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In einem Dorf lebte eine junge Frau im Kreise ihrer Familie. Doch sie war nicht glücklich. Jeden Tag erledigte sie ihre Aufgaben. Sorgte für ihre Familie und auch für die Tiere auf dem Hof. Die Jahre vergingen und sie fühlte sich immer unglücklicher. Keiner ihre Wünsche hatte sich erfüllt, auch nicht der Kleinste, und so hatte sie alle mit der Zeit wieder vergessen. Alle, bis auf einen. An diesem Wunsch wollte sie festhalten.
Wieder vergingen viele Jahre. Inzwischen waren die Haare der Frau an den Schläfen grau geworden. Gram zeichnete Bögen in ihre Mundwinkel und ihr Schritt hatte alle Kraft verloren.
Eines Tages begegnete ihr auf der Dorfstraße eine fremde Alte.

“Warum siehst du so traurig aus“?

sprach diese sie an. Erstaunt blieb die Frau stehen und betrachtete sie neugierig. Die ganze Gestalt war in Tücher gehüllt. Das Gesicht der Alten war zerfurcht von Falten, zwischen denen zwei Augen im Wettstreit mit einem, fast zahnlosem Mund lächelten. Ihre Augen hatten das gleiche tiefe Grün, wie der Dorfteich und schienen alterslos.
„Ach“,

antwortete die Frau, „nie hat sich mir ein Wunsch erfüllt. Wie könnte ich da glücklich sein?“


Die Alte blickte sie lächelnd an. „Da kenne ich eine Lösung“

sagte sie.
„Hinter dem nächsten Dorf, auf dem Hügel hinter dem Feld, da steht doch der Wunschbaum. Wenn du deinen Wunsch auf einen Zettel schreibst und diesen an einem der Äste des Baumes befestigst, dann geht dein Wunsch in Erfüllung“


„Wirklich?“

fragte erstaunt die Frau und blickte prüfend in das Gesicht der Alten, ob diese auch ernsthaft mit ihr sprach.
“Aber ja“

sagte diese freundlich, „ich wundere mich, dass du ihn nicht kennst. Doch gibt es noch eine Bedingung. Du musst einen der Wunschzettel, die dort bereits hängen, auswählen und mit dir nehmen, wenn du den Ort wieder verlässt.“



Die Frau bedankte sich und eilte davon. In den frühen Nachmittagstunden hatte die Frau den Wunschbaum erreicht. Bereits von weitem sah sie die vielen Zettel, die zwischen dem Grün der Blätter im Winde wehten. Es sah fast aus, als ob diese tanzten. Klopfenden Herzens und noch ein wenig außer Atem befestigte sie sofort ihren Wunschzettel am untersten Ast.
„Nun muss ich einen der anderen Zettel mitnehmen, damit sich mein Schicksal erfüllt“,

flüsterte sie leise. „Ich suche mir einen aus“.


Auf Zehenspitzen balancierend, zog sie den nächsten Ast zu sich herab und begann den ersten der vielen Zettel, die an ihm befestigt waren, zu lesen.

Die Sonne hatte sich purpurn gefärbt und ihr Schein legte sich mit der Dämmerung über das Land. In der Ferne sangen Vögel ihre Abendlieder, sonst war es still. Inzwischen hatte die Frau den letzten aller Wunschzettel gelesen.
Sie ging um den Baum herum, nahm ihren eigenen Zettel wieder vom untersten Ast und verlies mit aufrechtem Gang und festem Schritt den Hügel. Ihr Gesicht war ernst und ihre Augen blickten klar.

Impressum

Texte: Coverbild by Gabriele Ende
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
All jenen, die sich gerade etwas wünschen...

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