er mich finster an und stand vom schmutzigen Boden auf. Hinter mir hörte ich pfiffe und Anmachsprüche, doch ich achtete gar nicht auf diese besoffenen Typen.
„Was soll das, Mike?! Ich dachte, du wolltest einen Entzug machen. Das haben mir zumindest Mama und Papa einreden wollen!“, rief ich wütend.
„Man, Hope. Das geht dich nichts an“, sagte er genervt. Dann ließ er den Blick über mein Outfit gleiten. „Wie siehst du überhaupt aus? Ich darf nicht koksen, aber du dich prostituieren?!“
Hinter uns lachten seine Kumpels schallend auf. Und ich wurde ganz rot im Gesicht. Ohne ein weiteres Wort machte ich kehrt und suchte das Weite. Doch Mike folgte mir mit schnellen Schritten. Er packte mich am Arm und ich zuckte erschrocken zusammen. Dies erinnerte mich zu stark an die Vergewaltigung. Hysterisch befreite mich und Mike sah mich schockiert an. „Hope, ich tue dir doch nichts. Warum hast du Angst?“
Ich hatte wieder alles im Griff und verschränkte die Arme. „Ich habe keine Angst. Was willst du noch?!“, fuhr ich ihn an.
„Ich meinte es ernst eben.. Ich meine... prostituierst du dich?!“
Ich riss meine Augen auf. „Nein, Mike. Im Gegensatz zu dir, bin ich nicht asozial. Du bist doch echt total durchgeknallt, dir ist wohl das ganze Koks zu Kopf gestiegen.“
„Sehr witzig“, sagte er genervt.
Ich wollte mich gerade zum gehen wenden, da hielt er mich wieder am Arm, diesmal sanfter. Wieder riss ich mich los.
„Hope, bitte renn’ nicht weg. Wir haben so wenig Kontakt. Komm doch dazu, ich verspreche dir, dass dich keiner anfassen wird und dir niemand etwas andrehen wird. Dann können wir uns mal wieder unterhalten, so wie früher.“
„Früher ist schon lange vorbei Mike. Ich gehöre nicht hierher. Das ist nicht meine Welt. Und unterhalten kann man sich auch nur in Gegenwart deiner sogenannten Kumpel. Tut mir leid, Mike, aber als richtigen Bruder sehe ich dich schon längst nicht mehr“, flüsterte ich mit salzigen Tränen in den Augen. Unser wackliges Verhältnis zueinander belastete mich mehr, als ich zugeben mochte. Früher da war er noch ein braver, humorvoller und besorgter Bruder, der mir aus allem heraushalf. Nun war ich diejenige, die ihn hätte aus seinem Drogenleben heraushelfen müssen, doch ich scheiterte auf ganzer Linie. Ich war eine schlechte Schwester und er war kein vorbildlicher Bruder.
Auch er schien Tränen in den Augen zu haben. „Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da bin, aber ich habe im Moment meine eigenen Probleme.“
„Ich wollte dir helfen! Aber du hast mich nicht gelassen! Du warst in einer Entzugsklinik, bist aber anscheinend abgehauen. Mike? Das ist deine eigene Schuld. Und jetzt entschuldige mich, ich muss los“, sagte ich.
Er kam auf mich zu und nahm mich seit langem wieder in die Arme. Er stank fürchterlich, doch das war mir egal. Mein Bruder hatte mir wirklich gefehlt und nun zeigte er eine Seite, die zu dem alten Mike gehörte. Den Mike, den ich als Vorbild sah und dem ich vertraute. Ich befreite mich aus der Umarmung und ging mit schnellen Schritten davon.
Jetzt musste ich mich auf meine Mission konzentrieren. Ich durfte mir nicht einen Gedanken an meinem Bruder erlauben, denn sonst würde ich höchstwahrscheinlich in eine Heulattacke ausbrechen und dann konnte ich für mein Make-up nichts garantieren. Mit anderen Worten, es wäre ruiniert. Also einfach stur geradeaus zum Club marschieren, dort wird mich schon irgendetwas ablenken, bis ich mich mit Dean traf. Wenn es sein musste auch einen starken Drink. Justus würde mir wieder etwas bringen, genauso wie letztes Mal, als ich es verlangte. Er war zu weichlich, um meine Bitte abzuschlagen.
Schnell ging ich die bereits dunklen Straßen entlang und blendete alle meine Gedanken aus, die mich noch ängstlicher machen konnten. Doch als ich hinter mir ein Geräusch hörte, konnte ich meine Furcht einfach nicht mehr unterdrücken. Ich ging schneller. Und auch das Geräusch wurde immer lauter. Es hörte sich an wie ein unverständliches Wispern. Wie aus einem Horrorfilm, nur das dies die Realität war und ich gerade verfolgt wurde. Womöglich von einem durstigen Vampir. Oder es war einfach Dean, der mir Angst einjagen wollte. Abrupt blieb ich stehen und schaute mich in der Dunkelheit um. Natürlich konnte ich nichts erkennen, doch ich suchte nicht nach einer Statur eines Lebewesens, sondern nach orangefarbenen Augen. Klar, fand ich sie nicht, denn ein Vampir bekam nur orangefarbene Augen, wenn er wütend oder voller Leidenschaft sprudelte.
Abermals blickte ich mich um und als ich dann eine Statur eines Menschen an einer Laterne sah, erschreckte ich fast zu Tode. Es war jedoch kein Mensch, was mir noch mehr Angst machte, es war Dean, der mich freundlich angrinste.
„Hallo, Hope. Du bist aber pünktlich. Das gibt Pluspunkte“, schnurrte er und kam auf mich zu.
„Was für Pluspunkte?“
„Na, was deine Eltern angeht. Pluspunkte kann nie schaden. Also es ist so, Schätzchen, wenn du ein Fehler machst, wird einen deiner Eltern wehgetan. Wenn du allerdings Pluspunkte hast und einen kleinen Fehler machst, dann fallen die Pluspunkte weg, dafür werden deinen Eltern jedoch verschont“, erklärte er.
„Was soll der Scheiß?“, fragte ich zornig.
„Na, na. Keine Kraftausdrücke. Eine Dame nimmt so welche Worte nicht in den Mund. Du willst doch nicht schlecht bei unseren Opfer dastehen?“, erwiderte er.
„Wo wir beim eigentlichen Thema wären. Wen muss ich denn verführen?“
„James McHolster. Ein Vampir mit langjähriger Erfahrung in Sachen Dämonen. Ich brauche ein paar Infos von ihm und dann heißt es arrivederci“, erklärte Dean lachend.
„Über Dämonen? Und was brauchst du das für Informationen?“, hakte ich nach.
„Schätzchen, was du nicht weißt, macht dich nicht heiß. Also bleib einfach auf den Teppich und überlass es mir, was ich für Gründe habe.“
„Ich würde schon gerne wissen, warum ich ihn an euch ausliefere.“ Ich ließ nicht locker.
Er runzelte die Stirn. „Hope, der Grund warum du ihn mir auslieferst ist der, dass du nicht das Blut deiner Eltern an deinen Händen kleben haben möchtest, oder irre ich mich da?“, fragte er düster.
„Ja, ja. Das ist richtig“, stotterte ich ängstlich. Mit Dean war nicht zu spaßen, dessen war ich mir bewusst.
„Und wie sieht er aus?“, fragte ich weiter. Er sollte nicht merken, dass er mich in der Hand hatte.
„Blonde Haare, braune Augen, bleiches Gesicht, wenn er Leidenschaft oder Hass verspürt werden seine Augen orange.. Naja, mehr kann man nicht dazu sagen, keine Sorge, du wirst den richtigen schon erkennen. So viele Vampire, die auf diese Beschreibung passen, werden heute wohl kaum in diesen Club gehen“, sagte er genervt.
Ich schaute nachdenklich weg. „Und woher weißt du, dass er heute Abend hier sein wird?“
„Ich habe meinen Handlanger, was sein Kumpel ist.. Und dieser Handlanger hat ihm erzählt, dass sie sich heute Abend dort treffen würden. Na, dann trifft er eben statt seinem Kumpel eine hübsche, junge Frau namens Hope. Ist doch auch ganz nett“, sagte er sarkastisch. „Vor allem wenn diese ihn töten möchte.“
„Ja, ja. Okay, also sag mir jetzt genau, was ich tun soll.“
„Du sollst ihm schöne Augen machen, so tun als würdest du gerne mit ihn in ....den Sarg“, er kicherte. „..steigen und gegebenenfalls auch ein bisschen mit ihm rumfummeln. Den Rest übernehmen wir, verstanden?“, sagte er.
„Aber ihr passt auf, dass mir nichts passiert oder?“, fragte ich ein wenig verzweifelt.
„Natürlich, dies wird nicht deine letzte Mission sein“, sagte er unheilvoll und war dann verschwunden. Das sollte doch nicht etwa heißen, dass das zu meinem Job werden würde?!
Langsam schlenderte ich die letzte Straße zum Club entlang. Noch immer verstört von dem Gedanken, diese Aufgabe öfters durchzuführen. Ich hätte nicht auf den Deal mit Brendan eingehen sollen. Hätte ich ihm nicht geholfen Gosek umzubringen, dann würde ich hier nun nicht gehen, in einem schlampigen Outfit, verstörten Gesichtsausdruck und Angst davor, meine Eltern zu verlieren. Doch ich konnte Brendan unmöglich Schuld daran geben. Ich war diejenige, die darauf bestand ihm zu helfen, ich sah es als meine Pflicht und diese habe ich erfüllt. Dies hier war weder eine Pflicht noch mein Wunsch. Ich wusste nicht, was dieser Vampir angestellt hatte, wusste nur das Dean ein böser Blutsauger war. Also wer sagte mir, dass ich nicht gerade den guten zum Sterbebett führte? Bei Brendan war ich mir sicher. Er war gut. Und Gosek war ein Monster. Ich wusste sogar warum er dies war. Weil er ein Vergewaltiger und Mörder war. Doch über diesen James wusste ich nur, dass Dean von ihm Informationen über Dämonen wissen wollte, weshalb auch immer. Ich fand das alles ziemlich nervtötend und verwirrend. Ich wusste nicht auf welcher Seite ich mich befand. Auf der guten oder der bösen? Und hatte ich überhaupt noch eine Chance zu wählen oder wurde ich dazu verdammt für die bösen Blutsauger zu arbeiten?
Ich ging in den gutbesuchten Club und war mir sicher, wohin ich nun musste: zur Bar. Ich brauchte nun wirklich einen starken Drink. Ich setzte mich auf einen der Hocker und hatte ich echt Mühe meinen Slip dabei nicht zu entblößen. Der Rock war definitiv zu kurz. Und ich spürte, wie mich männliche Blicke nur so durchbohrten. Deshalb hätte ich nun hier lieber mit Rollkragenpulli gesessen.
„Hey Hope!“, sagte Justus der nun vor mir hinter dem Tresen stand.
„Hey. Bring mir ein Glas Wodka, bitte“, bestellte ich sofort.
„Hope, das letztes Mal war eine einmalige Sache. Ich darf dir keinen hochprozentigen Alkohol geben.“
„Ich habe heute Geburtstag. Ich bin jetzt 18“, log ich.
Justus runzelte ungläubig die Stirn. „Dann zeig mir mal deinen Ausweis!“
Ich seufzte genervt. „Ach komm schon, wir sind doch Freunde. Ich brauche einen Drink. Nur einen.“
Er schaute mich nachdenklich an, dann nahm er ein Glas und füllte es mit Wodka.
„Nur einen, verstanden?“, sagte Justus streng, als er mir das Glas gab. Ich nickte.
Schnell trank ich das Glas aus und blickte mich um. Noch war der Blutsauger nicht zu sehen. Wie lange ich wohl auf ihn warten musste?! Seufzend wandte ich mich wieder dem Tresen zu.
„Justus!“, rief ich ihn. Er kam zu mir und schaute mich erwartungsvoll an.
„Bring mir bitte noch einen“, sagte ich und zeigte auf das leere Glas vor mir.
„Hope, was hatte ich denn gesagt? Mehr Alkohol bekommst du heute nicht“, widersprach er genervt.
Ich seufzte. „Na schön, dann bring mir eine Cola.“
Er nickte und brachte mir einige Sekunden später das Glas. Na super, jetzt wurde ich hier trotz meines Aussehens wie ein Kleinkind behandelt. Naja, es kam auch ganz gelegen, dass ich kein Alkohol durfte, denn besoffen einen Vampir verführen.. Das war mit Sicherheit sehr viel gefährlicher als nüchtern.
Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände und beobachtete Justus, wie er die vielen Gäste bediente, immer mal wieder nach den Ausweis fragte und eine Auseinandersetzung mit den Leuten hatte, die ihm bezüglich des Alters etwas vormachen wollten.
Eine Stimme holte mich wieder zurück. „Hallo.“
Ich blickte zur Seite und schaute in braune Augen. Seine blonden Haare waren hochgestylt und passten eher weniger zu seiner bleichen Haut. Das musste der Blutsauger sein! Und er tappte mir direkt in die Falle ohne das ich etwas getan hatte.
„Hey“, grüßte ich und versuchte mit ganzer Kraft meine Stimme verführerisch und geschmeidig klingen zu lassen.
Er lächelte, sodass seine spitzen Zähne entblößt wurden. „Ich bin James. Und wie ist dein Name?“
Volltreffer! Dies war wirklich der Blutsauger, den ich Dean ausliefern musste. Es lief besser, als ich dachte.
„Hope“, antwortete ich schlicht.
Er nahm meine Hand und küsste sie, wobei er mir tief in die Augen schaute. Ich zuckte zusammen und schaute ihm ebenfalls wie gebannt in seine Augen. Verdammt, ich durfte nicht panisch werden. Ich dachte an die Worte von Brendan. Ich durfte keine Angst zeigen, musste so tun, als würde es mir egal sein, was mit mir passierte. Außerdem durfte ich mir nicht anmerken lassen, dass ich wusste, was er war. Das wurde mich entlarven. Als ich an Brendans Worte dachte, wünschte ich mir plötzlich, er wäre an meiner Seite, beschützte mich, sodass ich mich in Sicherheit fühlte. Stattdessen konnte ich nur hoffen, dass Dean mich retten würde, wenn es gefährlich wurde.
„Wie geht es dir, Hope?“, entführte mich James wieder aus meinen Gedanken.
„Sehr gut. Und dir?“, fragte ich geschmeidig und ließ wie beiläufig meine Hand über mein Dekolleté gleiten. Natürlich verfolgte James diese Bewegung und leckte sich ganz schnell über die Oberlippe. Widerlicher Blutsauger!
Ich lächelte selbstbewusst und auch er wandte den Blick wieder zu meinen Augen.
„Bist du alleine hier?“, fragte er mich.
„Ja, bin ich“, sagte ich. Diese Antwort wollte er definitiv hören, denn er strahlte bis über beide Ohren.
„Hast du Lust zu tanzen, meine Schönheit?“, fragte er mich mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen.
„Klar“, antwortete ich achselzuckend und stand auf. Eigentlich hatte ich darauf gar keine Lust, denn tanzen beanspruchte Körperkontakt und das gefiel mir überhaupt nicht. Schon gar nicht wenn mein Begleiter ein Blutsauger war und somit meiner Kehle gefährlich nah kam. Aber ich durfte mir schließlich nichts anmerken lassen. Und wie ging es besser einen Vampir zu verführen, wenn man sich an ihn presste? Auch wenn mir das ganze zuwider war.
Schnell ging ich zur Tanzfläche, doch wie erwartet, war er schneller als ich und nahm abermals meine Hand in seine. Diesmal zuckte ich nicht zurück, denn ich hatte es mir schon fast gedacht. Ein neues Lied begann und er umschlang meine Taille. Tief durchatmen. Denk daran, was Brendan gesagt hat. Immer schön cool bleiben. Mir wird nichts passieren, redete ich mir die ganze Zeit ein. Es half, ich schloss meine Augen und stellte mir vor, Brendan würde mich so umschlingen. Es verursachte, dass ich lächelte und mich wohl fühlte, doch als ich die Augen öffnete, durchfloss mich Enttäuschung und eine Spur von Angst, denn ich musste in das Gesicht von James sehen. Er schaute mich herausfordernd an und kniff in meinen Allerwertesten. Gegen meinen Willen zuckte ich zusammen und hoffte, dass er dachte, dass ich auf seine Berührung nur aus Überraschung reagiert hatte. Ich räusperte mich, damit meine Stimme wieder verführerisch klang. „Wollen wir uns ein nettes, kleines Plätzchen suchen?“
Innerlich musste ich mich übergeben. Allein die Vorstellung, er würde mich überall berühren, widerte mich an.
Er lächelte und ohne eine Antwort zog er mich durch die Menge aus dem Club. Ich sah noch zurück zu Justus, der mich mit gerunzelter Stirn ansah. Ich gab ihm so gut es ging zu verstehen, dass ich die Drinks später bezahlen würde und er nickte. Er war wirklich ein netter Mensch.
Draußen wurde er nun noch grober und packte mein Handgelenk fester. Ich rannte fast neben ihn her und als er dies merkte, wurde er trotzdem nicht langsamer. Irgendwie sah er verdammt wütend aus und das machte mich verflixt nervös und ängstlich ebenso.
„Nicht so stürmisch“, sagte ich so geschmeidig wie es nur ging, jedoch hörte es sich nur atemlos an.
„Klappe halten!“, forderte er und Panik stieg in mir auf. War er ein brutaler Liebhaber oder wusste er bescheid, was mein Vorhaben betraf? Immer wieder blickte er sich um und ging immer schneller. Ließ mein Handgelenk nicht los und drückte immer fester zu. Dann endlich blieb er stehen und drückte mich gegen einen Baum. Wir waren nun im Wald und er schaute mit orangefarbenen Augen zu mir hinunter. War er nun voller Leidenschaft oder war er zornig?
„Was spielst du für ein Spielchen? Wer hat dich auf mich angesetzt?!“, rief er. Okay, es war Zorn, den er verspürte und ja, er wusste über mein Vorhaben bescheid. Verdammter Mist!
„Ich weiß nicht , was du meinst“, sagte ich unschuldig.
Er kam näher und blickte mir starr in die Augen. „Wer ist dein Auftraggeber?“
Er wollte mich kontrollieren, dessen war ich mir bewusst. Doch ich hatte immer noch den kleinen Ohrstecker von Brendan und somit war es praktisch zwecklos. Doch ich tat so, genauso wie bei Gosek, als würde seine Gedankenkontrolle funktionieren.
„Ich habe keinen Auftraggeber.“
Er schaute mich noch wütender an. „Wer hat dir dieses Gemisch gegeben?!“
„Was für ein Gemisch?“, fragte ich.
„Na die Mischung aus Holz und Sekt?! Ich weiß, dass ich dich nicht kontrollieren kann. Du kannst mir nichts vormachen, ich bin ein sehr alter Vampir!“, rief er.
Nun gut, ich konnte ihm nichts vormachen, jetzt konnte ich nur hoffen, dass Dean mir bald zu Hilfe kam.
„Na schön, also ich wurde auf dich angesetzt“, erwiderte ich ergeben.
„Das weiß ich. Ich will wissen von wem und warum!“
„Warum weiß ich nicht..“, sagte ich wahrheitsgemäß.
„Und wieso machst du dann da mit?!“, fragte er mich.
„Weil mein Auftraggeber meine Eltern hat und ich es machen MUSS!“, motzte ich ihn an. „Jetzt lass mich los!“
„Vergiss es. Wer will mich tot sehen?“
Als ich gerade antworten wollte, drehte sich James abrupt um. Dean stand mit zwei weiteren Vampiren vor uns und grinste zufrieden.
„Gut gemacht, Hope“, sagte er und kam auf James zu. Seine Handlanger immer dicht bei ihm. „Hallo James. Ich bin es, Dean. Du kennst mich bestimmt noch.“
„Ohja und ob ich dich kenne. Was willst du von mir?“, fragte James hasserfüllt.
„Ich brauche Informationen bezüglich Dämonen“, antwortete Dean.
„Warum glaubst du, dass ich dir diese Informationen geben werde?“
„Oh es wäre doch echt schade, wenn du sterben würdest oder?“, konterte Dean arrogant.
„Warum interessierst du dich für Dämonen? Was hast du nun schon wieder vor?“, stellte James eine Gegenfrage.
„Das braucht dich wiederum nicht zu interessieren, mein Freund. Beantworte meine Fragen und du bist frei, versprochen.“
„Na gut. Dann fang an“, erwiderte James nach ein paar Sekunden stille. Ich war immer noch an den Baum gepresst. Nicht weil mich jemand dagegen hielt, nein weil ich Angst hatte. Ich wusste nicht, was passieren würde und auch nicht, was Dean vorhatte. Ich zitterte am ganzen Körper, nicht nur aus Furcht, auch weil es ziemlich kalt geworden war. Mein einziger Trost an der Sache war, dass es noch nicht dunkel war und ich alles um mich herum erkennen konnte.
„Also, woran erkennt man einen Dämon?“, fragte Dean.
„Sie sind unglaublich stark, so wie wir. Sie besitzen, wie du bestimmt weißt, magische Fähigkeiten, sie haben ein Tattoo auf dem Handgelenk. Eine Art Flugsaurier. An mehr Sachen kannst du sie nicht erkennen“, sagte James.
„Okay, was genau können sie mit ihren Fähigkeiten anstellen?“, fragte Dean weiter.
„Sie können vieles damit machen..“, antwortete James ausweichend.
„Du weißt genau worauf ich hinaus will. Kann er das Schloss öffnen?“, rief Dean wütend. Schloss? Was denn jetzt schon wieder für ein Schloss?!
James presste die Lippen aufeinander. Er wollte keine Antwort geben.
Dean seufzte und nickte zu dem einen Handlager. Dieser kam auf James zu und fügte ihm mit dem Holzpflock eine tiefe Wunde am Arm zu. James schrie schmerzverzerrt auf und sank zu Boden. Dean kniete sich vor ihm. „Also, mein Freund, kann ein Dämon das Schloss öffnen?“
Wieder sagte James nichts und ihm wurde eine weitere Wunde zugefügt, was ihn aufschreien ließ. Ich hielt mir bei diesen Geräusch die Ohren zu. Sie quälten ihn und das konnte ich nicht hören.
„Ja“, brachte James heraus.
„Gut, danke James. Für dich habe ich nun keinerlei Verwendung mehr.“
Dean lächelte zufrieden und nickte auch den anderen Handlanger zu, der ein weitaus größeren Holzpflock in der Hand hielt. Als James diesen sah, schaute er verzweifelt zu Dean. „Du hast es versprochen!“
„Ich habe versprochen, dass du nachdem du die Fragen beantwortet hast, frei bist. Nun ja, wenn du tot bist, bist du frei. Frei von Schmerzen, frei von mir.. Also entspann dich.“
James schaute noch einmal zu mir und ich konnte ihn nur entsetzt anstarren. Dann wurde ihm auch schon der Holzpflock ins Herz gebohrt und blaues Blut schoss aus der Einstichstelle. Immer noch ruhte der starre Blick auf mir, dann kippte er vorne über und war tot. Ich schlug mir eine Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Gott, wie grauenvoll kann man denn eigentlich sein?! Und ich hatte dabei auch noch einen großen Anteil an Schuld.
Dean schüttelte den Kopf und packte meinen Oberarm, um mich dann hinter sich her zuziehen. „Kev, Martin, kümmert euch darum!“, rief er noch zu seinen Handlangern, dann zog er mich aus den Wald.
„Du hast dich tapfer geschlagen, Schätzchen“, lobte er mich, als er endlich stehen blieb. „Aber eins musst du dir merken: Nenne nie deine eigene Identität und auch nicht die deines Auftraggebers, also meine. Verstanden?“
Ich nickte. „Gut. Also morgen geht’s weiter. Sei um 20 Uhr an dem Club. Denk an deine Eltern“, sagte er und wandte sich zum gehen.
„Was willst du denn noch von anderen Vampiren? Und was hat es mit dem Schloss auf sich? Wenn ich dir schon helfe, dann möchte ich den Grund wissen, weshalb ich einen Vampir zum Tode verurteile“, sagte ich und er blieb stehen.
„Meine Frau wurde 1950 in ein Schloss hier in der Nähe eingeschlossen. Es wurde mit einem Siegel verschlossen, damit sie nicht mehr herauskommt. Ich suche seit Jahren nach Dämonen , denn nur die können dieses Siegel brechen. Doch es ist nicht leicht Dämonen zu erkennen. Von James wollte ich die Informationen wissen, die man braucht, um Dämonen zu finden. Die anderen Vampire will ich töten, weil diese daran Schuld sind, dass meine Frau eingesperrt werden, diese elenden Verräter. Sie werden immer zu zweit auftauchen, also musst du noch vorsichtiger sein, denk daran. Gute Nacht. Bis morgen“, sagte er und verschwand hinter den Bäumen.
Als ich in das Haus von Inka kam, war es finster. Sie musste schon schlafen. Mit tapsigen Schritten ging ins Wohnzimmer, wo sie wie versprochen ein Bett aufgebaut hatte. Ohne mich umzuziehen legte ich mich hinein und wurde sofort von Träumen umschlugen, die die Augen von James mit sich trugen.

„Hope! Aufwachen! Na los!“, weckte mich Inka. Verschlafen öffnete ich die Augen. Ich war vor lauter Albträumen oft aufgewacht und somit nun mehr als müde.
„Mensch, wann bist du gestern nach Hause gekommen?“, fragte Inka lachend.
Ich raufte mich die Haare. „Keine Ahnung. Wie spät ist es?“
„13 Uhr. Du hast ziemlich lange geschlafen“, antwortete sie kichernd und richtete sich auf. „Ich hab dir einen Kaffee gemacht. Der steht in der Küche. Ich muss jetzt los. Ich habe einen Friseurtermin. Nimm dir was du brauchst, Süße.“
Ich lächelte ihr dankbar zu und sie verließ das Haus. Kurz danach klingelte mein Handy. Wer war das denn jetzt?!
„Ja?“, fragte ich, als ich den Anruf entgegennahm.
„Hope. Wie geht es dir?“, fragte mich eine vertraute Stimme.
„Brendan, was willst du?“
Er kicherte, womit er mir ein warmes Gefühl zauberte. „Wissen, wie es dir geht, Kitty.“
„Gut“, antwortete ich schlicht.
„Ich habe mich gefragt, ob wir uns mal in den Club treffen?“
Wenn er in den Club auftauchte, wusste, dass ich für Dean arbeitete, würde er alles kaputt machen und somit meine Eltern zum Tode verurteilen.
„Nein!“, rief ich. Fasste mich dann schnell wieder. „Ich meine, nein, danke. Ich bin im Moment ziemlich beschäftigt.“ Und das war nicht gelogen.
Er schwieg eine Weile. „Hope, steckst du in Schwierigkeiten?“
„Nein“, log ich.
„Du weißt du kannst es mir sagen, ich helfe dir, was immer es ist“, sagte er besorgt.
„Es ist alles in Ordnung. Ich muss jetzt auflegen. Tschüss.“
„Melde dich, wenn du Hilfe brauchst. Ich bin für dich da.“ Mit diesen Worten legte er auf. Schlechtes Gewissen breitete sich in mir aus, aber ich hatte keine andere Wahl, als ihn anzulügen.
Ich legte mein Handy auf mein improvisiertes Bett und ging in die Küche. Dort stand mein Kaffee und dazu nahm ich mir noch Cornflakes. Vorsichtshalber schaute ich jedoch vorher auf das Haltbarkeitsdatum. Ja, sie waren noch gut.
Nachdem ich mich gestärkt hatte, beschloss ich in die Dusche zu steigen und mich anschließend wieder aufreizend anzuziehen. Nachdem ich fertig war und wieder aussah wie eine potenzielle Prostituierte, ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Nur Schwachsinn lief, doch ich schaute trotzdem starr auf den Bildschirm. Ich war mit den Gedanken bei Brendan. Ich hatte einen Menschen nie so sehr vermisst, wie ihn. Er wollte mir nicht aus den Kopf gehen und mit seinem liebevollen, besorgten Anruf hatte er es noch schlimmer gemacht.
Ich schaute auf die Uhr. 19 Uhr. Ich musste langsam los. Wo Inka blieb, wusste ich nicht und das machte mich unsicher. Ich rief sie an.
„Hallo?“, fragte sie munter. Es ging ihr gut.
Ich seufzte erleichtert. „Mensch, wo bleibst du denn?“
„Hope! Ich bummle gerade ein bisschen in der Stadt. Ich komme in einer Stunde nach Hause.“
„Da bin ich nicht da. Ich gehe.. zu meinem Bruder“, log ich. Das ich wieder in den Club ging, war zu auffällig.
„Okay, mach das. Bis dann.“
„Bis dann.“ Nun war die Leitung unterbrochen. Gut, dass sie das so schnell geschluckt hatte.
Ich zog mir schnell die High Heels an und verließ dann das Haus. Wieder verfolgten mich Blicke der Passanten und wieder war es verdammt unangenehm.
Als ich endlich an den Club ankam, sah ich auch schon Dean, der mich anlächelte. „Hallo Hope. Heute wirst du zwei Vampire verführen. Nacheinander versteht sich. Erlaube dir keine Fehler und denk dran, nicht deinen richtigen Namen verwenden. Und meinen nicht verraten.“ Dann war er wieder verschwunden. Schnell lief ich durch den wie jeden Abend gut besuchten Club und setzte mich auf den Hocker. Justus kam sofort zu mir. „Sag mal, bist du jetzt jeden Abend hier? Du schleppst jeden Tag einen neuen Kerl ab.“
„Quatsch. Ich bin hier, weil ich dir noch Geld schulde und dann dachte ich mir, da kann ich doch auch gleich Party machen. Bring mir einen Cocktail.“
Wieder schaute er mich streng an, dann lächelte er. „Einen.“
Ich grinste zurück und nickte eifrig. Wurde ja immer leichter ihn umzustimmen.
Ich drehte mich um und sah, dass zwei Blutsauger in die Bar kamen. Sofort trennten sie sich. Der eine ging zu den Flipper, der in der hintersten Ecke stand, der andere setzte sich auf einen Hocker neben mir. Er würdigte mich keines Blickes, was mich ziemlich beleidigt erscheinen ließ. Ich drehte mich zu ihn.
„Hallo“, sagte ich verführerisch. Endlich blickte er zu mir und lächelte. „Hey.“
„Ich bin Ho-“ Ich stoppte. Nicht meinen richtigen Namen! Ich sagte den ersten Namen, der mir in den Sinn kam. Und das war nun wirklich, der dümmste. „Kitty.“
Er zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Kitty? Das ist ein sehr..ungewöhnlicher Name. Ich bin Haslo.“
„Dein Name hört man auch nicht oft“, sagte ich lächelnd. Um genau zu sein, man hörte ihn nie. Das musste ein sehr alter Vampir sein. Diese Tatsache machte mir Angst, denn wie ich wusste, waren alte Vampire, sehr mächtig.
Er kicherte nur in sich hinein. Ich schaute auf die Tanzfläche. Wenn ich heute zwei Vampire töten musste, dann musste ich diesmal etwas schneller reagieren.
„Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?“, fragte er mich. Wow, er war noch schneller. Es kam mir gelegen. Je weniger Körperkontakt, desto besser.
Ich nickte und ich zog ihn aus den Club. Mist. Schon wieder vergessen zu bezahlen, doch Justus würde es nicht so ernst sehen.
Langsam zog ich ihn in den Wald hinein und ich wusste, dass er nichts von meinem Vorhaben ahnte. Dann nahm er mich plötzlich in die Arme und begrabschte mich. Da hätte ich lieber getanzt. Es war so widerlich, sodass mir augenblicklich schlecht wurde. Er presste seine schmalen Lippen auf meine und ich musste mich anstrengen, damit ich mich nicht losriss.
Dann war er plötzlich weg und ich sah wie Deans Handlanger ihn umklammerten. Haslo schaute Dean hasserfüllt an, der nun neben mir stand.
„Hallo Haslo“, begrüßte ihn Dean.
„Was willst du?!“, fragte dieser wütend.
„Ich will dich dafür töten, dass du meine Frau verraten hast!“
„Sie hat es nicht anders verdient. Sie hat die halbe Stadt abgeschlachtet! Sie hat zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen! Wir mussten handeln!“, rechtfertigte sich Haslo.
Nun war es mir vollkommen klar. Ich stand auf der Seite des Bösen. Deans Frau war ein Monster, genauso wie ihr Mann es war. Und ich half ihnen auch noch.
Dean nahm einen Holzpflock und ging auf Haslo zu. Das hatte er nicht verdient.
Ich stürmte zu Dean. „Nein, nein. Tu das nicht!“
Im nächsten Moment holte Dean aus und gab mir eine heftige Ohrfeige, sodass ich zu Boden fiel.
Ich blickte auf und sah gerade noch, wie Dean ihm den Holzpflock ins Herz stieß. Anschließend kam er auf mich zu und zog mich hoch.
„Merk dir eins: Du bist auf meiner Seite! Ich habe schließlich deine Eltern! Also, tu was ich dir sage und widersetze dich nicht! Jetzt gehst du zum Club und schnappst dir den anderen auch noch, klar?! Je schneller du mir die Vampire bringst, desto schneller bist du frei und deine Eltern ebenso.“
Dann schubste er mich Richtung Bar.
Wieder ging ich hinein und suchte den anderen Blutsauger, den ich heute zur Strecke bringen musste. Ich fand ihn auch schnell und verführte ihn ebenso schnell. Wieder brachte ich ihn in den Wald, wo ihn Dean kaltblütig ermordete.
Zitternd stand ich da und betrachtete die starren Augen des toten Vampirs.
„Warum laufen die Blutsauger, die du töten willst, zusammen herum?“, fragte ich Dean, als er den Holzpflock aus den Herzen seines Opfers zog.
„Weil sie wissen, dass ich sie töten will. Aus Schutz laufen sie seit 1950 zu zweit herum. Doch sie wurden mit der Zeit leichtsinniger, wie du gesehen hast. Sie haben sich im Club getrennt. So nun bist du aber für heute fertig. Geh schlafen. Morgen, dieselbe Uhrzeit bist du wieder hier.“
„Warum kommen die Blutsauger jeden Abend in den Club?“, hakte ich nach.
„Weil mein Handlanger sie beauftragt dorthin zu kommen. Sie sind so blöd und denken sich nichts dabei, wenn mein Handlanger nicht auftaucht“, sagte er achselzuckend. Dann verschwand er.
Als ich bei Inka war und ich mich wieder in mein zusammengebasteltes Bett legte, fingen die Träume der letzten Nacht wieder an. Diesmal mit anderen starren Augen.

Einige Tage später..

Erschöpft und völlig verstört saß ich da. Was waren das bloß für Männer, die sich einfach auf ein fremdes Mädchen einlassen?! Und dann auch noch jeden verdammten Tag diese Leichen vor meinen Füßen zu haben, sodass ich nicht schlafen konnte, weil dieser verstörte Gesichtsausdruck der Opfer mich verfolgten. Lange konnte ich das ganze nicht mehr durchstehen.
„Hallo Hope. Schön dich zu sehen. Das übliche?“, fragte mich Justus.
„Ja,ja danke.“ Er hatte schon lange aufgehört, mich anzuschnauzen, wenn ich ihn wieder um Alkohol bat. Er wusste, dass es mir nicht gut ging und ich es brauchte. Das schätzte ich an Justus wirklich.
Als er mir endlich meinen Cocktail auf den Tresen stellte, riss ich es auch sofort an mich und trank mehrere Schlucken. Er kam mir stärker vor als sonst. Justus hatte mir vermutlich mehr Alkohol eingeflößt, weil er mitbekam, dass ich heute noch erschöpfter und verstörter war, als üblich.
„Hey Hübsche!“, hörte ich einen Typ neben mir sagen. Ich blickte zu der Seite, von der die Stimme kam und schaute in das Gesicht eines rund zweiundzwanzigjährigen Mannes. Es war der zweite Vampir, den Dean heute töten wollte. Und er tappte mir genauso wie der erste einfach so in die Falle. Sportlich war er auf jeden Fall und schlecht sah er auch nicht gerade aus. Als ich ihm gerade zu verstehen geben wollte, dass er sich vom Acker machen sollte, hörte ich die Worte von Dean in meinem Kopf widerhallen. Je schneller du mir die Vampire bringst, desto schneller bist du frei und deine Eltern ebenso.
Ich schluckte einmal schmerzverzerrt, ehe ich mich wieder zu den Kerl drehte.
„Hey“, sagte ich bloß.
„Ich hab dich hier noch nie gesehen. Ich bin Max. Wie ist dein Name, Hübsche?“
„Kitty. Mir bist du hier auch noch nie aufgefallen“, erwiderte ich und versuchte ein einigermaßen natürliches Lächeln hinzubekommen. Ja, kein Wunder, dass er mir nie aufgefallen war, ich war schließlich zu sehr damit beschäftigt andere widerliche Typen abzuschleppen, dachte ich. Meinen „neuen“ Namen Kitty hatte ich beibehalten, weil ich wusste, auch wenn ich mein Gedächtnis verlieren sollte, ich würde mich immer an diesen Namen erinnern. So nannte mich Brendan schließlich immer.
„Willst du tanzen, Kitty? Das Lied ist echt cool“, sagte er.
Ich nahm seine ausgesteckte Hand entgegen und ließ mich von ihm zur Tanzfläche ziehen. Immer wieder berührte er mich an Hintern und Busen und ich musste immer härter kämpfen, damit ich ihm nicht eine verpasste. Als er dann auch noch langsam an meinen Oberschenkel hinaufglitt, konnte ich meine Abneigung nicht mehr unterdrücken. Ich riss mich los und wollte gerade aus dem Getümmel fliehen, da packte er meine Hand und riss mich zu sich. Er nahm mich ganz fest in die Arme und grabschte mich überall an. Seine Augen leuchteten unnatürlich auf, wie bei jedem Vampir auch, wenn sie voller Leidenschaft steckten. Ich versuchte mich vergeblich von ihm wegzubewegen, doch er ließ es nicht zu. Panik durchfuhr mich. Die Leute auf der Tanzfläche waren alle betrunken und nicht bei Sinnen. Als mir schon Tränen der Angst über die Wangen liefen, spürte ich plötzlich eine andere kalte Hand an meinem Arm. Im selben Augenblick wurde ich auch schon aus den Armen von diesen Max gezerrt und ein anderer Arm umschlang meine Taille. Ich fühlte mich völlig sicher und er roch so vertraut, dass ich vor entsetzten in sein Gesicht starrte. Da stand doch tatsächlich Brendan neben mir und hielt mich besitzergreifend in den Armen.
„Verpiss dich!“, schrie er Max an.
„Vergiss es! Ich habe ältere Rächte!“, sagte dieser.
„Du hast gar nichts! Verschwinde oder du wirst dir noch wünschen, dass du nie geboren wurdest!“
Max schniefte nur und kam herausfordernd auf Brendan zu. „Die Kleine bleibt bei mir.“
„Nimm den Wunsch mit in den Tod!“, zischte Brendan.
Max’ Augen wurden schmal und er machte kehrt. Ich war total verwundert, dass sich dieser Max nicht weiter verbal gewehrt hatte, aber mir war das nur recht.
Sofort schlang Brendan seine Arme richtig um meinen Körper. Auch ich konnte nicht widerstehen und legte ihm die Arme um seine Mitte. Ich fühlte mich so geborgen und in Sicherheit wie lang nicht mehr.
„Ich hab dich so wahnsinnig vermisst, Kitty. Du glaubst gar nicht wie sehr“, sagte er sanft.
„Ich dich auch“, hauchte ich und fühlte mich einfach nur wohl in seinen Armen.
Er hob mit seiner Hand mein Gesicht an, sodass ich ihn ansehen musste.
„Was machst du hier? Ich dachte du bist beschäftigt?“, fragte er.
Mist. Damit brachte er mich wieder in die Realität. Ich war hier, um Vampire zu verführen, damit Dean sie umbrachte. Und er durfte das unter keinen Umständen wissen. Genauso wenig wie Dean wissen durfte, dass Brendan und ich ein besonderes Verhältnis miteinander hatten.
„Ich mache Party. Ich hatte mich aber spontan dazu entschieden. Ich muss jetzt wieder los.“
Ich befreite mich hastig aus seiner Umarmung und floh aus den Club. Schnell ging ich durch die finstere Umgebung und hoffte, dass mir Brendan nicht folgen würde. Doch als ich ein Geräusch hinter mir hörte, war ich mir sicher, dass mein Wunsch nicht erfüllt worden war. Ich drehte mich genervt um und erstarrte im selben Augenblick. Das war nicht Brendan, sondern der Blutsauger, den ich eigentlich hätte töten sollen, den Brendan jedoch eben verscheucht hatte.
„Wo ist mein Begleiter?!“, schrie er mich an.
„Was für ein Begleiter?“ Ah, er meinte den, den ich Dean bereits ausgeliefert hatte. Verdammt!
„Sag mir, wo er ist!“, brüllte er wieder. „Ich habe dich mit ihm gesehen!“
Er kam auf mich zu und ich presste die Lippen zusammen.
Er schubste mich. „Sag es mir!“
Ich schüttelte den Kopf. Das machte ihn rasend vor Wut, sodass sich seine Augen färbten. Er schubste mich immer wieder, bis ich stolperte und zu Boden fiel. Ich hatte solche Angst, dass ich kaum atmen konnte. Er lachte süffisant und kam dann auf mich zu. Seine leuchtenden Augen waren nur auf mich gerichtet, deswegen bemerkte er es nicht sofort, dass ein weiterer Vampir auf dem Parkplatz war. Sofort stand Brendan vor ihm und fauchte den bösartigen Vampir an.
„Geh mir aus den Weg!“, schrie der Blutsauger.
„Ich zähle bis drei, dann hast du deinen vergammelten Hintern von hier wegbewegt oder ich töte dich!“, fauchte Brendan.
„Verschwinde!“
„1....2...-“, machte Brendan.
„Sie hat meinen Begleiter entführt!“, rief der Vampir.
Brendan hielt inne. „Wie heißt du?“
„Harris.“
„So und wie, Harris, kannst du glauben, dass dieses zerbrechliche Menschenmädchen deinen Begleiter entführt hat? Ich nehme mal an, er war oder ist ein Vampir?“, sagte Brendan ungläubig.
„Ja, aber du hast ihr geholfen!“, schrie Harris.
„Falsch“, korrigierte plötzlich eine andere Stimme aus der Dunkelheit. „Das war ich.“
Nach diesen Worten tauchte Dean auf. Er lächelte süffisant und seine Handlanger rieben sich die Hände.
Brendans Augen verengten sich und ich stand auf. Das alles war ganz und gar nicht gut.
„Wer bist du?“, fragte Brendan.
„Brauchst du nicht zu wissen“, antwortete Dean kühl.
Brendan wandte sich zu mir. „Wer ist das, Kitty? Und was hast du mit dem zutun?!“
Ich schaute ihn nur hilflos an. Wenn ich nicht wollte, dass meine Eltern oder er in Schwierigkeiten gerieten, durfte ich es ihm nicht sagen. Seine blauen Augen waren rasend vor Besorgnis.
„Hope, komm zu mir“, sagte Dean. Ich zögerte kurz, ging dann auf Dean zu, doch Brendan packte meinen Arm und hielt mich zurück.
Sofort kamen die Handlanger auf ihn zu und Brendan zog mich hinter sich. Er knurrte die beiden bedrohlich an.
„Kommt schon, wir wollen keinen Streit“, sagte Dean, als er realisierte, dass Brendan sehr besitzergreifend war.
„Was willst du?“, fragte Harris ihn.
Dean wandte den Blick zu ihm und lächelte. „Ach dich hatte ich ja ganz vergessen.“
Dann nahm er einen Holzpflock und stieß es Harris ins Herz. Dieser kippte sofort tot auf den Boden. „Martin, wegmachen.“
Dieser tat sofort, was ihm aufgetragen wurde. Dean wandte sich wieder uns zu. Brendan schaute ihn ungläubig ins Gesicht. „Warum hast du den Kerl getötet?“
„Weil er es nicht anders verdient hat. Aber auch das geht dich nichts an“, konterte Dean kühl. „Und jetzt gebe mir Hope.“
Brendan nahm mich nun fest in die Arme und schaute Dean hasserfüllt an.
„Vergiss es!“
Dean seufzte schwer und nickte Kev zu. Dieser nahm einen Holzpflock und kam auf uns zu. Schnell befreite ich mich aus Brendans Griff. „Ich komme doch!“
Dean winkte Kev zurück und packte mich am Arm.
Als Brendan auf uns zukam, schaute ich ihn bittend und sauer an. Er sollte sich nicht in Gefahr begeben. Mit schmalen Augen verschwand er in der Dunkelheit. Ich war mir bewusst, dass er seine Augen auf mich richtete, dass er mich von jetzt an keine Sekunde nicht beobachtete.
Dean musterte mich zornig und erwartungsvoll und ich bekam Angst. Ich presste meine Lippen aufeinander und machte keinen Ton.
„Hope, würdest du mir bitte erklären, wer dieser Vampir war?“, fragte er mich beherrscht.
Nein, ich konnte nicht zulassen, dass Brendan in Gefahr geriet!
„Harris. Du solltest eigentlich wissen, wen du umbringst...“, antwortete ich mutig. Natürlich wusste ich, dass Dean nicht den Blutsauger meinte, den ich diesen Abend verführen sollte, doch ich ließ mir nichts anmerken.
Sofort war er bei mir und schlang seine Hand um meine Kehle, sodass ich kaum Luft bekam.
„Wenn du mich verarschen willst, dann wirst du sehen, was du davon hast!“, brüllte er. „Kev! Handy!“
Sein Handlanger kam auf uns zu und gab Dean das schwarze Handy in die Hand. Er wählte schnell und wartete bis jemand an der anderen Leitung ranging.
Er stellte vorher jedoch auf Lautsprecher.
„Meister?“, fragte die monotone Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Ich will das du der Mutter einen tiefen Schnitt in der Armbeuge zufügst. Pass aber auf, dass sie nicht stirbt. Während du das tust, halt ihr das Telefon an den Mund“, wies ihn Dean an und ich erstarrte.
„Nei-“, brachte ich nur heraus. Seine Hand lag fest um meinen Hals und mir wurde schon schwindelig. Dann hörte ich einen lauten, schrillen Schrei. Obwohl ich die Stimme in dieser Form nie gehört hatte, wusste ich zu wem sie gehörte. Meine Mutter. Ich zappelte vergeblich- was hätte es auch gebracht? Ich konnte ihr nicht helfen.
Dean legte auf und ließ meine Kehle los. Automatisch legte ich meine Hand sanft an meinen Hals und ertastete ihn. Ich atmete schnell.
„Also noch mal.. wer war der Vampir an deiner Seite?“, fragte Dean.
„Ein Freund“, antwortete ich sauer und schaute ihn hasserfüllt an.
Er schaute wieder auf das Handy und war gerade dabei eine Nummer zu wählen. Er würde meinen Eltern noch mehr Schmerzen zufügen!
„Das.. das war-“, setzte ich an, stoppte jedoch wieder. Brendan in Gefahr zu bringen, wollte ich ebenso wenig.
Dean brach seine fixe Handbewegung ab und schaute mir in die Augen. „Ja?“
Ich stotterte. „Das.. das war ..“
Er sah mich genervt an. „Hope, komm zum Punkt. Wer zum Teufel war das?! Und wehe du lügst mich an!“
Ich konnte Brendan unmöglich in Gefahr bringen, dessen war ich mir bewusst. Dafür bedeutete er mich viel zu viel. „Das war Brian“, log ich.
Es klappte, Dean steckte ohne Bedenken das Handy in seine Hosentasche.
„Okay, Hope. Noch eine Einmischung von Brian und ich muss ihn leider töten.“
Ich nickte ernst. Dean machte nie Scherze, dass wusste ich nicht allein wegen seinen ernsten, tödlichen Augen.
„Gut, wir sehen uns morgen Abend wieder. 20 Uhr.“ Dann war er verschwunden, Die Leiche von Harris und Deans Handlanger ebenso. Und ich stand allein da. Schnell lief ich die bereits dunklen Straßen zu Inkas Haus entlang und hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Immer wieder blickte ich mich zu allen Seiten um, doch ich konnte niemanden erkennen, als plötzlich Brendan vor mir stand. Fast zu Tode erschreckt stand ich da, doch er bewegte sich keinen Millimeter und zeigte auch keine Reue mich so in Furcht versetzt zu haben.
„Brendan, du hast mich erschreckt!“, flüsterte ich empört. Seinen Namen flüsterte ich noch leiser, für den Fall, dass Dean in der Nähe war.
Als ich zu ende geredet hatte, nahm er mich sofort in den Arm. Ich war vollkommen perplex von seiner Handlung, deshalb brauchte ich wenige Sekunden, um seine Umarmung zu erwidern. Er küsste mich immer wieder auf das Haar und ich schloss die Augen und sog seinen Duft ein. Er roch so unbeschreiblich gut und seine muskulöse Brust fühlte sich fantastisch an.
„Was war das eben?“, fragte er mich.
„Ich bin böse“, konnte ich nur sagen und schlang meine Arme noch doller um seine Mitte.
„Quatsch, wie kommst du denn darauf?“
„Weil ich für das Böse arbeite.“
„Arbeite?“, hakte er tonlos nach.
„Ja, ich arbeite für Dean. Er hat meine Eltern gefangen genommen und wenn ich nicht das tue, was er mir sagt, dann tut er ihnen etwas an!“
„Und was sollst du tun?“, fragte er wieder tonlos. Er war nun vollkommen regungslos. Ich wusste, dass Wut in ihn aufbrodeln musste.
„Ich muss Vampire verführen, damit er sie anschließend umbringt“, antwortete ich flüsternd.
Sofort ließ er mich los. Seine Augen färbten sich orange und auch seine Miene ließ keinen Zweifel zu, dass er fuchsteufelswild war. Ich zuckte zusammen. Gleich würde er loslegen. Und ich hatte vollkommen recht.
„Wie konntest du dich so in Gefahr bringen?!“, brüllte er los.
Abermals zuckte ich zusammen. Ich wusste, er würde mir nicht wehtun, doch trotzdem verursachte mir sein wütender Gesichtsausdruck und dazu seine tiefe, zornige Stimme eine Gänsehaut.
„Ich hatte keine Wahl!“, rechtfertigte ich mich.
Das beeindruckte ihn wohl nicht. „Du hättest mich um Hilfe bitten können! Ich hatte sie dir sogar angeboten! Aber nein, dafür warst du dir zu fein!“
„Ich wollte dich da nicht mit hineinziehen!“, sagte ich.
„Hope, ich kann ganz gut auf mich allein aufpassen!“, rief er gernervt.
„Ich auf mich auch.“
„Ja, das sehe ich!“, sagte er schnippisch.
„Man Brendan, er hätte meine Eltern getötet!“, erwiderte ich.
„Hope, ich hätte dir geholfen! Ich habe Freunde, die auch Vampire sind! Wir hätten das ganz fix geregelt, aber nein, du musstest ja wieder die tapfere Heldin spielen!“, brüllte er wutentbrannt. Ich hatte das Gefühl, dass ich immer kleiner wurde unter seinen Vorwürfen.
„Ich komme morgen mit und kille dieses Monster!“, rief er weiter.
Ich schaute ihn ungläubig an. „DAS wirst du ganz sicher nicht tun! Er wird aus dir Hackfleisch machen! Vergiss es! Misch dich nicht in mein Leben ein! Es hat dich nicht zu interessieren!“, schrie ich verzweifelt und völlig hysterisch. Er durfte sich nicht wegen mir in Gefahr begeben. Das war ganz und gar nicht richtig.
Er schaute mich zunächst zornig, dann prüfend an. „Hope, es interessiert mich aber, weil ich dich verdammt noch mal liebe! Wenn du mir nicht glaubst, dann muss ich wohl damit leben! Aber ich werde alles dafür tun, damit du in Sicherheit bist! Für immer! Weil ich dich liebe.“
Ich schaute ihn völlig entgeistert an. Nun war ich diejenige, die etwas sagen musste, doch anstatt eine Erwiderung zu geben, stolzierte ich ohne ein weiteres Wort in zu Inkas Haus. Brendan folgte mir nicht und ich hatte Angst ihn verletzt zu haben.
Schnell schloss ich Inkas Haus auf und tapste auf Zehenspitzen hinein, soweit es auf High Heels ging, denn ich war ziemlich wacklig auf den Beinen. Das Licht ging auf einmal an und Inka stand mit verschränkten Armen vor mir. Erschrocken lehnte ich an der Tür.
„Verdammt, müssen mich heute alle erschrecken?!“, motzte ich.
„Wo warst du?“, fragte sie mich, als wäre sie meine Mutter.
„Im Club“, antwortete ich wahrheitsgemäß, ich war zu aufgedreht, um mir eine Lügengeschichte auszudenken UND sie dann auch noch so klingen zu lassen, dass sie glaubte, es wäre die Wahrheit.
„Du bist in letzter Zeit ziemlich oft da“, stellte Inka fest.
Ich zuckte die Achseln. „Ja, brauch mal ein bisschen Abwechslung, bin schließlich noch jung.“
„Das sieht dir so gar nicht ähnlich“, erwiderte Inka nachdenklich.
Ich schaute in ihre Augen. „Menschen verändern sich. Kann ich jetzt bitte schlafen? Ich bin ziemlich müde, ehrlich gesagt.“
Inka nickte, gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand in ihren Zimmer. Ich schlenderte auf mein Bett zu und legte mich hinein. Dies würde eine kurze Nacht werden.
Am nächsten Morgen weckte mich Inka mal nicht, denn als ich von selbst aufwachte, war es bereits 14 Uhr und Inka war nirgends zu sehen. Ich ging in die Küche und fand einen Zettel vor, wo drinstand, dass sie mit ihrem neuen Freund unterwegs sei. Ich zuckte die Achseln. Mir sollte es recht sein.
Nachdem ich etwas im Magen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Dusche. Anschließend zog ich mich an, schminkte mich und war fertig. Ich ging hinunter und wie jeden Tag wieder, schaltete ich den Fernseher an. Wieder lief nur Schwachsinn und wieder dachte ich nur an Brendans Gesicht.
Dann war es soweit. Ich musste wieder los. Die Blicke der Passanten fielen mir kaum noch auf. Als ich ankam, mir Dean wie jeden Abend eine kurze Anweisung gab über die Opfer dieser Nacht, ging ich in den Club. Die Musik dröhnte mir in den Ohren und es schien, als würde hier jeden Abend die gleiche Musik aufgelegt werden. Justus kam mit einem strahlen zu mir.
„Einen Cocktail?“, fragte er. Das bestellte ich immer und er schien es sich gemerkt zu haben.
„Hey Justus, ja bitte.“
Er stolzierte davon und brachte mir kurz darauf meinen Drink. Ich nippte kurz daran und blickte mich dann um. Kein Vampir zu sehen und so drehte ich mich wieder um. Ich schaute auf den blaugefärbten Strohhalm meines Cocktails und sofort sah ich Brendans Augen darin. Dieses satte, wunderschöne Blau hatte auch Brendans Augen. Wie musste ich ihn gestern gekränkt haben? Ich wollte ihm wirklich eine Antwort geben, doch ich wusste nicht welche. Liebte ich ihn? Es war eine schwere Frage und seit der Vergewaltigung verdrang ich jegliche Zuneigung zu männlichen Wesen. Doch langsam konnte ich dieses Gefühl nicht mehr verdrängen. Ja, ich liebte ihn. Und trotzdem hatte ich ihn gestern gekränkt. Nicht nur weil ich ihm keine Antwort gegeben hatte, sondern einfach davongelaufen war, auch weil ich ihn nicht um Hilfe gebeten hatte, als hätte ich ihn vergessen. Ich hatte Tränen in den Augen, versuchte sie dennoch zu verbergen. Wie fuchsteufelswild und sauer er geworden war, als ich es ihm erzählt hatte. Wie enttäuscht er ausgesehen hatte. Ich war einfach nur ein strohdummes Mädchen. Brendan liebte mich wirklich und ich dumme Nuss hatte doch tatsächlich nicht um seine Hilfe gebeten, sondern habe mich meinem Schicksal einfach so hingegeben.
Eine sehr vertraute Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Und ich zuckte unwillkürlich zusammen.
„Hope? Hey Süße!“, rief er und ich drehte mich um, um mich zu vergewissern, dass mein Albtraum wirklich wahr geworden war. Ich schaute geschockt und vollkommen panisch in das grinsende Gesicht von Josh. Ich ließ meinen Drink auf den Boden fallen, wo er zersplitterte. Josh ließ sich nicht beirren und setzte sich neben mir an den Tresen.
„Schön dich wiederzusehen. Ich hab dich eine Weile nicht gesehen. Sehr schade, ich habe dich vermisst. Du siehst auch echt... wow!“, sagte er und sein Blick huschte über meinen Körper. Du dreckiges Schwein, mach das du Land gewinnst oder ich reiß dir deinen widerlichen Kopf ab!, schrie ich ihn in Gedanken an, doch in Wirklichkeit konnte ich mich keinen Millimeter bewegen, geschweige denn einen Ton herausbringen. Er nutzte es aus und strich mit einer Hand über meine Oberschenkel. Ich schaute zu seiner Hand und hätte sie auf der Stelle wegschlagen wollen, da tauchte plötzlich wie aus dem Nichts eine weiße Hand auf und quetschte das Handgelenk von Josh, das auf meinem Oberschenkel lag.
Josh riss sich los und schaute Brendan hasserfüllt an. „Wer bist du?“
„Ich bin dein schlimmster Albtraum, glaub mir“, sagte Brendan zischend.
„Schön dich kennen zu lernen“, sagte Josh sarkastisch. „Ich heiße-“
„Ich weiß wer du bist, du Bastard. Und ich schwöre dir, du wirst mich auf Knien anbetteln dich umzubringen, wenn ich mit dir fertig bin. Aber selbst dann gewähre ich dir keinen schnellen Tod!“, schrie Brendan und riss ihn vom Hocker.
„Was ist dein verdammtes Problem?!“, brüllte Josh zurück.
„Du bist mein Problem! Hast du denn keine Ahnung was du getan hast?! Ich helfe dir auf die Sprünge. Waldrand, Auto, du, Hope, unfreiwillig, Sex? Sind das ausreichend Stichwörter, die dein kleines verdrecktes Gehirn brauchen, um zu verstehen wovon ich spreche?!“
Josh baute sich bedrohlich vor Brendan auf. „Das geht dich gar nichts an!“
„Und ob es mich etwas angeht! Hope ist mir wichtig!“, zischte Brendan.
„Oh der edle Ritter“, sagte Josh lachend, dann wurde seine Stimme zu einem Flüstern. „Oder soll ich eher sagen, edler Blutsauger?“
Ich und Brendan erstarrten bei diesen Worten. Er wusste bescheid?!
Josh lachte über unsere Sprachlosigkeit. Dann plötzlich nahm Brendan ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. „Du wagst es zu lachen?! Du bist so was von tot!“, brüllte Brendan zornig und ich wusste, dass seine Augen nun ganz sicher nicht mehr blau waren. Doch nur Josh konnte sie sehen und er wusste ja auch komischerweise, was Brendan war. Justus kam von seinem Tresen hervor.
„Hey, keine Schlägerei hier drin!“, sagte er streng. Brendan zog Josh hinter sich her und auch ich folgte ihnen. Was hatte er vor?!
Als wir aus dem Club kamen, konnte ich gar nicht so schnell verfolgen, wie Brendan Josh auf den Boden warf. Dieser sah aus, als müsste er gleich loslachen und diese Tatsache machte Brendan noch wütender als er ohnehin schon war. Er hob ihn am Kragen gepackt hoch und schaute ihm in die Augen. Josh lächelte und befreite sich mühelos von Brendan, indem er ihm an den Hals spuckte. Brendan ließ sofort von ihm ab und ertastete seinen Hals. Ich schaute mir ebenfalls seinen Hals an. Es sah aus, als seien dort auf einmal Brandspuren. Schnell lief ich zu Brendan und schaute es mir genauer an. Ja, es war verbrannt. Und es schien Brendan sehr wehzutun. Josh lachte und somit schubste mich Brendan leicht zur Seite, damit ich nicht in den Konflikt eintritt. In unfassbarer Geschwindigkeit war Brendan bei ihm und gerade als er ihn schlagen wollte, nahm Josh Brendan am Kragen und drückte ihn an die Wand. Es war unergründlich, warum Brendan sich nicht wehren konnte. Josh war ein Mensch, er ein Vampir. Er drückte ihn fester gegen die Wand und ich wollte gerade loslaufen, um Brendan zu helfen, da sah ich ein Zeichen auf Joshs Handgelenk, was zum Vorschein kam, als er Brendan an die Kehle packte. Ich erstarrte, als mir alles klar wurde und ich riss wie gelähmt die Augen auf. Josh war so stark wie ein Vampir, er hatte Brendan mit seiner Spucke verletzt und er hatte ein Tattoo am Handgelenk, was ohne Zweifel ein Flugsaurier darstellte. Josh war ein Dämon. Dämon, Dämon, Dämon, schallte es in meinen Kopf. Josh war nicht nur ein eiskalter Vergewaltiger, sondern ein Dämon! Und er hatte gerade Brendan am Kragen. Schnell rannte ich zu ihnen und schmiss mich auf ihn. Würgte ihn, doch er ließ Brendan nicht los.
„LASS LOS!“, schrie ich. Keine Reaktion. Ich würgte fester, doch noch immer gab er ihn nicht frei.
„Was ist hier los?“, fragte Deans wütende Stimme hinter uns. Verdammte..!
Sofort ließ Josh Brendan los und auch ich stieg von seinem Rücken. Sofort war Brendan an meiner Seite und stellte sich vor mich, um mich so gut es ging zu schützen.
Dean legte den Kopf schief. „Wer bist du?“, fragte er Josh.
Ohja, sag ihm ruhig, dass du ein Dämon bist! Du bist genau was er braucht und dann wirst du gequält, genauso wie ich, jeden verdammten Abend! Soll er nur wissen, dass du ein Dämon bist! Es gibt so wenige auf dieser Welt, wie Dean mir erzählte, also wirst du seine Chance sein!, dachte ich. Dann erstarrte ich. Aber was ist, wenn Josh Deans Frau befreit?! James sagte, dass sie die halbe Stadt abgeschlachtet hatte. Würde sie es wieder tun? Leute zum Tode verführen? Nein, das tat ich. Was sie tat, war skrupelloser Mord an unschuldigen Menschen. Und das ohne Rücksicht darauf, andere Vampire zu entlarven. Auch wenn ich es bereuen sollte, ich wollte , dass Dean und seine Frau weniger Chancen hatten.
Gerade als Josh antworten wollte, nahm ich allen meinen Mut zusammen und sprach: „Das ist Josh. Mein Ex.“
Dean runzelte die Stirn. „Ein Vampir?“
„Nein. Ein-“, setzte Josh an, doch ich unterbrach ihn.
„Ein ganz normaler Mensch.“
Josh schaute mich misstrauisch an, doch ich erwiderte seinen Blick nicht.
Dean räusperte sich, dann wandte er sich Brendan zu. „Und du, Brian, was machst du hier?“
Ich spürte Brendans fragenden Blick auf mir ruhen, doch genauso wie bei Josh, erwiderte ich ihn nicht. Klar wunderte er sich nun, warum er Brian genannt wurde, doch so schlau wie er Gott sei Dank war, berichtigte er Dean nicht.
„Darf ich hier nicht sein? Es ist mein gutes Recht“, antwortete Brendan kühl.
„Was gibt dir das Recht, sie zu verteidigen und zu begleiten?“, hakte Dean nach.
Brendan schaute mich kurz an. „Sie ist meine Frau.“
Schnell schaute ich zu ihm, um gleich danach wieder wegzuschauen. Frau? Mein Herz schwoll an. Was war ich bloß für eine hohle Nuss. Das war doch bloß gespielt und mir wurde hier warm. Erbärmlich.
„Ah deine Frau. Warum sehe ich dich dann so selten bei ihr?“, fragte Dean misstrauisch und freundlich zugleich.
„Weil ich ein sehr beschäftigter Mann bin“, antwortete Brendan.
Ich wagte einen kurzen Blick zu Josh. Er stand still da und sagte keinen Mucks. Na wenigstens einmal in seinem Leben, half er mir. Auch wenn nur durch Schweigen.
„Hm. Naja, okay. Also die Vampire sind noch nicht aufgetaucht. Wir beenden das für heute hier. Glückwunsch, Hope. Du hast heute einen freien Abend!“, sagte Dean und wandte sich zum gehen. Gerade wollte Brendan hinter ihm her, da hielt ich ihn am Arm und schüttelte bittend den Kopf. Er durfte sich nicht in Gefahr bringen, indem er mit Dean kämpfte. Als er nun endlich weg war, atmete ich auf. Das war alles verflixt knapp. Dean musste heute einen guten Tag haben.
Ich wandte mich Josh zu. „So okay, jetzt erklär ich es euch, eh ihr wieder fragt. Ich weiß, dass du ein Dämon bist, Josh. Und jetzt erzähle ich euch woher..“
Ich schilderte ihnen die ganze Situation, alles rund um die Mission, die mir Dean aufgetragen hatte, um seinen Plan, seine Frau zu retten und die Konsequenzen der Handlung, wenn sie erfolgen würde. Ich war bedacht darauf nicht allzu laut zu sprechen, vielleicht war Dean in der Nähe. Josh schaute ich kaum in die Augen und ich lehnte mich an Brendan, der einen Arm um mich legte. Ich zitterte sogar vor Angst vor Josh. Ich wollte ihm nicht näher kommen, wollte nicht mit ihm sprechen, wollte ihn nicht sehen, doch es war nun mal notwendig und dann musste ich diesen Schmerz diese Traurigkeit und diese Wut unterdrücken, die wieder zu aufschäumen drohte.
Josh sah mich stirnrunzelnd an. „Naja, eh mich dein Freund noch umbringt, gehe ich besser.“
„Lauf mir ja nicht mehr über den Weg, denn dann bist du WIRKLICH tot“, erwiderte Brendan hasserfüllt und Josh zog von dannen.
„Wow, du beherrscht dich ja heute richtig“, lobte ich ihn.
„Es liegt nur daran, dass er uns vielleicht noch von nützen sein kann, um deine Eltern daraus zuholen. Aber nun lass uns nicht mehr daran denken. Möchtest du tanzen?“, fragte er mit einem Grinsen auf den Lippen.
Ich lachte auf. „Nein, von tanzen habe ich wirklich genug.“
„Und spazieren?“, fragte er.
Ich schaute in die Finsternis und mich schüttelte es, bei den Gedanken, was sich hinter dieser Dunkelheit verbarg. Als wenn er meine Gedanken lesen könnte, nahm er mich fest in den Arm und strich mir sanft über den Rücken.
„Keine Sorge, ich passe auf dich auf.“
„Ich weiß. Brendan ich-“, setzte ich an. Doch er unterbrach mich. „Du musst wirklich keine Angst haben, Kitty.“
Ich war mir meinen Gefühlen so sicher geworden, dass ich es ihm mitteilen wollte. Und ich wusste, ich war mutig genug dafür, denn schließlich hatte er mir immer wieder bestätigt, dass er mich liebte.
„Brendan.. ich habe nachgedacht. Es war wirklich nicht fair von mir, dich für etwas schuldig zu sprechen, was du niemals getan hast und auch niemals tun wirst. Es war dumm von mir zu glauben, dass du mich nicht willst, obwohl du es mir ausdrücklich gesagt hast. Und ich weiß nun auch über meine Gefühle bescheid. Ich liebe dich“, sagte ich.
Seine Mundwinkel zuckten zu einem Lächeln und seinen Augen glühten blau. Es verschlug mir die Sprache, wie glücklich er aussah. Noch bevor ich wieder Luftholen konnte, nahm er mich in die Arme und legte seine Lippen auf meine. Zärtlich und sanft bewegten sie sich rhythmisch aufeinander und das Wort „Liebe“ schwebte in jeder Berührung mit. Er streichelte meine Wange und zog mich mit dem anderen Arm an sich.
Als er sich losriss flüsterte er: „Wie lange habe ich mir das gewünscht, mein Schatz. Du kannst es dir nicht ausmalen, wie sehnsüchtig ich darauf gewartet habe.“
Er küsste mich auf die Stirn. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch“, erwiderte ich von ganzem Herzen und küsste ihm auf die Wange.
Als ich dann plötzlich ein Geräusch hörte und Brendan ebenfalls aufsah, bekam ich einen Panikzustand. Doch diese wurde noch heftiger, als ich sah, wer vor uns stand. Was hatte Dean mit meinem Bruder vor?!
Sofort befreite ich mich aus der innigen Umarmung mit Brendan und wollte gerade auf Dean zu gehen, da hielt mich auch schon Brendan zurück.
„Wer ist der Junge?“, fragte er mich.
„Mein Bruder!“, rief ich hysterisch.
Dann wandte ich meinen Blick Dean zu. „Was soll das? Warum ist er hier?!“
Mike sah entsetzt und ängstlich aus und es schien, als wäre er nicht auf Droge. Wer weiß, was Dean ihm alles erzählt hatte.
Dieser lachte zynisch. „Oh Hope, du denkst doch nicht wirklich, ich wäre so dumm. Ich habe das gesamte Gespräch zwischen dir, deinem Vergewaltiger und DÄMON und deinem... soll ich Brian oder Brendan sagen?.. mitbekommen. Ich habe dir gesagt, dass du mich NIEMALS verarschen solltest. Du hast es getan, nun musst du oder eher dein Bruder leiden. Tut mir leid. Ich hätte auch deine Eltern nehmen können.. aber dein Bruder war in der Nähe und dann dachte ich mir.. das wäre doch ein nettes Opfer.“
Ich erstarrte. Nein! „Tu ihm nichts! Er hat doch gar nichts damit zu tun!“
Wieder wollte ich auf sie zu gehen, doch Brendans fester Griff ließ nicht locker. Er starrte Dean abschätzig an.
„Oh Hope, hör auf mit deinem betteln. Das bringt nichts. Das müsstest du langsam wissen“, erwiderte Dean kalt.
Endlich ergriff Brendan das Wort. „Lass den Jungen los.“
Dean lachte auf. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mache, was DU mir
Sagst?!“ Wieder lachte er. Brendans Züge verhärteten sich. „Ich kann sehr unangenehm werden, bei solchen Dingen. Lass ihn los.“
Dean zuckte die Achseln. „Okay, ich lasse ihn los.“
Noch ehe ich erleichtert ausatmen konnte, drehte Dean Mikes Kopf nach rechts und ließ ihn in einer raschen, brutalen Bewegung zur anderen Seite gleiten. Ich schrie auf, als mein Bruder zu Boden fiel. Dean schaute mich eiskalt an. „Und so wird es all deinen Lieben ergehen, wenn du nicht das tust, was ich verlange. Und als nächstes wird es der Vampir an deiner Seite sein. Und Hope, ich will diesen Dämon! Wenn du ihn mir nicht bringst, dann hol ich ihn mir. Aber glaub mir, es wäre besser für deine Familie, wenn du es übernimmst“
Mit diesen Worten war er verschwunden. Schluchzen übertönte seine Stimme fast, Tränen verschleierten meinen Blick. Endlich ließ mich Brendan los und ich stürmte zu Mike, legte seinen Kopf auf meinen Schoß und klopfte ihm auf die Wange. „Brendan, hilf mir!“, schrie ich verzweifelt. Tränen fielen auf sein Gesicht. Ich zitterte am ganzen Körper, wusste nicht mehr wer ich war. Ich wusste nur noch, dass ich einen ganz besonderen Menschen verloren hatte. Meinen Bruder. Ein junger Mann, der ein wichtiger Teil meines Lebens war.
Brendan kniete sich neben mich und nahm mich fest in die Arme.
Er sprach die Worte aus, die ich längst wusste: „Er ist tot.“
Ich schlang die Arme um Brendans Hals und er zog mich dichter an sich heran, strich mir die Haare zurück und trocknete meine Tränen. Doch ohne es kontrollieren zu können, flossen immer mehr meine Wange hinunter. Er redete auf mich ein, doch ich konnte einfach nicht hinhören. Mike war tot. Wegen mir. Ich hatte mehr oder weniger meinen eigenen geliebten Bruder auf dem Gewissen!
Immer wieder schaute ich auf ihn hinab, sah seinen starren Blick, seine immer bleicherwerdende Fassade. Wieder fing ich heftig an zu zittern und Brendan hob mich sacht vom Boden auf. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und er schaute mich besorgt an. Dann zückte er sein Handy.
„Hallo, hier Brendan Stanfour. Es wurde eine Leiche gefunden, vor dem Club Music, Drinks and more“, sagte Brendan als er jemanden an der anderen Seite der Leitung hatte. Dann legte er auf.
„Ich habe die Polizei gerufen, sie wird gleich hier sein. Schatz, ich bringe dich erst mal hier weg. Du kannst ja kaum stehen.“
„Ich will hier nicht weg“, protestierte ich. Er nickte und zusammen warteten wir auf die Polizei, die kurze Zeit später auch schon eintraf. Brendan tischte ihnen eine Ausrede auf, wie wir Mikes Körper gefunden hatten und ich gab meine Personalien auf. Dann wurden wir entlassen und Mikes Leiche wurde in ein Wagen geladen. Wieder wurde ich von einem Heulkrampf übermannt und Brendan hob mich wie hoch, als wenn er mich als Braut über die Schwelle tragen wollte. Genauso wie er mich trug, als er mich nach meiner Vergewaltigung im Wald fand. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust und krallte meine Finger in sein Hemd. So konnte ich mich wesentlich besser beruhigen.
Ich schloss meine Augen und versuchte mir vergeblich andere Bilder vorzustellen, als Mikes lebloses Gesicht auf den schwarzen Asphalt.
Als ich dann plötzlich warme Umgebung spürte, öffnete ich die Augen. Brendan legte mich behutsam auf das mir vertraute Bett. Wir waren bei ihm Zuhause. Er setzte sich neben mich auf das Bett und musterte mich besorgt. Ich konnte meine Gefühle nicht kontrollieren. Es war, als wenn ich nicht mehr klar denken konnte. Ich verlangte plötzlich nach Brendan so sehr, sodass ich meine Abscheu von Körperkontakt verlor. Ich richtete mich auf und fing an den überraschten Vampir zu küssen. Ganz sanft und zärtlich küsste er mich zurück. Ohne nachzudenken, setzte ich mich auf seinen Schoß und wühlte die Hände in sein Haar. Die Küsse wurden leidenschaftlicher und mir wurde immer heißer. Wo war die Angst vor männlichen Wesen hin?! Ich wurde vergewaltigt?! Warum empfand ich auf einmal keine Angst mehr? Es lag an Brendan, dessen war ich mir bewusst. Ich wusste, dass er mir niemals hätte wehtun können.
Langsam glitten meine Hände an seine Hemdknöpfe und ich öffnete jeden einzelnen genüsslich, bis schließlich sein ganzer glatter, durchtrainierter Körper zur Geltung kam. Ich strich ihm das Hemd über die Schulter. Seine Augen waren nun orange, doch ich empfand keine Abneigung. Wollte seinen Körper einfach nur näher spüren. Ich zog mir mein Top über den Kopf. Brendan schaute mir verunsichert in die Augen. „Bist du wirklich bereit dafür, Hope?“
„Ja“, antwortete ich und küsste ihn wieder leidenschaftlich. Er brauchte keine weitere Ermutigung. Er löste den Verschluss meines BHs. Anschließend erkundete er meinen Oberkörper und küsste alles was ihn unter die Lippen kam. Auch ich küsste seinen Oberkörper, staunte über seine gutgebaute Fassade. Nach ein paar Minuten folgten auch die weiteren Kleidungsstücke, bis wir nackt aufeinander lagen. Es war das Schönste, das ich je erlebt hatte. Ich lag über ihn und streichelte sanft seine starken Arme bis zu seinen Schultern hinauf. Er hielt mein Gesicht mit beiden Händen und küsste mich leidenschaftlich, jedoch unglaublich zärtlich. Dann rollte er sich sanft auf die andere Seite, sodass er nun über mir lag. Ich spürte seinen Körper an meiner nackten Haut gepresst, doch er verlagerte so sein Gewicht, sodass er mich nicht erdrückte. Langsam fuhr ich ihm mit der Zunge in seinen halboffenen Mund. Auch seine Zunge bewegte sich in meinem Mund und so hatten wir bald unseren Rhythmus gefunden. Es war so wunderschön, ich dachte nur kurz an seine Fangzähne, die meinem Fleisch so nah waren, doch ich mochte keine Angst verspüren. Brendan würde mich nie etwas antun. Langsam erkundeten meine Hände seinen glatten Rücken und ich gab mich vollkommen meinen Staunen hin. Er war so vollkommen. Ich spürte seine Erektion an meinen Beinen und ich spreizte sie, damit das sinnliche Gefühl für uns beide, noch intensiver wurde.

Mein Kopf lag auf seiner Brust und ich rückte noch näher an ihn heran. Umschlang mit dem Arm seinen Bauch. Er hatte seinen Arm um mich geschlungen und streichelte sanft meinen nackten Rücken. Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer und seine Haut sah noch blasser aus, als sie sowieso schon immer war. Als ich darauf schaute, flackerte ein Bild in mein Gedächtnis. Mike tot auf den Asphalt. Genauso sah seine Gesichtsfarbe aus, als er auf meinen Schoß lag. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und unterdrückte eine Heulattacke. Dazu kam dann auch noch ein schlechtes Gewissen. Mein Bruder war gerade gestorben, wegen mir, und dann hatte ich das schönste Erlebnis meines Lebens?! Mein Herz ratterte was das Zeug hält und ich bekam einen Knoten in den Hals, als ich die Heulattacke unterdrückte. Ich hatte zwar nicht noch einmal mit ihm reden können, uns aussprechen können, doch ich wusste wer er war. Das musste er mir nicht erklären. Ich kannte seine richtige Seite. Ich kannte meinen beschützerischen, liebevollen, humorvollen Bruder, und als Junkie schien nichts mehr davon übrig geblieben zu sein. Doch das stimmte nicht. Als er den Abend hinter mir her lief und wollte, dass ich blieb, sah ich hinter seiner Fassade den alten geliebten Bruder, den ich so sehr vermisste. Ich hatte sein Leben zerstört, ich war Schuld, dass mein Bruder tot war.
Brendan riss mich aus meinen Gedanken. „Was ist los?“, fragte er besorgt. Seine Stimme klang wieder so wie immer, ganz anders als in unserer Nacht, als er erregt war. Natürlich dachte er, ich bereute, dass ich mit ihm Sex hatte. Was für ein Blödsinn.
„Ich denke an Mike“, sagte ich mit Tränen in den Augen. Ich wusste nicht, ob man mich verstanden hatte, denn meine Stimme war vollkommen schmerzverzerrt.
Brendan küsste mich auf die Stirn. „Das tut mir alles so leid. Ich habe zu spät gehandelt.“
Ich schaute ihn böse an. „Brendan, hör bloß auf Schuldgefühle zu haben! Die muss ich haben, du ganz sicher nicht. Ich hab ihn schließlich in Gefahr gebracht. Dieser verdammte Dean! Der wird sterben!“
„Warum geben wir ihm nicht einfach was er will und du bist frei?“, meinte er.
„Willst du, dass die Frau die ganze Stadt abmurkst?! Die ist gefährlich, es hat einen Grund, dass sie gefangen wurde. Und nur weil ich so selbstsüchtig sein soll und um jeden Preis frei sein möchte, bringe ich ganz sicher nicht die ganzen unschuldigen Menschen in Gefahr!“, erklärte ich.
Er drehte sich zu mir und umfasste mein Gesicht. „Hope, du bist ein unschuldiger Mensch! Das hast du nicht verdient und deine Familie genauso wenig.“
Ich verdrehte die Augen. „Aber ich bin nicht so wichtig, wie die halbe Stadt!“
„Für mich bist du wichtiger, als alle Menschen zusammen“, flüsterte er und küsste mich zärtlich. Dann zog er mich dichter zu sich und seine Küsse wurden leidenschaftlicher.
Nach ein paar Minuten voller Küssen, löste er sich abrupt von mir. „Wir müssen versuchen, Dean zu verunsichern. Ich weiß auch wie. Ich habe alte Freunde. Vampire wohl gemerkt und die können uns helfen. Dadurch wird keiner verletzt, außer alle, die auf Deans Seite sind und damit haben wir gewonnen.“
Er richtete sich auf und sprang aus dem Bett. Dann holte er sein Handy aus seiner Hose, die auf den Boden lag und stieg wieder zu mir ins Bett. Bevor er eine Nummer wählte, schlang er mir einen Arm um den Körper und zog mich dichter zu sich. Er tippte schnell auf sein Handy herum, dann hielt er es sich an sein Ohr.
„Hallo Keneth. Hier ist Brendan....Ja, lange nicht mehr gesprochen.... Ja, ich bräuchte deine Hilfe. Und zwar, habe ich ziemliche Probleme mit einem Vampir. Die Existenz der Menschen steht hier mehr oder weniger auf den Spiel. Würdet ihr mir helfen? ...Ja, du, Jeff, Goldo, Nuri und Landon. .. Echt? Vielen Dank. Bis dann.“ Dann legte er auf.
Ich schaute ihn stirnrunzelnd an. „Aber dir passiert doch nichts oder?“
Er lachte laut auf. „Quatsch, Schatz. Ich werde die ganze Zeit sicher sein.“
„Wirklich?“, fragte ich grübelnd.
„Er schaute mir tief in die Augen. „Wirklich, mein Schatz.“
Ich lächelte und kuschelte mich an Brendan. „Stimmt, denn dafür werde ich sorgen.“

Als ich erwachte, war ich allein. Brendan, der neben mir lag, als ich einschlief, war verschwunden. Schnell richtete ich mich auf und suchte den Raum ab. Niemand war zu sehen. Misstrauisch huschte ich aus den Bett und zog mir meine gestrigen Sachen wieder an. Dann ging ich aus dem Zimmer und knallte fast mit seinem Dienstmädchen zusammen.
„Verzeihung“, murmelte sie und wollte gerade weiter gehen, da hielt ich sie auf.
„Miss, könnten Sie mir sagen, wo Brendan zu finden ist?“, fragte ich förmlich.
Sie schaute mich nicht an, was ich sehr unhöflich fand. „Ja, er ist in der Küche mit seinen Freunden. Leisten Sie den Herrschaften doch Gesellschaft. Brendan wartet auf Sie.“ Damit ging sie davon. Komisch. Was für Herrschaften? Langsam schlenderte ich in die Küche und schaute in zehn fremde Augenpaare und die von Brendan. Alle waren definitiv Vampire. Ich konnte bereits ziemlich gut Vampire von anderen Menschen unterscheiden. Mein „Job“ machte sich bezahlt.
Es half mir allerdings nicht weiter, denn wissen wer es war, konnte ich damit nicht feststellen. Als ich sah, dass einer der fremden Blutsauger eine Bluttransfusion in der Hand hielt, riss ich meine Augen auf. Das war das erste Mal, dass ich miterlebte, wie ein Blutsauger seine Nahrung mehr oder weniger zu sich nahm. Brendan folgte meinen Blick und riss dem fremden Vampir das Blut aus der Hand, um es dann in einen Schrank zu verstauen.
Der fremde Vampir lachte schallend. „Man Brendan, kann die Kleine nichts ab oder was? Sie sieht aus, als hätte sie sich verschluckt.“
Ich schaute ihn grimmig an. „Wer sind diese unlustigen Blutsauger?“, fragte ich Brendan ohne den Blick von dem fremden Vampir abzuwenden.
„Das sind unsere Helfer. Und du hast sie gerade beleidigt, Kitty“, sagte Brendan amüsiert. „Hab aber nichts dagegen, sollen ruhig wissen, was du für ein Mädchen bist.“
Alle lachten, dann sagte der fremde Vampir, der sich über mich lustig gemacht hatte: „Ich bin übrigens Keneth.“ Ich lächelte gespielt.
Dann übernahm Brendan das Wort. „Und das sind Landon“, er zeigte auf einen blonden, kleinen Mann. „Das ist Jeff“, er zeigte auf einen ebenfalls blonden muskulösen Blutsauger. „Und das sind Goldo und Nuri.“, er wies auf die zwei nebeneinandersitzenden Vampire die mir lässig und fast gleichzeitig zu winkten.
„Hallo“, sagte ich dann und verschränkte abwehrend die Arme. „Schön, dass ihr so schnell hergekommen seid. Hätte ich nicht erwartet.“
Alle schauten sich an. Sie hielten mich wohl für sehr dominant und unhöflich und ich wusste auch nicht, warum ich auf einmal so war.
„Auch wenn deine Freundin etwas.. unpassend mit uns spricht, wir sind loyale Freunde“, versicherte Jeff Brendan. Er hörte sich ziemlich arrogant an und war es vermutlich auch, seinem Kleidungsstil zu folgen. Ein richtiger Schnösel. Sollte mir egal sein, mit was für Blutsaugern Brendan verkehrt, aber das er mich verbal angriff, wollte ich mir nicht gefallen lassen.
„Jaja, ich bin ganz schlimm. Wer ist denn hier der Blutsauger, Mr. Ich-bin-der-Beste-und-keiner-reicht-an-mir-heran,-aber-Brendan-ich-bin-für-dich-da,-um-mich-wichtig-zu-tun? Also. Rede nicht schlecht über mich, wenn du selbst einer bist, den man nachts nicht über den Weg laufen möchte.“
Keneth, Landon, Goldo und Nuri lachten sich halbtot, wenn sie nicht bereits tot wären, nur Jeff schaute mich grimmig an und Brendan blickte prüfend und aufmerksam zu Jeff. Dieser war auf einmal blitzschnell bei mir und sah mir tief in die Augen. „Du solltest aufpassen mit wem du dich anlegst!“
Sofort war Brendan bei uns und stieß Jeff von mir weg. „Du solltest aufpassen mit wem DU dich anlegst. Was so viel heißt wie: Lass Hope in Ruhe!“
Jeff kniff die Augen zusammen und setzte sich wieder. Die anderen Vampire warfen ihn verstohlene Blicke zu. Sie lachten nun nicht mehr. Brendan wandte sich mir zu. „Und du bist jetzt bitte freundlich. Sie wollen uns helfen, also zeig ein bisschen Dankbarkeit.“
Ich schaute ihn beleidigt an, nickte jedoch. Er hatte recht. Ich benahm mich ziemlich falsch.
„Entschuldigt.“
Alle nickten und Jeff verschränkte zusätzlich die Arme vor der Brust.
Nach langem Reden, indem ich ihnen erzählte, was Dean vorhatte, hatten wir eine einigermaßen gute Strategie ausgebaut. Wir beschlossen, das Schloss zu öffnen. Jedoch alleine, ohne Dean. Denn wir wollten die Frau töten. Sie musste schwach sein, denn wie die Blutsauger mir erzählten, sind Vampire sehr schwach, wenn sie kein Blut trinken konnten und sie musste ziemlich lange ohne Blut auskommen, auch wenn in dem Schloss zehn Butler, die ihr Blut servierten, herumgelaufen waren. Wenn sie erst von Dean freigelassen wurde, würde sie sich stärken und war somit schwerer zu besiegen. Wir mussten nur noch Josh auf unsere Seite bringen und das war Brendan und mir zuwider. Wir beide hassten ihn und es machte uns wahnsinnig, dass wir auf ihn angewiesen waren.
„Schatz? Hast du noch die Nummer von Josh?“, fragte mich Brendan verunsichert. Er hatte Angst, dass ich mich vor Josh’ Anwesenheit fürchtete.
„Ja, habe ich“, sagte ich gelassen und wählte seine Nummer. Die anderen fünf waren ganz still und auch Brendan, der neben mir stand, rührte sich nicht.
„Hallo?“, fragte Josh gelangweilt.
„Hallo. Ich bin es, Hope. Würdest du bitte zu uns kommen? Wir müssen mit dir reden.“
„Ah ihr wollt mich eher töten. Sorry, Süße, aber das muss ich mir nicht reinziehen“, sagte er schneidend.
„Nein, wir wollen dich nicht umbringen. Wir brauchen deine Hilfe!“
„Ah, ihr braucht meine Hilfe? Was springt für mich dabei raus? Eine Nacht mit dir?“, fragte er lachend. ICH HASSTE IHN! Brendan schien alles zu hören, denn er ballte seine Fäuste und seine Augen färbten sich orange.
„Komm einfach vorbei..“, sagte ich mit mühsam kontrollierter Stimme und nannte ihm Brendans Adresse, die er mir leise vorsagte. Josh willigte nun doch vor Neugier ein und sagte, er mache sich auf den Weg. Nachdem ich aufgelegt hatte, wählte ich Inkas Nummer. Ich hatte sie ganz vergessen, sie musste sich wahnsinnige Sorgen machen, weil ich nicht nach Hause gekommen war. Doch dem war eher nicht so, denn auch sie war nicht zu Hause, sondern bei ihrem neuen Freund. Sie schien überglücklich zu sein. Ich wünschte ihr noch viel Spaß und legte auf.
Dann setzte ich mich zu den anderen an den Tisch und ließ mich von dem Dienstmädchen mit Essen und Trinken versorgen. Nachdem ich gegessen hatte, setzte ich mich auf Brendans Schoß und kuschelte mich an ihn. Er war wirklich das Wichtigste in meinem Leben und ich wollte ständig bei ihm sein. Er küsste mich zärtlich auf den Mund und schon klingelte es an der Haustür.
Das Dienstmädchen öffnete die Tür und nach wenigen Sekunden trat Josh in die Küche und blieb mit offenen Augen stehen.
„Ich wusste ihr wollt mich umbringen!“, sagte er.
„Nein, wollen wir nicht. Wir brauchen deine Hilfe wie gesagt“, antwortete ich stirnrunzelnd.
„Okay und wobei?“, hakte er nach.
„Dabei Deans Frau zu erledigen“, sagte Brendan.
Wir erzählten ihm die ganze Geschichte, wofür wir ihn brauchten und warum. Er nickte schließlich. „Na gut, ich bin dabei. Ich will schließlich nicht so behandelt werden wie Hope bei dem Vampir!“
Brendan schlang seine Arme fester um mich. Er war anscheinend ziemlich wütend auf Josh.
„Aber ich habe eine Bedingung“, fügte Josh hinzu, als er auf die Arme von Brendan schaute. „Ich will Hope zurück.“
Damit war die ruhige Fassade von Brendan durchbrochen und er nahm mich vom Schoß, um aufzustehen. Er ging auf Josh zu. „Oh man, wie gerne würde ich dich jetzt zerfetzen. Aber es geht nicht. Ich brauche dich schließlich noch. Aber denk dran: Wenn du Hope nur noch ein einziges Mal zu Nahe kommst, sie anzüglich ansiehst oder sonst was, bringe dich um, egal ob ich durch die ganze Welt reisen muss, um einen neuen Dämon zu finden!“, knurrte Brendan.
„Du sprichst wie ein Psychopath! Aber ich habe keine Angst vor dir, meine Bedingung steht“, erwiderte Josh finster.
Brendan schien nun vollkommen auszurasten, doch ehe er Josh würgen konnte, waren schon Goldo, Keneth und Nuri bei ihm und hielten ihn zurück. „Okay, ich hab mich im Griff“, sagte Brendan und schüttelte seine drei Freunde ab. Ich stürzte zu Brendan, um ihn zu beruhigen. Er schlang seine Arme um mich und atmete tief durch. „Ich liebe dich“, sagte er.
„Ich liebe dich auch“, erwiderte ich.
„Ich liebe dich auch“, ahnte Josh mich nach. Brendan warf ihm einen warnenden Blick zu.
Josh ignorierte diesen. „Wann öffnen wir das Schloss, um die verschrumpelte Blutsaugerin zu töten?“
„Morgen. Weißt du, wie man es öffnet?“, fragte Brendan.
„Ja, ich bin nicht der jüngste Dämon“, antwortete Josh arrogant, sodass er mich augenblicklich an Jeff erinnerte.
„Na dann..“, murmelte Brendan. „Willst du hier übernachten? Hier bist du sicher vor Dean.“
„Bin ich denn auch sicher vor euch Blutsaugern?“, hakte Josh misstrauisch nach.
„Ja natürlich, wir brauchen dich schließlich“, antwortete Brendan grinsend und unheilvoll.

Als Brendan und ich abends zusammen im Bett lagen, dachte ich viel an Vampire. Wie es wohl sein würde, wenn man so lange einer war. Und die Geschichten, warum man einer geworden war.
„Wie bist du zu einen Vampir geworden?“, fragte ich ihn.
Er war einen Augenblick still. „Ich habe Keneth darum gebeten.“
„Und wieso?“, hakte ich nach.
„Weil ich meine Schwester rächen wollte. Weil ich als Mensch keine Chance hatte, ihren Vergewaltiger zu finden oder zu ermorden.“
„Nur deshalb?“, fragte ich.
„Es war wichtig für mich“, sagte er.
„Ich werde Dean auch töten“, erwiderte ich.
„Nein, das werde ich für dich erledigen.“
Ich erwiderte nichts darauf. „Aber wie wird man zu einen Vampir?“
„Man muss sich Holz in die Fingerkuppe bohren und anschließend von einen Vampir gebissen werden. Frag mich nicht, warum man nur so zu einen Monster wird“, erklärte er.
Ich nickte an seiner Brust und kuschelte mich noch dichter an ihn heran. „Glaubst du, es klappt morgen alles?“
„Ganz bestimmt“, versprach er und strich mir durchs Haar. „Ich bin bei dir, dir kann nichts passieren.“
„Ich meinte auch nicht, ob mir etwas passiert, sondern dir!“, korrigierte ich.
Er küsste mich auf die Stirn. „Sei nicht so selbstlos, Kitty. Bitte tu mir den Gefallen. Ich hasse es, wenn du leichtsinnig bist, weil du Angst hast, was mit mir passiert.“
„Entschuldige“, sagte ich müde. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch“, erwiderte er und dann schlief ich ein.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich wieder allein. Ich reckte mich und sprang aus den Bett. Er war bestimmt wieder in der Küche. Genauso wie Gäste. Kein Wunder, er hatte Gäste, die nicht sehr viel schlafen. Ich zog mir etwas über und schlenderte den Flur entlang. Das Dienstmädchen war nirgends zu sehen. Komisch, sonst lief sie hier doch immer herum.
Ich ging in die Küche und da waren Jeff, Landon, Goldo, Nuri, Josh und Keneth. Aber nicht Brendan. „Wo ist er?“, fragte ich.
„Er sich nur umsehen, wo Dean sich aufhält, damit er uns nicht in die Quere kommt“, antwortete Keneth.
„Alleine?“, fragte ich ungläubig und bekam Angst.
„Ihm wird schon nichts passieren“, lachte Jeff. Ich schaute ihn grimmig an.
„Keine Sorgen, Hope. Er ist sicher bald zurück“, versicherte mir Keneth. Ich nickte und ging ins Wohnzimmer. Ich konnte die Fassade von Josh und Jeff nicht ertragen. Ich mochte beide nicht. Keneth folgte mir und setzte sich mir gegenüber auf den Sessel.
Ich schaute ihn an. „Brendan erzählte mir, dass du ihn verwandelt hast. Warum hast du das getan?“
„Ich kann mir vorstellen, dass du deswegen sehr sauer auf mich bist, weil ich ihn zu einen Monster gemacht habe.“
„Nein, denn er ist kein Monster, er trinkt schließlich nur Bluttransfusionen und tötet keine Menschen und außerdem hätte ich ihn sonst nie kennen gelernt“, widersprach ich.
Er zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Sehr schöne Ansichtsweise. Ich habe ihn verwandelt, weil er es wollte. Er war damals zutiefst verletzt. Seine Schwester war tot und er konnte den Mörder nicht finden. Er traf mich und wir wurden Freunde und als ich ihm aufklärte, was ich war, bat er mich, ihn zu verwandeln. Ich wusste, dass er unglücklich war und ehrlich gesagt, hätte ich alles getan, damit er etwas lebensfroher wurde. Es klappte, denn nachdem der Mörder seiner Schwester tot war, fiel die Last von ihm ab und er konnte sich anderen Dingen zu wenden. Und wenn ich ihn jetzt so sehe mit dir, da weiß ich, er war nie glücklicher. Ich bin froh, dass er dich hat.“
„Ich bin auch froh, dass er so einen guten Freund wie dich hat!“, sagte ich von ganzem Herzen. „Ich hatte schon befürchtet, ihr wärt alle so, wie Jeff.“
„Das habe ich gehört!“, rief Jeff aus der Küche. Keneth und ich kicherten. Ich mochte ihn wirklich. Es war ein guter Kumpel. Ich lächelte, doch dann klingelte mein Handy.
„Hallo?“, fragte ich, als ich den Anruf annahm.
„Hallo, Schätzchen“, sagte Dean.
„Was willst du?!“, fragte ich kühl.
„Wohl eher, was willst du? Ich weiß, was du willst. Und was ich habe.“
„Das wäre?“, fragte ich. Meine Eltern meinte er natürlich.
„Brendan.“ Ich erschrak.
„Was?“, fragte ich nach.
„Ihr solltet das alles nicht tun, obwohl ich nicht alles weiß!. Das Dienstmädchen hatte sehr viele Dinge zu erzählen, ich weiß auch, dass Josh bei euch ist. Doch was ihr genau mit ihm vorhabt, konnte sie mir nicht sagen, denn Brendan kam wie aus dem Nichts und erschlug sie. Naja, nun ist Brendan jedenfalls bei uns. Also mach keine Fehler. Sonst sind Brendan und deine Eltern tot! Bring mir Josh!“, sagte Dean dann legte er auf. Ich zitterte, als ich das Handy senkte. Keneth schaute mich geschockt an. Er hatte das Telefonat mitgehört und wusste bescheid. Die anderen kamen nun auch misstrauisch dazu, auch Josh.
„Was ist los?“, fragte Nuri.
Ich war unfähig einen Ton herauszubringen und somit antwortete Keneth für mich. „Sie haben Brendan. Dean und seine Meute.“
Die anderen schauten sich stirnrunzelnd an. Es lief alles überhaupt nicht nach Plan. Und Brendan wurde entführt, weil ich so egoistisch war und mich von ihm hatte beschützen lassen. Ich hatte ihn damit in große Gefahr gebracht, wie man nun merkt, denn ich wusste, er würde egal was passiert, mich immer in Sicherheit haben wollen.
Ich war verdammt noch mal Schuld. Ich wurde sofort vom schlechten Gewissen geplagt. Aber da war auch noch etwas anderes. Furchtbare Angst um ihn. Jetzt musste ich mir nicht nur Sorgen um meine Eltern machen, sondern auch noch um die Liebe meines Lebens. Keneth legte den Arm um meine Schultern. „Hey, wir finden ihn. Keine Sorge.“
Ich lächelte ihn mühsam an, doch es war für mich mehr aussichtslos als alles andere. Und dieses Wissen förderte nicht gerade mein Wohlbefinden und bändigte schon gar nicht meine Furcht meine Liebsten zu verlieren.
„Aber wie?“, fragte ich mit brüchiger Stimme.
„Na, wir werden alle zusammen aufbrechen und ihn daraus holen“, sagte Jeff als sei es eine selbstverständliche Antwort gewesen.
Keneth schaute mich flüchtig an. „Außer du, Hope. Und außer Josh. Wenn wir Josh so einfach mitnehmen, dann hat Dean genau das was er will. Und wenn er dich bekommt, dann haben wir auch verloren. Du bist zu zerbrechlich.“
Ich schaute ihn ungläubig an. „Du willst doch nicht damit andeuten, dass ich hier alleine mit diesen Bastard sitze und seelenruhig warte, bis ihr mir meinen Liebsten wiederbringt?! Vergiss es!“, rief ich wütend.
„Du wärst uns keine Hilfe dort. Wir müssten auf dich zusätzlich aufpassen“, erwiderte Goldo. Es war das erste Mal, dass er zu mir sprach.
„Außerdem können wir Josh nicht einfach hier allein lassen, wer weiß, was er vorhat“, stimmte Nuri zu.
„Wir schaffen das ganz sicher auch ohne deine Hilfe, Hope“, fügte Landon hinzu.
Ich schaute in jedes einzelne Augenpaar und verschränkte meine Arme. Alle redeten auf mich ein, nur Josh lehnte an der Wand und beobachtete das Gespräch mit gelangweilter Miene. „Also ich wiederhole noch mal, vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden. Ich soll auf einen Dämon aufpassen, soll euch einfach so zu Dean schicken, obwohl das alles meine Schuld ist. Soll hier egoistisch sitzen und warten bis ihr wieder da seid? Das soll doch wohl ein geschmackloser Witz sein!“, sagte ich ungläubig und meine Maske härtete sich.
„Genau das verlangen wir von dir. Und es ist unsere Entscheidung, ob wir uns in Gefahr begeben. Brendan ist unser Freund und wir werden ihn nicht bei Dean lassen. Und du bleibst hier. Du hast schließlich auch eine Aufgabe. Und die reicht für einen Menschen. Du musst auf Josh aufpassen. Und ich hoffe doch sehr für ihn, dass er dir keine Schwierigkeiten macht. Jetzt lasst uns nicht weiterdiskutieren. Je länger wir hier rumstehen, desto mehr Chancen hat Dean Brendan etwas anzutun“, sagte Keneth und stand auf. Er hatte recht. Je mehr ich hier auf bockig machte, desto weniger Zeit blieb uns.
Ich nickte und die anderen bewegten sich endlich wieder. Wurde auch Zeit. Es begann unheimlich zu werden, wenn sie wie Staturen dastanden. Auch Josh bewegte sich wieder und setzte sich auf den Sessel, auf dem sich Keneth soeben erhoben hatte.
„Okay, holt euch von irgendwelchen Möbel einen Holzpflock. Die könnten wir gut gebrauchen“, sagte Jeff. Alle gehorchten und rissen mehrere Teile aus Schränken und kleinen Holztischen. Es störte mich nicht sonderlich. Hauptsache sie, Brendan und meine Eltern kamen da heile heraus. Da konnten sie noch so viele Möbel demolieren, ich hatte kein Problem damit, obwohl ich es in einer anderen Situation gehasst hatte, denn ich war ein sparsamer Mensch. Als sie nun alle bewaffnet waren, kam Keneth zu mir. „Okay, bleib hier wo du bist. Keine Alleingänge. Wir sind bald zurück.“
Wieder nickte ich bloß und sie verschwanden aus der Tür.
Dann wandte ich meinen Blick widerwillig Josh zu. Er saß mit einem breiten Grinsen da und musterte mich von unten bis oben. Ich verschränkte meine Hände vor der Brust. Es hatte viel damit zu tun, dass ich ihn eine abwehrende Seite präsentieren wollte, eine weitere Rolle spielte jedoch die Tatsache, dass er mich nun in diesen Bereich nicht mehr begaffen konnte. Er grinste bei dieser Geste noch mehr.
„Was ist?“, fragte ich mit aggressiven Unterton. Ich hasste es ihm so nahe zu sein, auch wenn ein Tisch zwischen uns stand und ich mich zusätzlich an die gegenüberliegende Wand quetschte, um so viel Abstand wie möglich zu erhalten. Ich wunderte mich über mich selbst. Ich wusste nicht, warum ich nicht schreiend herausgelaufen war, denn am liebsten hätte ich es getan, schließlich saß da mein Vergewaltiger, der mich dazu gerade ziemlich widerwärtig anschaute, wobei ich mich am liebsten an die Kloschüssel gehangen hätte. Oder besser: Ich hätte ihn am liebsten in die Kloschüssel geschmissen, seinen gesamten Körper hineingestopft und anschließend gespült. Dann wäre er dort wo er schon immer hingehörte. Und seine Fratze wäre auch nicht mehr zu sehen vor lauter... Dreck. Ich bemerkte wie wütend ich war. Mehr Wut als Angst steckte in mir, wenn ich an Josh dachte. Und das sollte schon was heißen. Wäre ich eine asoziale Ghettobraut hätte ich ihn nieder gemacht, sodass er heulend wie ein kleines Mädchen, dessen Lutscher in Matsch gefallen war, davonlief und sich in einer Gosse versteckte. Aber da ich es nicht war und dazu auch noch auf seine Hilfe angewiesen war, konnte ich dieses Vergnügen gleich wieder vergessen.
„Och nichts“, meinte er nur. Ich schaute ihn noch aggressiver an. Sollte er ruhig merken, dass ich nicht mehr dieses kleine, ruhige, zerbrechliche Mädchen war, was ich in der Nacht war, in der er seinen Spaß hatte.
„Sag mal, meinst du nicht, du solltest dich wenigstens entschuldigen?“, fragte ich ihn.
„Wofür?“, fragte er mich allen Ernstes. Und so wie es sich anhörte, meinte er es ernst.
Ich schaute ihn grimmig und mit vor Zorn funkelnden Augen an. „Ich glaube, du weißt ganz genau, wovon ich rede. Oder hast du dein letztes Stück Gehirn auch noch verloren?“
„Ach du meinst, weil ich dich vergewaltigt habe?“, hakte er nach. Er benutze das Wort, als sei es ein ganz normales, das alltäglich benutzt wurde. Es machte mich rasend vor Zorn und ich überdachte die Möglichkeit mit der Kloschüssel noch einmal.
„Lass mich mal überlegen, ob ich das meinte...hmm... JA!!!“, schrie ich ihn an.
Er erhob die Hände. „Okay, okay, sorry.“
Das war alles? Wenn der kein Dämon wäre, dann wäre er nun wirklich Brei. Und in eine Toilette gestopft und er hätte noch ein paar vernichtende Sprüche von der Ghettobraut zuhören bekommen. Doch da er ein Dämon war und somit viel stärker war als ich es je sein würde, konnte ich nur dastehen und ihn zornig ansehen.
„Bist du sicher, dass wir Brendan dafür brauchen, das Schloss zu öffnen?“, fragte er plötzlich.
„Was?“, hakte ich nach, noch immer in Gedanken.
„Na, vielleicht könnten wir das jetzt erledigen, wo Dean doch abgelenkt ist. Es wäre die perfekte Gelegenheit!“
„Du willst einen alten Blutsauger aus dem Schloss befreien, obwohl wir nur zu zweit sind?!“, fragte ich ungläubig.
„Sie ist geschwächt. Sie hat seid Jahren kein Blut mehr getrunken. Sie kann uns nichts anhaben. Wir killen sie kurz und schon sind wir fertig.“
Ich dachte eine Zeit lang nach. Brendan würde nicht länger in Gefahr schweben, wir könnten es schnell regeln. Und mal ehrlich, wann ist Dean denn schon abgelenkt? Es war die perfekte Gelegenheit und hier mit diesen widerwärtigen Mistkerl rumzuhängen und tatenlos hier sitzen, das ging mir auch langsam aber sicher auf den Trichter und es kostete mir große Mühe nicht sofort Brendan und seinen Freunden zu Hilfe zu eilen.
„Also?“, hakte Josh nach, als ich nichts sagte.
„Warum willst du das jetzt unbedingt?“, stellte ich eine Gegenfrage.
„Naja, wenn Brendan dabei wäre, könnte ich meine Forderung nicht aussprechen.“
Er kam einen Schritt auf mich zu und ich wich zurück. „Forderung?“
„Ja, ich möchte im Gegenzug, dass du mich küsst“, sagte er.
Ich prustete hysterisch los. Das meinte er doch nicht ernst. Gerade hatte ich mir seinen Mund am Kloboden vorgestellt und nun sollte ich ihn küssen?! Womit hatte ich das bloß verdient?! Aber ich musste es tun. Es war womöglich die einzige Möglichkeit, ihn dazu zubringen, dieses Schloss zu öffnen.
Ich kam auf ihn zu und drückte ihn die Lippen auf den Mund. Ich musste würgen, so voller Abscheu war ich. Er grinste als ich mich von ihm löste. Beschreiben wollte ich den Kuss nicht, es war zu widerlich.
„Na gut, deinen Part hast du erfüllt. Nun bin ich dran“, meinte er und nahm mich unerwartet auf den Rücken. Noch ehe ich protestieren konnte, weil wir so einen engen Körperkontakt hatten, sauste er schon los. Ich hatte nie für möglich gehalten, zu fühlen, wie man fliegt. Doch nun merkte ich es und dieser Augenblick wäre perfekt gewesen, wenn ich nicht auf den Rücken dieses ekligen Mistkerls gesessen hätte. Wir sausten durch die Nacht auf den Weg zum Schloss.
Der Wind schoss mir in die Augen, sodass sie tränten und meine Haare peitschten mir zusätzlich ins Gesicht, sodass ich kaum etwas erkennen konnte. Auch so sah ich fast keine Umrisse. Man konnte nur schwer erkennen, dass wir an Bäumen und Felsen vorbeiflogen.
Meine Augen waren zwar auf die unscharfe Umgebung gerichtet, doch ich hatte das Gesicht von Brendan vor Augen und hoffte, dass es ihm gut ging.
Endlich stoppte Mr. Ich-bin-der-Beste-und-gehöre-nicht-ins-Abflussrohr. Ich stieg genervt von seinem Rücken und schaute ihn an. „Ich wäre lieber gegangen.“
Er lachte arrogant auf. „Ach war doch mal eine nette Abwechslung.“
Ich verdrehte die Augen. „Also, wo ist dieses Schloss?“
Er schaute nach links und ich folgte seinen Blick. Hinter hohen Baumkronen sah ich die Spitze eines Daches. Ohne ein weiteres Wort ging ich in die Richtung und stand dann vor einen riesigen verrösteten Tor. Davor war eine Kette angebracht, die Eindringlinge wohl daran hindern sollte, hinein zu gelangen. Hinter dem Tor befand sich ein großes, düsteres Schloss, welches mir wirklich Angst einjagte. Es war alt und schmierig. Die Backsteine wirkten schwarz und die dunklen Bäume daneben wirkten lebendig. Obwohl sie vermutlich ihren Aussehen nach zuurteilen, bereits abgestorben waren. Josh stand nun neben mir.
„Das sieht ja einladend aus“, meinte er sarkastisch.
„Spar dir deine dummen Sprüche, versuch die Kette abzumachen“, sagte ich.
„Nichts leichter als das“, erwiderte er wieder arrogant. Wie konnte ich nur damals Gefühle für diesen arroganten Schnösel haben?! Der konnte sich mit Jeff zusammen tun, obwohl sogar der war viel zu gut für Josh.
Josh streckte seine Arme aus und faselte etwas unverständliches und schon sprang die Kette mit einem lauten Knall auf. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Er grinste mich an, als er bemerkte, dass ich mich erschrocken hatte.
Ich schaute wütend zurück und drückte an dem Tor, um es aufzumachen. Doch es war so verrostet, dass man es kein Millimeter bewegen konnte. Ich stöhnte genervt auf und blickte erwartungsvoll zu Josh der wie angewurzelt dastand und mich musterte. Als er sich immer noch kein Stück bewegte seufzte ich wieder. „Könntest du die Güte besitzen und mir helfen?“, fragte ich genervt. Was war sein Problem?! Wir vergeudeten Zeit mit diesen blöden Spielchen.
„Wie heißt das Zauberwort?“, erwiderte er grinsend.
„Keine Ahnung, du bist der Dämon, du kennst hier die Zaubersprüche“, gab ich zurück.
Seine Miene verhärtete sich. „Es heißt >bitte<“
„Danke, dass du mir jetzt hilfst. Mach schon!“, sagte ich und kam mir dabei vor wie eine Diva, aber wir hatten nun wirklich keine Zeit.
Er schniefte einmal und half mir dann schließlich. Er brauchte nur eine Hand, um das Tor zu öffnen und ich kam mir schwächer vor denn je. Aber ich musste mir in Erinnerung rufen, dass Josh kein Mensch war und er genauso wie Vampire wahnsinnig stark war. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ging ich durch das Tor und vorbei an den abgestorbenen Bäumen, die düstere Schatten warfen, in denen ich nicht hineinsehen mochte. Das alles war mir einfach zu gruselig. Ich spürte, dass Josh hinter mir war und mich musterte. Schade, dass es hier kein Klo gab, seine Augen würden dann den Kloboden anschauen...
Als ich vor dem riesigen Schlosstor stand, wurde mir noch mulmiger zu mute. Was wenn Deans Frau doch nicht geschwächt war und sie uns sofort anfiel? Es war so riskant, dass ich mich schon halb umdrehte, um zu fliehen, doch ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass diese Handlung für die Stadt der Tod bedeutete. Wenn Dean seine Frau befreien könnte, würden alle unschuldigen Menschen verloren sein. Josh schaute mich stirnrunzelnd an. „Du willst du doch nicht etwa einen Rückzieher machen?“
„Spar dir dein ich-bin-ja-so-viel-besser-und-mutiger-als-du,-dass-hat-aber
-nichts-damit-zu-tun,-dass-ich-ein-Dämon-bin
-und-somit-kein-Grund-zur-Angst-habe- Getue. Öffne jetzt bitte Siegel... wenn du es kannst“, sagte ich genervt und machte einen Schritt zur Seiten, um Josh an das Schlosstor zu lassen.
„Weißt du, wir würden hier viel schneller fertig sein, wenn du nicht immer so lange Vorträge halten würdest und mich nicht immer so dämlich anmotzen würdest. Ich habe mich entschuldigt. Und so bin ich nun mal und es schien, als hätte es dir früher nichts ausgemacht. Also halte keine langen Vorträge und lass mich einfach machen“, meinte Josh, als er vortritt.
Ich schaute ihn an, damit er registrierte, dass er sich gerade selbst eine Grube gegraben hatte. Er sah mich nicht an und so sagte ich: „Das kann ich nur zurück geben. Oder ist dir nicht aufgefallen, dass du mir gerade eine Predigt gehalten hast? Jetzt breche das dämliche Siegel!“
Er seufzte laut auf, dann blickte er arrogant zu mir, sodass ich ihn am liebsten eine geknallt hätte. Wie ich diesen Blick hasste. Er hätte sich so schämen müssen für das, was er mir angetan hatte, sodass er mir gegenüber vollkommen schüchtern hätte sein müssen, doch er war alles andere als das. Er war selbstsicher und arrogant. „Du solltest beiseite treten. Könnte etwas holprig werden“, meinte er und bevor ich auch noch nachfragen konnte, was er genau damit meinte, schubste er mich schon zur Seite und streckte seine Arme aus. Langsam schloss er seine Augen und nuschelte etwas unverständliches. Es hörte sich an wie eine andere Sprache; etwas was sich reimte.
Ich schaute in sein Gesicht. Es war vollkommen angespannt, sodass er viel älter aussah, als er war und seine Stirn legte sich in Falten vor Konzentration. Seine Augenlider zuckten, seine Hände zitterten leicht. Auf einmal wackelte der Boden so sehr unter meinen Füßen, sodass ich augenblicklich hinfiel. Dieses Wackeln hielt jedoch Gott sei Dank nur wenige Sekunden an, dann war wieder alles still und Josh schaute mich mit einem arroganten Lächeln an. Mit schmalen Augen rappelte ich mich wieder auf und sprang mehr oder weniger auf meine Füße. Ich klopfte mir schnell die von Moos leichtbeschmutzte Hose ab und ging dann auf das Schlosstor zu. „Ist es offen?“, fragte ich mit zittriger Stimme. Nun konnte ich meine Furcht nicht mehr verstecken.
Er verdrehte die Augen. „Ja und jetzt hör auf schiss zu haben.“
Ich wollte gerade zu einer sarkastischen Antwort ansetzen, da hörte ich eine vertraute Stimme hinter uns. Rau, zornig und gleichzeitig amüsiert klang sie in mein Ohr und ein Knoten entstand in meinem Hals. Ich zitterte und hoffte, dass es nicht wahr war.
„Aber das müsst ihr haben. Denn ihr habt gerade eine Grenze überschritten, die mir allerdings wiederum hilft“, sagte Dean.
Abrupt drehte sich Josh um, doch ich stand immer noch wie angewurzelt mit dem Rücken zu dem gefährlichen Blutsauger, der der Mörder meines Bruders, der Entführer meiner Eltern und meines Geliebten und der Vampir, der mich Zwang andere Blutsauger in den Tod zu verführen, war. Es gab so viele Gründe dafür, dass er der Mann war, den ich am meisten verachtete und fürchtete. Josh hatte mir wehgetan, mich gedemütigt. Doch das war nichts in Vergleich zu Dean. Denn dieser tat meiner Familie und Brendan weh, demütigte sie und tötete sie sogar. Ich hätte ihn von Anfang an einen Holzpflock ins Herz bohren sollen. Da war es noch nicht zu spät. Doch ich hatte solche Angst, war so egoistisch, dass ich diese Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen hatte. Nun war es zu spät. Mein Bruder war tot, meine Eltern und Brendan bei Deans Handlangern gefangen und seine Freunde versuchten ihn und meine Eltern zu befreien.
„Hope?“, fragte Dean gespielt höflich.
Widerwillig drehte ich mich um und schaute in seine Augen. Sie funkelten in der Nacht, jedoch nicht orange. Seine Handlanger grinsten mich schadenfroh an.
„So schnell sieht man sich wieder“, sagte er zu Josh und mir. Dann schaute er flüchtig zu seinen Handlangern. „Nehmt Josh mit. Hope bleibt hier. Ich brauche sie noch.“
Diese taten sofort, was Dean verlangte und Josh schien sich nicht zu wehren. Er wusste wohl, dass es keinen Sinn hatte, denn sie waren zu dritt und er allein.
Als sie verschwunden waren, verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie viel Angst ich hatte, also musste ich mutig sein und auf furchtlos tun.
Er lachte auf. „Du kannst mir nichts vormachen, Schätzchen. Ich weiß, dass du Angst hast.“
Ich schnaubte. Wie konnten Vampire merken, wie die Stimmung eines Menschen war?
„Und wofür brauchst du mich noch? Kannst mich doch auch gleich umbringen. Ich hasse diese Spielchen“, sagte ich. Mutige Worte. Das musste ich selbst verstellen.
Er schaute mich unheilvoll an, sodass ich anfing zu zittern. Hatte nun mein letztes Stündlein geschlagen?!
„Ich werde dich nicht umbringen“, sagte er und ich atmete auf. Um sofort wieder die Luft anzuhalten, als er sagte: „Dafür meine Frau. Sie braucht jetzt viel Blut und du bist genau die richtige Quelle.“
Ich stieß einen Schreckenslaut aus und schon packte er mich am Oberarm, um mich unsanft ins Schloss zu führen.
Innen war es duster und Dean nahm eine Fackel von der antiken Wand, um sie gleich darauf mit Feuerzeug anzuzünden. Nun sah mal wesentlich besser, denn die große Fackel erhellte den gesamten Saal, in dem wir uns befanden. Ich suchte schnell den gesamten Raum ab, doch einen Blutsauger konnte ich nicht entdecken. Schnell zog er mich eine lange Wendeltreppe hinauf bis wir in einen noch größeren Saal waren. Dean wedelte schnell mit der Fackel hin und her und schleifte mich dann schnell hinter sich her. Als wir endlich stoppten, schaute ich auf den Punkt, wo Dean hingesteuert hatte und hielt die Luft an. Dean kniete sich neben die verschrumpelte Frau und streichelte ihr Gesicht. Es sah einfach nur abstoßend aus.
„Gita? Kannst du mich hören? Ich bin es, Dean“, sagte er liebevoll und strich abermals über ihre Haut.
Ich schreckte zurück, als sie ihre Augen öffnete und sie ihren Mann wehleidig ansah. „Blut“, sagte sie bloß und wir alle wussten, was das hieß. Sie musste vor Verlangen und Durst Schmerzen haben.
„Ja, ich habe dir einen Menschen mitgebracht“, antwortete Dean.
„Wo?“, fragte Gita und schaute sich langsam um.
„Hope, komm her“, sagte er kühl. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich würde mich doch nicht selbstständig in den Tod reißen lassen.
„Komm sofort hierher!“, schrie er mich an und seine Augen färbten sich vor Zorn orange. Ich zitterte am ganzen Körper, so voller Angst stand ich da. Dean legte die Fackel beiseite und kam auf mich zu. Er nahm meinen Oberarm und schmiss mich vor seine Frau zu Boden. Ich hob meinen Kopf hoch und schaute direkt in die verschrumpelten Augen von Gita. Ich zuckte zurück, doch Dean packte mein Handgelenk und hielt es Gita hin. Sie nahm es und führte meinen Arm zum Mund. Kraftlos versuchte ich mich zu befreien, doch da war kein Ausweg. Als ich den Schmerz spürte, die ihr Biss verursachte, wurde mir kurz schwarz vor Augen. Einen solchen Schmerz hatte ich bisher nie gespürt und es war gefolgt mit qualvollen Ziehen. Gierig schlang sie mein Blut hinunter und achtete gar nicht darauf, dass ich mich vor Schmerzen wand.
Langsam aber sicher wurde Gitas Griff stärker und ich spürte, wie ihre Kraft langsam zurückkehrte. Mit jedem Zug wurde ich jedoch schwächer und mein Bewusstsein entglitt mir beinahe. Doch dann wurde ich aus dem Griff befreit und lag auf einmal in starken Armen. Schwach blickte ich auf und schaute in das Gesicht von Brendan, der Dean wütend anfauchte. Ich konnte nicht viel erkennen, denn die Fackel erhellte nicht den gesamten Raum, doch es war nicht zu übersehen, dass Brendan verletzt war. Blaues Blut rann ihn an der Wange hinunter. Er legte mich auf den Boden und schon stürzte er sich auf Dean. Es war ein gnadenloser Kampf. Dean schleuderte Brendan gegen die Wand und wollte ihn beißen, doch Brendan war schneller und befreite sich aus dem Griff. Dean war wieder bei ihm und schlug auf ihn ein. Doch Brendan war nicht schwach und wehrte ihn geschickt ab. Sie rasten umher und dann nahm Brendan die Fackel in die Hand und stach es in Deans Herz. Ich nahm es nur unschwer wahr, doch Dean sank zu Boden und lag regungslos da. Er ist tot, hallte es in mein Kopf. Der Blutsauger ist tot! Er hat endlich seine gerechte Strafe bekommen! Brendan drehte sich zu Gita um diese auch zu töten, doch sie war schneller. Sie blickte zu Dean, bleckte die Zähne zu Brendan und schoss dann an ihn vorbei. Er war kurz davor hinter ihr her zu laufen, doch dann sah er mich und kam zu mir gelaufen. Es war nun so duster, dass ich nicht viel erkennen konnte. Der Mond schien durch die Fenster und ich konnte sein Gesicht ein wenig erkennen.
„Kitty!“, rief er besorgt, als sich meine Lider senkten.
„Mir geht’s gut“, nuschelte ich, um ihn zu beruhigen. Er hob mich hoch und mir entglitt endgültig mein Bewusstsein.
Als ich erwachte, spürte ich kalte Hände um meine Schultern. Ich lag in den Armen von Brendan.
„Brendan?“, fragte ich, nur um seine Stimme zu hören, denn ich wusste, dass er es war.
„Du bist wieder wach, mein Schatz“, sagte er fröhlich und küsste mich sanft. Seine Lippen waren eiskalt und doch weich. Diese Berührung hatte ich vermisst, obwohl wir nicht lange getrennt waren.
„Ja, bin ich“, bestätigte ich und schlang meine Arme um seinen Hals. Er streichelte meinen Rücken und wieder legten sich unsere Lippen aufeinander.
„Ich hatte solche Angst dich zu verlieren. Und es hätte nicht mehr lange gedauert, da wäre ich zu spät gewesen“, sagte er und dieser Gedanke schüttelte ihn. Er nahm mich fester in den Arm und küsste mich abermals auf meine vollen Lippen. Ich schaute in sein Gesicht und meine Mundwinkel zogen sich nach unten. Er hatte schlimme Schrammen im Gesicht, die ich nun zärtlich berührte.
„Was hat er mit dir gemacht?“, flüsterte ich heiser.
„Mir geht es gut Kitty. Das sind nur ein paar Kratzer. Mach dir keine Sorgen“, erwiderte er und küsste mich auf die Nasenspitze.
„Haben dich deine Freunde befreit?“, fragte ich.
„Ja, sie haben mich und deine Eltern daraus geholt. Deine Eltern sind Zuhause. Wir mussten ihre Erinnerungen im Zeitraum der Entführung löschen.“
Ich setzte mich halb auf. „Wie geht es ihnen?“
„Ganz gut. Nur schwache Verletzungen“, meinte Brendan beruhigend. „Nun lege dich aber wieder richtig hin. Du bist noch zu schwach, mein Schatz.“
Ich setzte mich trotzdem weiter auf, sprang sogar auf meine Füße. Doch dann wurde mir plötzlich schwarz vor Augen und ich drohte umzukippen. Brendan fing ich mich auf und trug mich zurück ins Bett. Anschließend setzte er sich ebenfalls und strich mir behutsam eine Strähne aus dem Gesicht. Mit der anderen Hand hielt er meine und streichelte mit dem Daumen über meinen Handrücken.
„Gita ist geflohen oder?“, fragte ich nach, obwohl ich es bereits wusste.
„Falls du die dreckige Blutsaugerin meinst, die dich fast ganz ausgesaugt hat, dann ja“, gab Brendan hasserfüllt zurück.
„Du warst doch da. Mir ist nichts passiert“, meinte ich dankbar.
Er schaute mich nachdenklich an. „Es ist wirklich knapp gewesen. Und ich weiß nicht was ich getan hätte, wäre ich zu spät gekommen, Hope. Es gibt zu viele Gründe dafür, dann auch zu sterben. Du bist wirklich der einzige Grund dafür, dass ich noch bin. Das ich noch auf dieser Welt bin. Du hast mir gezeigt, dass es noch etwas anderes gibt, als Hass und Schmerz. Hope, ich werde dich immer lieben und deswegen hätte ich es nicht ertragen.“
Ich schaute ihn einen Moment an, dann zog ich ihn zu mir hinunter. „Komm her“, flüsterte ich und legte meine Lippen auf seine. Er schlang seine Arme um mich und zog mich enger zu sich. Seine Lippen bewegten sich zärtlich und langsam auf die meinen. Es war ein Kuss, das mir Lust auf mehr machte. Ich schlang meine Beine um seine Taille und spürte, wie auch er Verlangen nach mehr hatte, doch er hielt mich trotzdem zurück. „Nicht. Du musst dich ausruhen“, flüsterte er mit rauer Stimme an meinen Lippen.
„Du machst es mir schwer“, gab ich lächelnd zurück.
Er löste sich aus der Umarmung. „Du hast angefangen. Jetzt lasse ich dich in Ruhe. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch“, sagte ich und er verließ den Raum.
Ich kuschelte mich in das weiche Bett und schlief augenblicklich ein. In meinem Traum erschien nur ein Gesicht. Brendans. Ich wusste, dass er wirklich alles war, das ich brauchte. Und ich wusste auch, dass ich ohne ihn gar nicht mehr konnte. Gott sei Dank beruhte das auf Gegenseitigkeit. Wie konnte ich früher nur meine Zeit damit verschwenden ihn Hass entgegenzubringen, anstatt ihn zu küssen?
Als ich erwachte, war ich immer noch allein. Ich sprang auf meine Füße und wusste, dass es mir viel besser ging. Schnell ging ich aus meinem Zimmer und in die Küche. Dort saßen schon alle gemütlich auf ihren Plätzen und starrten mich an. Spätes schlechtes Gewissen ließ grüßen. Josh war ebenfalls anwesend, doch ich hatte Brendan gar nicht gefragt, ob es ihm gut ging. Obwohl ich Josh wegen so vielen Dingen hasste, durfte es mir einfach nicht egal sein, ob er tot oder lebendig ist, schließlich hatte er uns geholfen.
Brendan breitete seine Arme aus und ich setzte mich auf seinen Schoß.
Er küsste mich auf die Wange. „Geht’s dir wieder gut, mein Schatz?“
„Ja, mir geht’s prima“, antwortete ich lächelnd und drehte meinen Kopf, um meine Lippen auf seine zu legen. Er küsste mich einmal zärtlich, dann wand er sich den anderen zu. „So was machen wir jetzt mit Deans Frau Gita?“
Alle schauten nachdenklich auf den Boden, nur Keneths Blick ruhte auf Brendan.
„Wir müssen sie auf jeden Fall ausschalten. Sie wird jetzt noch wütender sein als sie es sonst schon wäre, weil Dean tot ist. Vielleicht wird sie Hope umbringen wollen“, sagte Keneth schließlich.
Ich spürte wie Brendan seine Arme fester um mich schlang. „Wir dürfen es nicht soweit kommen lassen, dass sie sich ihr auch nur nähert. Sie ist gefährlich. Sie wird viel getrunken haben. Dazu ist sie auch noch ein alter, starker Vampir mit vielen Tricks andere umzubringen. Und einen ausgesprochenen Hass hegt sie auch noch, nicht nur wegen Deans Tod, auch weil sie über so viele Jahre eingesperrt war.“
„Aber wie wollen wir wissen, wo sie sich aufhält?“, fragte ich. „Sie könnte sich praktisch auf der ganzen Welt befinden.“
„Wir kriegen das schon hin. Wird wohl nicht so schwer werden. Und wir werden wissen, wo sie sich aufhält. Dort wo es die meisten Leichen geben wird“, meinte Jeff gleichgültig.
„Auch soweit sollten wir es nicht kommen lassen. Mit jeder Leiche kommen die Menschen den Vampiren näher und könnten das Geheimnis lüften. Wenn sie dann noch extra schlampig arbeitet, dann haben wir ein Problem“, meinte Nuri.
„Nuri hat recht. Wir müssen sie schnellstmöglich ausschalten. Wir werden jeden einzelnen Fleck in dieser Stadt absuchen. Ich glaube nicht, dass sie die Stadt verlassen hat. Denn sie will uns definitiv tot sehen. Wir teilen uns auf. Am besten jedoch immer in zweier Gruppen, es ist sonst zu gefährlich. Landon und Jeff, Nuri und Goldo, Keneth und ich und Josh bleibt hier bei Hope“, sagte Brendan. Sofort befreite ich mich aus seiner Umarmung und stellte mich mit verschränkten Armen vor ihn. Er sah ziemlich überrascht aus. Mit solch einer Reaktion hatte er nicht gerechnet.
„Ich werde hier nicht schon wieder tatenlos herumstehen, während ihr euch in Gefahr begebt. Und vorallem nicht mit diesen egoistischen Schnöselidioten. Könnt ihr vergessen“, weigerte ich mich. Brendan schaute mich mit schmalen Augen an. Er schien ziemlich sauer über meine Weigerung zu sein.
„Danke übrigens für die Blumen“, sagte Josh sarkastisch in die Stille. „Du bist auch nicht gerade eine nette Begleitung.“
„Sei leise“, wies ihn Goldo an.
Keneths Blick ruhte auf Brendans und beide sahen sich nachdenklich an. Ich wünschte mir sehenslicht, dass Brendan mich mitnahm und ich nicht mit diesen dummen Dämon rumhängen musste. Ich wusste, dass ich mich diesmal nicht beherrschen konnte und ihn wirklich in die Toilette stopfen würde.
„Weißt du wem ich völlig gleich bin? Harry Potter. Er ist auch ein echtes Talent in Sachen Magie und er ist nervig, jedoch sehr berühmt“, sagte Josh wieder in die Stille.
Ich schaute ihn böse an. „Falls du es nicht gemerkt hast, Mr. Ego, es wird gerade überlegt, was wir machen. Und du laberst hier etwas von Harry Potter. Aber ich kann dir eines sagen: Du bist nicht wie er. Wenn du ein echtes Talent in Sachen Magie wärst, hättest du dich nicht einfach wie ein scheues Hündchen bei dem Schloss mitziehen lassen. Harry Potter ist nämlich auch sehr mutig, musst du wissen. Du bist kein bisschen berühmt, alle hassen dich und du bist nicht nur nervig, du treibst jeden in den Wahnsinn. Ich würde dich eher mit... ach es gibt keinen, der so beschissen ist, wie du es bist.“
„Hört jetzt auf!“, meinte Nuri wütend. Brendans Blick wanderte wieder zu mir. „Na schön. Du kommst mit mir und Josh mit Keneth. So kann ich dich sowieso besser beschützen“, sagte er immer noch nachdenklich.
Ich lächelte ihn an. „Na gut, dann lasst uns jetzt gehen.“
„Ja, wenn ihr sie gefunden habt, dann ruft mich an“, sagte Brendan noch, nahm dann meine Hand und führte mich aus den Haus. Draußen war es noch hell und somit fühlte ich mich noch wohler. „Danke, dass du mich mitnimmst. Ich hätte es echt nicht ausgehalten, mit dem weiterhin in einen Raum zu sein“, bedankte ich mich bei Brendan.
Dieser schaute mich flüchtig an. „Das habe ich nicht deswegen getan. Ich habe ein besseres Gefühl, wenn du bei mir bist. Dann weiß ich nämlich, dass du in Sicherheit bist.“
Ich lächelte einfach nur und er nahm mich auf seinen Rücken. Dann flitzte er auch schon los und es war ein viel besseres Gefühl, als auf Joshs Rücken zu sein. Ich klammerte mich an Brendan fest und ich wusste sofort, dass ich meinen Traummann in den Armen hatte. Das Glücksgefühl breitete sich in mir aus, welches ich immer bekam, wenn ich mit Brendan zusammen war. Er schaute sich immer wieder zu allen Seiten um und ich ebenfalls, doch einen Blutsauger konnte ich nicht erkennen. Wir hatten Glück. Kein einziger Mensch war auf den Straßen. Und auch die Menschen hatten Glück, dass sie es nicht waren, denn wenn hier ein hasserfüllter, alter und starker Blutsauger namens Gita herumirrt, ist niemand in Sicherheit.
Nach stundenlanger Suche, stoppte Brendan plötzlich und setzte mich ab. Nicht weil er nicht mehr konnte, er war schließlich ein Vampir und hatte dadurch eine unendliche Spannweite von Kräften. Er hielt an, um mir eine Pause zu gönnen. Es war sehr mühsam sich stundenlang festzuklammern, obwohl er schon meine Beine um seine Taille mit den Händen festhielt. Ich war eben ein kleiner, zerbrechlicher Mensch.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich zärtlich. „Ich kann gar nicht genug von dir bekommen, Hope. Du hast mich verhext“, flüsterte er an meinen Lippen.
„Dann hast du mich kontrolliert. Denn mir geht es genauso“, sagte ich lächelnd und küsste ihn abermals auf seine kalten, weichen Lippen.
Er lachte auf und schenkte mir ein liebevolles Lächeln. „Schon vergessen, du hast ein Ohrring drin, der verhindert, dass ich oder jemand anderes das tun können.“
Ich grinste ihn ebenfalls an. „Ja und hast du vergessen, dass ich ein Mensch bin und keine Hexe oder Dämon oder sonst so ein Wesen?“
„Einigen wir uns einfach darauf, dass wir so nicht genug voneinander bekommen können, weil wir uns so sehr lieben“, sagte Brendan.
„Einverstanden“, meinte ich und küsste ihn ein weiteres Mal auf die Lippen. Diesmal leidenschaftlich und er zog mich weiter zu sich heran.
„Na wenn das mal kein süßes Paar ist“, sagte eine Frauenstimme hinter uns. Sofort löste sich Brendan von mir und zog mich hinter seinen Rücken. Dort stand doch tatsächlich Gita mit verschränkten Armen.
„Immer wenn man nicht sucht, findet man das, was man suchen wollte“, sagte Brendan mehr zu sich selbst.
Gita legte den Kopf schief. „Ach ihr habt mit gesucht? Das habe ich mir schon gedacht. Doch dann als ihr hier herumgeturtelt habt, hatte ich kurze Zeit gedacht, es wäre nur ein romantischer Ausflug. Wisst ihr früher um 1949 rum sind Dean und ich auch immer zusammen herumgeflitzt. Als er mich befreite und dich als meine kleine Vorspeise mitbrachte, dachte ich eigentlich, dass wir diese Zeit wiederholen konnten. Doch dann kam ja alles anders.“
„Das war eure eigene Schuld“, meinte Brendan eiskalt. „Dean hatte sie entführt und du wolltest sie töten. Ihr habt beide verdient zu sterben!“
Ich hatte sofort Angst vor der Reaktion von Gita. Brendan war so hasserfüllt ihr gegenüber, sodass ich mir sicher war, dass es bald einen Kampf geben würde. Und falls Gita stärker als er war, konnte ich nur dastehen und beten, dass er ihn verschonte. Doch so wie ich sie im Schloss erlebt hatte, kannte sie keinen Skrupel. Sie würde nicht mal mit der Wimper zucken. Gita würde ihn eiskalt umbringen.
„Das sehe ich anders. So sind wir Wesen eben. Wir brauchen Menschen, um zu überleben. Das weißt du genau. Und ich war so lange eingesperrt. Ich brauchte noch mehr Blut. Deine kleine Freundin war eine perfekte Quelle. Dean liebte mich, genauso wie du dieses Menschenmädchen und er wollte mich retten, genauso wie du sie gerettet hast. Doch das du wegen eines Menschen meinen Mann umgebracht hast, werde ich dir nicht verzeihen. Ich werde dich und deine Freundin umbringen. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue“, sagte Gita hasserfüllt.
Mit diesen Worten machte sie sich bereit zum Sprung. Ich machte große Augen und auch Brendan ging in Angriffsposition. Noch ehe sie auf Brendan losgehen konnte, hatte Keneth sie im Würgegriff, was ihr nicht sonderlich viel ausmachte, denn sie brauchte keine Luft.
Josh war auch da und schaute sich immer wieder um.
Das war ein Fehler, denn er sah nicht, dass Gita so viel Kraft hatte, dass sie ihn blitzschnell den Hals umdrehte. Sofort fiel er zu Boden und war tot. Das erinnerte mich an meinen Bruder. Dean hatte ihn auf derselben Weise umgebracht und ihn mir stieg unwillkürlich Hass auf. Brendan flitzte zu Josh, um nachzusehen, ob er noch lebte. Ich dagegen ging auf Gita los. Es war ziemlich dumm von mir, denn ich wusste, dass sie sogar eben einen Dämon umgebracht hatte, obwohl Keneth sie im Würgegriff gefangen hatte. Ich knallte ihr so heftig ins Gesicht, sodass meine Hand höllisch wehtat. Sie schien es jedoch nicht zu stören, denn sie zog meine Haare zu sich und schaute mir tief in die Augen. „Du bist ein kleines Miststück“, sagte sie und wollte meinen Kopf gerade herumdrehen, als ihr ein Ast ins Herz gebohrt wurde und sie meine Haare losließ. Keneth löste den Griff und trat beiseite. Sie starrte an sich hinunter und fiel dann tot zu Boden. Ich drehte mich um und sah Brendan anklagend vor mir stehen. Wenn er mich so ansah, wollte ich schnell weg. Ohne ein weiteres Wort seufzte er und nahm mich fest in die Arme.
Er küsste mich immer wieder auf das Haar und auf die Stirn und ich spürte, dass er vor wenigen Sekunden sehr viel Angst um mich hatte.
„Ist Josh tot?“, fragte ich ihn.
„Ja“, sagte Brendan bloß und küsste mich abermals auf die Stirn. Obwohl ich Josh hasste, ihn nervig fand und einfach nur abstoßend, hatte er uns geholfen. Er war mein Vergewaltiger und ein egoistisches Arschloch aber immerhin hatte er sein Leben für uns aufs Spiel gesetzt und somit ist er auch gestorben. Ich würde nicht für ihn weinen, dafür hatte er mir viel zu viel angetan, doch ich werde ihn ab jetzt in Ehren halten.

Wenige Tage später..

Es waren schöne Tage, die ich mit meinen Eltern, Inka, Brendan und Brendans Freunde verbrachte. Heute war der Tag, an dem sie wieder abreisten. Ich verabschiedete mich ausgiebig von ihnen und vor allem von Keneth. Er war wirklich ein guter Freund geworden. Er sagte mir noch, ich solle auf mich aufpassen, dann gingen sie zusammen aus der Tür.
Ich wandte mich Brendan zu. „Na dann ist das Abenteuer nun vorbei?“
Er schaute nicht auf, er sah traurig und nachdenklich aus. „Ist es wegen Keneth? Wir können sie doch öfters besuchen“, sagte ich und kam auf ihn zu, um sein Gesicht zu streicheln, doch er wehrte sanft meine Hand ab.
„Was ist los?“, flüsterte ich besorgt.
Endlich schaute er mich an. „Wenn du mit mir zusammen bist, werden wirst du in deine Familie immer in Gefahr leben. Das kann ich einfach nicht verantworten.“
Ich schaute ihn wütend an. „Was soll das heißen?“
Er atmete tief durch und ich sah ihm an, dass er fast weinte. „Das heißt, dass wir uns nie wiedersehen werden.“
Mir klappte der Mund auf. Was hatte er da gerade gesagt? Er wollte mit mir Schluss machen? Gerade jetzt, wo alles besser werden würde? Das war ein geschmackloser Witz! Aber dies war nicht der Fall.. Er meinte es ernst. Man sah es an seiner Miene. Es war kein Spiel.
„Na schön“, sagte ich weinend und lief aus dem Haus.
Ich rannte immer weiter bis zu meinem Haus und holte meinen Schlüssel heraus. Schnell schloss ich auf und lief an meinen verdutzten Eltern vorbei und in mein Zimmer. Ich schmiss mich auf mein Bett und wollte einfach nur sterben. Auch wenn es wahnsinnig melodramatisch klang, ich wollte, dass Gita zurück kam und mir ein Messer ins Herz rammte, denn der Schmerz, den ich nun empfand, war mit Sicherheit nichts dagegen.
Es klopfte an meiner Zimmertür und meine Mutter kam hinein. Sie setzte sich auf die Bettkante und streichelte meinen Rücken.
„Geh weg“, sagte ich mit Tränenerstickter Stimme.
Meine Mutter blieb. „Was ist denn los Hope?“
Ich schaute in ihr Gesicht. „Brendan hat Schluss gemacht. Er will mich nicht mehr sehen.“
Dann drückte ich mein Gesicht wieder ins Kissen. Meine Mutter blieb eine Zeitlang stumm. „Wie heißt du?“
Ich hörte einen Moment auf zu schluchzen. Hatte Brendan ihr Gedächtnis zu weit gelöscht? Das war mein erster Gedanke, doch dann erinnerte ich mich, dass sie meinen Namen schon benutzt hatte in der Konversation.
Es musste wieder einer ihrer psychologischen Predigten sein.
„Hope“, sagte ich und fing wieder an zu weinen, als ich mich daran erinnerte, dass Brendan mich immer Kitty nannte.
„Genau. Und was heißt das auf deutsch?“, fragte sie weiter.
„Hoffnung“, meinte ich.
„Richtig. Du weißt warum ich dich so genannt habe. Und du warst immer die Hoffnung in Person. Jedes Mal steckte so viel Hoffnung in dir. Du hast nie aufgegeben und hast immer gewusst, dass es noch einen Hoffnungsschimmer gab. Warum bist du jetzt so hoffnungslos?“, fragte meine Mutter.
Ja, ich hatte recht. Es war eines ihrer psychologischen Predigten.
„Weil es diesmal hoffnungslos ist.“
Es war wirklich so. Ich wollte meine Eltern nicht in Gefahr bringen, somit war es unumgänglich mich von einem Vampir fernzuhalten auch wenn es bedeutete, dass ich auf ewig traurig sein würde.
„Das glaube ich nicht, Hope“, widersprach meine Mutter.
„Du hast ja keine Ahnung. Bitte lass mich in Ruhe“, sagte ich ein wenig genervt.
Sie strich mir über das Haar und verschwand dann aus der Tür.

Ich ging nicht nach draußen, ich aß und trank nicht sonderlich viel. Ich fühlte mich krank, was auch kein Wunder war. Das alles war vollkommen ungesund, aber ich wollte mich einfach nicht bewegen. Ich wollte einfach nur daliegen und warten bis mir jemand ein Messer irgendwo reinrammte. Plötzlich klopfte es an meiner Tür und ich dachte, dass es mal wieder meine Mutter war. Sie kam täglich mehrmals in mein Zimmer und erzählte mir Geschichten über psychologische Fälle. So war das eben, wenn man eine Psychologin als Mutter hatte. Es war im Augenblick so nervig, dass ich mich am liebsten aus meinem Fenster geworfen hätte. Ich blickte auf und schaute überrascht in das Gesicht von meiner besten Freundin. Sie sah ziemlich schüchtern aus, was ich gar nicht von ihr kannte.
„Hey“, sagte ich verheult.
„Hey. Mein Gott siehst du fertig aus. Man erkennt dich kaum wieder.. deine Mutter meinte, du siehst aus wie eine Leiche. Aber das war untertrieben. Du musst wirklich damit aufhören diesen Kerl hinterher zu heulen“, sagte sie anklagend.
„Bist du hier, um mir Vorwürfe zu machen?“, fragte ich sie.
Sie seufzte und setzte sich zu mir auf die Bettkante. „Nein, bin ich nicht. Ich mache mir Sorgen, Hope. Das ist alles nicht normal.“
Ich schaute sie mit Tränen in den Augen an. „Inka, ich habe die Liebe meines Lebens verloren. Er war alles für mich und jetzt ist er einfach nicht mehr da.“
„Du tust so, als wäre er tot“, sagte Inka stirnrunzelnd.
Ich vergrub mein Gesicht wieder ins Kissen. „Das ist er ja sozusagen auch.“
Er war nicht mehr bei mir. Ich spürte ihn nicht mehr. Er war also für mich tot. Unerreichbar.
„Das ist krank“, murmelte Inka.
„Wenn ich doch so krank bin, dann solltest du jetzt gehen. Nicht das du dich ansteckst“, sagte ich sarkastisch.
„Wenn du wieder normal bist, melde dich“, erwiderte Inka und verließ das Zimmer.
Jetzt hatte ich nicht nur Brendan, sondern auch meine beste Freundin verloren, oder was? Sie war wütend auf mich und hielt mich offensichtlich für durchgeknallt.
Ich konnte sie ja verstehen. So wie ich mich verhielt, könnte man wirklich denken, dass ich am besten eine Behandlung meiner Mutter gebrauchen könnte. Als ich so darüber nachdachte, befand ich mich schon unter ihrer Behandlung. Ich hasste mich dafür, dass ich es zugelassen hatte und mich somit praktisch selbst in die imaginäre Klapse gebracht hatte. Langsam stieg ich aus meinem Bett und ging zum Laptop. Ich startete ihn und gab bei Google „Brendan Stanfour“ ein. Ich wusste nicht, warum ich es tat. Es war mehr so mechanisch. Ich klickte auf Bilder und sofort erschien sein Gesicht. Mein Herz schwoll an, um sich im nächsten Moment zusammenzuziehen, weil ich daran dachte, dass ich ihn nie wieder real sehen werde. Seine strahlend blauen Augen sahen mich an und es fühlte sich an, als würde er wirklich vor mir stehen. Schnell schaltete ich den Computer aus. Dann schaute ich aus den Fenster. Draußen spielten kleine Kinder mit kleinen Spielzeugautos. Weiter hinten kam ein Paar fröhlich hergelaufen. Sie wollten mein Leben zur Hölle machen. Sie wollten mich neidisch machen. Schnell zog ich die Gardine zu und legte mich wieder auf das Bett.
Plötzlich hörte ich die Haustürklingel. Ich lauschte. Wer war das denn jetzt bloß? Die Klapse höchstpersönlich?
„Guten Tag. Dürfte ich zu Hope?“, fragte eine vertraute Stimme. Sofort vergrub ich mein Kopf in das Kissen. Nun war ich also auch noch paranoid. Mein Gott, ich hätte mir die Bilder nicht ansehen dürfen, denn nun hörte ich auch noch seine Stimme. Ich lauschte den Schritten auf der Treppe. Du blödes paranoides Mädchen. Jetzt hör auf!, schrie ich in meinen Kopf. Dann öffnete sich meine Tür und jemand setzte sich auf die Bettkante.
„Kitty“, sagte Brendan und streichelte mir über das Haar. Einbildung. Nur Einbildung.
„Kitty, bitte rede mit mir.“
Ich schaute in sein Gesicht. „Was soll ich denn sagen? Ich bin paranoid und sehe und höre dich.“ Ich hielt inne. Er hatte sich verändert. Seine Haut war nicht mehr so bleich und er strahlte keine Kälte, sondern wärme aus.
„Das ist keine Einbildung. Ich bin wirklich hier“, sagte er lächelnd.
Ich setzte mich auf und streichelte sein Gesicht. „Du bist hier.. und du bist warm.“
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich zärtlich auf die Lippen. Sie waren nun warm und weich. Was war denn bloß los mit mir?
„Ich bin ein Mensch“, sagte Brendan nach ein paar Sekunden stille.
„Wie bitte?“, fragte ich entsetzt.
„Ich bin ein Mensch“, wiederholte er klar und deutlich.
Ich schluckte geräuschvoll. Er war warm und er hatte einen natürlichen Teint. Das konnte doch nicht wahr sein?!
„Du bist ein Mensch? Wie? Wann?“ Ich war vollkommen verwirrt.
„Ich habe es für uns getan. Ich bin zu Keneth gefahren und habe ihn gefragt, wie man zu einem Menschen wird. Ich wusste, es gibt eine Möglichkeit. Und es hat funktioniert. Er sagte, ich brauche einen Dämon. Da Josh tot war, musste ich suchen. Dean sagte ja, dass es schwer wäre, einen zu finden, aber wenn man es wirklich will, so wie ich, findet man einen. Er hat mich dann in einen Menschen verwandelt“, erklärte er.
Ich schaute ihn mit weitaufgerissenen Augen an. „Und wie..?“
„Es war sehr, sehr schmerzhaft. Es war ein einziger Spruch. Jedoch musste ich mir vorher einen Pflock ins Herz stechen und es war reine Glückssache, dass ich überlebt habe.“
Ich nahm ihn in den Arm. „Jetzt können wir zusammen bleiben. Wir können ein ganz normales Leben ohne Vampire führen.“
„Genau“, bestätigte er und küsste mich auf die Lippen.
„Deine Eltern sind in Sicherheit. Niemand wird wissen, was ich war. Kein Vampir wird mich aufsuchen. Es wird ein tolles Leben werden, mein Schatz.“
Ich lächelte ihn an und drückte ihn meine Lippen auf die Wange. „Das wird es. Danke, Puppy.“
Er schaute mich verdutzt an und ich musste laut loslachen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass ich glücklich war.
„Puppy?“, fragte Brendan nach.
„Das heißt Hündchen. Du nennst mich Kätzchen, ich dich Hündchen“, ich streckte meine Zunge raus. „Und weißt du warum? Weil du ein treuer Freund bist. Das sagt man doch zu Hunden. Aber nicht nur das. Du tust alles für mich. Dafür liebe ich dich! Wow, das hat sich gereimt.“
Er lachte. „Na gut, Kitty. Danke. Ich liebe dich viel mehr und das kannst du nicht bestreiten.“
„Doch kann ich. Aber beantworte mir eine Frage, bevor wir darüber diskutieren: Gibt es noch einen Grund, warum du ein Mensch geworden bist?“
Er grinste mich an und streichelte mein Gesicht. „Ja, gibt es. Ich möchte kein Monster sein.“
Ich lachte laut auf, was ich ihn irritierte. Er musste doch meine Antwort kennen? So gut musste er mich kennen. Ich wusste, wir würden für immer zusammen sein. Und ich wusste, wir würden glücklich sein. Er hatte etwas dafür getan und ich würde mein bestes tun, um es aufrecht zu erhalten.
„Schatz. Du warst nie ein Monster.“ Nach diesen Satz, küsste er mich leidenschaftlich. Jedoch färbten sich seine Augen nicht mehr orange. Seine Augen blieben strahlend blau. Ich musste mich an die Tatsache erinnern, dass sie sich nie wieder färben würden. Eine Liebe zu einem Monster war kompliziert. Doch er war nie eines. Obwohl sie kompliziert war, war es immer eine Liebe zu Brendan. Eine Liebe, die nie verblasst.

Ende

Nachwort: Soo. Das wars. Die Geschichte ist vorbei. Danke an alle, die so fleißig gelesen und kommentiert haben. Es ist schön zu wissen, dass die ganze Arbeit nicht umsonst war. Ihr seid aaaalle toll :)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen treuen Lesern und Leserinnen, die mir ausreichend Feedback geben ;)

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