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Vorwort


Nie hätte ich gedacht, dass ich noch eine Wahl habe.
Dass ich nicht nur Ryan haben kann sondern auch den unbeschreiblichen Chris. Ich wusste was mein Herz wollte, ohne Frage Chris. Doch ich wusste auch was mein Verstand wollte, nämlich Ryan. Denn Chris hat ein Geheimnis, was ich nicht übersehen kann.
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1.Kapital (Laila)



Langsam schlenderte ich den Flur zu meinem Klassenraum entlang. Ich hatte noch Zeit und deswegen beeilte ich mich nicht. Ich war nicht gerade erpicht darauf, dass meine nächste Stunde Mathe war und deswegen ging ich noch langsamer durch die Menschenmenge. Mathe war das Schlimmste für mich in der Schule. Ich konnte es kein bisschen und das mein Lehrer mich vor der ganzen Klasse bloß stellte, förderte das Wohlbefinden auch nicht gerade. Ich bekam wieder Kopfschmerzen, als ich überlegte, wie er mich wohl diesmal vorführen würde. Vielleicht sollte ich schwänzen. Aber das würde Ryan, meinen festen Freund, überhaupt nicht gefallen. Wir waren schon zwei Jahre zusammen und er achtete immer sehr darauf, dass ich alles richtig machte und ich mich gut benahm. Er war ein Mensch, bei dem alles perfekt sein musste. Deshalb verstand ich auch nicht, warum er mit mir zusammen war, denn ich war alles andere als perfekt. Ich hatte sehr viele Macken. Doch er merkte es anscheinend gar nicht.
Und plötzlich stand er vor mir und küsste mich sanft.
„Hallo“, sagte er dann und streichelte mir zärtlich über die Wangenknochen.
„Hey, Ryan. Schon gewusst, wir haben gleich Mathe“, sagte ich gespielt fröhlich. Er lachte nur und führte mich dann ins Klassenzimmer. Ich wusste, dass er sich ein wenig für mich schämte, weil ich die Schlechteste in Mathe aus unserer Klasse war. Das machte mich sehr traurig und mir wurde das ganze noch peinlicher. Ich hatte ihn schon öfters gebeten mir Nachhilfe zu geben, was er auch eine Zeit lang tat, doch ich war eine echte Niete und deswegen gab er es nach einer Weile auf.
Wir setzten uns an unseren Platz, er saß natürlich neben mir, und warteten bis die Stunde anfing. Und schon kam Herr Fiete hinein. Aber nicht allein. Er hatte einen Jungen dabei. So ungefähr in meinem Alter, also 17. Er sah wahnsinnig gut aus. Braune Haare, die ihm leicht über seine blauen Augen fielen. Seine reine Haut hatte einen eher helleren Teint und sein Körper sah sehr muskulös aus. Ich schmolz dahin, genauso wie die anderen Mädchen, wie es schien. Alle sahen aus als ob sie vor sich hinträumten. Und die Jungs waren mürrisch und ärgerlich auf den Zuwachs. Auch Ryan war sichtlich angespannt in seiner Haltung und musterte mich eindringlich. Ich schaute ihn an und lächelte. Er sollte nicht denken, dass ich dem Neuen verfallen war. Herr Fiete zeigte auf ihn und sagte: „Das ist unser neuer Schüler. Chris Falton. Bitte seid nett zu ihm. Wer würde denn gerne Chris die Schule zeigen nach dem Unterricht?“ Alle Mädchen meldeten sich. Alle außer ich. Wenn ich mich gemeldet hätte, würde Ryan sicher sehr sauer sein. Wäre ich auch. Aber es musste ja so kommen. Herr Fiete hasste mich, also sagte er: „Wie wäre es mit dir Laila? Du kannst zwar kein Mathe, aber Chris die Schule zeigen, ich denke das bekommst du hin.“ Na toll. Gleich wieder schlecht gemacht vor dem Neuen. Dieser Mann machte mich wahnsinnig. Ich nickte bloß und wünschte Herrn Fiete die Pest. Ryan war wütend. Und ich ebenfalls, weil Herr Fiete mich sofort wieder bloß gestellt hatte. Chris nickte mir zu und setzte sich dann neben einen Mädchen. Es war der einzige Platz, der noch nicht belegt war. Er grinste mich an und mir blieb die Luft weg, von diesen Anblick. Wow. Und das war noch ein untertriebenes Wort. Ryan schaute blitzartig zu Chris und warf ihm einen warnenden Blick zu.
„So. Schlagt bitte eure Bücher auf. Seite 42.“, sagte Herr Fiete und seufzend tat ich was er verlangte. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er mich wieder zu einer Antwort zwang.
Und es dauerte auch nicht lange.
„Laila, könntest du uns bitte die Lösung sagen?“, fragte Herr Fiete mich erwartungsvoll. Oh man. Schnell versuchte ich alles zu multiplizieren und kam mir wie ein Depp vor, als ich leise vor mich hinnuschelte.
„Laila?“, harkte Herr Fiete nach. Verdammt, ich bin eben nicht so schnell, dachte ich wütend. Er setzte mich jedes Mal unter Druck.
„87“, sagte Chris plötzlich. Ich schaute zu ihm und er sah mich mitfühlend an.
„Richtig. Aber eigentlich wollte ich es von Laila hören“, erwiderte Herr Fiete.
„Ich weiß. Ich dachte nur, weil Sie sie so fertig machten, dass ich ihr heraus helfe. Sie stand unter Druck und mit Ihrer drängenden Stimme helfen sie ihr auch nicht“, sagte Chris ernst. Ich hielt die Luft an. Niemand hatte sich jemals für mich eingesetzt. Es war eine Premiere. Und dann auch noch ein völlig Fremder. Es war mucksmäuschenstill in den Klassenraum. Alle Augen auf Chris gerichtet, als ob er gerade einen peinlichen Fauxpas beginge. Herr Fiete sah ihn erstaunt an. Dann wandte er sich zu mir.
„Hm. Da hat Chris vielleicht recht. Tut mir leid, Laila“, sagte er. Ich sah ihn mit weitaufgerissenen Augen an, dann senkte ich meinen Blick. Ein paar Minuten später richtete ich meinen Blick auf Chris, der mich zu meiner Überraschung anschaute.
„Danke!“, flüsterte ich ihm zu und er nickte lächelnd. Ryan fand das alles ganz und gar nicht toll. Er schirmte mich vor Chris’ Blick ab, sodass wir uns nicht mehr ansehen konnten. Er war eifersüchtig. Ich tat so, als ob ich diese Tatsache nicht bemerkte und konzentrierte mich wieder auf die Aufgaben im Mathebuch.
Endlich ertönte die Klingel. Es war so befreiend. Es fühlte sich so an, als wäre ich aus dem Gefängnis gekommen und endlich wieder in Freiheit. Der Matheunterricht war aber auch wie ein Gefängnis. Wir durften noch nicht einmal auf Toilette im Unterricht. Schnell nahm ich meine Sachen und ging mit Ryan zu meinem Schließfach.
„Hey“, sagte plötzlich jemand hinter uns. Fast gleichzeitig drehten Ryan und ich uns um. Und da stand Chris mit einem Grinsen.
„Was willst du?!“, fragte Ryan drohend. Ich stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. Wieso war er denn bloß so eifersüchtig? Es war mir schon richtig unangenehm.
„Herr Fiete hat doch gesagt, dass Laila mich herumführen würde“, antwortete Chris.
Ich haute mir gegen den Kopf. „Ach ja. Tut mir leid. Habe ich vergessen. Komm.“ Ich gab Ryan einen flüchtigen Kuss und ging dann mit Chris durch den Flur.
„Also was möchtest du denn zuerst sehen oder wissen?“, fragte ich ihn.
„Ich möchte alles über dich wissen“, erwiderte er lächelnd. Ich sah ihn stirnrunzelnd an. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nicht das er mich auf meine Schwäche in Mathe aufmerksam macht. Davor hatte ich wirklich Angst.
„Was möchtest du denn wissen?“, fragte ich schließlich ergeben.
„Wie heißt du mit vollen Namen?“
„Laila Kissan“, antwortete ich.
„Und wie alt bist du, Laila?“, fragte er weiter.
„17. Und du?“
„ Ich bin 18. Was sind so deine Charaktereigenschaften?“, fragte er völlig ernst.
Was war das denn bitte für eine Frage?! Wie sollte ich mich denn beschreiben? Ich hasste es, mich selbst zu bewerten.
„Finde es doch selbst heraus“, sagte ich schließlich und grinste ihn an.
Er lächelte mich an. „Gerne. Das ist eine gute Idee.“
Erst dann merkte ich, was ich da tat. Ich war mit Ryan zusammen und flirtete mit Chris. Was war bloß los mit mir?
„Und der Typ eben, ist dein fester Freund?“, fragte er plötzlich und machte mir somit noch ein schlechteres Gewissen.
„Ja, ist er“, sagte ich leise und senkte den Kopf. Was wird er nun von mir denken?! Das ich ein Mädchen von der Sorte war, die gerne mit anderen Kerlen flirtet?!
„Achso..“, sagte er mit starrem Blick. „Seit wann?“
„Seit zwei Jahren“, sagte ich mechanisch.
„Liebst du ihn?“, fragte er mich allen Ernstes. Was? Was soll denn die Frage? Ohne nachzudenken antwortete ich.
„Ja, natürlich. Sonst wäre ich ja nicht mit ihm zusammen.“
„Ja, da hast du wahrscheinlich recht.“
Und dabei beließen wir es und sprachen nur das Nötigste miteinander.
Nach der Schule ging ich mit Ryan über den Schulhof. Es regnete sehr dolle und ich hatte keinen Regenschirm. Also war ich pitschnass. Meine Haare klebten an meinem Gesicht und meine Schminke war verwischt. Na super. Wie ein nasser Hund.
„Und wie ist dieser Chris so?“, fragte Ryan mit wütendem Unterton.
Ich blickte zu ihm. „Ganz nett.“
„Ach ja? Da kommt er schon wieder. Der geht mir langsam auf die Nerven.“
Ich folgte Ryans Blick und hatte plötzlich Chris im Blickfeld, wie er zu uns kam.
„Laila erkältet sich. Du solltest sie nach Hause bringen“, sagte Chris sofort besorgt, obwohl er noch nicht ganz bei uns war. Was sollte das denn schon wieder? Man könnte ja fast sagen, dass er sich Sorgen um mich machte, weil ich im Regen stand. Ryan schäumte vor Wut.
„Was geht dich das an?!“, giftete er Chris an. Dieser veränderte nicht seine Miene.
„Soll ich sie nach Hause bringen?“, fragte Chris.
„Ich rate dir, dass du jetzt nach Hause fährst. Ehe ich mich vergesse!“, brüllte Ryan und ich hielt ihm am Arm.
„Ganz ruhig, Ryan. Lass uns jetzt gehen“, sagte ich.
Ryan nickte und warf Chris noch einen warnenden Blick zu. Dieser sah mich wehleidig an. Ich drehte mich um und marschierte neben den wütenden Ryan her. „Was denkt sich dieser Bastard?!“, fluchte er.
„Beruhige dich, Ryan.“
„Wenn er dich noch einmal anlabert, dann wird er was erleben“, sagte er hasserfüllt.
„Er ist neu hier. Und er braucht Hilfe. Mehr nicht“, verteidigte ich Chris.
„Du stehst auf seiner Seite?!“, brüllte mich Ryan an. „Na dann, kannst du sehen wie du nach Hause kommst. Vielleicht bringt dich ja dein Chris.“ Mit schnellen Schritten entfernte er sich und stieg in sein Auto. Anschließend fuhr er weg. Ich stand da. Ich war völlig verblüfft. Ryan hatte mich doch tatsächlich im Regen stehen lassen. Und zwar, ohne mit der Wimper zu zucken. Was zum Teufel dachte er sich bloß dabei?! Und da spürte ich auch schon eine warme Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und schaute in Chris’ Gesicht.
„Alles in Ordnung?“, fragte er mich.
Wie mechanisch umarmte ich ihn und spürte wie mir ein Kloß im Hals steckte. Ich fing an zu weinen. Diese Zurückweisung von Ryan, diese Aggression, die ich nie zuvor bei ihm gesehen hatte, ließ mich erschüttern. Und dann war da Chris der seine Arme um mich legte und mich tröstete.
„Keine Sorge, Laila. Ich bringe dich nach Hause“, sagte er und führte mich zu seinem Auto. Ich stieg ohne Diskussion ein und fühlte mich wohl. Chris stieg ebenfalls ein und startete den Motor. Dann sah er mich an.
„Und wo wohnst du?“, fragte er sanft.
„Georgstraße 12“, antwortete ich dankbar.
Er fuhr los und ich fühlte mich geborgen, wie schon lange nicht mehr.
„Danke“, sagte ich.
„Kein Problem. Was war denn mit dem los?“, harkte Chris nach.
„Ach der war unnötiger Weise eifersüchtig auf dich.“
„Unnötiger Weise?“, murmelte Chris leise. Es hörte sich traurig an, hoffnungslos. Ich schaute zu ihm und untersuchte seine Miene. Was war denn los? Die Stille machte alles unerträglich und ich fühlte mich so, als hätte ich ihn beleidigt.
„Tut mir leid, falls ich dich gekränkt haben sollte“
Er blickte zu mir.„Ach quatsch. Es ist alles okay“, erwiderte er.
Dann kamen wir in meine Straße und er hielt an. „Danke“, sagte ich wieder.
Er sah mich lange an, mit einem unerklärlichen Gesichtsausdruck. Dann lehnte er sich zu mir und küsste mich flüchtig. Dann hielt er wenige Zentimeter von meinem Gesicht inne, um meine Reaktion zu erahnen. Als ich nichts erwiderte und mein Herz wild und holprig schlug, legte er seine Lippen wieder auf meine. Es war so ein unglaubliches Gefühl, ihn zu küssen. Er drehte sich zu mir und zog meinen Kopf weiter an sich heran. Ich fühlte mich so geborgen, so geliebt wie noch nie. Ryan hatte mich nie mit so viel Liebe geküsst. Ryan. Sofort erwiderte ich seinen Kuss nicht mehr und staunte über das, was ich da tat. Ich küsste einen Fremden. Und dann noch obwohl ich mit Ryan zusammen war. Auch Chris merkte, dass etwas nicht stimmte und schaute mich verwirrt an.
„Ich will nicht.. ich meine ich kann nicht.. wir sehen uns morgen“, stammelte ich und verließ den Wagen. Ohne ihm noch eines Blickes zu würdigen ging ich ins Haus und setzte mich in meinen Zimmer auf mein Bett. Was hatte ich da bloß getan?! Was hatte ich mir nur dabei gedacht? War ich denn völlig verrückt geworden?!
Am nächsten Tag hatte sich die Sache wieder beruhigt und Ryan sprach wieder so mit mir, als wenn nichts passiert wäre. War ja klar.
„Du? Ich gehe noch mal schnell aufs Klo. Geh du schon mal vor“, sagte er zu mir und flitzte zur Herrentoilette. Und sofort war Chris an meiner Seite, was mich sehr erschreckte. Als ob er auf diesen Moment gewartet hätte.
„Hey..“, murmelte ich verlegen, wohl wissend, dass er sich wegen gestern etwas einbildete.
„Hey Laila. Wie geht es dir?“, fragte er fröhlich. Ja, er bildete sich etwas ein.
„Ganz okay. Du Chris? Das wegen gestern. Die Knutscherei. Du weißt schon, können wir einfach so tun, als wäre das nie passiert?“, fragte ich flehend.
„Ah du möchtest nicht, dass dein Freund davon Wind bekommt? Keine Sorge, ich werde schweigen. Aber vergessen kann ich es beim besten Willen nicht. Es war unglaublich für mich. Und ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der so fühlt“, sagte er zufrieden. Ich runzelte die Stirn und ging zu meinem Schließfach. Er folgte mir.
„Kann es sein, dass du ziemlich eingebildet und arrogant bist?“, fragte ich ernst.
„Nein, ich merke nur, dass du etwas für mich empfindest, weil du meinen Kuss erwidert hast, weil du die Liebe spüren konntest und weil du es genossen hast so geküsst zu werden“, antwortete er.
Ich prustete hysterisch los. „Das ist vollkommender Unsinn“, sagte ich.
„Ach ja? Das glaube ich nicht“, erwiderte Chris.
Ich schaute ihn an und wollte gerade zu einer sarkastischen Bemerkung ansetzten, als ich Ryan hinter ihm sah. Auch Chris drehte sich um.
„Hey Ryan“, sagte er, als wäre nichts gewesen.
„Spar dir das, du Bastard. Was willst du von ihr?!“, brüllte dieser.
„Bleib mal auf dem Teppich!“, sagte Chris.
Plötzlich holte Ryan aus und ich stellte mich instinktiv schützend vor Chris. Ich bekam die ganze Wucht des Schlages ins Gesicht und bückte mich. Blut schoss aus meinem Mund. Na toll.
„Laila? Alles in Ordnung?“, fragte Chris besorgt. Auch Ryan war an meiner Seite und ich wehrte beide ab, ehe es wieder zu Streit kam.
„Geht schon“, sagte ich nur und lief ins Mädchenklo. Ich schaute in den Spiegel und sah wie mein Mund voll Blut war. Ich sah aus wie ein Vampir. Meine blasse Haut und dazu noch schön viel Blut im Mund. Nur das es mein eigenes war. Ich spuckte mehrmals ins Waschbecken und wusch mir mein Mund aus. Dann trocknete ich meinen Mund mit meinen Ärmeln und ging dann wieder in den Flur. Zu meiner Überraschung waren die Schüler immer noch nicht in den Klassenräumen, obwohl der Unterricht schon begann. Sie standen in einem Kreis und ich wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ich quetschte mich durch die Menschenmenge und sah wie Chris und Ryan sich gegenseitig schlugen. Ryan lag bereits auf den Boden. „Stop!“, brüllte ich und sofort hörte Chris auf, auf Ryan einzuschlagen. Herr Fiete kam nun auch in den Kreis und schaute mich wütend an. „Na war ja klar, dass du wieder mit drin verwickelt bist, Laila. Du wirst nachsitzen!“
„Nein, Sir. Laila hat damit gar nichts-“, setzte Chris an.
„Hör auf sie in Schutz zu nehmen. Für euch beide gilt dasselbe. Heute 8. und 9. Stunde nachsitzen“, brüllte Herr Fiete und schickte die anderen in ihre Klassenräume. Na super. Mit diesen zwei Streithähnen nachsitzen. Das konnte ja was werden. Schon jetzt warfen sie sich böse Blicke zu, doch gingen friedlich mit mir in den Klassenraum. Sie waren leicht verletzt, doch ließen sich nichts anmerken. Keine Träne war zu erkennen. Das waren keine Weicheier. Ich setzte mich schweigend auf meinen Platz und Frau Ussel, meine Englischlehrerin, sah mich besorgt an. „Are you hurt, Laila?“ Ich schüttelte den Kopf. Sie beließ es dabei und fuhr mit dem Unterricht fort.
„Hey tut mir leid. Ich wollte dich nicht schlagen. Aber warum hast du dich auch vor ihm gestellt?!“, fragte mich Ryan leise. Ich schaute ihn bloß wütend an.
Dann schaute ich zu Chris, der uns musterte. Mir wurde das langsam alles zu viel.
Der Tag schien schnell vorbeizugehen und so verabschiedete ich mich nach der 7. Stunde von meinen Freunden und ging dann zusammen mit Chris und Ryan zum Nachsitzen. Man sah deutlich die imaginäre Trennlinie , die die beiden hegten. Ryan zog mich auf seine Seite der Linie und schaute Chris die ganze Zeit hasserfüllt an. Er legte mir einen Arm besitzergreifend um die Taille. Chris schaute die ganze Zeit in mein Gesicht und auch ich konnte den Blick nicht von seinen strahlend blauen Augen abwenden. Als wir ankamen, saß auch schon Herr Fiete da und bat uns platz zu nehmen. Ich setzte mich zwischen Chris und Ryan und schon fing Herr Fietes Rede an. „Was habt ihr euch dabei gedacht? Wir sind eine sehr gute Schule und können uns nicht erlauben, dass sich irgendwelche Schüler kloppen.“
„Entschuldigen Sie, Herr Fiete, aber Chris hat mich provoziert“, sagte Ryan unschuldig. Das hörte sich wie schleimen an. Und das war wahrscheinlich auch der Zweck der Situation. Er wollte seine Haut retten, egal ob Chris und ich ebenso davonkommen würden oder nicht.
„Er hat Laila geschlagen und dann bin ich eben ausgeflippt und habe einen Spruch gesagt..“, erwiderte Chris und schaute flüchtig zu mir.
„Moment. Warum hast du Laila geschlagen, Ryan?“, fragte Herr Fiete.
„ich wollte gar nicht sie, sondern Chris schlagen, weil er sich an sie rangeworfen hat“, verteidigte sich Ryan.
„Und was für einen Spruch hast du gemacht?“, harkte Herr Fiete nach.
„Ich.. ich habe gesagt: Ich weiß ja nicht ob du ihren Mund brauchst, aber ich finde sie zu küssen ist sehr schön, also brauche ich ihn noch“, antwortete Chris und schaute entschuldigend zu mir. Meine Augen weiteten sich. Er hatte es allen Ernstes Ryan gesagt. Obwohl er mir versichert hatte, dass er es Ryan nicht verraten würde.
„Tut mir leid, Laila. Es ist mir herausgerutscht“, sagte Chris schuldbewusst.
„Moment. Soll das etwa heißen, er hat dich wirklich geküsst?!“, brüllte Ryan und ohne auf eine Antwort zu warten, stürzte er sich auf Chris. Herr Fiete griff ein und setzte jeden wieder auf seinen Platz.
„Puh. Na da würde ich sagen, alles führt zu der kleine Laila“, stellte Herr Fiete fest und schaute mich ärgerlich an.
Ja, da hatte mein verhasster Mathelehrer recht. Ich hatte verdammten Mist gebaut.
„Ja, ich weiß. Tut mir leid“, sagte ich mürrisch, jedoch schuldbewusst. Ich sah Chris an, dass er noch etwas hinzufügen wollte, doch Herr Fiete schnitt ihm das Wort ab.
„Also, damit ihr merkt, dass Gewalt keine Lösung ist, habe ich einen super langweiligen Film für euch. Ihr müsst dazu Notizen schreiben, also müsst ihr sehr gut aufpassen. Eine sehr schlimme Strafe“, sagte Herr Fiete und lachte schadenfroh. Er legte den Film in den DVD- Player und schaltete auf Play. Das dürften lange und langweilige Stunden werden.
Nach dem Nachsitzen flüchtete ich schnell aus dem Gebäude. Ich wollte nicht wieder der Grund für einen weiteren Streit sein.
„Laila! Warte mal!“, rief Chris und ich lief noch schneller. Doch er holte mich ein.
„Geh weg, Chris. Ehe uns wieder Ryan sieht“, sagte ich hektisch.
„Der ist noch bei Herr Fiete. Er hat Angst, dass es in seiner Schulakte auftaucht“, erwiderte Chris genervt.
„Na schön. Was willst du?!“, fragte ich und blieb stehen. Es regnete mal wieder und seine Haare tropften schon. Er sah aus wie ein Model. Er sah wahnsinnig sexy aus und mein Blick wanderte zu seinen Lippen. Wasserperlen liefen darüber und ich wollte mich zu meinem eigenen Schock diesen nähern, um sie mit einem Kuss zu entfernen. Was dachte ich denn da bloß?!, ermahnte ich mich immer noch geschockt.
„Ich weiß das du etwas für mich empfindest. Genau wie ich für dich. Weißt du, es ist komisch. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Es ist wie Liebe auf den ersten Blick. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dich schon ewig zu kennen. Laila, ich liebe dich. Und ich möchte, dass du weißt, dass du noch eine Wahl hast. Du musst nicht Ryan nehmen“, sagte er.
„Ich kann nicht.. ich muss gehen“, stammelte ich wie den Tag davor und versuchte seinem Blick auszuweichen.
„Du willst gehen, weil du dich nicht deinen Gefühlen stellen willst, stimmts? Weil du es nicht so kompliziert haben möchtest?“, fragte er und hielt meine Hand.
„Chris, bitte. Lass mich gehen“, sagte ich flehend.
Er ließ mein Handgelenk los und ich ging davon. Als ich nach hinten sah, schaute ich in ein niedergeschlagenes Gesicht und ich musste mich bemühen, nicht umzukehren. Was sollte ich ihm sagen? Ich brauchte Zeit für mich, um über alles nachdenken zu können.
Ich nahm den Bus. Ich wollte nicht zusammen mit Ryan im Auto sitzen, obwohl er mein fester Freund war, wollte ich nicht in seiner Nähe sein. Das hatte ich noch nie. Ich hatte auch noch nie in betracht gezogen, mich von ihm zu trennen. Und deshalb verwirrte es mich nun noch mehr, dass ich darüber nachdachte. Was war bloß mit mir los? Ich kannte diesen Chris noch nicht lange und trotzdem war er im Stande die Beziehung zwischen Ryan und mir zu zerstören. Oder war ich diejenige die sie zerstörte? Schließlich hatte ich mich auf den Kuss mit Chris eingelassen, ihn sogar erwidert. Es war allein meine Schuld. Und deshalb konnte ich nicht zu lassen, dass Ryan deswegen leidet. Das wäre nicht fair. Er liebte mich, mehr als ich es verdiente. Schließlich empfand ich in diesen Moment nicht mehr viel für ihn.
Ich schaute aus dem Fenster des Busses und betrachtete die Regentropfen, die aussahen wie Tränen. Was sollte ich bloß tun?

Am nächsten Tag, fuhr ich wieder mit dem Bus zur Schule, anstatt mit Ryan zu fahren. Dieser war völlig verwirrt, als er zu mir kam. Ich stand an meinem Schließfach und hoffte, er würde mich nicht ansprechen. Doch natürlich kam er mit seinem verwirrten Blick zu mir und wollte mich küssen. Ich drehte ruckartig den Kopf weg und Ryan sah nun noch verwirrter aus, als vorher.
„Was ist los? Was habe ich gemacht?“, fragte er etwas wütend.
„Nichts“, sagte ich schnell und wandte das Gesicht von ihm ab.
„Das kannst du mir nicht erzählen. Ich wollte dich heute morgen abholen und dann sagte deine Mutter, dass du mit dem Bus gefahren bist“, erwiderte er kopfschüttelnd.
„Ich wollte eben mal wieder mit meinen Freundinnen fahren. Und die fahren nun mal alle mit dem Bus. Was ist daran so schlimm?“, murmelte ich leise und holte mein Geschichtsbuch aus dem Schließfach.
„Ich war noch nicht fertig. Du bist so distanziert. Du willst mich nicht küssen“, sagte er leise.
„Ich habe Knoblauch gegessen, Ryan“, log ich. Und schon wieder bekam ich ein schlechtes Gewissen. Was tat ich denn da bloß?! Ich hatte Ryan bisher nie angelogen. Und schon gar nicht, wenn ich ihn nicht küssen wollte. Ich wollte ihn –bis Chris auftauchte- immer küssen und deshalb brauchte ich auch nicht lügen.
„Ich verstehe nicht-“, setzte Ryan an, doch Chris stand auf einmal neben ihm und unterbrach ihn.
„Hey Laila“, sagte er munter.
„Hey“, murmelte ich und senkte den Blick.
„Siehst du nicht, dass wir hier ein ernstes Gespräch führen?!“, fuhr Ryan ihn an.
„Achso. Wenn ihr Streit habt, lasst euch nicht stören“, sagte Chris lächelnd und zwinkerte mir zu.
„Streit kannst du haben!“, schrie Ryan ihn an.
„Bleib ruhig, Ryan. Chris kannst du kurz gehen?“, fragte ich ruhig. Doch eigentlich war es mehr eine Aufforderung. Chris nickte mit gesenktem Blick und verschwand im Schülergetümmel. Es schmerzte, ihn weggeschickt zu haben, aber eine weitere Schlägerei würde für beide nichts Gutes bedeuten. Und falls Herr Fiete die Streithähne auseinander bekommen musste, dann war auch ich in der Klemme.
„Es hat etwas mit Chris zu tun richtig?!“, fragte Ryan scharf, als er meinen Blick folgte. Wie sollte ich dies leugnen, wenn er es doch genau sah. Er hatte die Wahrheit verdient.
„Ryan, ich..ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Ich bin vollkommen verwirrt, seit Chris hier ist“, sagte ich.
„Aber du kennst ihn doch nicht lange“, erwiderte er flehend. „Du willst unsere Beziehung wegen so einem nicht wegwerfen oder?!“
„Ich.... ich weiß nicht, Ryan. Lass mir doch bitte Zeit“, sagte ich ernst.
„Na schön“, antwortete Ryan wütend und zog von dannen.
Und sofort stand wieder Chris vor mir mit schmerzerfüllten Blick.
„Warum hast du dich mit Ryan geschritten?! Ich meine, es sah aus als hättest du Schluss gemacht?! Ich finde, wir sollten uns nicht mehr so oft sehen. Es tut mir leid..“, sagte er.
Ohne das ich noch etwas erwidern konnte, ging auch er. Ich stand völlig verdattert da. Was war das denn für eine Aktion? Zuerst kämpft er um mich und nun will er mich nicht mehr?! Ich knallte mein Schließfach zu und ging wütend zum Unterricht.
Dort saßen beide schon auf ihren Plätzen und ich blieb in der Mitte des Klassenzimmers stehen. Ich versuchte die Stimmung der beiden zu ergründen. Chris saß bloß mit gesenktem Blick da und Ryan sah ihn mit ärgerlichen Blick an. Verdammt, was war bloß los mit Chris?! Herr Glopowski kam in die Klasse und bat mich, neben Chris Platz zu nehmen, weil er es wahrscheinlich für willkommen hieß, dass ich mich noch nicht neben Ryan eingerichtet hatte, sondern immer noch wie ein Depp in der Klasse stand. Er hasste es, dass Ryan mir immer weiterhalf, wenn ich in seinem Unterricht nicht weiterweiß. Ich schaute ihn gespielt verwundert an. Doch er erwiderte nichts und so setzte ich mich. Ryans Blick ruhte auf mir, doch ich hatte Angst ihn zu erwidern. Ich wollte nicht den Schmerz und die Wut sehen, die ich zu verschulden hatte.
Es war eine lange Unterrichtsstunde. Ich versuchte vergeblich Ryans Blick auszuweichen. Ich MUSSTE einfach zu ihm sehen. Ich musste wissen, wie er sich fühlt. Langsam spähte ich zu ihm. Er sah sehr wütend aus, aber wie erwartet auch sehr verletzt. Ich schluckte die Schuldgefühle und das schlechte Gewissen so gut es geht nach unten, doch ich bekam einen Kloß im Hals. Ich wendete den Blick ab und sah zu Chris. Dies gelang mir viel einfacher, weil mich seine Reaktion so wunderte. Er wich meinem Blick aus, genauso wie ich Ryans auswich. Er schaute auf seine verschränkten Hände. Machte er sich Vorwürfe, weil er offensichtlich Schuld an der Beziehungspause von Ryan und mir war? Oder wollte er einfach nur mit mir flirten und hat nun ein schlechtes Gewissen, dass ich für ihn mehr empfand, als er wollte? Ich würde ihn in der Pause fragen, koste es was es wolle. Und er würde mir die Wahrheit sagen, ohne Diskussion. Ich war fest entschlossen, es aus ihm herauszukitzeln. Ich war gut in so was. Einmal da war meine gute Freundin Gina ziemlich traurig, eine Woche lang. Und sie wollte mir einfach nicht sagen, warum. Und dann hatte ich solange auf sie eingeredet, bis sie mir erzählte, dass sich ihre Eltern trennen würden. Vielleicht war ich nur nervig, aber zum Schluss hatte sie es trotzdem nicht bereut es mir gesagt zu haben. Ich hatte sie getröstet und ihr geholfen darüber hinweg zu kommen. Und es hatte funktioniert. Doch als sie weggezogen ist, zu ihrer Mutter weit weg, da hatte ich keinen der mich tröstete- Gott sei Dank. Wie gesagt, ich hasste Mitleid und das wussten eigentlich die Meisten.
Auf einmal spürte ich Chris’ Blick. Er schaute mich an. Sofort zuckte mein Kopf in seine Richtung. Er sah mich mit unergründlichen Blick an. Ich konnte es nicht beschreiben. Eine Mischung aus Verzweiflung, Hass, Traurigkeit und Nervosität. Was war denn bloß los mit ihm? Hatte ich etwas falsch gemacht? Unmöglich, ich hatte ihn heute noch eigentlich gar nicht richtig gesprochen. Aber was war dann los? Ich wurde immer nervöser, immer neugieriger, sodass ich beschloss mich abzulenken und dem Unterricht folgte, von dem ich nichts mehr verstand, da ich die Hälfte verpasst hatte. Alles nur wegen meinen Spekulationen. Ich würde das ganze Thema noch einmal durcharbeiten müssen und ich hoffte, dass mich Herr Glopowski heute ausnahmsweise mal nicht dran nahm. Doch diese Hoffnung war natürlich vergeblichst. Wie immer hatte ich Pech.
„Laila, wann ist Napoleon geboren?“, fragte er und ich wusste, dass er darüber die letzte halbe Stunde gesprochen hatte. Mist. Ich versuchte -natürlich vergeblich- durch mein geschlossenes Gesichtsbuch zu gucken, um die Antwort zu ergründen. Schließlich gab ich mich geschlagen.
„ich weiß es nicht“, sagte ich.
„Laila, das kann ja wohl nicht sein. Das hatten wir hier fünf Mal wiederholt. Vor zehn Minuten. Was ist deine Entschuldigung dafür, dass du nicht aufgepasst hast?“, motzte mich Herr Glopowski an und ich wünschte ich wäre im Erdboden versunken. Alle starrten mich an, nur Chris nicht und ich kam mir mal wieder vor, wie der größte Depp. Klasse.
„Ich war mit den Gedanken woanders, Sir“, antwortete ich leise, jedoch respektvoll.
Sofort zuckte der Kopf von Chris zu mir. Er fragte sich nun mit Sicherheit auch, woran ich dachte.
„Und woran dachtest du, wenn ich fragen darf?“, Herr Glopowski sprach nun ruhiger.
„Ich fürchte, das kann ich nicht erläutern, Sir“, sagte ich.
„Na schön“, gab sich Herr Glopowski geschlagen. „Aber nun gilt deine Aufmerksamkeit ganz meinem Unterricht, klar? Also wer weiß die Antwort? Chris?“
„Tut mir leid, Sir. Ich war auch mit dem Gedanken woanders“, sagte dieser.
„Ach nein. Was für ein Zufall. Wahrscheinlich waren alle Schüler mit den Gedanken woanders. Was meint ihr für wen ich hier die ganze Zeit rede? Denkt ihr ich mache Selbstgespräche?!“, rief Herr Glopowski. Als er sich beruhigte, sprach er etwas ruhiger. „Wer kann mir denn die Antwort sagen?“
Sofort schoss die Hand von Ryan hoch. War klar. Er war wirklich gut in der Schule. Er hatte Disziplin, Verständnis und sehr viel Wissen. Wie gesagt, er liebte Perfektion.
„Am 15. August 1769, Sir“, antwortete Ryan fast schon hochnäsig und schaute mich an wie nach dem Motto „Tja, dein Chris ist wohl nicht so schlau wie ich“. . Die Antwort war natürlich richtig und Herr Glopowski fuhr mit seinem Unterricht fort. Ich wusste, ich sollte nun wirklich aufpassen, doch ich konnte nicht. Ich suchte vergeblich nach der Antwort, womit Chris’ Gedanken beschäftigt waren. Zu gern, hätte ich nun in sein Kopf gesehen.
Nach der Stunde lief Chris fast aus dem Raum. Ich folgte ihm ohne Ryan eines Blickes zu würdigen und ging schnurstracks zu Chris’ Schließfach, wo er bereits stand.
„Hey“, sagte ich lässig, als wäre nichts gewesen. Wenn er das konnte, konnte ich es schon lange. Doch unter dieser Ruhe brodelte ungezähmte Neugier.
Er drehte sich nicht um, als wäre ich Luft, als hätte ich nichts gesagt.
„Hey“, erwiderte er schließlich.
„Was ist los mit dir?“, fragte ich weiter.
„Das Gleiche könnte ich dich fragen“, sagte er etwas sauer.
„Wieso?“, fragte ich unschuldig. Ich wusste es wirklich nicht.
„Wieso?!“ Er drehte sich um und schaute mich ungläubig an. „Wieso? Weil du einen Fehler gemacht hast. Wie konntest du dich von Ryan trennen?! Wegen mir? Ich empfinde nichts für dich, Laila! Also hör auf wegen mir alles kaputt zu machen!“, sagte er laut.
Aua. Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. Er empfand rein gar nichts für mich. Er wollte mich nicht. Er liebte mich nicht. Wahrscheinlich verachtete er mich zutiefst. Ich spürte wie die Tränen in meine Augen stiegen.
„Tut..tut mir leid, Laila. Ich wollte dich nicht verletzen“, sagte Chris leise und nahm flüchtig meine Hand. Ich entriss sie ihm und meine Traurigkeit verwandelte sich in ungebändigte Wut.
„Es tut dir leid?! Weißt du was? Es tut mir leid, weil ich dachte, du würdest es ernst mit mir meinen! Aber du hast mich angelogen! Was kann ich dafür, wenn du mich in den Glauben lässt, du würdest etwas für mich empfinden?!“, schrie ich, sodass mehrere Schüler zu uns blickten, doch es war mir egal. Mir liefen Tränen über die Wangen, doch ich machte mir keine Mühe, sie wegzuwischen. „Vielen Dank, dass du so ein netter Kerl bist“, sagte ich sarkastisch. „Vielen, vielen Dank, damit zeigst du mir, dass wirklich alle Typen irgendwo richtige Arschlöcher sind!“ Mit diesen Worten machte ich kehrt und trampelte in Richtung Cafeteria.
Irgendetwas stimmte nicht mit Chris. Ich war mir fast zu hundert Prozent sicher, dass er die Worte, die er zu mir gestern sagte, absolut ernst meinte. Irgendetwas musste passiert sein, was seine Entschlossenheit beziehungsweise seine Gefühle verändert hatte. Und ich würde herausfinden, was passiert war, dessen war ich mir sicher.
„Laila! Warte mal!“, hörte ich eine vertraute Stimme rufen. Ryan. Ich drehte mich unwillig um und sah ihn, wie er auf mich zu kam.
„Ich möchte mit dir reden“, sagte er als er bei mir war.
„Was gibt’s?“, fragte ich gespielt unschuldig und neugierig. Natürlich wusste ich, dass er mit mir über uns sprechen wollte. Und das war ein Problem für mich.
„Ich möchte dir sagen, dass ich dich liebe, Laila. Das du mir wirklich sehr wichtig bist. Ich möchte nicht, dass du denkst, dass ich sofort eine Antwort brauche. Lass dir Zeit. Ich hoffe nur du überdenkst alles nochmal. Unsere gemeinsamen zwei Jahre und das alles. Bitte treffe keine voreilige Entscheidung“, sagte er.
„Klingt wie auswendig gelernt oder aus einem Kitschfilm“, erwiderte ich stirnrunzelnd.
„Nein, das alles hier ist spontan, doch ernst gemeint“, sagte er.
„Okay, ich werde darüber nachdenken, Ryan. Ich verspreche es“, sagte ich, um seinen Schmerz aus seinen Augen zu verscheuchen. Es gelang mir. Hoffnung spiegelte sich in seinem Blick. ICH hoffte, dass er sich nicht zu viele Hoffnungen machte. Ich wollte ihn nicht schon wieder verletzen. Zögernd drehte ich mich um und marschierte weiter.
Als ich in der Cafeteria saß, fühlte ich mich allein, obwohl sie sehr überfüllt war und mit Geschnatter und Getratsche nur so dröhnte. Aber ich war allein, egal wie viele Menschen mir noch auf die Pelle rückten. Solange diese Person nicht Chris war. Er hatte mich zutiefst verletzt, doch trotzdem wusste ich, dass mein Herz nach ihm verlangte.
Ich traute meinen Augen nicht, als Chris plötzlich vor mir saß und mich besorgt ansah.
„Hey“, sagte er schließlich.
„Was willst du?!“, pflaumte ich ihn an. Ich war immer noch zu wütend auf ihn.
„Mich entschuldigen.“
„Aha. Sag mal, hast du so was wie ständige Stimmungsschwankungen? Vielleicht solltest du zum Arzt gehen. Ich glaube, dass das nicht normal ist.“, sagte ich sarkastisch und schaute ihn böse an.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich dich verletzt habe“, fuhr Chris fort, ohne auf meine vorherigen Worte einzugehen.
„Wer sagt, dass du mich verletzt hast?!“
Er sah mich ungläubig an. „Daran, dass du geweint hast und mich angeschrieen hast konnte ich das ganz gut erahnen“, sagte er.
„Das war lediglich Wut!“, rief ich.
„Nein, war es nicht“, erwiderte er bestimmt.
„Das werde ich wohl besser wissen als du!“, konterte ich.
„Naja.. wie du meinst. Auf jeden Fall tut es mir leid, aber das ändert nichts. Wir sehen uns in Mathe“ Mit diesen Worten stand er auf und ging schnell aus der Cafeteria. Verdammt, so hatte ich mir dieses Gespräch nicht vorgestellt. Warum musste ich auch so sein?! Warum konnte ich nicht einfach zugeben, dass ich ihm verfallen war und somit zutiefst gekränkt war, als er mir eine so offensichtliche Abfuhr gab.
Schnell stürmte ich aus der Cafeteria und suchte Chris verzweifelt. Ich hoffte ich hatte nun nicht ALLES kaputt gemacht. Ich wollte es geradebiegen.
Gerade als ich um die Kurve biegen wollte, hörte ich Chris’ Stimme und die eines fremden Jungen. Ich blieb wie angewurzelt stehen und lauschte dem Gespräch.
„Und alles erledigt?“, fragte der fremde Junge.
„Ja, alles erledigt. War ein Kinderspiel“, antwortete Chris niedergeschlagen.
„Hey Junge. Du wirst dich schon daran gewöhnen, schließlich ist es dein Job, den du nicht kündigen kannst. Es war auch mein Schicksal und sieh nur, ich habe mich damit abgefunden. Und was ist mit der Kleinen? Hast du sie jetzt endlich abgewimmelt?“, erwiderte der fremde Junge.
„Ja, habe ich“, antwortete Chris knapp.
Und somit war das Gespräch vorbei. Schicksal? Was war erledigt? Job? War ich mit der „Kleinen“ gemeint?! Ich verstand nichts mehr. Rein gar nichts. Chris hatte ein Geheimnis, dessen war ich mir nun zu hundert Prozent sicher. Ich musste nur noch herausfinden, was es war. Von nun an musste ich Spion spielen. Langsam aber sicher kam ich mir wie ein Volldepp vor. Wie bescheuert ich doch war. Ich bildete mir etwas ein, nur um nicht der Wahrheit ins Auge zu blicken, dass Chris einfach nichts für mich empfand. Doch wie mechanisch stolzierte ich zu ihm. Er sah mich verblüfft an. Auch der fremde Junge der stumm vor ihm stand und mich musterte, sah erstaunt aus.
„Hey“, sagte ich und kam mir noch dümmer vor. Wie oft hatten wir uns heute schon begrüßt?!
„Hey..“, erwiderte Chris abwartend.
„Kann ich noch mal mit dir sprechen? allein?“, fragte ich mit Blick zu dem wesentlich älteren Jungen an seiner Seite. Er hatte eine schwarze Mütze auf, sodass man seine braunen Augen fast nicht erkannte. Er war größer als Chris und hatte eine riesige Narbe mitten durch das Gesicht. Ich fragte mich, woher er sie hatte.
„Chris und ich haben keine Geheimnisse voreinander“, sagte der Fremde.
„Ahja? Tja, aber es geht ja nicht um euch beiden, sondern um ihn und MICH. Also bitte ich dich, zu gehen“, schnauzte ich ihn an. Er kniff die Augen zusammen und sah mich grimmig an.
Ich spürte wie Chris panisch wurde und blickte verwirrt in sein Gesicht. Er sah zu seinem „Kumpel“.
„Kein Problem, Gustav. Ich komme schon klar“, sagte er schnell.
Dieser Gustav sah ihn warnend an, dann ging er mit einem Schniefen.
„Was ist das für ein Typ?!“, zischte ich.
„Ein Freund“, sagte Chris gelassen.
„Aha. Sag mal, Chris. Könnten wir uns vielleicht nach der Schule treffen? Ich möchte mit dir reden. Ohne deinen „Freunden“!“, fragte ich ihn ruhig.
„Ich...ich weiß nicht, Laila. Ich glaube, dass ist keine gute Idee“, stotterte er.
„Bitte“, bettelte ich und er willigte zu meiner Erleichterung ein. Doch dann drehte er sich blitzschnell um und verschwand schon wieder. Dieses ständige Weggelaufe würde mit Sicherheit zur Qual werden. Es nervte schon jetzt tierisch.
Der Unterricht verlief wie immer- nur das ich wahrscheinlich das Arschloch des Tages war. Niemand sah mich an und wenn doch, nur mit einem hasserfüllten Blick, sodass ich jedes Mal zusammenzuckte und mir wünschte, sie hätten mich doch ignoriert. Herr Fiete stellte mich wieder bloß und diesmal schien es so, als seien alle Mitschüler auf seiner Seite, als sie loslachten. Es war schockierend zu merken, wie es war, ein vollkommener Außenseiter zu sein. Doch ich hatte es wahrscheinlich verdient. Ich Feigling konnte Ryan immer noch nicht in die Augen sehen und es machte mich wahnsinnig, dass Chris meinen nicht erwiderte. Verdammt noch mal, was war heute nur los?!
Nach der Schule wartete zu meinem Glück Chris auf mich an seinem Wagen und ich marschierte sofort zu ihm. Zu meinem Pech bekam das Ryan mit und ich sah seinen verletzten Gesichtsausdruck. Glück und Pech vertrugen sich nicht. Das Gefühl des Peches nahm überhand. Ich ließ mich ohne Worte in Chris’ Auto gleiten und er nahm ebenfalls schweigsam seinen Fahrerplatz ein.
Er fuhr langsam, sehr vorsichtig und geduldig. Doch das Schweigen erfüllte den ganzen Wagen und wurde langsam zur Qual.
„Sag doch was“, flehte ich. Er blickte erschrocken von meiner gequälten Stimme auf und musterte mich schnell, ehe er wieder auf die Straße achtete.
„Was soll ich denn sagen?“, fragte er.
„Irgendwas“
„Hab ich doch eben und jetzt schon wieder“, sagte er schmunzelnd.
„Ja, stimmt. Es ist schön deine Stimme zu hören“, erwiderte ich ein wenig peinlich berührt.
„Das hab ich ja noch nie gehört“, sagte er verblüfft. Ach nein? Er hatte eine wundervolle Stimme. Sehr klar, tief und harmonisch.
Und schon waren wir da. Sein Haus war sehr elegant. Sehr groß und sehr modern eingerichtet. Er führte mich in sein Zimmer und ich setzte mich auf sein Bett. Er lächelte und nahm neben mir sein Platz ein.
„Also, was gibt’s?“
„Du verschweigst mir etwas, Chris“, warf ich ihm vor. Seine Miene veränderte sich. Er wurde nervös.
„Nein“, widersprach er, aber so leicht konnte er mich nicht täuschen.
„Natürlich. Chris, gestern sagtest du noch, dass du mich liebst und heute willst du nichts mehr mit mir zutun haben?!“, fragte ich ungläubig.
„Das habe ich nicht gesagt, Laila. Aber es wäre vielleicht besser, wenn wir uns nicht mehr kennen würden“, murmelte er in sich gekehrt.
„Was meinst du?“
„Laila... ich.. ich liebe dich wirklich“, sagte er zögernd. Mein Herz schwoll an. Na endlich. Ehe ich etwas sagen konnte, fuhr er fort.
„Aber du wärst in Gefahr, wenn du mit mir zusammen wärst.“
„Ich verstehe nicht?!“, harkte ich nach.
„Ich kann es dir nicht erzählen“, sagte er.
Ich nahm wie selbstverständlich seine Hand. „Vertraue mir, Chris. Ich bin für dich da, egal was es ist.“
„Das glaube ich nicht“, sagte er grimmig. Dann wurde seine Stimme sanfter und doch voller Hass. „Ich wurde dazu erwählt, Menschen zu töten, Laila.“
Mir stockte der Atem.

Kapitel 2 (Chris)


Ich hasste es, es ihr zu sagen; Ich hasste es ihr zu sagen, dass ich ein Mörder war. Aber ich hatte keine andere Wahl, es war mein Schicksal, wie es Gustav benannte. Ich schaute in ihr geschocktes Gesicht und sah ihre Panik, ihren Schock, ihre Angst. Mir wurde völlig elend zu Mute. Ich wusste, ich musste ihr klar machen, dass sie vor nichts Angst haben brauchte.
„Laila, keine Angst. Ich tue dir nichts“, sagte ich und streichelte ihre Hand. Ich war so ein Idiot. Als ob sie das ruhig stellen würde, nur weil ein Mörder zu ihr sagte, dass er ihr nicht wehtun würde. Aber verdammt, was sollte ich denn bloß tun?!
„Das ist doch ein sehr schlechter Scherz!“ rief sie und entriss mir ihre Hand, die ich fest umschlungen hielt. Sie war voller Panik und ich hasste es, wenn sie Angst hatte. Noch mehr hasste ich, dass sie wegen MIR Angst hatte!
„Nein...“, murmelte ich nur. Natürlich erwartete sie mehr, natürlich war ich es ihr schuldig, doch ich war nicht in der Lage weiterzusprechen. Ich liebte sie und wusste, dass sie mich nun niemals haben wollte, niemals meine Liebe erwidern würde. Langsam stiegen mir Tränen in die Augen.
Sei kein Weichei! Du bist ein Kerl!, dachte ich immer wieder, doch es war mir egal was Laila nun von mir dachte, die Situation würde sich so oder so nicht verbessern.
„Wieso...?“, fragte sie etwas ruhiger, ohne ihren Satz zu beenden.
„Darf ich dir nicht sagen.“
„Du weißt schon, dass ich es herausfinden werde!?“, drohte sie.
„Ich wünschte, du würdest deine Zeit nicht verschwenden, indem du das Unmögliche suchst“, sagte ich.
„Werden wir sehen, ob das unmöglich ist“, murmelte sie verschwörerisch.
Ich seufzte. „Ich versteh nicht, warum du immer noch nicht schreiend davongelaufen bist!“
„Du sagtest, du würdest mir nicht wehtun oder habe ich mich verhört?!“, sagte sie gespielt ängstlich und riss ihre Augen auf. Als sie mein fassungsloses Gesicht sah, lachte sie. Warum nahm sie das alles nicht ernst? Es war verdammt ernst. Warum war sie noch hier und hat nicht wie ein normaler Mensch die Flucht ergriffen? Ich wurde aus ihr einfach nicht schlau.
„Ach komm schon!“, sagte sie als ich sie ungläubig an sah, und stieß mir in die Rippen. „Sei kein Spießer!“
„Ich bin kein Spießer, sondern ein Mörder, Laila! Und du bist immer noch hier, verdammt!“, schrie ich sie ungewollt an. Doch sie zuckte merkwürdigerweise nicht zusammen.
„Also erstens willst du ja überhaupt kein Mörder sein, richtig? Du wurdest dazu... erwählt. Zweitens wirst du mir nichts tun und drittens... verdammt, verstehst du es nicht?! Ich hatte mich von Ryan getrennt, nachdem du mir deine Liebe gestanden hast. Chris.. ich.. ich.. ich liebe dich!“
Schock. Einfach nur Schock. Dann mischte sich noch Wärme, Verzweiflung und Unschlüssigkeit hinzu, was alles zu einer Qual machte. Einer Qual deren ich nicht gewachsen war.
„Hör auf!“, sagte ich gequält. „Verstehst du nicht?! Ich bin ein MÖRDER!“
„Natürlich ist das sehr schlimm, aber ich hole dich aus der Szene heraus! Ich verspreche es!“, sagte sie sanft.
Ich rückte von ihr weg. „NEIN, du verstehst es nicht! Ich bin gebunden! Ich kann da nicht raus!“
Endlich schien sie zu kapieren und sie starrte mich unschlüssig an. Unschlüssig wahrscheinlich darüber, ob sie mich wirklich genug liebte, um bei mir zu bleiben- bei einem Mörder.
„Ich...Chris..“, setzte sie verzweifelt an.
„Ja, ich weiß. Du musst mir nichts erklären. Es wäre besser, wenn du nun gehst“, sagte ich niedergeschlagen.
Sie legte mir noch einmal eine Hand auf meine Schulter und flüsterte: „Es tut mir leid.“ Dann ging sie aus meinem Zimmer und aus meinem Haus. Und es war still. Still bis auf meinen rasenden Herzschlag, der immer so schnell wurde, wenn Laila in meiner Nähe war. Ich wusste, dass ich diesem Mädchen nie aus dem Weg gehen konnte, obwohl ich dies genau tun sollte, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Doch war ich stark genug?! Was würde sie nun tun? Es weiter erzählen? Schweigen? Mich völlig ignorieren? Letzteres war das schlimmste- für mich. Doch für sie war vermutlich das Erste das schlimmste beziehungsweise gefährlichste. Wenn einer meiner „Gang“ das mitbekam, dass sie über mich auch nur halbwegs bescheid wusste, würden sie Hackfleisch aus ihr machen. Ich zuckte zusammen und versuchte diesen Gedanken zu verscheuchen. Doch ich musste der Tatsache ins Auge sehen. Laila Kissan schwebte wegen mir in größter Gefahr.
3. Kapitel (Laila)



Ich musste hier weg, einfach weg. Er war ein Mörder? Chris? Der liebenswürdigste Mann, den ich kannte? Dieser Chris? Es war so absurd, dass ich fast glaubte, ich halluzinierte, doch das tat ich ganz gewiss nicht.
Ich befand mich in der Realität, die es mir unmöglich machte, mit Chris zusammen zu sein.
Ich rannte zum Bus, den ich gerade so noch bekam, mit Tränen in den Augen, sodass mich der Busfahrer schräg ansah. Sagte jedoch Gott sei Dank nichts.
Zuhause angekommen, kam sofort meine Mutter auf mich zu.
„Mensch Laila, wir wollen Essen! Wo ist Ryan?!“, fragte sie. Klar dachte sie er wäre mitgekommen, denn eigentlich aß er IMMER bei uns, sodass man fast dachte, wir seien verwandt. Doch das waren wir nicht, was das alles so kompliziert machte. Wären wir verwandt, könnten wir auch so Zeit miteinander verbringen, ohne ein Paar zu sein. Doch dieses Ich-möchte-nach-der-Beziehung-keine-Freundschaft-Dings war wirklich sehr, sehr kompliziert. Obwohl er mir das nie so sagte, wusste ich das er genau der Kerl für so etwas war. Entweder Beziehung oder nichts. So war er. Konsequent und ein wenig erpresserisch. Aber er war ein wirklich guter Kumpel. Mindestens.
Ich schaute meine Mutter an, die erwartungsvoll in meine Richtung sah.
„Er ist nicht mitgekommen, Mama. Tut mir leid falls du ihn eingeplant hast“, sagte ich und ging an ihr vorbei in die Küche. Ich setzte mich auf meinem Platz und auch sie kam hinzu. Mein Vater war noch bei der Arbeit, mein Bruder ebenfalls. Also saß ich nun allein da und musste mit ihr reden. Ich stocherte gedankenverloren in meinen Spaghetti herum und wartete darauf, dass meine Mutter anfing mich vollzuquatschen. Es dauerte nicht lange.
„Sag mal, warum bist du heute morgen nicht mit Ryan gefahren? Und hast ihm noch nicht einmal abgesagt? Und es wundert mich, warum er nicht hier ist“, fragte sie.
„Ich war heute etwas durcheinander“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich bin es übrigens immer noch, fügte ich in Gedanken hinzu.
„Und da hast du vergessen, dass du sonst IMMER mit Ryan fährst?!“, fragte sie ungläubig und misstrauisch.
„Nein, ich wollte einfach mal alleine nachdenken“, sagte ich. Sie blickte von ihrem Essen auf und sah mich an.
„Wie geht es ihm?“, fragte sie.
Furchtbar

. „Gut. Wieso fragst du?“
„Ich meine.. worüber hast du nachgedacht?
Darüber ob ich mit Chris- der übrigens ein Mörder ist- zusammen sein möchte oder mit Ryan. Aber keine Sorge Mama, mir geht’s gut.

„Über unwesentliche Dinge, Mama. Soll das ein Verhör werden?!“, fragte ich genervt. Natürlich hatte meine Mutter längst gewusst, worüber ich nachdachte. Über meine Beziehung mit Ryan.
„Nein. Laila so kenne ich dich gar nicht! Das ist doch gar nicht deine Art! Wahrscheinlich musste er sogar zu dir kommen, um zu erfahren das DU mit ihm Schluss machen willst!“, sagte sie aufgebracht. Das stimmte sogar. Als ich nichts sagte, redete sie weiter, von wegen ich wäre eine Egoisten und eine Person ohne Menschenkenntnisse. Ich war so sauer. Ich war sauer, weil sie recht hatte. Ich war egoistisch und einfach nicht respektvoll zu Ryan. Ich hatte ihn zutiefst verletzt. Und ich hatte es einfach so hingenommen.
„Ich weiß Mama!“, unterbrach ich ihren Vortrag. „Ich.. ich weiß, dass ich ihn verletzt habe. Und das tut mir auch wirklich leid. Ich werde morgen mit ihm reden, okay?!“
Sie nickte und das Thema war vorüber. Dachte ich zumindest.
„Steckt da etwa ein anderer Junge hinter, Laila?!“
„Mama, das geht dich nichts an“, sagte ich.
„Also doch! Laila! Wie kannst du das Ryan antun?!“, maulte sie.
„Mama! Ich kläre das morgen, okay?!“, fragte ich sie noch mal.
Wieder nickte sie und das Thema war nun endlich vom Tisch.
Nach dem Essen schlenderte ich langsam die Treppe zu meinem Zimmer hinauf und wartete, dass ich von irgendetwas getötet wurde. Womöglich von Chris. Quatsch! Sofort bereute ich den Gedanken. Wie konnte ich nur schlecht von Chris denken?! okay, er war ein MÖRDER, doch ich wollte es einfach nicht wahrhaben, so vertrauensvoll und liebevoll wie er mit mir umging. Ich konnte ihn mir noch vorstellen, wie er mit einem Messer, einer Pistole auf jemanden losging, und ihn umbrachte. NEIN! Was war denn das alles? Wo waren die versteckten Kameras?! Oder war heute der 1. April, den ich verpasst hatte?! Verdammt noch mal, heute war wirklich mein Pechtag! Obwohl ich nicht abergläubisch war, schaute ich vorsichtshalber noch einmal, ob heute nicht Freitag, der 13. war. Nein, heute war Dienstag, der 7. Oder träumte ich etwa? War das alles bloß ein schlimmer Albtraum und es dauerte nicht mehr lange, dann konnte ich aufwachen? Aber wenn ich aufwache, wäre dann auch Chris verschwunden? War er Teil dieses Traumes? Dann wollte ich lieber schlafen und träumen, denn Chris zu verlieren, wäre noch qualvoller, als die Tatsache, dass wir niemals zusammen sein konnten. Oder war ich etwa tot? Und es war so schlimm, dass man gar nicht wusste, dass man tot war? Nein, ich war nicht tot und ich träumte auch nicht. Es war die Realität, die mir zeigte, dass Chris ein eiskalter Mensch war, dessen Schicksal war, zu töten. Wieso musste alles bei mir so kompliziert sein?

Ich schlief unruhig. Immer wieder hatte ich Bilder im Kopf, wie Chris langsam auf mich zu kam und ein Messer zuckte. Obwohl ich wusste, dass er mir nie etwas antun würde, hatte ich Angst.
Als ich am nächsten Morgen das Haus verließ und schnell zum Bus laufen wollte, sah ich ein bekanntes Auto stehen sehen. Ich machte große Augen und schaute ungläubig ins Innere des Wagens, wo die vertraute Person schüchtern zu mir spähte und das Fenster hinunterfahren ließ. Ich kam näher zum Auto.
„Hey“, sagte ich so lässig wie es nur ging.
„Hey“, erwiderte Ryan.
„Was machst du hier?“, fragte ich und hoffte ich hatte ihn nicht abermals damit verletzt.
„Ich habe mir gedacht, du willst mit mir fahren“
„Ach hast du?“, murmelte ich so leise wie es ging. Er hatte mich ganz sicher nicht gehört und ich riss mich zusammen. Ich wollte ihn nicht noch mehr kränken und so stieg ich schwungvoll in den Wagen.
„Wie geht es dir?“, fragte er mich munter. Verwundert blickte ich zu ihm. Warum war er nicht gekränkt und verletzt wie gestern? Hatte er so schnell vergessen?!
„Gut.. und dir?“, fragte auch ich. Doch ich hatte Angst vor seiner Antwort.
„Auch gut, danke. Chris hat mich angerufen“, erwiderte er.
„Was?! Ich meine... was hat er gesagt?“, fragte ich völlig nervös.
„Das du und er nur Freunde seid und das ich mir keine Sorgen machen muss, weil du mich liebst und nicht ihn“, erläuterte er lächelnd.
Warum erzählte Chris ihm so ein Blödsinn? Das ist doch völlig bescheuert. Dieser Idiot! Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn liebte und er sagt Ryan genau das Gegenteil. Ich liebte Chris und warum machte er es mir so schwer? Ich würde Ryan immer mehr verletzen. Genau wie von Chris beabsichtigt. Er wollte nicht riskieren, dass ich mich für ihn entschied, sondern für Ryan. Er wollte mich nicht in Gefahr bringen. Einen anderen Grund konnte ich mir nicht erklären.
„Und?“, harkte er vorsichtig nach.
„Was und?“
„Ist es so, wie er es gesagt hat?“
„Ryan..“, ich musste ihm die Wahrheit sagen. Das war ich ihm schuldig. „Ich liebe Chris. Und was ich für dich empfinde kann ich im Moment nicht benennen. Es tut mir wirklich sehr, sehr leid. Ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen.“
Er schwieg er schaute nur aus der Windschutzscheibe. Ich hatte keine Ahnung, ob er wirklich auf den Verkehr achtete, denn seine Augen waren leer und ausdruckslos. Wie tief hatte ich ihn verletzt?
„Du willst mich also nicht?!“, brüllte er plötzlich.
„Ryan.. ich liebe nun mal Chris..“
„Beantworte meine Frage! Du willst mich nicht oder? Sondern diesen blöden Bastard?!“, zischte er und blickte hasserfüllt zu mir. Ich drängte mich gegen die Tür. Ich hatte wirklich Angst vor ihm. Ich wollte gerade antworten, als ich ein lautes, ohrenbetäubendes Hupen hörte. Ich blickte nach vorn und sah einen Van auf uns zu fahren. Wir waren auf der falschen Spur.
„Ryan! Pass auf!“, schrie ich und Ryan schaute sofort wieder auf die Straße, versuchte das Lenkrad noch umzureißen, doch es war zu spät. Wir schlugen mit dem Van zusammen. Der Airbag ging auf, doch ich wurde trotzdem gegen etwas hartem geschlagen und ich verlor das Bewusstsein.
„Laila?“, hörte ich eine fremde Stimme. Langsam öffnete ich die Augen und blickte in ein weibliches Gesicht.
„Wo bin ich?“, fragte ich geschwächt.
„Im Krankenhaus“
Ich blickte mich um und schaute in die Gesichter von Chris und meiner Mutter.
„Was ist denn passiert?“, fragte ich weiter und fasste mir an mein Kopf, wo ich ein Verband erfühlen konnte.
„Sie hatten einen Unfall. Ryan Zunak hat nicht auf den Verkehr geachtet und Sie waren mit in den Wagen. Sie müssen eine Weile hier bleiben“, erläuterte die Krankenschwester sachlich.
Ich nickte bloß und somit verließ sie das Zimmer. Sofort blickte ich zu Chris und meiner Mutter.
„Wo ist Ryan?“, fragte ich.
„In einem anderen Zimmer. Er hat sich aber nichts getan. Er wird gleich entlassen“, antwortete meine Mutter. Glückspilz.
Ich schaute zu Chris und erwiderte still meinen Blick. Meine Mutter folgte meinen Blick und stand von ihrem Stuhl auf.
„Ich werde dann mal nach Ryan sehen“, sagte sie und verließ ebenfalls den Raum. Chris nahm seinen Stuhl und stellte ihn direkt neben meinen Bett. Dann streichelte er mein Gesicht und strich mir meine Haare aus dem Gesicht.
„Was machst du bloß für Sachen?“, murmelte er und schaute mich besorgt an.
„Er ist doch gefahren“, verteidigte ich mich flüsternd und auch ich streichelte sein Gesicht.
„Ich meinte, wie kommst du auf die blöde Idee bei so einem Spinner einzusteigen?“, korrigierte er süffisant.
Ich lachte leise. „Er war sauer auf mich.“ Bei diesen Worten wurde ich ernst.
„Warum?“, harkte er liebevoll nach.
„Weil ich ihm gesagt habe, dass ich dich liebe“, sagte ich wahrheitsgemäß.
Er schwieg und schaute zu Boden. Ich hob sein Kinn an, sodass er mich ansehen musste.
„Ich liebe dich, Chris. Und du kannst an meinen Gefühlen nichts ändern auch wenn du zu Ryan sagst, dass ich dich nicht liebe, ich tue es trotzdem“ sagte ich.
Er schaute mich unschlüssig an. Dann näherte sich sein Gesicht das meinen und kurz als sich unsere Lippen trafen, ging die Tür auf und Chris sprang wieder auf seinen Platz. Ryan stand im Zimmer und musterte mich mit schuldbewusster Miene.
„Laila, wie geht es dir?“, fragte er sofort.
„Ganz gut soweit. Und dir?“
„Mir geht’s gut. Es tut mir schrecklich leid. Ich hätte mich besser kontrollieren müssen“, sagte er.
„Schon okay. Ich hätte nicht mit dir streiten sollen. Es ist alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen“, versprach ich Ryan.
Dieser nickte und sein Blick wanderte zu Chris’ und meinen verschlungenen Hände. Chris schaute nicht auf sondern tat so als würde er nicht merken, dass Ryan auf unsere Hände starrte.
„Achso, ihr seid also nur Freunde“, zischte Ryan Chris an und verschränkte die Arme.
Chris schaute auf. „Das war gelogen“, gab er zu und schaute Ryan entschuldigend an.
„Hab ich mir jetzt schon fast gedacht“, erwiderte Ryan sarkastisch. „Warum er, Laila?“
Ich schaute Ryan gequält in die Augen. Ich konnte ihm nicht wehtun, er war mir einfach zu wichtig. „Es tut mir leid, Ryan. Aber es ist nun mal so, dass ich ihn liebe. Wir können doch Freunde bleiben?“
Ich kannte die Antwort bereits. Und ich hatte recht. „Nein, entweder du entscheidest dich für mich und nicht für den Volltrottel oder wir sind nichts mehr. Rein gar nichts!“, sagte er.
Ich schluckte. Wollte ich wirklich Ryan ganz verlieren? Nein, wollte ich nicht.
Mein Blick huschte zu Chris, der mich musterte und ich wusste, dass es auf jeden Fall Chris war, den ich wollte. Doch musste daran denken, dass er ein Mörder war. Wieder hatte ich die Bilder von gestern Nacht im Kopf und ich löste mechanisch meine Hand von seiner. Chris seufzte traurig und stand auf.
„Gute Besserung“, sagte er und verließ den Raum.
Ohne das ich etwas erwidern konnte, war er verschwunden. Ryan kam zu mir und umarmte mich.
„Das war die richtige Entscheidung! Du bist glücklicher mit mir!“, rief er.
Er und Chris hatten meine Reaktion also so gedeutet, dass ich mich für Ryan entschieden hatte. Tränen liefen über meine Wangen. Aber ich liebte doch Chris!
Ich musste noch drei weitere Tage im Krankenhaus liegen und mich nervte jeden Tag Ryan. Ich wollte nachdenken, doch als ob er es wusste, kam er jeden Tag vorbei und ließ mir somit keine Chance über meine Gefühle zu entscheiden. Nur nachts hatte ich Zeit für mich. Ich liebte Chris mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt. Jedes Mal wenn ich bei ihm war, schlug mein Herz schneller und jedes Mal wenn er mich berührte, wurde mir so schrecklich warm und ein Glücksgefühl schlich sich langsam an. Doch das verschwand ganz schnell wieder, wenn ich daran dachte, dass ich mich eigentlich gar nicht für ihn entscheiden durfte. Er war ein Mörder und machte keine Anstalten diesen „Job“ zu kündigen. Er konnte es nicht, aus einem Grund dessen ich mir noch nicht bewusst war. Aber was war überhaupt mit Ryan? Er war so perfekt, als wir zusammen waren, war er so liebevoll. Und er liebte mich. Ich fühlte mich bei diesen Gedanken sofort geschmeichelt. Doch er war aggressiv und mein Herz verlangte einfach nicht nach ihn. Mein Herz wollte Chris. Doch mein Verstand wollte Ryan. Das war die schwierigste Entscheidung, die ich in meinem Leben je treffen musste.

Als ich endlich Zuhause war, hörte das ewige Nerven von Ryan immer noch nicht auf. Wenn er nicht gerade bei mir war, rief er jede halbe Stunde an. Es war einfach zum verrückt werden. Jedes Mal schlug ich nach dem Gespräch den Hörer auf den Tisch und jedes Mal schaute mich meine Mutter verwirrt an.
Dann war es Zeit zur Schule zu gehen. Super. Wie sehr freute ich mich, in Chris’ Augen zu sehen. Ich wusste schon jetzt, dass meine Entscheidung sehr ins Schwanken geraten würde. Mein Herz war stärker als mein Verstand, doch ich musste mich zusammen reißen. Chris war gefährlich.
„Hey Schatz!“, begrüßte mich Ryan als ich in sein Auto stieg.
„Hey“, sagte ich.
„Wie geht es dir?“
„Gut und dir?“
„Auch gut“, antwortete er. Dann war es still.
Als wir dann endlich an der Schule ankamen, stieg ich aus den Wagen und schaute mich wie mechanisch nach Chris um. Und dann trafen sich unsere Blicke. Er lehnte an seinem Auto uns gegenüber und musterte mich eindringlich. Er sah nicht feindselig aus, nur müde und traurig. Am liebsten wäre ich zu ihm gerannt und hätte ihn in die Arme geschlossen, ihn geküsst und gesagt, dass ich ihn liebe. Doch das ging natürlich nicht, denn neben mir stand mein Freund und nahm sofort meine Hand, als er sah wo ich hinschaute. Er zog mich Richtung Schule und Chris ging hinter uns her. War das eine Verfolgung?!
Als wir im Klassenraum auf unseren Plätzen saßen und ich zu Chris schaute, sah ich wie er Ryan hasserfüllt ansah. Dieser bemerkte es anscheinend nicht, er sah stur zur Tafel. Dann kam unser Geschichtslehrer, Herr Glopowski herein und begrüßte die Klasse. Alle antworteten genervt, doch mir verschlug es immer noch die Sprache, wie Chris Ryan musterte. So hasserfüllt hatte ich ihn noch nie gesehen.
Nach einer guten halben Stunde meldete sich Ryan plötzlich.
„Ja Ryan?“, fragte Herr Glopowski.
„Kann ich aufs Klo?“, fragte dieser.
Herr Glopowski nickte und somit verschwand Ryan aus dem Klassenzimmer.
Kurz darauf meldete sich auch Chris.
„Herr Glopowski, kann ich ebenfalls auf Toilette?“, fragte er.
Dieser nickte seufzend und genervt und somit verließ auch Chris den Raum. Mir wurde mulmig zu mute. Was hatte Chris vor? Er war ein Mörder und hasste ganz offensichtlich Ryan. Ich musste nachsehen was da vor sich geht.
„Herr Glopowski kann ich bitte auch aufs Klo?“, fragte ich.
„Das soll doch wohl ein Scherz sein“, sagte dieser aufgebracht.
„Bitte, ich habe meine Tage“, antwortete ich und bekam ein paar stirnrunzelnde Blicke von den Jungs.
„Na schön“, murmelte Herr Glopowski und ich rannte aus dem Klassenraum.
Der Flur war völlig leer und somit ging ich mit schnellen Schritten zum Herrenklo. Dort hörte ich Stimmen. Stimmen von zwei bekannten Jungs.
„Hey Junge, was hast du vor?!“, brüllte Ryan entsetzt.
„Du hast mir Laila weggenommen! Und dafür sollst du leiden!“, sagte Chris hasserfüllt. Das war mein Stichwort, ich stürmte durch die Tür und die beiden sahen mich mit geweiteten Augen an. Chris stand vor Ryan und hatte eine Pistole in der Hand. Ryan stand wie angewurzelt da, die Hände erhoben.
„Chris, lass die Waffe fallen“, sagte ich ruhig. Er schaute mich traurig an.
„Aber es ist meine Aufgabe ihn zu töten“, antwortete er.
„Nein, ist es nicht. Lass die Waffe fallen, du machst es nur noch schlimmer!“
Dann endlich tat er was ich verlangte und kam zu mir gestürmt. Im ersten Moment hatte ich Angst, doch er würde mir nie etwas antun. Er nahm mich in den Arm und küsste meine Haare. Dann nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich wild und leidenschaftlich auf den Mund. Wie lange hatte ich darauf gewartet? Es war so schön seine warmen schöngeformten Lippen auf meinen zu spüren.
Doch dann fiel ein Schuss und Chris brach unter Schmerzen zusammen. Ryan stand da mit der Waffe in der Hand und schaute zu Chris. Sofort kniete ich neben ihn und schaute mir an, wo er getroffen wurde. Ein Streifschuss Gott sei Dank. Sein Arm blutete trotzdem und somit zog ich meine Strickjacke aus und band es wie ein Druckverband um seinen Arm.
„Hol Hilfe!“, schrie ich Ryan an. Dieser tat es zu meiner Überraschung und verschwand aus der Toilette.
Wann half der Täter dem Opfer nachdem er ihn extra angeschossen hatte? Das kam sicherlich nicht oft vor. Sanft streichelte Chris mein Gesicht, als ich ihm meine Strickjacke fest auf seinem Arm drückte. Ich verstand nicht, warum er die Schmerzen so gut ertragen konnte.
„Hast du keine Schmerzen?“, fragte ich und kam mir völlig verblödet vor. Klar, hatte er Schmerzen, doch ich musste es einfach fragen. Er lag dort, als wäre alles ganz normal.
„Es geht schon. Alles halb so schlimm. Aber ich muss Ryan töten“, sagte er.
„WAS?!“, schrie ich schockiert und drehte meinen Kopf weg, damit er mich nicht mehr berühren konnte. Nun wollte ich Klartext.
„Du MUSST ihn töten?!“, fragte ich nach, als er nicht antwortete.
„Ja, ich wurde beauftragt. Es ist mein Schicksal, Laila. Und diesen Auftrag werde ich zu ende bringen“, antwortete Chris.
Mir stockte der Atem. Er würde Ryan umbringen?!
4. Kapitel (Ryan)


Was hatte er sich dabei gedacht, verdammt? Was hatte ich mir dabei gedacht?! Ich hatte Chris angeschossen. War ich denn total bescheuert?! Laila würde niemals einen Killer wollen und ich hatte ihn fast getötet. Doch was er getan hatte, war fast genauso schlimm, schließlich hatte er mir gedroht, vielleicht hätte er mich sogar erschossen, dieser eifersüchtige Narr. Und nun musste ich Hilfe holen und ich werde dafür verantwortlich gemacht, was mit Chris passiert war. Ich konnte noch nicht mal sagen, dass es Notwehr war, denn er hatte die Waffe ja schon aus der Hand gelegt. Aber er hatte mich provoziert. Dieser kleine Bastard hat meine Freundin geküsst! Das Mädchen das ich wirklich total dolle liebe. Er versucht sie mir wegzunehmen! Doch ich lasse es nicht zu! Laila gehört zu mir und zu keinem anderen.
Wutentbrannt ging ich in den Klassenraum, indem mein Geschichtslehrer mit einem Zeigestock stand und gerade auf mich ein schlagen wollte. Ich schaute mich erschrocken um. Alle Schüler hatten sich unter ihren Tischen verkrochen und schauten mich entgeistert und misstrauisch an. Sie hatten den Schuss gehört. Vermutlich hatten sie damit gerechnet, dass nun ein Amokläufer in die Klasse gestürmt kam, aber mal ehrlich, ich war wirklich nicht ansatzweise ein Schüler, der Grund hätte einen zu begehen. Ein potenzieller Amokläufer wäre Chris, er hatte schließlich eine solche Waffe in der Schule. Herr Glopowski ließ den Zeigestock sinken, schaute mich trotzdem eindringlich an.
„Was war das, Ryan?“, fragte er flüsternd.
„Ich habe Chris angeschossen. Er braucht Hilfe“, sagte ich achselzuckend. Ich war wie ein Roboter. Ich konnte nur die Wahrheit sagen und trotzdem war es mir egal, was nun passiert, obwohl ich mir die Konsequenzen bereits ausmalen konnte. Ich war schließlich alles andere als dumm.

Impressum

Texte: Alle Recht liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 15.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen, die bereit für die wahre Liebe sind ;D

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