Plötzlich wurde es still um mich. Trotz des brennenden Feuers, welches in mir tobte, verspürte ich eine friedliche Ruhe. Ich wehrte mich nicht gegen das sich ausbreitende Gift in meinem Körper.
Ich dachte daran wie es wohl sein würde, wenn ich das 1.Mal die Augen öffnete, das 1. Mal atmete und die Luft schmecken würde. Das 1. Mal Blut kostete.
Bei diesem Gedanken wurde ich unsicher. Ich sollte das Blut Unschuldiger trinken um selbst zu überleben?
Ich lauschte dem Klang meines Herzens, welches immer schneller schlug bis ich nur noch eine Art summen wahrnahm, weil ich die einzelnen Schläge meines Herzens nicht mehr auseinander halten konnte. Ich hörte das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. Mein Körper fühlte sich merkwürdig taub an.
Nun trat eine absolute Stille ein.
Mein Herz schlug nicht mehr und ich hatte aufgehört zu atmen, das Feuer in meinem Körper war erloschen. Angst kroch langsam in mir hoch. War ich gestorben? Oder hatte ich die Verwandlung wirklich überlebt?! Meine Gedanken rasten geradezu. Ich dachte an meine Eltern, meinen Mann und an meinen kleinen Sohn. Was würde aus ihnen werden, wenn ich nun gestorben war?
Irgendwo in weiter Ferne, so schien es mir, hörte ich seine sanfte Stimme. Er sprach mit Anna.
„ Hörst du das?!“ sagte er fast in freudiger Erwartung „ Ich glaube, sie hat den Übergang geschafft, ich wusste das sie stark genug dafür ist!“
Ich spürte eine Hand die nach meiner griff. Ich wunderte mich, denn wenn es wirklich Annas Hand war wie ich vermutete, fehlte die sonst so angenehme kühlende Wirkung von ihrer Haut auf meiner. Diesmal war kein Unterschied zwischen uns zu merken.
„ Hey Tina, mach deine Augen auf. Du braucht wirklich keine Angst zu haben, du hast es geschafft!“ feuerte sie mich geradezu an.
Wie durch einen ausgelösten Reflex schlug ich die Augen ruckartig auf und sah mich vorsichtig um. Ich wagte es noch nicht mich zu bewegen, aber die Taubheit wich langsam aus meinem Körper.
Ich wusste wo ich war und doch wusste ich es nicht. Alles war so vertraut und doch so fremd.
Ich erkannte Details die vorher nicht da waren oder welche ich einfach nicht wahrgenommen hatte. Anna hatte mich gewarnt, dass meine Augen nun um einiges besser waren als vor der Verwandlung, aber das es so fantastisch sein konnte hätte ich mir nie träumen lassen.
Ich sah die Farben um mich herum viel intensiver, als normaler sterblicher kann man es gar nicht begreifen, dass das möglich wäre.
Dann sah ich Anna direkt an. Ich erkannt viele kleine Falten um ihre Augen und ihren Mund, als wäre sie in der Zeit meiner Verwandlung um Jahre gealtert. Doch ich wusste, dass dies nicht möglich war.
Sie blickte auf mich hinunter mit einer unendlich Freude und Güte in den Augen, aber auch mit ein wenig Wehmut. Bereute sie es getan zu haben, bereute sie sich mir damals offenbart zu haben und mir anzubieten mich zu verwandeln?
Wie alles begann….
Um meine Geschichte zu erzählen muss ich ein wenig ausholen.
Ich bin Tina. Und meine Geschichte beginnt kurz vor meinem 18. Geburtstag.
Ich war eigentlich ein ganz normaler Teenager, dachte ich. Aber in immer wieder kehrenden Gesprächen mit meiner Mutter wurde mir allmählich klar, dass ich anders war. Ich dachte sehr viel nach. Und meine Gedanken waren nicht immer klar fassbar und manchmal echt unheimlich. Manchmal hatte ich geradezu das Gefühl das ich Visionen oder Vorahnungen hatte.
Am 12.10.2005, ein Tag vor meinem Geburtstag feierte ich mit meinem damaligen Freund und einigen Freunden in meinen Geburtstag hinein. So weit so ungewöhnlich. Aber mich beschlich in dieser Nacht des ausgelassenen Feierns ein unwohles Gefühl. Ich konnte es nicht genauer einschätzen es war einfach so eine Art Bauchgefühl. Dieses Gefühl verstärkte sich im Laufe der Nacht und brachte mich dazu meine Feier um 2.45 Uhr abzubrechen und mich von Alex, einem damaligen guten Freund, nach Hause fahren zu lassen.
Als ich Zuhause ankam ging es mir noch schlechter, ich wusste einfach nicht was los war. Ich duschte mich und dachte, dass ich vielleicht einfach nur zu viel getrunken hatte. Als ich mich in Bett legte schlief ich auch direkt ein.
Ich hatte einen komischen Traum in dieser Nacht.
Ich saß in einem Auto und war guter Laune, denn mein bester Freund Peter saß neben mir und lachte ausgelassen. Doch der Traum sollte nicht so ruhig bleiben. Auf einmal verfinsterte sich sein Blick . Als ich aus der Scheibe sah kam etwas weißes auf uns zu…….
Mit einem lauten Schrei erwachte ich. Was hatte das zu bedeuten??? Ich wusste es nicht.
Ich stand auf um mich für den Tag frisch zu machen. Als ich nach unten in die Küche kam waren meine Eltern schon auf der Arbeit, aber sie hatten es sich nicht nehmen lassen mir ein Frühstück zu bereiten. Auf dem Tisch stand alles bereit und ebenfalls eine Karte und ein großer Karton in Geschenkpapier verpackt. In der Karte stand geschrieben von meiner Mutter „ Alles Gute zu deiner Volljährigkeit. Mach dir einen schönen Tag! Und denk nicht immer so viel nach!“
Ich liebte wenn meine Mutter mir meine Karten schrieb, es stand nie viel daran aber ich wusste, dass was dort stand war absolut ehrlich.
Bevor ich mein Frühstück aß packte ich das große Paket aus. Natürlich war genau das was ich mir wünschte darin. Eine weiße Jacke und eine wunderschöne Armbanduhr von Thomas Sabo.
Ich freute mich riesig und verschlang mein Frühstück nur so. Da fiel mir ein, dass ich noch mal mit Peter telefonieren wollte. Er hatte mir versprochen mich heute früh abzuholen. Er hatte wohl eine Überraschung für mich. Also stürzte ich ins Bad um mich noch schnell etwas zu schminken und meine Haare hochzustecken. Dann als ich fertig war schaute ich auf mein Handy. 36 SMS und 25 Anrufe.
Das kann ja wohl nicht wahr sein dachte ich amüsiert. Ich überflog schnell alle SMS und freute mich, dass so viele Leute an mich dachten. Dann tippte ich Peters Nummer ein und hörte schon nach einmal klingeln ein freudiges „ Hallo meine Süße!“
„ Hallo mein Großer! Wann kommst du?“ fragte ich ungeduldig.
„ Hey immer ruhig. Erst Mal alles Gute zu deinem 18. Geburtstag…… UUUUUnd ich bin in 2 Minuten bei dir.“ Sagte er fröhlich.
„ Waas schon in 2 Minuten“ prustete ich erschrocken „ ich muss aber noch ein paar Sachen zusammen suchen, da du mir ja immer noch nicht sagen willst was du heute mit mir vorhast!“ sagte ich mit leicht tadelnden Unterton in der Hoffnung er würde sich erweichen lassen, doch natürlich tat er dies nicht.
„ Ja klar lass dir Zeit ich warte vor deiner Tür!“
Ich sauste durch die Wohnung um noch grob ein wenig Ordnung zu machen und schmiss alles Mögliche in mein kleines Schwarzes Loch, meine Handtasche. Und dann suchte ich noch wie verrückt meine Schlüssel. Wo hab ich die bloß gestern Nacht hingelegt. Ich überlegte angestrengt. Ich ging nochmal in mein Zimmer und sah unter meinem Kopfkissen nach. Ja klar typisch für mich!
Also sprang ich schnell die Treppen hinunter und raus aus der Tür. Peter hatte nicht gelogen er stand schon vor seinem Auto und lächelte mir frech entgegen. Ich liebte ihn dafür.
Er war mein und alles und ich liebte ihn, aber nicht wie einen Freund, aber auch mehr als ein Bruder. Ich würde sagen er war mein Seelenverwandter, aber für uns beide war klar, dass wir uns nie auf DIE Art und Weise lieben würden.
Er sprang hinter sein Auto und holte etwas aus dem Kofferraus seines Wagens, was ich zuerst nicht erkennen konnte. Sein Lachen wurde immer breiter. Dann trat er einen Schritt zur Seite und ich sah einen riesen Blumenstrauß in seinen Händen mit 18 Sonnenblumen, meinen absoluten Lieblingsblumen. Ich freute mich riesig. Ich umarmte ihn innig, aber vorsichtig um die Blumen nicht kaputt zu machen.
„ Na Schatz?! Was machen wir jetzt?“ sagte er feixend.
Ich machte einen Schmollmund „ Das weiß ich doch nicht, du bist doch hier der der nichts sagt“ maulte ich spielend empört.
„ Lass dich überraschen…“ sang er und funkelte mich verheißungsvoll mit seinen blauben Augen an. Ich verwuschelte ihm seine kurzen braunen Haare und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Als ich gerade einsteigen wollte überkam mich wieder dieses komische Gefühl von gestern Nacht. Ich schloss kurz die Augen. Ich sah wieder etwas weißes schnell auf mich zukommen. Ich atmete angestrengt tief ein und aus und bemühte mich meine Gesichtszüge nicht endgültig endgleisen zu lassen. Was hatte das nur zu bedeuten. Natürlich war Peter mein bleiches Gesicht und mein angestrengtes Atmen nicht entgangen. Ich sah wie er mit sich selbst kämpfte, ob er mich danach fragen sollte.
„ Ähm Tina, ich weiß du willst nicht drüber reden …“ er erkannte sofort wann er es einfach lassen sollte nachzufragen „..aber du hast doch grade etwas gesehen oder?“ Verdammt woher wusste er das denn nun schon wieder. Naja im Grunde ganz einfach, er kannte mich besser als ich mich selbst. „ Ja ich weiß auch nicht, ich habe heute Nacht so komisch geträumt, aber es war nur ein alberner Traum. Können wir jetzt endlich losfahren?“ sagte ich mit gespielter Ungeduld, aber ich wollte einfach nur noch losfahren und mich ablenken.
Er setzte sich in sein Auto und schaltete als erstes sein Radio an. Das machte er immer so, weil er wusste wie sehr ich Musik liebe und mich dabei immer absolut entspannen kann. Dann startete er den Motor. Ich merkte wie die Vibration des Motors bis in die Sitze schoss, aber es war ein angenehmes Gefühl. Ich saß in meinem Sitz und schloss die Augen, ich atmete den Duft seines Parfums ein. Ich roch es gerne. Ich merkte wie mich 2 Augen fixierten und hatte das Gefühl das er besorgt war. Also öffnete ich die Augen und sagte so selbstsicher wie ich es konnte
„ Mir geht’s gut Großer, alles halb so wild. Es war nur ein Traum der mich geärgert hat.“
Damit gab er sich scheinbar zufrieden und fuhr los. Wir sprachen nicht während der Fahrt. Aber sein grinsen wurde immer und immer breiter. Bis wir in Güstrow bei Stefan und Paul angekommen waren. Was sollte das nun wieder, dachte ich, ich seh die beiden doch sowieso heute Abend auf meiner „Überraschungsparty“.
Nachdem Peter das Auto geparkt hatte stieg ich aus und begrüßte die beiden herzlich. Die beiden taten so als hätten sie meinen Geburtstag ganz vergessen, ich wusste aber das es anders war.
Ich zog ein trauriges Gesicht und wand mich ab, weil ich die beiden nun auch ärgern wollte. Und es klappte, beide stürzten auf mich zu und entschuldigten sich dafür und beteuerten nur einen Scherz gemacht zu haben.
Peter nahm mich in den Arm. Sein Körper strahlte eine Wärme aus in die ich jedes Mal hätte versinken können. Er flüsterte mir leise ins Ohr „ Mi Guapa, komm lass uns einen Kaffee trinken gehen, nur wir beide.“ Ohne darüber nachzudenken sagte ich einfach „Ja“ In diesen Momenten der Nähe wünschte ich mir manchmal mehr von ihm, obwohl ich wusste das es nicht sein soll und dies auch besser so ist.
Wir gingen los um Kaffee zu trinken und uns über alles Mögliche zu unterhalten, dann aßen wir noch was zum Mittag. Nach dem Essen fuhren wir zu seinen Eltern, sie waren für mich wie meine 2. Familie und ihnen ging es ähnlich. Sie begrüßten mich mit vielen Küssen und langen Umarmungen. Ich freute mich riesig. Dann gingen wir raus in den Garten um Kaffee und Kuchen zu uns zu nehmen. Sie hatten den halben Garten geschmückt. Ich merkte wie ich rot wurde. Sie machen sich immer so viel Mühe für mich, dass wäre alles nicht nötig gewesen, aber dennoch freute ich mich überschwänglich.
Die Zeit im Garten seiner Eltern verging wie im Flug und ungefähr halb 6 sagte Peter zu mir ich solle mich langsam fertig machen er wollte losfahren. Gesagt getan. Ich verabschiedete mich schnell aber herzlichen von allen und rannte schon vor zum Auto, so aufgeregt war ich. Als ich das Auto berührte, erfasste mich eine Art Stromschlag, nur hielt dieses Gefühl ziemlich lange an. Ich war verwirrt, so was hatte ich noch nie erlebt. Als Peter am Auto ankam und mich anlächelte hatte ich es aber sofort schon wieder vergessen und stieg ein.
Als wir losfuhren schnallte ich mich nochmal ab weil ich etwas aus meiner Tasche haben wollte die ich auf dem Rücksitz verstaut hatte. Peter war ein guter Autofahrer und somit hatte ich keine Angst. Er hatte auf Anraten seiner Eltern kurz nachdem er seinen Führerschein hatte einige Fahrsicherheitstrainings mitgemacht. Wir fuhren in Richtung Rostock weiter auf der Landstraße.
Die Straße war frei, kaum ein anderes Auto, was ich ziemlich komisch fand, weil sonst auf dieser Strecke recht viel los ist.
Peter sagte er hat noch eine kleine Überraschung für mich. Er legte eine andere CD ein und sagte
„ Das habe ich nur für dich gemacht!“
Ich hörte mein Lieblingslied, aber es war irgendwie anders. Peter hatte es neu aufgelegt und mit Pianoklängen unterlegt die ich so liebte. Es wurde sofort mein Lieblingslied. Er sah mein Lächeln und die Freudentränen in meinen Augen. Er lachte ausgelassen.
Plötzlich erstarb sein Lachen. Er riss die Augen weit auf und sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
Ich schaute nach vorn aus der Frontscheibe. Ich sah wie auf der Gegenspur ein roter Van fuhr und hinter diesen plötzlich ein kleiner weißer Wagen auftauchte, scheinbar um diesen zu überholen.
Angst ergriff mich. Sah er uns denn nicht? Ich merkte wie ich anfing zu schreien, aber Peter war ruhig, er schaute nach vorn als suche er einen Ausweg. Für ein Bremsmanöver war es zu spät für beide Seiten.
Irgendwie schien die Zeit plötzlich still zu stehen. Ich schaute mich um. Ich sah wie das Gras am Rande der Fahrbahn durch den leichten Wind zur Seite gedrückt wurde und wie Rehe auf dem naheliegenden Feld standen und fraßen. Die Wolkendecke hatte sich ein wenig aufgetan und ein großer heller strahl traf auf die Erde ein paar Meter vor uns. Es war im Grunde ein schöner Anblick.
Dann hörte ich nur noch einen lauten Knall und riss reflexartig die Hände vor mein Gesicht. Ich merkte wie sich unter meinen Unterarmen ein unglaublicher Druck aufbaute. Scheiben zersprangen um mich herum und ich wurde aus dem Auto geschleudert. Ich merkte wie ich auf weichen Boden landete.
Ich war wie paralysiert ich wusste nicht was passiert ist. Als ich mich umdrehte, sah ich wie Peters Auto einen Baum gerammt hatte, er war scheinbar dem anderen ausgewichen. Dann schaute ich auf die Straße und sah wie der rote und der weiße Wagen einfach davon fuhren. Mich ergriff ein Gefühl von Einsamkeit. Die Sonne schien auf den Unfallort. Endlich löste ich mich aus meiner Starre und rannte zum Auto. Peter lag eingeklemmt hinter dem Lenkrad und sah mich traurig mit seinen großen Augen an.
„ Tina, mach dir keine Sorgen, es wird alles irgendwann wieder Gut werden, dass musst du mir jetzt Glauben. Ich werde immer bei dir sein.“ Seine Stimme war nicht mehr so klar wie sonst, es hörte sich jetzt mehr nach einen röcheln an.
„ Peter, bleib bei mir“ flehte ich ihn an unter Tränen „ Ich hole Hilfe halt durch“ Ich nahm seine Hand in meine und drückte sie. Auch er drückte zu aber nicht so stark, er wollte mir mal wieder nicht wehtun. Ich griff in meine Hosentasche und wählte eine Nummer. Ich sagte meinem Gesprächspartner was passiert ist und das er schnell kommen sollte.
Ich merkte wie der Druck von Peters Hand nachließ, ich sah ihn geschockt an. Ich sah wie eine einzige Träne aus seinen Augen ran. Es lag so viel Trauer, Schmerz, aber auch so viel Güte und Liebe darin. Langsam schloss er die Augen. Er begann etwas zu summen. Ich erkannte mein Lied darin. Dann wurde er stumm seine Hand ließ mich los. Ich hörte einen lauten Schrei, ich glaube es war meiner. Ich lief los, ich brauchte Hilfe. Ich sah entfernt schon Blaulicht auf mich zukommen. Ich rannte ihnen entgegen. Aber sie sahen mich scheinbar nicht und fuhren an mir vorbei und hielten erst bei Peter an. Als ich an der Unfallstelle wieder ankam waren schon einige andere vor Ort. Polizei, Feuerwehr und ein Krankenwagen. Und von wo kamen diese Schaulustigen mit einmal her?! Ich versuchte mich durch sie hindurch zu drängen, doch wurde plötzlich von einem jungen Polizisten zurückgehalten.
„ Junge Frau, hier dürfen sie nicht durch!“ sagte er klar und bestimmt.
Ich merkte wie mir die Tränen über die Wangen rannen und merkte das meine Beine allmählich unter mir nachgaben. Ich sah ihn flehend an konnte aber nichts sagen. Er schaut mich an musterte mich und riss plötzlich seine Augen auf und sein Atem stockte.
„ Saßen Sie etwa auch in dem Wagen?“ flüsterte er mir zu.
Ich nickte nur Schwach und merkte wie alles um mich herum schwarz wurde. Ich merkte wie mich 2 starke Arme packten und mich in meinem Fall aufhielten. Dann hörte ich Peters Stimme.
„ Hey Süße, ich bin bei dir, hörst du mich?! Ich werde dich nie verlassen, du musst nur daran glauben.“ Und wieder hörte ich ihn mein Lied summen.
Als ich die Augen wieder aufschlug lag ich in einem Krankenwagen, allein. Ich setze mich auf und schaute aus den Fenstern. Und sah wie die Feuerwehr dabei war Peter aus dem Wagen zu schneiden. Ich sprang auf und kletterte aus dem Krankenwagen und rannte los. Ich schrie die Feuerwehrmänner an sie sollten Vorsichtig sein und ihn nicht noch mehr verletzen. Doch einer der Männer drehte sich um und schaute mich mit besorgter Miene an.
„ Mein Kind, selbst wenn wir ihn weiter verletzen würden, was wir nicht tun, würde jede Hilfe für ihn zu spät kommen. Wir haben alles versucht was wir konnten, aber wir kamen leider zu spät.“ Sagte er mit ruhiger tiefer Stimme.
Nein, das kann nicht sein. Ich habe Peters Stimme doch eben noch so deutlich gehört. …
Ab dem Zeitpunkt verlässt mich mein Gedächtnis.
Ich erwachte im Krankenhaus, scheinbar in der Notaufnahme. Ich blickte mich um, doch sah ich nichts Vertrautes. Ich war allein. Nicht nur in diesem Raum. Ich fühlte mich Einsam und verlassen. Ich fragte mich ob das alles nur ein schlechter Traum war und ich einfach noch nicht erwacht war. Die Tür zu dem Zimmer in dem ich lag wurde langsam und vorsichtig geöffnet. Ein junger Arzt erschien in der Tür und sah mich freundlich an.
„ Hallo, sie haben aber mächtiges Glück gehabt!“ sagte er versonnen.
Was hatte er da grade gesagt? Glück? Ich glaube der spinnt ja wohl.
„ Ähm ja scheinbar, aber wie geht es Peter?“ fragte ich so ruhig ich nur konnte.
Er sah verwirrt aus. Wurde Peter vielleicht in einem anderen Krankenhaus gebracht? Ich starrte ihn weiter fragend an, dann schoss mir das Bild des Feuerwehrmannes in den Kopf und ich fing bitterlich an zu weinen. Ich wusste, dass Peter nicht hier war und auch nicht in einem anderen Krankenhaus. Er war fort. Für immer.
Der junge Arzt schien langsam zu begreifen was passiert war und nahm mich tröstend in die Arme. Doch diesmal durchfuhr mich keine Wärme und auch roch er recht unangenehm. Er stank nicht, aber roch einfach so nach Krankenhaus.
Ich blickte vorsichtig auf, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte.
„ Wann kann ich wieder gehen?“ fragte ich frei geradeaus.
„ Sie sollten noch 48 Stunden zur Überwachung hier bleiben, bis wir ausgeschlossen haben, dass ihnen etwas passiert ist!“ sagte er leicht verwirrt.
„ Nein, ich werde nicht hier bleiben, mir geht es gut!“ sagte ich mit fester Stimme.
Und um ihm zu Beweisen wie gut es mir doch ging, stand ich direkt auf und lief einmal um die Liege.
„ So sehen Sie, alles in Butter. Ich werde jetzt gehen!“
Er schüttelte nur den Kopf, aber ließ mich gewähren. Er gab mir einen Zettel den ich Unterschreiben musste, damit ich gehen konnte. Ich Unterschrieb ihn und ging aus dem Zimmer direkt auf die Aufnahme zu und fragte ob ich kurz telefonieren dürfe, um abgeholt zu werden. Die Schwester hinter dem Tisch beäugte mich zwar sehr skeptisch, übergab mir dann aber ein schnurloses Telefon. Ich rief Stefan an, doch er nahm sein Telefon nicht ab. Genauso wie auch Paul und alle anderen die ich anrief. Ich war verwirrt. Warum ging denn keiner an sein Handy.
Ich war verzweifelt und ging ohne zu wissen wohin einfach los. Ich lief Stunden wie blind durch die Gegend. Ich fand mich irgendwann in einem Wald wieder. Ich kannte diesen Wald. Hier war ich oft mit Peter gewesen wenn es mir mal wieder nicht so gut ging. Wir waren hier oft stundenlang spazieren und haben einfach die Stille genossen. Ich ging weiter bis zu einem umgefallenen Baum und setzte mich.
Ich dachte nach, was eigentlich passiert war. Ich merkte langsam wie die Kälte in mir hochkroch und es immer dunkler wurde. Ich beschloss wieder in Richtung Straße zu gehen um irgendwie nach Hause zu kommen. Zum Glück hielt eine ältere Dame an die mich mitfühlend ansah. Erst jetzt merkte ich das meine Kleidung völlig zerrissen an mir herunterhin und meine Verbände an den Unteramen schon durchgeblutet waren. Was musste diese Frau jetzt bloß denken?! Sie fragte nicht danach, sie wollte nur wissen wo ich hin wollte. Ich erklärte ich wo ich wohnte und sie fuhr schweigend los.
Als ich Zuhause ankam waren meine Eltern schon im Bett. Ich beschloss den heutigen Tag irgendwie zu vergessen. Ich riss mir die Verbände ab um zu duschen. Es brannte wie Feuer, doch es war angenehm diesen Schmerz zu fühlen. Er zeigte mir das ich doch noch irgendwo leben in mir hatte.
Ich ging zu Bett und verfiel in einen traumlosen schlaf. Als ich am nächsten Morgen aufwachte klingelte mein Handy. Ich ging schlaftrunken ran.
„Ja?!“ sagte ich mit noch belegter Stimme
„ Geht’s dir gut meine Süße?“ sagte SEINE sanfte Stimme zu mir.
Ich riss meine Augen auf, war es doch alles nur ein schlechter Traum? Ich wusste nicht wie mir geschieht.
„ Ja klar, jetzt wo ich dich höre geht’s mir super…. Sag mal hab ich nur schlecht geträumt oder was ist gestern passiert?“ fragte ich vorsichtig…. Doch die Leitung war tot…
Ich verstand gar nichts mehr. Ich schaute auf mein Handy. Es war aus. Am Akku konnte es nicht liegen ich hatte es gestern Abend noch angeschlossen. Ich schaltete mein Handy wieder an und wartete bis es hochgefahren war. Ich wollte grade Peter anrufen, fand aber seine Nummer nicht in meinem Handy. Merkwürdig dachte ich, er hat mich doch eben angerufen.
Aber ich kannte seine Nummer ja auch so. ich tippte sie ein, aber was ich dann höre ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
„ Kein Anschluss unter dieser Nummer!“
Ich dachte erst ich hätte mich vertippt, aber auch nach weiteren Versuchen immer die gleiche Stimme vom Band.
Ich zweifelte an mir. Ich versuchte wieder Stefan zu erreichen, aber er verweigerte meinen Anruf und schrieb mir nur eine SMS.
* Wenn du nicht gewesen wärst, würde er noch leben! Was hast du dir nur dabei gedacht?*
Was hatte ich denn gemacht? Ich saß doch nur neben ihm im Auto. Es war nicht meine Schuld. Es war die Schuld des Fahrers in dem weißen Auto. Er hat überholt. Für mich brach eine Welt zusammen.
Ich rief bei Peters Eltern an, ich wusste nicht mit wem ich sonst sprechen sollte, denn meinen Eltern wollte ich das nicht erzählen.
Als eine traurige Frauenstimme den Hörer abnahm, wusste ich sofort das es Kerstin, seine Mutter war.
„ Es tut mir alles so leid was passiert ist. Aber der Typ im weißen Auto ist einfach weitergefahren!“ sagte ich verzweifelnd und entschuldigend.
„ Du wagst es dich noch hier anzurufen. DU MÖRDER!“ rief sie aus voller Kehle und legt auf.
In mir machte sich eine alles umfassende Leere breit. Ich konnte nicht mehr denken und nicht mehr fühlen.
So vergingen Monate. Ich redete kaum noch. Ich hatte aufgehört zu lachen. Ich hatte aufgehört zu sehen.
Ich ging wie es von mir verlangt wurde jeden Tag in die Schule. Ich versuchte mich ein wenig abzulenken durch den Lernstoff, aber es half nichts.
Ein Bekannter aus der Schule fragte mich irgendwann mal, was den passiert ist. Warum ich nicht mehr lache.
War es denn so auffällig, dass ein Mensch sein Lachen verliert? Wusste denn hier keiner was passiert war? Ich wunderte mich nur kurz darüber, dann verfiel ich wieder in meine eigene Welt.
Ich antwortete ihm nicht sondern ging einfach davon. Ich ging im angrenzenden Wald spazieren, wie ich es in letzter Zeit immer öfter tat. Doch diesmal kehrte ich nicht um als es dunkel wurde. Ich ging einfach weiter.
Ein neuer Anfang….
Plötzlich bemerkte ich einen kalten Luftzug hinter mir. Und eine mir wohl bekannte warme Stimme, flüstere mir etwas was ich nicht verstand ins Ohr. Es hörte sich nur an wie ein Summen. Ich drehte mich um, doch es war zu dunkel um etwas zu sehen. Ich sah nur zwei leuchtende Punkte in der Dunkelheit. Ich weiß eigentlich hätte ich nun Angst bekommen müssen, aber die Stimme die zu mir sprach ließ eine alles durchdringende Ruhe in meinen Körper. Ich würde nicht weglaufen, egal was mir nun passieren würde.
„ Du musst weiterleben, Tina. Gib dich nicht auf, dich trifft keine Schuld!“ sagte SEINE Stimme mir mit einer Ernsthaftigkeit die keine Zweifel zuließ.
„ Aber wie soll das gehen?“ schrie ich verzweifelt „ Du bist nicht mehr da und keiner will mehr was mit mir zu tun haben? Sie geben mir die Schuld“ ich merkte wie Tränen meine Wangen hinunterliefen.
„ Du muss daran glauben. Du musst dir selber Glauben. Du kannst nichts dafür! Wir werden uns wieder sehen, dass verspreche ich dir, aber vorerst hast du noch was zu erledigen!“
„ Was ich hab was zu erledigen? Was soll das denn sein?“ fragte ich voller Empörung.
„ Beruhige dich, ich werde dir Zeichen geben! Ich werde dich nicht verlassen, dass habe ich dir doch versprochen.“ Sagte er mit einer Ruhe in der Stimme, die ich nicht verstehen konnte.
Dann fuhr eine eiskalte Hand über mein Gesicht und wischte mir die Tränen weg. Noch immer konnte ich nichts erkennen. Ich merkte einen Kuss auf meine Stirn, dann ein Luftzug. Ich war allein. Wiedermal hatte er mich verlassen.
Er sagte er würde mir Zeichen geben. Ich werde ihn wieder sehen hat er gesagt. Ich fasste all meinen Mut zusammen und beschloss irgendwie wieder in mein Leben zurück zu kehren.
Ich lief durch den Wald ohne zu sehen wo ich hinlief. Ich stürzte und alles um mich herum wurde irgendwie unwirklich.
Als ich wieder aufwachte fand ich mich in meinem Bett wieder. Aber wie war das möglich? Oder hatte ich einfach nur wieder geträumt. Ich konnte es langsam nicht mehr auseinander halten. Mein Kopf schwirrte. Scheinbar hab ich mir ganz schön den Kopf angeschlagen.
Ich hatte Wahnsinnige Kopfschmerzen. Was war letzte Nacht passiert? Ich versuchte mich zu erinnern, aber ich fand nichts in meinem Kopf. Es war wie ausgelöscht, aber ich spürte eine Stärke in mir die ich schon lange verloren geglaubt habe.
Ich rief Martin an, mein Ex-Freund. Ich fragte ihn ob er Zeit hätte, denn irgendwie wollte ich heute nicht allein sein. Wir verabredeten uns in einem kleinen Café in Neukloster. Ich ging ins Bad um mich zu waschen. Als ich fertig war und nach unten ging saßen meine Eltern am Esstisch und schauten mich mit großen Augen an. Hier lag was in der Luft was mir ganz und gar nicht gefiel.
Sie bedeuteten mir ich solle mich setzen. Ich sah sie nur verwirrt an, tat aber was sie wollten.
Es schien fast als wollte keiner von ihnen anfangen zu reden. Meine Mutter nahm meine Hand und sah mich verzweifelt an. In ihren Augen lagen Trauer und Angst.
„ So kann das nicht weitergehen, Tina. Seit Tagen bist du …“sie überlegte „ so abwesend. Du Hast nichts mehr gegessen. Du irrst umher, wie eine wandelnde Leiche!“ sie fing an zu weinen ohne ein Geräusch von sich zu geben.
„ Tina, wir haben beschlossen, dass du dich in professionelle Hilfe begeben solltest, mit uns willst du ja scheinbar nicht reden. Du musst wieder in dein Leben zurück finden!“ sagte mein Vater streng.
Er war nicht in Lage auch nur einen Anflug von Gefühlen zu zeigen.
Ich riss die Augen auf, was hatten sie da grade gesagt? Ich soll zu einem Psychiater? Was soll ich da der kann nur Menschen helfen die noch eine Seele besitzen. Meine war vor ein paar Tagen gestorben, ich wusste nicht wie viele mittlerweile vergangen waren.
„ Ich brauche keine professionelle Hilfe. Und außerdem habe ich dazu auch keine Zeit, ich treffe mich nachher mit Martin!“ sagte ich eingeschnappt aber dennoch ernst, „ Mir geht es gut, darf man nicht mal ein paar Tage schlecht gelaunt sein?“ log ich.
Ein leichtes Lächeln war auf dem Gesicht meiner Mutter zu sehen. Sie freute sich sichtlich, dass ich beschlossen hatte mal wieder unter Menschen zu gehen. Aber ihr lächeln erstarb, als ihr klar wurde, dass ich trotzdem nicht mit ihr darüber reden würde, warum es mir so ging.
Ich stand auf ohne noch ein weiteres Wort abzuwarten, griff nach meiner Tasche und spazierte einfach aus der Tür.
Ich ging in das kleine Café und wartete ungeduldig auf Martin. Als er endlich vor mir stand sah ich deutlich den Schreck in seinen Augen! Was war los, fragte ich mich besorgt.
„ Geht es dir gut?“ fragte er mich, den Schock konnte man noch deutlich hören.
„ Ja mir geht es gut“ log ich so gut ich konnte „ warum guckst du so komisch?“
„ Tina… du bist bleich wie eine Kalkwand und hast du in letzter Zeit mal was gegessen? Du siehst aus als hättest du mindestens 10 Kilo abgenommen!“ sagte er immer noch entsetzt über mein Äußeres
Ich muss dazu sagen ich war schon immer ein recht schlankes Mädchen, also wären 10 Kilo weniger wirklich Grund zur Sorge, auch für mich.
Langsam schien er sich zu fangen und setzte sich wenn auch zögerlich neben mich und schlang mir seinen Arm um die Schulter. Ich war dankbar für diese Geste. Ich lehnte meinen Kopf auf seine Brust und fing einfach an zu weinen. Warum wusste ich selber nicht, aber es fühlte sich richtig an. Martin bemerkte mein Schluchzen und nahm mein Kinn auf um mir in die Augen zu sehen.
„ Es wird alles gut Kleines. Ich bin für dich da!“ sagte er mit ruhiger aber besorgter Stimme.
Ich versuchte zu lächeln, aber mir gelang nur eine Grimasse die mit einem dankbaren Lächeln wohl nichts gemeinsam hatte. Ich wusste nicht ob ich ihm erzählen sollte was passiert ist. Ich dachte nach, aber entschied mich dann doch dagegen. Ich wollte ihn nicht damit belasten. Ich wollte einfach nur einen ganz normalen Tag haben, insofern das möglich war.
Ich gab ihm einen Kuss und bedankte mich. Er war ein wenig verwirrt über den Kuss, dass konnte man ihm deutlich an seinem roten Gesicht erkennen, aber er sagte nichts.
Eine Weile saßen wir schweigend Arm in Arm in dem Café, bis die Kellnerin kam und nach unserer Bestellung fragte. Ich schüttelte nur leicht den Kopf, als Zeichen dafür, dass ich nichts haben wollte.
Martin sah mich ein wenig böse an, wandte sich dann aber der Kellnerin zu.
„ Wir nehmen zwei heiße Schokoladen und eine große Portion Pommes mit Mayo.“
Ich ahnte schon was kommen würde, wehrte mich aber nicht dagegen ich war dankbar für jede positive Zuwendung die ich bekommen konnte.
Als die Kellnerin mit den Pommes und den Getränken kam befreite Martin sich geschickt aus unserer Umarmung. Ich verlor mich ein bisschen, ich hatte Angst, dass die Einsamkeit mich wieder einholen würde. Aber in mir kroch wieder diese unbekannte Stärke auf und ich rafft meine Schultern. Ich lächelte, als Martin mir wie selbstverständlich die Pommes rüberschob. Ich hatte eigentlich keinen Hunger, aber ich wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Also aß ich ein paar. Ich merkte wie gut es mir dann doch tat etwas im Magen zu haben. Er lächelte als er mich ansah. Und ich merkte wie wieder ein wenig Schmerz in seinen Blick trat. Woran dachte er nur. Dachte er wieder an unsere etwas unschöne Trennung vor 2 Jahren oder machte ihm mein Anblick immer noch solche Angst?
Ich wollte ihn später danach fragen. Nachdem ich gut die Hälfte der Pommes in mich hineingeschaufelt hatte schob ich ihm den Rest rüber. Ich war mehr als satt. Er guckte mich empört an, so als hätte ich irgendwas Schlimmes getan und schob den Teller wieder zurück. Ich wusste das würde eine Diskussion nach sich ziehen.
„ Iss du sie bitte auf, ich kann echt nicht mehr.“ Sagte ich leicht ermattet vom essen.
„ Du musst was essen, Kleines. Du siehst echt schrecklich aus! Ich mach mir doch nur Sorgen, ich weiß ich sollte nicht danach fragen, ab er was ist überhaupt passiert?“ fragte er vorsichtig, aber neugierig.
Ich merkte wie in mir etwas zerbracht. Um ihm zu sagen was passiert war würde ich das alles noch einmal durchleben müssen. Das wollte ich nicht. Mein Herz begann zu rasen. Schweiß trat mir auf die Stirn. Mich überkam eine Panik die ich vorher noch nie gespürt hatte. Ich wollte nur noch weg.
Ich stand auf und rannte los. Martin war wie paralysiert und schaute mir nach. Er schmiss der Kellnerin schnell etwas Geld auf den Tresen und hastete mir hinterher. Ich lief, ohne zu wissen wohin. Ich konnte einfach nicht stehen bleiben. Martin war immer noch dicht hinter mir, aber er hielt Abstand, er wollte mich nicht bedrängen, das fühlte ich. Als ich endlich zum Stehen kam, war mir als würde ich ersticken müssen. Ich bekam keine Luft und alles drehte sich. Martin holte mich ein und nahm mich von hinten in den Arm. Er zwang mir schon fast seine ruhige Atmung auf. Er flüsterte irgendwas in mein Ohr doch ich hörte ihn nicht, da mein Blut nur so in den Ohren rauschte. Aber ich beruhigte mich langsam. Als ich sah wo ich hingelaufen war wunderte ich mich einen Moment.
Was das nicht genau die Stelle wo ich gestern Abend die Stimme von Peter gehört hatte, die mir sagte ich solle durchhalten?!
Etwas raschelte neben uns im Strauch. Ich sprang zur Seite weil ich mich so erschrak. Es schien nur ein Vogel gewesen zu sein, den ich aufgescheucht hatte. Irgendwie empfand ich diesen Ort als Unwirklich. Er war zwar da, aber es schien als konnte ich mit meinen Augen meine Umgebung nicht scharf stellen, es wirkte alles so verschwommen. Martin saß neben mir. Ich konnte seine Hand auf meiner fühlen. Er war irgendwie kalt. Aber das empfand ich als sehr angenehm. Ich wusste nicht warum ich ausgerechnet hier her gelaufen bin.
Nach einer Weile stand Martin auf und zog mich mit sich in die Höhe. Er nahm mein Gesicht in seine Hände.
„ Wenn du nicht darüber reden willst ist das völlig in Ordnung, aber tu mir einen Gefallen und lauf nie wieder vor mir weg!“ sagte er leicht gekränkt.
„ Ja versprochen“ meine Stimme brach „ ich kann nur einfach nicht darüber reden, weil ich gar nicht weiß, ob es wirklich so passiert ist!“
Hatte ich grade wirklich zugegeben was mich seit ein paar Tagen beschäftigte. Ja ich wusste nicht woran ich glauben sollte. Gab es dieses kleine weiße Überhaupt oder war ich Schuld an dem Unfall oder ist dieser überhaupt nicht passiert, denn immerhin hatte ich gestern seine Anwesenheit genau hier gefühlt.
Ich war mir sicher gleich den Verstand zu verlieren.
Ein kalter Luftzug zog an meinem Hals vorbei und in meinem Ohr halte eine Stimme nach.
*Sei stark, ich bin bei dir!* säuselte sie.
Ich drehte mich um und versuchte die Quelle der Stimme zu finden, aber ich sah nichts. Martin merkte das und sah mich verwundert an.
„ Hast du was gehört? Ich würde gern weg von hier, irgendwie ist es mir unheimlich!“
Ich wusste was er meinte. Ich nahm ihn an die Hand und wir gingen wieder in Richtung Straße. Er drückte meine Hand als Zeichen seiner Dankbarkeit. Ich wusste ich würde hierhin zurückkehren, weil ich hier seine Stimme hören konnte.
Ich verbrachte noch den ganzen Nachmittag mit Martin. Wir redeten über alte Zeiten und was wir nun so vor hatten in Zukunft. Denn ich würde ja auch bald meinen Abschluss machen.
Am frühen Abend verabschiedete ich mich von ihm und ging Heim. Ich fühlte mich eigentlich ganz gut. Ich hatte ein leicht beschwingtes Gefühl.
Als meine Eltern mich so sahen, wirkten sie erleichtert und wollten auch nicht weiter nachhacken als ich sagte, dass ich ins Bett gehe. Aber ich hatte einen Plan für heute Nacht.
Ich legte in meinem Zimmer schon mal Kleidung und eine Taschenlampe bereit damit ich heute Abend ohne große Anstrengung einfach losgehen konnte.
Ich legte mich in mein Bett, stellte meinen Wecker auf 23 Uhr und schlief sofort ein. Ich träumte etwas Seltsames.
Ich war so Mitte 20, und mit einem gutaussehenden Mann unterwegs. Wir gingen spazieren. Ich fühlte mich sehr verbunden zu ihm. An seiner Hand lief ein kleiner Junge, er sah dem Mann neben mir sehr ähnlich. Das musste sein Sohn sein. Ein süßer kleiner Kerl. Plötzlich sah der kleine Junge mich an rannte auf mich zu und rief „MAMA!“ Oh Gott, was sollte das nun wieder bedeuten.
Ich wachte auf von klingeln meines Weckers. Hatte ich grade ernsthaft von meinem Kind geträumt?
Ich stand auf und zog mir meine Kleidung an, nahm die Taschenlampe und schlich aus dem Haus.
Auf dem Weg zum Wald dachte ich noch über meinen Traum nach. Es war eigentlich eine schöne Vorstellung, dass ich einmal einen so hübschen Mann und einen so süßen kleinen Sohn haben sollte. Ich lächelte, als ich dies merkte war ich verwundert, dass ich das noch konnte.
Ich war angekommen. An dieser Stelle hatte ich ihn gehört und diese merkwürdigen leuchtenden Punkte gesehen. Ich sah mich um. Es herrschte absolute Stille. Ungewöhnlich für einen Wald dachte ich, aber es war nicht einmal das Rauschen von Blättern zu hören.
Plötzlich packte mich eine Hand an der Schulter. Mein Atem stockte und mein Herz setzt für ein oder zwei Schläge aus.
*Nicht Schreien, ich bin es doch* hörte ich SEINE Stimme in meinem Kopf sagen.
Ich spürte seine eiskalte Hand sogar noch durch meinen dicken Pullover. Aber ich froh nicht. Ich empfand diese Kälte die mich jetzt durchzog genauso angenehm wie die Wärme die sonst immer von ihm ausging.
Ich drehte mich langsam um und erschrak. Vor mir hockte ein sehr blasser, aber wunderschöner Peter. Seine Augen leuchteten blutrot. Zu meiner Verwunderung machte es mir keine Angst. Aber weiter drüber nachdenken konnte ich auch nicht.
Ich wollte ihn anfassen, aber wich vor mir zurück.
*Nicht, lass das. Ich kann dich nicht mehr berühren. Ich würde dir nur wehtun. Ich bin hier um dir was zu sagen. Du hast vorhin etwas geträumt stimmt´s?*
Ich nickte verwundert, woher wusste er das? Und warum sollte ich ihn nicht anfassen. Ich war perplex.
*Was du geträumt hast zeigte dir deine Zukunft. Du bist dafür geschaffen worden um diesen Mann deine ganze Liebe zu schenken und um diesen kleinen Jungen den du gesehen hast in die Welt zu bringen.*
Ich verstand nicht. Wie sollte ich lieben können, wenn er doch nicht mehr war. Ohne eine Seele kann ein Mensch doch nicht lieben. Ich war entsetzt. Und wie sollte ich ausgerechnet diesen Mann finden den ich im Traum sah.
*Du wirst ihn finden. Glaub an dich. Ich werde dir Zeichen geben. Und nun sei nicht mehr traurig, wie du siehst geht es mir gut.*
Ich spürte eine kalte Hand die mir übers Gesicht fuhr, dann trat Stille ein. Aber keine absolute Stille wie zuvor, sondern ganz einfach nur Ruhe mit normalen Waldgeräusche. Ich wusste er war gegangen. Ich hatte noch so viele Fragen an ihn. Aber er war fort. Ich hörte noch einen letzten Gedanken von ihm.
*Nun geh und beginne zu leben. Und komm nie wieder hier her. Es ist hier einfach zu gefährlich. Ich kann dich hier nicht länger beschützen. Bitte geh!*
Ich bemerkte die Dringlichkeit in seinen Worten und lief sofort los. Ich hatte beschlossen, dass zu tun was er von mir verlangte in der Hoffnung ich würde ihn wieder sehen. Ich war mir noch nicht ganz sicher wie ich es anstellen sollte, aber mit seiner Hilfe würde ich es schon schaffen.
Die Suche nach dem einen….
Ich war mir sicher, dass ich früher oder später durchdrehen würde. Es gab so viele Männer auf der Welt wie sollte ich also diesen einen finden.
Ich versuchte viel auszugehen, um so viele Leute wie möglich kennen zu lernen. Aber bisher war meine Suche vergeblich.
Ich beschloss ein bisschen im Internet zu surfen um mich abzulenken, als ich auf die Idee überhaupt kam. Single-Börsen! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen. Ich meldete mich auf den verschiedensten Seiten an um nach dem einen zu suchen, aber scheinbar auch hier vergeblich.
Ich ging auf eine der Seiten über die ich mich immer mit Freunden unterhielt. Und weil ich wusste das es auch hier eine Art Single-Auktion gab sah ich auch dort nochmal rein, obwohl ich keine Hoffnung hatte das ich ihn dort finden würde.
Nach ein paar Klicks traf es mich fast wie ein Schlag. Ich sah ein Bild von einem Mann welches ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Ich war mir allerdings nicht sicher. Wie sollte ich nun herausbekommen ob er es war. In meinem Traum hatte ich ihn ein paar Jahre älter gesehen.
Plötzlich hörte ich etwas, es war wie ein beiläufiges Summen. Es hörte sich nach meinem Lied an. War das das Zeichen auf das ich warten sollte?
*Er ist es*
Mein Herz setzte aus, als ich Peters Stimme wieder in meinem Kopf hörte. Wie machte er das bloß immer.
Also wenn er das nun war, wie trat ich dann in Kontakt mit ihm? Am besten würde ich wohl einfach auf ihn bieten und ihn dann auf das von ihm angebotene Eis fest nageln. Gesagt getan. Nun heißt es nur noch hoffen das mich keine Überbietet, drückte ich mir selbst die Daumen. Da die Auktion noch über 18 Stunden laufen sollte, beschloss ich erst mal offline zu gehen und mich mit meinen Hausaufgaben rumzuplagen. Ja auch mein Alltag holte mich so langsam wieder ein.
Am nächsten Tag in der Schule war ich seit langen mal wieder wirklich gut drauf. Ich alberte mit Romina umher und lachte zum Teil Tränen. Es war einfach ein guter Tag.
Als ich am Nachmittag nach Hause kam fiel mir die Auktion wieder ein und ich wollte sofort nachsehen ob ich gewonnen hatte. Ich öffnete mein Profil und sah direkt eine Nachricht von ihm.
„Herzlichen Glückwunsch, du hast eine Einladung zu einem Eis gewonnen. Wann willst du diese einlösen?“
Oh, dieser Typ kam aber schnell zur Sache und in so einen sollte ich mich verlieben. Ich war skeptisch, aber blieb bei der Sache. Ich würde alles tun um eines Tages wieder bei Peter zu sein. Ich schrieb also zurück.
„ Na am besten sofort. Es ist zwar ein wenig kalt für ein Eis, aber es wird schon gehen.“
„ Na dann vielleicht lieber einen Kakao?“
So ging das eine Weile hin und her, bis wir uns darauf einigten am nächsten Tag zusammen in die Disco zu fahren.
Ich war richtig aufgeregt, so komisch schien Chris, so hieß er nämlich, gar nicht zu sein. Ich freute mich schon richtig auf morgen. Aber bis dahin lag noch eine lange Nacht und ein langer Schultag vor mir.
In dieser Nacht schlief ich nicht sonderlich gut. Ich träumte von Peter, von unserem Unfall und das ich bis heute mit keinem meiner damaligen Freunde mehr Kontakt hatte. Ich wachte weinend auf. Warum träumte ich das nur. Ich war verzweifelt, nichts war mehr von meiner Euphorie übrig.
Ich blieb den Rest der Nacht wach und las ein Buch. Morgens schleppte ich mich dann völlig lustlos zur Schule. Mit mir war heute nichts anzufangen. Ich war traurig und einfach nicht zu Scherzen aufgelegt, alles was ich zu hören bekam traf mich irgendwie persönlich. Ich hasste alle Menschen um mich herum.
Als ich nachmittags Zuhause war viel mir mein Treffen am Abend ein und ich fasst all meinen Mut zusammen. Ich schrieb Chris eine SMS und fragte ihn ob alles wie besprochen bleibt. Scheinbar freute er sich über meine SMS, denn er schrieb sofort zurück. *Na klar*
So nun war ich endgültig aufgeregt. Ich hatte noch gut 6 Stunden Zeit bis er mich abholen würde, aber es war verdammt wenig Zeit wenn man bedenkt, dass ich noch nicht wusste was ich anziehen soll und was ich mit meinen Haaren anstellen sollte.
Der Nachmittag verging und ich räumte meinen gesamten Kleiderschrank aus bis ich endlich das richtige gefunden hatte. Ich entschied mich für ein kurzes schwarzes Kleid, dazu passend meine schwarzen Ballerinas. Ich zog mir unter das Kleid aber noch Leggins an, denn es war doch schon empfindlich kalt geworden. So nun waren nur noch die Haare dran. Ich entschied mich dafür sie offen zu tragen. Martin hatte einmal gesagt, das steht mir am besten.
Es war jetzt 19 Uhr also hatte ich jetzt noch 2 Stunden Zeit bis Chris hier vor meiner Tür stehen würde. Ich beschloss noch ein bisschen spazieren zu gehen um mich abzulenken. Gesagt getan.
Als ich so unterwegs war dachte ich nach. Über die letzte Zeit und warum ich immer noch Kontakt zu Peter hatte. Er war doch gestorben. Diese Tatsache verwirrte mich, jetzt als ich darüber nachdachte. Als ich ihn das letzte Mal sah, meine Gedanken stockten, er war unnatürlich blass und seine Augen blutrot und seine Haut eiskalt. Was hatte das alles nur zu bedeuten. Ich lief nach Hause. Ich wollte wissen, ob ich irgendetwas darüber in Erfahrung bringen konnte ich hatte ja noch ein bisschen Zeit.
Ich setzte mich an meinen Computer und gab bei Google die Sachen ein die mir aufgefallen waren.
„eiskalte Haut, rote Augen, extreme Blässe“
Die ersten Ergebnisse die ich fand waren nichtssagend. Es war irgendwie komisch. Peter sah nicht erschöpft aus oder irgendwie krank. Das konnte also alles nicht sein. Für heute würde ich aufgeben.
Ich lief nochmal ins Bad und da viel mit auf das ich zwar bereits angezogen war und meine Haare auch schon fertig waren, aber ich sah trotzdem total müde aus.
Ich versuchte meine Augenringe zu überschminken und mit einem kräftigen Augenmakeup davon abzulenken. Nach eine halben Stunde glaubte ich es würde so gehen und beschloss jetzt nicht mehr in den Spiegel zu sehen.
Mein Handy klingelte. Chris hatte eine SMS geschrieben.
*Ich bin schon da, aber wenn du noch nicht fertig bist lass dir ruhig noch Zeit*
Mein Herz setzte aus. Ich wusste gar nicht, dass ich so nervös sein könnte. Ich fasste all meinen Mut zusammen, griff meine Jacke und meine Tasche und öffnete die Tür. Da es schon dunkel war sah ich nur einen dunklen Schatten am Auto stehen. War er das?
„ Chris?“ rief ich kleinlaut.
„ Nun komm schon es ist saukalt!“ lachte er spöttisch.
Diese Stimme ging unter die Haut. Samtweich und so tief. Mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken.
Ich schloss noch schnell die Tür hinter mir ab und ging zu ihm. Er hatte sich in der Zwischenzeit schon ins Auto gesetzt. Ich öffnete die Beifahrertür und sah ihm in die Augen.
Ich hätte glatt dahinschmelzen können. Er hatte große rehbraune Augen in welchen man nur so einsinken konnte. Er lächelte mich an und unweigerlich trat auch auf mein Gesicht ein Lächeln.
Indem Moment funkelten seine Augen, aber irgendwie sah ich auch kurz unverständlich an. Was hatte das nun wieder zu bedeuten. Aber bevor ich darüber nachdenken konnte packte er auch schon meine Hand.
„ Hi Süße, schön dich endlich persönlich kennenzulernen. Gut siehst aus!“
„ Äh ja danke. Du aber auch“ stotterte ich so vor mich her, ich war leicht verwirrt von seiner schroffen Art, aber irgendwie gefiel mir das auch.
„ Nun Steig schon ein. Wir wollten doch los. Ich hab auch eine tolle Idee wo wir hinfahren werden.“ Sagte er völlig selbstsicher.
„ Ach ja, wohin willst du mich denn ausführen?“ fragte ich neugierig.
„ Wir werden nach Rostock fahren. Mehr verrate ich nicht!“ er drehte sich um und startete den Motor seinen Passats und fuhr los.
Ich fühlte mich so unheimlich sicher in diesem Auto. Ich schloss kurz die Augen und seufzte.
Chris hatte dies scheinbar bemerkt denn er schaute mich kurz an und nahm dann meine linke Hand und lächelte.
„ Keine Angst, ich kann gut Autofahren!“
Ich lächelte ihn an und nickte. Wenn er mir so ansah war ich nicht in der Lage dazu zu sprechen.
Ich glaube ich war schlicht und einfach verliebt. Er kannte mich seit 10 Minuten persönlich und nahm trotzdem wie selbstverständlich meine Hand. Durch diese Berührung floss eine Wärme durch meinen Körper die mich einfach entspannte.
Die restliche Fahrt legten wir Schweigend Hand in Hand zurück.
Er fuhr in ein Parkhaus und suchte einen Parkplatz. Als das Auto stand und er den Motor abgestellt hatte überlegte er kurz. Dann sah er mich fragend an.
„ Willst du wirklich in die Disco gehen oder wollen wir lieber was Essen und dann vielleicht noch ins Kino?“
Ich war ein bisschen verwirrt. Warum plötzlich der Sinneswandel. Ich zuckte mit den Schultern.
„ Wie du möchtest, solange du da bist mach ich fast alles mit“
Oh mein Gott, hatte ich das wirklich gesagt! Ich merkte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Das war mir jetzt mal echt peinlich.
Sein grinsen wurde immer breiter, er schien zu sehen wie ich rot wurde.
„ Okay?! Also dann können wir uns das ja auch alles schenken und zu mir fahren und einfach DVD schauen, aber nur wenn du willst?“ fragte er mich mit einem zwinkern.
„ Ähm ja klar können wir machen.“
Irgendwie war ich erleichtert. Dann hatte ich wenigstens ein wenig Ruhe und war auch noch mit ihm allein. Das konnte doch nur gut werden. Ich schaute ihn grinsend an.
„ Aber nicht das du mir hier auf falsche Gedanken kommst, wir werden wirklich nur DVD gucken und dann fährst du mich wieder Heim“
„Na klar, was dachtest du denn was ich mit dir vorhabe“ sagte er pflichtbewusst, aber auch ein wenig traurig.
Ich fragte mich warum in seiner Stimme leichte Trauer mitklang. Habe ich etwas Falsches gesagt?
*Nein hast du nicht, er hat sich in dich verliebt und würde dich am liebsten nicht mehr gehen lassen!*
Ich zuckte zusammen, weil ich mit SEINER Stimme nicht gerechnet habe. Wieder wurde ich rot, bei dem Gedanken, dass Chris der mich noch nicht lange kannte schon liebte. Wie soll ich damit jetzt umgehen? Ich beschloss ihn einfach zu fragen.
„ Du Chris? Warum bist du so bedrückt?“ fragte ich vorsichtig.
„ Ich bin doch nicht bedrückt!“ beteuerte er mit einem gespielten Lachen.
„ Ach klar, ich merk das doch. Komm schon rück raus mit der Sprache!“ sagte ich ihm aufmunternd.
„ Hmm, ich weiß nicht, aber irgendwie möchte ich nicht, dass der Abend mit dir endet!“ sagte er fast flüsternd und ich merkte, dass es ihm unangenehm war.
Ich lächelte ihn an und nahm seine Hand.
„ Ich auch nicht!“ sagte ich.
Sein Gesicht hellte sich auf und er grinste breit. Man konnte seine Freude über das gesagt schon fast greifen. Er drückte meine Hand.
Ich schaltete sein Radio ein um etwas Musik zuhören, denn ich wollte mich von dieser immer noch etwas peinlichen Situation ablenken. Aber im Radio kam nichts wirklich gutes, was ich hätte hören wollen. Da gab er mir eine CD, die ich einlegen sollte.
Ich legte sie ein. Ja das war eher nach meinem Geschmack. Ich bekam gute Laune von der Musik und sang laut mit. Er fand es lustig, weil ich so schief sang, aber als ich aufhörte sagte er
„ Sing weiter…. Ich mag gerne deine Stimme hören.“
Ich wurde wieder rot, aber sang trotzdem völlig schief weiter und musste darüber selber lachen.
Nach 20 Minuten waren in Wismar angekommen. Eine hübsche kleine Stadt mit Hafen und vielen Denkmalgeschützten Gebäuden. Ich möchte diese Stadt vor allem Nachts, denn dann waren keine Touristen mehr unterwegs und man hatte seine Ruhe.
Er suchte einen Parkplatz.
„ Pole Position“ sagte er erfreut.
Ich verstand nur Bahnhof und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
„ Na das ist der Parkplatz wo ich am wenigstens bis zu mir laufen muss“ lachte er.
„ Du fauler Sack!“ neckte ich ihn.
Er parkte ein und stieg aus. Ich tat es ihm gleich. Da ich ja nicht wusste wo er wohnt wartete ich. Er nahm mich an die Hand und wieder durchzog mich seine Wärme. Langsam zog er mit hinter sich her. Er blieb vor einem hübschen kleinen Häuschen stehen und schloss die Tür auf. Wir gingen in den 2. Stock. Dort blieb er vor einer Tür stehen und drehte sich langsam zu mir um.
„ Ich hoffe du hast nichts gegen Katzen?!“ fragte er verunsichert.
„ Nein, habe ich nicht und nun mach schon irgendwie friere tierisch!“ und ich zitterte demonstrativ.
Er schloss die Tür auf und ging vor. Dann drehte er sich um und nahm wieder meine Hand und zog mit hinein. Dann schloss er leise die Tür. Er stand im Flur einer scheinbar kleinen aber recht hellen Wohnung. Irgendwie sah er aus als wüsste er nicht was er als nächsten machen sollte und sah mich fragend an.
„ Willst du auf der Couch sitzen und einen Film schauen oder gemütlich auf dem Bett lümmeln?“
So gern ich ihn ja schon hatte, aber in sein Bett wollte ich nicht. Das war mir einfach irgendwie unangenehm.
„ Auf der Couch wird’s schon gehen“ sagte ich grade zu beiläufig während ich mir die Schuhe auszog. Ich guckte in die nächste Tür und er kannte ein Badezimmer. Ohne zu fragen flitze ich schnell hinein und schloss die Tür hinter mir. Ich wollte kurz für mich sein und nachdenken. Aber irgendwie bekam ich keinen klaren Gedanken zu fassen. Ich schaute nur kurz in den Spiegel. Ich sah müde aus, aber es war erträglich. Ich kämmte mir nochmal schnell die Haare bevor ich wieder aus dem Bad trat.
Am anderen Ende des Flurs brannte Licht. Scheinbar war das das Wohnzimmer. Ich ging langsam dorthin und sah mich aufmerksam um. Er scheint bei der Bundeswehr zu sein, dachte ich als ich eine grüne Flecktarn- Uniform auf Bügeln an der Garderobe hängen sah. Ich musste lachen, ich fand Männer in Uniform schon immer anziehend.
Dann hörte ich ein Glas zersplittern und erschrak. Ich rannte in die Wohnstube und sah wie Chris in seiner Küche stand und Scherben zusammensammelte. Er schaute kurz zu mir auf und wurde rot.
„ Ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist mir grad runtergefallen. Es war ein Missgeschick.“
Ich wollte ihm gerne helfen, aber er verneinte mein Angebot.
„ Ich mach das schon setzt du dich schon mal auf die Couch. Was magst du trinken?“
Ich überlegte, da er ja noch fahren musste kann er keinen Alkohol trinken also wäre es gemein, wenn ich welchen trinken würde.
„ Ich glaube ich möchte nur ein Wasser, danke“ sagte ich lächelnd.
Er sah mich kurz verwundert an, zuckte dann aber mit den Schultern. Er kehrte noch schnell die letzten Scherben zusammen eher er sich zu mir auf die Couch begab.
„ Was magst du denn gucken? Ich hab im Grunde alles da!“ sagte er ziemlich überzeugt.
Ich überlegte, da ich in letzter Zeit genug grausame Dinge erlebt hatte war mir nicht nach einem Horrorfilm, aber eine Komödie das wär´s doch.
„ Hast du 50, erste Dates?“ fragte ich vorsichtig.
Er grinste mich schief an. Dann griff er nach der Fernbedienung und schaltete den Fernsehen an.
„ Den hab ich gestern schon geschaut, deshalb liegt er noch im Player nicht das du dich wunderst. Ich kann mich kaputt lachen über diesen Film!“
Ich freute mich. Chris rückte ein Stück an mich heran. Er roch wirklich gut, auch wenn ich nicht sagen konnte welches Parfum er trug, ich mochte es jetzt schon.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und legte meinen Kopf auf seine Brust und machte es mir bequem zum Film gucken.
Ich hörte wie sein Herz schneller schlug und sein Atem kurz stockte. Aber er beruhigte sich schnell.
Er kraulte mir während des ganzen Films den Rücken. Ich fand es schön, aber leider war der Film schon zu Ende.
Ein ziemlich trauriger Blick traf mich.
„ Willst du heute vielleicht hier übernachten?“ fragte er schüchtern.
„ Nein, das geht nicht, meine Eltern wissen nicht Bescheid und außerdem habe ich doch gar keine Sachen dabei!“ sagte ich bestimmt aber freundlich.
Mit gesenktem Kopf seufzte er.
„ Dann muss ich dich wohl langsam nach Hause fahren. Ich muss morgen wieder in der Kaserne sein. Ich hab Wachdienst. Ach das ist doch alles blöd!“ ärgerte er sich.
Ich nahm seine Hand und lächelte ihn an.
„ Ist doch kein Problem ich bin doch nicht aus der Welt. Wir können uns ja beim nächsten Mal mehr Zeit nehmen, okay?!“ erwiderte ich aufmunternd.
Er lächelte mich an und nickte.
Ich zog meine Jacke an und wollte gerade in Richtung Flur gehen, als seine Hand auf meiner Schulter lag und er mich langsam zu sich drehte. Seine Augen blitzen förmlich und meine Knie wurden weich. Er nahm mich in den Arm und flüsterte mir ins Ohr
„ Ich hab dich endlich gefunden!“
Total perplex und sprachlos stand ich da. Hatte dieser junge Mann mir gerade seine Liebe gestanden obwohl wir uns erst seit heute persönlich kennen?
Unfähig etwas sagen zu können stand ich vor ihm. Erneut fiel ich ihm um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er guckte mich ein wenig traurig an, aber warum?
Seine Hände nahmen mein Gesicht vorsichtig auf und hielten es sanft fest. Seine Augen fixierten mich. Er kam mir langsam näher. Sein Atem streifte meinen Hals. Ich seufzte. Endlich trafen seine Lippen meine und es war wie ein unausgesprochener Schwur. Wir würden uns nie trennen.
Mein Herz raste, mein Atem beschleunigte sich und ich merkte wie meine Knie jetzt wirklich nachgaben, aber hatte mich so fest in seinem Arm, dass er mich einfach festhielt.
Im nächsten Augenblick nahm er mich auf den Arm und grinste von einem Ohr zum anderen.
„ So my Lady, ich fahre sie nun nach Hause, damit sie ihren wohlverdienten Schlaf bekommen“
Er trug mich bis zum Auto auf seinen Armen. Normalerweise war mir so etwas unangenehm, aber ihm fühlte ich mich vollkommen sicher.
Gentleman like öffnete er mir die Tür des Autos. Ich machte einen Knicks, als Zeichen meiner Dankbarkeit. Als er dann auch ins Auto sprang schauten wir uns beide an. Unweigerlich musste ich laut loslachen und er stimmte direkt mit ein.
Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr so gelacht, dass ich jetzt schon von der kurzen Zeit des Lachens Bauchschmerzen bekam.
Kichernd fuhr er mich nach Hause. Die Fahrt war für meinen Geschmack viel zu kurz. Ich wollte noch nicht gehen, aber es musste sein. Und so wie er mich ansah wollte er sich auch noch nicht trennen.
Er fuhr bis vor meine Haustür und stellte den Motor ab. Langsam drehte er sich zu mir und sah mir mit Trauer aber auch mit einem Lächeln auf den Lippen entgegen.
„ So meine Schöne, leider ist die Zeit für heute vorbei. Ich wünschte sie wäre nicht so schnell vergangen, aber leider muss ich Arbeiten. Sehen wir uns am Sonntag?“
„ Klar, gerne. Ich würde mich freuen.“ Das Blut schoss mir ins Gesicht.
Sein Finger streichelte sanft meine Wange und kam dann unter meinem Kinn zum Stehen. Sachte zog er mich zu sich heran. Er gab mir einen zärtlichen Kuss voller Leidenschaft.
„ Was glaubst du eigentlich wie ich jetzt nach diesen Kuss hier aussteigen soll?“ prustete ich los.
„ Am besten gar nicht!“ raunte er.
Ich stieg aus ohne mich noch einmal umzuschauen und rannte ins Haus. Mein Körper kribbelte nur so vor Glück. Dieses Gefühl hatte ich noch nie.
Nachdem ich mich immer noch lachend fürs Bett fertig gemacht habe ging ich in mein Zimmer. Gedankenverloren sah ich aus dem Fenster und sagte in Gedanken *Danke* und hoffte das Peter egal wo er auch sei es hören würde.
Dann legte ich mich in mein Bett und schlief ein.
…Ein Wald bei Nacht, das war das Bild was ich als Erstes sah. Über mir sternenklare Nacht. Überall liegt Schnee, aber mir ist trotz meines T-Shirts und der kurzen Hose, die ich trage, nicht kalt. Es ist ein sonderbares Bild. Ich kann trotz der Dunkelheit alles genau erkennen. Ich höre in der Ferne eine Straße. Ich stehe still und sehe mich um. Ich versuche so viel von diesem Ort in mich aufzunehmen. Hinter mir erklingt das Knacken eines Astes. Langsam drehe ich mich dem Geräusch entgegen. Ich sehe einen Mann der mit dem Rücken zu mir steht. Er scheint gebückt zu stehen. Sofort überkommt mich eine Sorge um ihn, obwohl ich nicht weiß wer er ist. Einen Augenblick später richtet er sich auf.
Erschrocken fällt sein Blick auf mich. Peter. Er ist extrem blass und sein Gesicht wirkt angespannt. Seine roten Augen fixieren mich, wie ein Raubtier seine Beute fixiert, bevor es angreift. Doch dann kehrt Erkenntnis in seinen Blick, seine Züge werden weicher und er lächelt ich an. Ich taumle geschockt zurück. Seine Zähne blitzen im Mondlicht, große scharfe Eckzähne.
„Verzeihung, mi guapa. Ich wollte dir keine Angst einjagen, aber das ist das was ich bin. Gefährlicher als jedes Monster das du kennst. Ich wurde geschaffen um Menschen zu töten, aber die könnte ich nie etwas tun. Du bist mein Leben.“
„ Aber wie könnte ich dein Leben sein. Du hast mich verlassen. Außerdem habe ich einen Mann kennengelernt, so wie du es für mich vorausgesehen hast. Ich leide, merkst du das nicht. Und was meinst du damit ´du bist schlimmer als jedes Monster´?“
„ Sieh mich doch an. Ich könnte dich auf der Stelle töten und du würdest es nicht mal merken. Ich bin ein Vampir, Tina. Du solltest fort gehen und nicht zu mir zurückkehren. Ich würde dich töten, auch wenn ich es nicht will.“
„ DU mich töten? Das glaubst du doch selbst nicht“ flüsterte ich und ging einen Schritt auf ihn zu. Er wich zurück.
„Ja, versteh doch es ist nicht mehr meine Welt in der du lebst. Du hast mich sterben sehen und das werde ich mir nie verzeihen.“ Sein Blick senkte sich.
„ Peter, du gehörst zu mir! Ich kann dich nicht einfach vergessen. Was ist nur mit dir passiert? Was wurde nur aus dir gemacht?“
Ich konnte es einfach nicht verstehen. Peter, ein Vampir. Das würde natürlich erklären warum er so blass war, seine Augen so rot und seine Haut so kalt. Wie konnte er glauben, dass ich jetzt wo ich wusste was er war, daran hatte ich keine Zweifel, einfach mein Leben weiterleben würde ohne ihn. Das war einfach nicht möglich.
„ Tina, du bist mein Leben und wirst es auch bleiben, aber ich bin gefährlich. Ich werde immer bei dir sein, dass weißt du. Aber du sollst ein normales Leben führen. Einen Mann hast du doch schon gefunden….“
Er sprach nicht weiter. Ich hatte das Gefühl innerlich zerrissen zu werden. Wollte er, dass ich ihn aus meinem Leben einfach strich. Wir könnte ich mit Chris glücklich sein, wenn ich ihn vergessen würde.
Ein Lächeln umspielte seinen Mund.
„ Ach Kleines, wie ich dich kenne, wie ich dich kenne wirst du sowieso nicht aufgeben, oder?“
„ Nein, ich werde um das kämpfen was ich zum Leben brauche!“
„ Na gut wie du willst.“
Plötzlich verschwand er. Mein Blick war wieder getrübt, wie der jedes normalen Mensch. Ich stand allein in der dunklen Nacht im Wald. Er hatte mich verlassen.
Ich wachte schweißgebadet auf. Verwirrung überkam mich. War das jetzt wirklich nur ein Traum oder war Peter wirklich ein Vampir. Und wenn ja, warum habe ich nie etwas davon gemerkt. Wie wurde er zum Vampir? Und wie kommt er damit klar? Tausende von Fragen schwirrten in meinem Kopf, doch es war niemand da der sie mir beantworten konnte.
Einsamkeit umhüllte mich. Mir wurde schrecklich kalt. Ich zitterte am ganzen Körper. Mir wurde schwindlig. Ich schloss die Augen doch es wurde nicht besser. Ich geriet langsam in Panik, weil ich nicht wusste was mit mir geschah. Ich beschloss einen kurzen Spaziergang zu machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dieser Traum war einfach zu viel für mich.
Ich zog mir einen dicken Pullover über und eine Jogging-Hose und ging hinunter in den Flur. Sollte ich wirklich rausgehen? Es waren Minusgrade draußen. Aber ich hatte einen Entschluss gefasst. Ich würde versuchen Peter noch einmal zu treffen und ihn mit meinem Wissen zu konfrontieren.
Ich brauchte eine Bestätigung, sei es nun das meine Traum die Wahrheit wiedergab oder ich schlicht weg Halluzinationen hatte.
Draußen war es so dunkel, wie ich es selten erlebt habe, dennoch versuchte ich ruhig zu atmen und ging den mir mittlerweile bekannten Weg in Richtung Wald. Niemand war auf den Straßen meiner kleinen verträumten Stadt zu sehen, nicht einmal ein Auto fuhr die Hauptstraße entlang. Es begann zu schneien. Ich beschleunigte meine Schritte. Mein Atem stieß weiße Wolken vor mir aus. Ich bemerkte, jetzt wo ich draußen war die Kälte kaum. Mein Ziel lag klar vor meinem inneren Auge.
Als ich am See entlang trabte um zu „meiner“ Stelle im Wald zu gelangen machte ich kurz halt. Ich beobachtete den See. Ruhig lag er vor mir. Nur hier und da wurde die Oberfläche durch einen Fisch aufgebrochen. Ich verlor mich einen Augenblick bei diesem Bild. Nach einem tiefen Atemzug fasste ich all meinen Mut zusammen und ging weiter.
Die Kälte brannte auf meiner Haut. Ich spürte meine Fingerspitzen kaum noch, aber das war mir egal. Mein Blick wanderte durch das fast undurchdringliche Schwarz der Nacht, welches nur durch den liegen gebliebenen Schnee etwas aufgehellt wurde. Diese Szenerie kam mir unweigerlich bekannt vor.
Ich trat noch ein paar Schritte vor, als es plötzlich hinter mir knackte. Erschrocken drehte ich mich um. Doch im Unterschied zu meinem Traum sah Peter mich direkt an. Große Trauer, aber auch ein Funken Hoffnung spielgelte sich in seinen Augen wieder.
„ Was machst du hier? Ich hatte dich gebeten nicht mehr hierher zurückzukehren!“ knurrte er mich an.
„ Peter, ich muss es wissen. Bist du ein Vampir?“ fragte ich frei gerade aus.
Seine Augen wurden groß und er schien einen Moment wie durch mich hindurchzusehen. Dann durchzog ein kaum sichtbares Schütteln seinen Körper.
„ Weißt du überhaupt was du da sagst? Weißt du was dieses Wissen für dich bedeuten könnte? Und wie kommst du überhaupt darauf?“
„ Ich…, ich..“ meine Stimme brach, was meinte er damit, was es für mich bedeuten würde. Für mich würde es bedeuten, dass ich weiß das er lebt, irgendwie und das ich auf diese Weise für immer bei ihm sein könnte. Ich nahm einen neuen Anlauf.
„ Ich habe es geträumt. Du hast mir gesagt was du bist, aber du hast auch gesagt es ist gefährlich. Ich möchte dich doch einfach nicht verlieren. Peter, meine Welt ist zusammengebrochen als du ….gestorben bist. Einen neuen Abschied von dir würde ich nicht überleben!“ schrie ich schon fast. Die Verzweiflung holte mich wieder ein.
Er sah mich bestürzt an, dann flammte Freude in seinen Augen auf.
„ Du würdest wegen mir sterben? Das brauchst du nicht, ich bin am Leben wie nie zu vor, nur auf eine andere Weise.“
„ Kannst du mich nicht zu dir holen, dann könnten wir für immer zusammen sein, so wie wir uns das in so vielen Nächten ausgemalten haben!“ fragte ich bedrückt.
„ Ja ich weiß, was ich damals gesagt habe, aber nun ist es etwas anders. Du hast Chris kennengelernt. Er ist der dem dein Herz gehört, das weiß ich. Und ich würde es nicht übers Herz bringen seine Zukunft mit dir zu beenden bevor sie überhaupt begonnen hat. Kannst du dich noch an deinen Traum erinnern, indem du mit ihm und einem kleinen Jungen spazieren gegangen bist? Dieser kleine Junge, wartet nur darauf durch dich geboren zu werden. Als Vampir kannst du keine Kinder bekommen!“
Ich wusste auf was er hinaus wollte, aber warum war die Geburt dieses kleinen Jungen so wichtig für ihn. Es werden so viele Kinder Tag täglich geboren, warum war es so entscheidend, dass ich ihn gebären musste?
„ Peter, ich kann und will nicht ohne dich sein.“ Ich begann zu weinen.
„ Ich werde dich holen, wenn es soweit ist und bis dahin werde ich immer für dich da sein, auch wenn es mir schwer fällt.“
Jetzt war ich endgültig verwirrt. Erst sagt er ich solle ein Kind bekommen, aber dann würde er mich ohne großes Aufheben zu sich holen. Für mich wäre das in Ordnung, aber was sollte ich meinem Kind und Chris sagen. Würden sie es verstehen? Sollte ich sie mitnehmen?
Ein Luftzug ging an mir vorüber und Peter stand nun direkt vor mir. Er gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.
„ Alles zu seiner Zeit, mi guapa. Es wird alles seine Ordnung haben! Und nun zerbricht dir nicht deinen Kopf, ich werde mich um alles kümmern.“
Dann war er verschwunden und ich wieder allein.
Wie in Trance ging ich nach Hause. Mein Kopf war wie leer gefegt. Ich konnte nicht klar denken, kein Gedanke wurde für mich fassbar und eigentlich war ich auch froh darüber. Vielleicht sollte ich es einfach alles so nehmen wie es kommt, so wie es scheinbar sein sollte.
Gab es so was wie Schicksal? War meine Zukunft schon vorausbestimmt? Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken.
Als ich zuhause ankam ging ich ohne Umschweife ins Bett. Doch diese Nacht fand ich nicht mehr in den Schlaf. Ich lag zwar regungslos und mit geschlossenen Augen im Bett doch schlafen konnte ich nicht. Es war nicht mal so, dass ich über etwas nachdachte, aber ich war total aufgewühlt. Meine Gefühle taumelten zwischen Glück, dass es Peter gut ging und Angst um meine Zukunft.
Um 9 Uhr bekam ich eine SMS von Chris.
*Hallo meine Süße. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt und du hast gut geschlafen, aber ich möchte dir sagen, dass ich dich unheimlich vermisse und ich mich jetzt schon freue wenn ich dich wieder in den Arm nehmen kann. Ich glaube ich kann sagen Ich liebe Dich!“
Mein Herz wurde von einem warmen Mantel umschlossen und Glück floss durch jede Zelle meines Körpers. Chris schaffte es mich mit diesen kleinen Worten so unendlich glücklich zu machen. Ich konnte es kaum abwarten zu ihm zu kommen.
*Wann hast du Feierabend. Würdest du mich direkt abholen?*
Schrieb ich ohne auf seine Worte einzugehen.
*Ich bin um 16 Uhr bei dir….*
Ich wollte ihm persönlich sagen, wie es um meine Gefühle zu ihm steht.
Ich ging ins Bad und duschte heiß, erst jetzt merkte ich, dass mir die Kälte aus der Nacht im Wald immer noch in den Knochen steckte. Ich versuchte es vorerst zu verdrängen.
Als ich am Frühstückstisch ankam saß nur noch meine Mutter da. Sie sah mich an und war sichtlich erfreut als sie mich erblickte.
„ Guten Morgen mein Schatz. Gut siehst du aus. Wie geht’s dir?“
„ Danke gut, du Mutti? Ich wollte dich was fragen…“
Sie sah mich einen Moment erschrocken an, doch dann wurden ihr Züge wieder weicher.
„ Was möchtest du denn?“
„ Kann ich heute Nacht bei Chris schlafen. Ich weiß ich habe ihn erst kennengelernt und du kennst ihn noch nicht, aber ich glaube er ist der Eine. Und ich verspreche dir nichts Unanständiges zu tun. Ich möchte einfach nur bei ihm sein“
Sie wirkte nachdenklich und es verging bestimmt eine Minute ehe sie mir antwortete.
„ Also wenn es das ist was du für dich als wichtig empfindest, denke ich solltest du es tun.“
Die Unterstützung in ihren Worten machte mir Mut. Ich lächelte sie dankbar an. Und setzte mich zu ihr um ein ordentliches Frühstück zu essen.
Nach eine halben Stunde war ich so satt, dass ich dachte ich müsse platzen. Meine Mutter sah mich sehr zufrieden an. Sie war sichtlich erfreut, dass es mir wieder gut ging.
Die Zeit bis zum Nachmittag verging wie im Flug. Ich half meiner Mutter ein bisschen im Haushalt und machte noch meine Hausaufgaben, damit ich morgen nicht überstürzt aufbrechen musste.
Als ich gerade begann mir ein paar Sachen für die Nacht zusammen zu packen klingelte mein Handy.
*Hey Süße, Ich bin schon da.*
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und mein Herz begann zu rasen. Ich schmiss noch schnell die restlichen Sachen in meine Tasche und sprang die Treppe runter. Ich wollte keine Zeit mehr verlieren. Ich wollte nur noch zu ihm. Meine Mutter lächelte mich an.
„Viel Spaß mein Schatz und wenn was ist ich nehme mein Handy mit ans Bett“
Das sagte sie nicht, weil sie sich Sorgen um mich machte, sondern einfach um mir ein Gefühl von Sicherheit geben. Ich war dankbar dafür.
„ Danke“ war das einzige was ich sagen konnte und lief auch schon zur Tür raus.
Chris stand an seine Motorhaube gelehnt auf dem Parkplatz gegenüber von meinem Haus. Als sein Blick mich traf setzte mein Herzschlag einen Moment lang aus, um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen. Er setzte sein breitestes Grinsen auf und kam mir ein Stück entgegen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss. Ich wurde unsicher, immerhin musste ich Chris auch noch Fragen ob es für ihn in Ordnung wäre, wenn ich bei ihm übernachte.
„ Hallo Mäuschen, schön dich endlich wieder in meiner Nähe zu haben. Irgendwie hast du mir total gefehlt.“
„ Du mir auch. Du sag mal, ist es Okay wenn ich bei dir übernachte?“ fragte ich dem besten Hundeblick den ich drauf hatte.
Sein Grinsen wurde noch breiter.
„Na klar, was für eine Frage“ kopfschüttelnd nahm er mich wieder in den Arm. „ So was brauchst du mich nie wieder fragen, bei mir bist du immer willkommen.“
Die Wärme seiner Worte drang bis tief in mich ein. Ich fühlte mich wie berauscht durch seinen Geruch. Ich entwich seinen Armen und lief um sein Auto herum und stieg ein. Chris stand noch einen Moment vor dem Auto und sah mir nach. Unwillkürlich überkam mich ein Lachanfall bei der Grimasse die er zog. Als auch er sich dann endlich in Bewegung setzte und sich zu mir setzte, konnte auch er sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Ein letzter Blick traf mein Elternhaus und ich sah wie meine Mutter in der Tür stand und mir mit Tränen in den Augen und einem breiten Lächeln auf den Lippen zum Abschied winkte. Sie war sichtlich erfreut, dass ich mein Lachen wiedergefunden hatte.
Mit einem breiten Lächeln strahlte Chris mich an.
„Können wir los?“
Mit einem kaum sichtbaren Nicken stimmte ich zu. Seine Hand nahm meine behutsam auf. Hand in Hand fuhren wir die 20 Minuten zu ihm. Wir schwiegen über die Fahrt, aber ich hatte das Gefühl, dass Chris lächeln immer breiter wurde je näher wir zu eine Wohnung kamen.
„ Warum grinst du so?“ brach es förmlich aus mir heraus.
„ Überraschung! Du wirst schon sehen, aber ich denke du wirst dich darüber freuen.“
Ich hätte nie gedacht, dass sein Grinsen noch breiter hätte werden können. Aber es war süß ihn so zu sehen. Mein Puls beschleunigte sich und ich bemerkte wie meine Wangen rot wurden. Wie schaffte er das nur, mich mit einem einfach Lächeln so aus der Bahn zu werfen.
„ Ach nun sag schon… Ich bin doch so neugierig“ schmollte ich gespielt.
Er schüttelte den Kopf und ging nicht weiter darauf ein und wir schwiegen für den Rest der Fahrt.
Nachdem er den Wagen geparkt hatte sprang er um sein Auto herum und öffnete mir die Tür und half mir beim Aussteigen. *Ein echter Gentleman* dachte ich belustigt und konnte mir ein kichern nicht verkneifen. Er zog die Augenbrauen zusammen und sah mich fragen an.
„ Was ist los? Hab ich irgendwas gemacht?“ er schien verunsichert.
„ Nein, nein, alles gut, ich freue mich nur, dass ich bei dir sein darf. Es macht mich irgendwie glücklich. DU tust mir gut!“
Stolz drückte er seinen Rücken durch. Im nächsten Moment nahm er mich in den Arm und küsste mich mit einer Leidenschaft, die ich bis dahin in meinem Leben nie gespürt hatte.
Nach Atem ringend löste ich mich von ihm. Ich hatte die Augen immer noch geschlossen und versuchte den Moment so lange wie möglich auszukosten. Schwindel überkam mich und ich merkte wie meine Knie langsam unter mir nachgaben. Chris Arme schlossen sich fester um meinen Körper, scheinbar hatte er es bemerkt.
„ Was ist los, Süße?“ fragte er alarmiert.
„ Du haust mich einfach von den Socken.“ Ein unsicheres Lächeln trat auf meine Lippen.
Kurzerhand nahm er mich auf den Arm und trug mich zur Wohnung. Entgegen meines Inneren Widerstrebens sagte ich nichts, aber ich brauchte es auch nicht, denn ich fühlte mich absolut sicher in seinen Armen. Dieses Gefühl war für mich ungewohnt. Sicherheit in dieser Form kannte ich bisher nur, wenn ich bei Peter war.
Augenblicklich überkam mich Trauer. Die Leere in meinem Inneren droht mich wieder zu überkommen. Ich versuchte sie zurückzudrängen, doch es wollte mir nicht recht gelingen. Tränen traten in meine Augen. Als Chris mich ansah trat Bestürzung in seinen Blick.
„ Was hast du Schatz? Ist irgendwas passiert?“
Er versuchte mich aufmunternd anlächeln, aber es erschien nur eine Grimasse auf seinem Gesicht.
„ Ich bin nur so glücklich dich kennengelernt zu haben“ versucht ich ungeschickt abzulenken.
Ich wollte ihm nicht erzählen, was mir passiert war. Eigentlich sollte ich in diesem Moment glücklich sein. Sein Blick, der die ganze Zeit auf mir haftete änderte sich. Er sah mich an und ich bemerkte, dass er wusste, dass etwas anderes in mir vorging. Aber er fragte nicht weiter nach.
Mit mir im Arm schloss er die Tür auf und trug mich zur Couch um mich dort langsam abzulegen und gab mir einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn.
Der Versuch meinen Tränen niederzukämpfen und ein ernstes Lächeln zu Stande zu bringen glückte mir endlich. Eine Art Erleichterung überkam mich. Dennoch wagte ich nicht noch nicht aufzustehen.
„ Was machen wir heute? Und wo ist meine Überraschung?“ versuchte ich mit immer noch belegter Stimme, das Thema endgültig zu wechseln.
Chris bedeutete mir einen Moment zu warten und verließ das Zimmer. Nach einer Gefühlten Ewigkeit kam er mit hinter dem Rücken versteckten Armen wieder zurück ins Wohnzimmer und grinste mich breit an.
„ Rate….“ Grinste er.
Was soll ich denn jetzt raten? Ich hatte nicht mal ansatzweise eine Ahnung was er da hatte.
„ Keine Ahnung, nun sag schon“ nörgelte ich.
Er holte eine kleine Schachtel hinter seinem Rücken vor und überreichte sie mir schon fast feierlich. Mein Blick wandte sich auf die Kleine in schwarzen Samt gefasst Schachtel. Vorsichtig öffnete ich sie und meine Augen wurden groß.
In der Schachtel lagen 2 dünne silberfarbene Ketten mit jeweils einem halben Silberherzen. Auf dem einen war ein T und auf dem anderen ein C eingraviert.
„ Oh sind die schön, komm her“ wedelte ich ihn mit der Hand zu mir.
„ Gefallen sie dir? Die hab ich vorhin noch schnell besorgt.“ Sagte er stolz.
Ich stand nun doch auf und bemerkte zu meiner Erleichterung, dass ich wieder sicher stehen kann. Langsam nahm ich die Kette mit dem eingravierten T aus der Schachtel und bedeutete Chris, er solle sich klein machen, damit ich ihm die Kette umlegen konnte.
Irgendwie hatte dieser Moment fast etwas Feierliches. Nachdem auch er mir die Kette um den Hals gelegt hatte, nahm er mich in den Arm.
„ Und? Überraschung gelungen? Ich weiß, es geht vielleicht alles ein wenig schnell, aber ich bin mir so sicher mit dir, dass ich es mir selbst nicht erklären kann…“ sagte er nachdenklich.
„Ich weiß, aber mir geht’s genauso. Warum auch immer, aber ich glaube du bist der EINE! Und deine Überraschung ist mehr als gelungen!“ freute ich mich.
Er ließ mich wieder los und ging aus dem Wohnzimmer, als er wieder kam hatte er einen Berg Bettwäsche auf dem Arm.
„ Na gut, du kannst im Bett schlafen, ich schlafe dann hier.“ Grinste er.
Spielend empört sagte ich
„ Wie du willst nicht bei mir schlafen? Ich friere doch immer so schnell. Aber gut, wenn du nicht in meine Nähe sein willst, dann ist das so!“ Ich schürzte die Lippen.
Erschrocken ließ er die Bettwäsche auf den Boden fallen.
„ Meinst du das ernst? Ich möchte dich zu nichts drängen….“ Stotterte er.
„ Ich möchte es aber. Ich kann keinen Moment länger als nötig von dir getrennt sein. Du machst mich einfach glücklich.“ Ich versuchte so viel Ernst wie möglich in meine Worte zu legen.
Ein Funkeln erschien in Chris´ Augen. Er sprang auf mich zu und hob mich in seinen Arm und drückte mir stürmisch seine Lippen auf. Ich wehrte mich nicht gegen ihn und erwiderte seinen Kuss. Die Zeit die verging konnte ich nicht einschätzen, aber als ich auf die Uhr sah war ich fast erschrocken. Es war bereits kurz vor 6. Hatten wir jetzt echt 1 Stunde so Arm in Arm gelegen?
Chris schien weniger erschrocken zu sein, in seinem Gesicht spiegelte sich eine tiefe Zufriedenheit wieder.
„ Was möchtest du essen? Du siehst aus als könntest du gut was vertragen.“
„ Hmm was hast du denn da? Oder soll ich uns schnell was kochen?“
„ Bei mir brauchst du nicht kochen. Wir können auch was Essen gehen. Oder wir bestellen uns was.“ Sagte er völlig überzeugt.
Ich überlegte auf was ich Hunger hatte, aber im Grunde hatte ich keinen Appetit, aber ich wollte ihn nicht enttäuschen.
„ Hmm, wie wäre es, wir gehen schnell einkaufen und ich mach uns Sandwiches.“
Ja, dass könnte ich jetzt gut essen und es ist schnell gemacht.
„ Ja, das können wir auch machen. Wollen wir gleich los?“
„ Nein , nein. Du bleibst hier, ich geh schnell alleine los“ sagte ich und war auch schon auf dem Weg zum Flur.
„ Kommt ja gar nicht in Frage. Ich bleibe an deiner Seite.“ Kicherte er und nahm mich in den Arm. Wir entschieden zu Fuß zum nächsten Laden zu gehen. Arm in Arm schlenderten wir die Straße entlang. Von außen betrachtet sahen wir bestimmt nicht so aus als würden wir uns erst 2 Tage kennen.
Im Laden angekommen schmiss ich ein paar Zutaten in den Korb, welchen Chris trug und mir damit hinterher tigerte und jede meiner Bewegungen genau beobachtete. An der Kasse wollte ich grade mein Portemonnaie aus meiner Tasche kramen, als er mich am Arm festhielt und lächelnd den Kopf schüttelte.
„ Ich mach das schon.“ Sagte er nur.
Ich grinste ihn an und ließ in bezahlen. Die Verkäuferin an der Kasse sah uns beide lächeln an. Scheinbar spürte sie förmlich unser Glück und freute sich für uns. Ich packte alles in eine Tüte und wollte grade losgehen, als Chris mir die Tüte abnahm und mich schon fast etwas genervt ansah.
„ Mäuschen, wenn wir beide zusammen sind brauchst du auch nichts tragen.“
Ich wurde rot, irgendwie war es mir unangenehm. Ich war schon immer selbstständig gewesen und habe solche Sachen immer selber gemacht. Es war einfach ungewohnt für mich, diese Sachen aus der Hand zu geben. Ich funkelte ihn an.
„ Ich kann doch auch was tragen, oder sehe ich so aus als wenn ich gleich zusammenbrechen würde?!“
„ Das nicht unbedingt.“ Er musterte mich von oben bis unten „ Aber dafür bin ich doch jetzt da, ich mach es doch gerne für dich.“ Versuchte er mich wieder zu beruhigen.
Ich überließ ihm ein wenig widerwillig die Tüte und ging voraus. Ich war schon ein bisschen verärgert, obwohl ich es mehr als süß von ihm fand, aber ich konnte nicht so recht aus meiner Haut. Seine Hand griff nach meiner und er zog mich wieder an sich heran.
„ Wo willst du denn hin?“ er klang verunsichert.
Ich sagte nichts sondern vergrub mein Gesicht für einen Moment an seiner Brust. Er sollte nicht sehen, dass ich mich für mein Verhalten schämte. Es war mir unangenehm, dass ich so kindisch reagiert hatte.
Chris nahm mich in den Arm und küsste mein Haar. Es war ein Gefühl von tiefer Geborgenheit, die ich verspürte, wenn ich mich in seinem Armen befand.
„ Können wir weiter?“
Seine Frage klang ungeduldig.
„ Hast du schon so großen Hunger?“ spielte ich auf seine Frage an.
Er nickte grinsend und rieb sich zur Unterstreichung seiner Antwort den Bauch. Ich konnte mich nicht beherrschen und lachte laut los. Mit der Tüte in der Hand verschwand ich in seiner kleinen Küche und begann das Essen vorzubereiten, während Chris sich zu mir gesellte und mir über die Schulter sah.
Nach 10 Minuten waren die Sandwiches schon fertig und ich legte sie hübsch angerichtet auf einen großen Teller, den Chris mir zuvor gereicht hatte. Wir gingen in das Wohnzimmer zurück und setzen uns auf die Couch und aßen.
Anschließend lagen wir beide völlig gesättigt auf der Couch. Ich kraulte Chris den Nacken und er schloss die Augen. Ich schaltete ein wenig im Fernsehen umher, bis ich auf eine Interessante Dokumentation traf, sie handelte von Menschen die glaubten sie seien Vampire und um allgemeine Mythen zu Vampiren und zu ihrer Entstehung. Ich sah mir diese Dokumentation interessiert an und erkannt einige Parallelen zu Peter.
Chris schien eingeschlafen zu sein, sein Atem war flach und regelmäßig. Vorsichtig stand ich auf um ihn nicht zu wecken und holte aus seinem Schlafzimmer eine Decke, mit welcher ich ihn zudeckte, damit er nicht fror. Ich tigerte durch die Wohnung und wollte mir eine Beschäftigung suchen, als mein Blick auf einen Computer fiel. Ich schaltete ihn ein und wartete geduldig bis er hochgefahren war. Nach einem Moment indem ich mich erst mal zu Recht finden musste startete ich das Internet und versuchte einiges über Vampire und über die Legenden dazu herauszubekommen.
Die einzigen Zusammenhänge die ich überall fand waren die Eigenschaften die Vampire haben sollten.
Sie waren alle unfassbar schnell, hatten kalte blasse Haut, die Augen waren rot verfärbt von dem Blut, welches sie tranken um zu überleben, sie besaßen über extreme Kräfte und sie waren empfindlich gegen das Sonnenlicht.
Ich erschrak, als ich genauer darüber nachdachte und auch bei Peter zum Teil diese Eigenschaften gesehen hatte. Er tauchte aus dem nichts auf, war blass und hatte rote Augen und ich hatte ihn bisher nur nachts bzw. wenn es dunkel war gesehen.
Außerdem stand in einem Forum, dass Vampire alles dafür tun würden um ihre Existenz geheim zu halten. Meinte Peter, dass mit mein Wissen war gefährlich für mich. Aber mit wem sollte ich denn darüber reden, dann würden mich ja endgültig alle für verrückt erklären.
Plötzlich hörte ich ein stöhnen aus der Wohnstube. Ich ging leise den Flur zurück und entdeckte Chris schlaftrunken auf der Couch sitzen, der sich grade die Augenrieb und sich scheinbar wunderte warum er allein auf der Couch lag. Als er mich erblickte breitete sich ein herzliches Lächeln auf seinem Gesicht aus.
„ Also habe ich doch nicht nur geträumt, es ist also wahr du bist hier bei mir..“ flüsterte er so leise, dass ich es fast gar nicht verstand.
Verwirrung machte sich in mir breit. Dachte er wirklich er hätte nur von mir geträumt? Sollte ich vielleicht gar nicht hier sein? War es falsch was hier passierte?
Zweifel durchfuhren mich. Ich geriet in eine unterschwellige Panik.
„ Ja doch ich bin hier. Soll ich gehen?“ stotterte ich.
Erschrocken riss er die Augen auf?
„Nein, bleib bei mir, du bist das Beste was mir je passiert ist!“ schrie er mich fast an und stürzte auf mich zu. Er drückte mich so fest an sich, dass ich beinahe keine Luft mehr bekam.
„ Ich….kriege… keine …Luft“ keuchte ich mit dem verbliebenen Rest Luft aus meinen Lungen.
Doch er ließ nicht von mir ab. Ich hatte das Gefühl ihn schluchzen zu hören.
„ Bitte verlass mich nicht. Ich brauche dich“ flehte er mich an.
Ich versuchte seine Umarmung zu erwidern, um ihn irgendwie zu beruhigen, denn so langsam ging mir wirklich die Luft aus. Und tatsächlich lockerte sich sein Griff um mich und ich spürte seinen heißen Atem an meinem Hals.
„ Ich liebe dich für immer!“ hauchte er mir zu.
Langsam beruhigte ich mich wieder, aber ich war mir immer noch nicht so sicher, ob das alles hier richtig war.
Peter sagte, etwas davon, dass es wichtig war das ich ein Kind gebären solle. Aber warum?
Ich beschloss so gut es ging meine Gedanken los zu werden und einfach an die Zeit mit Chris dachte. Es war schön in seiner Nähe zu sein, aber gleichzeitig machte mir diese Vertrautheit einfach nur Angst, ich kannte ihn ja schließlich kaum.
Wir lösten uns voneinander und Chris führte mich zum Schlafzimmer, wo er sich ohne langeumschweife einfach ins Bett fallen ließ und demonstrativ auf den Platz neben ihm klopfte.
„Komm her zu mir…“
Unsicher trat ich auf das Bett zu, um dann doch nochmal in den Flur zu gehen um meine Tasche mit meinem Schalfanzug zu holen. Ich flitze ins Bad zog mich um und ging zurück zu Chris und lächelte ihn an. Seine Augen wurden groß
Ich hatte mir ein kleines schwarzes Negligee angezogen, welches jetzt meinen Körper umspielte. Da die Fenster geöffnet waren, zog ein kleiner Luftzug durch das Zimmer und strich durch mein Haar. Gleichzeit zog mir Chris´ Parfum in die Nase. Mit einem tiefen Atemzug inhalierte ich ihn und versuchte meinen Kopf frei zu bekommen. Die Aufregung legte sich allerdings nicht und mir schoss das Blut in die Wangen.
Chris sah mich etwas Scheu an und flüsterte
„ Ich will nicht, dass du was tust was du nicht willst….“
Tränen traten in meine Augen, doch ich wusste nicht warum. Im Grunde war ich gar nicht traurig. Eigentlich ging es mir gut, ich war nur verunsichert, was ich mir dabei gedachte hatte mir so etwas anzuziehen.
Chris sprang auf und nahm mich fest in den Arm. Er begann mich zu wiegen und langsam konnte ich mich beruhigen. Langsam hob er mich auf seine Arme und trug mich zum Bett und legt mich hinein, aber entgegen meiner Erwartung legte er sich nicht zu mir, sondern setzte sich vor das Bett und sah mich verträumt an während er mir über das Gesicht strich um meine Tränen weg zu wischen.
Leise begann er etwas zu Summen. Erst nach ein paar Minuten kam mir die Melodie bekannt vor. Es war das Lied welches Peter noch im Wrack des Unfallwagens gesummt hatte um mich zu beruhigen. Und wieder wirkte diese sanfte Melodie und trug mich fort. Ich fühlte eine alles ummantelnde Ruhe, schloss die Augen und versuchte alles um mich herum bewusst wahrzunehmen, jede Berührung von Chris in mich aufzunehmen.
Ich trieb ab, die Geräusche um mich herum entfernten sich bis sie schließlich ganz verschwanden.
Ein Traum nach dem anderen jagte mich durch die Nacht. Es begann mit dem Unfall mit den erschreckenden Details, dass es mich fast in den Wahnsinn trieb. Ich hörte wieder meine kleine Melodie, doch als der Traum wechselte hört sie nicht auf. Auf der Lichtung im Wald fand ich mich wieder. Wie eine außenstehende Person schaute ich aus einiger Entfernung zu wie ich gegenüber von Peter stand. Es schien als wollte ich auf ihn zugehen, aber er wich vor mir zurück. Er sah mein Traum-ich an und sein Blick spiegelte tiefe Verletzung wieder. Ich verspürte den Impuls auf ihn zu zu rennen, aber ich befand mich in einer Starre die mir mein Vorhaben versagte. Ein abrupter Wechsel, Chris lag neben mir im Bett, ich lag in seinem Armen, welche sich beschützend um mich schlangen. Dieses Bild machte mich glücklich.
Ich wachte auf, wagte es aber nicht die Augen zu öffnen. Wärme umfing mich und ich hörte einen langsamen und regelmäßigen Atem, was mich im ersten Moment verwirrte. Ich riss meine Augen auf und sah Chris neben mir liegen. Es schien mir als wolle mich vor irgendetwas beschützen so wie er die Arme um mich geschlungen hatte. Er hatte mich mit seiner Decke zugedeckt, während er vollkommen angezogen neben mir lag ohne Decke. Ein grinsen schlich sich auf meine Lippen. Ich beschloss noch ein wenig so liegen zu bleiben, denn es war ein schönes Gefühl.
Es war schon um elf, als ich meine Augen erneut aufschlug. Chris war verschwunden. Ich hörte aus der Küche das Radio und das Geräusch von aneinander schlagendem Geschirr. Langsam setze ich mich auf und streckte mich ausgiebig und gähnte laut. In der Küche wurde es schlagartig ruhig und ich hörte Schritte auf dem Flur.
Chris lugte um die Ecke und grinste mich an.
„ Hast du gut geschlafen, mein kleiner Engel?“
Ich räusperte mich, denn irgendwie tat mir der Hals weh.
„ Ich denke schon“ sagte ich, während ich mir den Hals rieb.
„Ich hab Frühstück gemacht, ich hoffe du hast schon Hunger?“ sagte er, wartete aber meine Antwort nicht mehr ab.
Die Sonne schien draußen und warf lustige Schatten im Schlafzimmer, durch den Luftzug tanzten sie hin und her. Ich verweilte noch einen Moment im Bett, bis ich mich aufraffen konnte und ins Bad schlurfte. Ich wusch mich und putze mir die Zähne. Als ich in den Spiegel sah, bemerkte ich, dass ich immer noch das Negligee anhatte und wurde wieder rot. Ich ging zurück ins Schlafzimmer und zog mir meine Jogginghose an und klaute mir ein T-Shirt von Chris, welches ich mir überwarf.
Es lag der Geruch von frischen Brötchen und Kaffee in der Luft. Als ich die Küche betrat war der Küchentisch voll beladen mit vielen verschiedenen Wust- und Käsesorten, Marmelade, Nutella und und und. Auf einmal war es alles gar nicht zu überblicken.
Chris stand am Herd und kochte Eier. Er sah über seine Schulter und sah mich irgendwie mitleidig an, was mich verwirrte, aber ich beschloss nicht weiter darauf einzugehen. Ich wollte den Moment einfach genießen.
Ich setzte mich und nahm die heiße Tasse Kaffee die schon bereit stand und genoss die Wärme in meinen Händen die von ihr ausstrahlten. Vorsichtig nippte ich daran. Der heiße Kaffee lief meine Kehle hinunter und ich genoss das Kribbeln im Bauch.
Endlich waren die Eier fertig und Chris setzte sich mir gegenüber.
„ Wie hast du geschlafen?“ er sah nicht auf als er mir die Frage stellte.
„Ganz gut …denke ich…. Es tut mir leid, ich weiß auch nicht was da mit mir los war.“ Stotterte ich. Das Mitleid in seinem Blick, der mich jetzt traf, war unbeschreiblich.
„ Was ist mit dir passiert? Wer ist Peter? Bitte sag es mir“ flüsterte er mit gebrochener Stimme.
Mein Herz machte einen Satz bevor es einen Moment aufhörte zu Schlagen.
„ Woher weißt du von Peter?“ schrie ich ihn fast an.
„ Du….“ Er nahm meine Hand „ Du hast die halb Nacht geschrien, immer und immer wieder diesen Namen und das du ihn nicht gehen lassen kannst.“
Er wirkte verstört. War das die Erklärung, warum mir der Hals so wehtat. Hatte er mich deshalb so fest im Arm gehalten.
Was sollte ich ihm erzählen?! Ich konnte und wollte ihm nichts von dem Unfall erzählen. Und auch das was ich von Peter wusste, durfte ich nicht erzählen, denn wenn dieses Wissen schon für mich gefährlich war, was sollte es denn für ihn sein. Das konnte ich nicht riskieren. Er war in der kurzen Zeit, die ich kannte, so sehr zu einem Teil von mir geworden. Er schien der EINE zu sein und ich konnte nicht zulassen, dass ihm irgendetwas passierte.
Plötzlich drückte er meine Hand fester. Die Zeit schien im Flug gerannt zu sein. Wie lange hatte ich meinen Gedanken nachgehangen?
„Hmm… vielleicht ein einfacher Alptraum…“ versuchte ich die Sacher herunter zu spielen.
Das Mitleid in seinen Augen schien innerlichem Schmerz zu weichen, er sah auf den Tisch und dachte nach. Was war los? Hatte ich ihn mit meiner Antwort verletzt?
„ Du musst nicht mit mir darüber sprechen, aber bitte tu mir einen Gefallen. Jag mir nachts nie wieder so einen Schrecken ein. Ich hatte das Gefühl, du schreist dein ganzes Leben heraus.“ Flüsterte er mit zittriger Stimme.
Dieser Satz brannte wie Feuer in meinen Ohren. Ich würde ihm alles versprechen, doch konnte ich es auch halten? Ich war mir nicht sicher.
„ Ich werde es versuchen, aber es gibt Dinge die in meinem Leben passiert sind, die ich dir nicht erzählen kann. Bitte lass uns nicht weiter darüber sprechen. Ich möchte die Zeit mit dir genießen.“ Meine Stimme klang ernster und strenger als ich vorhatte.
Chris schien sichtlich verletzt, aber versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Er sah mich an und setzte ein Lächeln auf, welches nicht ernstgemeint wirkte sondern eher gequält, aber ich ging darüber hinweg.
Schweigend aßen wir Frühstück. Es war eine unangenehme Stimmung im Raum. Ich versuchte uns beide abzulenken.
„ Wollen wir nachher ins Kino gehen?“ sagte ich so fröhlich wie ich konnte.
Ein Leuchten trat in Chris Augen. Er schien sich zu freuen, dass ich die Initiative ergriffen hatte.
„ Ja klar können wir machen. Ich weiß gar nicht, was im Moment im Kino läuft…“ er überlegte.
„Ach wir werden schon was Gutes finden“ sagte ich überzeugt.
Wir verbrachten den Vormittag noch auf der Couch und kuschelten. Nebenbei lief der Fernseher, aber wir bekamen nicht wirklich mit welches Programm an war. Wir waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Unsere gemeinsame Zeit verbrachten wir sehr intensiv miteinander, aber wir wagten es nicht uns zu küssen. Es war alles so unschuldig wie ein kleines Mädchen mit ihrem Kindergartenfreund.
Ungewöhnlich fand ich diese Situation schon, aber sie hatte ihren Reiz. Es schaffte eine tiefe Verbindung zwischen Chris und mir.
Am Nachmittag gingen wir schlendernd durch die Stadt zum Kino. Chris hatte den Arm um meine Taille gelegt und zog mich mit jedem Schritt näher an sich heran, bis wir im Gleichschritt so eng nebeneinander hergingen, dass wir sicher wie eine Person wirken mussten. Ich genoss diese Nähe.
Mit geschlossenen Augen ließ ich mich von Chris leiten und verlor mich in Tagträume. Ich dachte über meine Zukunft nach. Doch egal in welche Richtung ich dachte. Eine Zukunft ohne Peter schien mir irgendwie leer. Aber musste es eine Zukunft ohne Peter sein?
Ich wunderte mich, dass ich den „Zustand“ von Peter als so selbstverständlich hinnahm. Eigentlich war ich immer der Meinung, dass Vampire und all diese Dinge in der Realität nicht existierten.
Chris schien bemerkt zu haben, dass ich in Gedanken war, denn er war mit mir stehen geblieben und sah mich nachdenklich an.
„ Alles in Ordnung bei dir?“
„ Im Grunde schon, nur frage ich mich grade wie es weiter geht? Wie meine oder unsere Zukunft verlaufen wird?“ sagte ich leise.
„ Was meinst du damit? Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, dann sag es doch einfach!“ Empörung schwang in seiner Stimme mit.
Ich fiel aus allen Wolken. Er hatte meine Aussage völlig falsch verstanden.
Texte: Tina Streibel
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2012
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