Cover

Wie so oft, hatte Fred seinen Gang durch den kleinen Garten mit einem Seufzer beendet. Eigentlich war heute der Tag, an dem er mit seiner Gerda auf der Bank unter der Eiche ein Glas Sekt trinken würde. Doch Gerda war nicht mehr da. E s gab keinen Hochzeitstag mehr. Es gab überhaupt keinen Tag mehr, an dem Fred mit Gerda ein Glas Sekt trinken konnte, denn Gerda war nach München gezogen, zu einem anderen Mann.

Fred setzte sich auf die Steinplatten seiner Terrasse. Direkt vor seinen Augen blühte die erste Rose. Der Rosenbusch war voller Knospen, doch Fred sah diese Pracht der Natur nicht wirklich. Irgendein Teil in ihm wollte sie vielleicht auch gar nicht sehen. Die Rosenblüte war nicht allein, so wie er. Noch ein paar Sonnenstrahlen und der Busch würde über und über von ihnen bedeckt sein. Er würde aussehen, als ob er brenne, so flammend rot waren seine Blüten. Eine Blüte so schön wie die andere. Rosen kannten keine Konkurrenz, sie waren alle schön.
Wie so oft, in den letzten Tagen, so kurz vor dem Hochzeitstag, gingen Freds Gedanken spazieren. Sie machten was sie wollten. Er war ihnen ausgeliefert. Fred konnte dieses Problem immer noch nicht lösen.
Das Wasser in seinem Glas hatte weder Sprudel noch Geschmack, als Fred gedankenversunken trank.

Als er aufstand, fiel sein Blick nun doch bewusster auf die Rosenblüte. Er ging zum Rosenbusch und pflückte sie, die erste rote Rose. Sie leuchtete herrlich in der Sonne. Fred ging mit ihr in sein Wohnzimmer und stellte sie in eine schlichte Vase. Neben dem Fernseher stand das Foto von Gerda. Dieses verflixte Bild. Fred konnte die Augen nicht von ihm lassen und der Schmerz, der sich jedes Mal in seiner Brust ausbreitete, war lang nicht mehr bittersüß, sondern nur noch bitter.

Wie er so stand mit der Vase in der Hand, schaute er erst auf das Foto und dann auf die Rose. Ohne einen weiteren Gedanken nahm Fred das Bild und stellte stattdessen die Rose auf den Platz.
Es gab keinen dramatischen Knall, als der Bilderrahmen auf dem leeren Grund der Mülltonne zersprang. Zufrieden schloss Fred wieder den Deckel und ging zurück ins Wohnzimmer.
Ja, dass war er wohl, der Anfang, seine Lösung!

„Ich werde solange vom Busch eine Rose pflücken und in die Vase stellen, bis mein Schmerz vergeht“, murmelte er leise, „eine Rose für die guten Zeiten, eine Rose für die schlechten Zeiten. Eine Rose für jedes Lachen und eine für jedes Weinen…“hier hielt er kurz inne, um dann mit kräftiger Stimme fortzufahren. „Eine Rose für alle guten und eine für alle schlechten Worte, die zwischen uns wechselten und uns verbanden.“
Rosen wuchsen viele und jedes Jahr aufs Neue.
Zufrieden blickte er auf die Vase mit der Rose. Sie soll ihn an die Zeit mit Gerda erinnern und zum Symbol des Lebensteiles werden, der nun bereits in seiner Vergangenheit liegt. Diese Zeit ist auch seine Lebenszeit. Er will sie ehren, Rose für Rose, bis seine Trauer geheilt ist. Freds Gedanken waren ruhig geworden.

Er setze sich wieder auf die Terrasse und nun blickte er erwartungsvoll und lächelnd auf die vielen Knospen seines Rosenbuschs.

Impressum

Texte: Coverbild und Text (c)Gabriele Ende
Tag der Veröffentlichung: 20.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /