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Wie jeder neue Tag mit einem Morgen beginnt, so begann ihr neuer Tag wie immer mit dem Öffnen der Augen. Noch schwebte der Traum hinter ihren Lidern. Die meisten Traumbilder waren dennoch schon verflogen, aber nicht alle. Sie schloss noch einmal die Augen und erinnerte sich an einen langen Weg, an Prüfungen und Herausforderungen. Auch bedrohliche Situationen waren ihr noch verschwommen bewusst, und ihr Herz begann wie wild zu klopfen. Und dann war die Erinnerung wieder da.

Sie war blind gewesen im Traum. Hatte nichts sehen können, nur fühlen. Und sie erinnerte sich daran, dass ihr einziger Wunsch der war, sehen zu können. Über diesem Wunsch begann sie zu vergessen, wie sanft sich die Blätter der Blumen anfühlten. Vergaß die raue Rinde der Bäume zu berühren und deren Kraft zu spüren. Auch hatte sie das Interesse verloren, den Geschichten des Windes zu lauschen und die warmen Berührungen der Sonne zu fühlen. Keine Schneeflocke konnte sie mehr begeistern, wenn sie auf ihr Gesicht fiel und dort sanft schmolz. Sie vergaß mit den Vögeln zu singen und den Kindern zu lauschen.
Und eines Tages hatte sie auch vergessen zu fühlen, und beschäftigte sich nur noch mit ihren Gedanken und Wünschen. Wie in einem Kreislauf kam ein einziges Wort auf sie zu. Warum! Sie wollte sehen, überlegte bis ihr der Kopf schmerzte. Mit jedem neuen Tag begann der Kreislauf von neuem, bis zu jenem Tag....

... sie saß vor einem offenen Fenster und spürte weder die Sonne noch den Hauch des Windes. Das „WARUM“ kreiste schon seit Stunden durch ihren Geist bis es noch dunkler um sie wurde, als es bereits schon war. Selbst den Schmerz im Kopf begann sie nicht mehr zu spüren. Es war fast so, als sei sie in einer inneren dunklen, fast schwarzen Höhle verloren gegangen. Als lehnte sie dort in der schwärzesten Schwärze irgendwo an einer kalten und harten Mauer, ohne von sich zu wissen oder zu ahnen.
In Wirklichkeit aber saß wie immer am Fenster, in Gedanken versunken. Auch an jenem Tag, den sie nie mehr vergessen würde.

An diesem Tag hörte sie plötzlich ein Rauschen, welches immer lauter wurde. Mit ihm kam ein Sog, der um sie wirbelte und sie regelrecht aus dem Stuhl hob. Wohin auch immer, wie weit auch immer..... sie wurde davon getragen. Nun kam ihr Fühlen tausendfach zurück als Angst. Schlug auf sie ein und wirbelte mit ihr durch die Zeit. Woher, wohin? Tiefe unverständliche Stimmen riefen ihren Namen. Die Töne drangen in sie ein und breiteten sich aus. Hallten in ihrem ganzen Körper wie ein Echo und versammelten sich in ihrem Kopf. Der Wirbel verstärke sich und zerrte nun an ihrem Körper, als wollte er ihn in tausend Stücke reißen. Fegte mit ihr davon, durch sie durch und knallte eiskalt in ihren Geist. Auch der letzte Gedanke wurde dort zerrissen. Kein Wort konnte bleiben. Alles wurde verwirbelt bis nichts mehr da war als Leere.

Dann war es mit einem Mal still. Kein Geräusch war zu hören. Die Stimmen hatten aufgehört. Es gab nur noch die Stille und mit einem Mal wurde ihr auch bewusst, dass der Wirbel nicht mehr war. Sie fühlte sich getragen, sanft und leicht. Fast schwebte sie. Und nun konnte sie es auch sehen, das sanfte Licht. Ein Leuchten war um sie und in ihr und mit diesem Leuchten spürte sie auch ihr Fühlen. Es war zurück.




Sie öffnete ihre Augen wieder und legte ihre Hände lächelnd auf ihr Herz.

Impressum

Texte: Alle Rechte für Text und Titelbild by Gabriele Ende
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
... gewidmet all jenen Menschen, die nicht vergessen haben, dass jedem Augenblick auch ein Neubeginn inneliegt.

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