„Macht euch bereit für einen weiteren Abschnitt eures Weges. Nun liegt es an euch, an eurem Kampfesmut, wie weit ihr kommt. Alle bereit zum Abflug? LOS!“
Sie sprangen, unzählige sprangen. Wie Punkte tänzelten sie in der Luft herum, bemüht nicht von ihrem vorgegeben Weg abzukommen. Sie drehten sich um sich selbst und vollzogen die wundervollsten Pirouetten. Wolken, so kalt, dass selbst sie zu zittern begannen, umhüllten sie und ließen sie bloß widerwillig wieder frei. Ein erbarmungsloser Wind kam auf und trieb die dünnsten, feinsten und leichtesten von ihnen ab. Nun wurden sie auf einen Weg gebracht, der ihnen zwar nicht vorbestimmt war, sie aber keines Falls enttäuschen würde – denn das Ziel war immer das gleiche. Nun wurden auch die dickeren, die größer und somit auch etwas schwerer waren, von einem frischen Wind erfasst und davon getragen. Weg von dem Ort, an dem sie hätten landen sollen. Weg von dem Weg, an den sie sich halten wollten. Trotzdem waren sie offen für das, was sie nun als neue Bestimmung auffassten. Freudig darauf, das spontane an ihrem kurzen Leben spüren zu können, konzentrierten sie sich darauf, langsam an Höhe zu verlieren, ohne dabei die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Obwohl sie nun voneinander getrennt wurden, waren sie nicht alleine. Die Luft war voll mit ihnen, bedeckt wie ein gepunktetes Kleid, was die Frauen zu den Feiern trugen. Dennoch war jeder auf sich alleine gestellt und konnte sich nicht an andere klammern, um das traute Gefühl der Sicherheit zu gewinnen; auch wenn sie es noch so gerne getan hätten.
Langsam rückten sie immer näher vor und flogen gen Boden. Hell erleuchtet von den Lichtern, welche eine Stadt ankündigten, die den größten Teil ihres Blickfeldes bedeckte. Voller Stolz und unbiegsam kam sie immer näher und streckte ihre metallischen Arme nach ihnen aus.
Sie selbst wollten danach greifen, würde dann aber ihren eigenen Weg bestimmen, und das war falsch.
Gemeinsam tanzten sie die letzten Meilen, umtanzten sich alle und hießen somit ihr sehnliches Ziel willkommen. Sie umkreisten sich selbst, hätten am liebsten vor Freude geschrieen. Erst als sie am Boden ankamen, holte sie die Realität ein und sie mussten erkennen, dass sie bloß ein kleiner Teil waren, um eine große Decke zu vollenden, die Gott selbst erschaffen hatte. Sie waren bloß ein kleines Körnchen, was die Welt mit Glückseeligkeit ernähren sollte. Sie waren einfach nur Schneeflocken.
Der Regen fiel gen Boden, gleichmäßige Akkorde prasselten auf dem erhitzten Asphalt und eine Musik von lieblichem Klang erfüllte die Luft. Schritte unterbrachen das Spiel. Breite und schmale Füße, groß und klein, traten in die Pfützen. Wellen schlugen gegen die Solen, gegen Leder und Plastik, und schwappten über den Rand hinweg.
Der Himmel weinte. Er weinte nicht weil er traurig war, auch nicht weil er glücklich war. Er weinte einfach. Manchmal muss man weinen, das weiß doch jeder. Manchmal muss man Tränen fließen lassen, das kennt doch jeder.
Der Regen fiel gen Boden, gleichmäßige Akkorde prasselten auf den erhitzten Asphalt. Eine Musik, so lieblich wie sie auch war, wurde nun lauter und wie ein Trommelschlag schlugen sie auf die Häupter ein. Sie drückten alles nieder, was sich nicht aufrecht halten konnte und schwemmten das Unwichtige weg.
Der Himmel bäumte sich auf. Wolken mit dicken Bäuchen zogen über das Land, verschluckten jeglichen Sonnenstrahl und drückten den Himmel gen Boden. Doch der Himmel kämpfte. Er wollte nicht zu Boden, er wollte nicht, dass ihn Kinder mit ausgestreckten Armen erreichen konnten. Er wollte hoch hinaus, wollte unerreichbar wirken und wie eine Krone auf dem Haupt der Welt thronen. Aber die Wolken waren stark. Mit wulstigen Armen und donnerndem Gemüt drangen sie weiter vor. Doch der Himmel, ja der Himmel, der war schlau. Er wusste, dass alles ein Ende hatte. Alles was einen Anfang hatte, musste auch sein Ende finden. So wartete er, voller Geduld und Spannung. Er wartete, Sekunden, Minuten, Stunden.
Der Regen fiel gen Boden, kräftige Akkorde prasselten auf den erkalteten Asphalt und der Himmel wartete noch immer. Beinahe wollte er seine Hoffnung aufgeben, war die Sonne doch schon versiegt und ein glitzernder Teppich, bestickt mit Sternen und einem sichelförmigen Mond, erfüllte den Himmel. Er war dunkel, dunkler als die Wolken es waren. Doch dann sah er es. Einen Streifen aus Licht. Wie flüssiges Gold erfüllte es die Nachtluft. Das Licht, welches die Menschen dem Himmel schenkten. „Komm zu uns“, schienen sie zu rufen und der Himmel folgte.
Mit aller Kraft, die er sich für diesen Augenblick gespart hatte, drängte er die Wolken weg und da war er. Der Himmel, dunkel, mit funkelnden Sternen und einem sichelförmigen Mond.
Der Regen fiel nicht mehr auf den Boden und der Klang der Akkorde wurde vom Wind verweht.
Tag der Veröffentlichung: 08.09.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Diese Anthologie widme ich all denen, die ihr Lächeln verloren haben. Findet es wieder, denn es ist das Schönste, was die Götter euch geschenkt haben.